Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

15. Kapitel - Das sechste Tagwerk der Schöpfung

(1.Mose 1.24, Freitag, Schöpfung des Menschen)

15.1. Der sechste Tag in der Schöpfung ist der Freitag, an dem die Venus die erste Stunde des Tages regiert, welches uns die Ordnung der Grade recht andeutet, wie sich das ewigsprechende Wort mit der Natur durch die Zeit offenbart hat, wie der Geist die sechs Eigenschaften der Natur in sechs Graden oder Tagen in ein wirkendes Leben ausgeführt hat, und sie aber alle wieder in den siebenten hineingeführt, nämlich in die Ruhe oder in die Stätte, darin sie mit der Bedeutung wirken sollen, daß alles dasjenige, was sie aus den Wundern der ewigen Weisheit wirkten und offenbarten, wieder in das Eine eingehen sollte, in die Ruhe. Denn das ist die siebente Eigenschaft, als ein Gehäuse des wirkenden Lebens, darin es als eine Bildung zur Beschaulichkeit der großen Herrlichkeit Gottes stehen sollte.

15.2. Als nun Gott die fünf Tage der Natur durch fünf Eigenschaften oder Grade ausgeführt hatte, nämlich in fünf Gestirne, welches wohl nicht alle Gestirne sind, aber doch ein Quellbrunnen einer (ganzheitlich) gestirnten Eigenschaft, sozusagen wie ein besonderer Himmel, für den Verstand gesprochen, danach hat er am sechsten Tag aus der Jupiter-Eigenschaft, als aus dem fünften Gestirn, das sechste ausgeführt, und zwar aus der Jupiter-Kraft die feurige Liebebegierde, mit welcher er durch alle Gestirne regiert, davon dann alles Leben nach seiner Gleichheit begierig geworden ist, nämlich wieder nach einem solchen Geschöpf, wie ein jedes Leben in sich ist.

15.3. Denn ein jedes Leben begehrt in dieser Venus-Eigenschaft wieder ein solches zu gebären, wie es in sich selber ist. Daher kommt die heftige Imagination mit der feurigen Begierde, daß die Eigenschaften wieder in Eins begehren, als in den Quellbrunnen, daraus sie gekommen sind, denn darin können sie die Gleichheit aus sich gebären.

15.4. Als nun Gott diese feurige Liebebegierde aus dem Zentrum durch alle Eigenschaften ausgeführt hatte, so war nun die Natur in dieser Liebe-Eigenschaft nach dem Gleichnis Gottes begehrend, als einem Bildnis nach und in der Gebärung der heiligen Liebebegierde, damit dieses heilige Gestirn der (ganzheitlichen) Liebebegierde auch kreatürlich und bildlich sein könnte.

15.5. Und weil diese Liebebegierde aus allen Eigenschaften der Natur und der Himmel durch das Schöpfungswort, darin alles Geschöpf seit Ewigkeit in einem Mysterium liegt, ausgeführt worden war und in eine Unterscheidung als in einen besonderen Grad einging, so wünschte jetzt die Eigenschaft, ein Bild aller Grade oder Eigenschaften zu sein, ein lebendiges, verständiges und vernünftiges Bild nach der Offenbarung dieser geoffenbarten Eigenschaft.

15.6. So sprach nun das sprechende Wort als Schöpfungswort: »Laßt uns Menschen machen!« Das heißt, aus der Masse aller Wesen, aus den Eigenschaften aller Kräfte und den Gestirnen ein Wesen aus allen Wesen. So begehrte die Liebebegierde in ein lebendiges Bild, ein Bild, das uns gleich und ähnlich sei, und dies sollte über die Fische im Meer, die Vögel im Himmel, die Tiere der Erde und alles Gewürm, das auf Erden kriecht, herrschen.

15.7. Dieses versteht so: Die sechste Eigenschaft der Natur (als die Liebebegierde) war aus allen Eigenschaften ausgeboren, ausgesprochen oder ausgehaucht worden, und war das begierliche Leben in der Freude im Licht der Natur. Das war selber noch kein Wesen, aber die Begierde zum Wesen, denn das hallende Wort, das Gott ausgesprochen hatte, schwebte darin als das vernünftige Leben, darin Gott offenbar war.

15.8. Dieses offenbarte Wort Gottes begehrte in diese Liebebegierde einen Stoff (Limum) aus der Erde und aller geschaffenen Wesen aus allen Gestirnen und Graden an sich zu einem Körper. Und darum sprach Gott: »Ein Bild, das da herrsche über Fische, Vögel, Tiere und Würmer und alle Wesen der Erde und aller Gestirne.« Sollte es nun darin herrschen, so mußte es auch daraus sein, denn ein jeder Geist herrscht in seine Mutter, daraus er entstanden ist, und ißt von seiner Mutter.

