Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

22. Kapitel - Vom vierten Schöpfungstag

Von der Geburt der Sterne und der Schöpfung des vierten Tages.

22.1. Hier wird nun begonnen, die siderische Geburt zu beschreiben, und es ist wohl zu erkennen, was der erste Titel dieses Buches meint, der da „Morgenröte im Aufgang“ lautet. Denn hier wird sogar ein Einfältiger das Wesen Gottes sehen und begreifen können.

22.2. Es sei denn, der Leser macht sich durch seinen Unglauben und seine zähe Begreiflichkeit selber blind, denn ich habe hiermit die ganze Natur mit allen ihren Kindern zum Zeugen und Beweis. Bist du nun vernünftig, dann schau dich um, siehe dich selbst an und bedenke dich recht, dann wirst du bald finden, aus welchem Geist ich schreibe.

22.3. Ich will den Befehl des Geistes gehorsamst ausrichten. Schau nun zu, und laß dich nicht von einer offenen Tür einschließen, denn hier steht dir die Pforte der Erkenntnis offen.

22.4. Auch wenn dieser Geist gegen manche Astrologen gehen wird, so liegt mir nicht viel daran. Ich muß Gott mehr gehorsam sein als den Menschen, die im Geist blind sind. Und wenn sie es nicht sehen wollen, dann mögen sie blind bleiben.

22.5. Nun erkenne: Am dritten Tag ging dann der Feuerblitz aus dem Licht auf, das im süßen Wasser scheinend wurde (der Blitz, der die bittere Qualität ist und sich aus dem angezündeten Schreck des Feuers im Wasser gebiert).

22.6. So wurde nun die ganze Natur dieser Welt quellend und beweglich, in der Erde sowie über der Erde, und so begann sich, in allen Dingen wieder das Leben zu gebären.

22.7. Aus der Erde gingen Gras, Kraut und Bäume auf. In der Erde entstanden Silber, Gold und allerlei Erze, und in der Tiefe (des Raumes) über der Erde begann die wunderbare Formung der Kräfte.

22.8. Damit du aber verstehen kannst, was es für eine Substanz und Angelegenheit mit allen diesen Dingen und Geburten habe, so will ich alles nacheinander, ein jedes in seiner Ordnung beschreiben, damit du den Grund dieses Geheimnisses recht verstehst. Ich will zuerst von der Erde schreiben, danach zweitens von der Tiefe über der Erde, zum Dritten von der Zusammenverkörperung der Sterne, zum Vierten von den sieben Hauptqualitäten der Planeten und deren Herz, das die Sonne ist, zum Fünften von den vier Elementen, zum Sechsten von der äußerlichen begreifbaren Geburt, die aus diesem ganzen Regiment entsteht, und zum Siebenten von der wunderlichen Proportion und Geschicklichkeit des ganzen Rades der Natur.

22.9. Vor diesen Spiegel will ich nun alle Liebhaber der heiligen und hochgelobten Künste der Philosophie, Astrologie und Theologie geladen haben, denn hier will ich ihnen die Wurzel und den Grund eröffnen.

22.10. Und wenn ich auch ihre Kunst nicht studiert und gelernt habe und auch nicht weiß, mit ihrem Zirkelmessen umzugehen, darin liegt mir keine Bekümmernis. Sie werden trotzdem noch so viel zu lernen haben, daß es mancher die Zeit seiner Lebenstage nicht ergründen oder begreifen wird.

22.11. Denn ich brauche ihre Formeln und Künste nicht, zumal ich es von ihnen nicht gelernt habe, sondern ich habe einen anderen Lehrmeister, und der ist die ganze Natur. Von dieser ganzheitlichen Natur mit ihrer innerlichen (geistigen) Geburt habe ich meine Philosophie, Astrologie und Theologie studiert und gelernt, und nicht von Menschen oder durch Menschen.

22.12. Weil aber alle Menschen Götter sind und die Erkenntnis (-Fähigkeit) von Gott dem einigen Vaters haben, aus dem sie hergekommen sind und in dem sie leben, so verachte ich niemals ihre Formeln der Philosophie, Astrologie und Theologie. Denn ich finde, daß sie größtenteils auf rechtem Grund stehen, und will mich auch befleißigen, daß ich ihren Formeln nachfolgen kann.

22.13. Denn ich muß ja sagen, daß ihr Formelwissen mein Meister war und ich aus ihren Formeln meinen Anfang und erste Erkenntnis habe. Ich will auch ihre Formeln nicht umkehren oder verbessern, denn das kann ich nicht, weil ich sie nie gelernt habe, sondern ich lasse sie in ihrem Reich bestehen.

22.14. Ich will auch auf ihrem Grund nicht aufbauen, sondern wie ein bemühter Knecht die Erde von der Wurzel scharren, damit man den ganzen Baum sehen kann, mit der Wurzel, dem Stamm, den Ästen, Zweigen und Früchten, so daß mein Schreiben nichts Neues sei, sondern daß ihre Philosophie und meine Philosophie ein Leib sind, ein Baum, der gleiche Früchte trage.

