Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

19. Kapitel - Die Bedeutung von Himmel und Erde

Vom erschaffenen Himmel und der Gestaltung der Erde und des Wassers, sowie vom Licht und der Finsternis.

Vom Himmel

19.1. Der wahre Himmel, der unser menschlicher eigener (und ursprünglicher) Himmel ist, wo die Seele hinfährt, wenn sie vom Leib scheidet (und wo unser König Jesus Christus eingegangen ist und von wo er von seinem Vater gekommen und geboren wurde und ein Mensch im Leib der Jungfrau Maria wurde) ist bis heute den Kindern der Menschen weitestgehend verborgen geblieben und es gab vielfältige Meinungen darüber.

19.2. Auch die Gelehrten haben sich mit vielen seltsamen Schriften darüber gestritten und sind einander mit Schmähen und Schänden in die Haare gefallen, dadurch dann der heilige Name Gottes geschändet, seine Glieder verwundet, sein Tempel zerstört und der heilige Himmel mit diesem Lästern und Anfeinden entheiligt wurde.

19.3. Es haben ja die Menschen überall gemeint, der Himmel sei viele hundert oder tausend Meilen von diesem Erdenboden entfernt und Gott wohne allein in diesem Himmel. Es haben sich sogar etliche Naturwissenschaftler unterstanden, diese Höhe zu messen, und gar seltsame Dinge hervorbracht.

19.4. Ich habe es zwar auch selbst vor dieser meiner Erkenntnis und Offenbarung Gottes für wahr gehalten, daß das allein der wahre Himmel sei, der sich mit einem runden Kreis ganz lichtblau hoch über den Sternen schließt, und war der Meinung, Gott habe allein darin sein besonderes Wesen und regiere nur mit der Kraft seines Heiligen Geistes in dieser Welt.

19.5. Doch als mir dies manchen harten Stoß gegeben hatte, ohne Zweifel von dem Geist, der da Lust an mir hatte, bin ich schließlich in eine hartnäckige Melancholie und Traurigkeit gefallen, als ich die große Tiefe dieser Welt anschaute, dazu die Sonne und die Sterne, sowie die Wolken, den Regen und den Schnee, und betrachtete in meinem Geist die ganze Schöpfung dieser Welt.

19.6. Darin fand ich dann in allen Dingen Böses und Gutes, Liebe und Zorn, sowohl in den unvernünftigen Kreaturen, in Holz, Steinen, Erden und Elementen, wie auch in den Menschen und Tieren.

19.7. Dazu betrachtete ich das kleine Fünklein des Menschen, wie sehr er doch gegen dieses große Werk des Himmels und der Erde vor Gott geachtet sein möchte.

19.8. Weil ich aber befand, daß in allen Dingen Böses und Gutes war, in den Elementen sowie in den Kreaturen, und daß es in dieser Welt dem Gottlosen nicht schlechter erging als den Frommen, auch daß die barbarischen Völker die besten Länder innehätten, und daß ihnen das Glück wohl noch mehr beistünde als den Frommen,

19.9. wurde ich deswegen ganz melancholisch und hoch betrübt, und keine Schrift konnte mich noch trösten, auch wenn sie mir wohlbekannt war. Dabei der Teufel gewiß nicht ruhte, der mir dann oft heidnische Gedanken einbleute, die ich hier lieber verschweigen will.

19.10. Als sich aber in solcher Trübsal meinen Geist (den ich wenig und nicht verstand, was er war) ernsthaft in Gott wie mit einem großen Sturm erhob, und sich mein ganzes Herz und Gemüt samt allen anderen Gedanken und Willen alles dahinein schloß, um ohne Nachlassen mit der Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu ringen, da segnete er mich dann, das heißt, er erleuchtete mich mit seinem Heiligen Geist, damit ich seinen Willen verstehen und meine Traurigkeit loswerden konnte. So brach der (sehende) Geist hindurch.

19.11. Als ich aber in meinem angesetzten Eifer so hart zu Gott und gegen alle Pforten der Hölle stürmte, als wären von meinen Kräften noch mehr vorhanden, um das Leben daran zu setzen (welches freilich nicht mein Vermögen ohne den Beistand des Geistes Gottes gewesen wäre), da brach nach etlichen harten Stürmen mein Geist durch die Pforten der Hölle hindurch bis in die innerste Geburt der Gottheit und wurde dort von Liebe umfangen, wie ein Bräutigam seine liebe Braut umfängt.

19.12. Was das für ein Triumphieren im Geist gewesen war, kann ich nicht beschreiben oder aussprechen. Es läßt sich auch mit nichts vergleichen, als nur mit dem, wenn mitten im Tod das Leben geboren wird. Und so gleicht es der Auferstehung von den Toten.

19.13. In diesem Licht hat mein Geist bald durch alles hindurchgesehen und an allen Kreaturen, sogar an Kraut und Gras, Gott erkannt, wer und wie Er sei und was Sein Wille ist. Und so war auch bald in diesem Licht mein Wille gewachsen, mit großem Antrieb das Wesen Gottes zu beschreiben.

19.14. Weil ich aber nicht gleich die tiefsten Geburten Gottes in ihrem Wesen erfassen und mit meinem Verstand begreifen konnte, so hat es sich wohl zwölf Jahr hingezogen, bevor mir die wahre Vernunft gegeben wurde. So ging es mir wie einem jungen Baum, den man in die Erde pflanzt, der zuerst jung und zart ist und ein freundliches Ansehen hat, besonders, wenn er gut im Wachstum steht. Aber er trägt nicht sogleich Früchte, und wenn er auch blüht, so fallen sie doch wieder ab. Es geht auch manch kalter Wind, Frost und Schnee noch über ihn, bevor er erwachsen ist und Früchte trägt.

19.15. So ist es auch diesem Geist ergangen: Das erste Feuer war nur ein Samen, aber nicht ein immer beharrliches Licht. Seit dieser Zeit ist manch kalter Wind darüber gegangen, aber der Wille ist nie verloschen.

19.16. Es hat sich dieser Baum auch oft versucht, ob er Früchte tragen könne und sich im Blühen gezeigt, aber die Blüte ist vom Baum abgeschlagen worden, bis heute, da er nun im Gewächs seiner ersten Frucht steht.

