Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

36. Kapitel - Die Bedeutung des Turmbaus zu Babel

Von der antichristlichen babylonischen Hure aller Zungen, Völker und Sprachen, und was unter den Sprachen und dem Turm zu Babel verborgen liegt. (1.Mose 11.1-9)

Eine offene Pforte des Geheimnisses des großen Babylons

36.1. Geneigter Leser, ich will dich in Liebe gewarnt haben, unseren Sinn nicht als eine heftige Erregung von uns verstehen zu wollen, um jemanden zu schmähen oder persönlich zu verachten, viel weniger, um jemanden in seinem Stand und seinen Ehren in heftiger Erregung anzugreifen, sondern wir sollen allgemein reden. Ein jeder prüfe sich selber, und er wird das große Geheimnis des babylonischen Turms wohl an sich finden, und auch die Zahl des falschen Tieres. Er lese nur unseren Sinn mit Geduld und rechne sich selber nach seiner bösartig angeerbten Eigenschaft mit darunter, so daß dann wahrhaftig der irdisch sterbliche Mensch von allen Menschen unter diesen Text gehört.

36.2. Wir werden hier schreiben, was die Zeit geboren und offenbart hat. Und wenn es nicht durch Menschen offenbart würde, dann würden es doch die Tiere offenbaren müssen. Denn die Zeit ist geboren, und es hilft kein Wehren: Der Höchste führt sein Werk aus.

36.3. Moses sagt: »Nimrod, Hams Sohn, habe zu Babel sein Reich begonnen und war der erste Herr auf Erden nach der Sündflut gewesen und ein Anfänger des Turms und der Stadt Babylon.« Darunter ist aber nicht zu verstehen, daß nur die Kinder von Ham den Turm bauen wollten, sondern auch die von Japhet und Sem. Denn sie waren alle noch beieinander und wollten einen Turm bauen, dessen Spitze in den Himmel reicht, um sich einen großen Namen zu machen.

36.4. Dieser Turm, bei dem die große Stadt Babel stand und an dem sich die Zungen zerteilt haben, ist eine Bildung des abgefallenen irdischen Menschen, der in die Ichheit eingegangen ist und in sich das geformte Wort Gottes zu einem Abgott gemacht hat. Denn des Turmes Art war diese, daß er als ein großes Wunder dastehen sollte, welches die Menschen in ihrem Denken gemacht hatten, um damit zu Gott aufzusteigen. Damit deutet er die verlorene menschliche Vernunft von Gott und seinem Wohnen und Wesen an.

36.5. Der Mensch hatte sich durch die Begierde mit der Vernunft zu einer Selbst-Eigenheit in die sinnliche Zunge verdichtet und in ein Eigentum gefaßt. Und in diesem Fassen war der wahre Geist der gedanklichen Zunge aus den fünf Selbstlauten („IEOUA“) von ihm gewichen.

36.6. Darunter ist nicht zu verstehen, daß dieser Geist von seinem Geschöpf gewichen war. Sondern nur der freie Wille des Menschen im geformten Wort der stummen Buchstaben, darin sich der Geist der fünf Selbstlaute als der ungeformte Geist Gottes offenbarte, hatte sich aus der Gelassenheit des ungeformten Geistes in eine Eigenheit und ein Selberwollen wie in einen eigenen Gott hineingeführt. Dessen Sinnbild war der Turm, mit dem die Menschen zu Babel im eigengefaßten Willen und Denken zu Gott kommen und steigen wollten. Sie selber waren vom Geist Gottes abgegangen und wollten sich das Reich Gottes in der Ichheit durch eigenes Vermögen nehmen. Sie wollten mit Gut und Böse in die Eigenschaft von Gottes Heiligkeit (bzw. Ganzheitlichkeit) mit ihrem eigenen selbergeborenen Willen eingehen. Das deutet die zerteilten Zungen an, weil sich jede Eigenschaft in eine Eigenheit und einen eigenen Verstand aus der allgemeinen sinnlichen Zunge hineingeführt hat, so daß sie einander nicht mehr verstanden, weil die (ganzheitliche) Vernunft gefaßt und in eine (begriffliche) Eigenheit geführt wurde, nämlich aus und nach den drei Alphabeten.

36.7. Diese gefaßte Zunge hat der Heilige Geist am Pfingsttag in der Predigt von St. Petrus wieder eröffnet, als Petrus aus der eröffneten sinnlichen Zunge in einer Sprache alle Sprachen sprach. Und das war auch Adams Sprache, daraus er allen Geschöpfen Namen gab.

36.8. So versteht uns recht, was Babel und der Turm zu Babel andeuten: Die Stadt Babel ist der Ham-Mensch, der diese Stadt auf Erden baut. Der Turm ist sein eigenwillig erwählter Gott und Gottesdienst. Und alle Verstandes-Gelehrten aus der Schule dieser Welt sind die Baumeister dieses Turmes. Denn all jene, die sich ohne Gottes Geist zu Lehrern aufspielen und von Menschen dazu berufen werden, werden von der Welt her die Werkmeister an diesem Turm und Abgott, und niemand anders. Sie schnitzen allesamt nur Steine und Holz zu diesem Turm.

36.9. Denn auch der Name Nimrod zeigt das ganz klar in seinem eigenen Sinn des geformten Wortes an, daß es eine gefaßte und zusammenverdichtete Lust sei, die sich wie ein eigener Gott in die Höhe schwingt, dessen Bild der Turm war. Gott ließ sie in ihrem verwirrten Verstand die Bildung ihrer Eigenschaft darstellen, als ein Bild, was nun der Mensch vor Gott geworden war.

36.10. Nun fragt der Verstand: „Warum ließ Gott das geschehen?“ Es mußte so sein, damit sich die Wunder der Weisheit im ungeformten Wort der fünf Selbstlaute durch das geformte Wort der drei Prinzipien in eine Form oder äußerliche Beschaulichkeit hineinführten, als eine Nachmodelung oder Formung. Denn die finstere Welt von Gottes Zorn war im Menschen offenbar geworden, daraus die grobe irdische Eigenschaft geboren worden war, welche auch den Menschen ganz gefangen hatte. Und die stellte auch ihr Bild wie einen eigenen Gott dar.

