10. Frage nach dem Weg der Seele

Kommt die Seele von den Eltern (ex traduce), und wird sie menschlich leiblich fortgepflanzt, oder jedesmal neu von Gott erschaffen und eingeblasen?

10.1. Es wundert mich sehr, was die Welt doch für einen Verstand und eine Philosophie haben muß, so daß sie dieses nicht ergründen kann. Obwohl ich Euch hiermit nicht beschuldige, denn ich weiß, daß solche Fragen unter den Gelehrten durch die Schulen gehen, wo man noch gern streitet. Aber ich muß mich über die stolze Blindheit wundern, daß so gar keine Erkenntnis Gottes im Verstand ist.

10.2. Darin beseht Euch, ihr Gelehrten, was ihr doch seid oder versteht! Nämlich fast nichts vom Mysterium. Wie wollt ihr dann Lehrer sein? Ein Hirtenstab wäre besser in eurer Hand, als das Kleid Christi anzuziehen.

10.3. Oh, ihr werdet darüber Rechenschaft geben müssen, daß ihr die Welt verführt, und prangt doch so, als wärt ihr Gott, und meßt euch göttliche Gewalt zu. Seht eben zu, was ihr tut! Ihr werdet noch sehen, in welchen ihr gestochen habt. Ich fürchte, daß Ihr meistenteils in Babel seid. Wacht auf, es ist Tag!

10.4. Doch Euch, mein geliebter Freund, sei geantwortet, daß die Seele nicht jedesmal neu geschaffen und eingeblasen werde, sondern menschlich fortgepflanzt wird, wie ein Ast aus dem Baum wächst. Oder, um es besser zu sagen, wie man einen Kern (in die Erde) setzt, oder ein Korn sät, so daß ein Geist und Leib daraus wächst.

10.5. Und nur dies ist der Unterschied, daß die drei Prinzipien immer im Ringen um den Menschen sind, denn jedes will ihn haben, so daß manchmal eine wunderliche Verwirrung hineingeführt wird, solange es noch ein Samen ist.

10.6. Doch wenn die Eltern Christi Fleisch und Gottes Wesenheit an ihrer Seele haben, und Vater und Mutter so sind, dann kann es nicht sein, denn Christus spricht: »Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen.« Aber die Verwirrung kann mit dem Verstand in der Zeit dahinein kommen.

10.7. Also kann auch ein bösartiger Baum keine guten Früchte bringen. Das heißt, wenn die Eltern beide bösartig und vom Teufel gefangen sind, dann wird auch eine bösartige Seele gesät. Aber die Prinzipien können sie noch nicht richten, auch die Verwirrung nicht. Dann ist die Seele zwar ein bösartiges Kind, aber kann, wenn sie durch Imagination umkehrt, in das Wort des Vaters eingehen.

10.8. Aber das ist teuer und geschieht selten, daß aus einem schwarzen Raben ein weißer wird. Doch wo es halb und halb ist, da kann es leichter geschehen. Jedoch ist es wohl möglich, und es kann wohl sein, denn Gott wirft keine Seele weg, wenn sie sich nicht selber wegwirft. So macht sich ein jeder selbst sein Gericht.

10.9. Das merkt euch, ihr bösartigen Eltern! Ihr sammelt für eure Kinder viel Geld, doch sammelt ihnen lieber eine gute Seele, das ist ihnen nötiger.

11. Frage nach dem Sitz der Seele im Menschen

Wie und an welchem Ort ist der Sitz der Seele im Menschen?

11.1. Ein Ding, das unergründlich ist, aber in sich einen Grund sucht und macht, das hat seinen Ursprung und Sitz im ersten Fassen, wo es sich in sich faßt, und dort ist auch das Ziel im Allerinnersten. Und es geht heraus aus sich und sucht vor sich, so daß es sich dann einen Spiegel nach dem anderen macht, bis es das Erste wiederfindet, als das unergründliche Ziel. So ist auch die Seele.

11.2. Sie ist von Gott aus dem Herzen gefaßt, und das Wort, das sie faßte, war im Herzen als im Zentrum. Dort blieb sie in der Bildung und im Sitz, als sie von der Schöpfung ergriffen wurde, und ist noch heute so.

11.3. Sie wohnt in drei Prinzipien, aber das Herz ist ihr Ursprung im Herzen drin. Im inneren Blut des Herzens ist sie das innere Feuer, und in der Tinktur ist ihr Geist, der einen Schein vom Feuer hat, denn er ist von der Tinktur umgeben und brennt im Herzen.

11.4. Und der Geist schwebt über dem Herzen im Herzgrübel (Magengrube unterhalb des Brustbeins am Solarplexus), wo sich die zwei Prinzipien scheiden, und brennt in der Tinktur wie ein Schwefellicht, und verteilt sich weiter im ganzen Leib in alle Glieder, denn die Tinktur geht durch alle Glieder.

