Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

20. Kapitel - Vom zweiten Schöpfungstag

Von der Bedeutung des zweiten Tages der Schöpfung.

20.1. Vom zweiten Tag steht geschrieben: »Und Gott sprach: Es werde eine Feste (bzw. Festungsmauer) zwischen den Wassern, und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste, und so geschah es. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da wurde aus Abend und Morgen der zweite Tag. (1.Mose 1.6)«

20.2. Diese Beschreibung zeigt abermals, daß nicht der teure Mann Moses der Autor dazu war, denn es ist ganz unverständig und einfältig geschrieben, obwohl es doch gar trefflichen Verstand hat.

20.3. Ohne Zweifel hat der Heilige Geist solches nicht (klarer) offenbaren wollen, damit der Teufel nicht alle Geheimnisse in der Schöpfung wüßte. Denn er selber, der Teufel, kennt nicht die Schöpfung des Lichtes, wie der Himmel aus dem Mittel des Wassers gemacht ist.

20.4. Denn er kann das Licht und die heilige Gebärung, die im Wasser des Himmels steht, weder sehen noch begreifen, sondern nur die Gebärung, die in der herben, bitteren, sauren und hitzigen Qualität steht, davon die äußerliche Geburt entstanden ist, und das ist sein königliches Schloß.

20.5. Das ist aber nicht so zu verstehen, daß er im elementischen Wasser keine Gewalt habe, dasselbe zu besitzen, denn die äußerliche verdorbene Geburt im elementischen Wasser gehört auch zum Zorn Gottes, und so ist auch der Tod darin, wie in der Erde.

20.6. Doch der Geist in Moses meint hier ein wesentlich anderes Wasser, das der Teufel weder verstehen noch begreifen kann. Wenn es aber eine solche lange Zeit erklärt gewesen wäre, dann hätte es der Teufel vom Menschen erlernt und hätte ohne Zweifel seine höllische Spreu auch dahinein gestreut.

20.7. Darum hat es der Heilige Geist bis auf die letzte Stunde vor dem Abend verborgen gehalten. Denn wenn seine tausend Jahre vollendet sind, dann soll er (der Teufel) auf eine kurze Zeit wieder losgelassen werden, wie in der Offenbarung zu lesen ist. (Offb. 20.3)

20.8. Weil er aber jetzt von den Ketten der Finsternis los ist, so läßt Gott überall in dieser Welt Lichter aufstecken, damit ihn die Menschen kennenlernen sollen, um sich vor ihm zu hüten.

20.9. Ob er wirklich los sei, das gebe ich einem jeden zu erkennen: Schau nur die Welt bei hellem Licht an, dann wirst du finden, daß jetzt alle vier neuen Söhne, die der Teufel geboren hat, als er aus dem Himmel gestoßen wurde, diese Welt regieren, nämlich überheblicher Stolz, (egoistischer) Geiz, (persönlicher) Neid und (unzufriedener) Zorn. Diese regieren jetzt die Welt und sind des Teufels Herz, seine seelischen Geister.

20.10. Darum schau die Welt nur achtsam an, dann wirst du herausfinden, daß sie gänzlich mit diesen vier neuen Söhnen des Teufels inqualiert. Darum sollte man sich nun vorzusehen, denn das ist die Zeit, von der alle Propheten geweissagt haben, und auch Christus sagt im Evangelium: »Meinst du, daß des Menschen Sohn Glauben finden wird, wenn er wiederkommt, um die Welt zu richten? (Luk. 18.8)«

20.11. Die Welt meint wohl, sie stehe jetzt in ihrer Blüte, weil sie das helle Licht über sich schweben hat, aber der (sehende) Geist zeigt mir, daß sie mitten in der Hölle steht. Denn sie verläßt die Liebe und hängt am Geiz, Wucher und Schinderei. Es ist keine Barmherzigkeit in ihr.

20.12. Ein jeder schreit: „Hätte ich nur Geld!“ Der Gewaltige saugt dem Niederen das Mark aus den Knochen und nimmt ihm seinen Schweiß mit Gewalt.

