Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

16. Kapitel - Der himmlische und irdische Mensch

Vom Unterschied des himmlischen und irdischen Menschen. (1.Mose 1.26-27, 1.Mose 2.1-7)

16.1. Wenn wir das Bild Gottes betrachten, das Gott ins Paradies zum ewigen und unzerbrechlichen Leben geschaffen hat, so können wir in keiner Weise vom groben fleischlichen Bild sagen, daß die grobe Eigenschaft der Irdischkeit das Bild Gottes sei, das die heilige Welt besitzen kann. Denn es ist nicht von derselben Essenz und Wesen, davon Christus sagt: »Der Geist ist das Leben, das Fleisch ist nichts nütze. (Joh. 6.63)« Oder: »Fleisch und Blut können das Himmelreich nicht erben. (1.Kor. 15.50)« Obwohl doch in dieser tierischen groben Eigenschaft auch der wahre Leib innerlich liegt, wie das Gold im groben Stein.

16.2. Alles was am Menschen irdisch ist, das ist tierisch und zerbrechlich und nicht Mensch. Obwohl Gott den Menschen einen äußerlichen Leib aus dem Stoff der Erde geschaffen hat, so ist er uns doch nicht so zu betrachten, wie er jetzt ist. Denn der wahre menschliche Leib nach der inneren Welt ist ein geistlicher Sulphur, ein geistlicher Mercurius und ein geistliches Salz, denn eine jede Eigenschaft der Seele hat eine körperliche oder wesentliche an sich.

16.3. Gott schuf einen solchen Leib wie die Seele in ihrer Essenz im ausgehallten Wort der Vernunft war, und blies die Seele zu einem vernünftigen Leben dahinein. So ist der äußere Sulphur-Leib auch mitnichten das grobe Tier, welches hingeht und nicht wiederkommt. Der wirklich wahre Leib, der in der Grobheit verborgen liegt, ist ein geistiger Leib gegenüber der Grobheit betrachtet. Er ist wohl in Fleisch und Blut, aber in einem unvergänglich beständigen geschaffen.

16.4. Erst durch Adams Lust wurde die Grobheit mit der Imagination offenbar. Der rechte (bzw. wirkliche) äußere Leib ist eine Sulphur-Mercurius-Salz-Eigenschaft, eine lautere wesentliche Kraft nach Art der Seele. Was die Seele im Geist ist, das ist der rechte menschliche Leib im Wesen, wie ein Gehäuse der Seele.

16.5. Alle Eigenschaften des inneren heiligen Leibes samt dem äußeren, waren im ersten Menschen in eine gleiche Harmonie gerichtet. Keine lebte in eigener Begierde, sondern alle gaben ihre Begierde in die Seele, in welcher das göttliche Licht offenbar war, nämlich im heiligen Himmel. Und das Licht (des göttlichen Bewußtseins) schien durch alle Eigenschaften und machte eine Ausgeglichenheit in den Eigenschaften. Alle Eigenschaften gaben ihre Begierde in das Licht, als in Gottes geoffenbarte Süßigkeit, welche durch alle Eigenschaften drang. Und in diesem Durchdringen wurden sie alle von der süßen Liebe eingefärbt, so daß zwischen ihnen nichts als nur ein Wohlschmecken und Liebebegehren war.

16.6. Die innere heilige Leiblichkeit vom reinen Element drang durch die vier Elemente und hielt den Stoff der Erde (als den äußeren Sulphur-Leib) in sich, wie verschlungen. Obwohl er doch wahrhaftig da war, aber auf eine Art, wie die Finsternis im Licht wohnt, und doch als Finsternis vor dem Licht nicht offenbar werden kann. Wenn aber das Licht erlischt, dann ist die Finsternis offenbar.