36.11. So war nun der Turm ein Bild der finsteren Welt, weil die Menschen in der finsteren Ichheit Gott schauen wollten. Das deutet den irdischen Menschen an, der vor Gott wie dieser Turm steht und ein Bild göttlicher Beschaulichkeit nach Gut und Böse ist, gleich einem gemalten Leben. Denn das wirkliche menschliche Leben war das geformte Wort, und das war in der eigenen Begierde zur Ichheit ein solches Bild vor Gott, wie dieser Turm.

36.12. Alle Menschen von Adam her, die jemals ohne göttliche Beschaulichkeit des göttlichen Geistes in sich selbst von Gott lehrten, haben alle aus diesem Turm der verwirrten Zungen geredet und gelehrt. Und daher ist der Streit um Gott und seinen Willen und sein Wesen entstanden, so daß man in der Ichheit um Gott zankte: Einer hat gesagt, man sollte Ziegeln zum Bau des Turmes bringen, der zweite Steine, der dritte Kalk, der vierte Holz, Wasser oder andere Notdurft. Und deren Werkmeister sind vielerlei gewesen, ein jeder aus der Eigenschaft seiner Zunge, und ein jeder wollte den Turm auf seinen Grund der Eigenschaft bauen. Einer hat in seiner Landeseigenschaft Steine dazu gehabt, der zweite Leim, der dritte Kalk und der vierte Holz, und ein jeder meinte, daß er den Turm aus der Eigenschaft seiner Materie allein für sich bauen kann, nämlich zu einem großen Wunder, damit alle Welt darauf sehen soll, was er gebaut habe.

36.13. Doch wenn es dann die anderen Völker aus anderen Ländern gesehen haben, was dieser gebaut hatte, dann haben sie es verachtet und gesagt, ihre Landeseigenschaft der Materie sei besser zum Turm, und haben aus Verachtung angefangen, den Turm für sich zu bauen, und diesen auch gelobt, welcher von anderen wiederum verachtet worden ist, und haben auch ihres Landes Materie für besser gehalten. Das ging so lange, bis sie in ihrem Stolz und Zank so uneinig wurden, daß sie vom Turm abließen und übereinander herfielen, um sich wegen der Erkenntnis des Turms zu Babel gegenseitig zu ermorden, zu töten und zu verfolgen. Und welche Partei dann überlegen war, die hat am Turm wieder aus ihrer Eigenschaft gebaut, bis sich wieder Völker erhoben und ihre Materie für besser erachtet haben.

36.14. Denn die Sprachen zur Vernunft waren nun verwirrt und zerteilt, und darum haben die Völker eines des anderen Eigenschaft nicht mehr erkannt noch verstanden. Und so hat ein jedes Volk gemeint, daß das andere in der Kraft der Vernunft des geformten Wortes fremd sei. Daraus ist die Verachtung der Religionen nach dem Verstand des Wortes entstanden, denn die sinnliche Zunge wurde nach der Vielfalt der Eigenschaften verdichtet.

36.15. Und so ergötzt sich nun der Grimm der ewigen Natur im Streit der Menschen mit verdichteten Worten der Zungen, und auch der darin wohnende Fürst der Teufel in seinen Legionen. Und so herrscht der Antichrist (welcher der Turm zu Babel ist, als der eigene Wille des Ham-Menschen) im Tempel Gottes und hat sich an die Stelle des Heiligen Geistes gesetzt.

36.16. Denn der Tempel Gottes ist das geformte Wort der menschlichen Sprachen und Zungen in der menschlichen Vernunft, wie geschrieben steht: »Das Wort ist dir nah, nämlich in deinem Mund und Herzen.« Und der Gegensatz dazu und die Wohnung des Teufels ist die tierische Eigenschaft aus der finsteren Welt.

36.17. In dieses geformte Wort göttlicher Vernunft hat sich der Antichrist als der Wille der Ichheit aus den Eigenschaften der Natur hineingesetzt und erglänzt mit seiner Eigenschaft der Natur als wäre er Gott. Doch er ist nur der verdammte und verfluchte Sohn, der zum Tod erkoren ist und Gottes Reich nicht erben kann, denn er ist nicht aus Gottes Willen zur Kreatur geworden, sondern aus dem Willen der Ichheit. Wie auch der Teufel, welcher ein Engel war, aus dem Willen der finsteren Welt, der sich in ihm emporschwang, ein Teufel wurde.

36.18. So können wir auch das antichristlich babylonische Tier des eigenen Verstandes-Willens erkennen, das sich göttlich nennt, aber nur ein Tierwesen des wahren Menschen ist, der in Adam dem heiligen Bild Gottes der geistigen Welt abstarb und im Wort, das sich in menschlicher Eigenschaft in Christus wieder offenbarte, neugeboren werden soll und muß, oder er kann das heilige Wort, als das ungeformte göttliche Wort der Kraft, nicht sehen.

36.19. Dieses heilige Wort muß wieder in die verdichtete sinnliche Zunge eingehen und diese zerschellen, damit die ganzheitliche Vernunft aller Zungen wieder in einer offenbar werde, wie Christus vom Eckstein sagt, welcher ein Fels des Ärgernisses wäre, denn auf wen er fallen würde, den würde er zerschellen. (Luk. 20.17)

36.20. So versteht uns nun, was der Antichrist oder die babylonische Hure mit dem Drachentier (wie in Offb. 17 zu sehen) sei: Ein jeder Mensch, der nicht wieder aus Gott geboren ist, hat das Malzeichen des Tieres und der falschen Hure an sich.

36.21. Das Tier ist der animalische irdische Ham-Mensch aus dem Stoff der Erde nach der Grobheit und Bosheit der Erde, welcher aus der finsteren Welt entstanden ist und im Fluch Gottes steht. Dieses Tier war in Adam und Eva entstanden, als sie nach Gut und Böse imaginierten und in eine Eigenheit von göttlicher Kraft und Willen eingegangen waren, und ist vor Gott nur ein Tier. Dieses Tier hat der Teufel mit seiner Begierde infiziert und ganz monströs gemacht, und seine Begierde dahinein geführt, daß es nur nach Eitelkeit gelüstet, wie eine Kuh nach Gras.