20.13. In Summe: Es ist nur ein Lügen, Betrügen, Morden und Rauben, und das heißt zurecht des Teufels Nest oder Wohnhaus.

20.14. Das heilige Licht ist jetzt nur noch eine Historie und Wissenschaft. Der Geist will darin nicht arbeiten, und sie vermeinen, das sei der (wahre) Glaube, den sie mit dem Mund bekennen.

20.15. Oh du blinde und törichte Welt, voll des Teufels! Es ist kein (wahrer) Glaube, wenn du weißt, daß Christus für dich gestorben ist und sein Blut für dich vergossen hat, damit du selig werden sollst. Es ist nur eine Historie und Wissenschaft. Auch der Teufel weiß das wohl, aber es hilft ihm nichts. So geht es auch dir, törichte Welt, du läßt es bei der Wissenschaft bleiben, und darum wird dich deine Wissenschaft richten.

20.16. Willst du aber wissen, was der wahre Glaube sei, dann erkenne: Dein Herz darf nicht mit den vier Söhnen des Teufels inqualieren, nämlich mit Stolz, Geiz, Neid und Zorn durch Wucher, Schinden, Schaben, Lügen, Betrügen und Morden, um vor Geiz dem Nächsten den Bissen aus dem Hals zu reißen und Tag und Nacht nur auf List zu sinnen, wie du dem überheblichen Stolz-Geiz-Neid- und Zornteufel wohl hofieren (bzw. dienen) und genugtun kannst, um dich in weltlichen Gelüsten zu üben.

20.17. So spricht der Geist in seinem Eifer des Zorns Gottes in dieser Welt: „Solange dein Geist und Wille mit den vier Lastern des Teufels inqualiert, bist du nicht ein Geist mit Gott. Und wenn du mir auch alle Stunden deine Lippen bötest und deine Knie vor mir beugtest, so mag ich doch deine Arbeit nicht. Ist doch dein Odem ohnedies immer vor mir. Was soll mir dann der Weihrauch im grimmigen Zorn? Meinst du, ich wolle den Teufel in mich lassen oder wollte die Hölle in den Himmel erheben?“

20.18. „Kehre um und kämpfe gegen die Bosheit des Teufels, und neige dein Herz zum Herrn, deinem Gott, und wandle in seinem Willen! Wird sich dein Herz zu mir neigen, dann will ich mich auch zu dir neigen. Oder meinst du, ich bin falsch wie du?“

20.19. So sage ich nun: Wenn dein Herz in deiner Wissenschaft nicht mit Gott aus einem wahren Vorsatz der Liebe inqualiert, dann bist du ein Heuchler, Lügner und Mörder vor Gott. Denn Gott erhört das Gebet von keinem, dessen Herz nicht ganz in Gehorsam auf Gott gerichtet ist.

20.20. Willst du gegen den Zorn Gottes kämpfen, dann mußt du den Helm des Gehorsams und der Liebe aufsetzen, sonst brichst du nicht hindurch. Brichst du aber nicht hindurch, dann ist dein Kampf umsonst, und du bleibst ein Diener des Teufels, das eine wie das andere Mal.

20.21. Was hilft dir deine Wissenschaft, wenn du darin nicht kämpfen willst? Nichts! Es ist, als würde einer von einem großen Schatz wissen, aber nicht danach suchen, obwohl er weiß, wie er ihn bekommen kann, sondern in seiner Wissenschaft an Hunger stürbe.

20.22. Dazu sagt der (sehende) Geist: Viele Heiden, die deine Wissenschaft nicht haben und aber gegen den Grimm kämpfen, werden das Himmelreich vor dir besitzen. Wer will sie richten, wenn ihr Herz mit Gott inqualiert, auch wenn sie ihn nicht kennen, aber doch mit seinem Geist in Gerechtigkeit und Reinheit ihres Herzens in wahrer Liebe miteinander arbeiten? Sie bezeugen ja, daß das Gesetz Gottes in ihrem Herzen ist. (Röm. 2.15)

20.23. Weil du es aber weißt und nicht tust, jene aber nicht wissen und es doch tun, so richten sie mit ihrem Tun deine Wissenschaft und du wirst als ein Heuchler befunden, ein unnützer Knecht, der im Weinberg des Herrn angestellt wurde, aber nicht darin arbeiten will.