15.9. Dazu muß man aber diese Liebebegierde hier im ausgesprochenen Wort richtig verstehen. Das ausgesprochene Wort hatte die Begierde aller Himmel, das heißt, aller Wesen oder Eigenschaften, in dieser Venus-Begierde an sich, nämlich des inneren geistigen heiligen Himmels, welcher die Stätte der Kraft Gottes ist, und auch des äußeren geschaffenen Himmels mit den Himmeln aller Gestirne und Elemente, doch nicht wesentlich, sondern als eine geistige Begierde. Und diese Eigenschaften begehrten in der geistigen Begierde wesentlich zu werden.

15.10. So lautet nun der Text von Moses ganz klar und rund (bzw. umfassend), wenn er sagt: »Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn. (1.Mose 1.27)« Mit dem Schaffen versteht man den Körper, der zweifach ist, nämlich ein geistiger Körper und ein leiblicher. Denn die Venus-Begierde ist ein geistiger Leib, und was sie im Schöpfen in der Begierde des geistigen Leibes an sich gezogen hat, das ist ein fleischlicher Leib. Das Schöpfungswort hat sie selber aus allen drei Prinzipien in einen geistigen Menschen gebildet, als nach der inneren göttlichen Welt, der feurigen und der lichtvollen, und auch nach der äußeren Welt.

15.11. Und der geistige Körper ist das Bild Gottes, dem das Schöpfen ein Wesen aus allen Wesen angezogen hat, nämlich der inneren heiligen Liebebegierde ein himmlisch heiliges Wesen mit himmlisch heiliger Leiblichkeit, und der äußeren Liebebegierde den Stoff der Erde und anderen Elemente, samt dem sichtbaren Gestirn des dritten Prinzips.

15.12. Der innere heilige Mensch war im Himmel Gottes, und der äußere Mensch war im äußeren Himmel ein Wesen des äußeren Himmels, und der innere ein Wesen des heiligen geistigen Himmels. Darum sagt Moses gar wohl, Gott habe den Menschen in seinem Bild zum Bild Gottes geschaffen. Denn darin ist er seit Ewigkeit im Mysterium der Weisheit als ein Gestirn der magischen Kraft vom Geist Gottes in derselben Essenz erkannt worden, und in diese Erkenntnis hat Gott das Wesen hineingeführt, und hat das entsprechende Wesen zum Bild des magischen Bildes Gottes geschaffen.

15.13. So versteht mit dem inneren Schaffen das wahre Himmelsbild als einen heiligen Menschen aus allen Eigenschaften der englischen göttlichen Welt. Den inneren Leib versteht als das einige (ganzheitliche) Element, daraus die vier Elemente ausgesprochen wurden. Und den äußeren Menschen versteht als die äußere Welt mit den Sternen und vier Elementen, wie Feuer, Luft, Wasser und Erde, und als die äußere Tinktur, welche mit der inneren im heiligen ausgesprochenen Wort am Band hängt und nur durch ein Prinzip unterschieden wird, so daß das innere ein äußerliches Leben aus sich gebiert. Das innere ist heilig, und das äußere in der Tinktur wäre auch heilig, wenn nicht der Fluch wegen der erweckten Eitelkeit dahinein gekommen wäre. Wenn jedoch die Eitelkeit von der Tinktur geschieden werden kann, dann ist sie wieder heilig und ein Paradies, welches sich am Ende dieser Welt offenbaren wird.

15.14. Und Moses sagt auch: »Gott blies dem Menschen den lebendigen Odem ein, und da wurde der Mensch eine lebendige Seele. (1.Mose 2.7)« Das bedeutet den lebendigen, sehenden und vernünftigen Geist aus allen drei Prinzipien, nämlich aus der inneren Feuerwelt, die durch die finstere Welt offenbar wird, sowie aus der heiligen Lichtwelt und aus der äußeren Luftwelt. Und das ist die Seele.

15.15. Der innere Feuerodem ist die wahre, ewige und kreatürliche Seele, und der Odem des Lichtes ist der wahre vernünftige Geist der Seele, darin sie ein Engel ist, und der äußere Luftodem ist die Verstandes-Seele im wachsenden tierischen Leben. Damit herrscht der Mensch in allen Kreaturen dieser Welt, und das ist eine einige Seele in drei Prinzipien nach dem Gleichnis Gottes.

