Vom dreifachen Leben des Menschen

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

17. Kapitel - Vom Segen Gottes in der Welt

Vom Segen Gottes in dieser Welt, eine überaus gute Offenbarung für den schwachgläubigen Menschen.

17.1. Ihr lieben Kinder, wenn wir aus unserem (eigenwilligen) Verstand umkehren und uns dem Willen Gottes ergeben, damit er mit uns schaffe und tue, was er will, und wenn wir unser Vertrauen in ihn setzen, dann gehen wir zu unserem wahren Vater ein und sind seine Kinder. Wie dann ein Vater für seine Kinder sorgt, so sorgt auch Gott als unser Vater für uns, wie uns Christus treulich lehrt: »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch das andere alles zufallen. (Matth. 6.33)« Oder: »Seht die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln auch nicht in Scheunen, und doch ernährt sie euer himmlischer Vater. Seid ihr denn nicht viel besser? (Matth. 6.26)« Oh ihr Kleingläubigen!

17.2. Die Seele weiß, daß dieses Kleid mit irdischem Fleisch und Blut ein fremdes Kleid ist, darin sie sich herzlich vor Gottes Angesicht schämt. Darum ist sie auch zweifelhaft an Gottes Gnade, wenn sie betet, und denkt immer, der Sünden sind zu viel, sie könne Gottes Majestät nicht erreichen. Eine solche Marter tut ihr auch der Teufel an, der immer sein Rauchloch (ein Raum voller Rauch der Illusion) mit dem Zorn aufmacht und den Rauch in den Willen der Seele zieht, damit sie zurückbleibt und sich vor Gott fürchtet. So macht der Teufel aus Gott immer einen strengen Richter. Und so bleibt die arme Seele zurück und geht in den Geist dieser Welt und sucht nach Nahrung. Sie denkt, Gott lasse es gehen, wie es nur gehe. Ja, recht wohl mit denen, die auf sich selber bauen und vertrauen. Denn die Seele meint, wenn sie so ohne Gott im Verstand steht, sie müsse es mit ihren Sorgen ausrichten, und es gäbe keinen anderen Weg. Es müsse so gehen, und die Hände müssen es allein tun, oder auch die List, daraus gewaltig viel Böses entsteht.

17.3. Ihr lieben Kinder, laßt euch doch auch richtig belehren! Das äußere irdische Leben ist dem Geist dieser Welt anheimgefallen, der Bauch braucht irdische Speise und der Leib irdische Kleider und eine Hütte zur Wohnung. Danach muß der äußere Geist trachten, und er soll arbeiten und wandeln, denn im Schweiße seines Angesichts soll der irdische Mensch sein Brot essen, bis er wieder zur Erde werde, davon er genommen wurde, sagt Gott in Moses. Denn der Leib ist aus der Matrix der Erde genommen worden und hat in die Erde imaginiert, und die Erde hat ihn wieder gefangen, so daß er irdische Frucht gegessen hat, und damit ist er zu Erde geworden, davon er genommen war. Denn Gott nahm ihn von der Erde, das ist eine Masse roter Erde vom Zentrum des Feuers und des Wassers, wie von zwei Müttern der Natur, und blies ihm den Odem (Lebensatem) von außen durch den Geist der großen Welt ein, und die Seele von innen aus dem zweiten Prinzip hinein in das Herz.