36.22. Aber die Hure des Tieres ist die arme, in der Eitelkeit gefangene Seele, welche im geformten Wort der drei Prinzipien steht. Sie war Gottes Bild, aber hat sich durch die Lust des Tierwesens einen eigenen Willen geboren, welcher von Gott in die Ichheit gegangen ist, als eine eigene selbergeborene Kreatur, die da tut, was sie will, und nicht was Gottes Geist will. Dieser eigene, von Gott abtrünnige Wille ist die Hure des Tieres, die mit sich selber im überheblichen Stolz der Ichheit hurt.

36.23. Nun liegt aber die arme gefangene Seele in diesem groben Tier und im eigengeborenen Willen wie in einer Hure gefangen und sehnt sich nach Gott, aus dem sie ausgegangen ist und in das geschaffene Bild eingeblasen wurde. Und sie sieht sich nach allen Seiten um, wo ihr wahres Vaterland der Ruhe ist. So findet sie, daß sie mit dieser Hure bekleidet und bedeckt ist, und führt ihre Begierde in diesen Huren-Willen, und sucht (damit) die Stätte Gottes zur Ruhe. So nimmt der Hurenwille die Begierde der armen gefangenen Seele in sich ein und schwingt sich damit empor, und läßt sich dünken, sie sei in der Seelenbegierde das schöne Kind Gottes, das den Himmel besitzen soll, und ruft sich für heilig aus, und stellt sich wie einen Gott dar, den man ehren und anbeten soll.

36.24. Und weil dieses Hurenkind als der falsche Wille der Ichheit die Stätte Gottes nicht schauen kann, was und wo Gott sei, so geht der falsche Wille den Weg seiner Eigenschaft und faßt sich in das offenbarte Wort der Buchstaben, als in den geformten Hall der Kinder Gottes (der heiligen Propheten), die aus dem lebendigen Wort gesprochen haben, und stellt seine gefaßte Form des eigenen gefaßten Wesens in das Buchstabenwort hinein, und bekleidet sich äußerlich mit dem Buchstabenwort, steht da, trotzt und sagt: „Hier ist die Stätte Gottes! Hier ist der Himmel, und hier ist Gott offenbar!“ Aber es ist nur ein Hurenkind vor Gott, und ist zur Verdammnis bestimmt, denn Gott hatte es nicht geschaffen. Es ist aus der Seele Lust geboren worden, als sie ihr Antlitz von Gott in das Zentrum führte und Böses und Gutes schmecken und probieren wollte.

36.25. Dieses Hurenkind sitzt auf dem tierischen monströsen Menschen und reitet auf ihm, wie auf seinem Pferd, und ist halb Teufel und halb Tier. Das soll und muß sterben, oder die Seele wird nicht erlöst werden, so daß sie wieder Gottes Antlitz schauen kann.

36.26. Diese Hure hat ihre Kraft und ihren Verstand aus der Natur, und zwar durch die Verdichtung von Gut und Böse aus der finsteren und äußeren Welt genommen, und hat das edle Bild Gottes aus dem himmlischen Wesen in sich verschlungen.

36.27. Hier ist der Schweinehirt, wie Christus sagt, der sein väterliches Erbe mit den Schweinen verzehrt hat. Er versteht darunter die arme Seele, die ihre himmlischen Güter im himmlischen Wesen mit dieser Hure des bösen eigenen Teufelswillens verschlungen und verzehrt hat, so daß sie vor Gott wie ein zerlumpter Schweinehirt steht und die Frucht der bösen Hure hütet, als des Teufels Mastschweine auf Erden, welche alle gottlosen Menschen in ihren Früchten sind.

36.28. So verstehen wir, was die antichristlich babylonische Hure am Menschen ist, die aus den zerteilten Eigenschaften entstand, nämlich aus Adam, in dem die Eigenschaften aus der Ausgeglichenheit auseinandergingen, eine jede in ihre eigene Begierde und Lust zur Eigenheit, davon Adam irdisch und sterblich wurde, und daraus danach der Baum der Vielfalt der Zungen und Sprachen aus einer einigen Zunge entstand.

36.29. So erkennt nun dies, daß aus den zerteilten Zungen die Vielfalt des Glaubens geboren worden ist, so daß sich fast ein jedes Volk in besondere Meinungen von Gottes Wesen und Willen hineingeführt hat. Und darin steht die Verwirrung, als das Geheimnis des großen Babylons, davon der Geist Gottes aus der prophetischen Wurzel weissagt, sowohl aus der Linie Christi, wie Christus der armen gefangenen Seele wieder zu Hilfe kommen und ihr wahres Leben wieder gebären würde, als auch aus der großen Verwirrung (Turba Magna), wie dieses Tier samt der Hure von Gottes Antlitz in den feurigen Pfuhl geworfen werden solle.

36.30. In diese Hure der Ichheit haben sich alle falschen Geistlichen gekleidet, die sich ohne Gottes Geist zu Lehrern vom Geheimnis des göttlichen Reichs erhoben haben. Äußerlich haben sie das prophetische und apostolische Wort über sich gedeckt und sich auf das Zeugnis der Bibel berufen, aber sie haben ihren eigenen Sinn aus dem Wesen der Hure hineingeführt, hingen im Herzen an der fleischlichen Hure und haben die sinnliche, prophetische und apostolische Zunge nicht erkannt.

36.31. Sie haben nur aus dem Sinn ihrer tierischen Ichheit durch das prophetische und apostolische Wort geredet und Christi Wort in ihrem Sinn der eigenen Hurerei geführt und Hurerei getrieben, und haben ihr Hurenkind unter Christi Purpurmantel mit Silber, Gold und Edelsteinen, wie auch mit weltlicher Ehre, Gunst und Reichtum geschmückt.

36.32. Denen sind die Menschen nachgelaufen, haben sie für Götter gehalten und mit ihrem Hurenkind gebuhlt, obwohl doch ihr Herz nimmermehr eins war und auch auf keinem einigen Grund stand. Und das ist es, was der Prophet Daniel sagt: »Sie werden einen Gott verehren, von dem ihre Väter nichts gewußt haben, mit Silber, Gold und Edelsteinen, und denen, die ihnen helfen, Mäusim (die stolze Ich-Festung) zu stärken, das Land zum Erbe austeilen. (Dan. 11.38)« Dieses ganze Kapitel (von Daniel 11) gehört hierher.