19.17. Von diesem Licht habe ich nun meine Erkenntnis sowie meinen Willen und Antrieb, und will diese Erkenntnis nach meinen Gaben beschreiben und es Gott walten lassen. Sollte ich hiermit auch die Welt, den Teufel und alle Pforten der Hölle erzürnen, so will ich zusehen, was Gott damit meint. Denn um seinen Vorsatz zu erkennen, bin ich viel zu schwach. Auch wenn der (sehende) Geist etliche zukünftige Dinge im Licht zu erkennen gibt, so bin ich doch dem äußerlichen Menschen nach viel zu schwach, solches zu begreifen.

19.18. Der Seelengeist, der mit Gott inqualiert, der begreift es wohl, aber der tierische Leib bekommt nur einen (kurzen) Blick davon, gleich als wenn es wetterleuchtet. Denn so stellt (bzw. zeigt) sich die innerliche Geburt der Seele, wenn sie durch die äußerliche Geburt in Erhebung des Heiligen Geistes durch die Pforten der Hölle reist. Aber die äußerliche Geburt schließt sich bald wieder zu, und der Zorn Gottes verriegelt sie fest und hält sie in seiner Macht gefangen.

19.19. Sogleich geht die Erkenntnis des äußerlichen Menschen dahin und verhält sich in seiner trübseligen und ängstlichen Geburt wie ein schwangeres Weib, der die Wehen kommen, und die immer gern gebären wollte, aber noch nicht kann und sich immerfort ängstigt.

19.20. So geht es auch dem tierischen Leib: Wenn er einmal die Süßigkeit Gottes geschmeckt hat, dann hungert und dürstet ihn immerfort danach, aber der Teufel wehrt sich trefflich in der Kraft des göttlichen Zorns. Und so muß ein Mensch in solchem Lauf immer nur in ängstlicher Geburt stehen, und in seinen Geburten ist nichts als ein Kämpfen und Fechten.

19.21. Dieses habe ich mir nicht zum Lob geschrieben, sondern dem Leser zum Trost, falls er vielleicht Lust hat, auf meinem schmalen Steg mit mir zu wandern, daß er daran nicht gleich verzweifle, wenn ihm die Pforten der Hölle und des göttlichen Zorns begegnen und vor die Augen treten.

19.22. Wenn wir miteinander über diesen schmalen Steg der fleischlichen Geburt auf jene grüne Wiese kommen werden, wo der Zorn Gottes nicht hinreicht, dann wollen wir uns an diesem erlittenen Schaden wohl erfreuen, auch wenn wir jetzt der Welt Narren sein müssen und den Teufel in der Kraft des Zorns Gottes über uns herrauschen lassen müssen. Es schadet nicht, und in jenem Leben wird es uns schöner anstehen, als hätten wir in diesem Leben eine königliche Krone getragen. Denn es ist nur noch eine kurze Zeit dahin, die es eigentlich nicht wert ist, eine Zeit genannt zu werden.

19.23. Nun erkenne: Wenn du deine Gedanken über den Himmel faßt, was oder wo er sei, dann mußt du deine Gedanken nicht viele tausend Meilen in die Ferne schwingen, denn dieses Himmelreich ist nicht dein Himmel. Und wenn es auch mit deinem Himmel verbunden ist wie ein Leib, denn es ist auch nur ein Leib Gottes, so bist du doch nicht in diesem Reich, das über viele hunderttausend Meilen (entfernt) zur Kreatur geworden ist, sondern im Himmel dieser Welt, der auch eine solche Tiefe in sich hat, daß es keine menschliche Zahl mehr ist.

19.24. Denn der wahre Himmel ist überall, auch an dem Ort, wo du stehst und gehst. Wenn dein Geist die innerste Geburt Gottes ergreift und durch die siderische und fleischliche hindurchdringt, dann ist er schon im Himmel.

19.25. Daß es wahrhaftig ist, daß ein reiner und schöner Himmel in allen drei Geburten über der Tiefe dieser Welt sei, in welchem Gottes Wesen mitsamt den heiligen Engeln ganz lauter, schön und freudenreich aufgeht, das ist unleugbar. Und der wäre nicht aus Gott geboren, der solches verneinte.

19.26. Du sollst aber wissen, daß das Reich dieser Welt mit seiner innersten Geburt mit dem Himmel über uns inqualiert und sie ein Herz, ein Wesen, ein Wille, ein Gott und Alles in Allem sind. Daß aber das Reich dieser Welt nicht „Himmel“ genannt wird und daß ein Abschluß (bzw. eine Trennwand) zwischen dem oberen Himmel über uns sei, das versteht man so:

19.27. Der obere Himmel umfaßt die zwei Königreiche Michaels und Uriels mit allen heiligen Engeln, die nicht mit Luzifer gefallen sind. Und dieser Himmel ist geblieben, wie er seit Ewigkeit gewesen war, bevor die Engel erschaffen worden sind.

19.28. Der andere Himmel ist diese Welt, in dem Luzifer ein König war, der die äußerliche Geburt in der Natur angezündet hat. Und das ist nun der Zorn Gottes, und kann nicht mehr „Gott“ oder „Himmel“ genannt werden, sondern „Verderbnis“.

19.29. Darum grenzt sich der obere Himmel in seiner äußerlichen Geburt so weit ab, soweit der Zorn Gottes reicht und soweit das Regiment Luzifers gereicht hat, denn die verdorbene Geburt kann die reine nicht ergreifen.

19.30. Das heißt, die äußerliche Geburt dieser Welt kann die äußerliche Geburt des Himmels über dieser Welt nicht ergreifen, denn sie stehen gegeneinander wie der Tod und das Leben oder wie ein Stein und ein Mensch.

19.31. Darum ist ein fester Abschluß zwischen der äußerlichen Geburt des oberen Himmels und dieser Welt. Denn die Feste (bzw. Festung) zwischen ihnen ist der Tod, der an allen Enden in der äußerlichen Geburt in dieser Welt herrscht, und damit ist diese Welt verriegelt, so daß die äußerliche Geburt des oberen Himmels nicht in die äußerliche Geburt dieser Welt kann, denn es ist eine große Kluft zwischen ihnen.