22.15. Ich spüre dazu auch keinen Befehl, daß ich mich über sie höchst beschweren oder sie verdammen sollte, außer wegen ihrer Laster des überheblichen Stolzes, Neides, Geizes und Zornes. Darüber beschwert sich der Geist der Natur sehr mächtig, nicht ich. Was könnte ich armer Staub auch tun, der ich so gut wie ohnmächtig bin?

22.16. Allein das zeigt der (sehende) Geist: Ihnen wurde das Pfund des Gewichtes (bzw. des Wichtigen oder Talentes, in Anspielung auf Matth. 25.14) und der Schlüssel überantwortet, aber sie sind in ihren Wollüsten des Fleisches ersoffen und haben das Pfund des Gewichtes in die Erde vergraben und den Schlüssel in ihrer überstolzen Trunkenheit verloren.

22.17. Der Geist hat lange Zeit auf sie gewartet, denn sie sollten einmal aufschließen, als der helle Tag kommen wollte. Doch so gehen sie nun in ihrer Trunkenheit herum und suchen den Schlüssel, den sie doch bei sich haben, aber nicht kennen. Und so gehen sie in ihrer stolzen und ehrgeizigen Trunkenheit immer weiter herum und suchen wie jener Bauer, der sein Pferd suchte, auf dem er ritt.

22.18. Darum spricht der Geist der Natur: Weil sie vom Schlaf nicht aufwachen und die Tür aufmachen wollen, so will ich es selbst tun.

22.19. Wie könnte ich armer und einfältiger Laie sonst von ihrer hohen Kunst lehren oder schreiben, wenn es mir nicht vom Geist der Natur gegeben wäre, in dem ich lebe und bin? Habe ich doch nur einen Laienstand und von diesem Schreiben keinen weltlichen Lohn. Sollte ich aber deswegen dem Geist verwehren, daß er nicht anfange, aufzuschließen, wo er wolle? Bin ich doch nicht die Tür, sondern ein gemeiner Riegel davor. Wenn mich nun der Geist herauszöge und ins Feuer würfe, könnte ich ihm auch das verwehren?

22.20. Wenn ich aber ein unnützer Riegel sein wollte, der sich nicht aufziehen lassen und dem Geist aufschließen will, würde der Geist nicht über mich erzürnen und mich ausreißen und wegwerfen und sich einen nützlicheren und gefügigeren Riegel machen? Dann läge ich darnieder und würde mit Füßen getreten, obwohl ich doch zuvor an der schönen Tür glänzte. Doch wozu wäre dieser Riegel noch nützlich, als zu Feuerholz?

22.21. Siehe, ich sage dir ein Geheimnis: Sobald die Tür ganz aufgeht, werden alle unnützen und fest eingekeilten Riegel weggeworfen werden, denn die Tür wird nun nicht mehr zugeschlossen, sondern steht offen, und die vier Winde gehen dort aus und ein. Aber der Zauberer (der Illusion) sitzt im Weg und wird manchen verblenden, so daß er die Tür nicht sieht. Dann kommt er heim und sagt: „Es ist keine Tür da, sondern es ist nur erdichtet, deshalb geht nicht mehr dahin!“

22.22. Damit lassen sich die Menschen abweisen und leben weiter in ihrer Trunkenheit.

22.23. Wenn das nun geschieht, dann ergrimmt der Geist, der die Pforte aufgemacht hat, weil niemand mehr durch seine Tore aus- und eingehen will, und wirft die Pfosten der Tore in den Abgrund. Und dann ist keine Zeit mehr: Die drinnen sind, bleiben drinnen, und die draußen sind, bleiben draußen. Amen.

22.24. Nun fragt es sich: „Was sind die Sterne?“ Davon schreibt Moses: »Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da Tag und Nacht unterscheiden und Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre geben, und sie seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden.«

22.25. »Und so geschah es, und Gott machte zwei große Lichter: Ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, so daß sie auf die Erde schienen, den Tag und die Nacht regierten und Licht und Finsternis unterschieden. Und Gott sah, daß es gut war. Da wurde aus Abend und Morgen der vierte Tag. (1.Mose 1.14)«

22.26. Diese Beschreibung zeigt deutlich, daß der teure Mann Moses nicht der Autor war, denn der Schreiber hat weder den wahren Gott noch die Sterne erkannt, was sie sind. Und so ist wohl zu vermuten, daß die Schöpfung (in dieser Form) nicht vor der Sündflut beschrieben worden ist, sondern als ein dunkles Wort im Gedächtnis von einem Geschlecht auf das andere gebracht wurde, bis nach der Sündflut, als die Welt wieder angefangen hatte, epikurisch zu leben. (Vermutlich eine Anspielung auf die Lehre des griechischen Philosophen Epikur von der Seelenruhe, die später von seinen Schülern auf sinnlichen Genuß ausgerichtet wurde.)

22.27. Damals haben die heiligen Väter, als sie solches gesehen hatten, die Schöpfung beschrieben, damit es nicht vergessen werden könne und die epikurische Welt doch einen Spiegel an der Schöpfung habe, und darin sehe, daß es einen Gott gibt und daß dieses Wesen der Welt nicht seit Ewigkeit so bestand, damit sie darin einen Spiegel haben können und diesen verborgenen Gott fürchten.

