Vom dreifachen Leben des Menschen

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

16. Kapitel - Vom Beten und Entsagen

Vom Beten und Fasten und rechter Zubereitung zum Reich Gottes, was das Beten sei oder vollbringe, was seine Kraft und schließlicher Nutzen ist. Der rechten wahren einfältigen Christenheit zum Unterricht und zum Trost, und uns selbst zu stetiger Erweckung, damit wir würdig werden können, die Stimme des edlen Bräutigams zu hören, der seine Braut ruft und sie heimführen will.

Die ganz liebliche Pforte

16.1. Ein hungriger Geist, der abgemattet und ermüdet ist, der begehrt die stille Sanftmut und Ruhe, damit er aus der Qual des Treibers herausgehen und sich durch Sanftmut und Stille sättigen könne, und dann auch mit dem, was das Begehren seines Lebens ist, davon er seinen Leib erhält.

16.2. So, mein liebes Gemüt, bist du aus der ewigen stillen Sanftmut geboren, denn du warst vor den Zeiten der Welt in Gottes Weisheit, die Sanftmut der Liebe Gottes war deine Qualität, und du warst wie eine fruchtbare Rebe in deiner stillen ewigen Mutter, als du noch nicht zu einem Geist geschaffen wurdest. Betrachte dich, wie du jetzt in so großer Unruhe bist: Du bist hungrig ohne Maß, und dich dürstet immer nach deiner Mutter Speise und Quell. Ach, wenn doch die Zeit der Erquickung käme! So ächzt und wünscht die arme Seele, und ein Tag klagt es dem anderen, der Morgen dem Abend, und die Nacht verlangt nach dem Tag, und doch gibt es wegen des Treibers keine Stätte der Ruhe für die arme Seele. Der Treiber greift ihr bis in den Mund, und wenn sie sich auch verbirgt, so findet sie doch keine Stätte der Ruhe von der Qual ihres Treibers. Er treibt sie weiter und weiter, bis sie den Schoß ihrer Mutter findet. Dahinein legt sie sich, und es ist ihr wie einem, der aus einer großen Schlacht entronnen ist und aus Furcht vor dem Feind sein Haupt nicht gern erhebt.

16.3. Meine lieben Kinder in Christus und alle, die ihr euch in Christus zum Himmelreich ergeben habt, ihr Auserwählten in Christus! So ergeht es unserer Seele, und in solcher großen Unruhe steckt unsere Seele: Gleichwie ein Kriegsmann in der Schlacht, der immer des Todes gewärtig ist, weil ihn die Feinde von allen Seiten bedrängen, auf ihn einschlagen und immer seinen Tod begehren. Oder wie einem ist, der in ein tiefes Meer fiel, dort schwimmt, kein Ufer sieht und vom Tod bedroht ist, weil ihm das Wasser in den Mund läuft, und er ächzt und begehrt Hilfe von oben herab. Oder wie einer, der in eine tiefe Grube fiel, wo keine Rettung in Sicht ist, die Hilfe von oben herab erwartet. So geht es auch der armen Seele. Sie ist in einen finsteren Kerker gefallen und schwimmt in einem gefährlich tiefen Wasser, wo sie von allen Seiten von Feinden umgeben ist, die alle auf sie einschlagen. Ein jeder will sie ermorden, und sie sieht keinen Helfer um sich, auch wenn sie Leib, Blut und Fleisch, sowie Mark und Knochen durchsucht, so findet sie überall nur ihre Feinde, die sie auf den Abgrund zu führen.

16.4. Der Geist dieser Welt zieht sie in Fleisch und Blut und beugt sie zur Grube in die Tiefe des Wassers, und will sie immer ersäufen, denn er will nur sein tierisches Leben erhalten und pflegen. So zieht sie auch der Teufel mächtig in den Abgrund hinunter, und will sie in die ewige Angstqual stürzen. Und wenn sie sich wehrt, dann schlägt er mit höllischer Angst auf sie ein, damit sie verzweifeln soll und sich selber in den Abgrund stürzt. Da hat sie keinen Erretter bei sich noch um sich, kann auch keinen erblicken, bis sie sich aus sich selber in die Liebe und Barmherzigkeit Gottes schwingt. Dabei muß sie alles verlassen, was in ihrem Haus ist, und muß sich als ein Geist ohne (greifbares) Wesen durchwinden. Das heißt, sie muß aus allen Sinnen und aus dem Gemüt (des Denkens) mit ihrem Willen herausgehen in die Barmherzigkeit Gottes, in die erste ursprüngliche Mutter, in der sie vor der Schöpfung der Welt nur ein Samen war.

16.5. Und wenn sie dahin kommt, dann findet sie, daß dasselbe Wort, das sie erschuf, Mensch geworden ist. Dahinein schwingt sie sich, und ernährt sich von dieser Menschheit, wie von einem reinen und neuen Leib, in dem keine Qual der Anfeindung ist, sondern nur eine sanfte, reine und begehrende Liebe. Da wird ihr Wille von Gott angenommen, und der Heilige Geist fährt in ihren Willen und bringt der armen gefangenen Seelen himmlische Labsal, so daß sie vom Fleisch des ewigen Wortes ihrer ursprünglichen Mutter ißt und vom Wasser des ewigen Lebens trinkt, darin sie vor der Welt nur ein Samen war. Da findet sie die Stätte ihrer Ruhe, und kühlt damit ihre Flamme, und ruht in ihrer Mutter Schoß, denn sie geht in das Land der Lebendigen ein, und der Heilige Geist führt sie aus dem Kerker. Und sie ißt am Tisch Gottes, und sitzt unter den Kindern der Liebe. Ach, wie demütig ist sie, daß sie der Heilige Geist aus dem Streit des Krieges erlöst hat! Da hat Gott ein wahrlich gehorsames und demütiges Kind an ihr.

16.6. So geht es mit der Seele, welche aus diesem Jammer zu Gott eindringt, oder welche mit Erledigung des irdischen Lebens zu Gott einfährt, so daß sie den Treiber loswird. Weil nun dem gewiß so ist, und wir den Weg erkannt haben, so wollen wir reden, was wir wissen, und zeugen von der Wahrheit, denn auch Christus spricht: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. Kein Sohn bittet den Vater um ein Ei, der ihm einen Skorpion dafür biete, oder um Brot, der ihm einen Stein dafür biete. Bittet, so werdet ihr empfangen, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. (Luk. 11.9)«

16.7. Wenn sich das Herz und Gemüt mit allen Sinnen in einen Willen rafft, daß es vor Gottes Barmherzigkeit kommen will, seine Missetaten bereut und sich gänzlich vornimmt, Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu suchen, dann heißt es »Ehe sie rufen, habe ich sie erhört.«, wie bei Daniel zu lesen ist, als der Engel zu ihm sagte: »Als du dich kasteit hast und anfingst, für deine und des Volkes Sünde zu beten, brachte ich dein Gebet vor Gott, und dieser Befehl ging aus. (Dan. 9.23)« Dazu lies auch die Geschichte von Tobias, was Beten, Fasten und sich zum Reich Gottes Bereiten vermag. Kurz gesagt, die Heilige Schrift ist voll davon.

16.8. Siehe auch das Gebet Christi an, wie seine menschliche Seele in Gott seinen Vater rief und das Wort des Vaters in sich erweckte, wenn er große Wunder tun wollte. Besonders bei Lazarus, den er vom Tod auferweckte, da ächzte er zu seinem Vater und erweckte das Zentrum der Natur und das Wort im Zentrum der Natur auf dem Kreuz der Dreizahl. Hier ging der Heilige Geist in seiner Seele aus, und das Wort, das nun erweckt war, hatte den Heiligen Geist. Da dankte Christi Seele seinem Vater, der sie erhört hatte, und sprach in Kraft des Wortes zum toten Lazarus: „Lazarus, komm hervor!“ Da sah man die Kraft des Wortes in der Seele, als der Tote aufstehen mußte, welche Kraft die Seele Christi mit seinem Anklopfen eröffnet und erweckt hatte. (Joh. 11.43)

16.9. Ihr sollt natürlich wissen, daß Lazarus von innen erweckt worden ist, wie wir allesamt am Jüngsten Tag die Stimme Gottes von innen im Zentrum der Seele hören werden. Denn das Wort mit der Dreizahl wohnt innen im Zentrum auf dem Kreuz, und das schallt heraus und weckt den (äußerlichen) Leib der Essenzen auf. Denn die Seelen der Menschen sind allesamt als wären sie eine Seele, denn sie sind allesamt aus einer Seele gezeugt worden. Darum werden sie alle die Stimme der Menschenseele in Christus hören und mit ihren Leibern auferstehen.