16.7. So hielt der innere Mensch den äußeren in sich gefangen und durchdrang ihn, wie ein Feuer ein Eisen durchglüht, so daß man meint, es sei ein reines Feuer. Wenn aber das Feuer erlischt, dann wird das schwarze finstere Eisen offenbar.

16.8. So war auch der erste Mensch, als er im Paradies in seiner Unvergänglichkeit stand, auf Art und Weise wie die Zeit vor Gott und Gott in der Zeit ist, aber keines das andere ist, und doch sind sie auch nicht sonderlich getrennt. Wie die Zeit ein Spiel vor Gott ist, so war auch das äußere Leben des Menschen ein Spiel vor dem inneren heiligen Menschen, der das wahre Bild Gottes war.

16.9. Der äußere Geist und Leib war vor dem inneren wie ein Wunder göttlicher Offenbarung nach der Feuer-, Finster- und Lichtwelt ein Spiegel der großen Allmacht und Allwissenheit Gottes. Und der innere war ihm zum Regenten gegeben.

16.10. Gleichwie Gott mit der Zeit der äußeren Welt für sich spielt, so sollte auch der innere göttliche Mensch mit dem äußeren in den offenbarten Wundern Gottes in dieser Welt spielen und die göttliche Weisheit an allen Kreaturen eröffnen, in jeder nach seiner Eigenschaft, wie auch in der Erde, den Steinen und Metallen, in denen auch ein zweifaches Wesen liegt, nämlich vom Ursprung der finsteren Feuerwelt und auch der heiligen Lichtwelt.

16.11. Dies alles war ihm zu seinem Spiel gegeben. Er hatte die Erkenntnis aller Tinkturen, und alles war unter ihm. Er herrschte in Himmel und Erde, allen Elementen und allen Gestirnen. Und das daher, weil die göttliche Kraft in ihm offenbar war. Weder Hitze noch Kälte drangen auf ihn ein, denn wie eine Tinktur den Körper durchdringt und vor Krankheit bewahrt, oder wie die Sonnenwärme den Leib vor Kälte bewahrt, so drang auch die höchste Tinktur vom göttlichen Feuer und Licht als eine heilige Kraft des inneren geistigen Leibes durch den äußeren Leib von Fleisch und Blut und nahm alle äußerlichen elementischen Eigenschaften, wie auch den Stoff der Erde, in seine Bewahrung und Beschirmung.

16.12. Denn im Körper des inneren und äußeren Menschen war eine Ausgeglichenheit. Und so konnte auch nichts, was außerhalb des Körpers war, diese Ausgeglichenheit zerstören oder angreifen. Wie Gold im Feuer besteht oder eine Tinktur alles durchdringt und vor nichts weicht, so war auch der Mensch keinem Ding untertan, als nur allein dem einigen Gott, der durch ihn wohnt und in ihm mit der Kraft des heiligen Wesens offenbar war. Und das war ein Bild und Gleichnis Gottes, in dem der Geist Gottes wohnte.

16.13. Der Verstand wird uns schlecht verstehen und sagen, ich rede von zweierlei Menschen. Ich aber sage nein, ich rede nur von einem Einigen, der ein Gleichnis nach Gott ist, nämlich nach dem geoffenbarten Gott, nach dem ausgesprochenen und geformten Wort der göttlichen Kraft, der göttlichen Vernunft.

16.14. Gleichwie in Gott alle Dinge im Wesen sind, aber er selbst nicht dieses Wesen ist, und doch das Wesen beherrscht, ein jedes Wesen nach seiner Eigenschaft, so ist auch der innere geistige Mensch ein Bild des geformten Wortes der göttlichen Kraft, und der äußere ein Bild des inneren, als ein Werkzeug des inneren. Wie auch ein Meister ein Werkzeug haben muß, mit welchem er sein Werk macht, so ist der äußere Mensch vom Stoff der Erde und der vier Elemente samt dem äußeren Gestirn nur ein Werkzeug des inneren, mit welchem der innere schnitzt und macht, was der seelische Geist will.