20.24. Was meinst du wohl, was der Hausvater sagen wird, wenn er sein überantwortetes Pfund von dir fordert, das du in die Erde vergraben hast? Wird er nicht sagen: „Du dummer Knecht, warum hast du mein Pfund nicht auf Zins ausgeliehen? Dann hätte ich das Meine mit Gewinn gefordert.“

20.25. Und es wird von dir sogar das Leiden Christi genommen und den Heiden gegeben werden, welche nur ein Pfund hatten, aber dem Hausvater fünf gewährten. Und du wirst mit den Hunden heulen müssen.

20.26. Nun erkenne: Wenn man recht betrachten will, wie Gott das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste geschieden habe, dann finden sich hier gar große Dinge. Denn das Wasser, das auf der Erde ruht, ist ja ein verdorbenes und tödliches Wesen wie die Erde und gehört auch zur äußerlichen Geburt, die mit ihrer Begreiflichkeit im Tod steht, gleichwie die Erde und die Steine.

20.27. Damit meine ich nicht, daß es ganz von Gott verstoßen sei, denn das Herz darin gehört immer noch zur siderischen Geburt, aus der die heilige Geburt geboren wird.

20.28. Es steht aber der Tod in der äußerlichen Geburt, und darum wurde das begreifliche Wasser vom unbegreiflichen geschieden.

20.29. Nun fragst du vielleicht: „Wie geschieht das?“ Siehe, das Wasser in der Tiefe (im Luftraum) über der Erde, das mit dem Element Luft und Feuer inqualiert, das ist das Wasser der siderischen Geburt, darin das siderische Leben steht und darin vornehmlich der Heilige Geist wallt, dadurch auch die dritte und innerste Geburt geboren wird, die dem Zorn Gottes darin unbegreiflich ist. Entsprechend erscheint auch dieses Wasser vor unseren Augen gleich der Luft.

20.30. Daß aber wirklich Wasser, Luft und Feuer in der Tiefe über der Erde ineinander sind, das kann ein jeder vernünftige Mensch sehen und verstehen.

20.31. Denn du siehst oft die ganze Tiefe gar hell und lauter, aber eine Viertelstunde später mit Wasserwolken bedeckt.

20.32. Das geschieht, wenn die Sterne von oben und das Wasser auf der Erde von unten die Tiefe anzünden. Dann gebiert sich alsbald Wasser, was wohl nicht geschehen würde, wenn nicht auch der Zorn in der siderischen Geburt stünde.

20.33. Weil hier aber alles verdorben ist, so muß im Zorn Gottes das obere Wasser der herben, bitteren und hitzigen Qualität der Erde zu Hilfe kommen und ihr Feuer löschen und sie besänftigen, damit das Leben immer noch geboren werden kann, wie auch die heilige Geburt zwischen dem Tod und dem Zorn Gottes.

20.34. Daß aber auch das Element Feuer in der Tiefe in Luft und Wasser regiert und besteht, siehst du ja am Wetterleuchten. So siehst du auch, wie das Licht der Sonne das Element Feuer auf der Erde mit ihrem Anstoß anzündet, da es doch manchmal in der Höhe bis zum Kreis des Mondes sehr kalt ist (und dann wieder wärmer wird).

20.35. Nun hat aber Gott das begreifliche Wasser vom unbegreiflichen geschieden, und hat das begreifliche auf die Erde gestellt und das unbegreifliche ist in der Tiefe (des Raums) in seinem eigenen Sitz geblieben, wie es von Ewigkeit gewesen ist. (Aus moderner Sicht könnte man hier auch symbolisch an den gasförmigen Wasserstoff denken, aus dem die Sterne usw. entstanden sind.)

20.36. Weil aber auch der Zorn in diesem Wasser in der Tiefe über der Erde ist, so gebiert sich durch die Anzündung der Sterne und des Wassers im Zorn stets solches begreifliche Wasser, das mit seiner äußerlichen Geburt im Tod steht.