16.10. Wenn wir nun zu Gott beten, dann erhört Gott unsere Seele in uns selbst im Zentrum. Das heißt, die Seele dringt mit ihrem bußfertigen Willen aus dem Zentrum der Angst, aus der Hölle Abgrund und auch aus dem Geist dieser Welt heraus in das andere (zweite) Prinzip in Gott, das auch in der Seele ist. Denn es sind alle drei Prinzipien in der Seele, nämlich zwei ewige und dann das zerbrechliche, das in dieser Welt den Tod bewirkt.

16.11. Also versteht uns teuer: Gott der Vater bewegt sich nicht, sondern nur der Heilige Geist bewegt sich, obwohl uns das allein noch nichts helfen würde. Aber das Wort, welches unsere Seele geschaffen hat, ist Mensch geworden, und das hat den Heiligen Geist in sich, und der geht vom Vater im Wort heraus und entgegnet dem anrufenden Gemüt und Willen und eröffnet sich von innen heraus in der Seele. Denn der äußere tierische Leib ist des Heiligen Geistes nicht wert, daß er sich in diesem eröffne, wie es doch zu Zeiten bei den Heiligen geschieht, daß er aus der Seele in das äußere Prinzip ausgeht, so daß der Leib triumphiert und vor Freude nicht weiß, wie ihm geschieht.

16.12. Aber im neuen Leib der Seele in Christus, wenn sie Christi Leib bekommt, darin wohnt der Heilige Geist. Und wenn dann der Teufel kommt und die Seele von unten im ersten Prinzip, im Zentrum der ersten vier Gestaltungen zum Feuer-Qual-Quell, anfechten will, dann dringt der Wille der Seele in das Fleisch Christi, in das zweite Prinzip, in sich hinein, und da wird sie besänftigt und erlöst, und der Teufel muß hinunter, denn dieses Leben schmeckt ihm nicht. Und doch ist er so trotzig und greift die Seele an, so oft er nur sieht, daß sie sich sicher fühlt oder nur ein wenig mit Falschheit belädt. So sucht er immer eine Gelegenheit, ob er sein Nest offen finden kann.

16.13. Darum, ihr lieben Kinder, wenn ihr betet, dann denkt nicht, Gott wohne fern von euch, und er höre euch nicht und sehe es nicht. Das ist ein falscher Wahn. Nur der wird nicht erhört, der nicht in Gott eingehen will, der in seiner Bosheit stehenbleibt und den Schalk in der Seele hat, der da ruft, Gott solle seine Worte äußerlich annehmen, denn er behält den Schalk in der Seele, der über Gott spottet. Gott wohnt nicht im Äußeren, denn das Äußere ist der tierische Sternengeist. Er wohnt im Innern in sich selbst, und das äußere Wesen ist nur ein Bildnis und Gleichnis von Gott. Wohl ist es von Gott und aus dem inneren Zentrum heraus geboren, ausgesprochen durch das Schöpfungswort, aber es ist nicht das Wesen der Dreizahl, welches ein Wesen und Geist in einer Dreiheit ist, jenseits der Natur, und doch in der Natur in sich selbst wohnt, aber der Natur unbegreiflich ist, wie der Wind oder das Licht nicht vom Feuer ergriffen (und verbrannt) wird, und doch des Feuers Geist, Glanz und Leben ist.

16.14. Wenn du also beten willst, dann räume den Greuel aus deiner Seele und gehe in dich selbst. Das heißt, du mußt dem Greuel gram werden und einen Willen in deiner Seele schöpfen, der solchen Greuel nicht mehr in dich lassen will. Dabei darfst du aber auch mit deinem Willen nicht im Greuel steckenbleiben und verzagen, denn wenn du verzagst, dann sinkst du unter dich in den Abgrund. Denke nur, daß es Gottes lieber Wille ist, daß du durch die Gewalt hindurchdringst und den Greuel auf dem Hals des Teufels läßt, und ganz demütig bittend wie ein sündiges Kind zu Ihm kommst. Er ist der Vater des verlorenen Sohnes (Luk. 15.11). Aber du hast deine Schönheit und Gerechtigkeit mit dem Teufel und der antichristlichen Hure verpraßt, und bist unter den Säuen zu Babel, nachdem du dein Gut durchgebracht hast. So hast du den Abfall mit den Säuen gefressen, bist nackt und zerlumpt, und bist es nicht wert, daß du sein Sohn heißt. Siehe, dieses verinnerliche dir, denn es ist wahr! Und so komm mit rechter Umkehr aus dem Schlamm von den Säuen zu unserem alten lieben Vater, und bitte um Gnade, er wolle dich doch zum Tagelöhner in seinem Vorhof machen. Bekenne ihm, daß du übelgetan hast und nicht wert bist, sein Sohn genannt zu werden.

16.15. Siehe, du liebe Seele, erkenne es doch, denn es ist die teure Wahrheit: Wenn du so in dich gehst und deine Greuel suchst, und den Abfall des Teufels und der Welt siehst, von dem du dich lange Zeit ernährt hast, und dich an Gott und seine Barmherzigkeit erinnerst, dann kehre ja nicht wieder in den Saustall um, und sprich ja nicht: »Ich schäme mich vor meinem frommen alten Vater und darf ihm vor großem Spott und Greuel nicht unter die Augen treten. Denn ich war ein herrlicher Sohn, und nun bin ich ein nackter Schweinehirt.“ Sondern denke, daß sich dein Vater ebensowohl um dich (als seinen verlorenen Sohn) bekümmert, wie du um seine Gunst und Liebe, die du mutwillig verscherzt hast. Fasse dir nur einen freundlichen, demütigen, untertänigen und gehorsamen Willen, und komm, und gehe von den Säuen weg! Laß die Abfälle der Welt stehen, und laß sie die Säue fressen und sich selber daran weiden! Gehe nur in dich, und klopfe an dein bösartiges (feindliches) Herz, brich durch Türen und Tore ein, und wenn auch alle Säue und Teufel um ihren Hirten heulten, so komm du zum Vater mit solchen Gebärden und Worten, die du nicht schmücken darfst (bzw. mußt), wie sie sein sollen. Und wenn du auch nicht mehr als des armen Zöllners Worte hättest, daran liegt es nicht. Nur ernste Beständigkeit ohne nachzulassen, und sollte auch die Hölle zerspringen, und sollten Leib und Seele vergehen, so stehe doch still und gehe nicht wieder aus der Tür des Vaters. Sobald du die Tür in deiner Seele aufmachen wirst, wirst du aus dem Schlamm zum alten Vater gehen, nur daß er dich erkenne, daß du sein Sohn bist, und daß du zu ihm hingewandt bist, dann sagt er: »Das ist mein verlorener Sohn, um den sich mein Herz bekümmert hat, so daß es in die Menschheit dieser Welt eingegangen ist und ihn gesucht hat. Jetzt habe ich ihn gefunden!“ Dann schickt er ihm den Heiligen Geist entgegen, fällt ihm freundlich um den Hals, nimmt ihn mit Freuden an und steckt ihm zum Zeichen seiner Liebe das Siegel und den Ring der Heiligen Dreieinigkeit im Leiden und Tod Christi an die Hand seiner Seele. Dann bringt er die holdselige Jungfrau seiner Weisheit, das neue Engelskleid, als das Fleisch Christi, und zieht es der Seele an. Und nun freuen sich alle Knechte Gottes, als die heiligen Engel im Haus des Vaters, und können mit dem verlorenen Sohn fröhlich sein. Da schlachtet der alte Vater ein gutes Kalb, und speist den Sohn auf seinem Tisch der himmlischen Wesenheit mit der Kraft und mit dem Fleisch seines gehorsamen Sohnes Christi, und tränkt ihn mit dem Wasser des ewigen Lebens im Blut Christi, in der ersten Mutter, daraus die Seele erschaffen worden ist. So ist mehr Freude im Himmel als über neunundneunzig Engel oder heilige Seelen, die bei Gott sind, weil abermals ein lieber Bruder in ihre Gesellschaft gekommen ist.