19.32. Und darum können wir die Engel in unserer äußerlichen Geburt nicht sehen, und die Engel können auch nicht in der äußerlichen Geburt dieser Welt bei uns wohnen. Aber in der innerlichen wohnen sie bei uns. Und wenn wir gegen den Teufel kämpfen, dann halten sie seine Schläge in der innerlichen Geburt auf und sind der Schutz der heiligen Seele. Darum können wir die Engel nicht sehen oder begreifen, denn die äußerliche Geburt ihrer Körper ist der äußerlichen Geburt dieser Welt unbegreiflich.

19.33. Die zweite Geburt dieser Welt steht im Leben, denn es ist die siderische (körperlich-natürliche) Geburt, in der Liebe und Zorn miteinander streiten und aus der die dritte und heilige Geburt geboren wird. Denn die zweite Geburt steht in den sieben Quellgeistern dieser Welt und ist an allen Enden und in allen Kreaturen sowie auch im Menschen so. Doch gegenwärtig herrscht auch der Heilige Geist in der zweiten Geburt und hilft, die dritte heilige Geburt zu gebären.

19.34. Die dritte Geburt ist der klare und heilige Himmel, der mit dem Herzen Gottes außer und über allen Himmeln inqualiert wie ein Herz, und es ist auch ein Herz, das als ein allmächtiger und unbegreiflicher Gott das Reich dieser Welt hält und trägt und den Teufel in der äußerlichen Geburt im Zornfeuer gefangenhält.

19.35. Und aus diesem Herzen ist Jesus Christus, Gottes Sohn, im Leib der Jungfrau Maria durch alle drei Geburten gegangen und hat diese wahrhaftig angenommen, damit er durch und mit seiner innerlichen Geburt als ein König und Siegesfürst den Teufel, den Tod und die Hölle in der äußerlichen Geburt gefangennehme und den Zorn Gottes überwinde und in der Kraft seiner fleischlichen Geburt durch alle Menschen hervordringe.

19.36. Und durch solches Eingehen der innersten Geburt des himmlischen Herzens dieser Welt in die siderische und äußerliche Geburt ist Jesus Christus, Gottes und Marias Sohn, ein Herr und König dieses unseres Himmels und der Erde geworden, der in allen drei Geburten über Sünde, Teufel, Tod und Hölle herrscht. Und mit Ihm dringen wir durch des Fleisches sündhafte, verdorbene und äußerlich tote Geburt, durch den Tod und Zorn Gottes, in unseren Himmel.

19.37. In diesem Himmel sitzt nun unser König Jesus Christus zur Rechten Gottes und umfaßt alle drei Geburten als ein mächtiger Sohn des Vaters, der durch und in allen drei Geburten in dieser Welt in allen Räumen und Orten gegenwärtig ist. Als der neugeborene Sohn des Vaters umfaßt, hält und trägt er alles in der Gewalt und auf dem Sitz des großmächtig gewesenen und nunmehr verstoßenen, verfluchten und verdammten Königs Luzifer, des Teufels.

19.38. Darum, oh Menschenkind, sei nicht so furchtsam und verzagt! Wenn du in deinem Eifer und Ernst deinen Tränen-Samen säst, dann säst du ihn nicht in die Erde, sondern in den Himmel, denn in deiner siderischen Geburt säst du, in der seelischen erntest du, und im Himmelreich besitzt und genießt du es.

19.39. Solange du in dieser streitvollen Geburt lebst, mußt du dich drücken und den Teufel auf dir reiten lassen. Aber so hart er dich schlägt, so hart schlägst du ihn wieder, wenn du dich wehrst. Denn wenn du gegen ihn kämpfst, dann schürst du ihm sein Zornfeuer auf und zerstörst ihm sein Nest, das dann wie ein großer Aufruhr ist, als führtest du eine gewaltige Schlacht gegen ihn.

19.40. Und wenn deinem Leib auch manches Leid geschieht, so geschieht es ihm doch viel übler, wenn er überwunden ist. Dann brüllt er wie ein Löwe, dem seine Jungen geraubt wurden, denn der Grimm und Zorn Gottes quält ihn. Wenn du ihn aber zur Herberge hereinläßt, dann wird er fett und geil und überwindet dich mit der Zeit.

19.41. So hast du eine wahrhaftige Beschreibung des Himmels. Und wenn du es auch mit deinem Verstand nicht gleich so fassen kannst, wie ich es wohl fassen kann, dann denke nur vernünftig darüber nach, was Gott sei:

19.42. Du siehst in dieser Welt nichts als die Tiefe und darin die Sterne und die Geburt der Elemente. Willst du nun sagen, daß Gott dort nicht ist? Lieber, was ist dann an diesem Ort vor der Zeit der Welt gewesen? Willst du sagen „Nichts!“, dann redest du ohne Vernunft. Du mußt ja sagen, daß Gott dort überall gewesen ist, sonst wäre dort nichts geworden.

19.43. Ist nun Gott dort gewesen, wer hat ihn dann weggestoßen oder überwunden, so daß er nicht mehr da ist? Ist aber Gott da, so ist er ja in seinem Himmel und dazu in seiner Dreifaltigkeit.

19.44. Der Teufel hat das Zornbad angezündet, und davon sind Erde, Steine und Elemente so beweglich und auch so kalt, bitter und hitzig geworden, und er hat die äußerliche Geburt ermordet.

19.45. Das soll nun behandelt werden, und das ist mein ganzes Vorhaben im Schreiben, wie diese Geburt wieder lebendig geworden ist und wie sie sich wieder gebäre. Und dadurch entstand in den Kreaturen auch das tierische Fleisch, aber die Sünde im Fleisch ist der Zorn Gottes.

19.46. Zum anderen steht die Frage, von der dieses Buch handelt, wo dann der Zorn Gottes hingehen werde. Dazu gibt der (sehende) Geist Antwort, daß am Ende der Zeit dieser verdorbenen Geburt nach Auferstehung der Toten dieses Reich oder dieser Raum, wo jetzt die Erde steht, dem Teufel zum Eigentum und Zornhaus eingeräumt werden wird, aber nicht durch alle drei Geburten, sondern nur durch die äußerlichste, in der er jetzt steht. Denn die innerste wird ihn in ihrer Macht gefangenhalten und zum Fußschemel gebrauchen, so daß er sie ewig weder begreifen noch berühren kann.