15.16. Gleichwie sich die einige (ganzheitliche) Vernunft der unergründlichen Gottheit durch drei Prinzipien offenbart hat, so hat er auch diesen Geist als das wahre Leben aus allen drei Prinzipien offenbart und in das geschaffene Bild eingeblasen. Der Leib ist ein Stoff aller Wesen, und die Seele ist das ausgesprochene Wort als die Kraft und Vernunft aller Wesen, nämlich die Offenbarung der göttlichen Vernunft (bzw. universalen Intelligenz).

15.17. Der Geist Gottes hat sich selber aus den Eigenschaften aller drei Prinzipien in das geschaffene Bild hineingegeben. Der Vater aller Wesen hat den Geist durch sein ewigsprechendes Wort aus aller Essenz der Kräfte und aus allen drei Prinzipien ausgehallt oder gesprochen, oder wie man es auch sagen könnte, eingesprochen, nämlich den ausgegangenen Hall der Vernunft, der sich durch die Bewegung Gottes durch die ewige und zeitliche Natur ausführte und offenbarte. Den hat Gott zu einem Regenten des Leibes und aller anderen Geschöpfe in dieses einige Bild wieder eingesprochen, oder wie der deutsche Text von Moses sagt, eingeblasen.

15.18. Und so steht die Seele in ihrem wahren Leben und ihrer Vernunft in drei Reichen: Das erste ist die ewige Natur, als die starke Macht der Ewigkeit, die Finster- und Feuerwelt, nach der sich Gott einen „starken, eifrigen und zornigen Gott“ und ein „verzehrendes Feuer“ nennt, und in welcher sich Luzifer ganz vertieft hat.

15.19. Das zweite ist die heilige Lichtwelt, dahin sich die ewige Vernunft durch die Feuerschärfe im Licht der großen feurigen Liebebegierde ausgeführt und die grimmige, finstere und feurige Eigenschaft zu einem Freudenreich gemacht hat, das die wahre Offenbarung der Gottheit ist und der „heilige Himmel“ und die „englische Wonne“ genannt wird.

15.20. Das dritte Reich oder Welt ist die äußere gestirnte und elementische, als die Luft mit ihrem herrschenden Gestirn, darin alle fünf äußerlichen Gestirne herrschen, als das Obere und die Unteren der vier Elemente, aus welchem die fünf Sinne ihren Ursprung nehmen, darin das wachsende Verstandesleben steht. Dies ist die tierische Seele, welche in allen Kreaturen der äußeren Welt, sowie über alle äußeren Himmel oder Gestirne und alle Erde oder Wesen der äußeren Welt herrscht.

15.21. Dieses versteht so: Der Feuerodem aus dem ersten Prinzip herrscht in seinem Ursprung als in seiner eigenen Mutter, daraus ihn der Geist Gottes gefaßt hat, nämlich im Zentrum der ewigen Natur, in der Macht der finsteren und Feuerwelt, und das ist die Ursache des Lichtlebens und auch des äußeren Luftlebens. Wenn der nicht wäre, dann wäre nichts anderes.

15.22. Und der Lichtodem herrscht im zweiten Prinzip, als im heiligen Reich der offenbarten Kraft Gottes, und ist das Gehäuse des Heiligen Geistes Gottes, der Tempel Gottes, als im himmlischen heiligen Wesen, das heißt, im heiligen geistigen Leib des heiligen reinen Elements, das mit seinen Eigenschaften in gleichem Gewicht und Maß steht, als ein zugerichtetes Instrument des Geistes, darin er Gottes Wunder aus der ewigen Weisheit offenbart und in ein Freudenspiel hineinführt, nämlich in die heilige Harmonie des ewigsprechenden Wortes und in das göttliche Freudenreich, als in die Offenbarung der göttlichen Kräfte, darin der Heilige Geist der wahre Spielmann ist.

15.23. Und der Luftodem herrscht auch in seiner Mutter, daraus er entsteht, nämlich in der äußeren Welt und im äußeren Mysterium der Zeit als eine Bildung und ein Gleichnis der inneren Welt, und offenbart damit seine Mutter, welche zur göttlichen Beschaulichkeit der Wunder der Weisheit Gottes aus der Ewigkeit in eine Zeit hineingeführt wurde.