16.16. Und obgleich die Scheinheiligkeit der eigenen Werke, als der ältere Sohn, der immer im antichristlichen Haus umhergegangen ist, dagegen murrt und grunzt, und sich seines Gehorsams, seiner Mühe und Arbeit rühmt, die er in Scheinheiligkeit zugebracht hat, danach fragt der Vater nicht, denn der neue Sohn gefällt ihm besser als der im Haus. Denn der im Haus ist ein Neider und will keine himmlische Freude mit seinem verlorenen Bruder haben. Er meint, er besitze das Erbe allein und das Himmelreich sei sein, denn er habe es verdient, weil er nicht aus dem Haus gegangen ist, und ihm gebühre der Schlüssel zum Schatz, und jener sei nur ein Schweinehirt. Aber das irrt den Vater nicht, und er ist mit seinen Knechten, den Engeln und heiligen Seelen, fröhlich und läßt den Zürner, der keine himmlische Freude mit seinem Bruder haben will, in die Zorngrube des Teufels hingehen. Er ist mit seinem Kind fröhlich, auch wenn der Scheinheilige zürnt und das Abendmahl des Vaters verachtet, denn so genießt er auch keine himmlischen Freuden.

16.17. Also höre, du römischer Papst und du römischer Kaiser! Was zürnst du mit uns armen verlorenen Söhnen in Deutschland, die wir zu unserem ersten wahren alten Vater eingehen? Er will uns doch gern haben! Bist du unser Bruder, warum grunzt du dann? Bist du Papst im Haus, dann schaue und sei des Vaters gehorsamer Sohn, und freue dich mit dem verlorenen Sohn, wenn er aus dem Antichristen zum Vater geht. Wirst du das nicht tun, dann mußt du ewig zürnen, und du wirst mit uns verlorenen und wieder lebendigen Kindern in Ewigkeit keine Freude haben. Das sagt der Geist der großen Wunder.

16.18. Oder, du antichristlicher Wolf, was zürnst du, wenn der Vater einen Schweinehirten zu einem lieben Kind annimmt und ihm den Siegelring des großen ganzheitlichen Geheimnisses (Mysterium Magnum) gibt? Meinst du, du hast recht, nur weil du auf einer Akademie geboren wurdest, aber der Hirte im Feld bei den Schweinen, wie du sie betachtest? An denen werden doch die größten Wunder erweckt, weit über deinem scheinheiligen Verstand. Schau nur zu, und regiere recht im Haus deiner Akademie! Wir haben einen Wächter sagen hören: „Völlig tot! Die Stadt Babel ist gefallen!“ Nun schau zu, daß du nicht in Babel ergriffen wirst, denn sie brennt im Feuer. Die große Verwirrung will sie ausspeien, und es ist kein anderer Rat, als nur gemeinsam mit dem Schweinehirten zum Vater zu gehen und ihn um Gnade zu bitten. Sonst wirst du erfahren, was diese Feder geschrieben hat, und aus welchem Geist es geflossen und eröffnet worden ist.

16.19. Als Christus von dem Mondsüchtigen die Teufel austrieb, sprachen seine Jünger zu ihm: „Meister, warum konnten wir sie nicht austreiben?“ Da antwortete Christus: »Diese Art fährt nicht anders heraus als durch Fasten und Beten.“ (Matth. 17.21)

16.20. Ihr lieben Kinder, Brüder und Schwestern, laßt euch doch raten, denn die freundliche Liebe Gottes des Vaters in seinem Herzen, der um unseretwillen Mensch geworden ist, hat sich in der Krone des Geistes dieser Welt erhoben und ruft uns: Es jammert seine Barmherzigkeit, daß wir dem Zorn in der großen Verwirrung anheimgefallen sind. Er schickt dir jetzt viele Boten und ruft dich in seiner Stimme, und er wird dir noch mehr davon schicken. Warum verhöhnst du sie und tötest sie? Prüfe sie, ob ihr Geist aus Gott geboren ist?! Ob sie den eigenen Weg des Bauches im Antichristen suchen? Wahrlich es ist Zeit, vom Schlaf zu erwachen, denn es wird kein Spaß danach folgen. Ihr dürft nicht so leichtsinnig mit dem Schlüssel des Heiligen Geistes umgehen und Beschlüsse des Glaubens nach eurem Wahn machen. Es will nicht beschlossen sein, sondern mit wahrem Ernst als gehorsame Kinder Christi erweckt werden.

16.21. St. Paulus sagte nicht zu seinem Jünger „Diskutiere über das Geheimnis Gottes!“, sondern: „Erwecke die Gaben, die in dir sind!“ (2.Tim. 1.6) Denn hier hilft keine eigene Klugheit, viel weniger der überhebliche Stolz der hohen Schulen, den sie mit Scheinheiligkeit unter dem Mantel des Heiligen Geistes verdecken. Was beschließt ihr vom Leib und von der Person Christi? Habt ihr die Gewalt? Es bleibt euch doch ein Geheimnis, und ihr versteht nichts darin, wenn ihr nicht in Christus neugeboren werdet. Oder könnt ihr mit euren irdischen Augen in den Himmel sehen, wo Christus ist? Sagt er nicht: »Siehe, ich bin bei euch bis zum Ende der Welt? (Matth. 28.20)« Ist er bei euch, was setzt ihr euch dann auf seinen Thron und verleugnet seine Gegenwart? Seid ihr nicht Pilatus, der Christus verurteilt? Von wem habt ihr die Macht, daß ihr Schlußfolgerungen festlegt? Seid ihr seine Herren, dann seid ihr keine Kinder. Seht zu, daß ihr nicht der ältere Sohn im Haus seid, der sich um das Erbe reißt und um die Gewalt, und er bleibt doch nur ein stolzer Murrer und Zürner gegen den Vater.

16.22. Ihr lieben Kinder, wahrlich, es bringt nichts, einen solchen Weg zu gehen. Christus sprach zu seinen Jüngern, als er die Teufel vom Mondsüchtigen austrieb, welches die Jünger in ihrem eigenen Verstand nicht tun konnten: »Diese Art fährt nicht anders heraus, als durch Fasten und Beten. (Mark. 9.29)« Ihr lieben Brüder, ihr werdet den Teufel nicht von uns treiben, wenn ihr nicht Christus bei euch habt. Eure Schlußfolgerungen durch Kunst und Verstand bringen nichts, als daß sie von Gott heraus in einen eigenen Willen gehen. Wir müssen fasten und beten, daß wir nicht in Anfechtung und durch unseren Verstand in die Stricke und Netze des Teufels fallen. (Matth. 26.41) Denn der Teufel hält dem Verstand immer sein Netz vor, und wer dahinein fällt, der meint, er sei in Christi Fischnetz gefangen, aber er ist im Netz des Antichristen gefangen. Kein Verstand begreift mehr vom Reich Gottes, als nur die Hülle. Die Kraft bleibt dem Verstand verborgen. Es sei denn, er ist in Gott geboren. Dann geht der Verstand wie ein brennendes Feuer in Gottes Geist, aber der Geist läßt ihn nicht in die Höhe, sondern beugt ihn zur Erde, denn er kennt den Kriegsmann gegen ihn. Es gehört ein wachsames Leben dazu, das sich kasteit, und sich nicht mit dem fleischlich wollüstigen Geist dieser Welt überschüttet, als ein immer betrunkenes volles Leben. Denn sobald die Seele mit der Kraft des irdischen Geistes entzündet wird, tritt der Geist Gottes in sein Prinzip, und die Seele wird vom Geist dieser Welt gefangen, und der Teufel bekommt einen Zutritt zu ihm. So wird sein zuvor in Gott erkanntes Wissen in äußerlichen Verstand verwandelt. Und dann meint der Mensch, es sei noch Gottes Geist. Aber nein, Fritz! Das Gestirn, das im Geist Christi ruhen sollte, das gelüstet auch, ein solches Herz der Seele zu besitzen, darin Gottes Geist sitzt, denn alle Kreaturen sehnen sich nach der Kraft Gottes. Aber das Gestirn, auch wenn es in den Tempel Christi kommt, treibt nur das seine, was in seinem Vermögen ist. Es weiß nichts von göttlicher (ganzheitlicher) Weisheit, denn es hat eine (gegensätzliche) Weisheit und macht den Geist dieser Welt. Wohl hat es große Kunst, denn das große irdische und elementische Geheimnis liegt in ihm, aber den Schlüssel zum Prinzip der Freiheit Gottes jenseits der Natur hat es nicht, denn es hat Anfang und Ende, und sieht nicht weiter. Es macht und sucht nur ein scheinheiliges Leben.