19.47. Darunter sollte man nicht verstehen, daß das Zornfeuer ausgelöscht werde und nicht mehr sein wird, denn dann müßten die Teufel auch wieder heilige Engel werden und im heiligen Himmel leben. Wenn aber nicht, dann muß ihnen ein Loch in dieser Welt zur Herberge werden.

19.48. Ach, wenn nur die Augen des Menschen geöffnet würden, dann sähe er überall Gott in seinem Himmel, denn der Himmel steht in der innersten Geburt. Denn als Stephanus den Himmel offen sah und den Herrn Jesus zur Rechten Gottes (Apg. 7.55), da hatte sich sein Geist nicht erst in den oberen Himmel geschwungen, sondern er war in die innerste Geburt durchgedrungen, wo an allen Enden der Himmel ist.

19.49. Deshalb solltest du nicht denken, daß die Gottheit etwa ein Wesen ist, das nur im oberen Himmel sei, und daß unsere Seele, wenn sie vom Leib scheidet, in den oberen Himmel viele hundert Meilen auffahre. Das ist gar nicht nötig, sondern sie wird in die innerliche Geburt gesetzt. Dort ist sie bei Gott und in Gott und bei allen heiligen Engeln, und kann bald droben sein und auch bald drunten, denn sie wird von nichts zurückgehalten.

19.50. Denn in der innerlichen Geburt ist die obere und untere Gottheit ein Leib, eine offene Pforte. So spazieren die heiligen Engel sowohl in der innerlichen Geburt dieser Welt mit unserem König Jesus Christus wie auch im Oberen in ihrem Revier.

19.51. Und wo wollte die Seele des Menschen dann lieber sein, als bei ihrem König und Erlöser Jesus Christus? Denn in Gott sind Weite und Nähe eins, eine Begreiflichkeit, und überall ist Vater, Sohn und Heiliger Geist.

19.52. Die Pforte der Gottheit ist im oberen Himmel nicht anders und auch nicht heller als in dieser Welt. Doch wo könnte größere Freude sein als an dem Ort, wo alle Stunden schöne und liebe neugeborene Kinder und Engel zu Christus kommen, die durch den Tod ins Leben gedrungen sind? Sie werden ohne Zweifel von vielen Kämpfen zu berichten wissen. Und wo könnte größere Freude sein, als dort, wo mitten im Tod ohne Unterlaß immerfort das Leben geboren wird?

19.53. Dann bringt doch eine jede Seele einen neuen Triumph mit sich, und es ist nichts als nur ein freundliches Segnen und Willkommen. Bedenke, wenn die Seelen der Kinder zu den Eltern kommen, die sie in ihrem Leibe geboren haben, ob da nicht der Himmel sein könnte? Oder meinst du, ich schreibe zu irdisch? Könntest du an dieses Fenster kommen, dann würdest du nicht mehr sagen, es sei irdisch. Auch wenn ich eine irdische Zunge gebrauchen muß, so steht doch wahre himmlische Vernunft dahinter, die ich in meiner äußerlichen Geburt weder beschreiben noch aussprechen kann.

19.54. Ich weiß wohl, daß das Wort von den drei Geburten nicht in jedem Herzen begriffen werden kann, besonders, wenn das Herz zuviel im Fleisch versunken und von der äußerlichen Geburt verriegelt ist. Ich kann es aber nicht anders wiedergeben, denn es ist so. Und wenn ich auch lauter Geist schreibe, wie es in Wahrheit nicht anders ist, so versteht das Herz doch nur Fleisch, wie ich sehe.

Von der Gestaltung der Erde

19.55. Es haben zwar viele Autoren geschrieben, der Himmel und die Erde seien aus Nichts geschaffen, aber ich wundere mich sehr, daß unter so trefflichen Männern nicht einer gefunden wurde, der auch den wahren Grund beschreiben konnte, zumal doch dieser Gott, der jetzt ist, schon seit Ewigkeit gewesen ist.

19.56. Wo nun nichts ist, da wird auch nichts. Alles Dingliche muß eine Wurzel haben, sonst wächst nichts. Wären nicht die sieben Geister der Natur seit Ewigkeit gewesen, dann wäre kein Engel, kein Himmel und auch keine Erde geworden.

19.57. Die Erde aber ist aus dem verdorbenen Salpeter der äußerlichen Geburt geworden, das kannst du nicht leugnen. Denn wenn du die Erde und Steine ansiehst, dann mußt du ja sagen, daß der Tod darin ist. Hingegen mußt du auch sagen, daß ein Leben darin ist, sonst wüchsen darin weder Gold noch Silber, auch weder Kraut noch Gras.

19.58. Nun könnte einer fragen: „Sind denn auch alle drei Geburten darin?“ Ja, das Leben dringt durch den Tod. Die äußerliche Geburt ist der Tod, die zweite ist das Leben, das im Zornfeuer und in der Liebe steht, und die dritte ist das heilige Leben.

19.59. Unterricht: Die äußerliche Erde ist ein bitterer Gestank und ist tot, das versteht auch jeder Mensch. So wurde auch der Salpeter durch den Zorn ermordet, denn du kannst es nicht leugnen, daß Gottes Zorn in der Erde sei, sonst wäre sie nicht so herb, bitter, sauer und giftig, und gebäre auch nicht solche giftigen und bösartigen Würmer. Wenn du aber sagen wolltest, Gott habe sie aus seinem Vorsatz (mit Vorherbestimmung) so geschaffen, dann würdest du sagen, daß Gott selbst die Bosheit sei.

19.60. Lieber, sage mir doch, warum ist dann der Teufel verstoßen worden? Du wirst natürlich sagen, wegen seines überheblichen Stolzes, weil er über Gott sein wollte. Nun rate, Fritz, womit? Was hat er für Gewalt gehabt? Hier sprich, wenn du etwas weißt! Weißt du nichts, dann schweige und höre:

19.61. Vor den Zeiten der Schöpfung saß er im Salpeter der Erde, als dieser noch dünn und in himmlischer heiliger Geburt stand, und war im ganzen Königreich dieser Welt. Dort war es nicht Erde oder Stein, sondern ein himmlischer Samen, der aus den sieben Quellgeistern der Natur geboren wurde. Denn darin gingen die himmlischen Früchte und Formen auf, welches eine Lustspeise der Engel war.