36.33. Wenn wir nun diesen babylonischen Turm recht ansehen, was er jetzt in Christi Reich auf Erden ist und was er unter Moses und bei den Heiden gewesen war, dann finden wir klar, daß er bei allen dreien die gleiche Eigenschaft hat, wie auch bei den Türken und jetzigen Juden. Aber ein jedes Volk baut ihn aus seiner eigenen Materie. Doch in der wahren allgemeinen sinnlichen Zunge, wenn diese in Einem offenbar ist, sind wir allzumal nur ein einiges Volk aus Adam her.

36.34. Daß wir aber zertrennt sind und in Meinungen hineingeführt wurden, das verursachten die Baumeister, nämlich die hohen Schulen, Pfaffen, Päpste, Bischöfe und Doktoren, wie auch die Rabbiner und Meister aller Völker, die zu Werkmeistern des Turms gesetzt wurden. Sie alle haben aus ihren eigenen Sprachen und natürlichem Verstand gerichtet, und zwar aus der gefaßten und geformten sinnlichen Zunge, aus den äußeren Buchstaben, und weder Gott noch das Licht der Natur erkannt, sind in beiden blind und stumm gewesen, sowohl die Juden als auch die Heiden, wie auch die selbergemachten Lehrer der Christen.

36.35. Alles, was ohne Gottes Geist unter Juden, Heiden, Christen und Türken ohne göttliche Vernunft gelaufen ist, hat nur diesen Turm in eigener Essenz erbaut, und so ist er ein Turm der großen Wunder Gottes, aus göttlicher Beschaulichkeit nach Licht und Finsternis, nach Leben und Tod, nach Freude und Leid.

36.36. Das heißt nicht, daß dieser Turm nutzlos vor Gott sei. Er ist das große Geheimnis göttlicher Offenbarung nach Liebe und Zorn. Gleichwie Gott aus dem großen Mysterium allerlei gute und böse Tiere sowie allerlei Vögel, Würmer, Bäume und Kräuter geschaffen hat, nämlich zu seiner Offenbarung der großen Wunder, so hat auch der menschliche Baum durch seine sinnliche Zunge solche Wunder aus der Vielfalt der Eigenschaften hervorbracht und in ein Wesen zu ihrem Wachsen geführt. Und zwar zur großen Einernte Gottes, wenn jede Eigenschaft aus Liebe und Zorn, aus Licht und Finsternis seine Frucht einernten und ein jedes seinen Himmel in sich selbst besitzen wird, in seinem eigenen gefaßten Wesen aus dem einigen Wort Gottes, das sich allem Leben eingegeben hat, einem jeden Leben nach und aus seinem Prinzip entsprechend seiner Eigenschaft als ein allgemeines Wort zur herrlichen Offenbarung der Ewigkeit.

36.37. Wenn wir nun dieses Tier mit der Hure weiter betrachten, was es in sich selber von innen und außen sei, dann finden wir, daß es das geformte verdichtete Wort der Geister der Buchstaben ist. Denn die Menschen sind in ihrem Leben alle von einerlei Eigenschaft, alle aus einem Fleisch und einer Seele gezeugt, und haben alle nur ein einiges Leben, wie ein Baum in vielen Ästen und Zweigen. Obwohl diese Äste zueinander unterschiedlich in der Form erscheinen, haben sie doch alle einerlei Saft und Kraft. So ist auch die Schöpfung der Menschen unter Juden, Christen, Türken und Heiden.

36.38. Und dies ist der einzige Unterschied, daß uns die Geister der Buchstaben im geformten Wort unseres Verstandes scheiden. Ansonsten leben wir alle gleich in den vier Elementen, essen von einer Mutter Früchte und bleiben in ihr, solange wir diesem äußeren Leben nicht absterben.

36.39. Die verdichtete sinnliche Zunge, die sich in den Geistern der Buchstaben zerteilt hat, macht uns irre, so daß wir vermeinen, wir sind einander fremd, und sind doch alle nur ein einiger Baum, den der Teufel in Adam mit seiner Begierde vergiftete, so daß sich die Gleichheit in eine Ungleichheit ausgeführt hat, daraus die Geister der Buchstaben offenbar geworden sind. Deshalb reden wir aus vielen Sprachen, das heißt, daß wir das kräftige Wort Gottes in die Vielfalt der zerteilten Eigenschaften hineingeführt haben, und in der Eigenschaft jeder Zunge eine Ichheit oder eigene Begierde zur Einfassung geschaffen haben.

36.40. Daraus entstehen Widerwärtigkeit und Bilder, weil wir das ungeformte Wort in (gegensätzliche) Bilder hineingeführt haben. Nun streiten wir um diese Bilder, weil ein jeder meint, er habe ein besseres. Und wenn man diese Bilder alle wieder in Eine Sprache hineinführt und die Bilder tötet, dann ist das einige lebendigmachende Wort Gottes offenbar, das allen Dingen Leben und Kraft gibt, und der Streit hat ein Ende, und Gott ist Alles in Allem.

36.41. Darum sagen wir, wie wir es in der Gnade des Einen erkannt haben, daß aller Menschen Denken und Wissenschaft von Gott, seinem Wesen und Willen ohne göttliches Licht (bzw. ganzheitliches Bewußtsein) dieses Hurentier ist, das aus den verdichteten Geistern der Buchstaben entstanden ist, mit denen man um die Geister der Buchstaben zankt.

36.42. Wir haben die fünf Selbstlaute (IEOUA) im Alphabet verloren (bzw. vergessen), welche die Geister der Buchstaben alle in eine Harmonie hineinführen, und die fünf Selbstlaute sind gleichsam stumm geworden gegenüber den anderen Buchstaben, und sind doch der anderen Leben, denn ohne Selbstlaute kann kein Wort gebildet werden.

36.43. So ist uns jetzt kein besserer Rat zur Einigung, damit wir mit uns selber wieder Eins sein können, ein Volk, ein Baum, ein Mensch, eine Seele und ein Leib, als daß wir die Bilder der Buchstaben in uns alle zerbrechen und töten, und kein einziges mehr leben lassen, und nichts mehr von Gott zu wissen begehren und zu wollen, als nur einzig und allein, was Gott in und durch uns wissen will, so daß wir der Seele Hunger und Begierde einzig und allein ohne alles andere Wissen in die fünf Selbstlaute hineinversenken. Denn darin ist der große heilige Name Gottes JEHOVAH oder JESUS offenbar (als das lebendige Wort, das allen Dingen Leben gibt), und nicht nach der Natur Eigenschaft im Unterschied vieler Willen, sondern in der einigen Liebe-Sonne ist er offenbar.