16.23. Darum laßt uns nicht stolz und sicher sein und uns auf Kunst verlassen, viel weniger auf den Buchstaben, denn ihr Geist bleibt uns ohne Gottes Geist verborgen. Wir haben Gottes Willen in der Heiligen Schrift klar und deutlich, aber ohne Gottes Geist haben wir nur eine Hülse und tote Worte. Denn erst Gottes Geist erweckt das lebendige Wort in uns, so daß wir den Buchstaben und das geschriebene Wort verstehen. Das erkennt man genug daran, daß die Kunstgelehrten nur Buchstabengelehrte sind, und nicht von Gott Gelehrte, sonst würden sie nicht um Christi Ehre und Lehre so zanken, und würden auch nicht so um den Kelch Christi tanzen.

16.24. Wenn auch tausende von Gott-Gelehrten, die im Geist Christi geboren sind, beieinander wären, und ein jeder eine besondere Gabe und Erkenntnis in Gott hätte, so wären sie doch alle in der Wurzel Christi einig, und ein jeder begehrte nur die Liebe Gottes in Christus. Welcher Jünger würde sich über seinen Meister erheben? Sind wir in Christus ein Leib, was muß dann ein Glied mit dem anderen um die Speise zanken? Wenn der begehrende Mund ißt, dann empfangen alle Glieder Kraft, und ein jedes Glied hat seine Aufgabe, um die Wunder Gottes zu eröffnen. Deshalb führen wir nicht alle ein Wort, aber einen Geist in Christus. Denn einem jeden wird das Seine zugeteilt, was er in Gott eröffnen soll, damit die großen Geheimnisse Gottes und die Wunder offenbar werden, die seit Ewigkeit in seiner Weisheit gesehen worden sind, zu welchem Zweck auch die Seele von Gott geschaffen wurde.

16.25. Ich weiß, und der (sehende) Geist zeigt es mir: Du antichristlicher Sophist wirst mir nun vorwerfen, daß auch in den Aposteln ein Streit um Christi Worte gewesen war. Ja freilich, es ist des Satans Meisterstück gewesen, die Jünger Christi und wiederum ihre Jünger anzugreifen, sobald sie sich sicher fühlten. Sie waren eben Menschen wie wir, und einer war stärker im Geist als der andere, nachdem sie sich selbst gesucht und in Gott ergeben haben. Denn sie lebten unter bösartigen Menschen, und haben sich oft in die Welt schicken müssen, und mußten dem Schwachen Milch zu trinken geben (sozusagen geistige Kindernahrung), daran sich oft die anderen mit ihrem Verstand gestoßen und sich ereifert und darum einander gestraft haben. Wie solches bei Kornelius zu sehen war, als Petrus zu den Heiden ging, und die anderen Apostel meinten, das Reich Gottes gehöre nur Israel. (Apg. 11.2)

16.26. Ihr sollt wissen, daß Gottes Liebe so demütig ist, daß sie auch der Seele untertänig ist, wenn sich die Seele darin entzündet. Aber darüber soll sich keine Seele freuen, sondern in die Liebe Gottes verdemütigen und stets aus ihren Begierden ausgehen, damit der Geist Gottes in ihr lebe und sie ihm nachsehe. Es wird der Seele zugelassen, daß sie eifert, aber besser tut sie, wenn sie in der Sanftmut wandelt, in welcher sie in der Kraft der Majestät einhergeht und ein gar liebes Kind ist. Was hilft es mir, daß ich Feuer über meinen Bruder ausgieße und auch mich darin entzünde? Es ist seliger, unter dem Kreuz mit Geduld in Sanftmut zu bleiben, als Feuer vom Himmel zu holen. Christus ist gekommen, um zu suchen und selig zu machen, was verloren war, und nicht, daß er den Zorn über uns erwecke, sondern daß er uns helfe, aus dem Rachen des Teufels zu entkommen. So hat er uns in sich zu einer lebendigen Kreatur in Gott wiedergeboren, und hat uns durch das Zornfeuer seines Vaters geführt. Er hat uns die Bahn gebrochen, daß wir ihm in Liebe und Sanftmut nachfolgen können, wie die Kinder ihren Eltern folgen sollten. Und darum lehrt er uns treulich, was wir tun und wie wir beten sollen.

16.27. Das Gebet, das Christus uns gelehrt hat, ist eine Unterweisung und Lehre für all dessen, was wir tun und lassen und was wir von Gott erbitten und erwarten sollen. Es wird allewege nach den drei Prinzipien recht verstanden, dazu wir hier eine kurze Anleitung geben wollen. Obwohl es sich nicht völlig erschließen läßt, denn der Geist hat die ganze Ewigkeit, sowie die Natur und alle Wesen darin begriffen, so daß es keine Zunge genug deuten kann. Je mehr man es betrachtet, desto mehr wird darin gefunden. Jedoch wollen wir es wagen, und dem Leser eine Anleitung geben, aber nicht um den Geist daran zu binden, denn es geht einem jeden in seiner Seele auf, je nachdem ihm die Kraft aus Gottes Wundern gegeben ist.

16.28. Und so ist es auch mit dem Evangelium: Es läßt sich an keine Auslegung binden, und je mehr man darin sucht, desto mehr findet man. Denn der Geist Gottes ist es selbst, der uns richtig zu beten lehrt, und er vertritt uns auch selbst in Gott. Denn wir wissen nicht, was wir reden sollen: Unser Wandel ist nur im Willen, daß wir uns in Gott ergeben. Gott der Heilige Geist bewirkt selbst das Grünen und Auswachsen durch sich selbst in Gott. Er treibt die Blume des neuen Leibes der Seele aus dem Zentrum Gottes durch die Seele aus, so daß die Frucht des ewigen Lebens aus dem Leib der Seele mit den vielen Zweigen und schönen Früchten wächst und wie ein herrlicher Baum in Gottes Reich steht. Und wenn wir beten, dann essen wir mit der Seele von vielen himmlischen Früchten, welche alle aus dem Leib der Seele wie aus einem himmlischen Acker gewachsen sind. Und davon ißt die Seele immer wieder im Gebet, und das ist ihre Speise am Tisch Gottes. So ißt sie vom Wort des Vaters (Verbo Domini), davon Christus spricht: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.«

16.29. Ein sehr hohes und gar treffliches Verständnis gibt das Vaterunser in der Natursprache, denn es spricht die ewige Geburt aus, wie auch alle drei Prinzipien, sowie den kläglichen Fall des Menschen, und zeigt ihm die Wiedergeburt in Christus. Es weist ihm, wie er tun und sich gebärden solle, daß er wieder in die göttliche Einigung komme, und zeigt ihm, wie ihm der Geist Gottes so freundlich begegnet. Weil wir aber schwer zu verstehen sein könnten, so wollen wir hier nur einen summarischen Inhalt und Verstand vorsetzen, und das weitere Werk der höchsten Zunge, dem Geist Gottes in jeder Seele empfehlen. Vielleicht wird es dann noch in einem eigenen Traktat ausführlicher behandelt, wenn uns der Herr solches zuläßt.

Das Vaterunser (Matth. 6.9)

16.30. Wenn wir sagen »Unser Vater im Himmel«, dann erhebt sich die Seele in allen drei Prinzipien und eignet sich dem an, daraus sie geschaffen wurde. Das verstehen wir in der Natursprache ganz scharf und eigentlich: Denn „Un“ ist der ewige Wille Gottes zur Natur. „Ser“ enthält die ersten vier Gestaltungen der Natur, in denen das erste Prinzip steht. „Vater“ gibt den Unterschied zweier Prinzipien, denn „Va“ ist die Matrix (der Geburt) auf dem Kreuz, und „ter“ ist das Mercurius (das Quecksilber der lebendigen Reflexion) im Zentrum der Natur. Sie sind zwei Mütter im ewigen Willen, daraus alle Dinge geworden sind, von denen sich eine in das Feuer scheidet und die andere in das Licht der Sanftmut und ins Wasser. Denn „Va“ ist die Mutter aus dem Licht, die (körperliche) Wesenheit gibt, und „ter“ ist die Mutter der Tinktur des Feuers, die das große und starke Leben gibt, und der „Vater“ ist beides. Wenn wir sagen „im“, dann verstehen wir das Innere, als das Herz, von dem der Geist ausgeht. Denn die Silbe kommt aus dem Herzen und schallt durch die Lippen, und die Lippen behalten das Herz im Inneren unaufgeweckt. Wenn wir sagen „Him“, dann verstehen wir die Schöpfung der Seele. Die Silbe „mel“ ist die englische Seele selbst, die das Herz auf dem Kreuz im Zentrum zwischen den beiden Müttern erfaßt und mit dem Wort „Him“ zu einer Kreatur geschaffen hat, nämlich zum „mel“, denn „Him“ ist des „mels“ Wohnung. Darum ist die Seele im Himmel geschaffen, das heißt, in der Liebe-Matrix.

