Vom dreifachen Leben des Menschen

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

10. Kapitel - Die Schöpfung aller Wesen

Weiter von der Schöpfung aller Wesen, und wie sich der Mensch suchen und finden soll, und wie er alle Geheimnisse bis in die neunte Zahl finden kann, aber nicht höher.

10.1. Daß du in den Sternen und Elementen suchst und vermeinst, die Geheimnisse der Natur zu finden, ist vergebliche Arbeit, denn du findest nicht mehr als ein Auge und siehst einäugig (und nur oberflächlich). Und wenn du meinst, du hättest die Sonne, so hast du kaum den Mond, sondern nur einen Glanz von der Sonne, und bist weit vom Herzen entfernt und läufst nur mit dem Mond um das Zentrum.

10.2. Es ist ein einiger (ganzheitlicher) Weg, den du gehen mußt, wenn du das das ganzheitliche Geheimnis (Mysterium Magnum) finden willst. Wenn du auch dein Leben lang im Mond suchst, so ist doch alles vergebens, denn dein Begehren bleibt nur der Mond.

10.3. Im Merkur (der gedanklichen Reflexion) machst du große und schwere Arbeit und denkst, der Stein der Weisen liegt darin, aber aus deiner Alchemie wird nur Kuhmist.

10.4. Und wenn du in die Venus (der sinnlichen Liebe) kommst, dann meinst du, du hast die Sonne und es sei Gold. Aber es ist das Weib, das nur eine wässerige Tinktur hat, denn ihr Leben ist Luft, und so arbeitest du im Leib vergeblich. Wenn du aber dann den Geist der Tinktur ergreifst, dann gehst du auf einem Weg, auf dem viele die Sonne gefunden haben.

10.5. Denn sie sind dem Weg bis zum Herzen der Sonne nachgegangen, und dort hat sie der Geist der himmlischen Tinktur gefangen und in die Freiheit der Majestät geführt. Dort haben sie dann den edlen Stein der Weisen erkannt und sich sogleich vor der menschlichen Blindheit entsetzt und die vergebene Arbeit gesehen.

10.6. Willst du diesen edlen Stein finden, siehe, dann wollen wir ihn dir genug zeigen, wenn du ein Magier und dessen wert bist, sonst bleibst du wohl blind. So versuch es, denn er hat nicht mehr als drei Zahlen (die 1000 als dreistellige bzw. dreidimensionale Zahl von der Majestät der Heiligen Dreiheit).

10.7. Zuerst zähle von Eins bis zur Zehn. Das X ist die Zehn und ist eine Kreuzzahl. Von Eins bis zur Zehn ist jede eine Zahl, aber du hast nur über neun Zahlen Gewalt. Vor der zehnten sollst du stehenbleiben, denn sie ist das Ende der Natur, und das gebührt der Kreatur nicht zu erforschen. Denn solange sie unter dem Kreuz bleibt, bleibt sie im Leib des gefaßten Willens Gottes.

10.8. Und dann hat er zehnmal Zehn, das ist Hundert, und dann zehnmal Hundert, das ist Tausend: Da liegt der Stein ohne große Mühe, denn er ist rein und von der irdischen Natur unbefleckt.

10.9. So mache es, wie ich oben vom Zentrum geschrieben habe: Wechsle die Planeten im Rad herum ab und nimm sie, einen männlichen und dann einen weiblichen, einen zum Seelen-Geist und einen zum Luft-Geist.

10.10. Um ihren Leib brauchst du dich nicht sorgen, denn ein jeder Planet macht sich seinen eigenen Körper, was wohl sein Begehren selber ist.

10.11. Beginne mit dem Saturn, denn er ist der erste im Feuer-Leben zur edlen Tinktur. Und dann fahre am Rad herum zum Mond, denn du mußt jeweils einen Planeten zum Tinktur-Leben und dann einen zum Luft-Geist nehmen, denn es besteht keines ohne das andere, sonst bekommst du Geist ohne Leib, einen Feuer-Geist, der wie in einer Lampe (Lucerne) brennt, gleich einem angezündeten Feuer, aber er gibt nichts, denn es ist nur ein überheblicher Stolz, ein Wollen ohne Körperlichkeit.

10.12. So fahre also am Rad herum bis zur Sonne, das ist die Zahl Sieben ab der ersten Zahl. Und wenn du nun dahin gelangst, dann meinst du, du hast den Stein der Weisen, aber er besteht nicht, denn der Mars zerbricht ihn.

10.13. So fahre weiter durch das Feuer der Sonne, das die achte Zahl ist. Und wenn du durchkommst, dann ergreife durch die Tinktur die Ewigkeit als neunte Zahl und führe sie auf das Kreuz zur zehnten Zahl, die das Ende der Natur ist.

