Vom dreifachen Leben des Menschen

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

14. Kapitel - Vom breiten und schmalen Weg

Vom breiten Weg dieser Welt, der in den Abgrund führt, und dann vom schmalen Steig in Gottes Reich.

14.1. Ihr lieben Kinder Gottes, laßt uns doch herzlich und ganz inniglich betrachten, woher wir kommen und wohin wir wollen, und dann auch, was wir tun und vorhaben, damit wir doch das ewige und höchste Gut nicht verlieren.

14.2. Was trachten wir so nach zeitlicher Wollust, nach Ehren, Geld und Gut? Wir sind doch hier in diesem Leben nur fremde Gäste, und dazu wie Pilger, die alle Stunden erwarten müssen, daß sich dieses Leben beendet. Sind wir doch nicht zur Wollust dieses Lebens geschaffen worden, sondern zur paradiesischen Freude und zu einem einfältigen Kinderleben. Wir sollten von keiner Pracht und keinem Hochmut wissen, sondern wie Kinder in einem Freudenspiel beieinander leben. Aber wir sind aus unserer wahren reinen paradiesischen Mutter ausgegangen, in der wir als liebe Kinder leben sollten. Und nun sind wir in der Mutter eingeschlossen, welche die wilden Tiere gebiert, und haben tierische Eigenschaft empfangen. So handeln wir nicht anders als die wilden Tiere, denn wir haben uns einer fremden Mutter ergeben, die uns pflegt und an ihren Seilen gefangenführt. Nun müßten wir den äußeren Menschen der irdischen Mutter lassen, doch wir können nicht aus ihr entfliehen, denn sie hat uns im Fleisch und Blut gefangen, sie zieht uns in sich auf und hält uns für ihre Kinder. Aber wir haben ein teures Kleinod in uns verborgen, mit welchem wir Gottes Kinder sind. Damit laßt uns nach dem höchsten Gut streben, auf daß wir es erlangen.

14.3. Ihr lieben Kinder, unser Kampf um das höchste Gut steht nicht in Schwert und Schlägen, so daß wir uns um Gottes Willen und Reich bekriegen, verfolgen und ermorden müssen, auch nicht in vielem Wissen, sondern bloß in einem einfältigen und kindlichen Gehorsam, damit wir aus dem tierhaften Willen unseres Fleisches, darin der Teufel wohnt, in den Willen Gottes ausgehen. Es liegt nicht am (besonderen) Meinen oder Wissen von jemandem, denn der Geist Gottes gibt einem jeden aus den Wundern zu wissen, daraus er geboren wurde. Ihr seht ja, wie wir dem Geist der großen Welt unterworfen sind: Denn sobald ein Kind im Mutterleib gesät wurde, dann ist dieser Geist schon da und bildet es nach dem Rad der äußeren Natur. Er gibt ihm Sitten und Willen, zeigt ihm die Wunder seiner Heimlichkeit, und eröffnet ihm den Weg seines Willens. Er führt das Kind zuerst in seiner Mutter, und dann aus der Mutter durch diese Welt, und danach gibt er den Leib der Erde und die Seele der Hölle. Weil wir nun solches wissen, so sollen wir uns in unserem Seelengeist erheben, und allein gegen diesen bösartigen (tierhaften) irdischen Geist kämpfen, und uns mit Seele und Leib gegen ihn stellen, und nicht gegen unsere Brüder und Schwestern.

14.4. Wir können den Teufel nicht mit Diskutieren und viel Wissen überwinden, und so können wir auch Gottes Wort nicht mit Krieg und Schwert gewinnen, sondern mit einem einfältigen gehorsamen Leben Gottes, in dem wir uns an wenigem genügen lassen, und aus der bösartigen Sucht des überheblichen Stolzes heraus in ein demütiges Kinderleben eingehen, darin ein jeder sein Werk mit ganzem Fleiß zum Nutzen seiner Brüder und Schwestern vollbringt, so daß er gedenkt, damit Gott als seinen Schöpfer zu dienen und seinem Bruder zu gefallen, nicht um seine eigene Ehre zu suchen, sondern die Wohltätigkeit, damit uns Bruder und Schwester lieben und alles Gutes wünschen. Willst du Gott dienen, dann gib niemandem ein Ärgernis, damit dein Gutes nicht verhindert werde. (Röm. 14.16) Laß dem Satan keine Gewalt über dein Herz, so daß er dich verführt. Wehre den bösen Gedanken und Einflüssen, denn der Satan wickelt sich in die Einflüsse vom Geist dieser Welt und besetzt dir dein Gemüt. Sei stets wacker, und kämpfe gegen ihn! Wirf ihm die falschen Einflüsse auf seinen Kopf, und laß ihn damit hingehen. Gedenke, daß du zwischen Himmel und Hölle auf einem schmalen Steig in gar großer Gefahr wandelst. Sei keine Stunde sicher, denn du weißt nicht, wenn der Geist dieser Welt das Seine von dir nimmt, denn dein Ziel (der Lebenszeit) wird dir im Mutterleib gesteckt, und das kannst du nicht übersteigen, aber kennst auch nicht den Tag und die Stunde, wenn dich der Geist dieser Welt verläßt. Doch dann steht deine arme Seele ganz nackt, hungrig und bloß, und wenn sie dann nicht Christi Leib an sich hat, dann wird sie vom Teufel gefangen.

14.5. Liebe Kinder, es ist ein sehr enger Weg in Gottes Reich. Wer ihn in diesem Leben wandeln will, der muß sich in Trübsal schicken, denn es steht alles gegen ihn. Der Teufel ist ganz gegen ihn, und auch sein Fleisch und Blut widersetzen sich ernsthaft gegen ihn, denn der Geist dieser Welt im Fleisch und Blut sucht nur das Wesen und Regiment dieser Welt. Dazu hetzt der Teufel noch seine Kinder und Diener gegen ihn, und so muß er nur in der Quetsche und im Spott bleiben, und diese Welt erkennt nicht, daß er ein Kind Gottes ist.