Die erste Bitte: „Dein Name werde geheiliget.“

16.31. Wenn wir sagen „Dein“, dann verstehen wir, wie die arme Seele im Wasser dieser Welt schwimmt und sich mit ihrem Willen in das Prinzip Gottes hineinwirft, denn sie geht in der Silbe „Dein“ in Gottes Stimme. In der Silbe „Na“ eignet sie sich ein, und in der Silbe „me“ erfaßt sie die himmlische Wesenheit, und das geschieht so im Willen der Seele. Und wenn wir sagen „wer“, dann fährt die ganze Kreatur in den Willen, denn „wer“ hat das ganze Zentrum, und mit der Silbe „de“ legt sie sich mit Gehorsam in die Sanftmut, und will das „wer“ im Feuer nicht entzünden, wie es Luzifer getan hat. Und wenn wir sagen „ge“, dann geht die Seele in der himmlischen Wesenheit wie ein stilles Kind ohne Zorn. Und „hei“ ist dann der gewaltige Eingang auf dem Kreuz in der Dreizahl, wo der Seelenwille in die Majestät in das Licht Gottes eindringt. Mit der Silbe „li“ hat der Seelenwille den Heiligen Geist gefaßt, und mit „get“ geht er mit dem Heiligen Geist aus. Denn der Glanz der Majestät leuchtet im Willen, und der Heilige Geist fährt im Glanz der Majestät auf dem Wagen der Seele, denn der Wille ist der Brautwagen der Seele, mit dem sie in die Heilige Dreifaltigkeit (Ternarium Sanctum) hineinfährt, darin der Heilige Geist mit dem Glanz der Gottheit liegt.

Die zweite Bitte: „Dein Reich komme.“

16.32. Mit „Dein“ ergibt sich die arme Seele abermals mit ihrem Willen in Gottes Willen, als Gottes Kind. Mir „Reich“ übereignet sie sich in die Kraft der englischen Welt und begehrt aus der Tiefe des Wassers in Gottes Kraft. Und „komme“: In der Silbe „kom“ geht sie in die Kraft ein und erfaßt sie, und mit der Silbe „me“ macht sie ihren Himmel auf und geht mit der gefaßten Kraft im Reich wie ein Gewächs auf. Denn das „me“ macht die Lippen auf und läßt das Gewächs des Willens ausgehen und langsam und sanft wachsen.

Die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.“

16.33. Mit „Dein“ wirkt die Seele mit ihrem Willen wie in der ersten und zweiten Bitte und wirft sich in Gottes Willen hinein. „Wil“ ist ihr Begehren mit dem Heiligen Geist zu wallen. Mit der Silbe „le“ bringt sie den Geist mit dem Willen in das Zentrum hinein, nämlich in das Herz, und will, daß ihr Wille im Heiligen Geist im Herzen wallen soll. Mit der Silbe „ge“ geht sie in den Willen. Mit der Silbe „sche“ wirkt sie Gottes Werke, denn damit tut sie, was des Vaters Rat ist und das Herz Gottes will, so daß wir in Trübsal unter das Kreuz kriechen, wo sich Christi Seele ans Kreuz hängenließ. In der Silbe „he“ nimmt sie es geduldig an, was Gott wirkt, und bückt sich wie ein Kind. Mit „wie“ geht sie abermals in die Stimme der hohen Majestät. „Im“ ist das Herz Gottes, wo der Geist ausgeht, und in diesem Willen will sie sein. „Him“ ist abermals die Schöpfung der Kreaturen. „Mel“ ist die Seele, das heißt, sie will wie die Engel in Gottes Willen tun, was Gottes Willen gefällt. Mit „al“ faßt sie denselben Willen und treibt ihn mit der Silbe „so“ aus ihrem Zentrum in diese Welt in das äußere Prinzip. Mit „auch“ gibt sie alles, was sie in sich hat in das Äußere heraus, außerhalb von sich in diese Welt. Mit der Silbe „auf“ erfaßt sie das wieder und will, daß ihr Wesen nicht zerstreut werden soll, denn sie läßt nur den Willen vom Wesen durch die zugetanen Lippen an die Zähne ausgehen, und will, daß die Form des Willens als eine Bildung des Wesens ewig bleiben soll. Mit der Silbe „Er“ bringt sie ihr Wesen in den Geist dieser Welt auf die Erde, und da soll der Wille Wunder wirken, wie in der göttlichen Kraft im englischen Reich, denn der Wille soll Gottes Geheimnis offenbaren. Mit der Silbe „den“ zeigt sie an, daß es nicht im Zornfeuer geschehen soll, worin der Teufel wohnt. Denn die Silbe weckt das Zentrum nicht auf, das soll in der sanften Liebe geschehen und doch aus dem „Er“ genommen werden. Die Seele soll mächtig in allen Geheimnissen herrschen, aber den Teufel nicht hereinlassen: Daran mangelt uns viel, denn der schwere Fall bedrückt uns sehr. Oh, hierin liegt noch vieles, das aufzuschreiben zu lang sein würde, denn Gottes Wille soll geschehen, und nicht des Fleisches und des Teufels! Darum sind wir im Gebet so zweifelhaft, so daß die arme Seele in den Willen des Fleisches und des Teufels läuft. Wenn sie in Unschuld leben würde, dann hätten wir diese Erkenntnis vollkommen, und es wäre kein Zweifel in unserem Gebet, sondern nur ein Tun und Vollbringen. Doch wir schwimmen hier wirklich im Elend, das zeigt uns der (sehende) Geist der Wunder.

Die vierte Bitte: „Gib uns unser täglich Brot heute.“

16.34. Im „Gib“ steckt der Wille im Herzen und dringt heraus, und der Mund fängt ihn. Das heißt, die Seele will gespeist sein. Was das Wort aus sich gibt, das erfaßt die Seele, denn es gehört ihr, und sie will es haben. Mit der Silbe „uns“ begehrt die Seele für alle Glieder Speise, also auch für alle Seelen, als wäre sie ein Baum mit vielen Zweigen und Ästen, von denen ein jeder vom Stamm die Kraft und den Saft bedarf. So will sie es ganzheitlich aus Gottes Kraft für das Leben aller Seelen haben. Denn sie zieht es mit aller Begierde zu sich und in alle, wie ein lieber Bruder. Sie will es zugleich (für alle) haben, und nicht allein im Geiz, wie der Teufel. Mit der Silbe „un“ geht der Seelenwille in die ewige Weisheit, in welcher er vor der Schöpfung im Samen durch den ewigen Willen erblickt wurde. Mit der Silbe „ser“ nimmt sie den Ursprung der Natur im Wilen, wo eine Gestaltung die andere im Ursprung gebiert, erfüllt und erhält. Denn das ist das Band der Seele, damit sie ewig lebe und bestehe. Und das begehrt der Wille der Seele, sonst zerbräche sie. Denn ein Geist begehrt nichts mehr, als sein Band zu erhalten und es mit Kraft zu erfüllen, damit es quelle. Und hier liegt der Schlüssel der größten Geheimnisse des Wesens aller Wesen. Lieber Doktor, seid ihr gelehrt, dann sucht hier! Und wenn ihr hier nichts versteht oder verstehen wollt, dann seid ihr nicht gelehrt, sondern nur Historienerzähler, was der Ungelehrte, wenn er sich übt, auch kann. Doch das wäre das wahre Doktorat im Heiligen Geist. Das äußere ist nur ein Spiegelfechten und gibt Hochmut. Mit der Silbe „täg“ wird die himmlische Zahl verstanden, nämlich wo der Geist auf dem Kreuz in der heiligen Matrix die Gebärerin in der Vervielfältigung ergreift, wo sich der Wille des Geistes in jeder Zahl erfreut, kräftigt und stärkt. In der Silbe „lich“ erquickt sich der Seelenwille im Licht und in der Kraft der Majestät Gottes und stärkt die Seele mit der himmlischen Zahl, die aus der Majestät ins Unendliche aufgeht. Und hier ist die Seele als ein Engel erkannt und lebt in Gottes Hand. Mit „Brot“ erhebt sich das leibliche Wesen und unser Elend, denn Brot ist aus dem Zentrum der Natur geboren. Obwohl es der letzte Buchstabe in der Silbe „Brot“ ausspricht, daß es ein Paradiesbrot sei, denn das Kreuz (t) führt in seinem Kreuz-Charakter in der Natursprache den schweren Namen Gottes. Wenn man diesen richtig erklären und nach der Natursprache verstehen will, dann wird er im Wort des Tetragrammaton („JHWH“) gewaltig und zum höchsten verstanden, denn es erfaßt alle drei Prinzipien, und in dem Wort „Adonai“ („mein Herr“) wird Gott in einem Prinzip verstanden, nämlich in der englischen Welt, welches aber in einem besonderen Traktat erklärt werden soll, und wir geben es hier nur, um den Silben nachzusinnen. Denn „Brot“ ist des Leibes Speise, und wird vom Grimm verstanden, weil sich dieser mit eingemischt hat, und bezeichnet das Trauerhaus. Weil wir es aber nun haben müssen, so greift die Seele danach, um ihren tierischen Leib zu erhalten. Dies Silbe „heu“ versteht das einige (ganzheitliche) Seelenbrot des neuen Leibes, als der himmlischen Wesenheit, denn der Wille geht aus dem Brot in das „heu“ aus, und das ist die ewige Wesenheit, das Brot Gottes, Christi Fleisch. Die Silbe „te“ bestätigt dann, daß es den schweren Namen Gottes gibt, und erschafft, denn die Seele begehrt zweierlei Brot, eines für den Bauch, und das andere für ihren heiligen himmlischen Leib.