10.14. Dort greif zu und nimm den Stein, wieviel du willst. Dieser zerbricht in keinem Feuer, ist frei von der Grimmigkeit und Ausgeburt, und sein Glanz und Licht steht in der Kraft der Majestät. Sein Körper ist aus der ewigen Wesenheit, seine Zahl ist auf dem Kreuz Hundert und in der Majestät Tausend.

10.15. Dieses geben wir den Suchenden, denn keiner findet den Stein im Mond, er komme denn auf das Kreuz in die zehnte Zahl.

10.16. Wem dann weiter noch gelüstet, diese Welt zu suchen, und er gern den Glanz dieser Welt hätte und den Stein dieser Welt begehrt wie in den edlen Metallen, der gehe wieder aus dem Inneren ins Äußere. Er gehe in den Mond und flöße ihn in tausend Teile und gebe ihm ein wenig Sonne. Wenn aber sein Geiz groß ist, dann gebe er ihm den siebenten Teil der Sonne, dann ist es schon gemacht.

10.17. Denn es laufen alle Planeten und Sterne nach dem Herzen, denn ein jeder nimmt die Kraft vom Herzen und macht sich selber seinen Leib. So besteht auch der Mond (Luna) aus allen sechs Planeten und hat auch Sonne, aber nicht das Herz, denn er hat die Sonne nur im Begehren, wie ihr seht, daß er durch die Sonne scheint und nicht mit seinem eigenen Glanz. Darum muß ihm der Geist des Herzens zugesetzt werden, der zuvor rein ist. So laufen alle Planeten herzu, und ein jeder begehrt das reine Kind und baut sich sein Haus hinein.

10.18. Nur siehe zu und hüte dich vor der Venus, daß sie nicht ihre weibische Tinktur hineinschwätze, denn sie erscheint licht und schön, aber sie ist ein Weib, macht einen finsteren Leib und verschlingt bald die Sonne.

10.19. Behalte den schwarzen Saturn mit der Mars-Hitze, dann wird dir schließlich der gütige Jupiter erscheinen, der freundlich ist und das Oberhaus hat, das Haus des Geistes, der Tinktur. Denn wenn er aus dem schwarzen Saturn kommt, dann ist er der metallische Stein.

10.20. Doch ängstige dich (bzw. begehre) nicht zu sehr und zu lange im Feuer, denn es gibt nicht mehr als es vermag. Du zählst sonst zurück in den Verlust, wohl nicht ins Verderben, sondern nur in Solem Hungariae (vermutlich ungarisches Gold, wertvolle oder auch trügerische Dukaten). Die Venus freut sich desto mehr, aber deine geizige Hoffnung nimmt ab, wiewohl (bzw. weil) du dich zu Recht an der zehnten Zahl genügen ließest, denn dieser Welt Reichtum ist wie Kot.

10.21. Und wenn du die zehnte Zahl mit deiner Vor- und Zubereitung erreichst, darfst du dich nicht so sehr um die Tausendzahl bekümmern, denn sie steht auf der Krone der Jungfrau, in die zwölf Sterne gesetzt sind, nämlich sechs göttliche und sechs menschliche. Diese Krone hat die Tausendzahl und die Jungfrau Hundert.

10.22. Christus spricht: »Suche zum Ersten das Reich Gottes, dann wird euch das andere alles zufallen.« Es liegt alles im Willen, denn der Wille macht das Begehren, und das Begehren nimmt, wo nichts ist, und obwohl es doch ist, aber uns Menschen verborgen.

10.23. Es sei denn, daß ein Mensch erlangt den Stein der Weisen auf dem Kreuz und findet damit das, worüber der Verstand spricht: „Es ist nicht da!“ Denn was nicht seit Ewigkeit gewesen ist, das ist auch jetzt nicht, und davon wissen wir auch nichts. Wir wissen nur von dem, was da ist und immer gewesen ist, obwohl nicht (immer) vor uns Menschen offenbar, aber doch aus Gott in seiner Weisheit von Ewigkeit.

10.24. Wenn wir also von zwei Reichen reden, vom Reich Gottes und dieser Welt mit solcher Gestalt, als sähen wir diese mit leiblichen Augen, dann wundert euch nicht darüber, denn wenn sich Gott im Menschen offenbart, dann ist er in zwei Reichen und sieht mit doppelten Augen. Und dieser Weg ist doch gar nicht so schwer, wie ihn der Verstand im Äußeren sucht.