20.37. Und weil es durch die innerliche Geburt mit der siderischen inqualiert, kommt es dem Salpeter der verdorbenen Erde zu Hilfe und löscht seinen Zorn, damit in der siderischen Geburt alles im Leben steht und die Erde durch den Tod das Leben gebiert.

Die Pforte des Geheimnisses

20.38. Daß aber eine Feste zwischen den Wassern sei, die da „Himmel“ heiße, kann man so verstehen:

20.39. Die ganze Tiefe vom Mond bis zur Erde steht mit ihrer Wirkung überall in der zornigen und begreiflichen Geburt, denn der Mond ist eine Göttin der begreiflichen Geburt. Entsprechend ist auch das Haus des Teufels, des Todes und der Hölle in diesem Revier und Kreis zwischen Mond und Erde.

20.40. Wo dann der grimmige Zorn Gottes in der äußerlichen Geburt von den Teufeln und allen gottlosen Menschen durch die großen Sünden der Menschen täglich angezündet und aufgeblasen (bzw. angeschürt) wird, welche noch mit der siderischen Geburt in der Tiefe inqualieren.

20.41. Nun hat Gott die Feste, welche Himmel heißt, zwischen der äußerlichen und innerlichen Geburt gemacht, und die ist eine Unterscheidung zwischen der äußerlichen und innerlichen Geburt.

20.42. Denn die äußerliche Geburt des Wassers kann die innerliche Geburt des Wassers nicht begreifen, welche „Himmel“ heißt, der aus dem Mittel des Wassers gemacht ist.

20.43. Nun aber stößt die innerliche Geburt des Himmels auf der Erde hart an und hält das äußerliche Wasser auf der Erde mitsamt der Erde hart gefangen.

20.44. Wenn das nicht wäre, dann würde sich das Wasser mit der Umdrehung des Erdbodens wieder zerteilen, und dann würde auch die Erde zerbrechen und sich in die Tiefe zerstreuen.

20.45. So aber hält nun diese Feste zwischen dem äußerlich begreifbaren Wasser und dem innerlichen die Erde und das begreifbare Wasser gefangen.

20.46. Hier könntest du fragen: „Was ist denn das für eine Feste des Himmels, die ich weder sehen noch verstehen kann?“ Es ist die Feste zwischen der klaren Gottheit und der verdorbenen Natur, durch welche du durchbrechen mußt, wenn du zu Gott willst. Und das ist eben die Feste, die nicht ganz im Zorn steht und doch auch nicht ganz rein ist, davon geschrieben steht: »Es sind auch die Himmel nicht rein vor Gott. (Hiob 15.15)« Doch am Jüngsten Tag wird der Zorn davongefegt werden.

20.47. Denn es steht geschrieben: »Himmel und Erde vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. (Matth. 24.35, Mark. 13.31)«

20.48. Das Unreine in diesem Himmel ist der Zorn, das Reine aber ist das Wort Gottes, welches er einmal gesprochen hat: »Es scheide sich das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste.« Dieses Wort steht nun da, ist in die Feste des Wassers gefaßt und hält das äußerliche Wasser gefangen.

Die Pforte der Gottheit

20.49. Hier erkenne nun das verborgene Geheimnis Gottes: Wenn du die Tiefe über der Erde ansiehst, dann solltest du nicht sagen, hier sei keine Pforte Gottes, wo Gott in seiner Heiligkeit wohnt. Nein, nein, so denke nicht, sondern die ganze Heilige Dreifaltigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist wohnt hier im Zentrum unter der Feste des Himmels, und diese Feste kann Ihn nicht begreifen.

20.50. Es ist wohl alles ein Körper, die äußerliche Geburt und auch die innerste mitsamt der Feste des Himmels sowie auch die siderische Geburt darin, in welcher der Zorn Gottes mit qualifiziert, aber es erscheint gegeneinander wie das Regiment im Menschen.

20.51. Das Fleisch bedeute die äußerliche Geburt, die das Haus des Todes ist. Die zweite Geburt im Menschen ist die siderische, in der das Leben steht und wo Liebe und Zorn miteinander streiten.

20.52. Und soweit kennt sich der Mensch selbst, denn die siderische Geburt gebiert in der äußerlichen, das heißt, im toten Fleisch, das Leben.