17.4. Aber die Seele wohnt nicht so im Äußeren, sie ist nur vom Äußeren gefangen, denn ihr Wille ist in das Äußere hineingegangen, und dort wurde sie im Willen mit dem äußeren Regiment geschwängert. Und so ist das äußere Regiment in die Seele gekommen, welches Gott dem Menschen verbot, nämlich sich nicht nach irdischer Frucht und Kraft gelüsten zu lassen. Er hätte es auch nicht benötigt, denn er war im Paradies und hatte paradiesische Speise ohne Not und Tod. Wie Gott ebenso in der Erde wohnt, aber die Erde erkennt und ergreift ihn doch nicht, so hätte auch der Mensch in der Matrix der Erde wohnen können, und wäre doch mit der Seele in Gott gewesen, und der Seelenwille hätte der Seele göttliche Speise gebracht. Aber weil er nun umgekehrt ist, so ißt die Seele vom Zentrum der Natur, und der äußere Geist von der Erde. Wenn sich aber die Seele wieder zurückkehrt und mit ihrem Willen in Gottes Liebe eingeht, dann ißt sie von Gottes Wort, und der äußere Leib von Gottes Segen. Denn wenn die Seele gesegnet ist, dann segnet Gott auch den Leib, und dann trägt die Seele einen himmlischen Leib im alten adamischen. So werden seine Speise und sein Trank gesegnet und alles was der ganze Mensch tut und hat, so daß er wunderlichen Segen erlangt, welches sein Verstand nicht begreift. Aber er muß arbeiten und werben, denn darum wurde er in das äußere Leben geschaffen, damit er mit seiner Kunst und seinem Gewerbe Gottes Wunder offenbaren soll.

17.5. So sind alle Stände in Gottes Ordnung. Ein jeder wirkt Gottes Wunder, und wenn nur die Seele in Gottes Hand in seiner Liebe steht, dann ist der Leib in Gottes Wundertat, und Gott hat kein Mißfallen an seinem Wesen, was er dann auch immer tut, um seine Speise zu sammeln. So steht das äußere Leben in drei Stücken: Eines ist das Sternenregiment, das zweite ist das (ganzheitliche) Element in vier Teilen, nämlich in vier Gestaltungen mit Feuer, Luft, Wasser und Erde, und das dritte ist Gottes Regiment, denn der Geist Gottes schwebt auf dem Wasser, auf der Kapsel, auf der Matrix.

17.6. Welcher Mensch nun Gott vertraut und sein Herz nicht ganz in seinen (eigenwilligen) Verstand setzt, der hat den Geist Gottes immer zu seinem Schöpfer, denn er hat das Schöpfungswort (Verbum Fiat) und schafft immerfort. Er segnet sich an Leib und Seele, auf dem Feld, im Haus und in seinem Handwerk und Gewerbe. Was er dann tut, darin ist der Geist Gottes und schafft. Wie könnte das nichts werden? Dann hat die Seele Seinen Leib. Wie könnte er dann den äußeren Leib verlassen, der seine Wunder eröffnen soll? So ist er mit allen Dingen wohl daran, was nur nicht falsch ist, und nicht gegen die Liebe Gottes und der Menschen läuft. Und wenn jemand auch nur Steine ins Meer trüge, wenn es seinem Bruder wohlgefällt und er seine Nahrung darin hat, so ist er Ihm so lieb wie ein Prediger auf der Kanzel. Denn was bedarf Gott der Arbeit? Er benötigt sie nicht.

17.7. Der Mensch hat einen freien Willen, und er kann sich auf Erden in dem Werk erlustigen, welches er will. Es steht alles in Gottes Wunder, was der Mensch auch tut. Ein Schweinehirt ist ihm so lieb wie ein Doktor, wenn er nur fromm ist und in Seinen Willen vertraut. Der Einfältige ist ihm so nützlich wie der Weise, denn mit den Weisen regiert er, und mit den Einfältigen baut er. Sie sind allzumal seine Werkleute zu seiner Wundertat. Ein jeder hat seinen Beruf, darin er seine Zeit vertreibe, und vor Ihm sind sie alle gleich. Allein der Geist dieser Welt hat seine Hoheit, die er in seiner Macht verteilt, gleichwie der Geist Gottes im Himmel, wo auch große Unterschiede sind. Denn je nachdem, wie der Geist oder die Seele mit göttlicher Kraft angetan ist, so ist auch seine Hoheit im Himmel, auch seine Schönheit und Klarheit, aber alles in einer Liebe, denn alle Engel und Seelen haben Freude an des anderen Kraft und Schönheit.