14.6. Ihr lieben Brüder, seht euch jetzt in dieser Welt wohl vor, denn man führt euch auf scheinheiligen Wegen, man rühmt viel vom Glauben und führt den Menschen in den historischen Glauben, der nur eine Wissenschaft ist, und man lehrt euch die Wissenschaft, und wer ihr nicht anhängt, wird für einen Ketzer gehalten. Oh, wie tot ist der heutige Glaube! Es bleibt bei der Wissenschaft, und man meint, wenn man viel von Gott zu reden wisse, von Christi Verdienst, Leiden und Tod für das menschliche Geschlecht, und sich dessen tröste, das sei der Weg zum ewigen Leben. Nein, das alles hilft nicht, wenn du es nur weißt und dich damit kitzelst. Der wahre Glaube in Christus ist etwas ganz anderes. Er liegt nicht nur in der Historie und im Buchstaben, denn der Buchstabe ist nicht das Wort, er ist nur eine Leiter und Unterweisung des Wortes. Das Wort ist lebendig und hat Geist, und der wahre Glaube ist der wahre Wille, der in das lebendige Wort eingeht. Wenn du dich auch lange am Leiden Christi tröstest, aber dein Wille ein Schalk bleibt, dann ist doch der Geist, der aus deinem Willen ausgeht, nur ein Dieb und Mörder, denn das eine lehrst du und das andere tust du. Gott begehrt keinen Heuchler, sondern einen ersthaften Willen, der in Gehorsam zu ihm eingeht. Das ist Glauben im Heiligen Geist, und darin werden das Wort und der Tod Christi fruchtbar. Deshalb sprach Christus: »Ihr müßt umkehren und wie die Kinder werden, die von der Falschheit noch nichts wissen, und müßt in Christus durch Christi Tod und aus seinem Fleisch und Blut geboren werden, wenn ihr das Himmelreich sehen wollt. (Matth. 18.3) Denn wer das Fleisch des Menschensohns nicht ißt und sein Blut nicht trinkt, der hat keinen Anteil an ihm. (Joh. 6.53)«

14.7. Liebe Brüder, es steckt nicht allein in der Hostie (im Brot des Abendmahls), die ihr darbringt, oder in dem Kelch. Nein, sondern wenn die Seele umkehrt und den Leib zähmt, sich ganz in den Gehorsam Gottes ergibt, in seinen Willen, und Christi Eingang zum Vater begehrt, dann geht sie aus dem Leben dieser Welt heraus und mit Christus in den Vater hinein, der ihr Christi Fleisch und Blut gibt. Dann ißt sie vom Wort des Vaters am Tisch Gottes und bekommt Christi Fleisch zu einem Leib und Christi Blut zu einer Wonne. Denn die Seele wohnt im Herzen und brennt aus dem Herzblut wie ein angezündetes Licht, und hat ihr fürstliches Regiment im Gehirn des Kopfes. Dort hat sie fünf offene Pforten, darin sie mit ihrem Geistleben regiert. Wenn nun in der Seele die Tinktur im Herzblut in Christi Willen eingegangen ist, dann regiert auch derselbe Wille den Geist der Seele im Kopf. Auch wenn es wohl noch viele Anstöße vom irdischen tierhaften Geist gibt, sowie vom Teufel, der den irdischen Geist infiziert und in die Lust des Fleisches führt, sooft sich die Seele sicher fühlt, aber dennoch, wenn nur die Seele die irdischen tierischen Gedanken und Einflüsse verwirft, dann bleibt sie doch in Christus. Denn es ist dem Teufel ein harter Bissen, den Leib Christi, den die Seele trägt, zu überwinden. Aber ein noch viel härterer Bissen ist es der Seele, sich vom Geist dieser Welt abzuwenden und in den Gehorsam Gottes einzugehen.

14.8. Ihr lieben Brüder, dazu reicht keine Handvoll historischen Glaubens, darin man nur das Verdienst Christi an die Spitze stellt. Es muß Ernst sein, und du mußt mit Ernst durch Tod, Teufel und Hölle in das Verdienst Christi eingehen. Du mußt den Geist dieser Welt überwinden. Dein Wille muß sich ganz mit allen Sinnen und Verstand in Gottes Willen hineinwenden, da wirst du wohl sehen, was die Historie der Wissenschaft hilft. Wirst du nicht den Teufel aus dem Herzen austreiben, dann läßt er dich nicht in Gottes Willen eingehen. Wirst du den Schalk der Falschheit im Herzen behalten, und so nur mit Christi Verdienst mit ihm fechten, dann wirst du wohl gehalten werden, denn der Teufel stellt sich heftig dagegen und streitet mit der Seele, solange er kann. Er läßt sie nicht eher los, sie lasse ihm denn alles Irdische auf seinem Hals und gehe dort heraus. Wenn sie das tut, dann geht sie ihm aus seinem Land, und so ist er überwunden. Aber ach, wie hält er ihr das immer wieder vor! Wie ein Vogelsteller geht er ihr nach. Und vermag er es, dann zieht er ihr das irdische Kleid immer wieder an. Was für einen schweren Kampf muß doch die arme Seele mit dem Teufel ausstehen! Doch dafür sind Christi Verdienst, Leiden und Tod gut: Wenn der Teufel die arme Seele wieder gefangen hat und sie nicht loslassen will, sondern mit ihr hinunter in den Abgrund und die Verzweiflung fährt, da muß die Seele Christi Leiden und Tod ergreifen, und mit dem Teufel durch die Hölle in den Tod Christi hineinwandeln, und aus Christi Tod mit Christus in Gott wieder ausgrünen. Das ist eine Lilie, die der Teufel nicht gern riecht. Daß du aber an der Historie hängen und dir damit Christi Verdienst, Leiden und Tod aneignen willst, und den falschen Teufel in deiner Seele zur Herberge behalten, das ist eine Schmach Christi.

14.9. Was hilft es dir, daß du betest, Gott solle dir um Christi Willen vergeben, aber du selbst vergibst nicht, und dein Herz steht voll Rache und Räuberei. Du gehst in die Kirche, in die Gemeinde Christi, und führst einen falschen Heuchler, Lügner, Geizigen, Zürner, Hurer und überheblich stolzen Menschen mit deiner Seele hinein und genauso auch wieder heraus. Welchen Nutzen hast du davon?

14.10. Du gehst in die Gemeinde zum Abendmahl Christi und begehrst Christi Fleisch und Blut, aber hast den schwarzen Teufel noch in dir zur Herberge. Was meinst du wohl? Du empfängt nichts anderes als den ernsten Zorn Gottes. Wie willst du Christi Fleisch und Blut nutzen, wenn deine Seele nicht mit ganzem Ernst in Gott hineingewandt ist? Meinst du, Christi Fleisch und Blut wohne so im irdischen Element, daß du es mit deinen Zähnen erfaßt? Oh nein, Geselle! Es ist viel subtiler: Die Seele muß ihn erfassen, und der Mund der Seele muß ihn einnehmen. Wie will sie ihn aber nehmen, wenn der Teufel noch in ihr ist? Sie muß in Gottes Willen sein, wenn sie von Gott essen will. Dann kann sie auch alle Stunden von Christi Fleisch essen, wenn sie in Christi Fleisch lebt. Denn ein jeder Geist ernährt sich von seinem Leib.

14.11. Das Testament ist mit dem Ziel angeordnet, daß wir in der Gemeinde Christi Fleisch und Blut essen und trinken sollen, um dabei seinen Tod zu verkündigen, und solches unseren Kindern lehren, was Christus für uns getan habe, auf daß wir in einem Sinn und Willen erhalten werden, und daß wir ein Leib in Christus seien und in einer Liebe wandeln. Darum sollen wir auch von einem Brot essen und aus einem Kelch trinken, und damit erkennen, daß uns Christus wieder zu einem Leib in sich geboren hat, und daß er uns durch seinen Tod durch die Hölle und Gottes Zornfeuer in sich wiedergeboren und wieder zu seinem Vater hineingeführt hat, damit wir allesamt unseren Willen in seinen Willen setzen sollen, uns in ihm lieben und freuen, und in der Gemeinde von seinen Wohltaten singen, reden und klingen, und dem Teufel, der uns gefangenhielt, hiermit absagen und ihn in unserem Gemüt mit Füßen treten.