Die fünfte Bitte: „Und verlaß uns unsere Schuld, als wir verlassen unsern Schuldigern.“

16.35. Die Silbe „Und“ ist es, darin der Seelenwille die Liebe Gottes aufweckt, denn der Wille versteckt sich in dem „Und“, als in die Sanftmut, und erfüllt das „ver“ als den Zorn, und geht mit dem „Und“ wie ein aufwachsendes Wesen, gleich einer Blume, aus dem „ver“ heraus, und bleibt doch ineinander. Denn „ver“ ist des Lebens Zentrum, welches das Feuer des Grimms hat, und das „Und“ gehört in das andere (zweite) Prinzip. „Lasse“ oder „laß“ ist die Läuterung dessen, was aus dem „ver“ geboren wurde, wie auch Jesaias sagt: »Wenn eure Sünden auch blutrot wären, wenn ihr euch bekehrt, dann sollen sie schneeweiß wie Wolle werden. (Jes. 1.18)« In dieser Silbe „lasse“ ist das Bad, darin das „ver“ gewaschen werden muß, oder es besteht nicht in Gottes Reich. „Uns“ ist abermals die Einigung, darin der Seelenwille die Brüderschaft von allen Seelen in einem Willen begehrt, gewaschen zu sein. Mit dem „un“ schmiegt sich der Wille in Gottes Liebe und wäscht das bösartige Kind „ser“, und bekennt hiermit alle Bosheit, als wäre es eine einzige in einer einzigen Seele. Die „Schuld“ ist das wirkliche Register, das der Zorn in die Seele hineingeführt hat, und das begehrt der Wille ganz abzuwerfen. Aber der Mund fängt die Silbe wieder wie einen Blitz, und zwar zum Zeichen, daß unsere Werke ewig zu Gottes Wundertat stehen sollen, und nur des Bades bedürfen, damit sie nicht im Grimm Gottes ergriffen und entzündet werden. Sonst gehören sie in den Abgrund, in das finstere Prinzip. In der Silbe „als“ faßt der Seelenwille alles zusammen, was „Seele“ heißt, und redet von Vielem wie von Einem. In der Silbe „wir“ klagt der Wille über die Angstqual der Unruhe in der Seele, weil sich eine Seele oft an der anderen vergreift. Deswegen faßt der Wille aller Seelen Verwirrung zusammen und spricht: „ver“ Das heißt, der Wille will den Grimm aller Seelen auf einen Haufen unter sich in den Abgrund drücken. „Las“, das heißt, von sich lassen und nicht mehr im Grimm des Zorns wissen. Denn die Silbe „sen“ behält die Form der Wunder, aber sie müssen im „Lassen“ gewaschen sein, denn „Lassen“ ist das Bad. Die Silbe „un“ dringt aber in die Liebe Gottes und begehrt die gewaschenen Seelen in die Liebe zu führen. Die Silbe „sern“ zeigt vor Gott das bösartige Kind an, das in der Liebe gewaschen wurde, und stellt es zu Gottes Wunder dar. Denn es stellt das dar, was aus der Tinktur des Feuers in der Seele zum Wunder gekommen ist. Die Silbe „Schul“ zeigt das unnütze Werk an, das eine Seele gegen die andere aus der Tinktur des Feuers gewirkt hat, und ist eine Darstellung des Übels, das die Seele im Willen selber wieder gewaschen und gereinigt hat. Die Silbe „di“ stellt die Einigung wieder in die Majestät und den Heiligen Geist, weil da kein Widerwille mehr ist. Und „gern“ ist das bösartige Kind, das jetzt vor Gott zu Gottes Wunder steht, von dem der Wille den Fehl (bzw. die Schuld) genommen hat und begehrt, daß es der Heilige Geist in die Majestät als ein Wunder einnehmen wolle.

Die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung.“

16.36. Das „Und“ ist abermals die Hingabe in die liebe Sanftmut Gottes, darin sich der Seelenwille in der Majestät vor der Dreizahl demütigt. Durch „füh“ fährt der Wille auf dem Heiligen Geist. Mit „re“ will der Wille nicht durch den Grimm fahren, denn er fürchtet sich vor dem Gefängnis des Grimms. Denn der Wille soll stets so in Gott gesetzt sein, daß er unverletzt durch das Feuer gehen kann, wie auch durch das äußere Prinzip als durch diese Welt, und soll sich doch von keinem fangen oder sich gelüsten lassen. Weil aber die Seele weiß, daß sie in der ersten Versuchung nicht bestanden hat, als sie in den Geist dieser Welt hineingeführt wurde, der das Schöpfungswort in das Bildnis blies, so fleht sie nun zum Heiligen Geist, daß er mit ihrem Willen nicht in die Prüfung eingehen soll. Denn sie selber traut sich nicht, vor dem Teufel zu bestehen, wenn er sie angreifen sollte. Wie auch Christus zu Petrus sprach: »Der Teufel hat euch anzugreifen begehrt, aber ich habe für euch gebeten, daß euer Glaube nicht aufhöre. (Luk. 22.31)« Das heißt: „Ich habe euch ins Wort geschlossen und dem Teufel nicht zugelassen, sondern euch in meiner Bitte in Gottes Willen geführt, damit ihr vom Heiligen Geist erhalten werdet. Sonst wärt ihr vom Teufel durch den Zorn und Geist dieser Welt verführt worden.“ Die Silbe „uns“ faßt abermals die brüderliche Einigung in einem Willen in der Majestät und fleht im Geist darum. In der Silbe „nicht“ reißt der Wille das Schlechte aus der Zornwurzel aus und behält ein besonderes Regiment jenseits des Zorns, wie dann die Seele aus dem Feuer brennt, und das ist das wahre Leben (jenseits des Feuers) in der lichtflammenden Tinktur der Luft und Kraft. Mit „in“ steht sie wie ein eigener Klang und eigenes Wesen, gleich als wäre es das Zentrum. Mit „Ver“ muß sie mit dem Willen durch den Grimm gehen und ihn besänftigen. Sie muß ihn abkühlen, damit er sie in ihrem sanften Leben nicht entzünde. Mit der Silbe „such“ durchdringt sie mit ihrer Liebe-Tinktur den Grimm als das Zentrum der Natur, löscht den Grimm auf göttliche Art und treibt die List des Teufels aus der Qualität des Feuers aus dem Ursprung, weil er sonst einen Zutritt in die Seele hätte. Mit „ung“ nimmt die Seele die Kraft aus den sieben Gestaltungen ihrer Natur als einen Geist mit sich und setzt sich gewaltig über das Zentrum, und herrscht darüber wie ein König über sein Reich. Denn sie hat jetzt das Zentrum mit der Liebe besänftigt und überwunden, und will nun den Versucher nicht mehr hereinlassen.