20.53. Die dritte Geburt wird zwischen der siderischen und äußerlichen geboren, und diese heißt die „seelische Geburt“ oder die „Seele“ und ist so groß wie der ganze Mensch. Aber diese Geburt kennt und begreift der äußerliche Mensch nicht, auch begreift es der siderische nicht, sondern ein jeder Quellgeist begreift nur seine innerliche Wurzel, die den Himmel bedeutet.

20.54. Und dieser seelische Mensch muß durch die Feste des Himmels zu Gott dringen und mit Gott leben, anders kann der ganze Mensch nicht in den Himmel zu Gott kommen.

20.55. Denn ein jeder Mensch, der da selig werden will, muß mit seinen inneren Geburten wie die ganze Gottheit mit allen drei Geburten in dieser Welt sein.

20.56. Doch dieser Mensch kann nicht ganz rein ohne Zorn und Sünde sein, denn die Geburten in der Tiefe dieser Welt sind auch nicht ganz rein vor dem Herzen Gottes (Hiob 15.15), sondern es ringen immer Liebe und Zorn miteinander, davon sich Gott einen zornigen und eifrigen Gott nennt (2.Mose 20.5, 5.Mose 5.9).

20.57. Wie nun der Mensch in seinem Geburt-Regiment ist, so ist auch der ganze Leib Gottes dieser Welt. Im Wasser aber steht das sanfte Leben. Denn zuerst ist im äußerlichen Leib Gottes dieser Welt der erstarrte, herbe, bittere und hitzige Tod, in welchem auch das begreifliche Wasser erstarrt und tot ist.

20.58. Und darin ist nun die Finsternis, in der König Luzifer mit seinen Engeln, sowie alle fleischlichen und gottlosen Menschen auch noch mit lebendigem Leib gefangenliegen, wie auch die abgeschiedenen Geister der verdammten Menschen.

20.59. Diese (äußerlich erstarrte) Geburt kann das Herz Gottes weder sehen, hören, fühlen, riechen noch begreifen, und ist eine Närrin, die König Luzifer mit seinem überheblichen Stolz so zugerichtet hat.

20.60. Die zweite Geburt ist die siderische, darunter du das Leben der sieben Quellgeister verstehen solltest. Darin stehen nun Liebe und Zorn gegeneinander und darin steht auch das obere (himmlische) Wasser, das ein Geist des Lebens ist, und darin oder dazwischen ist die Feste des Himmels, die aus dem Mittel (bzw. Wesen) des Wassers gemacht ist.

20.61. Diese Geburt dringt nun durch die äußerliche erstarrte und den Tod hindurch und gebiert das siderische Leben im Tod, das heißt, in der erstarrten Erde, im erstarrten Wasser und erstarrten Fleisch der Tiere und Menschen, wie auch der Vögel, Fische und Würmer.

20.62. Und bis zur Hälfte in diese Geburt, soweit der Zorn greift, kann der Teufel reichen, und tiefer nicht. Soweit ist seine Wohnung, aber tiefer nicht. Darum kann der Teufel nicht wissen, welche Wurzel der andere Teil in dieser Geburt hat.

20.63. Und bis hierher ist der Mensch in seiner Erkenntnis von der Welt her nach seinem Fall gekommen. Die andere Wurzel, welche „Himmel“ heißt, hat der Geist dem Menschen bis heute verborgen gehalten, damit sie der Teufel vom Menschen nicht erlernte und er dem Menschen vor seinen Augen Gift hinein streute.

20.64. Dieser andere Teil der siderischen Geburt, der in der Liebe im süßen Wasser steht, ist nun die Feste des Himmels, die den angezündeten Zorn mitsamt allen Teufeln gefangenhält, denn dahinein können sie nicht. In diesem Himmel wohnt der Heilige Geist, der aus dem Herzen Gottes ausgeht, gegen die Grimmigkeit kämpft und sich einen Tempel mitten in der Grimmigkeit des Zorns Gottes gebiert.