11.5. Aber der eigentliche Feuerschmied im Zentrum sitzt im Herzen und führt sein Regiment mit dem Geist im Kopf, wo er sein Rathaus hat, als das Gemüt, und die fünf Fürstenräte, als die fünf Sinne, welche aus den fünf Geistern des Ursprungs entstehen, wie wir im dritten Buch beschrieben haben, sowie auch im zweiten und ersten. Die Seele sitzt wohl im inneren Prinzip, aber sie regiert auch im äußeren, als im Gestirn und in den Elementen, wo sie aber kein Affe ist und sich fangen läßt, wenn sie deren genug mächtig ist. Dann muß sich das Äußere bändigen lassen, wenn sich die Seele in Gott versenkt, auf dem Brautwagen wieder in das Äußere kommt und den Heiligen Geist zum Beistand hat. Dann hilft kein Wehren des Teufels, denn sie zerstört ihm sein Nest und treibt ihn aus, so daß er in Spott und Schande stehen muß.

11.6. Und dies ist unser Bericht auf diese Frage, und wird nicht so verstanden, daß, wenn dem Menschen der Kopf abgehauen wird und das Blut hinläuft und das äußere Leben zerbricht, es die Seele treffe und töte. Nein, sie verliert wohl ein Prinzip, aber nicht das Wesen des Prinzips, denn das folgt ihr in der Tinktur, im Geist, wie ein Schatten nach.

11.7. Denn das äußere Wesen erreicht nicht das innere in der Seele, als nur durch Imagination. Sonst ist nichts in dieser Welt, das die Seele berühren oder töten kann, kein Feuer oder Schwert, sondern nur die Imagination, und das ist ihr Gift. Denn aus der Imagination ist sie ursprünglich gekommen und bleibt ewig darin.

12. Frage nach der Erleuchtung der Seele

Wie geschieht die Erleuchtung der Seele?

12.1. Uns ist zu entsinnen, daß, wenn die Sonne aus dieser Welt genommen würde, alle Dinge in der Finsternis wären, und dann würde der äußere Verstand sagen: „Wir sind im finsteren Tod und in der Grimmigkeit der Kälte!“ Und dem wäre auch so.

12.2. Nun siehe, liebes Gemüt, und bedenke, wenn dir dein Leib zerbrechen wird, dann verliert auch dein Geist die (äußerliche) Sonne. Wie willst du dann im Licht sein, und womit willst du sehen? Das geben wir Euch in der Einfalt, um im Gemüt nachzusinnen.

12.3. Doch etwas, das in der ewigen Freiheit ist, weil es immerfort in die Freiheit eingeht, hat keine Finsternis, denn es wohnt in nichts, das Finsternis gäbe. Es ist frei wie das Auge Gottes, das durch das Wesen hindurch in sich selbst sieht.

12.4. Aber wenn es in der Lust nach etwas imaginiert, dann geht der Wille in das Etwas, das die begehrende Lust selber macht. Und das nimmt den Willen in sich ein und überschattet ihn, so daß er in der Finsternis wohnt und kein Licht haben kann, es sei denn, er geht wieder aus dem Ding heraus in die Freiheit.

12.5. So geben wir Euch ernstlich zu verstehen, daß wir in allem unseren Wesen und Machen kein Licht haben. Denn wenn wir mit dem Willen in das Gemachte eingehen, so daß wir unser Herz und unseren Willen in unserer Hände Werk setzen, nämlich in den (egoistischen) Geiz, dann sind wir in unseren Seelen ganz blind und haben kein Licht in uns, als nur das äußere Licht der Sonne, das dem äußeren Leib leuchtet. Und wenn dieser zerbricht, dann ist die Seele mit dem Ding (des Gemachten) gefangen, das heißt, der Seele Geist und Willen.

12.6. Denn der Wurzelstock der Seele ist ein finsteres Tal. Er hat kein Licht, und wenn er sich auch erhebt und entzündet, dann ist es nur ein grimmiger Feuerblitz und gleicht dem Teufel, und kann das göttliche Licht in sich nicht erreichen.

12.7. Die Ursache liegt darin, daß sie Greuel in ihren Willen und Geist hineingeführt hat, die den Geist verfinstert und mit der Verwirrung gefangenhält, denn Gottes Licht geht nicht hinter sich, sondern vor sich in die Ewigkeit.

12.8. Und darum ist Gottes Auge zweifach, und steht rücklings, wie oben das Bild zeigt: Ein Teil geht vor sich in die stille Ewigkeit, in das ewige Nichts als in die Freiheit. Das andere geht hinter sich in das Begehren und macht die Finsternis im Begehren, und darin das Zentrum der Natur, und treibt es bis zur großen Angst und Schärfe, darin dann der Wille wieder aus der Angst durch die Finsternis in die stille Freiheit entsinkt. So bringt er aus der Angst den Grimm der Beweglichkeit und die ernste Schärfe mit, in welcher Schärfe die Freiheit ein hoch triumphierend majestätisches Licht wird, das Gottes Licht heißt, ewig leuchtet und von nichts eingesperrt werden kann, denn es leuchtet in der ewigen Freiheit und begehrt weiter nichts.

12.9. Und wenn du, oh irdischer Mensch, nun denken wolltest, daß Gott deinen Geist in sein majestätisches Licht hineinnehmen werde, in welchen du deine Greuel mit egoistischem Geiz und Stolz in den Willen hineingeführt hast, der des Geizes Feuerleben ist, und dein Wille so im Irdischen steht, dann würdest du damit Gottes Majestät verfinstern. Denn dein Wille und Geist würden doch nur in deinem Geiz stecken und mit dem Feuerquell der Seele in einem Spiegelglanz hervorbrennen, nämlich in den überheblichen Stolz. So könntest du Gottes Majestät niemals erreichen.