10.25. Es liegt alles am Willen. Der äußerliche Wille muß in den inneren gehen und muß sich selber verleugnen, als wäre er im Äußeren tot und hätte kein Leben im Äußeren. Obwohl er doch lebt, gleichwie Gott im Äußeren lebt und ist, aber das Äußere ist an ihm tot, so daß es ihn nicht fassen kann. So auch du, oh Mensch! Du bist mit deiner Seele im Inneren, aber der Wille deiner Seele hat sich mit Adam in das Äußere umgewandt.

10.26. Wenn du also Gott und die Ewigkeit schauen willst, dann wende dich mit deinem Willen ins Innere um, so bist du wie Gott selbst. Denn so bist du auch ursprünglich geschaffen worden, und so lebst du nach dem inneren Willen wie Gott und in Gott, und nach dem äußeren Willen in dieser Welt, und hast beide Reiche zum Eigentum, und bist wahrlich ein Bild und Gleichnis Gottes. So erforschst du alle Dinge und findest, was im Verborgenen ist. Denn du findest es in der Ewigkeit und siehst es wiederum in der (vergänglichen) Ausgeburt in der Bildung stehen.

10.27. Der Grund der Schöpfung dieser Welt ist dem inneren Menschen in Gottes Willen viel leichter zu erkennen, als dem äußeren das sichtbare Wesen. Denn der äußere Mensch erkennt das weniger (tiefgründig), was er mit den Augen sieht, mit den Händen ergreift (und fühlt), mit den Ohren hört, mit der Nase riecht und mit dem Mund schmeckt, als der innere den Grund und das Herkommen des Äußeren. So sieht der innere wohl das Geschöpf in seinem Grund, aber am Äußeren ist er wie tot, obwohl er doch lebt. Und was er im Äußeren erlebt, das erlebt er in Gott um seiner Wundertat willen, damit er das eröffnet und ins (begreifbare) Wesen bringt, was in der Bildung im Verborgenen steht.

10.28. So sagen wir auch: Das Ewige steht (und besteht) im Willen, und der Wille macht das Begehren, und im Begehren steht die Bildung des Willens. Und so ist es auch vor der Zeit dieser Welt gewesen. Als sich aber Gott in seinem Willen bewegte, da erschuf er das Begehren, so daß es im Wesen stand, und so erkennen wir nichts anders als nur dasselbige.

10.29. So ist nun das Begehren ein anderes als das Wollen, denn der Wille ist ohne Wesen, aber das Begehren macht Wesen. So ist aus dem ewigen Nichts das geworden, was da ist, und zuvor war nichts als nur ein Wille, und der war eine Jungfrau ohne Bildnis, und war doch eine Bildung eines Bildes im Willen. Und diese Bildung hat der Geist erblickt und in eine Wesenheit geschaffen, wie wir nun an der Form dieser Welt erkennen. Die Bildung hat den Geist verursacht, so daß er die Wunder in der Bildung ausgesprochen (bzw. „informiert“) hat. Und das ist die Matrix der Gebärerin, und das ist der Geist dieser Welt, denn anders konnte der Geist nichts aussprechen als ein Gleichnis seiner selbst, denn es war sonst nichts.

10.30. Damit zeigen wir euch nun die Schöpfung, denn schöpfen heißt, dasjenige in den Willen zu fassen, was in der Bildung im Willen steht. Denn wenn ein Zimmermann ein Haus bauen will, dann muß er sich zuvor ein Modell in seinen Willen pflanzen, wie er es bauen will, und dann baut er es nach dem Modell seines Willens.

10.31. So hat sich auch der Geist Gottes ein Modell nach seinesgleichen in seinen Willen gepflanzt und das Modell so geschaffen, denn das seht ihr an dieser Welt. Als der Geist durch das Schöpfungswort am ersten Tag die Ausgeburt im Grimm erschuf, nämlich das Wasser und die Erde, da faßte er im Willen auch die Bildung, und das war der Himmel, den er am zweiten Tag erschuf. Und am dritten Tag versuchte er das Werk, und ließ aus der Erde Formen und Bildnisse aus den Essenzen aufgehen, wie Bäume, Kraut und Gras. Das waren Bildnisse der Essenzen des Begehrens, aber des Geistes Bildnis stand noch bis zum vierten Tag verborgen, obwohl es doch im Wesen schon war. Darunter kann man einen Tag ohne Sonne verstehen, wie eine Umdrehung des Rades der Natur im Begehren des Willens. Denn der innere Wille hat sechs Zahlen nach den sechs Geistern, und der äußere im Begehren der Bildung hat auch sechs Zahlen, nach dem Gleichnis des Geistes. Und die zwei Reiche machen mit ihren sechs Zahlen vierundzwanzig, denn sie teilen sich in vier Teile, nämlich sechs vor dem Mittag und sechs nach dem Mittag, und sechs vor Mitternacht und sechs nach Mitternacht, bis zum Aufgang oder Anfang (der Sonne).