22.28. So war es auch nach der Sündflut, wie bereits zuvor, der Altväter vornehmste Unterweisung und Lehre gewesen, daß sie die Menschen an der Schöpfung unterwiesen haben, wie solches auch das ganze Buch Hiob betreibt.

22.29. Nach diesen Vätern sind die weisen Heiden gekommen, die in der Erkenntnis der Natur etwas tiefer eindrangen. Und ich muß mit Grund der Wahrheit sagen, daß sie in ihrer Philosophie und Erkenntnis wirklich vor Gottes Antlitz kamen, aber sie konnten ihn weder sehen noch erkennen.

22.30. So sehr war der Mensch im Tod abgestorben und in die äußerliche Geburt der toten Begreiflichkeit verriegelt worden, sonst hätten sie ja erkannt, daß in der Begreiflichkeit eine göttliche Kraft im Zentrum verborgen sein müßte, welche die Begreiflichkeit so erschaffen hätte und dazu erhielte, trüge und regierte.

22.31. Sie haben zwar die Sonne und Sterne als Götter verehrt und angebetet, aber nicht erkannt, wie diese geschaffen oder geworden sind oder woraus sie entstanden sind.

22.32. Denn sie könnten doch darüber nachgedacht haben, daß sie von etwas hergekommen wären und daß das, was sie geschaffen habe, größer und älter sein müsse als die Sterne.

22.33. Dazu haben sie ja die Erde und Steine zum Beispiel, daß diese von etwas hergekommen sein müßten, sowie auch die Menschen und alle Kreaturen auf Erden. Das alles hätte sie überzeugt, daß in diesen Dingen noch eine mächtigere Kraft vorhanden sei, die dies alles so geschaffen habe.

22.34. Doch was soll ich viel von der Heiden Blindheit schreiben, sind doch unsere Doktoren unter ihren gekrönten Hütlein in gleicher Weise blind. Sie wissen zwar, daß da ein Gott ist, der dies alles geschaffen habe, aber sie wissen nicht, wo und wie dieser Gott ist.

22.35. Wenn sie von Gott schreiben wollen, dann suchen sie ihn allein außerhalb dieser Welt in einem Himmel, als wäre er ein Bild und mit etwas zu vergleichen. Sie geben zwar zu, daß dieser Gott mit einem Geist in dieser Welt alles regiere, aber sein körperliches Eigentum wollen sie dummerweise über viele tausend Meilen entfernt in einem Himmel haben.

22.36. Herbei, ihr Doktoren, wenn ihr Recht habt, dann gebt dem Geist eine Antwort! Ich will euch ein wenig befragen:

22.37. Was meint ihr wohl, was vor der Zeit dieser Welt war und anstatt dieser Welt bestand? Oder woraus meint ihr, daß die Erde und Sterne geworden sind? Oder was meint ihr wohl, daß in der Tiefe (des Raumes) über der Erde sei, oder woraus diese Tiefe entstanden ist? Oder wie meint ihr, daß der Mensch Gottes Bild sei, in dem Gott wohnt? Oder was laßt ihr euch bedünken, was der Zorn Gottes sei, oder was Gott für einen Mißfallen am Menschen habe, so daß er ihn leiden läßt, obwohl er ihn geschaffen hat, und daß er ihm Sünde zurechnet und zu ewigem Leiden verurteilt?

22.38. Warum hat er denn das erschaffen, an dem sich der Mensch vergreift? Dann müßte das (diese Schöpfung) ja noch viel böser sein. Warum oder woraus ist das geworden? Oder was ist die Ursache, der Anfang oder die Geburt des grimmigen Zorns Gottes, daraus Hölle und Teufel geworden sind? Oder wie kommt es, daß sich alle Kreaturen in dieser Welt untereinander so beißen, stoßen und schlagen, aber allein dem Menschen Sünde zugerechnet wird?

22.39. Oder woraus sind die giftigen und bösartigen Tiere und Würmer mit allem Ungeziefer entstanden? Oder woraus sind die heiligen Engel geworden? Und letztlich, was ist die Seele des Menschen und der große Gott selbst?

22.40. Hierauf gebt richtige und gründliche Antwort, und beweist es, und laßt von eurem Wortgezanke ab! Wenn ihr durch eure bisherigen Schriften darlegen könnt, daß ihr den wahren einigen Gott kennt, wie er in Liebe und Zorn sei und was er ist, und wenn ihr wirklich beweisen könnt, daß Gott nicht in den Sternen, Elementen, Erden, Steinen, Menschen, Tieren und Würmern, sowie in Laub, Kraut und Gras zwischen Himmel und Erde sei, und daß dieses alles nicht Gott selbst sei, und daß mein (sehender) Geist falsch ist, dann will ich der erste sein, und mein Buch im Feuer verbrennen und alles das, was ich geschrieben habe, widerrufen und verfluchen, und will mich gehorsam (von euch) unterweisen lassen.

22.41. Das ist jedoch nicht so gemeint, daß ich gar nicht irren könnte, denn es sind etliche Dinge nicht genug erklärt und wurden gleichsam wie von einem (teilweisen) Anblick des großen Gottes beschrieben, weil sich das Rad der Natur zu geschwind umdreht und der Mensch mit seiner halbtoten und zähen Begreiflichkeit nicht genug davon erfassen kann.