12.10. Und wenn du auch im Kreuz der Heiligen Dreizahl sitzen würdest und von allen heiligen Engeln umgeben wärst, so säßest du doch in der Finsternis und dein Geist leuchtete nur im Spiegel des Wesens, das du selber in den Geist hineingeführt hast.

12.11. Wenn also die Seele mit ihrem Geist in ihrem Bildnis Gott schauen und in Gottes Majestät und ewigem Licht sehen will, dann muß sie in dieser Welt einen zweifachen Weg gehen. Dann wird sie den ewigen Leib als Gottes Bildnis, und dann auch das äußerliche Leben mit dem irdischen Leib erhalten. Und sie wird die Wunder, dazu sie Gott in das äußere Leben geschaffen hat, um sie im äußeren Leben zu erwecken, alle in das innere Leben hineinführen und sich ewig darin erfreuen, und sie als einen Spiegel haben. Und das ist der richtige Weg, wie folgt:

Die hochteure Pforte der Morgenröte

12.12. Siehe, du liebe Seele, wenn du Gottes Licht haben und mit Gottes Auge sehen willst, und auch das Licht dieser Welt haben, deinen Leib ernähren und die Wunder Gottes suchen willst, dann diene ihm, wie Gott selbst dient.

12.13. Denn du hast in deiner Seele zwei Augen, die sind rücklings aneinandergesetzt: Eines sieht in die Ewigkeit, und das andere hinter sich in die Natur, und das geht immer vor sich hin und sucht im Begehren, und macht einen Spiegel nach dem anderen. Das laß so gehen, denn so soll es sein und Gott will es haben.

12.14. Aber das andere Auge wende nicht zurück in die Sucht (der Suche), sondern zieh mit dem rechten (wahren) Auge immer das linke (magische) rücklings an dich, und laß das Auge mit dem Willen der Wunder nicht von dir, vor dem Auge, das in die Freiheit hineingewandt ist. Sondern ziehe seine eröffneten und gemachten Wunder an dich.

12.15. Laß dieses Auge dem irdischen Leben Speise suchen, aber laß es nicht in die Speise mit dem Geiz eingehen, sondern ziehe es fest an das (wahrhaft) sehende Auge heran, und laß es nicht gehen. Sondern laß die Hände wirken und Speise machen, und laß das Auge die Wunder an sich ziehen, aber keine Materie, sonst wird dir das Eingezogene eine Finsternis sein.

12.16. So laß den Teufel hinter dir vor dem linken Auge umherrauschen, denn er kann nicht hinein, solange du dem Auge nicht zuläßt, daß es Materie hereinnehme.

12.17. Dann wirst du, wenn dein irdischer Leib zerbricht, alle Wunder im linken Auge mit dem rechten Auge (in der Ewigkeit) sehen, die du hier (in der Zeitlichkeit) gemacht und gefunden hast.

12.18. Und wenn dann das irdische Leben hinfällt, dann ist auch dein linkes Auge von der grimmigen Natur frei, auch wenn es Natur hat. Denn es ist die Natur selbst, welche die Wunder erweckt und hält, und so steht es dann mit den Wundern in der ewigen Freiheit, denn weil es nichts von der Materie hereingelassen hat, so ist es frei.

12.19. Dann ist die Natur mit den Wundern eine Schärfe (bzw. ein alldurchdringendes Licht) des Feuers und fängt die ewige Freiheit, und macht so in der Freiheit in den Wundern die Majestät, davon das rechte Auge, das sich hier in diesem Leben wie tot betrachtet hat, erleuchtet wird und sich ewig mit dem linken Auge in der hochfreudenreichen Majestät erfreut und ewig mit beiden Augen Gott sieht.

12.20. Dies ist eine Pforte, und wer diese im Geist wahrhaft erkennt und sieht, der sieht alles, was Gott ist und vermag. Er sieht damit durch Himmel, Hölle und Erde, und durch das Wesen aller Wesen, und das ist die ganze (heilige) Schrift, was bezüglich der Welt geschrieben worden ist. Aber es ist ein teures Sehen, und der alte Adam kennt es nicht, denn er sieht es nicht, sondern nur der neue Mensch, der in Gott geboren ist.

12.21. Weil wir damit aber dem gewöhnlichen Gemüt schwer zu verstehen sind, so wollen wir es einfältiger sagen: Siehe, wenn du mit deiner Seele Gottes Licht schauen willst, und willst, daß sie von Gott erleuchtet werde, dann diene ihm entsprechend.

12.22. Du bist in der Welt: Hast du einen redlichen Beruf ohne Falschheit, dann bleibe darin, wirke, arbeite und erwirb, wie es die Notdurft erfordert. Suche die Wunder, sowohl in den Elementen als auch in der Erde, in den Künsten oder was es wolle, es ist alles Gottes Werk. Suche in der Erde Silber und Gold, mache künstliche Werke daraus, baue und pflanze, es geschieht alles zu Gottes Wundertat.

12.23. Aber höre dieses „ABC“: Du sollst deinem Geist nicht zulassen, daß er dahineingehe, sich damit anfülle und einen Mammon (eigenen Reichtum) daraus mache und sich dahinein setze wie in eine Finsternis. Sonst ist er Gottes Narr darin, und des Teufels Affe, und setzt seinen Willen dahinein, und dein edles Bildnis wird dir nach deiner Imagination im Geist verändert, nämlich nach deinem Willen, der im Geiz ist. So verlierst du Gottes Bildnis, denn das ist magisch, subtil wie ein Geist und noch viel subtiler, ja viel subtiler und dünner als die Seele selbst.