10.32. Nach diesem hat der Geist ein Zeichen und eine Rechnung ins Begehren gesetzt, davon die Zeiten und Jahre kommen, die zuvor nicht waren. Denn jede Zwölfzahl, die himmlisch, göttlich und irdisch ist, sowie menschlich oder tierisch, hat ein Zeichen am Firmament, das der Geist in das sichtbare Wesen mitsamt der Krone des Zentrums erschuf, die der Umfang des Gestirns (des Sternenkreises mit den Tierzeichen) ist.

10.33. Und wir geben dir damit zu erkennen, daß das Schaffen des Geistes ein Ausgang aus sich selbst in das Äußere ist, denn am Ort der Sonne ist der Punkt, wo der Geist das Gleichnis geschaffen hat. Denn dort stand das Wort in der Schöpfung und eröffnete sich, und ging von der inneren zehnten Zahl aus und schuf hervor, durch und durch bis auf die Eins, welches die zehnte Zahl als einen Körper erhielt, und das ist der Mond. Denn in solchem Begriff war die Gestalt und Form der Tiefe ergriffen, und der Geist ging aus und trieb die Essenzen des Zentrums bis zur Krone. Dort faßt er sie mit den Zeichen und allen Eigenschaften dieser Gestaltungen, die in der Jungfrau in der Bildung im Willen standen, und das sind die Sterne. Er schuf sie wie einen Umfang des Geistes, so daß sie alle ein Leib des Geistes sind, der „Sonne“ heißt. Denn hier hat der ewige Geist ein Gleichnis des Geistes gefaßt, und das kommt als natürlicher Leib dieser Welt wie ein Geist hervor, gleichwie der ewige Geist aus dem ewigen Zentrum der Natur, aus der zehnten Zahl. Und wie sie sich mit ihrer Umdrehung in den drei Tagen geordnet haben, das heißt, vor (dem Aufgang oder Anfang) der Sonne, so sind sie auch in der Schöpfung in der Ordnung stehengeblieben, und sind nichts Materielles oder Begreifbares, obwohl es gegenüber der Ewigkeit ein materielles Wesen ist, aber gegenüber uns nicht. Sondern sie sind Kräfte, eine Ausgeburt aus dem ewigen verborgenen Zentrum und ein Gleichnis des Ewigen, und haben die Kraft und Gewalt, nach den Eigenschaften aller und jeglicher Sterne die Körper und Gestaltungen zu bilden.

10.34. So versteht uns: Aus dem Ort der Sonne kommt die Eröffnung aller Sterne und Elemente, und so sind alle Sterne die Kinder der Sonne, bis auf Saturn, der ist das Haus des sechsfachen Geistes. Denn die Planeten sind der Geist, und die Krone der Oberen der Leib, und das ist eine Gestaltung, wie wir vorn vom Zentrum der Natur und vom Thron der Engel beschrieben haben. Darin sind noch große Dinge, welche wir zu Recht verschweigen, wegen der Bosheit dieser Welt, die mit diesem Wissen die Kräfte der Natur zu ihrem (egoistischen) Geiz und ihrer Falschheit (bzw. Illusion) mißbrauchen würde.

10.35. Darum sagen wir euch: Wem die zehnte Zahl eröffnet wird, dem wird auch in seinem Willen gegeben, nicht mehr zu reden, als was der Welt nötig ist, und solches zu allen Zeiten, wie es die Not erfordert und in Gott erkannt wird. Damit geben wir euch den Grund zu verstehen, wie Gott am vierten Tag die Sonne geschaffen hat, und mit demselben führenden Geist die Sterne, und was sie sind, nämlich nichts anderes, als zusammen ein Leben nach dem Gleichnis Gottes, darin sich die Ewigkeit in einem Wesen offenbart hat.

10.36. Am fünften Tag hat Gott dieses Wesen und Leben bewegt und dahinein die Schöpfung gesetzt und allerlei Gleichnisse nach jeder Gestaltung im Geist aus der Matrix geschaffen. Und in diese Schöpfung hat sich dann das dritte Reich als das Reich des Zorns hart mit hineingedrängt. Da kamen allerlei Tiere hervor, Vögel, Fische, Würmer und was sich regt und lebt, das kam alles aus der äußeren Matrix und stand auf der Erde. Und in der Tiefe (des Raumes) kamen allerlei Geister des Feuers hervor, wie da die Aszendenten und Phönix sind, und auch in der Luft allerlei Geister, entsprechend der Wesenheit der Luft, und im Wasser und der Erde allerlei Geister, ein jeder entsprechend der Eigenschaft seiner Mutter. Und so ist die ganze Tiefe zwischen dem Gestirn, soweit sich das Wort zur Schöpfung hineinbegeben hat, nichts als ein Leben und Regen von Geistern.