22.42. Was du aber an einem Ort nicht erklärt und ausführlich findest, das wirst du an einem anderen finden, und wenn nicht in diesem, dann doch in einem anderen Buch.

22.43. Nun wirst du vielleicht sagen: „Es gezieme mir nicht so zu fragen, denn die Gottheit sei ein Geheimnis, das niemand erforschen kann.“ Höre, geziemt es mir nicht zu fragen, dann geziemt dir auch nicht, mich zu richten. Rühmst du dich aber der Erkenntnis des Lichtes und als einen Führer der Blinden, aber bist selber blind, wie willst du dann dem Blinden den Weg weisen? Werdet ihr nicht beide in eurer Blindheit fallen? (Matth. 15.14)

22.44. Willst du aber nun sagen: „Wir sind nicht blind und sehen wohl den Weg des Lichtes.“ Warum streitet ihr dann um den Weg des Lichtes, den doch keiner recht sieht? Ihr lehrt anderen den Weg, aber sucht ihn selber immer noch, tappt im Finsteren und seht ihn nicht. Oder meint ihr, daß es Sünde sei, wenn einer nach dem Weg fragt?

22.45. Oh ihr blinden Menschen, laßt ab vom Streiten, vergießt kein unschuldiges Blut und verwüstet dafür nicht Land und Städte nach dem Willen des Teufels, sondern setzt den Helm des Friedens auf, gürtet euch mit Liebe zueinander und gebraucht die Sanftmut unter euch! Laßt ab von überheblichem Stolz und Geiz, so daß keiner dem anderen seine Gestalt mißgönne. Laßt euch das Zornfeuer nicht anzünden, sondern lebt in Sanftmut, Keuschheit, Freundlichkeit und Reinheit, dann seid und lebt ihr alle in Gott.

22.46. Denn du brauchst nicht fragen: „Wo ist Gott?“ Höre, du blinder Mensch, du lebst in Gott, und Gott ist in dir. Und wenn du heilig (ganzheitlich) lebst, dann bist du Gott selbst. Wo du nur hinsiehst, da ist Gott.

22.47. Wenn du die Tiefe zwischen den Sternen und der Erde ansiehst, kannst du dann sagen: Das ist nicht Gott oder hier ist nicht Gott? Oh du armer, verdorbener Mensch, laß dich unterweisen, denn in der Tiefe über der Erde, wo du nichts siehst und erkennst und sprichst, da ist nichts, auch dort ist gleichwohl der lichtheilige Gott in seiner Dreifaltigkeit und wird allda geboren wie im hohen Himmel über dieser Welt.

22.48. Oder meinst du, daß er von seinem Wohnsitz, wo er seit Ewigkeit sitzt, zur Zeit der Schöpfung dieser Welt abgewichen ist? Oh nein, das kann nicht sein. Selbst wenn er es wollte, er könnte es nicht tun, denn er selbst ist Alles. So wenig ein Bein des Leibes für sich selbst weggehen kann, so wenig kann auch Gott zertrennt werden.

22.49. Daß aber so vielfältige Formen und Gestaltungen in ihm sind, das bewirkt seine ewige Geburt, die zuerst dreifältig ist. Und aus dieser Dreiheit gebiert sie sich unendlich und unermeßlich.

22.50. Von dieser Geburt will ich hier schreiben und den Kindern dieser letzten Welt aufzeigen, was Gott ist. Nicht aus Ruhm oder Stolz, um hiermit jemanden zu schmähen oder zu verachten. Nein, der Geist will dich sanft und freundlich unterweisen, wie ein Vater seine Kinder. Denn das Werk ist nicht meines Fleisches Verstand, sondern die Liebe-Offenbarung oder Durchbrechung im Fleisch des heiligen (und heilsamen) Gottes.

22.51. In meinen eigenen Kräften bin ich so ein blinder Mensch wie irgendein anderer und vermag nichts. Aber im Geist Gottes sieht mein eingeborener Geist durch alles hindurch, aber nicht immerfort beharrlich, sondern wenn der Geist der Liebe Gottes durch meinen Geist hindurchbricht. Dann ist die seelische Geburt mit der Gottheit ein Wesen, eine Begreiflichkeit und ein Licht.

22.52. Nicht ich allein bin so, sondern alle Menschen sind so, seien es Christen, Juden, Türken oder Heiden. In wem die Liebe und Sanftmut ist, in dem ist auch Gottes Licht.

22.53. Fragst du: „Warum?“ Nun, die Türken, Juden und Heiden leben ja auch in einem solchen Körper, wie du, und gebrauchen auch die gleiche Kraft des Leibes, die du gebrauchst. Dazu haben sie sogar denselben Leib, den du hast, denn derselbe Gott, der dein Gott ist, ist auch ihr Gott.

22.54. Darauf wirst du sagen: „Sie kennen ihn aber nicht, und ehren ihn auch nicht.“ Ja, lieber Mensch, rühme dich nur, du hast es wohl getroffen. Du kennst ihn ja vor anderen. Doch siehe, du blinder Mensch, wo immer die Liebe in Sanftmut aufgeht, da geht auch das Herz Gottes auf. Denn das Herz Gottes wird im sanften Wasser des angezündeten Lichtes geboren, sei es im Menschen oder außerhalb des Menschen. Es wird überall im Zentrum in der Mitte zwischen der äußersten und innersten Geburt geboren.