17.8. Gleichwie die Blumen der Erde einander nicht mißgönnen, wenn eine schöner und kräftiger als die andere ist, sondern freundlich untereinanderstehen, und je eine der anderen Kraft genießt, oder wie ein Arzt mancherlei Kräuter vermischt, darin jede Kraft ihre Tugend von sich gibt, und alle gemeinsam dem Kranken dienen, so gefallen wir auch alle Gott, wenn wir nur in seinen Willen eingehen, denn wir stehen alle in seinem Acker. Und wie nun auch Dornen und Disteln aus der Erde wachsen und manch gutes Kraut und manche Blume verdecken und zerreißen, so ist auch der Gottlose, der Gott nicht vertraut, sondern auf sich selber baut und denkt: „Ich habe meinen Gott im Kasten, ich will geizen und meinen Kindern große Schätze hinterlassen, daß sie auch in meiner Ehre sitzen. Das ist ja der beste Weg!“ Und damit zerreißt er manch gutes Herz, daß es auch leichtfertig wird und denkt, daß dies der gute Weg des Glücks wäre, daß einer Reichtum, Macht und Ehre habe, denn der hat es ja gut. Und wenn man das bedenkt, dann geht es einem wie dem anderen, aber die arme Seele geht doch damit verloren. Denn dem Reichen schmeckt sein Köstliches nicht besser, als dem Hungrigen sein Bissen Brot, und überall sind Sorge, Kummer, Angst, Krankheit und schließlich der Tod. Es ist nur ein Spiegelfechten in dieser Welt. Der Gewaltige sitzt im Regiment des Geistes dieser Welt, und wer Gott fürchtet, sitzt im Regiment der göttlichen Kraft und Weisheit. Doch das Regiment dieser Welt beendet sich mit dem Leib, aber das Regiment in Gottes Geist bleibt ewig bestehen.

17.9. Es ist etwas ganz Jämmerliches, daß der Mensch diesen Dingen so nachläuft, die ihm doch selber nachliefen, wäre er recht fromm. So läuft er Kummer und Sorgen nach, und diese laufen ihm wieder selbst nach. Er lebt, als wäre er immer toll, und schafft sich Unruhe, denn ließe er sich genügen, dann hätte er Ruhe. Er setzt sich einen fressenden Wurm ins Herz, der ihn plagt und ihm ein böses Gewissen macht, das an ihm nagt, und ist nur ein Narr damit. Denn sein Gut läßt er anderen, und den nagenden Wurm im bösen Gewissen nimmt er aus dieser Welt mit, und hält das für seinen Schatz, was ihn ewig plagt. Kann doch unter der Sonne keine größere Torheit gefunden werden!

17.10. Wie der Mensch die edelste und vernünftigste Kreatur in dieser Welt ist, so ist er wohl im (egoistischen) Geiz auch der größte Narr unter allen Geschlechtern, wenn er so hartnäckig dem nachjagt, was er selber nicht benötigt. Denn einem jeden ist sein Teil vom Geist dieser Welt zugeteilt, wenn er sich nur genügen ließe. Doch so ist ein Mensch des anderen Teufel geworden, der den anderen quält, und wenn es auch nur um eine Handvoll Erde oder um Steine geht, davon doch die Erde genug hat. Sollte das kein Wunder sein? Vollbringt nicht der grimmig höllische Geist seine Wunder nach seinem Wunsch im Menschen, wie das Buch der Offenbarung bezeugt, wenn sich jeweils ein Siegel des Zorns nach dem anderen aufgetan hat und die Menschen des Zorns Diener geworden sind? Sie sind es ganz willig mit Blut und Gut angegangen und meinten noch, sie täten Gott einen Dienst damit.