12.24. Es ist wie Gott, der in der ewigen Freiheit wohnt, unergriffen von etwas. Denn Er ist dünner als jedes Etwas. Also auch dein edles Bildnis, das doch im himmlischen Fleisch und Blut steht und eine Wesenheit aus Gottes Leib ist. Es ist Christi Fleisch und Blut, und deine Seele wohnt darin. Sie ist das Feuer der Majestät darin, und der Heilige Geist sitzt im Herzen des Bildnisses und geht aus dem Bildnis mit Stimmen, Sprachen, Wundern, Gesang und Klang aus. In dieses Bildnis bringst du deine Wunder, wenn du treu bist. So diene ihm!

12.25. Setze deinen linken Willen in das Werk, das du machst, und denke, daß du Gottes Knecht im Weinberg Gottes bist, und arbeite treulich. Und deinen rechten Willen setze in Gott in das Ewige, und bedenke, daß du keine Stunde sicher bist, daß du nur in deinem Tagewerk dienst und immer nach der Stimme hören mußt, wenn dich dein Herr nach Hause ruft.

12.26. Gib dem Verstand keinen Raum, so daß er sagt: „Das sei mein Schatz, und wenn er mein ist, dann habe ich genug! Ich will viel sammeln, damit ich in der Welt zu Ehren komme und meinen Kindern viel hinterlasse!“

12.27. Sondern denke, daß deine Kinder Gottes Kinder sind, und du Gottes Knecht, daß dein Werk Gottes Werk ist, und dein Geld, Gut, Mut und Blut in Gottes Hand steht. Er mag damit tun, was er will. Wenn Er dich heimgehen heißt in dein eigenes Land, dann mag Er deine Arbeit nehmen, und anderen geben. So laß deinem Herzen keinen Raum, daß dir der Willengeist Hochmut in das Bildnis hineinführe.

12.28. Versenke deinen Willen alle Stunden in die Demut vor Gott, dann geht dein Bildnis immer in der Demut mit deinem Willen in Gottes Majestät, und dein Bildnis wird vom hoch triumphierenden Licht Gottes immer erleuchtet. Oh, wie fröhlich ist die Seele, wenn ihre Angstqual im Feuer das Licht Gottes kostet! Wie freundlich wird sie, und wie verneigt sie sich vor Gott! So bestehen die Seele und auch das Bildnis im Geist alle drei ineinander, denn es ist ein Wesen nach der Heiligen Dreifaltigkeit.

12.29. So geben wir Euch, mein lieber Herr und Bruder, auf diese Frage zur Antwort, daß die Seele gar nicht anders erleuchtet werden kann, als so. Denn so ist ihre Erleuchtung, sie ist in dieser Welt und auch in Gott. Hier in diesem Leben ist sie ein Knecht der Wunder Gottes, die sie mit dem einen Auge eröffnen und mit dem anderen in den Anfang vor Gott führen soll. All ihr Wesen soll sie in Gottes Willen stellen und niemals von etwas in dieser Welt sagen: „Das ist mein, und ich bin Herr darüber!“ Denn sie lügt, wenn sie das sagt. Alles gehört Gott, und sie ist Knecht und soll in der Liebe und Demut vor Gott und ihrem Bruder leben. Denn ihres Bruders Seele ist ein Glied ihrer Seele, ihres Bruders Freude im Himmel bei Gott ist auch ihre Freude, und seine Wunder sind auch ihre Wunder, denn im Himmel ist Gott Alles in Allem, und Er erfüllt Alles. Der Heilige Geist ist das Leben in Allem, und es ist reine Freude, denn man weiß nichts vom Leid. Dort ist alles von Gott, und auch alles ein Bildnis Gottes. Es ist alles ganzheitlich, und eines erfreut sich des anderen Kraft, Klarheit und Schönheit. Es gibt keine Mißgunst oder Neid, denn das ist alles im Tod und in der Hölle geblieben.

12.30. Darum, ihr auserwählten Kinder Gottes, die in Christus wiedergeboren sind, nehmt es in acht und geht vom Geiz und eigenen Willen ab, denn ihr wurdet eine lange Zeit in Babel blind geführt. Geht weg von ihr, denn ihr seid durch eine starke Stimme gerufen worden, die bald die Toten aufwecken wird. Laßt euch doch helfen, damit ihr ewige Freude in Gott erlangen könnt!

12.31. Der (sehende) Geist deutet es klar: Wer nicht mit dem neuen Gewächs wachsen wird, der soll und muß in den Schwefelpfuhl mitsamt der Drachenhure zu Babel. Es ist eine ernste Zeit. Wenn du sie auch mit irdischen Augen nicht siehst, sie trifft dich trotzdem. Du wirst sie in deinem Tod wohl sehen, und was das für ein Gericht ist, und in welcher Zeit und unter welcher Verwirrung du gelebt hast. So reden wir ohne Scherz, wie wir sollen.

13. Frage nach der Speisung aus dem Wort Gottes

Wie geschieht die Speisung der Seele aus dem Wort Gottes?