14.12. Das ist der richtige katholische Weg des richtigen Glaubens. Wer etwas anderes lehrt und lebt, der ist von Christus nicht zum Hirten eingesetzt, sondern ist ein selbergewachsener Hirte aus seiner Verstandeskunst, die im Reich Christi nach dem äußeren Menschen überall tot sein muß, damit Christus in uns lebe. Denn keiner ist ein wahrer Hirte Christi über Christi Schafe, er habe denn den Geist Christi. Wenn er ihn nicht hat, dann hat er auch keine apostolische Gewalt mit dem Bann. Er muß den Schlüssel zum Himmel und der Hölle im Geist Christi haben. Ohne ihn ist er nur eine Larve und ein Bild ohne Leben. Was kann jemand in Christi Gemeinde richten, der vom Teufel gefangen ist? Und wie kann sein Wort und Gebot das Wort Gottes sein, wenn er nur aus einem falschen Geist redet?

14.13. Oh ihr falschen Bischöfe von den hohen Schulen, wie hat euch der Teufel des überheblichen Stolzes geblendet, daß ihr nach eurer Gunst und Ansehen die Hirten über Christi Schäflein setzt! Lehrt euch das St. Paulus? So lest ihn doch nur, und bedenkt, welche schwere Rechenschaft ihr dann geben müßt! Es soll bei euch nur Kunst gelten, aber in Christi Reich ist die (weltliche) Kunst nur wie Kot. Denn Gott führt mit seinem Geist ein reines Herz, das sich ihm naht und in seinen Willen ergibt, und dem lehrt er himmlische Kunst. So soll auch die Gemeinde Christi in einem (ganzheitlichen) Willen sein, und ihr Hirte soll der Gemeinde Geist und Willen haben.

14.14. Es ist kein so schlechtes Ding, den Rock Christi anzuziehen, wie mancher meint, der nur seinen Geiz und seine Ehre darin sucht. Der findet auch wohl Gottes Zorn darin. Oder was soll man sagen? Der Pfaffenteufel hat das Reich Christi geblendet, so daß die Gemeinde Christi stockblind wurde, und man meint, sie seien Götter und lehren aus dem Heiligen Geist, obwohl sie in Falschheit ihre eigene Ehre und ihren Geiz suchen. Man sieht ja, was sie für ein großes Unglück in der Welt angerichtet haben, denn manches Land haben sie verwüstet und mit ihrer falschen Meinung viele hunderttausend Menschen ermordet, und in Christi Rock nur dem Teufel gedient. Wenn die Gemeinde doch sähe, dann würden sie das erkennen. Und das kommt alles daher, weil man dem Geist Christi nicht die Ehre gönnt. Man will selber Hirten wählen, obwohl doch der Teufel in aller Menschen Wahl ist, vor allem wenn es Gottes Ehre und Lehre betrifft. Die selbergewachsenen und nach Gunst erwählten Bischöfe ohne Gottes Geist sind der Welt so viel nütze, wie dem Wagen das fünfte Rad, abgesehen davon, daß sie die Gemeinde irren, lästern und zanken lassen, wie das ihre Schmähbücher bestätigen, so daß in manchen so viel Gottesfurcht und Nächstenliebe ist, wie der Teufel in der Hölle hat. Blutpauken sind sie, des Teufels Kriegstrommeln, und damit spottet er der einfältigen Gemeinde Christi.

14.15. Oh ihr lieben Kinder, öffnet eure Augen weit, geht weg vom Pfaffenzank und tretet in den Kampf gegen den Teufel ein, nämlich gegen euer wollüstiges Fleisch und Blut. Ein Christ ist kein zorniger Kriegsmann, der das Reich dieser Welt begehrt. Denn Christus sprach: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sonst würden meine Diener darum kämpfen. (Joh. 18.36)« Und St. Paulus sagt: »Sucht, was droben ist, denn da ist Christus. (Kol. 3.1)« Wir sind von Christus aus dieser Welt berufen, damit wir mit der Seele Gott dienen und in Christus sind, aber mit dem irdischen Leib in dieser Welt, so daß wir ihm Nahrung geben müssen. So gebührt dem irdischen Leben, daß es wirke und arbeite und seinen Leib ernähre, aber die Seele soll dessen Herr sein und ihn regieren. Sie soll dem Sternengeist nicht zulassen, daß er Falschheit treibe und sich mit Lügen und Betrug fülle, denn ein solches wird in die Seele hineingeführt.

14.16. So ist die arme Seele hier in diesem Leben in großer Gefahr, wo ihr der Hölle Rachen immer bis zum Mund reicht, denn sie wird mit dem Geist der Sterne und Elemente infiziert, die Tag und Nacht gegen sie streiten. Betrachte dich nur, liebes Gemüt, und bedenke, in welchen Gefäßen du deine Seele als deinen besten Schatz liegen hast. Du wirst irgendwann aus dem Schlaf des tierhaften Lebens aufwachen, und so bedenke, was nach diesem irdischen Leben werden wird, wenn dich der Geist der Sterne und Elemente verläßt. Wo wird dann dein bestes Kleinod, das du selbst bist, bleiben? In welcher Qualität wirst du ewig ohne Ende sein?

14.17. Denn wir wissen, daß die Seele im Herzen wohnt. Ihr eigenes Wesen ist das Zentrum der sieben Geister der Natur. Sechs Geister sind das Regiment des Lebens, und der siebente ist die Tinktur der (körperlichen) Wesenheit, denn ihre Wesenheit ist Blut und Fleisch, das die Tinktur macht, obwohl die Tinktur nicht Blut und Fleisch ist, sondern eine Jungfrau ohne Gebären. Aber die sechs Geister gebären in der Tinktur jeweils einer den anderen, wie vorn vom Zentrum der Natur erklärt wurde. Aber die Schönheit der edlen Perle der Seele wird vor allem in der Tinktur erkannt, denn darin erlangt sie Gottes Kraft und Geist, und bekommt auch ihren richtigen Namen „Seele“. Denn gleichwie Gott über der Natur ist, die ihn nicht fassen kann, so ist die Jungfrau in der Tinktur ein Geist über den Geistern der Natur, welche zum Zentrum gehören. Doch auch die Jungfrau wäre ohne die Geister der Natur nicht, wie auch die Dreizahl Gottes ohne die ewige Natur nicht erkannt würde. Und so ist auch die Seele (über dem Körper aus Fleisch und Blut erhaben).