20.65. Und in diesem Himmel wohnt der Mensch, der Gott fürchtet, sogar noch mit lebendigem Leib, denn dieser Himmel ist im Menschen sowie in der Tiefe über der Erde. Und wie die Tiefe über der Erde ist, so ist auch der Mensch in beidem, in Liebe und Zorn, bis zur Entscheidung der Seele. Denn wenn die Seele vom Leib scheidet, dann bleibt sie allein im Himmel der Liebe oder im Himmel des Zorns.

20.66. Welchen Teil sie hier im Abscheiden (bzw. Entscheiden) begriffen hat, das ist nun ihr ewig unauflösliches Wohnhaus, und sie kann ewig nicht daraus entkommen, denn es ist eine Kluft zwischen ihnen, wie Christus zum reichen Mann sagte. (Luk. 16.26: »Außerdem liegt zwischen uns und euch ein so tiefer Abgrund, daß niemand von uns zu euch hinüberkommen kann, selbst wenn er es wollte, und auch von euch kann niemand zu uns herüberkommen.«)

20.67. Und in diesem Himmel wohnen die heiligen Engel mit uns, und im anderen Teil die Teufel. Doch in diesem Himmel (dieser Erdenwelt) lebt der Mensch zwischen Himmel und Hölle, und muß vom Grimm manchen harten Stoß, Versuchung und Verfolgung erleiden und sich oft martern und quetschen lassen.

20.68. Der Zorn heißt das „Kreuz“, und der Liebe-Himmel heißt die „Geduld“, und der darin aufgehende Geist heißt die „Hoffnung“ und der „Glaube“, der mit Gott inqualiert und mit dem Zorn ringt, bis er siegt und überwindet. (1.Joh. 5.4)

20.69. Und darin steckt die ganze christliche Lehre. Wer anders lehrt, der weiß nicht, was er lehrt, denn seine Lehre hat keinen Fuß oder Grund, und sein Herz zappelt immer und jammert und weiß nicht, was es tun soll.

20.70. Denn sein Geist sucht immer die Ruhe und findet sie nicht. Dann wird er ungeduldig und sucht immer etwas Neues, und wenn er es findet, dann kitzelt er sich damit, als hätte er einen neuen Schatz gefunden. So ist doch keine Beständigkeit in ihm, sondern er sucht stets Abstinenz (und flieht vor dem Ungeliebten).

20.71. Ihr Theologen, hier öffnet euch der Geist Tür und Tor. Wollt ihr nun nicht sehen und eure Schäflein auf grüner Weide weiden, sondern auf dürrer Heide, so sollt ihr das vor dem ernsten und zornigen Gericht Gottes verantworten. Dann werdet ihr schon sehen!

20.72. Ich nehme den Himmel zum Zeugen, daß ich hier verrichte, was ich tun muß. Denn der Geist treibt mich dazu, so daß ich auch gänzlich in ihm gefangen bin und mich seiner nicht erwehren kann, was mir auch immer danach begegnen sollte.

Die heilige Pforte

20.73. Die dritte Geburt im Leib Gottes dieser Welt ist unter (bzw. hinter) der Feste des Himmels verborgen, und die Feste des Himmels inqualiert mit dieser (Geburt bzw. Welt), aber doch nicht ganz leiblich, sondern kreatürlich wie die Engel und die Seele des Menschen.

20.74. Und diese dritte Geburt ist das allmächtige und heilige Herz Gottes. Darin sitzt unser König Jesus Christus mit seinem natürlichen Leib zur Rechten Gottes als ein König und Herr des ganzen Leibes oder Reich dieser Welt, der mit seinem Herzen alles umfaßt und hält.

20.75. Und diese Feste des Himmels ist sein Thron, und die Quellgeister seines natürlichen Leibes herrschen im ganzen Leib dieser Welt, und alles ist mit ihnen verbunden, was in der siderischen Geburt im Teil der Liebe steht, während der andere Teil dieser Welt mit dem Teufel verbunden ist.

20.76. Du mußt nicht denken, wie Johannes Calvin gedacht hat, daß der Leib Christi kein allmächtiges Wesen sei und nicht weiter als das Reich in ihm begreife.