13.1. Wenn die Seele so in das majestätische Licht eingeht, wie oben erklärt, und das göttliche Licht empfängt, dann wird sie auf vollkommene Weise sehnend und lüsternd, und zieht in ihrem Begehren immer Gottes Kraft in sich, und das ist Gottes Leib, und der Heilige Geist ist der Geist der Kraft Gottes. So bekommt sie Gottes Leib und Geist und ißt am Tisch Gottes. Denn alles, was der Vater hat, gehört seinem Sohn, und alles, was der Sohn hat, gehört seinem Bildnis. So ißt sie Gottes Fleisch, Christi Leib, und von solchem Essen wächst ihr auch Gottes Leib, so daß sie Gottes Leib hat und Gottes Kind ist. Nicht nur ein Gleichnis, sondern ein Kind aus Gottes Essenz, in Gott geboren, und lebt in Gott.

13.2. Wenn sie Gottes Wort von Gottes Kindern lehren und reden hört, wo auch immer in dieser Welt, dann empfängt sie dieses und ißt es. Der äußere Mensch ißt irdisches Brot, und die Seele Gottes Brot, davon Christus sagte, daß er uns seinen Leib zu einer Speise gebe. Und seine Testamente sind nichts anderes, denn wir essen keinen Geist ohne Leib. Denn die Seele ist ursprünglich Geist, aber will Leib haben, und so bekommt sie Leib und Geist zugleich.

13.3. Laß es dir gesagt sein, Babel, und siehe, wie du mit Christi Testamenten umgehst und was du lehrst. Wenn du sagst, Christi Testamente sind Geist ohne Leib, dann lügst du Gott an, denn du verleugnest Gottes Wesenheit, Christi himmlischen Leib, der größer als Alles ist, und der die Fülle aller Dinge ist, aber in seinem Prinzip.

13.4. Aber du irdischer Mund wirst ihn mit deinen Zähnen nicht essen. Die Seele hat einen anderen Mund und nimmt ihn unter dem äußerlichen Element an: Das Äußere nimmt das Äußere, und das Innere nimmt das Innere.

13.5. So war doch auch Christi Abendmahl mit seinen Jüngern. Das Äußere ist ein Gedächtnis, und das Innere ist das Wesen, denn das Reich Gottes steht in der Kraft und ist magisch, nicht wie ein Gedanke, sondern substantiell und wesentlich. Die Magie macht Wesen, denn im ewigen Nichts ist nichts, aber die Magie macht etwas, wo nichts ist. Es ist nicht nur bloß Geist in Gott, sondern Natur, Wesen, Fleisch und Blut, Tinktur und Alles.

13.6. Diese Welt im Äußeren ist ein Gleichnis der inneren Welt. Das sagen wir Euch, und wir reden, was wir sehen, fühlen, schmecken und wissen, und das ist kein Tand (unnützes Zeug) oder ein Wähnen. Und das sagen wir nicht uns, sondern Euch, wie ein Glied dem anderen verpflichtet ist, auf daß unsere Freude in Euch sei, und wir auch Eure genießen, als Brüder in einem Wesen.

13.7. Wer hier Weiteres zu wissen begehrt, der lese unser drittes Buch („Vom dreifachen Leben“). Dort findet er die Umstände vom Essen der Seele und von Christi Testamenten.

14. Frage nach der Reinheit von Sünde

Ist eine solche neue Seele ohne Sünde?

14.1. Wir verstehen hier die fortgepflanzte Seele in einem neugeborenen Kind. Mein geliebter Freund, dies ist eine gar scharfsinnige Frage, aber Euch, lieber Freund, soll geantwortet werden, denn die Zeit der Eröffnung ist geboren, der Tag bricht an, und die Nacht ist vergangen. Dafür sei Gott ewig Lob und Dank gesagt, der uns zum Licht wiedergeboren hat, zu einem unverwelklichen Erbe, und uns zu seinen lieben Kindern angenommen hat.

14.2. Ihr, mein lieber Freund, kennt wohl den schweren Fall Adams, wie wir ihn Euch in allen unseren Schriften gewaltig dargestellt haben, nämlich daß sich die Seele mit dem rechten (geistigen) Auge von Gott ab in den Geist dieser Welt gewandt hat und Gott ungehorsam geworden ist, und ihr edles Bildnis verdorben und in ein monströses Bildnis hineingeführt hat, und damit den Geist dieser Welt hereinließ, obwohl sie doch mächtig mit ihrem Willen über ihn herrschen und ganzheitlich mit der Seele nicht von Böse und Gut essen sollte.

14.3. Doch nun hat sie es gleichsam gegen Gottes Befehl getan und ihre Imagination in den irdischen Geist gesetzt, so daß sie dann auch bald von der Verwirrung gefangen wurde, die ihr das irdische Monstrum in das edle Bildnis hineingeführt hat. Und so hat die Verwirrung alsbald (in der Zeit) das Ziel gesucht und gefunden, darin das Bildnis zerbrochen wird. Und wenn sich nicht das Wort (der göttlichen Verheißung) ins Mittel gesetzt hätte, wäre es wohl ewig zerbrochen geblieben.