22.55. Und was du auch ansiehst, da ist Gott. Aber die Begreiflichkeit steht in dieser Welt im Zorn, denn sie wurde vom Teufel angezündet. Und im verborgenen Kern mitten im Zorn wird das Licht oder Herz Gottes geboren, dem Zorn unbegreiflich. So bleibt ein jedes in seinem Wohnsitz.

22.56. Ich rühme damit nicht der Juden, Türken und Heiden Unglauben und Halsstarrigkeit oder ihren Grimm und ihre Bosheit gegen die Christen. Nein, das sind eitle Streiche des Teufels, der dadurch die Menschen zu überheblichem Stolz, Geiz, Neid und Zorn reizt, um das höllische Feuer in ihnen anzuzünden. Ich kann aber auch nicht abstreiten, daß diese vier Söhne des Teufels auch in der Christenheit regieren, wie wohl in einem jeden Menschen.

22.57. Nun fragst du vielleicht: „Was ist dann der Unterschied zwischen Christen, Juden, Türken und Heiden?“ Hier öffnet der Geist Tür und Tor. Willst du es nicht sehen, dann bleibe blind. Denn darin liegt der Unterschied, den Gott immer und überall gehalten hat, daß diejenigen, die da wissen, was Gott ist und wie sie ihm dienen sollen, mit Hilfe ihrer Wissenschaft durch den Zorn hindurch in die Liebe Gottes dringen und den Teufel überwinden können. Tun sie es nicht, dann sind sie nicht besser als die, die es nicht wissen.

22.58. Wenn aber derjenige, der den Weg nicht weiß, durch den Zorn in die Liebe dringt, dann ist er dem gleich, der durch seine Wissenschaft hindurchgedrungen ist. Die aber im Zorn beharren und ihn in sich sogar anzünden, die sind einander auch alle gleich, seien es Christen, Juden, Türken oder Heiden.

22.59. Oder was meinst du, womit man Gott dienen kann? Willst du mit ihm heucheln und deine Geburt schmücken?

22.60. Ich meine ja, du bist ein schöner Engel. Wer Liebe in seinem Herzen hat und ein barmherziges und sanftmütiges Leben führt, gegen die Bosheit kämpft und durch den Zorn Gottes hindurch ins Licht dringt, der lebt mit Gott und ist ein Geist mit Gott.

22.61. Denn Gott bedarf keines anderen Dienstes, als daß sich sein Geschöpf, das in seinem Leib ist, nicht von ihm verrücke (abfalle oder abtrenne), sondern heilig (ganzheitlich) sei, wie er es ist.

22.62. Darum gab auch Gott den Juden das Gesetz, daß sie sich der sanften Heiligkeit und Liebe befleißigen sollten, damit die ganze Welt an ihnen einen Spiegel hätte. Als sie aber in überheblichen Stolz gerieten, sich mehr ihrer Geburt als der Liebe rühmten und aus dem Gesetz der Liebe eine Schärfe des Zorns machten, da stieß ihnen Gott den Leuchter weg und zog zu den Heiden.

22.63. Zum anderen ist das der Unterschied zwischen den Christen, Juden, Türken und Heiden, daß die Christen den Baum des Lebens kennen, der Christus ist, der Fürst unseres Himmels und dieser Welt, der in allen Geburten als ein König in Gott seinem Vater regiert, und die Menschen sind seine Glieder.

22.64. So wissen die Christen, wie sie mit der Kraft dieses Baumes aus ihrem Tod durch seinen Tod zu ihm in sein Leben eindringen und mit ihm herrschen und leben können, so daß sie dann in ihrem Durchdringen mit ihrer neuen Geburt aus diesem toten Leib auch bei ihm im Himmel sind.

22.65. Und wenn dann auch der tote Leib mitten in der Hölle bei allen Teufeln wäre, dennoch herrscht der neue Mensch mit Gott im Himmel, und der Baum des Lebens ist ihnen eine starke Pforte, durch die sie ins Leben eingehen. Doch dies wirst du an passender Stelle noch ausführlicher finden.

22.66. Nun erkenne: Moses schreibt, Gott habe gesprochen: »Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da leuchten auf der Erde. Sie unterscheiden Tag und Nacht und machen Jahr und Zeit usw. (1.Mose 1.14)«

22.67. Diese Beschreibung macht deutlich, daß der erste Schreiber nicht gewußt hat, was die Sterne sind, obwohl er doch des wahren Gottes fähig gewesen ist. Denn er hat die Gottheit beim Herzen genommen und auf das Herz gesehen, was das Herz und der Kern dieser Schöpfung sei, und der Geist hat ihm die siderische und äußerliche tote Geburt verborgen gehalten, und hat ihn allein auf den Glauben an das Herz der Gottheit getrieben.

22.68. Welches auch das Hauptstück ist, das dem Menschen am nötigsten ist. Denn wenn er den richtigen Glauben ergreift, dann dringt er durch den Zorn Gottes und den Tod ins Leben und herrscht mit Gott.