20.77. Nein, oh Menschenkind, du irrst und verstehst die göttliche Kraft nicht recht. Begreift doch ein jeder Mensch in seinen siderischen Quellgeistern das ganze Reich oder den Leib dieser Welt, und das Reich begreift den Menschen. Das ist wie ein ganzer Leib, nur mit unterschiedlichen Gliedern.

20.78. Wie könnten denn die Quellgeister im natürlichen Leib Christi nicht mit den Quellgeistern der Natur inqualieren? Ist doch sein Leib auch aus den Quellgeistern der Natur, und sein Herz ist seelisch aus der dritten Geburt, welches das Herz Gottes ist, das den Himmel aller Engel und aller Himmel, ja den ganzen Vater begreift.

20.79. Ihr Calvinisten, hier laßt ab von eurer Meinung, denn ihr irrt. Martert euch nicht mit dem begreiflichen Wesen, denn Gott ist ein Geist (Joh. 4.24), und in der Begreiflichkeit steht der Tod.

20.80. Der Leib Christi ist nicht mehr in der harten Begreiflichkeit, sondern in der göttlichen Begreiflichkeit der Natur, gleich den Engeln.

20.81. Denn unsere Leiber werden auch in der Auferstehung nicht in solchem harten Fleisch und Gebein (bzw. Knochen) bestehen, sondern sie sind den Engeln gleich. Wenn auch alle Formen und Kräfte darin sein werden, sowie alle Geschicklichkeit (bis auf die Fortpflanzungsorgane, die dann in einer anderen Form bestehen, und auch die Eingeweide der Gedärme), so werden wir doch keine harte Begreiflichkeit haben.

20.82. Denn Christus sagte zu Maria Magdalena im Garten Josephs am Grab nach seiner Auferstehung: »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Gott und zu eurem Gott. (Joh. 20.17)« Als wollte er sagen: „Ich habe nun nicht mehr den tierischen Leib, auch wenn ich mich dir noch in meiner alten Gestalt zeige, denn sonst könntest du mich in deinem tierischen Leib nicht sehen.“

20.83. So wandelte er auch die 40 Tage nach seiner Auferstehung nicht immer sichtbar unter den Jüngern, sondern unsichtbar nach seiner himmlischen und englischen Eigenschaft. Und wenn er mit den Jüngern reden wollte, dann zeigte er sich in begreifbarer Gestalt, damit er natürliche Worte mit ihnen reden konnte, denn die Verderbnis kann die göttliche Gestaltung nicht begreifen.

20.84. Und auch das war ein deutliches Zeichen, daß sein Leib englische Art hat, indem er zu seinen Jüngern durch die verschlossene Tür gegangen war. (Joh. 20.19)

20.85. So sollst du nun wissen, daß sein Leib mit allen sieben Geistern in der Natur inqualiert, nämlich in der siderischen Geburt im Teil der Liebe, und in seinem Zorn-Teil die Sünde, den Tod und den Teufel gefangenhält.

20.86. Damit verstehst du nun, was Gott am zweiten Tag gemacht hat, als er das Wasser unter der Feste vom Wasser über der Feste geschieden hat. Auch siehst du nun, wie du in dieser Welt überall im Himmel und auch in der Hölle bist und zwischen Himmel und Hölle in großer Gefahr wohnst.

20.87. Auch siehst du nun, wie der Himmel in einem heiligen Menschen ist und überall, wo du stehst, gehst oder liegst, wenn dein Geist nur mit Gott inqualiert. Dann bist du demselben Teil nach im Himmel und deine Seele ist in Gott. Darum spricht auch Christus: »Meine Schäflein sind in meinen Händen und niemand wird sie mir entreißen. (Joh. 10.28)«

20.88. Desgleichen siehst du auch, wie du dem Zorn nach allezeit in der Hölle bei allen Teufeln bist. Ach, wenn dir nur deine Augen geöffnet wären, dann könntest du Wunder sehen! Doch du stehst zwischen Himmel und Hölle, kannst keines davon sehen und wandelst auf einem schmalen Steg.