14.4. So hat sich nun einmal die Verwirrung im irdischen Abgrund gleichsam eingesessen, und hat Leib und Seele gefangen und führt den Leib immer zum Ziel, wo sie ihn dann zerbricht und hinwirft. Und so bleibt dann die arme Seele roh ohne Leib, es sei denn, daß sie mit ihrem rechten Auge wieder ins Wort umkehrt und wieder einen (ganzheitlichen) Leib aus Gott geboren bekommt, sonst bleibt sie roh (körperlos) und hat die Verwirrung in sich, die das Feuer in ihrer großen Angst erweckt, denn sie ist ein heftiger Hunger, ein Sucher und Finder.

14.5. So ist uns nun gar wohl erkenntlich, daß wir am Geist dieser Welt mit der Seele angebunden sind. Denn die Verwirrung hält uns im grimmigen Zorn Gottes gefangen. Und wenn auch unsere Seele ausgeht und in Gott geboren wird, so hat doch die Verwirrung den äußeren Leib, und den verzehrt sie, denn sie durchsucht ihn bis in den Abgrund. Dort findet sie, daß er nur ein Spiegel des Ewigen ist, und dann geht sie aus dem Spiegel heraus in das Ewige und läßt den Spiegel im Nichts liegen.

14.6. So wißt Ihr ja wohl, daß die Seele mit dem Leib im Samen halb irdisch ist, denn es ist Sulphur, und das ist „Phur“ und „Sul“ (Körper und Seele) miteinander, und darin ist die Verwirrung, die wohl auch die Macht hat, den Samen zu zerbrechen. Wie kann also eine reine Seele geboren werden? Das kann nicht sein, denn sie bringt die Verwirrung mit zur Welt und ist bereits im Mutterleib sündig.

14.7. Aber das wißt, daß Gott Mensch geworden ist, und so hat sich das Schöpfungswort wieder in den Samen hineingesetzt. Wenn nun auch die Verwirrung im irdischen Teil ist, so daß der Samen niemals frei ist, so hat es doch, sofern Mutter und Vater fromm und in Gott sind, diese Gestalt mit der Seele, daß die Seele nicht von Gott verlassen ist, denn sie kommt aus des Vaters und Mutters Seele her. Und wenn auch ein Kind im Mutterleib sogleich ohne Taufe stirbt, dann ist es doch mit dem Geist von Vater und Mutter getauft, nämlich mit dem Heiligen Geist, der in ihnen wohnt, und die Verwirrung wird im Tod abgebrochen, denn der Teil des Glaubens dringt in Gott.

14.8. Aber mit gottlosen Eltern hat es eine andere Gestalt, denn die Seele fällt, wenn das Kind im Mutterleib stirbt, der Verwirrung anheim und erreicht in Ewigkeit nicht Gott. Es weiß auch nichts von ihm, sondern es ist ein Leben nach der Eltern Essenz und Eigenschaft, auch wenn es die Anzündung nicht so erreicht. Denn die Seele hat noch nicht selber Sünde gewirkt, sondern ist ein Qual-Quell-Geist ohne eigene Begierde und Wunder, gleich einem brennenden Schwefel, wie die Irrwische (Irrlichter) dergleichen sind, die Gott nicht erreichen können, und so zwischen Himmel und Hölle (im Mysterium) bis zum Gericht Gottes bleiben, der dann ernten und jedem seinen Stall geben wird. Obwohl Meister Hans in diesem eine andere Philosophie haben könnte, so fragen wir nicht nach seiner Kunst, denn wir haben Augen, und er hat Kunst, also reden wir, was wir sehen.

14.9. So geben wir Euch zu verstehen, daß keine Seele ohne Sünde in dieser Welt geboren wird, wie fromm auch die Eltern immer sind, denn sie wird im irdischen Samen ausgebrütet und bringt die Verwirrung der Leiblichkeit mit, welche die Seele auch umfangen hat.

14.10. Darum hat Gott den Kindern im alten Testament einen Bund mit der Beschneidung gemacht, und sich in den Bund gegeben, indem sie ihr Blut vergießen mußten und darin die Verwirrung der Seele ersäufen konnten. Und im neuen Testament ist es die Taufe, darin der Heilige Geist mit dem Wasser des Lebens, dem Wasser der Seele, die Verwirrung abwäscht, damit sie vor Gott treten und Gottes Kind sein kann.

14.11. Daß man aber sagen will, daß all jene, welche die Taufe nicht haben, wie die Juden, Türken und andere Völker, bei denen es diese Erkenntnis nicht gibt und welche den Leuchter nicht haben, daß sie alle von Gott verstoßen seien, wenn sie doch sonst heftig mit ihrer Lehre, Leben und Tat in die Liebe Gottes eindringen, das ist Phantasie und babelisches Gerede ohne wahre Erkenntnis.

14.12. Die Seligkeit liegt nicht allein im äußeren Wort, sondern in der Kraft. Wer will den ausstoßen, der in Gott eingeht?

14.13. Ist das nicht Babel, welche die ganze Welt verwirrt hat, so daß sich die Völker in Meinungen zertrennt haben, aber im Willen doch nur einen Weg gehen? Wer sonst ist die Ursache dafür, als eben der Antichrist, weil er das Reich Gottes in seine Macht zog und aus der Wiedergeburt einen Tand (ein nutzloses Zeug) machte? Wenn es Tag werden wird, werden sich auch die Kinder dafür schämen. Man kann wohl mit Grund sagen, daß des Antichrists Lehre ein (gedankliches) Spiegelfechten ist und eine Falschheit der (Ego-) Schlange, die immer noch die Eva betrügt.