Die siebente Bitte: „Sondern erlöse uns vom Übel.“

16.37. In der Silbe „Son“ erscheint sie (die Seele) in der Majestät mit ihrer Kraft und ihrem Glanz über dem Zentrum des Herzens und hat ein eigenes Prinzip in der Majestät. Mit „dern“ gebietet sie dem Grimm im Zentrum, herrscht darüber und bändigt ihn mit ihrem Willen. Mit „er“ dringt sie wie eine Blume als Gewächs aus dem Zentrum und eröffnet die Wunder Gottes, denn sie geht hier mit dem Zentrum um, wie sie will, weil sie es überwunden hat. Das „lö“ ist das Gewächs, das durch den Grimm aus der Natur wächst und nun lieblich und gut ist und zum Reich Gottes taugt. Mit „se“ gebärt sie eine Frucht auf dem Tisch Gottes, die von Zorn frei ist. Mit „uns“ nimmt sie dazu die Einigung aller Seelen mit und stellt es offenbar dar, daß sie vor ihrer Schöpfung eine Wurzel im Reich Gottes gewesen war und nun viel geboren habe, das heißt, sie ist ein Baum und habe viele Zweige erweckt, und stellt sich in einem Baum dar. Das „vom“ ist das große Wunder, daß Gott aus einem zwei gemacht hat, und doch eines geblieben ist. Hier zeigt sie dies an, denn ihr seht, daß die Wurzel in der Erde etwas anderes ist als der Halm, der aus der Wurzel wächst. So versteht uns auch von der wahren heiligen Seele: Sie wächst wie ein Halm aus der Wurzel, aus dem Zentrum der Natur, und ist doch etwas anderes als das Zentrum, aber das Zentrum gebiert sie, und sie schwebt in der Allmacht über dem Zentrum und herrscht darüber, wie Gott über die Natur, obwohl doch der Name der Dreizahl in der ewigen Natur entsteht. Und wie Gott von der Natur frei ist, aber die Natur von seinem Wesen und von Gott selbst ungetrennt ist, so ist auch die Seele von der Natur frei, und ist ein Herr der Natur, denn sie ist ein Geist mit Gott, aber blüht oder wächst aus der Natur. Doch Gott ist nicht ganz mit der Seele zu vergleichen, denn Gottes ewiger Wille ist eine Ursache und Anfang der Natur, aber mit Gottes Majestät, deren Glanz aus der Schärfe der ewigen Natur entsteht und doch schon vor der Natur als ein Blitz der ewigen Freiheit entspringt, von dem die Natur in ihrer scharfen Gebärung den Glanz empfängt und ihn im Feuer zu einem triumphierend hohen Licht erhebt. Das ist auch der Grund, warum sich die ewige Freiheit jenseits der Natur nach der Natur sehnt, im Wunder offenbar sein will und Majestät, Herrlichkeit und Macht begehrt. Denn wenn keine Natur wäre, dann wäre auch keine Herrlichkeit und Macht, viel weniger Majestät, und auch kein Geist, sondern nur eine Stille ohne Wesen.

16.38. So erscheinen in der Natur Kraft, Macht, Herrlichkeit, Majestät, Dreizahl und Wesen, und das ist des ewigen Wesens Offenbarung. Wenn nun die Seele als ein Geist aus diesem Wesen eröffnet und genommen worden ist, dann hat sie auch zwei Gestalten. Eine ist die Natur, und die andere ist die göttliche Blume oder das Gewächs aus der Natur, das über der Natur und ein Geist in sich selbst ist, wie Gott ein Geist in sich selbst ist. Wie ihr dies am Feuer seht, denn das Feuer ist aus der Natur, und der Schein mit der Luft, die aus dem Feuer ausfährt, ist ein Geist mit aller Kraft der Natur des Feuers, und ist doch über der Feuernatur, denn die Feuernatur kann ihn nicht ergreifen. Aber auch die Natur des Feuers könnte nicht bestehen, wenn nicht der Geist der Luft das Feuer wieder aufbliese. So gebiert das Feuer den Geist mit dem Glanz und sehnt sich wieder heftig nach dem Geist, und zieht ihn immer wieder in sich, aber hält ihn auch nicht, denn er ist das Leben des Feuers. Und der Glanz ist aus der Schärfe des Feuers, und doch ist auch keine (lebendige) Fühlung im Glanz, obwohl doch der Glanz die Kraft hat, und nicht das Feuer. Denn von des Glanzes Kraft geht auf und wächst ein Gewächs, und nicht vom Feuer, wie ihr dies auch am Glanz der Sonne ersehen könnt.

16.39. Weil nun die arme Seele im schweren Fall Adams von zwei Feuern gefangen worden ist, nämlich daß sie der Geist dieser Welt in sich gefaßt hat und darunter das Feuer des Ursprungs ist, so will sie mit ihrem Geistleben wieder frei sein, in welchem sie ein Engel und Gottes Bild ist, und geht mit ihrem Willen heraus, das heißt, als ein Gewächs aus der Natur und auch aus dem Geist dieser Welt, aus den Wundern Gottes. Und darin steht sie wahrhaftig, das heißt, sie hat jetzt die Kraft der Natur und den Mercurius (des reflektierenden Bewußtseins) in der Kraft der Majestät. Das ist ein zweites Prinzip, und hat doch auch das erste feurige, aber es wird nicht offenbar, denn das heilige Prinzip in der Majestät verwandelt den Grimm in Liebe. Und wenn das erste wieder erweckt würde, dann wäre es Feuer, und die ersten vier Gestaltungen der Natur würden hervorquellen. Darum ist Gott Mensch geworden, damit der Liebegeist einen Leib habe, und das ist der Seelengeist. Darum fleht sie, wenn sie noch nicht wiedergeboren ist und noch allein im irdischen Leib steckt, und spricht: „Erlöse uns vom Übel!“ Denn sie begehrt, vom Zorn frei zu sein.

16.40. Denn „Ü“ und „bel“ sind zwei Willen in einem Wesen: „Ü“ ist das Feuerkind, und „bel“ hat auch zwei Prinzipien, denn der erste Buchstabe „b“ hat das äußere Regiment, und die anderen zwei haben als „el“ den Engel, und der will von beiden erlöst sein, nicht sogleich abgetrennt (denn daß sie ineinander wohnen, das ist Gottes Rat), sondern der Wille des Engels will von der Falschheit (bzw. Illusion) frei sein, und er will über das Übel herrschen. Er will in Gottes Willen sein, und das Übel soll stehen, einerseits nach dem Geist dieser Welt zu Gottes Wunder, und anderseits nach dem Qual-Quell des Grimms zum Wunder des göttlichen Zorns. Denn beide Mütter sind rege und wollen ihre Wunder eröffnen. Deshalb will der Wille der Seele nicht in den Zorn eingehen, denn sie kennt den Teufel, daß er hochausfahrend über Gottes Liebe und Sanftmut ist, und davor entsetzt sie sich. So will sie auch nicht gern im Geist dieser Welt wirken, denn er verdeckt ihr Gottes Licht. Darum geht sie von beiden mit ihrem Willen heraus und will in ihrem Willen frei sein. Mag der Geist dieser Welt auch im Fleisch seine Wunder erwecken, sie wirft ihren Willen in Gottes Geist, der soll sie regieren und nur nicht das „Übel“ in ihren Willen hereinlassen. Sie will in dieser Welt tot sein, auf daß sie im Heiligen Geist lebe. So will sie auch den Abgrund nicht aufwecken, und darum schmiegt sie sich unter das Kreuz und läßt den rauschenden Teufel vorüber. Sie läßt den Geist dieser Welt als das Leben des Fleisches vorüber, und tut als wäre sie tot. Sie leidet aber nicht in Gott, sondern im Übel, das ihr Adams Seele angeerbt hat. Doch dieses Übel hält sie nicht mehr für ihr Eigentum, sondern für Gottes Wunder. Darum bleibt sie geduldig als eine Leidende, und doch auch nichts erleidend, unter dem Kreuz der Geduld, bis Christus sie wieder auf das Kreuz in den Regenbogen einsetzen wird. Denn er sitzt auf dem Regenbogen, und sein Leib, seine Wesenheit, ist des Himmels voll. Der Regenbogen sind die drei Prinzipien mit drei Farben, und die vierte ist sein Leib in der Heiligen Dreifaltigkeit.

16.41. Oh, wie groß sind die Wunder, und wer diese erkennt, der hat große Freude daran! Nichts kann genannt werden, daß diesen Geheimnissen gleich wäre. Keine Zunge kann das aussprechen. Denn was ist besser, als Gott zu einem Gemahl zu haben, in Gott mit seinem Willen zu sein und nach dieser Zeit ganz im Wesen mit himmlischem Leib und verklärter (erleuchteter) Seele!