17.11. Oh du blinder Mensch, wie bist du im Zorn gefangen! Was tust du, oder wo bist du? Warum läßt du dich vom Teufel narren? Sind doch Himmel und Erde dein, und Gott will dir alles geben. Er hat dir alles gegeben, und du hattest es aus Naturrecht. Die Sonne und Sterne sind dein, und du bist ein Herr über alles. Laß nur den närrischen Willen fahren! Was begibst du dich in Geiz und Hochmut? Steht doch Gottes Reich in Liebe und Demut. Oder meinst du, es sei gut, so im Zorn zu wohnen? Siehe, wenn dir dein Augenlicht zerbricht, dann fährst du in die Finsternis und nimmst deine närrische Qual-Qualität mit, dahinein du dich hier begeben hast. Ist denn die Finsternis besser als das ewige Licht? So frage doch die Nacht, ob sie besser sei als der Tag? Oder meinst du, wir sind toll, daß wir so reden? Wir reden, was wir sehen, und zeugen von dem, was wir wissen. Seid ihr blind? Dann seid ihr von der babelschen Hure geblendet worden, welche der Geizteufel geboren hat, als die Menschen sicher waren, und als sie Gottes Wort und Geist überdrüssig wurden, wie die Offenbarung des Johannes bezeugt: »Ich werde zu dir kommen und deinen Leuchter wegstoßen. (Offb. 2.5)« Und Paulus sagt: »Gott wolle kräftige Irrtümer kommen lassen, so daß sie den Geistern der Lüge glauben werden, die in Scheinheiligkeit und Irrtum Lügen reden. Sie werden den Teufeln anhängen. (2.Thess. 2.11)« »Aber in der letzten Zeit«, spricht der Prophet David, »soll des Herrn Wort grünen wie Gras auf Erden (Psalm 72.16). Macht die Tore in der Welt hoch und die Türen weit auf, daß der Herr hereinfahre! Wer ist der Herr? Er ist der Held im Kampf (Psalm 24.7). Alle Schwerter und Spieße sollen zu Pflugscharen und Sicheln gemacht werden«, sagt der Prophet Gottes (Jes. 2.4). »Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anruft, soll selig werden. (Joel 3.5)« Darum ist es gut, auf Gott zu vertrauen, und sollte der irdische Leib auch immer im Schlamm stecken: Es geht um eine kleine Zeit, obwohl doch niemand weiß, zu welcher Stunde seine Zeit in dieser Welt vorbei ist, aber dann erfolgt das Gericht über sein Leben.

17.12. Darum laßt ab vom (egoistischen) Geiz, denn er ist die einzige Wurzel allen Übels und aller Narrheit! Ein geiziger Mensch ist der größte Narr auf Erden, denn er fristet sich selber, und macht sich Unruhe, und richtet nur Übel damit an. Er weiß nicht, was das für ein Mann ist, der seinen Geiz besitzen muß (weil er sich nicht selbst kennt), und wird oft schändlich mit Huren verschlungen. Und wenn damit einer seine Seele verdorben hat, mit demselben ist ein anderer fröhlich in anderer Narrheit, denn es muß doch alles zum Werk kommen. Aber wer Gott vertraut, der hat immer genug. Denn was er hat, damit läßt er sich genügen, und so ist er viel reicher als der Narr, der den Armen um des Geldes willen bedrängt, das doch sein Leben nicht vor dem Tod und der Hölle bewahren kann.

17.13. Der Fromme sammelt sich einen Schatz im Himmel, und er bekommt einen neuen Leib, in dem weder Hunger noch Durst, Frost oder Hitze sind, und er hat in seinem Gewissen Ruhe, und wird sich ewig seines Schatzes erfreuen. Aber der Geiz-Narr sammelt sich einen irdischen Schatz, der anderen bleibt, und ein böses Gewissen und einen Schatz im Abgrund, der ihn ewig nagen und fressen wird.

17.14. Gottes Segen verläßt keinen nimmermehr, der nur mit Ernst in Gott vertraut und fahrenläßt, was nicht gern bleiben will. Gott hat wunderliche Wege, auf denen er seine Kinder speist und ernährt, wie Daniel in der Löwengrube, Elias unter dem Wachholderbaum oder die Witwe zu Sarepta in der Trockenheit. Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut, im Himmel und auf Erden.


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