14.14. So ist uns erkenntlich, daß keine Seele ohne Sünde in diese Welt kommt, denn eine jede bringt die Verwirrung mit. Denn wenn sie ohne Sünde wäre, dann müßte sie auch in einem ganz reinen Leib wohnen, der keinen bösartigen Willen hätte, und in dem keine irdische Sucht wäre. Also sind ja Leib und Seele verbunden, bis die Verwirrung das Ziel des Leibes findet, und dann sucht sie die Werke des Leibes, wie oben beschrieben wurde.

15. Frage nach dem Eintreten der Sünde

Wie kommt die Sünde in die Seele, wenn sie doch Gottes Werk und Geschöpf ist?

15.1. Wie oben erklärt, hat es folgende Gestalt: Die Verwirrung samt der irdischen Sucht kommt mit in diese Welt, und so wird die Seele nun von Zweien heftig gezogen, nämlich erstlich vom Wort des Vaters, das ins Mittel getreten ist und aus Liebe Mensch wurde. Das zieht die Seele immer in Gottes Reich und stellt der Seele die Verwirrung unter die Augen, damit die Seele in ihrer Natur sehe, was Falsch und Sünde ist. Und wenn sie sich (vom Wort des Vaters) ziehen läßt, dann wird sie im Wort wiedergeboren, so daß sie Gottes Bildnis ist.

15.2. Und zum Zweiten zieht sie auch die Verwirrung mächtig an ihrem Band und führt immerfort die irdische Sucht hinein, besonders in der Jugend, wenn der irdische Baum voll grüner treibender Essenzen und Gifte steckt. Da flicht sich die Verwirrung so mächtig ein, daß manche Seele in Ewigkeit nicht frei werden kann.

15.3. Sie gleicht einem Ding, das zwei Anfänge hat und gleich einer Waage steht, so daß je ein Teil durch das Aufladen gesenkt wird, nämlich mit Bösem oder Gutem.

15.4. So macht sich die Sünde nicht selber, sondern der Wille macht sie, und sie kommt von der Imagination im Geist. Denn der Geist geht in ein Ding, und wird von dem Ding infiziert, und so kommt die Verwirrung von diesem Ding in den Geist und zerstört erstlich das Bildnis Gottes, und dann geht sie weiter und sucht tiefer. Dann findet sie den Abgrund als die Seele, und sucht in der Seele. Dann findet sie das grimmige Feuer, und mit dem vermischt sie sich mit dem eingeführten Ding im Geist, so daß jetzt die Sünde ganz geboren ist.

15.5. So ist nun alles Sünde, was danach begehrt, das Äußerliche in den Willen zu führen. Der Wille soll einfach nur in die Liebe und Sanftmut gerichtet sein, gleichsam als wäre er nichts oder tot. Er soll nur Gottes Leben begehren, so daß Gott in ihm schaffe. Alles, was er sonst tut, darin soll sein Wille so gerichtet sein, daß er Gott dient. Denn wenn er seinen Willen in das Wesen setzt, dann führt er das Wesen in den Geist, und das besetzt ihm sein Herz, und so ist die Verwirrung geboren und die Seele mit dem Ding gefangen.

15.6. Damit geben wir Euch zur Antwort, daß keine Seele rein aus dem Mutterleib kommt, sei sie von heiligen oder unheiligen Eltern gezeugt. Gleichwie der Abgrund und Zorn Gottes, sowie die irdische Welt, alles an Gott dem Vater hängt, und doch sein Herz und seinen Geist nicht ergreifen und bewegen kann, so ist es auch mit dem Kind in Mutterleib. Doch wenn es von göttlichen Eltern gezeugt wird, dann steht jedes Prinzip in seinem Teil, und wenn die Verwirrung den irdischen Leib nimmt, dann nimmt der Himmel den Geist, und so erfüllt die Majestät den Geist, so daß die Seele in Gott und frei vom Leiden ist.

15.7. Aber solange die Seele im irdischen Leben steht, ist sie nicht frei, weil der irdische Geist mit seiner Imagination immer seine Greuel hineinführt, und so muß der Geist immer im Streit gegen das irdische Leben stehen.

16. Frage nach der Vereinigung beider Leiber

Wie kann die Seele beides, sowohl im adamischen Leib und dann auch im neugeborenen Leib, in solcher Vereinigung halten?

16.1. Wir haben oben erklärt, daß es drei Prinzipien gibt, die nunmehr alle drei in der Seele sind und ineinander stehen wie eins. Und wir sagen Euch, daß der Streit in der Seele schon im Samen beginnt. Während er noch in beiden Geschlechtern in Mann und Weib verschlossen liegt, da erregt sich schon die Verwirrung, indem die Essenz des Samens zu einer falschen Imagination treibt, zu einer falschen Begierde.

16.2. Und wenn der Geist auch den Leib zähmt, so imaginiert er doch noch, und das verursacht die Verwirrung im Samen. Das kann wohl kein Mensch leugnen, daß mancher auch selber ein Feind dieser Imagination ist und wünscht, sie verbannt zu haben, wo ein rechter Geist ist.

16.3. So sollt Ihr erkennen, daß der Seele Geist in einer elenden Quetsche steckt, und nicht frei werden kann, bis die Verwirrung den Leib nimmt.