22.69. Weil aber die Menschen jetzt am Ende dieser Zeit sehr nach der Wurzel des Baumes lüstern, kündigt die Natur damit an, daß die Zeit der Entblößung des Baumes bevorsteht, als wöllte ihnen der Geist diese zeigen und sich die Gottheit ganz offenbaren. Das ist die Morgenröte und das Anbrechen des großen Tages Gottes, an dem wiederbracht werden und aufgehen soll, was aus dem Tod zur Wiedergeburt des Lebens geboren ist.

22.70. Siehe, als Gott sprach »Es werde Licht!«, da war das Licht in den Kräften der Natur oder sieben Geistern Gottes aufgegangen, und die Feste des Himmels, die im Wort im Herzen des Wassers steht, wurde zwischen die siderische und äußerliche Geburt mit dem Wort und Herzen des Wassers geschlossen. Und so wurde die siderische Geburt der Ort des Scheideziels, welche halb im Himmel und halb im Zorn steht.

22.71. Denn aus diesem halben Teil des Zorns gebiert sich nun immer die tote Geburt, und aus der anderen Hälfte, die mit ihrem innersten Grad bis in das innerste Herz und Licht Gottes reicht, gebiert sich nun immer durch den Tod das Leben. Und doch ist die siderische Geburt nicht zweifach (getrennt), sondern ein Leib.

22.72. Als aber nach zwei Tagen die Schöpfung des Himmels und der Erde verrichtet war und der Himmel im Herzen des Wassers zur Entscheidung zwischen dem Licht Gottes und dem Zorn Gottes geschaffen war, dann gingen am dritten Tag durch den Schreck des Feuerblitzes (der im Herzen des Wassers aufging und durch den Tod drang, dem Tod unbegreiflich) wieder allerlei Bildungen auf, wie es auch vor der Zeit des angezündeten Zorns geschehen war.

22.73. Weil aber das Wasser, das der Geist des siderischen (natürlich-körperlichen) Lebens ist, mit im Zorn und damit auch im Tod stand, bildete sich auch ein jeder Leib so, wie die Geburt zum Leben und zur Beweglichkeit war.

Von der Erde

22.74. Die Erde war nun der Salpeter, der aus der innersten Geburt ausgestoßen war und im Tod stand. Als aber der Feuerblitz durch das Wort im Wasser aufging, da war es ein Schreck, und dadurch entstand im Tod die Beweglichkeit, und diese Beweglichkeit in allen sieben Geistern ist nun die siderische Geburt.

22.75. Verstehe diese Tiefe richtig: Als sich am dritten Tag der Feuerblitz im Wasser des Todes angezündet hat, da ist durch den toten Leib des Wassers und der Erde das Leben hindurchgedrungen.

22.76. Nun aber begreift das tote Wasser und die Erde nicht mehr als den Blitz oder Schreck des Feuers, dadurch ihre Beweglichkeit entsteht. Denn das (göttliche) Licht, das im Feuerblitz ganz sanft aufgeht, das kann weder von der Erde noch vom toten Wasser ergriffen werden.

22.77. Es behält aber seinen Sitz im Kern, der das Fett, das Wasser des Lebens oder der Himmel ist, denn es ist der Leib des Lebens, das der Tod nicht ergreifen kann und doch im Tod aufgeht. So kann es auch der Zorn nicht ergreifen, sondern der Zorn bleibt im Schreck des Feuerblitzes und bewirkt die Beweglichkeit im toten Leib der Erde und des Wassers.

22.78. Das Licht aber dringt ganz sanft danach und formiert (bzw. „informiert“) die Geburt, die durch den Schreck des Feuerblitzes ihren zusammenverkörperten Leib bekommen hat.

Die Gewächse der Erde

22.79. Wenn nun der zornige Feuerblitz die Geister der Natur, die in der Erde im Tod stehen, mit seinem grimmigen Schreck aufweckt und beweglich macht, dann beginnen die Geister, sich nach ihrem eigentümlichen göttlichen Recht zu gebären, wie sie es seit Ewigkeit getan haben, und bilden entsprechend den innerlichen Qualitäten dieses Ortes einen Leib zusammen.

22.80. Was für ein Salpeter in der Zeit der Anzündung des Zorns im Tod abgestorben war und wie er in dieser Zeit im inneren Leben der sieben Geister Gottes qualifizierend gewesen war, so ist er auch in der Zeit der Wiedergeburt im Feuerblitz wieder aufgegangen. Und so ist nichts Neues geworden als nur eine andere Gestaltung des Leibes, der in der Begreiflichkeit im Tod steht.

22.81. Aber nun vermag sich der Salpeter der Erde und des Wassers in seinem toten Wesen nicht mehr zu verändern und sich unendlich (und grenzenlos) zu zeigen, wie er es im himmlischen Wohnsitz tat. Doch wenn die Quellgeister den Leib formen, dann geht er in der Kraft des Lichtes auf.

22.82. Und das Leben des Lichtes bricht durch den Tod hindurch und gebiert sich einen anderen Leib aus dem Tod, der dem Wasser und der toten Erde nicht ähnlich ist und auch ihren Geschmack und Geruch nicht bekommt, sondern die Kraft des Lichtes dringt hindurch und temperiert sich (ausgleichend) mit der Kraft der Erde. Sie nimmt dem Tod seinen Stachel und dem Zorn seine giftige Gewalt und dringt inmitten des Leibes im Gewächs wie ein Herz mit hervor.