10.37. Nun fragt der Verstand: „Wenn der Teufel in dieser Welt wohnt und sein fürstliches Regiment hat, wo wohnt er denn?“ Siehe, oh Mensch, und betrachte dies wohl! Es sind in der ganzen Tiefe nicht mehr als sieben Umgänge, die sich wie ein Rad herumwälzen und drehen, oder wie sich das Leben um die Seele windet, und das Herz steht in der Mitte als das Zentrum still, das wie die Sonne ist. Und die Umgänge um die Sonne sind die sechs Planeten als die Geister am Zentrum, und der siebente Umgang ist die Erde, die dreht sich in vierundzwanzig Stunden einmal (um sich selbst) herum und läuft mit den Planeten, außer dem Mond, über ein Jahr einmal ihren Lauf um die Sonne. Das tun auch die anderen Planeten, aber in kürzerer oder auch viel längerer Zeit, wie der Saturn wegen seines weiten Ganges erst in neunundzwanzig Jahren. Ausgenommen ist der Mond, welcher zurückläuft und es alle Monate tut, also zwölfmal in einem Jahr, und schreitet noch etwas darüber.

10.38. Das macht nun zusammen das Rad der Geburt, darin das Schöpfungswort (Verbum Fiat) steht. Das hat den Teufel aus diesem Kreis herausgetrieben, und er wohnt nun außerhalb dieses Kreises und ist eine große Finsternis gegenüber der Sternenkrone am Firmament, so daß auch viele Sterne am Firmament wegen dieser Finsternis nicht gesehen werden. Und es hat auch sonst große Bedeutung für die Menschen, die wir offenbaren wollten, wenn die Welt nicht so toll wäre und sich vom Teufel treiben ließe, der aller Offenbarung spottet, damit er die Menschen verblendet. Es soll aber zur Lilienzeit den Kindern (offen-) stehen, die mit beiden Augen sehen.

10.39. Also wohnt uns der Teufel nah, aber hat sein fürstliches Regiment noch viel tiefer, näher zum Gestirn in der Mitte, wo es am finstersten ist. Denn die Nähe des Glanzes von Sternen mag er auch nicht, und ist also wie ein Gefangener und darf die sieben Regimente des Schöpfungswortes nicht berühren, hat auch keine Macht darin, und so ist er die ärmste Kreatur in der Krone.

10.40. Dieses (Bild) läßt sich wohl mit keinem Zirkel (vollkommen) entwerfen, denn die Sonne steht darin im innersten Kreis, und die anderen immer weiter auswärts bis zur Krone, die den äußeren Himmel abschließt und nicht mehr verstanden werden kann. Allein der Geist versteht das in sich, denn wie er ist, so ist auch dieser Kreis. Man kann es auch nicht (vollständig) beschreiben, denn das Leben windet sich hinein zur Sonne, wie sich auch die Geister des Lebens im Menschen hinein in die Seele winden. Entsprechend könnt ihr über die drei Prinzipien nachsinnen, wo das Äußerste auch das Allerinnerste ist, welches der äußere Geist unseres Verstandes nicht fassen kann, denn er ist nur eins (ein Prinzip) und keine Dreizahl. Aber der Geist der Seele versteht es, wenn dieser umgewendet wird, so daß er mit seinen eigenen (geistigen) Augen ins Innere sieht und mit den (körperlichen) Augen dieser Welt ins Äußere. Denn das ist das Gesicht (die Vision) von Hesekiel vom Geist mit den inwendigen und auswendigen Augen (Hes. 1.18), so daß der Geist immer vor sich hergeht, wo auch immer er hingeht.

10.41. Obwohl die weisen Magier und Mathematiker eine Sphäre (ein Kugel- bzw. Ringbild) dargestellt und das Rad entworfen haben, so ist es doch nicht genug (und vollkommen). Es ist wohl den Unwissenden ein Weg, um das das große ganzheitliche Geheimnis (Mysterium Magnum) zu betrachten, aber das Rad braucht ein viel subtileres Verständnis und kann auf solche Weise mit keinem Zirkel dargestellt werden. Denn es geht in sich zum Herzen der Sonne und aus sich zur Bildung der Wesenheit, und dazu treibt es über sich und unter sich, denn der Geist der Tinktur als das wirkliche Feuerleben treibt über sich hinein zur Freiheit Gottes, und begehrt aber auch den Geist der Wesenheit, der unter sich treibt, denn ohne ihn besteht das Feuerleben nicht.