14.18. Die sechs Geister der Natur halten in sich das ewige Zentrum, mit dem die Finsternis und der Zorn Gottes ergriffen werden, und darin besteht der Ursprung der Beweglichkeit. Denn darin entsteht das Feuer, obwohl es nur in vier Gestaltungen steht, und in der fünften das rechte (wirkliche) Liebe-Leben aufgeht, und in der sechsten der Verstand. So ist doch in der siebenten Gestaltung zuerst ein anderer Geist, der nicht das Zentrum in der Angstqual ist, denn in der siebenten Gestaltung wird eine andere Qualität (der paradiesischen bzw. ganzheitlichen Erde). Wohl regieren die ersten sechs Gestaltungen darin und sind das Leben der Qualität und eine Ursache des Lebens, aber sie machen zusammen einen (ganzheitlichen) Geist, der im Blut, Wasser und Luft lebt. Und obwohl es so ist, daß wir durch den schweren Fall Adams in das äußerliche Regiment hineingeführt worden sind, so daß die Seele im begreiflichen Wasser schwimmt, so ist doch das ewige Wasser (als die Mutter des Wassers) im äußerlichen verborgen, darin die Seele ein Engel ist.

14.19. Damit geben wir euch zu verstehen, daß die Seele ein Geist ist, gleichwie Gott der Heilige Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht und die Beweglichkeit der Gottheit ist, denn der Vater steht still und hat sich nur einmal bewegt, nämlich in der Schöpfung. Aber der Geist, der das Wort des Vaters hat, der verrichtet alle Dinge durch das Wort (der „Information“). So ist auch die Seele als ein Geist aus dem ewigen Zentrum der Natur geboren worden, aus ihren eigenen Geistern ihrer eigenen Natur, und ist nichts Fremdes. Sie hat das Wort, welches sich in der sechsten Gestaltung der Natur auf dem Rad des Kreuzes faßt, und verrichtet alle Dinge durch das Wort, denn sie ist des Wortes Geist und Leben, und fährt auf den Schwingen des Windes wie ein Blitz (ein Lichtblitz des Bewußtseins). Sie formt das Wort und führt es, und die sechs Geister sind ihre Räte, obwohl ihrer nur fünf sind, denn die fechste Gestaltung ist die des Wortes selbst, während aber die anderen fünf die fünf Sinne beinhalten.

14.20. Da wir nun leider befinden und mit großen Schmerzen beklagen müssen, wie uns unser Vater Adam das bösartige und giftige (gegensätzliche und feindliche) irdische Regiment hier hereingeführt hat, so daß die arme Seele vom Geist dieser Welt ganz und gar gefangen wurde, der im Regiment der Seele quält und kräftig wirkt, so daß aus den Worten unserer Seele oft und stündlich die Bosheit des Abgrundes hervorbricht. Und darin mischt sich der Teufel ein und besetzt unsere Herzen im äußeren und dann auch im allerinnersten, nämlich in den ersten vier Gestaltungen der Natur, und wendet sie von Gottes Willen ab und in alle Laster und Bosheiten hinein, die in ihm sind. Und wie er nun sieht, daß ein Mensch qualifiziert ist, und welcher Geist nach dem äußern Regiment der Herr seines Leibes ist, nach demselben greift er ihn immer an und treibt solche große Schalkheit mit der Seele, daß es kein Mund aussprechen kann.

14.21. Denn es sind auch sieben Gestaltungen im äußerlichen Regiment in Form der sieben Planeten, die den äußeren Menschen regieren und in die Seele hineingreifen, wenn sie sich nicht ohne Unterlaß wehrt und die bösen Einflüsse verwirft. Auch darin hat der Teufel einen mächtigen Zugang zur Seele, aber dasselbe Regiment hat er nicht, und auch keine ganze Gewalt darin. Es sei denn, die große Verwirrung (Turba Magna) wurde im Zorn Gottes entzündet, dann ist er der Scharfrichter. Aber er hat das innere Regiment der vier Gestaltungen zum Feuerleben, und die kann er besetzen, so oft sich die Seele darin vertieft. Bekommt er sie dort, oh, wie hält (und bindet) er sie, und will mit ihr gänzlich hinein, denn es ist sein Reich. Versteht uns teuer:

14.22. Die vier Gestaltungen beinhalten den Ursprung der Natur: Zuerst tritt die Finsternis im begehrenden Willen mit dem Anziehen ins Begehren, und dann wird das Begehren streng, herb, hart und kalt, und das Begehren bewirkt ein Anziehen und Regen in der strengen Herbigkeit, welches zwei Gestaltungen sind. Und die dritte Gestaltung ist die große Angst, weil das Begehren frei sein will, welches das ängstliche Rad der Natur erweckt. Und schließlich der Feuerblitz der vierten Gestaltung, wie vorn ausführlich erklärt wurde. Nun bewirkt dieses herbe Anziehen im Begehren des Willens in der äußeren Natur dieser Welt einen großen Geiz, so daß auch das Gemüt alles an sich ziehen und allein besitzen will. Und wenn es auch nicht alles verzehren kann, so will es doch alles besitzen und niemandem gern etwas lassen oder gönnen. Das ist eine (erste) Wurzel des Abgrundes der Hölle, darin der Teufel der Seele heftig zusetzt, damit sie nicht ausgehen und zum Licht Gottes kommen kann.

14.23. Die zweite Wurzel ist die Bitterkeit der Natur, die in der Herbigkeit ein feindlicher Stachel ist und sich nicht bändigen lassen will. Je mehr man sie abwehrt, desto größer wird der Stachel. Dies ist die andere (zweite) Gestaltung, welche in der äußeren Natur ein feindliches, stachliges, neidiges und bitteres Gemüt macht, dahinein sich auch der Teufel wickelt und den Willen der Seele mit spitzfindigem, stachligem und neidigem Wesen ansteckt, so daß der Wille immer im Neid brennt und nimmermehr etwas Gutes redet, sondern nur Leichtfertiges, das dem Teufel dient. Daher kommen die Lügner, Verleumder und Übeldeuter mit falschen Herzen. Gott sei unser großes Elend geklagt, in das wir vertieft sind!

14.24. Die dritte Wurzel ist das ängstliche Rad des Gemüts, daraus die Sinne entstehen und geboren werden. Das beinhaltet vor allem das elende Trauerhaus, und ist doch auch das Haus des Lebens Aufgang. Dies ist vor allem der Sitz des Teufels, denn dahinein setzt er sich. Es ist sein Thron und erweckt immer dasselbe Trauerhaus, so daß die Seele kleinmütig wird und an Gottes Gnade und am Licht des ewigen Lebens zweifelt. Dazu wirft er immer seine beiden ersten Gestalten in Form von Geiz und Neid hinein, und dreht das Rad des Gemüts mit diesem Gift herum, und macht eine Wirkung in den Essenzen der Gedanken, und vermischt immer Geiz und Neid (bzgl. Gier und Haß, Anziehen und Abstoßen) untereinander, damit ihm nur sein Sitz bleibe. Wenn dann die arme Seele darüber hinaus und daraus auffliegen will, dann sperrt er sie in die Angstkammer und bedrückt sie, damit sie zweifeln kann und verzweifeln soll. Denn die Angstkammer hat noch die Finsternisse, und damit schlägt er sie nieder, daß sie nicht auf dem Rad fahren kann, denn sie könnte sonst das Feuer erblicken, und so würde er erkannt.