19.62. Als aber der Zorn darin (im Salpeter) entbrannte, da wurde es im Tod ermordet. Aber das ist nicht so zu verstehen, daß sie (die Geburt) darum ganz tot sei. Denn wie kann in Gott etwas ganz sterben, das sein Leben seit Ewigkeit gehabt hat? Sondern die äußerliche Geburt ist verbrannt, erfroren, ersoffen und erstarrt.

19.63. Die zweite Geburt aber gebiert in der äußerlichen wieder das Leben, und die dritte wird zwischen der ersten und zweiten geboren, das heißt, zwischen Himmel und Hölle mitten im Zornfeuer, und der Geist dringt im Zornfeuer hindurch und gebiert das heilige Leben, das in der Kraft der Liebe steht.

19.64. Und in dieser Geburt werden die Toten auferstehen, die da einen heiligen Samen gesät haben. Die aber im Zornfeuer gesät haben, die werden im Zornfeuer auferstehen. Denn die Erde wird wieder lebendig werden, zumal sie die Gottheit in Christus durch sein Fleisch wieder neugeboren und zur Rechten Gottes erhöht hat. Aber das Zornfeuer bleibt in seiner Geburt.

19.65. Wenn du aber sagen wolltest, es sei kein Leben in der Erde, dann redest du blind. Du siehst ja, daß Kraut und Gras daraus wachsen. Und wenn du dann sagen wolltest, sie hätte nur einerlei Geburt (ihresgleichen), dann redest du auch blind, denn das Kraut und Holz, das daraus wächst, ist keine Erde. So ist auch die Frucht auf dem Baum kein Holz und die Kraft der Frucht kein Gott, sondern Gott ist im Zentrum der innersten Geburt in allen drei natürlichen Geburten verborgen und wird nicht erkannt, als nur im Geist des Menschen. Deshalb kann Ihn auch die äußerliche Geburt in der Frucht nicht fassen oder halten, sondern Er hält die äußerliche Geburt der Frucht und formiert sie.

19.66. Eine andere Frage ist: „Warum ist die Erde so bergig, steinig und uneben?“ Die Berge sind in der Zusammentreibung so geworden, denn der verdorbene Salpeter (der „Kristallisation“) war an einem Ort mehr gewesen als an anderen, je nachdem, wie das Rad Gottes mit seinen innerlichen Quellgeistern gewesen (und wirksam) war.

19.67. An den Orten, wo das süße Wasser im innerlichen Rad Gottes vorherrschend war, ist viel irdisch begreifbares Wasser geworden. Wo aber die herbe Qualität in der Bitterkeit im Mercurius vorherrschte, dort ist viel Erde mit Steinen geworden. Wo aber die Hitze im Licht vorherrschend war, dort entstanden viel Silber und Gold, sowie etliche schöne Steine im Blitz des Lichtes. Und wo die Liebe im Licht besonders vorherrschte, dort entstanden die edelsten Steine und das beste Gold.

19.68. Als sich aber der Klumpen der Erde zusammengedrückt hatte, da wurde das Wasser herausgequetscht. Wo es aber durch die herbe Qualität von harten Felsen eingezwängt worden war, dort ist es noch in der Erde und hat seit dieser Zeit etliche große Löcher zu seinem Gang aufgeweicht und geschaffen.

19.69. An den Orten, wo große Meere und Seen sind, dort ist das Wasser über demselben Pol vorherrschend gewesen, und weil es dort nicht viel Salpeter gab, war in der Erde gleichsam ein Tal entstanden, in dem das Wasser stehenblieb.

19.70. Denn das dünne Wasser sucht das Tal und ist wie eine Demut des Lebens, die sich nicht so erhebt, wie es die herbe, bittere und feurige Qualität in den Kreaturen der Teufel getan haben.

19.71. Darum sucht es immer die niedrigsten Stellen auf der Erde. Das bedeutet zurecht den Geist der Sanftmut, in dem das Leben geboren wird, wie du noch bei Erschaffung des Menschen lesen kannst und auch davor bei seiner Art.

Vom Tag und der Nacht

19.72. Die ganze Gottheit mit allen Kräften und Wirkungen, mitsamt ihrem innerlichen Wesen, sowie ihr Aufsteigen, Durchdringen und Verändern, das heißt, das ganze Gewirke oder die ganze Gebärung, kann alles im Geist des Wortes verstanden werden.

19.73. In welcher Proportion oder innerlichen Gebärung der Qualitäten der Geist das Wort faßt und formt und damit ausfährt, eben eine solche innerliche Geburt und ein solches Durchdringen, Aufsteigen, Ringen und Siegen hat es auch in der Natur.

19.74. Denn als der Mensch in Sünde fiel, da wurde er aus der innersten Geburt in die anderen zwei gesetzt. Die umfingen ihn bald und inqualierten mit ihm und in ihm, wie in ihrem Eigentum. Und so empfing der Mensch alsbald den Geist und alle Gebärung der siderischen (natürlich-körperlichen) und auch der äußerlichen Geburt.

19.75. Darum spricht er nun alle Wörter nach der innerlichen Gebärung der Natur aus, denn der Geist des Menschen, der in der siderischen Geburt steht und mit der ganzen Natur inqualiert (bzw. wechselwirkt) und gleichsam die ganze Natur selbst ist, der formt das Wort nach der innerlichen Geburt.

19.76. Wenn er etwas sieht, dann gibt er ihm den Namen nach seiner Qualifizierung. Soll er das tun, dann muß er sich auch in eine solche Gestalt formieren und sich mit seinem Schall so gebären, wie sich das Ding gebiert, das er benennen will. Und hierin steckt der Kern des ganzen Verstandes der Gottheit.