20.89. Etliche Menschen wurden auch schon zu mancher Stunde dem siderischen Geist nach dahin entrückt, wie man es nennt, und haben alsbald die Pforte des Himmels und der Hölle erkannt, und auch aufgezeigt, wie mancher Mensch mit lebendigem Leib in der Hölle wohnt. Derer hat man zwar gespottet, aber mit großem Unverstand, denn es verhält sich wirklich so. Dies will ich an passender Stelle noch ausführlich beschreiben, was es für eine Gestalt mit ihnen hat.

20.90. Daß es aber eine zweifache Geburt im Wasser gibt, das will ich nun hier mit der Sprache der Natur beweisen, denn es ist die Wurzel oder Mutter aller Sprachen dieser Welt, und darin steht die ganze vollkommene Erkenntnis aller Dinge.

20.91. Denn als Adam als erster geredet hatte, da hat er allen Kreaturen entsprechend ihren Qualitäten und verinnerlichten Wirkungen ihre Namen gegeben. Und das ist eben die Sprache der ganzen Natur, aber es kann sie nicht ein jeder, denn es ist ein Geheimnis, ein Mysterium, welches mir durch die Gnade Gottes vom (sehenden) Geist mitgeteilt wurde, der wohl Lust an mir hat.

20.92. So erkenne: Das Wort „Wasser“ stößt aus dem Herzen, macht die Zähne zu und geht über die herbe und bittere Qualität, aber erregt sie nicht, sondern fährt durch die Zähne heraus. Und die Zunge rafft sich mit zum Geist, hilft zischen und inqualiert mit dem Geist, und der Geist geht ganz mächtig durch die Zähne heraus.

20.93. Wenn aber der Geist zum größten Teil heraus ist, dann rafft sich erst der herbe und bittere Geist auf und inqualiert hinterher mit dem Wort. Er bleibt aber in seinem Wohnsitz sitzen und zerrt mächtig in der Silbe „ser“ nach.

20.94. Daß sich nun der Geist im Herzen faßt, hervorfährt, die Zähne zumacht und mit der Zunge durch die Zähne zischt, das bedeutet, daß sich das Herz Gottes bewegt habe und mit seinem Geist einen Abschluß um sich gemacht hat, der die Feste des Himmels ist. Denn wie sich die Zähne zumachen und der Geist durch die Zähne geht, so geht auch der Geist aus dem Herzen in die siderische (natürlich-körperliche) Geburt.

20.95. Und wie sich die Zunge zum Zischen bildet und mit dem Geist inqualiert und wallt, so bildet sich auch die Seele des Menschen mit dem Heiligen Geist, inqualiert mit ihm und dringt mit seiner Kraft durch den Himmel und herrscht im Wort Gottes mit.

20.96. Daß sich aber erst hinterher die herbe und bittere Qualität aufweckt und sich dann zum Wort bildet, das bedeutet, daß es zwar alles ein Leib ist, aber der Himmel und der Heilige Geist samt dem Herzen Gottes ihren Wohnsitz für sich haben. So kann der Teufel mit dem Zorn weder den Heiligen Geist noch den Himmel ergreifen, sondern der Teufel hängt mit dem Zorn in der äußerlichen Geburt am Wort, und so hilft der Zorn in der äußerlichen Geburt in dieser Welt, alles zu bilden, was in der Begreiflichkeit steht, wie sich auch die herbe und bittere Qualität hinterher (bzw. „nachträglich“) zum Wort bilden und mit diesem inqualieren.

20.97. Daß aber der Geist über die herbe und bittere Qualität zuerst so unbemerkt geht, das bedeutet, daß die Pforte Gottes überall in dieser Welt ist, wo der Heilige Geist herrscht, und daß der Himmel überall offensteht, auch mitten in der Erde, und daß der Teufel den Himmel nirgends weder sehen noch begreifen kann, sondern er ist ein murrender und knurrender Höllenhund, der erst hinterherkommt, wenn der Heilige Geist sich eine Kirche und Tempel erbaut hat (in Form des Menschen?), um diesen im Zorn zu zerstören. So hängt er hinterher am Wort wie ein Feind, der nicht will, daß ihm in seinem Land ein Tempel Gottes gebaut werden soll, der sein Reich schmälern könnte.


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