36.44. Gleichwie die äußere Sonne der ganzen Welt Licht und Kraft gibt, so gibt auch dieser einige Name in seiner Kraft allen Buchstaben Leben und Verstand. Und so versteht uns nun richtig, was wir meinen mit der Hurerei der Buchstaben.

36.45. Die Buchstaben, als die Eigenschaften der sinnlichen Zunge, haben sich in eine äußerliche Form oder eigenen Willen und Verstand hineingeführt, und haben sich mit den Selbstlauten in eine Fassung verdichtet. Als dies geschehen war, ist JEsus als der heilige Name JEhOVAh in den Buchstaben mit den fünf Selbstlauten der heiligen einigen geistigen Zunge in der sinnlichen Zunge gestorben. Das heißt, der geistige Mensch, welcher in Gott gelassen ist, ist an der göttlichen Vernunft und am göttlichen Willen abgestorben.

36.46. So ist nun aus dem sinnlichen Geist der anderen Buchstaben (der „Mitlaute“) ein eigenwilliges Tier der Ichheit und Eigenheit geworden, das nur tötet und tote Frucht wirkt. Denn auch Paulus sagt: »Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. (2.Kor. 3.6)« Das versteht so:

36.47. Die zerteilte sinnliche Zunge tötet uns, macht uns uneinig und führt uns nach Babel. Aber der Geist der Selbstlaute, als der heilige Name Gottes, macht uns in sich wieder lebendig. Darum hat sich das heilige Wort der fünf Selbstlaute mit einem teuren Bund sogleich im Paradies, als sich die Geister der Buchstaben trennten und in die Eigenheit der Wunder Gottes eingingen, wieder in die Buchstaben einverleibt, als in den natürlichen Menschen, um sich mit einer Bewegung der verdichteten Zunge wieder zu offenbaren und den heiligen (ganzheitlichen) Sinn wieder in die sinnliche Zunge hineinzuführen.

36.48. So versteht uns recht! Die Buchstabenform in der sinnlichen Zunge ist nun das bösartige Tier, das in eigener Gewalt herrschen will. In dieses böse Tier hat sich der Geist der fünf Selbstlaute hineinbegeben, als der Name JEHOVAH (den JEHSUS mit dem H dahineingehaucht hat). Er hat das böse Tier getötet, nämlich den eigenen Willen und die Geister der Buchstaben. Er hat den wahren natürlichen Menschen mit der Tinktur des heiligen Namens der Selbstlaute und JEHSU wieder tingiert (bzw. geheilt), und den Tod oder Töter in den Buchstaben mit der Liebe getötet und ihm den Willen der Ichheit zerbrochen, so daß sich die Geister der Buchstaben nicht mehr in eine eigene Verdichtung der sinnlichen Zunge hineinführen können. Denn sie sind im eigenen Willen tot, und der Geist JEHOVA in JEHSU ist ihr Leben geworden, so daß sie nicht mehr in ihrer Ichheit als im Grimm der Natur leben, sondern, was sie nun leben, das leben sie in Gott.

36.49. So ist jetzt in uns das Tier der Hure von außen, als im sterblichen Menschen, und innen ist Christus im unsterblichen Menschen, der durch den Tod der Buchstaben hindurchgedrungen ist und den Tod zum Leben gemacht hat.

36.50. Jetzt liegt es nur noch am Menschen, daß er der Bilder der Buchstaben auch in sich absterbe und aus allem Verstandeswissen der Natur und aller babylonischen Baumeister, wie immer sie auch heißen, herausgehe und in dieses einige Leben JEHSU eingehe, und um diesen Weg nicht diskutiere, wo er sei, sondern nur denke, daß er in ihm sei und daß er alles verlassen muß, sei es Kunst oder Klugheit, und einzig allein in sich selbst einig werden, sich nur in Eines hineinführen, nämlich in Gottes Willen, was dieser mit ihm tun und machen wolle. So muß er sich willenlos ergeben und ganz in Gottes Erbarmen lassen, und all sein Lernen in dieses Einige hineinführen, so daß er nichts mehr in seinem Lehren und Lernen tun und reden wolle, außer was Gott durch ihn will. So sterben alle Bilder in ihm, und das seelische Leben fällt in das lebendige Wort hinein, das sich in der Menschheit wieder offenbart hat.

36.51. Denn das ist das große Tier der babylonischen Hure in uns, daß wir uns in Bilder der Buchstaben hineinführen und uns Meinungen machen. Diese Meinung ist wie ein Tier.

36.52. Wir sollen uns auch selber nicht wissen wollen, sondern mit unserem eigenen Willen immerdar sterben und in allen Dingen Gott die Ehre geben, und ihm das alles wiedergeben, was er uns gibt, als da sind Vernunft, Weisheit und Klugheit. Wir sollen erkennen, daß dies nicht unser eigen ist, sondern daß die göttliche Sonne aus und durch uns scheint und in uns wirkt, wie sie will.

36.53. So sollen wir auch unsere Kraft, welche die göttliche Sonne in uns wirkt, allgemein wieder von uns geben, ohne jede Bedingung oder Nutznießung von jemandem. Wer uns unser Leben äußerlich erhalten hilft, dem sollen wir dankbar sein, aber niemanden um seiner Autorität willen heucheln oder seinen falschen Glanz in dieses Sonnenlicht hereinnehmen. Sondern es soll allgemein sein, wie sich der Schein der Sonne allgemein hingibt, und keinem starken Ding etwas anderes gibt, als nur ihre Lauterkeit (bzw. Reinheit). Mit einerlei Kraft tingiert sie die Erde und ihre Kinder und gibt allen Leben und Kraft.

36.54. Hieran soll man nun erkennen, ob einer ein Lehrer von Gott gesandt sei, oder ob er aus dem Geist der Buchstaben hergekommen ist: Ist er allgemein aus der Liebe geboren, dann hat er das Licht göttlicher Erkenntnis, nämlich die sinnlich-göttliche Vernunft, sowie eine tingierte (heilsame) Zunge aus dem göttlichen Wesen der fünf Selbstlaute, und redet aus dem Geist Gottes, straft und lehrt gewaltig, ohne das Ansehen irgendeiner Person. Denn er hat kein Bild in sich, sondern lehrt aus Gottes Geist, was dieser in ihm lehrt.