10.42. So wendet sich der Feuergeist um, wie auf die Seite, und greift nach dem Geist der Wesenheit, und der Geist der Wesenheit flieht vor dem Feuer. Weil er aber aus dem Feuerleben geboren wird und nicht getrennt davon werden kann, so wird er mit dem Feuergeist gedreht. Denn wenn der Feuergeist sich zur Rechten in die Quere wendet und nach dem Geist der Wesenheit greift, dann wendet sich der Geist der Wesenheit auch in die Quere, von unten auf der anderen Seite hinaufwärts, und das bewirkt ein Drehen. Und so eilt jeweils eines dem anderen nach, denn die Wesenheit flieht vor dem Feuer und kommt doch aus dem Feuer, wie ihr seht, daß die Luft aus dem Feuer kommt, und aus der Luft wird das Wasser, das die Wesenheit ist. (Wie zum Beispiel durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid entstehen.)

10.43. So begehrt das Feuer, das eine Angst ist, die Sanftmut und die Freiheit jenseits der Qual und greift nach dem Wasserquell. Und die Sanftmut, als der Wasserquell, begehrt den Leib, damit sie vor dem Feuer frei und verdeckt sein könnte. Und so eilt das Feuer immer nach dem Wasser, und das Wasser flieht vor dem Feuer, denn wenn das Feuer oben ausführe und das Wasser unten aus, dann würde eine weite Zertrennung sein und in jedem der Tod und ein Nichts. Weil sich aber das Feuer nach dem Wasserquell neigt und sich darin erquickt, so behält es sein Leben, und kann so wieder den Luft-Geist von sich geben, damit das Leben besteht.

Das Spiel von Feuer und Wasser zwischen Geburt und Tod nach dem Gleichnis von Jacob Böhme

10.44. So zeigen wir dir das große Geheimnis, damit du verstehen lernen kannst, wie weit du gehen sollst, wo deine Zahl und dein Ende ist. Denn das Feuer ist die achte Zahl nach den sieben Geistern der Natur, und ist eine Ursache der sieben Geister. Nun besteht aber keine Kreatur im Feuer, denn das Feuer verzehrt die Wesenheit, in der das natürliche Leben steht. Aber das Feuer macht die Tinktur, und dazu doppelt, eine in sich greifend nach der ewigen Freiheit und der stillen Sanftmut ohne Wesen, und die andere aus sich greifend nach der äußerlichen Wesenheit, gleichsam nach dem Öl (des „Kohlenwasserstoffs“), das aus dem Wasser ist und von der Venus kommt. Darin entspringt sein äußerlicher Glanz und Schein, während in der innerlichen Tinktur im Begehren der ewigen Freiheit die Majestät der Freiheit entspringt.

10.45. So versteht uns recht: Das Feuer hat die achte Zahl, und die innerliche Tinktur hat die neunte Zahl. Soweit sollen und können wir gehen, denn die zehnte Zahl ist das ewige Feuer Gottes und hält in der Mitte seiner Geburt das Kreuz, welches das Zentrum der ewigen Natur in zwei Reiche teilt, davon wir vorn geschrieben haben. Und welche Kreatur hindurchfahren will, die kommt durch das Reich Gottes hindurch wieder in das Äußerliche, aus Gott heraus und jenseits dieser Welt in das Zentrum des Feuers hinein, nämlich in eine ewige Finsternis, wo das Feuer schwarz und ein immerwährender Hunger ist.

10.46. Denn die Anzündung des Feuerlichtes steht allein unter dem Kreuz in der Sanftmut, in der neunten Zahl (der verursachenden Tinktur), und das ist eine (einstellige) Zahl. Die zehnte Zahl ist die zwei (-stellige) Zahl, die den Engeln und Menschen gebührt, aber nicht, um weiter in das Zentrum des Kreuzes zu greifen, sondern sie müssen hier vor dem Kreuz der Dreizahl (der dreistelligen bzw. dreidimensionalen Zahl) stehen und ihr Gemüt unter sich in die Tinktur der Demut zurück in die neunte Zahl schlagen, und vor sich in die zehnte sehen, aber mit furchtsamen Gemüt, und keinen Willen schöpfen oder haben, um in die zehnte Zahl als in das Zentrum des Feuers Gottes hineinzugehen, sondern sich vor der zehnten Zahl ewig hoch zu erfreuen und mit seinem Lobgesang vor der zehnten Zahl zu singen: „Heilig, heilig, heilig ist unser Gott, der Herr Zebaot!“ Und dieser Gesang ist eine Speise des göttlichen Feuers, davon in göttlichen Essenzen Wunder, Paradies, Element und himmlische Wesenheit ausgehen und vor der Dreizahl als eine Jungfrau des ewigen Wissens (bzw. Bewußtseins) Gottes stehen, und das ist Gottes Weisheit.