14.25. Die vierte Wurzel ist der Feuerblitz: Wenn es der Teufel nicht mehr erhalten kann, daß die Seele im Trauerhaus bleibt, sondern nach dem Blitz des Lichtes der Freiheit Gottes greift, dann schließ er sie in den Blitz und führt die Gedanken im Wort der Seele über das Kreuz hinaus in den Hochmut, so daß sie über die Sanftmut ausfährt und sich (überheblich stolz) erhebt, wie er es getan hat. Denn wie wir euch vorn erklärt haben, bekommt die Natur in der Anzündung des Feuers zwei Reiche, nämlich eines im Grimm des Feuers, das mit den vier grimmigen ängstlichen Gestaltungen über das Zentrum ausfährt, und dann das zweite im Licht der Sanftmut, das unbeweglich stehenbleibt, aber auch alle Kraft des Zentrums hat, in welcher der Geist der Gottheit und Majestät erkannt wird, darin dann der (allfarbige Regen-) Bogen mit dem Kreuz der Dreizahl steht. Denn die Majestät ist hier der Glanz der Gottheit, und hier bekommt die ewige Freiheit jenseits der Natur, die nur einen einigen Willen hat, ihre Kraft, Stärke, Majestät und Herrlichkeit. Denn so wird die Ewigkeit offenbar, die sonst ein stilles Nichts wäre, gegenüber der Kreatur betrachtet.

14.26. Über diese stille besänftigende Demut führt der Teufel die Seele des Menschen in ihrem eigenen Willen im Feuerblitz hinaus. Denn nach dem Geist dieser Welt steht hierin der Sonne Regiment, die dem äußerlichen Menschen Macht und Stärke gibt, sowie Licht und Kraft den äußeren Sinnen, so daß der Verstand lebendig wird, und der äußerliche Geist große äußerliche Klugheit und Weisheit nach dem Regiment dieser Welt bekommt, wie sich auch alle Listen (bzw. Illusionen) der Essenzen und Sinne darin eröffnen, und das merkt der Teufel eben. Ist einer im Oberregiment nach dem Geist dieser Welt ein Sonnenkind, dann schließt er ihn im Zentrum der Natur ohne Unterlaß im Feuerblitz der Seele ein, wo Feuer und Hitze entstehen, und führt die anderen drei giftigen Gestalten (von Geiz, Neid und Angst) im Ursprung immerfort hinein. Denn er führt die Seele im grimmigen Feuerblitz über das Kreuz und die Sanftmut der Majestät hinaus, so daß sie stolz, frech und streng wird. Er macht, daß sie die Sanftmut und Demut verachtet und in eigener Klugheit im Grimm des Blitzes über Gott und Himmelreich hinausfährt (und herrschen will).

14.27. Und dies ist es, ihr lieben Brüder zu Babel, warum ihr die göttliche Weisheit verliert und in eurer eigenen Weisheit auf dem Rad der Natur fahrt. Ihr solltet auf dem Kreuz in der Demut bleiben, und eure Seele sollte in die sanfte Majestät Gottes hineingewandt sein. Doch so fahrt ihr auf dem Feuerrad in eurem überheblichen Stolz über die Gottheit hinaus, und das tut euch der Teufel zur Schalkheit, daß er euch so führt, damit Gottes Reich nicht erkannt wird. Denn ihr sucht Gottes Reich in der Kunst, doch die Kunst hat die sechste Gestaltung des Rades der Natur (die Reflexion des Quecksilbers). Aber die Gottheit auf dem Kreuz hat ein anderes Zentrum, denn der göttliche Geist scheidet sich vom Feuer. Er ist wohl nicht getrennt, aber er macht ein anderes Prinzip, das in der Sanftmut steht, in reiner Liebe und Freude, und die Gestaltungen der Natur sind darin eine reine (ganzheitliche) Liebe-Kraft, denn es ist eine Erfüllung des ewigen Willens, aus dem die Natur entsteht. Und das grimmige (gegensätzliche) Reich ist eine Erfüllung des ewigen Hungers und Durstes. Und das kann in Ewigkeit nicht anders sein, denn so ist das Wesen aller Wesen.

14.28. Denn dies ist uns ja genug erkenntlich, zumal Gott nur gut ist, so daß er nichts Böses geschaffen hat, denn wo seit Ewigkeit nichts gewesen ist, da ist auch in der Schöpfung nichts geworden. Gott hat keine Hölle geschaffen, auch keinen Teufel, sondern Engel. Nur Luzifer hat sich von der Sanftmut abgewandt und ist über das Kreuz der Dreizahl überheblich ausgefahren, und hat sich das Zornfeuer im Blitz erweckt, das seit Ewigkeit verborgen stand. Das ist nun seine Hölle und seine Wohnung, und so kann er nun nichts anderes, als geizig, neidig, ängstlich und zornig zu sein. Es ist keine andere Qualität in ihm, denn seine eigene Mutter, daraus er erweckt und geschaffen wurde, die hält ihn nun, so daß er ein Teufel mitsamt seinen Legionen ist.

14.29. Darum, ihr lieben Kinder, weil wir solches wissen, daß wir so von der Hölle und den Teufeln in Gottes Zorn umgeben sind, so ist es uns höchste Not, in die Sanftmut zu fliehen. Darum lehrt uns Christus mit so ernsten Worten die Sanftmut, Liebe und Barmherzigkeit, daß wir uns untereinander lieben sollen und nicht so sehr nach dem Geist dieser Welt trachten, darin uns der Teufel einschließt und verführt, und daß wir uns vor dem überheblichen Stolz hüten sollen, darin der Teufel fliegt, und vor dem Zorn, der das Schwert des Teufels ist, mit dem er tötet.

14.30. Ach, daß die arme Seele doch so geblendet wird, daß sie die schweren Bande nicht erkennt, in denen sie gefangenliegt! Das höllische Feuer geht ihr bis zum Mund, und die ganze Welt ist voller Fallstricke, die der Teufet ausgelegt hat, um die arme Seele zu fangen. Wenn dem äußerlichen Menschen seine (geistigen) Augen geöffnet werden könnten, dann würde er sich schrecklich entsetzen. Denn alles, was der Mensch nur angreift oder ansieht, darin ist ein Netz und Strick des Teufels. Und wenn das Wort des Vaters (Verbum Domini), das Mensch geworden ist, nicht im Mittel (bzw. in der Mitte) wäre, so daß die verborgene ewige Wesenheit des Wortes Leib ist, dann könnte kein Mensch selig werden, denn der Teufel würde alle Seelen fangen und verschlingen.