36.55. Ist er aber ein Baumeister des Turms zu Babel, der aus dem Geist der Buchstaben und der Ungleichheit (der Gegensätze) geboren wurde, dann ist er ein Heuchler, ein Liebkosender derer, die ihn schmücken und ihm helfen, seinen Mäusim (seine Ich-Festung) zu ehren, seinen Buchstabengott in den zerteilten Zungen. Und er ist ein Spötter derer, die ihn in seiner Form nicht ehren, ein eigennütziger und überheblich Stolzer unter glänzendem Schein, ein geiziger, boshafter, neidiger, sich selber Kennender und Ehrender, der von Menschen geehrt sein will. Er mißt sich selber Vernunft und Weisheit zu, rühmt sich der Weisheit und Vernunft, und hat doch keines davon, sondern ist nur ein Maurer am Turm zu Babel, wie eine äußerliche Figur, ein gemalter Christ, der andere lehren will, und ist doch selber ungelehrt von Gott. Denn er lehrt nur aus der Form der verdichteten Geister der Buchstaben, welche sich in Gut und Böse verdichtet haben. Diese nimmt er in eigene Gewalt und verdichtet die Worte zusammen in seine Meinung („Mein-nung“).

36.56. Und diese Meinung ist der Turm zu Babel, und diejenigen, welche ihm zulaufen und sich mit ihm in der Meinung verbinden, sind die Stadt Babel, als die Kinder Nimrods, welche auf diesem Turm in den Himmel steigen wollen. Und sie steigen immerfort ihr ganzes Leben, aber kommen in der Meinung nicht in den Himmel. Sondern wenn die Zeit der äußeren buchstäblichen Konstellation um ist, dann fällt der gebaute Turm um, als der äußere Mensch mitsamt der Meinung, und alles miteinander zerbricht, bis auf die einige Seele, die steht dann nackt und bloß vor Gott.

36.57. Hier ist nun kein Rat, sie habe denn den Einigen Geist der selbstlautenden Buchstaben als das ungeformte Wort in sich, so daß sie es in ihrer Begierde an sich ziehen und sich damit bekleiden kann, damit es die gefaßte verdichtete Zunge und die Bilder der Buchstaben alle zersprengt und in eine einige Zunge und Willen hineinführt, welches Alles in Allem Gott ist. Denn Alles muß wieder in das Eine, als in das Ganze gehen, weil in der Vielfalt nur Streit und Unruhe sind, aber im Einen ist eine ewige Ruhe und kein Widerwille.

36.58. Wenn wir nun den Turm und die Stadt Babel in ihrem geformten Bild auf Erden betrachten wollen, was und wo sie sind, dann finden wir hell vor Augen gemalt, daß es die großen Häuser der Kirchen, Klöster und Burgen sind sowie die festen Mauern und Türme der Städte auf Erden, wo man sich vor Gewalt verbirgt und in den Kirchen, Klöstern und Stiften in den Meinungen vor Gott heuchelt und zu ihm schreit, damit er uns in unserer erdichteten und gefaßten Meinung der Buchstaben annehmen soll.

36.59. Was ist das alles? Eine Abgötterei und Heuchelei, ein Antichrist mit Glanz und Schein! Was bringt man in das scheinheilige Babylon? Nichts als Bilder und selbergefaßte Meinungen aus der buchstäblichen Form. Und was nimmt man mit heim aus diesem scheinheiligen Haus? Nur Bilder der Buchstaben. Und in diese Bilder faßt sich die arme gefangene Seele, welche doch wegen der gefaßten Bilder voller Furcht und Zagen ist, und immerfort fürchtet, ein anderes Volk könnte mit seinen ebenfalls gefaßten Bildern einbrechen und die eigenen Bilder zerstören. Darum hat man große Burgen und Türme sowie Mauern um Städte und Kirchen errichtet, damit man sich wehren kann, und damit der Turm, auf dem sie in den Himmel steigen wollen, nicht zerstört werde.

36.60. Da spricht nun der Verstand: „Das sind ja Lehrhäuser, wo man Unverständige belehrt, und wo man singt und betet!“ Erkenne: Auswendig in und bei den Buchstaben-Menschen ist es nur der Turm und die Stadt Babel. Aber inwendig bei den Kindern Gottes, in denen der Tempel Gottes ist, darin die Bilder zerstört sind, da ist Christus. Das heißt, in denen, welche alle Bilder und Meinungen in sich zerbrochen haben und einzig und allein in sein Erbarmen eingegangen sind (durch Umkehrung aus allen Bildern in die einige Gnade und Barmherzigkeit Gottes), und sich ganz unwürdig, nichtig und wie tot gemacht haben, die da nichts mehr wollen noch begehren, als nur die einige Lauterkeit Gottes in seinem Liebewillen, und sich aller Annehmung viel zu unwürdig erachten, und in höchster Demut in Gottes Erbarmen fallen, gleich als wären sie Nichts, und all ihr Begehren und Willen in Gottes Erbarmen ergeben, und was der in ihnen wolle oder tue, das wollen auch sie, und nichts mehr. In denen, sage ich, ist ein Lehrhaus und Hörhaus, ein Tempel Gottes, wo der Geist Gottes in der Seele lehrt, hört, betet, singt und Gott lobt, denn sie sind aller Ichheit und Selberwollens und Selbermeinens abgestorben und spielen einzig im Lob Gottes, in der Erkenntnis des Heiligen Geistes: Diese sind die Kirche Christi.

36.61. Die andern aber haben nur den Turm zu Babel mit der Meinung in ihren Bildern. Diese Götzen tragen sie in den Steinhaufen und glänzen damit, beten sie an, und tragen sie wieder mit nach Hause, und streiten um sie, als hätten sie den lebendigen Gott in sich, und führen große Kriege um diese Bilder, verwüsten Land und Leute, und sind doch törichter als die Vögel der Lüfte, welche alle in einer Zunge und Vernunft Gott loben und ehren, denn sie sind alle ohne Bild, und was der große Gott mit ihnen tut, damit sind sie zufrieden.