10.47. Denn in dieser Weisheit erscheint die Wesenheit aller göttlichen Essenzen, dazu wir hier keine Zunge zum Sprechen noch eine Feder zum Schreiben mehr haben. Wir zeigen euch nur, wie weit ihr in solcher Offenbarung (gedanklich) forschen sollt. Denn in der neunten Zahl seht ihr alle Dinge, weil es die Tinktur des himmlischen Lebens ist. Ihr seht die hundertste Zahl der Jungfrau der Weisheit und auch die tausendste Zahl der Krone der Majestät. Ihr sollt nur nicht weiter in die zehnte Zahl forschen, um darin den Abgrund zu erforschen. Sonst geht ihr aus Gott heraus, wie Luzifer, der in der zehnten Zahl Schöpfer sein wollte und das Feuer des ewigen Ursprungs suchte, und darin muß er ewig wie im Tod in der Finsternis bleiben.

10.48. Darum sei der Leser gewarnt, in diesen gar tiefen Schriften nicht weiter zu ergründen und seinen Willen noch tiefer zu schwingen, als er begreift. Er soll sich allezeit am Begriff (bzw. der Begreifbarkeit) genügen lassen, denn im Begriff steht er noch in der Wesenheit, und da irrt er nicht, wie tief ihn der Geist auch immer führt, denn einem wird oft mehr gegeben als dem anderen. Doch nur das ist das Ziel, daß ein jeder in der Demut vor Gott stehenbleibe und sich Gott ergebe, so daß er das Wollen und Tun mit ihm bewirke, wie er will. Wenn du das tust, dann bist du in dir selber wie tot, denn du begehrst nichts als Gottes Willen, und der Wille Gottes ist dein Leben, der bis in die tausendste Zahl in sich hineingeht und die Tiefe der Gottheit mit allen Wundern erforscht. Denn er führt deinen ihm ergebenen Willen in die Jungfrau seiner Weisheit, so daß du alle Wunder schauen kannst. Aber du sollst nicht von ihm weg in die Wunder imaginieren. Sobald du das tust, gehst du aus Gottes Willen heraus, der die ewige Freiheit ist, und bist in deiner Imagination gefangen. Das merke dir! Denn eine jede Imagination macht eine Wesenheit, in der du dann stehst und wieder herausgehen mußt, oder du schaust Gott nicht.

10.49. Darum lehrt uns Christus Demut, Liebe, Reinheit des Herzens und Barmherzigkeit und gebietet uns, Gottes Willen zu suchen und uns dahinein zu ergeben. Denn in Gottes Willen vermögen wir alles. Nicht unsere eigene Natur soll es tun, sondern Gott eröffnet es selbst in uns und ist unser Tun, wenn wir etwas Wundervolles wirken. Denn keine Menschenseele soll sagen oder denken: „Ich will Wunder tun!“ Nein, das kann nicht sein.

10.50. Denn die Wunder über die äußere Natur kommen allein aus dem Zentrum der ewigen Natur, aus der zehnten Zahl, und die beherrscht die Kreatur nicht. Aber wenn sie in Gottes Willen ergeben ist, dann wirkt Gott in der Kreatur Wunder, weil es seine Lust ist, sich in den Schwachen zu offenbaren. Denn der Starke erstarrt in seinem Willen und will ihn nicht Gott ergeben. Er vertraut sich selber in seiner eigenen Klugheit. So ist sein Wille außerhalb von Gott und vermag nichts. Und wenn er dann so aus sich selber von Gottes Wesen und Willen redet, dann ist er ein unwissender Lügner, denn er redet nicht aus Gottes Geist und Willen, sondern aus sich selber, aus seinem eigenen Wahn, in dem nur Zweifel ist. Und daher entstehen die Streitigkeiten des Glaubens um die göttliche Wissenschaft, weil man Gott in seinem eigenen Willen und Wissen sucht. Die Menschen wollen Gott in ihrem eigenen Willen finden, aber darin ist er nicht, denn er wohnt nur in dem Willen, der sich ihm ganz mit allem Verstand und Wissen ergibt. Allein dem gibt er Erkenntnis und Kraft, sein Wesen zu erkennen.