16.15. Wie wir dann sehen, daß der Wille der Meister in allen Vorhaben ist. Und wir sehen ferner, wie der innere Mensch göttlichen Willen und göttlich Begierde hat, der äußere aber nur tierischen Willen und tierische Begierde, welche allein durch den Fall so geworden sind. Der ganze Mensch ist nur ein einiger Mensch, aber seine Eigenschaft liegt in besonderen Graden nach den inneren und äußeren Himmeln, nämlich nach göttlicher Offenbarung durch die sieben Eigenschaften der Natur.

Von der Erschaffung des siebenten Tages (Sonnabend, Ruhetag)

16.16. Gott hat alle Dinge in sechs Tagen aus den sieben Eigenschaften geschaffen und die sechs Tagwerke der Offenbarung seiner Schöpfung in den siebenten hineingeführt, darin alles Leben wie in einem (ganzheitlichen) Leib wirken soll. Denn der siebente Tag und der erste gehören ineinander wie einer, denn es liegen die sechs Eigenschaften der ewigen Natur alle in der siebenten wie in einem Gewirke der anderen sechs. Die siebente Eigenschaft ist ein Mysterium oder Wesen all der anderen. Und aus dem siebenten Tag hat der erste Tag seinen Ursprung und Anfang genommen.

Der siebente Tag, Saturn

16.17. Denn am siebenten Tag als den Sonnabend hat der Saturn in der ersten Stunde des Tages das Regiment im Planetenrad, welches eine Bildung der siebenfachen Gebärung der ewigen Natur ist. Denn wie die erste Gestaltung der ewigen Natur die herbe Begierde ist, als das Schöpfen, das die freie Lust, die wie ein dünnes Nichts im ewigen Willen Gottes in göttlicher Vernunft ist, in der Begierde verdichtet und in ein geistiges Wesen hineinführt, in welcher Begierde Wesen alle Eigenschaften entstehen, wie vorn erklärt wurde:

16.18. So ist auch der Saturn oder die siebente Eigenschaft des siebenten Tages die Ruhe oder Stätte der anderen sechs Tagwerke, darin sie wie ein Geist im Leib wirken. Und so steht die siebente Eigenschaft still wie ein stummes Leben.

16.19. Daß nun Moses sagt »Gott ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken und heiligte den siebenten Tag zur Ruhe. (1.Mose 2.2)«, das hat einen trefflich hohen Verstand, obwohl er doch kindlich ist, wenn wir noch im Paradies wären und im Sabbat wohnten. Dieses versteht so:

16.20. Aus dem Schöpfungswort, dem göttlichen Wort und der göttlichen Begierde (welche das Schöpfen im Wort ist, damit sich das Wort formt oder in geistiges Wesen zur finsteren Feuer- und Lichtwelt hineinführt), sind die sechs Eigenschaften der ewigen und zeitlichen Natur ausgegangen und haben sich jeweils in einen besonderen Grad einer besonderen Eigenschaft hineingeführt, welcher Grad ein Himmel oder ein magisches Geistgestirn genannt werden kann.

16.21. Denn eine jede Eigenschaft ist ein ausgehauchtes Wesen, als ein Himmel, wie auch „Himmel“ eigentlich ein Hauchen und Fassen in der Natursprache bedeutet, weil das Schöpfen faßt, was das Wort spricht oder aus sich haucht. So ist das Aushauchen oder Sprechen in sechs Graden oder Tagwerke hineingeführt worden.