36.62. Der menschliche Baum ist nur ein einiger Baum. Wären sie im einigen Gott, der sie erschaffen hat, geblieben und machten sich keine Bilder, wer wollte sie in Gott uneinig machen? Sie leben und sind doch alle im einigen Gott, und dennoch streiten sie um Gott.

36.63. Um was streiten sie? Um ihre Bilder des Herzens, um die steinernen Häuser der Kirchen und um den überheblichen Stolz auf ihre Bilder. Ein jeder will sein Bild ehren und hoch erheben, gleich einem hohen Turm, damit er ein großes Ansehen in der Stadt Babel habe. Und darum bauen sie Burgen und Mauern, um das Bild zu verwahren, doch heucheln sich selber, und verstehen unter dem gefaßten und gemalten Bild ihren Gott Mäusim (die Ich-Festung), als den fetten Bauch und die Wollust des Tieres dieses Hurenbildes. Dieses Bild setzen sie auf den Turm zu ihrer Scheinheuchelei, damit sie vor Gott glänzen, wie mit einem eigenen geborenen Gott. Aber das Tier führen sie hinter die Mauer, damit es sicher sei und sich dort mästen kann.

36.64. Was ist nun dieses Tier mit der Hure? Es ist halb Teufel, der sein Reich auf Erden hat, und halb ein Tier. Dieses bösartige Tierwesen hat den Menschen als das Bild Gottes verschlungen.

36.65. Und darum ist Gott Mensch geworden, damit er die Werke des Teufels zerstöre, töte und zunichte mache. Und diese göttliche Menschheit müssen wir anziehen und das Reich des Teufels in uns zerstören, und alle Bilder töten, denn anders können wir Gott nicht schauen. Das lebendige Wort muß das buchstäbliche Bild töten.

36.66. Das lebendige Wort ist darum Mensch geworden, damit das buchstäbliche Bild sterbe und der erste Mensch, welcher aus dem lebendigen Wort in Gottes Bild formiert wurde, in Christi Geist im lebendigen Wort wieder neugeboren werde. Und wenn er neu geboren ist, dann sind ihm die Bild-Lehrer viel mehr schädlich als nützlich, denn sie führen nur ihre Bilder in den Tempel Christi hinein und zerstören das (ganzheitliche) Bild Gottes.

36.67. Und das sei hier bei den Kindern Nimrods und dem Turm zu Babel gesagt, wie es uns der Geist so zu erkennen gegeben hat. Und wir ermahnen den Leser in Liebe, sich zu prüfen, dann wird er sich finden, wo er ist. Es wurde nicht geschrieben, um jemanden zu schmähen, sondern so spricht der Geist mit offenem Mund und zeigt an, was alles sei, woher es kommt und wohin es gehen soll.

36.68. Daß aber so viel vom Tier und der Hure zu Babel geschrieben wird, das hat die Ursache, daß es an seinem Ende ist und bald zerbrechen soll. Deshalb muß es offenbar sein, damit man es sehe und erkenne. Denn Babel fällt nicht eher, bevor alles fällt, was die Bilder gemacht hat. Es müssen alle Bilder mitsamt dem Tier und der Hure fallen, sonst ist kein Heilmittel.

36.69. Man hat lange Zeit daran geflickt und jeweils gemeint, man wolle aus der Hure eine Jungfrau machen, aber ihre Hurerei ist dadurch nur geschmückt und größer geworden. Soll diese Hure fallen, dann müssen alle Sekten, welche nur Gebilde der Hure sind, zu Grund und Boden gehen, mitsamt dem Tier, auf dem sie reitet. Ein jeder Mensch muß die Bilder und Abgötter in sich zerbrechen, und wenn sie das nicht tun wollen, dann tut es der Eifer des Herrn.

36.70. Wie schön hebt jetzt die Hure ihr Haupt empor und hört, was der Geist von Zion von der geschmückten heiligen Braut Christi deutet. Da denkt sie, sie sei das schöne Kind, das Gott in einen goldenen Tempel hineinführen wolle, darin eine goldene Zeit und reine Freude und Wollust sei. Und sie sieht um sich, wo denn der schöne Tempel Gottes herkommen werde, in den sie eingehen und zur Jungfrau werden soll. Sie lauscht immerfort, wo denn diese heiligen Leute herkommen, die eine goldene Welt nach ihren Gedanken erschaffen werden.

36.71. Sie denkt aber nicht daran, von ihrer geizigen und wollüstigen Hurerei ablassen und sich bekehren zu wollen. Nein, sie wird nur noch ärger und unzüchtiger und voller Laster, daß an ihr bald kein Gutes mehr ist, und steht vor Gott wie eine Hure am Pranger, die verurteilt wurde.

36.72. Höre du geschmücktes und gekröntes Babylon voller Übel vor Gott und seinen Engeln, wir haben einen Wächter sagen hören: „Rein gemacht! Die Stadt mitsamt dem Turm der Hure und dem Tier ist gefallen und vom Allerhöchsten verurteilt worden.“ Du sollst die Stadt Gottes ewiglich nicht sehen, es sei denn, daß deine Kinder den besudelten Rock voll Schande vor Gott ganz ausziehen und wegwerfen, und ganz nackt und bloß ohne irgendein Bild dem Allerhöchsten zu Füßen fallen und sich zu ihm bekehren. Diese (Füße) mögen sie ja sehen, aber keine der anderen, die auf goldene Berge hoffen, wo man zeitliche Ehre, Geld und Wollust des Fleisches sucht. Amen.

36.73. Hier wird nun der Verstand in diesem obigen Text, als erklärt wurde, daß ein wahrer Christ allen Bildern und eigenem Wissen absterben und ganz in sich zunichte werden muß, zu spekulieren beginnen, zu tadeln und zu sagen, man wolle die natürliche Erkenntnis und äußerlich sinnliche Weisheit verbieten, mit denen man das Leben und alle Dinge dieser Welt regiert, und so wäre jede Vernunft aufgehoben.