19.77. Nicht schreibe ich solches und gebe es ans Licht, damit mir gleich ein jeder nachkratzen und darin seines Geistes Gutdünken an den Tag geben und es zum Heiligtum ausrufen soll. Höre, lieber Geselle, es gehört etwas mehr dazu. Dein Seelengeist muß zuvor mit der innersten Geburt in Gott inqualieren und im Licht stehen, so daß er die siderische Geburt wahrhaft erkennt und eine freie Pforte in allen Geburten hat. Anders wirst du keine heilige (bzw. heilsame) und wahrhafte Philosophie schreiben, sondern Läuse und Flöhe, und wirst als ein Spötter Gottes befunden.

19.78. Ich lasse mich schon wohl bedünken (und ahne es), der Teufel werde sein überstolzes Rößlein hier mit manchem reiten, und so wird sich mancher auf die Bahn machen, bevor er gegürtet (und gerüstet) ist, aber daran will ich nicht schuldig sein. Denn was ich hier offenbare, das muß ich tun, denn es ist die Zeit der Durchbrechung gekommen. Wer jetzt schlafen will, den wird dann das Sturmwetter der Grimmigkeit aufwecken. Damit nun ein jeder auf seine Sache achte, will ich es treulich nach des Geistes Trieb und Willen angezeigt (und dargestellt) haben.

19.79. Erkenne: Der Autor Moses schreibt: »Gott habe das Licht von der Finsternis geschieden und das Licht „Tag“ und die Finsternis „Nacht“ genannt. Da sei aus Abend und Morgen der erste Tag geworden. (1.Mose 1.4)« Weil dieses Wort „Abend und Morgen“ ganz gegen die Philosophie und Vernunft läuft, so ist dafürzuhalten, daß Moses nicht der Autor dazu war. Sondern es wurde ihm von seinen Vorfahren überliefert, die alle sechs Tage der Schöpfung in einem Lauf gerechnet haben und auch die Schöpfung von Adam nur in einem dunklen (mystischen) Wort erklärten und auf die Nachkommen überlieferten.

19.80. Denn „Abend und Morgen“ konnten nicht vor der Zeit der Sonne und Sterne gewesen sein, die gewiß und wahrhaftig erst am vierten Tag erschaffen worden sind, welches ich dann aus gewissem Grund bei der Erschaffung der Sonne und Sterne noch beweisen will.

19.81. Aber „Tag und Nacht“ sind gewesen, und das will ich hier nach meiner Erkenntnis erklären. Du magst hier die Augen deines Geistes abermals weit aufsperren, wenn du es verstehen willst, wenn nicht, dann wirst du blind sein.

19.82. Weil nun dieses große Werk den Menschen bis heute verborgen blieb, so will es (Gott lob) einmal Tag werden, denn die Morgenröte bricht an, und der Durchbrecher der innerlichen Geburt zeigt sich mit seinem roten, grünen und weißen Fähnlein in der äußerlichen Geburt wie auf einem Regenbogen.

19.83. Nun fragst du: „Wie kann denn Tag und Nacht gewesen sein und nicht auch Morgen und Abend?“ Morgen und Abend sind allein über der Erde unter dem Mond (im Luftraum der Erde) und nehmen ihren Ursprung vom Licht der Sonne, die den Abend und den Morgen macht, wie auch den äußerlichen Tag und die äußerliche finstere Nacht. Das weiß ein jeder Mann. Es gab aber zu jener Zeit nicht zweierlei Schöpfung für den Abend und Morgen, sondern erst als Abend und Morgen begonnen hatten, sind sie in ihrem Lauf bis heute geblieben.

Vom Tag und seiner Bedeutung

19.84. Das Wort „Tag“ faßt sich im Herzen und fährt zum Mund durch die Straße der herben und bitteren Qualität heraus, aber weckt die herbe und bittere Qualität nicht auf, sondern geht stark durch ihr Reich hindurch, das am hinteren Gaumen über der Zunge ist, und kommt ganz sanft hervor, was der herben und bitteren Qualität unbegreiflich ist.

19.85. Wenn es aber auf die Zunge hervorkommt, dann schließt die Zunge mit dem Obergaumen den Mund zu. Wenn aber der Geist an die Zähne stößt und herauswill, dann schließt die Zunge den Mund auf, will vor dem Wort heraus und kommt gleich einem Freudensprung aus dem Mund hervor.

19.86. Wenn aber das Wort durchbricht, dann macht sich der Mund inwendig weit auf, und das Wort faßt sich mit seinem Schall hinter der herben und bitteren Qualität noch einmal, weckt diese wie einen faulen Schläfer in der Finsternis auf und fährt schnell zum Mund hinaus.

19.87. Danach zerrt die herbe Qualität daran, wie ein schläfriger Mensch vom Schlaf aufgeweckt wird. Aber der bittere Geist, der vom Feuerblitz ausgeht, bleibt liegen, hört nichts und bewegt sich auch nicht. Dies sind nun gar große Dinge (bzw. Symbole) und gar nicht so schlechte, wie der Bauer wohl vermeint.

19.88. Daß sich nun zuerst der Geist im Herzen faßt und durch alle Wachen unbemerkt bis auf die Zunge durchbricht, das bedeutet, daß das Licht aus dem Herzen Gottes durch die äußerliche, verdorbene, grimmige, tote, bittere und herbe Geburt in der Natur dieser Welt hervorgebrochen ist, dem Tod und dem Teufel samt dem Zorn Gottes unbegreiflich, wie auch im Evangelium von St. Johannes geschrieben steht: »Das Licht schien in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. (Joh. 1.5)«

19.89. Daß aber die Zunge mit dem oberen Gaumen den Mund zuschließt, wenn der Geist auf die Zunge kommt, das bedeutet, daß die sieben Quellgeister der Natur in dieser Welt zur Zeit der Schöpfung durch den Zorn Gottes nicht gestorben sind, sondern lebendig und wacker wurden. Denn die Zunge bedeutet das Leben der Natur, in dem die seelische oder heilige Geburt steht, denn sie ist ein Vorbild der Seele.

19.90. Daß aber der Geist die Zunge sogleich infiziert, wenn er auf sie kommt, so daß sie einen Freudensprung macht und noch vor dem Geist zum Mund herauswill, das bedeutet, daß die sieben Quellgeister der Natur (die „siderische Geburt“) als das Licht Gottes (der „Tag“) in ihnen aufgingen, alsbald göttliches Leben und Willen bekamen und sich hoch erfreuten, wie die Zunge im Mund.