14.31. Darum, ihr lieben Kinder, sagt uns Christus zu Recht, das Reich Gottes sei in uns so klein wie ein Senfkorn. (Matth. 13.31) Wer aber mit Ernst dahinein wallt und danach strebt, dem wächst es so groß wie ein Baum, den der Teufel wohl stehenlassen muß. Und wenn er auch manchmal einen Zweig davon abbricht, so bleibt doch der Stamm beständig. Deshalb warnt Christus den reichen Jüngling vor dem (egoistischen) Geiz und sagt ihm, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als ein Reicher in das Himmelreich. (Matth. 19.24) Das alles ist die Ursache, daß die Seele in die Lust und in das Regiment dieser Welt eingeht und von Gottes Willen ausgeht. Doch wenn sich die Seele gänzlich in das Regiment und die Lust dieser Welt hinein ergibt, dann greift sie der Teufel nicht mehr so streng an, sondern führt sie auf seinem Brautwagen aus einem Laster der Falschheit in das andere. Und sein Wagen ist die Venus als die Liebe des Fleisches, darin die Seele immer nach zeitlicher Macht und Ehre trachtet, nach Reichtum und Schönheit und nach Unzucht des Fleisches, wie auch nach tierischer Vermischung und Unordnung, obwohl das die Seele gar nicht so heftig begehrt, solange sie nicht ganz infiziert ist. Allein das ist es: Die Seele hat sich in Adam danach gelüsten lassen und wurde davon gefangen, und dasselbe macht der Teufel nun immer noch, denn er kitzelt die Seele beständig damit, nur daß sie getrost an die verbotene (gegensätzliche) Frucht anbeißt.

14.32. So empfinden wir, daß das menschliche Leben dreifach ist, mit drei Geistern ineinander, als wäre es nur ein Geist, und es ist auch nur ein Leben, aber es hat drei Regimente, weil jedes eine Mutter hat, die das gibt. Das Zentrum der Natur mit seinen Gestaltungen ist das ewige Leben, denn es ist das Feuerleben. Und der Geist, der in der Tinktur wohnt und aus dem Zentrum der Natur geboren wird und ausgeht, ist das ewige Seelenleben. Und der Luft-Geist mit der Qualität des Sternenregiments in das anfängliche und endliche zerbrechliche Leben, und das ist das tierische Leben.

14.33. Nun wurde die Seele nur aus den beiden ersten geboren, und das dritte ist ihr eingeblasen worden. Nicht, damit sie da hineingehen und sich dahinein ergeben sollte, wie sie es in Adam getan hat, sondern damit sie mächtig über dasselbe herrschen sollte und die großen Wunder Gottes darin eröffnen, die seit Ewigkeit in der Weisheit Gottes gesehen wurden. Denn das dritte Regiment ist aus dem ersten geboren und geschaffen worden. Und das zweite Regiment sollte in seinem Sitz in der edlen Tinktur im Paradies bleiben, und sollte im dritten die großen Wunder eröffnen. Darum war der Mensch ein Herr über alle Dinge. Denn er hatte die Tinktur der Erde in seiner Hand, und damit wäre ihm Gold und Silber so leicht zu finden gewesen wie alle anderen sichtbaren Dinge. Die Tinktur der Erde war sein Schmuck und Spiel, alles kindlich ohne Geiz, und kein anderes Kleid war ihm not. Gleichwie das Gold rein und ohne Makel ist, so war auch sein kindliches Gemüt. Aber der Teufel hat ihm den Sulphur (die Körperseele) darin erweckt, und hat ihm den tierischen Geist zum Oberregenten gesetzt, über den der Mensch eigentlich herrschen sollte. Doch dieser herrscht nun über ihn, und das ist sein Fall.

14.34. So hat der Teufel nun Macht bekommen: Weil das äußerliche Regiment aus dem innerlichen geboren ist, und er im innerlichen wohnt, so schießt er aus dem Inneren in das Äußere, und entzündet das Äußere im Gemüt. Dadurch entstehen die falsche (verkehrte) Sucht und die bösartige (feindliche) Lust, so daß zwei Regimente gegen das Seelenregiment streiten. Und so steht die arme Seele in der Mitte zwischen dem Regiment dieser Welt und dem Regiment der höllischen Qual, und da steht sie vor der Himmelspforte in einer großen Tiefe und in großer Gefahr. Denn ihre Wurzel ist Gottes Zorn und das höllische Feuer, und ihr Obergeist ist das Regiment dieser Welt, und da steht sie inmitten der Tinktur des Feuers. Wohin sie nun greift, da hinein geht sie: Ist es in die Lust dieser Welt, dann steht sie darin und wird vom Teufel gefangen. Greift sie aber in sich hinein in Gott, dann schlägt der Teufel auf sie ein, denn sie befindet sich jetzt in seinem Land. Doch wenn sie Christi Fleisch zu einem neuen Leib bekommt, dann ist sie nicht mehr in seinem Land, denn das ist ihm ein Baum, der sein Gift und Tod ist, und dem ist er gram und rührt ihn nicht gern an. Aber seine Diener hetzt er gegen den äußeren Leib, der nun Schmach und Spott ertragen muß, damit er ja diesen Baum verdecke, so daß er nicht erkannt werde. Denn sonst könnte er noch mehr Zweiglein zeugen, und dann müßte ihm wohl zum Schluß noch die Hölle zu eng werden. Darum wehrt er sich, solange er kann.

14.35. Wenn sich nun die arme Seele von ihm abbricht und mit ihrem lieben Bräutigam Christus zu Gottes Liebe wendet, so daß sie durch ernste Buße und Hinwendung in Gott in Gottes Willen tritt, dann hat er immer noch sieben Fallstricke und hält sie mit einem jeden, ehe er sie losläßt. Da muß sie sich von allen sieben loswinden und ihm seine Seile nur völlig überlassen. Und zum achten muß sie durch das Feuer gehen, was die ernste Probe ist. Und wenn sie da durchkommt, dann erlangt sie die himmlische Tinktur in der neunten Zahl, und in der zehnten Zahl auf dem Kreuz erlangt sie Christi Leib, so daß sie ein Engel im Himmel ist, und auf Erden nur noch ein Gast in diesem Hüttental.

14.36. Die sieben Stricke, mit denen die Seele gebunden wird, sind die sieben Geister der äußeren Natur des Regiments dieser Welt. Durch die muß sie sich winden, und durch sie hindurchdringen und alle hinter sich werfen. Und in der achten Zahl steht Moses mit seinem Gesetz, und da wird der Seele erst vorgelesen, was sie für ein schöner Vogel gewesen war. Da kommt auch der Teufel mit seinem Sündenregister und liest ihr vor, was sie war, und zeigt ihr seine Gerechtigkeit. Da heißt es, bücke dich, und ergreife die Wunden und das Leiden Christi! Hier ist es not, daß der arme Sünder das Verdienst und den Tod Christi nimmt und sich fest dahineinwickelt, denn aus diesem Wickel kann der Teufel die Seele nicht herausreißen, und darf sie auch nicht anrühren. An diesem Ort muß der Teufel die Seele verlassen, denn Christus steht im Zornfeuer des Vaters und ist die Erfüllung des Gehorsams. Damit wird die Seele in die neunte Zahl hineingeführt, in die Tinktur des ewigen Lebens, und da wird sie von der Majestät Gottes umfangen, und ihr entgegnet die schöne holdselige Jungfrau der Weisheit Gottes mit ihrem Perlenkranz und krönt die Seele zu einem Himmelsritter.