22.83. Und hierin steckt der Kern der Gottheit im Zentrum ihres Himmels, der im Wasser des Lebens verborgen steht. Wenn du nun kannst, dann greife zu!

Von den Metallen in der Erde

22.84. Mit den Metallen hat es die gleiche Substanz und Geburt wie mit den Gewächsen über der Erde. Denn das Metall oder Erz stand zur Zeit der Anzündung des Zorns im innerlich bestehenden Rad des siebenten Naturgeistes im Gewirke der Liebe, die sich hinter dem Feuerblitz das sanfte Wohltun gebiert. Darin steht der heilige Himmel, der sich in dieser Geburt, wenn die Liebe vorherrschend wird, in so holdseliger Klarheit und schönen Farben zeigt, gleich dem Gold, Silber und edelsten Steinen.

22.85. Aber das Silber und Gold in der toten Begreiflichkeit ist nur ein finsterer Stein im Vergleich zur Wurzel der himmlischen Gebärung. Ich setze es nur darum hierher, damit du weißt, woher es seinen Ursprung hat.

22.86. Doch weil es das schönste Aufsteigen und Gebären in der heiligen und himmlischen Natur gewesen ist, deshalb lieben es die Menschen auch in dieser Welt vor allen anderen Dingen. Denn die Natur hat es dem Menschen wohl in sein Herz geschrieben, daß es besser sei als andere Steine und Erde. Sie konnte ihm aber (bis jetzt) den Grund nicht offenbaren, woher es entstanden oder gekommen sei, daran du nun die Morgenröte des Tages erkennen kannst.

22.87. Der Erze gibt es aber viele und mancherlei, je nachdem, wie der Salpeter im Naturhimmel in seinem Aufsteigen im Licht der Liebe vorherrschend gewesen war. Denn ein jeder Quellgeist in der himmlischen Natur hat die Art und Eigenschaft aller Quellgeister an sich, denn er wird immer von den anderen infiziert, dadurch das Leben und die unerforschliche Geburt Gottes entsteht. Aber entsprechend seiner jeweiligen Kraft ist er bestimmend, und das ist sein eigener Körper, von dem er seinen Namen hat.

22.88. So hat nun ein jeder Quellgeist die Eigenschaft der ganzen (bzw. ganzheitlichen) Natur, und sein Gewirk wurde zur Zeit der Anzündung des Zorns Gottes mit in den Tod hineinverkörpert. Und so sind aus dem Gewirke eines jeden Geistes Erde, Steine, Erz und Wasser geworden.

22.89. Darum findest du auch entsprechend der Qualität all dieser Geister in der Erde Erz, Steine, Wasser und Erde. Und darum hat die Erde so vielfältige und mancherlei Qualität, alles je nachdem, wie ein jeder Quellgeist durch seine innerliche Geburt zur Zeit der Anzündung vorherrschend gewesen war.

22.90. Die Natur hat aber dem Menschen zumindest soviel offenbart, daß er weiß, wie er von der Ausgeburt eines jeden fremdinfizierten Quellgeistes die fremde Materie abschmelzen kann, damit dieser Quellgeist in seinem eigenen Hauptwesen vorherrschend bleibt.

22.91. Daran hast du am Gold und Silber ein Beispiel. Denn du kannst dieses nicht rein machen, damit es reines Silber und Gold sei, bevor es siebenmal im Feuer geschmolzen wurde. Wenn das geschieht, dann bleibt es im mittleren Wohnsitz im Herzen der Natur, der das Wasser ist, in seiner eigenen Qualität und Farbe bestehen.

22.92. Zuerst muß ihm die herbe Qualität, die den Salpeter (der „Kristallisation“) im harten Tod gefangenhält, abgeschmolzen werden, und das ist der grobe steinige Abraum. Danach der herbe Tod vom Wasser, davon ein giftiges Scheidewasser entsteht, das im Aufgang des Feuerblitzes im Tod steht. Das ist ein böser, ja der allerböseste Quell im Tod, der herbe und bittere Tod selber, denn das ist die Stelle, wo das Leben, das im süßen Wasser entsteht, im Tod abgestorben ist. Das scheidet sich nun in der zweiten Schmelzung ab.

22.93. Zum Dritten wird der Bittere, der in der Anzündung des Wassers im Feuerblitz entsteht, abgeschmolzen, denn dieser ist ein Wütender, Tobender und Zerbrechender, und es kann weder Silber noch Gold bestehen, solange dieser noch nicht getötet ist. Denn er macht alles spröde und zeigt sich in mancherlei Farben, weil er durch alle Geister reitet und aller Geister Farben annimmt.

22.94. Zum Vierten muß auch der Feuergeist, der in der grausamen Angst und im Wehtun des Lebens steht, abgeschmolzen werden, denn er ist ein stetiger Vater des Zorns, und aus ihm gebiert sich die höllische Qual.