10.51. Darum erhebt eure Häupter und erkennt es! Zank und Streit sind nicht Gottes Wille, sondern der Menschen und des Teufels Wille, nämlich der Wille des Zorns. Laßt euch nicht von den Scheinheiligen verführen, die da in der Historie umherglänzen und sagen: „Wir haben Gottes Willen bei uns und sind seine Diener. Seht auf uns, wir sind Gottes Amtsleute! Und wenn wir auch bösartig sind, so tragen wir doch das Amt und den Willen zu Recht.“ Oh verfluchte Kains- und Judasart, du bist nicht in Gott geboren oder erkannt! Warum rühmst du dich dann Gottes Willen? Wie kannst du sagen, du trägst das große ganzheitliche Geheimnis Gottes, wenn du doch außerhalb von Gott in einem fremden Willen bist, nämlich in dir selber? Du trägst nicht das große Geheimnis, sondern der arme Sünder, der da umkehrt, weil er vom Teufel gefangen worden ist, und im Kampf gegen den Teufel steht und zu Gott seufzt und ruft, der läuft in Reue und Entsagung zum Amt des großen Geheimnisverwalters, das Christus seinen Jüngern und Kindern gegeben hat, die da im Willen Gottes sind, denn sie haben den richtigen Schlüssel zu Himmel und Hölle. Deshalb trägst du, oh Sophist, nicht das Amt, denn du bist außerhalb von Gottes Willen, sondern der arme bußfertige Mensch bringt das große Geheimnis mit zu dir und ergibt sich in die apostolische Gewalt, die du nicht hast, sondern die Gemeinde Christi, die in Gottes Willen ist. Dort empfängt ein Glaube den anderen, und die Gemeinde Christi spricht den bußfertigen Sünder frei, und nicht du, oh Sophist, der du weder Kraft, Macht, noch Wissen vom Reich Gottes hast, sondern selber ein Gefangener des Teufels bist und in Gottes Zorn sitzt. Du bist nur die stolze Hure zu Babel und schwebst auf dem Amt des großen Geheimnisverwalters, aber bist dessen gar nicht fähig. Denn nur, wenn du in Gottes Willen stehst, bist du Christi Apostel und trägst das Kleid Aarons, und Gott schließt durch deinen Mund auf und zu, und nicht dein natürlicher Wille, denn der muß überall tot sein, oder du bist des Amtes nicht fähig. Du sitzt in deinem eigenen Willen im Amt Christi auch nicht auf dem Thron von Petrus, sondern auf dem Thron der Pestilenz, und bist der Antichrist, wie wir dich in der zweiundsiebzigsten Zahl erkannt haben, die du trägst. Denn du bist im Zank um Christi Reich und du hast ihn (den Thron) nicht in deiner Gewalt, sondern die Gemeinde Christi hat ihn, die Gottes Willen ergeben ist. Denn die heilige Lade des Bundes ist bei ihnen zu Silo und nicht in deinem sektiererischen Jerusalem, das du voll Greuel der Lästerung gemacht hast.

10.52. Was soll aber der Geist noch mehr von dir berichten, als daß du ein ehebrüchiges Weib bist und den Glauben und Eid verloren hast. Er hat dir Zeit zur Buße gegeben, aber du tust keine Buße, sondern hurst Tag und Nacht. Darum will er dich in die Kelter seines grimmigen Zorns ausspeien, und Babel soll sich selber verbrennen. So spricht auch Christus: »Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Kluckhenne ihre Küchlein unter ihre Flügel, aber du hast nicht gewollt. Siehe, euer Haus soll euch wüst bleiben! (Matth. 23.37)« Das spricht er jetzt auch zu dir, du verwüstetes Jerusalem in Babel. Es kommt die Zeit, daß die Kinder Christi von dir ausgehen, und ist schon da, und du mußt in deiner Hurerei verschmachten. Siehe, deine Kaufleute werden von fern stehen und klagen: »Seht doch, Babel, in der wir reich und fett geworden sind, steht verwüstet! (Offb. 18.15)«

(Manche Aspekte der beschriebenen Sicht von Böhme lassen sich übrigens auch in dem berühmten Yin-Yang Symbol wiederfinden, wenn man das Kreuz darüberlegt:

Yin-Yang Symbol mit dem Kreuz von Jacob Böhme und dem Herz Gottes

Der dunkle Außenkreis wäre das erste Prinzip, in welchem durch die Schöpfung das zweite Prinzip des Lichtes in der oberen Hälfte erscheint bzw. erwacht. Durch das Kreuz entstehen dann vier Quadranten, die ewige Finsternis und das ewige Licht, sowie zwei Quadranten für das dritte Prinzip der vergänglichen Welt, und zwar ein aufsteigender und ein absteigender Quadrant, ähnlich wie Feuer und Wasser. Damit erscheinen auch die fünf sogenannten Zentren in den vier Quadranten und in der Mitte, im Herz der Sanftmut der Gottheit. Und zwischen diesen Zentren bewegt sich unser Bewußtsein im Kreis oder auch quer durch die Mitte.)


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