14.37. Was hier für Freude der Engel Gottes ist, und was die Seele hier für Freude erlangt, dazu haben wir keine Feder zum Schreiben, und auch sonst in dieser Welt keinen Mund, um solches auszusprechen. Allein wir wünschen dem Leser und allen Menschen, daß sie es selbst erfahren können, um welcher Ursachen willen wir so viel Mühe und tiefgründige Arbeit mit diesem Aufschreiben verbringen. Denn wir schreiben, was wir selbst erkannt und mit geistigen Augen gesehen haben. Das sagen wird nicht zu unserem Ruhm, sondern damit der Leser wisse, wenn er uns nachfolgen will, was er dafür zu erwarten habe, dieweil er sonst nur sieht, daß die Welt an Gottes Kindern eine Eule hat (auf die alle anderen Vögel herumhacken). Aber wir wollen uns doch nach diesem kurzen Leben wohl ergötzen. So ist uns auch dieses Kränzlein lieber als die ganze Welt, auch wenn es uns manchmal verdeckt wird, aber es stirbt nicht. Denn wie der rauhe Winter die grüne Erde verdeckt, so daß der Verstand meint, daß nun alles tot ist, aber der Frühling wiederkommt und alles zu grünen und zu blühen beginnt, so ist es auch mit dem edlen und schönen Kränzlein Christi. Wenn es wieder grünt, dann bringt es Lilien ohne Zahl, und alle Frühlinge zehnfach, wenn das Gemüt wieder in Christus erneuert wird.

Vom Beiwohnen der heiligen Engel

14.38. Wie wir Menschen hier in dieser Welt, wenn wir Kinder Gottes sind, einander in Nöten und Unglück beispringen und einander gern von Leid und Trübsal erretten, so ist es auch mit den Kindern Gottes im Himmel. Weil die Seele in die Gesellschaft der Engel gehört, so halten sie sich gern an gottesfürchtige, fromme und züchtige Menschen, und wohnen ihnen in Nöten bei. Denn die Schrift sagt auch: »Sie sind allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst derer, die das Reich Gottes erben sollen. (Hebr. 1.14)« Und so fangen sie auch oft die feurigen Strahlen des Bösewichts auf. Was für ein Unglück würde der Teufel auf Erden oft anrichten, wenn ihm nicht von den Thronfürsten der Legionen Widerstand begegnen würde? Wie oft würde er die Menschen erschrecken und stürzen! Aber die Engel sind unsere Diener und Wächter, wenn wir Christen und keine Tiere sind, obwohl der Teufel den Christen am meisten nachtrachtet. Wie oft würde mancher ertrinken oder sich zu Tode stürzen, wenn er keine wunderliche Errettung von den Engeln empfange! Sie sind gern um Leute, die von Gott singen und reden. Sie haben ihre Freude an den unmündigen Kindern, so daß sie sich auch wohl einem Kind offenbaren und mit ihm spielen dürfen, wenn es ein Kind Gottes ist. Wie viele Beispiele sind doch in der Heiligen Schrift bekannt, daß die Engel fromme Kinder geleitet und geführt haben, besonders das Beispiel von Tobias (Tobia 5.6), das unsere Schulgelehrten wohl lieber aus der Bibel würfen. So seht auch die drei Engel bei Abraham und die zwei bei Lot, wie sie die Empfängnis teurer Menschen verkündigt haben, besonders Johannes und Christus. Seht doch ihr Bemühen bei seiner Geburt und bei den Weisen aus dem Morgenland, und schließlich beim Joseph, wie er Maria mit dem Kindlein in Ägypten führen sollte. Dabei können wir wohl ihre große Sorgfältigkeit für uns spüren, denn sie sind Gottes Diener. Er schickt sie, damit sie uns führen und vor dem Teufel beschützen. Welche große Freude haben sie doch mit der armen Seele, wenn sie sich aus den Stricken des Teufels reißt! Mehr als über neunundneunzig, die gerecht sind, wie Christus sagt. (Luk. 15.7)

14.39. Darum sollen wir nicht so in Trübsal verzagen, wenn wir in Nöten sind, so daß wir oft vermeinen, die ganze Welt sei gegen uns. So ist doch das englische Heer bei uns, und der Geist Gottes. Es geht uns oft wie dem kananäischen Weiblein, so daß wir Gottes Angesicht nicht finden können. Aber wir müssen beständig bleiben, denn es muß erprobt und bewährt sein. Je mehr man das Gold läutert, je schöner wird es. So auch die Seele: Je mehr sie in die Probe geführt wird und diese besteht, desto schöner und klarer wird sie. Denn darum geht es Gott, daß er schöne liebe Kinder habe, die da weise werden und den alten Teufel erkennen lernen.

14.40. Aber dazu wißt, daß die Engel ganz reine, keusche und züchtige Geister sind, dazu demütig und freundlich, und sie gleichen den unmündigen Kindern, die von keiner Falschheit wissen, was ihnen nicht angeboren ist. Wer nun das Beiwohnen der Engel genießen und sie zu Geleitsgesellen haben will, der darf kein brünstiger Stier sein, keine geile Venus oder ein falsches Gemüt tragen, das Tag und Nacht nur auf List und Trug sinnt, um Gut und Mut zu erlangen. Er darf sich auch nicht alle Stunden in den spitzfindigen Scherzworten der Welt baden und seine Seele damit kitzeln und speisen, wie die Welt einander auszuecken und zu verleumden pflegt. Nein, bei diesen Menschen bleibt kein Engel, sondern der schwarze Teufel, der der Menschen Herzen und Seele besiegt, so daß sie ein Wohlgefallen an der Falschheit haben.