19.91. Daß sich aber die vorderen Gaumen inwendig erweitern und dem Geist Raum nach seinem Gefallen geben, das bedeutet, daß sich die ganze siderische Geburt ganz freundlich dem Willen des Lichtes ergeben hatte und den Grimm in sich nicht aufweckte.

19.92. Daß sich aber der Geist, wenn er zum Mund herausfährt, erst noch einmal hinter der herben Qualität auf der Zunge im hinteren Gaumen faßt und die herbe Qualität wie einen Schläfer aufweckt und dann schnell zum Mund herausfährt, das bedeutet, daß der herbe Geist zwar in der ganzen Natur alles halten und bilden muß, aber immer erst, wenn es der Geist des Lichtes formiert (bzw. „informiert“) hat. Erst dann weckt er den herben Geist auf und gibt es ihm in die Hände, damit er es hält.

19.93. Und das muß wegen der äußerlichen Begreiflichkeit so sein, die im herben Grimm gehalten werden muß, sonst bestünde nichts im Körper, auch die zusammengedrückte Erde und die Steine bestünden dann nicht, sondern es würde wieder ein zerbrochener (bzw. zerstreuter), dicker und finsterer Salpeter, der in der ganzen Tiefe schwebt.

19.94. So bedeutet es auch, daß dieser Salpeter zuletzt, wenn der Geist sein Geschöpf und Werk in dieser Welt verrichtet haben wird, am Jüngsten Tag wieder aufgeweckt und lebendig werden soll.

19.95. Daß sich aber der Geist hinter und nicht in der herben Qualität faßt und diese aufweckt, das bedeutet, daß die herbe Natur das Licht Gottes nicht eigentümlich ergreifen kann, sondern sich im Gnadenlicht freuen und durch dieses aufgeweckt wird, um den Willen des Lichtes zu verrichten, wie der tierische Leib des Menschen den Willen des Geistes verrichtet, und es doch keine zwei Dinge sind.

19.96. Daß aber der bittere Geist stilliegt und des Geistes Werk nicht hört und begreift, das bedeutet, daß das bittere Zornfeuer, das im Feuerblitz zur Zeit der Geburt des Lichtes entsteht, vom Licht noch nicht aufgeweckt wird und es nicht ergreift, sondern es liegt in der äußerlichen Geburt gefangen und muß den Geist des Lichtes sein Werk in der Natur machen lassen, wie er will, und kann die Werke des Lichtes weder sehen noch hören oder begreifen.

19.97. Darum sollte kein Mensch denken, daß ihm der Teufel die Werke des Lichtes aus dem Herzen reißen kann, denn er kann sie weder sehen noch ergreifen. Wenn er auch in der äußersten Geburt im Fleisch wütet und tobt wie in seiner Räuberburg, so verzage nicht. Bringe nur nicht selber die Werke des Zorns in das Licht deines Herzens, dann wird deine Seele vor dem tauben, stummen und im Licht blinden Teufel wohl sicher sein.

19.98. Du solltest nicht meinen, daß ich hier wie im Wahn schreibe, ob es so sei oder nicht, sondern dem (sehenden) Geist stehen die Pforten des Himmels und der Hölle offen und er dringt im Licht durch beide und schaut sie und kann sie auch wohl beurteilen. Denn die siderische (natürlich-körperliche) Geburt lebt zwischen beiden und muß sich entsprechend quetschen lassen.

19.99. Und wenn mir auch der Teufel das Licht nicht nehmen kann, so verdeckt er es mir doch oft mit der äußerlichen und fleischlichen Geburt, so daß sich die siderische Geburt ängstigt, als wäre sie gefangen.

19.100. Das allein sind seine Schläge, damit das Senfkörnlein verdeckt werde. Davon sagt auch der heilige Apostel Paulus, es sei ihm ein großer Pfahl ins Fleisch gegeben (bzw. getrieben) worden, und er habe den Herrn angefleht, er wolle doch solches von ihm nehmen. Darauf ihm der Herr antwortete, er solle sich an seiner Gnade genügen lassen. (2.Kor. 12.7)

19.101. Denn er war auch bis an diesen Ort gekommen und hätte gern das Licht ohne Behinderung zum Eigentum in der siderischen Geburt gehabt. Aber das konnte nicht sein, denn der Zorn ruht (potentiell) in der fleischlichen Geburt und er mußte die Verwesung im Fleisch ertragen. Wenn aber der Grimm ganz von der siderischen Geburt genommen würde, dann wäre er in derselben Gott gleich und wüßte alle Dinge wie Gott selbst.

19.102. Welches jetzt allein die Seele weiß, die mit dem Licht Gottes inqualiert. Sie kann es aber nicht vollkommen zurück in die siderische Geburt bringen, denn sie ist eine andere Person. Gleichwie auch der Apfel auf dem Baum seinen Geruch und Geschmack nicht wieder zurück in den Baum oder in die Erde bringen kann, obwohl er des Baumes Sohn ist, und so ist es auch in der Natur.

19.103. Der heilige Mann Moses war so hoch und tief in diesem Licht, daß auch das Licht die siderische Geburt verklärte (und erleuchtete), dadurch die äußerliche Geburt des Fleisches in seinem Angesicht verklärt wurde und auch begehrte, Gottes Licht vollkommen in der siderischen Geburt zu sehen.

19.104. Aber das konnte nicht sein, denn es liegt der Zornriegel davor. So kann auch die ganze Natur der siderischen Geburt in dieser Welt das Licht Gottes nicht ergreifen, und darum ist das Herz Gottes verborgen, das doch an allen Enden wohnt und alles begreift.

19.105. So siehst du, daß der Tag schon vor der Zeit der Sonne und Sterne gewesen war. Denn als Gott sprach »Es werde Licht!«, da brach das Licht durch die Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen, sondern ist in ihrem Wohnsitz sitzengeblieben.