15.24. Und doch sind es keine drei Seelen, sondern nur eine. Aber sie steht in drei Prinzipien, im Reich von Gottes Zorn, im Reich von Gottes Liebe und im Reich dieser Welt. Wenn dies nicht wäre, dann könnte man nicht sagen, die Seele fahre in den Himmel oder die Hölle, weil das nicht an ihr wäre. Wenn also die Luft, als das äußere Reich der Zeit von ihr abbricht, dann ist die Seele entweder im finsteren Feuerreich Gottes offenbar, oder im heiligen Lichtreich im Liebefeuer der Kraft Gottes. Wohin sie sich in dieser Zeit begeben hat, darin steht sie dann, wenn sie das äußere Leben verläßt.

15.25. Und doch sollten wir in keiner Weise denken, daß die Seele Gott selber sei, welcher weder Natur noch Kreatur ist, auch in nichts als nur in sich selbst wohnt, und doch auch durch alles wohnt und keinem Ding weder fern noch nah ist. Sondern sie ist das ausgesprochene Wort, das geformte Wort. Sie ist der Geist und das Leben der drei Prinzipien göttlicher Offenbarung. Wenn sie aber Gott selber wäre, dann wäre sie unverrückbar und es könnte kein Gericht über sie ergehen.

15.26. Aber so kann ein Gericht über sie ergehen. Denn wenn sie sich aus der Ordnung herausbegibt, dahinein sie Gott im Anfang geführt hat, dann geht sie aus der göttlichen Harmonie und aus der Ordnung des geoffenbarten Wortes der Kraft Gottes, weil sie einen anderen Willen in sich offenbart, wie auch andere Eigenschaften aus der starken Macht der ewigen Natur.

15.27. Der ganze Mensch mit Leib und Seele ist dreifach, und doch nur ein einiger Mensch: Der Leib ist aus dreierlei Wesen, und die Seele aus dreierlei Eigenschaften des Geistes. Ein Beispiel habt ihr an Feuer, Licht und Luft: Das Feuer hat eine andere Eigenschaft als das Licht und die Luft. Der feurige Leib ist das ewige Gestirn, als das magische Gestirn, das große Mysterium, aus dem das äußere Gestirn geboren wurde und in ein Geschöpf einging.

15.28. Im feurigen geistigen Leib wohnt der feurige Geist, als die feurige Seele, und im Lichtleib vom heiligen Element, als vom wahren Himmelsbild, der in einem geistigen Sulphur, Mercurius und Salz steht, wohnt die heilige Seele, als der Seele wahrer Geist, der ein Tempel Gottes ist. Und im äußeren Leib, welcher ein Stoff der Erde und der anderen Elemente ist, wohnt die äußere Seele im äußeren Gestirn der fünf Sinne, als der wahre Geist der äußeren Welt.

15.29. Eine jede Eigenschaft der Seele hat auch eine leibliche Eigenschaft an sich, welche ein Himmel genannt werden kann, als ein besonderes magisches Gestirn. So hat die feurige Eigenschaft der Seele einen Leib vom inneren Gestirn der Finster- und Feuerwelt, welcher ein geistiger Leib ist.

15.30. Und die Licht-Eigenschaft der Seele hat einen geistigen, öligen und wäßrigen Leib, darin die zwei Eigenschaften der höchsten Tinktur vom Feuer und Licht den Glanz und die Zierde der Farben, Wunder und Tugenden der göttlichen Weisheit eröffnen. Dieses Wasser ist das Wasser über der Feste, davon Moses spricht. Und dieses Öl ist das heilige Öl der göttlichen Kräfte, mit welchem Vorbild das Alte Testament umging, weil der wahre ölige Leib mit himmlischer Eigenschaft in Adam in der aufgewachten Eitelkeit verblichen war. So verordnete Gott das Vorbild der neuen Wiedergeburt mit einer öligen Salbung, darin er kräftig durch den verheißenen Bund wie in einem Vorbild wirkte.

15.31. Die dritte äußere Eigenschaft der Seele hat ringsherum einen solchen Leib vieler Gestirne an sich, wie auch immer die inneren Eigenschaften sind, von denen viele „Himmel“ genannt werden können. Denn eine jede Eigenschaft des äußeren Leibes hat ein eigenes magisches Gestirn, wie da auch ein Leib vom Sulphur-Gestirn der Erde ist, oder ein Leib oder Gestirn vom Mercurius-Giftleben, oder ein Leib von den Salz-Kräften der Körperlichkeit, oder ein Leib der Seele der äußeren Welt, als des oberen geschaffenen Gestirns, alles je nachdem die äußeren Kräfte der äußeren Seele sind. So hat auch eine jede Kraft eine leibliche Eigenschaft an sich, wie auch die inneren Kräfte der geistigen Eigenschaften mit dem inneren Leib zu verstehen sind.


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