16.42. Oh große Tiefe, warum bist du so verborgen vor den Menschen? Das macht, daß sie den Teufel und den hochmütigen Grimm mehr lieben als dich, und darum mögen sie nicht in dich eingehen. Oh barmherziger Gott, hole doch den Baum wieder (zu dir), den du gepflanzt hast! Was soll sich dein Zorn rühmen, er habe mehr Frucht auf deinem Baum getragen, als deine Liebe?!

16.43. Erbaue doch Jerusalem wieder, die zerbrochene Stadt, damit dein Reich komme und dein Wille geschehe! Wer will dir in der Hölle danken? Zieh uns doch mit deinem Geist zu deinem Lob an! Wie lange soll die Hölle von Fettem triefen? Siehe, sie hat ihren Rachen offen und will uns alle verschlingen! Komm doch nun, und baue die Stadt deines Vorhofs, so daß wir nahe bei dir leben, damit deine Wunder jauchzen, wenn dein Liebegeist richtet. Zögere nicht mehr, oh Herr, denn dein Baum ist vor Trauern alt geworden! Bringe doch den neuen und grünen Zweig hervor, der durch das Reich des Teufels ohne seinen Willen hindurchwächst! Bricht doch der Tag an, warum soll denn die Nacht des Zorns den Lilienzweig aufhalten? Herr, dein Baum grünt durch die ganze Welt, darum wecke uns auf, oh Herr, damit wir seine Frucht essen!

Vom „Amen“ des Beschlusses

16.44. Das „A“ ist der erste Buchstabe und dringt aus dem Herzen heraus, aber hat keine Natur, sondern wir verstehen darin klar die Suche des ewigen Willens jenseits der Natur, in welchem sich die Natur gebiert, und welcher seit Ewigkeit gewesen ist. Denn der Wille begehrt das Herz, und das Herz begehrt den Willen. Es ist Vater und Sohn, und seine Kraft, die davon ausgeht, ist der Geist des ewigen Lebens, davon wir vorn geschrieben haben.

16.45. Wie nun das „A“ aus dem Herzen als aus dem ewigen Willen geboren wird und aus dem Willen ausstößt, so wird aus dem „A“ danach das ganze Alphabet, das vierundzwanzig Buchstaben zählt, denn das „A“ fängt an zu zählen und erfaßt die ganze Zahl mit dem „men“. Das sind die Wunder und Werke Gottes, die im Geist über die Natur im Glanz der Majestät erscheinen.

16.46. Das versteht so: Wir sind mit unserer Seele in einer fremden Herberge, nämlich im Geist dieser Welt, der sie in sich gefangenhält, und könnten so niemals in Gott kommen, wenn Gott nicht zum Menschen geworden wäre, der unsere Seele in das Wort, als in die lebendige Kraft Gottes, in sich hineingeführt hat. Nun sind wir Zweige am selben Baum und müssen des Baumes Saft in uns ziehen, wenn wir aus dem Baum grünen wollen. Denn wenn wir nur (äußerlich) nach Luft und Sonne imaginieren, dann verwelkt unser Zweig. Unser Wille muß in den Baum gerichtet sein, und das ist das Gebet. Wenn wir beten, dann geht der Wille in den Baum und zieht des Baumes Saft in die hungrige, durstige und ausgedörrte Seele, und dann wächst aus diesem Saft ein Leib. So spricht die Seele mit großen Freuden „men“, und das heißt: „Es ist mein!“ Ja, es geschieht, nimm es an, was dein Wille begehrt, denn das ist Glauben, und nicht die Historie, davon Babel rumpelt.

16.47. Denn Beten hat zwei Dinge in sich: Das eine ist der ernste Wille, der aus dem elenden Rauchhaus des Herzens mit der Seele in großer Demut herausdringt und sich in das Herz Gottes hineinergibt, das Mensch wurde, nämlich in den Baum des Lebens. Das heißt „Glau“, und dann (zum Zweiten) ernährt sich der Wille von der göttlichen Kraft, und das heißt „ben“, denn der Seelenwille ergreift und hält es mit der Zunge an den Zähnen (so verstehst du es in der Natursprache), und läßt doch den Heiligen Geist aus der Kraft, die der Wille in die Seele hineinführt, wieder mit der Kraft ausgehen, welche die Seele gefaßt hat, wie er dann auch mächtig mit der gefaßten Kraft aus dem Herzen durch die Zähne ausgeht. Denn in der Kraft Gottes ist nichts Vergängliches: Je mehr der Wille faßt und die Seele ißt, je größer ist die Kraft und je mächtiger und freudenreicher ist Gottes Leib, das heißt, Christi Leib. Nicht, daß er einmal größer sei als das andere Mal, nein, denn er ist größer als alles, aber die Kraft steigt in großen Freudenwundern aus der Ewigkeit in die Ewigkeit auf.

16.48. Also versteht uns hochteuer: Wenn wir beten, dann reden wir nicht allein vor Gott. Wohl beugt sich der Wille vor Gott, aber er geht in Gott ein, wo er von Gottes Kraft erfüllt wird, und das bringt er der Seele. So ißt die Seele am Tisch Gottes, und das bedeutet es, wenn Christus sagt: »Der Mensch lebt von jeglichem Wort Gottes. (Matth. 4.4)«

16.49. Und das Vaterunser ist Gottes Wort und hat sieben Bitten, einen Eingang und ein Amen. Das sind zusammen neun Zahlen, und die zehnte ist Gott selbst. Mit dem Eingang des Vaterunsers geht der Wille der Seele in den Vater, und mit den sieben Bitten nimmt sie, was des Vaters ist, denn davon wird sie wieder ein Engel, denn sie bekommt in den sieben Bitten das Zentrum der Natur himmlisch und göttlich. Und im „Amen“ faßt sie das alles zusammen und wohnt darin, denn es ist ihr Leib, Christi Fleisch und Gottes Leib, der die neunte Zahl in der Heiligen Dreifaltigkeit ist. Darin ist die Tinktur himmlisch und göttlich, und die zehnte Zahl hält das Kreuz, dahinein keine Kreatur gehen kann, sondern nur allein der Wille der Seele, wenn er so subtil wie Gottes Geist ist. Und dann fährt Gottes Geist auch im Willen der Seele, denn es ist sein Wagen, den er gern hat.

16.50. Also versteht: Die bloße Gottheit ist Geist und so dünn (subtil) wie ein Wille. Aber sie ist Mensch geworden, und so wohnt der dünne Gottesgeist in der Menschheit, damit unsere Seelen wohl zu Gott kommen können. Und wenn die Seele so von Gottes Leib ißt, dann bekommt sie auch Gottes Leib an sich und ist Gottes Kind. Also ist Gott in Christus der Baum, und unsere Seelen in ihrem heiligen Leib sind seine Äste und Zweiglein.

16.51. Das laß dir geoffenbart sein, du werte Christenheit, vom Aufgang bis zum Niedergang, denn die Zeit ist nah, daß der Bräutigam die Braut holen will. Sei sehend und nicht blind! Kauft euch Öl, oh ihr tollen Jungfrauen! Geht von der Hurerei des Geizes und des Stolzes weg, oder ihr werdet dieses Abendmahl nicht schmecken. Denn wer nicht Gottes Leib an der Seele haben wird, der soll nicht Gast sein, und kann auch nicht in Gottes Reich eingehen.

16.52. Und wenn wir vom Schluß des Vaterunsers sprechen, dann finden wir, daß er die zehnte Zahl ist, denn es heißt: »Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ Das ist Gott selbst in seiner Dreizahl. Denn versteht es recht: Des Vaters ist das Reich, und er ist Alles. Und des Sohnes ist die Kraft, und auch er ist im Reich Alles. Und des Heiligen Geistes ist die Herrlichkeit, denn er besitzt Alles im Reich und ist das Leben im Reich. Und diese Dreiheit ist von ewiger Freiheit und bleibt ewig die Freiheit. Es ist ein Gott, ein Wille, ein Geist und ein Herr, und heißt zusammen Wunder, Rat und Kraft, und ist ein Mensch geworden, der Friedensfürst und Held im Kampf heißt. Und das ist zu dem Ende geschehen, damit seine Herrschaft groß werde und der Frieden kein Ende hat, sagt Jesaias, der Prophet Gottes. (Jes. 9.6)

(Gesamter Text des Vaterunsers:

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt, Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.
Gib uns unser täglich Brot heute,
Und verlaß uns unsere Schuld, als wir verlassen unsern Schuldigern,
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Übel.
Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Amen)


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