19.106. Auch siehst du damit, wie der Zorn Gottes in der äußerlichen Geburt der Natur (potentiell) verborgen liegt und ruht und nicht aufgeweckt werden kann, es sei denn, die Menschen selbst wecken ihn auf, die auch durch ihre fleischliche Geburt mit dem Zorn in der äußerlichen Geburt der Natur inqualieren.

19.107. Wenn nun jemand zur Hölle verdammt würde, so sollte er deshalb nicht sagen, Gott habe es getan oder er wolle dasselbe, sondern der Mensch selbst erweckt das Zornfeuer in sich, das danach, wenn es brennend wird, mit dem Zorn Gottes und dem höllischen Feuer inqualiert, als wären sie ein Wesen.

19.108. Wenn also dein Licht verloschen ist, dann stehst du in der Finsternis, und in der Finsternis ist der Zorn Gottes verborgen. Wenn du ihn aufweckst, dann brennt er in dir.

19.109. Sogar in einem Stein ist Feuer. Wenn man aber nicht draufschlägt, dann bleibt das Feuer verborgen. Wenn man aber darauf schlägt, dann springt das Feuer heraus. Ist nun etwas vorhanden, das des Feuers fähig ist, dann brennt es und wird ein großes Feuer. Und so geht es auch den Menschen, wenn er das ruhende Zornfeuer anzündet.

Von der Nacht und ihrer Bedeutung

19.110. Das Wort „Nacht“ faßt sich zuerst auf dem Herzen, und der Geist grunzt mit der herben Qualität, doch der herben Qualität nicht ganz begreiflich. Danach faßt es sich auf der Zunge. Weil es aber auf dem Herzen grunzt, so schließt die Zunge den Mund derweil zu, bis der Geist kommt und sich auf der Zunge faßt. Dann macht sie den Mund schnell auf und läßt den Geist heraus.

19.111. Daß sich das Wort zuerst auf dem Herzen faßt und mit der herben Qualität grunzt, das bedeutet, daß sich der Heilige Geist in der Finsternis über dem Herzen Gottes in der siderischen Geburt der sieben Quellgeister gefaßt habe. Daß er aber mit der herben Qualität grunzt, das bedeutet, daß die Finsternis ein Widerwille gegen den Heiligen Geist gewesen sei, an welcher der Geist ein Mißfallen getragen hat.

19.112. Daß er aber gleichwohl durch die finstere Straße geht, das bedeutet, daß der Geist auch durch die Finsternis geht, die noch in stiller Ruhe liegt, und sie zum Licht gebiert, wenn sie nur stillhält und das Feuer nicht anzündet.

19.113. Hier soll die richtende Welt, die den Menschen schon im Mutterleib verdammen will, wo er noch nicht weiß, ob das Zornfeuer in der Frucht von den Eltern ganz angezündet ist oder nicht, auf einfache Weise sehen, daß der Geist Gottes auch in der Finsternis wallt, die noch in der Ruhe steht, und die Finsternis wohl zum Licht gebären kann. Dazu ist auch des Menschen Geburtsstunde dem Menschen sehr zuträglich und manchem auch entsprechend schädlich, aber nicht zwingend.

19.114. Daß sich aber der Mund zutut, wenn sich der Geist über dem Herzen faßt und die herbe Qualität gegen und mit ihm grunzt, das bedeutet, daß das ganze Revier oder das ganze Reich dieser Welt in der siderischen und auch in der äußerlichen Geburt ganz finster gewesen war und (erst) vom starken Ausgang des Geistes licht wurde.

19.115. Daß sich aber der bittere Geist nicht aufweckt, wenn der Geist durch sein Reich geht, das bedeutet die finstere Nacht in der äußerlichen Geburt dieser Welt, die das Licht nie ergriffen hat und es auch in Ewigkeit nicht ergreifen wird.

19.116. Daher kommt es, daß die Kreaturen mit ihren Augen nur das siderische Licht sehen. Doch wenn die Finsternis nicht mehr in der äußerlichen Geburt wäre, dann könnte der siderische Geist durch Holz und Steine sehen, sowie durch die ganze Erde, und würde von nichts abgehalten, wie es im Himmel ist.

19.117. Aber nun ist die Finsternis vom Licht abgeschieden und bleibt in der äußerlichen Geburt. Darin ruht der Zorn Gottes bis zum Jüngsten Tag. Dann wird der Zorn angezündet werden, und die Finsternis wird das Haus der ewigen Verderbnis sein. Darin wird Herr Luzifer mit allen gottlosen Menschen, die im Zorn-Acker in die Finsternis gesät haben, seine ewige Wohnung haben.

19.118. Aber auch die siderische Geburt, in der jetzt noch das natürliche Licht steht und darin die heilige Geburt geboren wird, wird am Ende dieser Zeit angezündet werden. Dann werden sich der Zorn und die heilige Geburt voneinander scheiden (bzw. „entscheiden“), denn der Zorn wird die heilige Geburt nicht ergreifen.

19.119. Dann wird der Zorn in der siderischen Geburt dem Haus der Finsternis zu einem Leben gegeben werden, und der Zorn wird „höllisches Feuer“ heißen, und das Haus der Finsternis, das die äußerliche Geburt ist, wird „Tod“ heißen, und König Luzifer wird darin Gott sein und seine Engel mit allen verdammten Menschen werden ihm dienen.

19.120. In diesem Schlund wird dann allerlei höllische Frucht und Bildung aufgehen, alles nach höllischer Qualität und Art, gleichwie im Himmel himmlische Frucht und Bildung nach himmlischer Qualität und Art aufgeht.

19.121. So kannst du verstehen, was die Schöpfung des Himmels und der Erde bedeutet und ist und was Gott am ersten Tag gemacht hat, obwohl die ersten drei Tage nicht durch Abend und Morgen abgeteilt waren, sondern es wird eine Zeit von 24 Stunden gerechnet, wie es in der Höhe über den Mond eine Zeit und (immer) Tag ist.

19.122. Zum anderen wird auch darum mit einem menschlichen Tag gerechnet, weil ohne Zweifel der Erdboden sogleich seine Umdrehung begonnen und sich in dieser Zeit, als Gott das Licht von der Finsternis geschieden hatte, einmal umgedreht hat und damit seinen Lauf zum erstenmal verrichtete.


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