36.74. Dem sagen wir, daß am Menschen nichts aufgehoben wird, weder Vernunft, Klugheit noch Kunst. Denn das alles entsteht aus göttlicher Weisheit. Wir heben nicht das ausgesprochene Wort der geformten Weisheit Gottes auf, sondern nur das Tier, das in göttlicher Beschaulichkeit regieren will, nämlich den tierischen Willen zur Ichheit und Eigenheit, der von Gott abgewichen ist und sich wie ein falscher eigenwilliger Gott ehrt und Gott nicht glauben oder vertrauen kann (wie der Antichrist, der sich an Gottes Stätte gesetzt hat). Wir lehren, daß der Mensch der antichristlichen Bilder ganz absterben soll, damit er in Christus mit einem neuen Leben und Willen geboren werde, welcher neue Wille im geformten Wort der Natur die Macht hat, mit göttlichen Augen alle Wunder Gottes, sowohl in der Natur als auch in der Kreatur, in der geformten Weisheit zu schauen.

36.75. Denn wenn der Antichrist in der Seele stirbt, dann steht Christus vom Tod auf, denn er ruht in den fünf Selbstlauten in seinem Grab, nämlich in der geistigen Zunge, die in Adam gestorben war und im Antichrist gefangenliegt. Wenn dieser vom Tod in der geistigen Zunge aufersteht und lebendig wird, dann eröffnet er alle Schätze der himmlischen Weisheit in der sinnlichen Zunge, so daß der Mensch die Geister der Buchstaben, als das geformte Wort der Natur, in allen drei Prinzipien viel klarer versteht, als zuvor im antichristlichen Hurenkind.

36.76. Denn die neue Geburt geschieht in der geistigen Zunge, nämlich im verblichenen Bild der himmlischen Menschheit. Denn sie tingiert und wirft das falsche antichristliche Bild von der natürlichen Menschheit ab, nämlich von den Geistern der stummen Buchstaben, und macht sie in ihrer Eigenheit alle stumm, und gibt ihnen ihr neues Leben, damit sie sich in der neuen Menschheit beschauen und alle ihre Annehmlichkeit und Formungen in der neuen Menschheit machen.

36.77. Diese neue Annehmlichkeit und Formung geschieht im göttlichen Willen in der Gelassenheit. Und das sind himmlische Bilder und Formungen, die im Heiligen Geist zur Ehre Gottes gebildet werden.

36.78. Denn wenn der heilige Name Gottes in seiner Kraft nicht in der Bildung der Wörter ist, als in den Geistern der Buchstaben, welche das geformte Wort sind, und mit in der sinnlichen Zunge das Wort bilden hilft, dann redet nur der falsche Antichrist aus der eigenen Annehmung der buchstäblichen Form.

36.79. Denn der Geist Gottes bildet in das Wort des Mundes, wenn es die sinnliche Zunge faßt, Gerechtigkeit, Wahrheit, Glaube, Liebe und Geduld mit hinein, als die göttliche Kraft und Tugend. Dagegen bildet das antichristliche Kind in der Fassung des Wortes aus dem Schlangenwesen Lügen, Falschheit, Untreue, überheblichen Stolz, Geiz, stachligen Neid, Zorn, Ehrenliebe und alles das, was gegen Gott ist, mit hinein und macht das geformte Wort der Buchstaben zu einem Tier und falschen Hurenkind, das von Gottes Angesicht verstoßen wird und über welches das Urteil geht.

36.80. So ist es auch mit dem Verstand der äußerlichen Weisheit und Kunst zu verstehen: Wenn die göttliche Weisheit darin wirkt, dann ist der Verstand und die Kunst alles gut und in göttlicher Weisheit gegründet. Wenn aber nicht, dann steht es nur in antichristlichen falschen Bildern zum Urteil Gottes.

36.81. Darum prüfe sich der Mensch, was ihm bei der Bildung seiner Worte in die sinnliche Zunge mit einfällt: Ist es Wahrheit, Gerechtigkeit, Glaube in Hoffnung und Liebe in Geduld, um gern die Wahrheit reden und tun zu wollen, und solches alles um Gottes willen in der Hoffnung des ewigen Lebens, dann ist es gut mit ihm, und so bleibe er in solcher Übung beständig und wirke so noch mehr und kräftiger, denn dann steht sein Perlenbäumlein im Wachsen und Zunehmen.

36.82. Wenn aber das Gegenteil in ihm gefunden wird, daß, wenn er reden will, in seine Worte sich Lügen, stolzer Anblick, große Worte mit starkem Ansehen, neidige Bitterkeit, üble Rede gegen seinen Nächsten, Falschheit, Zorn zur Rache oder üble Deutung mit hineinbilden, dann soll er gewiß und wahrhaftig wissen, daß er die antichristlich babylonische Hure samt dem falschen Drachentier in seinem Herzen sitzen hat, die ihm solchen Willen der Begierde in seinem Wort zur Bildung und Erbauung höllischer Bilder mit hineinführen. Denn durch diese falsche Einführung wird in der Bildung der sinnlichen Zunge all dies zur Substanz.

36.83. Darum erkenne, oh Mensch! Und prüfe dich, ob du Gottes Bild nach dem göttlichen Wort und der Vernunft bist. Wenn du wahrhaft sprichst, willst und tust, dann bist du dieses Bild Gottes, darin Gott wohnt, spricht, will und tut. Wenn aber nicht, und das Gegenteil gefunden wird, dann bist du der abgefallene Luzifer in seinem Geschlecht und Anhang, und tust, willst und begehrst eben dasselbe, was er will und tut.

36.84. Auch wenn du das höllische Feuer nicht begehrst, wie es auch Luzifer nicht begehrt, aber es gibt keine andere Belohnung für das falsche Bild. Weil sich dieses Feuer aus dem Abgrund bildet, so muß es ja in sein Vaterland eingehen.

36.85. Denn daß der Mensch (vernünftig) redet und versteht, das kommt nicht aus den Sternen und Elementen, sonst könnten es auch andere Geschöpfe. Dies empfängt der Mensch aus dem einverleibten geformten Wort Gottes. Es ist der Name Gottes, und den soll er nicht mißbrauchen, um ewige Strafe zu vermeiden. Dieses einverleibte (bzw. verkörperte) Wort hat der Mensch aus allen drei Prinzipien in sich, und er hat einen eigenen (freien) Willen zur Bildung der Substanz, aus welchem Prinzip er will. Und daraus folgt auch die Entscheidung und Einernte eines jeden Wesens in seinen Stall.


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