22.95. Wenn nun der Zorn dieser vier Geister getötet wurde, dann bleibt der Erz-Salpeter im Wasser eine zähe Materie und sieht dem Geist ähnlich, der in diesem Erz vorherrschend ist. Denn das Licht, das im Feuer steht, färbt ihn nach seiner eigenen Qualität, sei es Silber oder Gold.

22.96. So sieht nun die Materie in der vierten Abschmelzung dem Silber oder Gold ähnlich. Es ist aber noch nicht beständig und noch nicht zäh und rein genug. Der Leib besteht wohl darin, aber noch nicht der Geist.

22.97. Wenn es nun zum fünften Mal geschmolzen wird, dann steigt der Liebegeist im Wasser durch das Licht auf und macht den toten Leib wieder lebendig, so daß die Materie, die von den ersten vier Abschmelzungen geblieben ist, wieder die Kraft bekommt, die das Eigentum des Quellgeistes gewesen war, der in diesem Erz vorherrschend ist.

22.98. Wenn es nun zum sechsten Mal geschmolzen wird, dann wird es noch etwas härter (und beständiger). Darin bewegt sich dann das Leben, das in der Liebe aufgegangen ist und regt sich, und von diesem Regen entsteht der Ton in der Härtigkeit und das Erz bekommt einen hellen Klang, denn die harte, pochende und bitter-feurige Materie ist weg.

22.99. In dieser sechsten Schmelzung, so denke ich, besteht die größte Gefahr bei den Alchimisten in ihrem Silber- und Goldmachen. Denn hier gehört ein recht subtiles Feuer dazu, weil die Materie schnell verbrannt und taub werden kann, oder auch viel zu blind durch ein zu kaltes Feuer. Deshalb muß es ein ausgeglichenes Feuer sein, damit der Geist im Herzen nicht zu sehr erregt wird, sondern fein sanft walle. Dann bekommt sie einen feinen süßen und sanften Klang, und freut sich immer, als sollte sie sich wieder im Licht Gottes anzünden.

22.100. Wenn aber das Feuer in der fünften und sechsten Schmelzung zu hitzig ist, dann wird das neue Leben, das sich in der Liebe im Aufgang der Kraft des Lichtes aus dem Wasser geboren hat, wieder in der Grimmigkeit im Zornfeuer angezündet, und aus dem Erz wird ein verbrannter Schaum und Abraum, und der Alchimist hat nur Dreck anstatt Gold.

22.101. Wenn es schließlich zum siebenten Mal geschmolzen wird, dann gehört noch ein subtileres Feuer dazu, denn daselbst steigt das Leben auf, freut sich in der Liebe und will sich unendlich zeigen, wie vor der Zeit des Zorns im Himmel.

22.102. Und in dieser Bewegung wird es wieder fett und geil, nimmt zu und breitet sich aus und gebiert sich die höchste Tiefe aus dem Herzen des Geistes ganz freudenreich, gleich als wollte es einen englischen Triumph beginnen und sich in göttlicher Kraft und Form unendlich erzeigen, ganz nach der Gottheit Recht. Dadurch bekommt der Leib seine größte Stärke und Kraft, und der Leib färbt sich mit dem höchsten Grad und bekommt seine wahre Schönheit und Tugend.

22.103. Und wenn es dann abgekühlt wird, dann hat es seine wahre Kraft und Farbe, und es mangelt an nichts, als nur daran, daß sich der Geist mit seinem Leib nicht in das Licht erheben kann, sondern es muß ein toter Stein bleiben. Auch wenn er wohl viel kräftiger als andere Steine ist, so bleibt der Leib doch gleichsam im Tod.

22.104. Und das ist nun der irdische Gott der blinden Menschen, den sie lieben und verehren. Und den lebendigen Gott, der im Zentrum verborgen steht, lassen sie immer in seinem Wohnsitz sitzen. Denn das tote Fleisch begreift auch nur einen toten Gott und sehnt sich auch nur nach einem solchen toten Gott. Aber es ist ein Gott, der schon manche Menschen in die Hölle gestürzt hat.

22.105. Du solltest mich allerdings für keinen Alchimisten halten, denn ich schreibe allein in der Erkenntnis des Geistes und nicht durch Erfahrung. Obwohl ich zwar hier noch etwas mehr erklären könnte, in wieviel Tagen und in welchen Stunden solche Dinge präpariert werden müssen. Denn das Gold kann man nicht an einem Tag machen, sondern es gehört ein ganzer Mond (Monat) dazu.

22.106. Es ist aber nicht mein Vorhaben, mich daran zu versuchen, zumal ich nicht weiß, wie man mit dem Feuer umgeht. Dazu kenne ich auch die Farben der Quellgeister in der äußerlichen Geburt nicht, welches schon zwei große Mängel sind. Aber ich kenne sie nach einem anderen Menschen, der nicht in der Begreiflichkeit steht.

22.107. Bei der Beschreibung der Sonne wirst du etwas mehr und Tieferes davon finden. Doch meine Meinung ist allein dahin gerichtet, die ganzheitliche Gottheit zu beschreiben, soviel mir in meiner Schwachheit begreiflich ist, nämlich wie diese in Liebe und Zorn sei und sich jetzt in dieser Welt gebiert. Und zu den köstlichen Steinen wirst du bei der Beschreibung der sieben Planeten noch mehr finden.


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