14.41. Wer die Engel zum Beistand haben will, der muß sie nicht rufen oder anbeten, denn sie nehmen keine Ehre an, weil sie alle Ehre Gott geben. Er kehre sich nur aus der Unreinheit seines Herzens um, und trete durch ernste Buße in Gottes Willen, und wehre stets die bösen Gedanken und Einflüsse ab. So sollte er seinen Willen stets in Gottes Willen wenden und Gott um Regierung seines Heiligen Geistes bitten. Und wenn ihn der Teufel hält und nicht lassen will, und ihm seine Unreinheit zeigt, dann ist nichts besser, als daß er dem Teufel alle seine Unreinheit auf seinem Hals lasse, und sich über allen Verstand hinaus mit seiner Seele herauswinde und mit Demut in Gottes Willen hineinwerfe und ergebe, und damit allen Zweifel dem Teufel lasse (denn das ist seine Herberge). Auch soll er sich ein solches vornehmen, daß es eine große Sünde sei, wenn er im Zweifel bleibe. Anders soll er nicht denken, als daß gerade der Zweifel das Band des Teufels ist, mit dem er die Seele hält, wenn ihm seine Unreinheit begegnet und unter die Augen tritt, so daß die Seele keine Kraft empfangen kann. Das ist nicht Gottes Verstockung (bzw. Störrigkeit), sondern der Teufel wickelt sich um die Seele und will die Seele nicht ans Licht kommen lassen, so daß sie Kraft empfange. Dagegen sind Christi Worte und Verheißung mit seinem Blutvergießen, Leiden und Sterben eine edle Medizin, wenn sich die Seele hineinwickelt und dem Teufel alle Unreinheit auf seinen Hals läßt, denn so ist das sein Gift, davon er matt und schwach wird. Dann dringt die Seele in das Licht Gottes und empfängt Kraft. Dahinein muß sie mit Ernst und in Demut treten, dann tritt sie dem Teufel auf den Kopf und zerstört ihm die Hölle. Und dann treten die Engel zum Menschen und haben ihre große Freude, daß nun der überwunden ist, der in der Seele vermeinte, Gott und Schöpfer zu sein.

14.42. So muß eine Seele in Christus beständig wie ein Ritter sein. Denn obwohl der Teufel die Seele nicht besiegen kann, so hält er ihr doch stets den verbotenen und unreinen Baum vor, daran sie anbeißen soll, nämlich an Unzucht, Falschheit, Lügen, Betrug, Zorn und Neid. Bringt er es nur dahin, daß die Seele die falsche Sucht in sich hereinläßt, oh, wie deckt er zu, und wie streut er Zucker auf! Und müßte er den Menschen auch in den Himmel der Venus holen, so wirkt er unverdrossen, damit er seine Räuberburg wiederbekomme. Denn dem Teufel geht es nirgends besser als im Menschen, denn dort kann er ein Herr der Welt sein, und kann sein Geschäft treiben und seinen Willen erfüllen, welches er ohne den Menschen im Geist dieser Welt nicht vermag. Denn sein Reich ist nicht im äußeren Regiment dieser Welt, sondern im inneren, in der Wurzel im Abgrund. Er kann in dieser Welt im Äußeren nichts tun, es sei denn, daß die große Verwirrung im Zorn Gottes entzündet ist, darin er geschäftig wird, besonders, wenn sich die Elemente in großen Ungewittern entzünden. Und wenn dann der Zorn Gottes darin brennt, dann wird er ein geschäftiger Richter. Könnte er die ganze Welt verderben, er würde es tun. Aber er hat keinen weiteren Raum, als ihm der Grimm in der großen Verwirrung (Turba Magna) zuläßt. Die Verwirrung ist sein Meister, und er ist nur ein Gaukler und Verderber, soweit der Zorn die Verwirrung ansteckt (und entzündet).

14.43. So erkennt, daß der Teufel öfters mit den Engeln kämpft. Denn wenn die Seele des Menschen sicher ist, dann will er mit Macht hinzu, doch wird aufgehalten, so daß er dasjenige, was er will, nicht tun kann. Aber sobald die Seele imaginiert und die Lust fängt, dann siegt der Teufel. Wenn die Seele aber die bösartige (unheilsame) Lust verwirft, dann wird er vom Engel vertrieben. Und so ist ein stetiger Kampf um die Seele des Menschen: Gott will sie haben, aber auch der Teufel. Und die Ursache des Kampfes liegt darin, weil sich zwei Reiche auf dem Kreuz scheiden. Eines ist Gottes Liebe, das Reich in der Heiligen Dreifaltigkeit (Ternario Sancto) als das englische Reich, und das andere ist der Grimm aus dem Zentrum der Natur, der Gottes Zorn und Schärfe ist.

14.44. Darum hat uns Gott seinen Willen offenbart und dem Menschen Licht und Finsternis vorgestellt, so daß er greifen kann, wohin er will. Aber damit wir erkennen, daß er die Seele in seinem heiligen Reich haben will, dafür läßt er uns belehren und weist uns den Weg zum Leben. Er erweckt durch seinen Geist teure Lehrer, die der Welt Lichter sind, damit sich die Menschen vor seinem Zorn und Grimm hüten sollen und diesen nicht in sich erwecken. Denn der Zorn muß wohl in allem Leben sein, aber wenn ihn die Liebe und Sanftmut überwindet, dann wird er in der Ewigkeit nicht offenbar, sondern ist nur wie eine Ursache des Lebens. Denn in der Liebe bewirkt der Zorn die große aufsteigende Freude und das Paradies. So ist der Zorn im Reich Gottes die große Wunderfreude, so daß man dort nichts vom Zorn weiß. Gleichwie Weinen und Lachen aus einem Sack kommen, und die Traurigkeit in Freude verwandelt werden kann, so hat es auch eine Bewandtnis mit Gottes Liebe und Zorn.

14.45. Darum lehrt uns Christus so ernstlich die Liebe, Demut und Barmherzigkeit, und darum ist Gott Mensch geworden, wegen unseres Heils und unserer Seligkeit, so daß wir ja nicht von seiner Liebe abrücken sollen. Gott hat sein Herz darangewandt, daß wir seine Kinder werden und ewig bleiben können. Und als kein Rat mehr war, weder im Himmel noch in dieser Welt, da hat er sich noch einmal für uns Menschen bewegt, damit wir vom Teufel und aus seinem Zorn erlöst werden können.

14.46. Darum werft doch Gottes Liebe und Gnade nicht so von euch weg, ihr lieben Kinder! Ihr werdet es sonst in Ewigkeit bereuen, denn nach dieser Zeit ist keine Rettung mehr. Lernt doch göttliche Weisheit, und lernt erkennen, was Gott ist. Bildet euch doch kein Bild eines Wesens ein, so daß Gott irgendein Bild sei, als nur in Christus. Wir leben und sind in Gott, wir sind seines Wesens. Wir haben Himmel und Hölle in uns selbst, und was wir aus uns machen, das sind wir. Machen wir einen Engel in Gottes Liebe und Licht aus uns in Christus, dann sind wir es. Machen wir aber einen grimmigen, zornigen, falschen und hochfliegenden Teufel aus uns, der über alle Liebe und Sanftmut nur in Geiz, Hunger und Durst auffliegt, dann sind wir eben das. Denn nach diesem Leben sind wir gar viel anders (bzw. nicht grundsätzlich anders). Was hier der Seelenwille faßt, das hat er. Wenn ihm dann das Äußere im Tod zerbricht, dann hält doch der Wille dieses gefaßte Wesen in seiner Qualität, und das ist sein Ergötzen. Und wie das vor Gottes paradiesischer Qualität und seinem Regiment bestehe, und vor seinen Engeln, dem magst du nachdenken. Wir wollen es treulich dargestellt haben, wie es uns gegeben wurde.


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