16.22. Ein jedes Hauchen hat eine Zeit, als eine Tages- und Nachtlänge (in der Fassung und Formung) gewährt, und so ist eine jede Eigenschaft eines Tages aus der anderen ausgesprochen oder ausgehaucht worden, bis zur sechsten, in welcher das geformte Wort offenbar wurde, welches in der fünften Gestaltung, als in der Liebebegierde, seinen Blick durch das Feuer aus dem Licht genommen und sich in der sechsten Gestaltung der Natur gefaßt oder geformt hatte, in welcher Formung das Bild Gottes (als Mensch) geschaffen wurde, als ein Bild des geformten Wortes, welches Gott in den Sabbat hineinführte, als in den siebenten Tag, das heißt, in das Schöpfungswort als die erste göttliche Begierde zur Natur, darin das Paradies und der ewige Tag war.

16.23. Denn in der siebenten Eigenschaft liegt der ewige Tag, daraus die Tage der Zeit ausgegangen sind, und die Alten haben ihn „Sonnabend“ genannt. Er heißt aber besser „Söhnabend“, darin Gottes Liebe den Zorn versöhnt. Denn wenn sich die sechs Eigenschaften im Gewirke in der Verdichtung in der Eigenschaft des Grimms entzünden, dann werden sie in der siebenten Eigenschaft, als in der geoffenbarten heiligen Kraft Gottes (die sich in der fünften und sechsten Eigenschaft offenbart und in das Gewirke all der anderen wie ein heiliger Himmel einschließt) in der Liebebegierde versöhnt und in ein einiges Wesen hineingeführt, darin sie ruhen, nämlich im Wort des Herrn (Verbo Domini), das sich mit den sieben Eigenschaften in Natur und Wesen eingeführt hat. Und davon sagt Moses zu Recht: »Gott ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken und heiligte den siebenten Tag.«

16.24. Versteht es hier recht: Gott hat mit seinem geformten Wort, das er zuerst in Finsternis und Feuer hineinführte, als in das erste Prinzip, danach er sich ein „verzehrendes Feuer“ nennt, im zweiten Prinzip, darin er sich durch das Feuer im Licht in der Liebebegierde als im heiligen Schöpfen ausführt, im geformten heiligen Wort geruht, und er ruht ewig mit seinem geoffenbarten Wort darin. Seine Ruhe ist ein Freudenreich, darin die Angstqual des göttlichen Grimms der ewigen Natur in ein göttliches Freudenreich verwandelt wird.

16.25. Und diese Ruhe ist der heilige Himmel im natürlichen Himmel, wo die Zeit in sich wirkt und ihr Gewirke zum Ruhetag darstellt, nämlich zum Scheidetag, wenn dann am Ende der Tage dieser Welt das Böse vom Guten geschieden werden soll, damit ein jedes seinen eigenen Himmel besitze, als seines Quellgeistes Eigenschaft, daraus es geboren worden ist.

16.26. Doch in dieser (jetzigen) Zeit müssen Gottes Liebe und Zorn miteinander wirken und die Wunder Gottes offenbaren, sowohl nach der Feuer- als auch der Lichtwelt. Und das Wort des Herrn ruht in der siebenten Offenbarung der Eigenschaften und scheint mit seiner Kraft in das Wirken der sechs Tage, als in die sechs Eigenschaften, und kommt allem Leben zur Hilfe.

16.27. So werden in der siebenten Eigenschaft alle Dinge an ihr Ende (bzw. ihr Ziel) gebracht, nämlich in den ersten Tag des Anfangs aller Wesen. Denn der siebente Tag, als die siebente Eigenschaft der ewigen Natur, ist das durchscheinende gläserne Meer vor dem Thron des Alten in der Apokalypse (Offb. 4.6), daraus diese Welt aus dem Mysterium Magnum (dem großen Geheimnis der Ganzheit) in besondere Himmel und Gestalten geschaffen und im Schöpfungswort geformt worden ist. Der siebente Tag ist seit Ewigkeit jenseits aller Zeit gewesen, denn er ist das geformte Wort der göttlichen Vernunft (bzw. universalen Intelligenz), darin die ewige Weisheit Gottes offenbar steht, als die Kräfte und Wunder der göttlichen Vernunft, darin die Gottheit wirkt.


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