16.4. Es gibt nie eine (völlige) Vereinigung zwischen dem äußeren Menschen und dem neugeborenen. Der äußere will immer den neugeborenen verschlingen, denn sie stehen ineinander, aber jeder hat ein eigenes Prinzip, so daß der äußere des inneren nicht mächtig werden kann, solange nur der Geist im Kampf bleibt. So können sie wohl aneinanderhängen, denn sie stehen alle drei zu Gottes Wundertat, wenn sie nur in rechter Ordnung jeder in seinem Prinzip stehenbleiben. Denn die Seele hat das Feuer-Regiment und ist eine Ursache aller drei Leben. Der Geist hat des Licht-Regiment, in dem das edle Bildnis mit Gottes Leib steht. Und der äußere Geist hat das Regiment des irdischen Lebens, der die Wunder suchen und eröffnen soll, und der innere Geist soll ihm das Wissen dazu geben, und die Seele soll ihm den Abgrund als die größte Heimlichkeit offenbaren.

16.5. Die Seele ist das Kleinod, und der Geist der Seele ist der Finder des Kleinods. Der irdische Geist ist der Sucher, und der irdische Leib ist das Mysterium, darin das Geheimnis der großen Verborgenheit liegt. Denn die Gottheit hat sich mit der Irdischkeit offenbart, nämlich im begreiflichen Wesen, und so gehören nun drei Suchende dazu.

16.6. Und so soll es nicht aussehen, als wollten wir das äußere Leben anfeinden, denn es ist uns das Allernützlichste zu den großen Wundern Gottes. Dem ganzen Menschen ist nichts Nützlicheres, als daß er in seinem dreifachen Regiment stillstehe, und nur nicht mit dem Äußeren ins Innere zurückgehe, sondern mit dem Inneren ins Äußere.

16.7. Denn das Äußere ist ein Tier und gehört nicht ins Innere. Aber seine Wunder, die aus dem Inneren ausgeboren und sich im begreiflichen Wesen eröffnet haben, die gehören mit ihrer Bildung, nicht mit ihrem Wesen, in das Innere. Die soll der innere Geist als Gottes Wundertat einnehmen, denn das wird in Ewigkeit seine Freude sein.

16.8. So sagen wir, daß die Seele gar wohl im neuen Menschen gehalten werden kann, wenn sich nur ihr Tinktur-Geist gegen Sucht und Imagination wehrt. Obgleich der äußere Geist tierisch ist, so kann doch der innere vernünftige den äußeren halten und zähmen, wenn er sein Herr ist.

16.9. Wer aber den tierischen Geist Herr sein läßt, der ist ein Tier, und hat auch tierische Bildnis in der inneren Bildung, in der Tinktur. Und wer den Feuergeist, als die Verwirrung, Herr sein läßt, der ist ein wesentlicher Teufel im inneren Bildnis. Und dann ist es dem äußeren Geist Not, daß er Wasser ins Feuer gieße, damit er den strengen Geist gefangenhält, und daß er doch nach dem inneren Bildnis (wenigstens) ein Tier ist.

16.10. Und hier ist uns, wenn wir uns in der Vereinigung (der drei Prinzipien) betrachten, der äußere Geist sehr nützlich. Denn viele Seelen würden verderben, wenn es der Tiergeist nicht täte, der noch das Feuer gefangenhält und dem Feuergeist irdische tierische Arbeit und Freude vorstellt, darin er sich doch erlustigen kann, bis er irgendwann durch Wunder sein edles Bildnis in der Imagination wieder erblicken kann, damit er sie wieder sucht.

16.11. Meine geliebten Kinder, die ihr in Gott geboren seid, euch wird gesagt, daß es nicht ohne Ursache geschehen ist, daß Gott Adam den äußeren Geist als das äußere Leben in seine Nase geblasen hat. Es war eine Gefahr in diesem Bildnis, denn Gott wußte, wie es mit Luzifer gegangen war, und was die große ewige Magie vermag. Adam hätte auch ein Teufel werden können, aber der äußere Spiegel verwehrte das, denn wo Wasser ist, löscht es das Feuer.

16.12. Auch würde manche Seele in ihrer Bosheit in einer Stunde ein Teufel werden, wenn dies das äußere Leben nicht verwehrte, so daß sich die Seele nicht ganz entzünden kann. Wie ist mancher so giftig und böse, daß er mordet und übel handelt, aber sein Feuer hat noch Wasser, sonst wäre es bereits geschehen. Wie an der Galle zu sehen ist, die ein feuriges Gift ist, aber sie ist mit Wasser vermengt, so daß die Pracht (und übermächtige Macht) des Feuers gezügelt wird.

16.13. So ist es auch mit dem inneren Wesen: Der Geist dieser Welt hat sich im Abgrund in die Seele geflochten, und er hat in seinem Qual-Quell tödliches Wasser, mit dem er oft die Seele salbt, wenn sie Feuer speien will.

16.14. Aber ganz ohne das Feuer könnte der äußere Geist auch kein Leben haben, so daß er in allen Kreaturen Feuer hat. Aber dieses (ausgespeite) Feuer ist nur der Grimm vom inneren Feuer.

16.15. So verzehrt das innere Feuer Erde und Steine, auch Leib und Blut, sowie das edle Bildnis, wenn es im Willen entzündet wird. Und dafür ist das Wasser eine Arznei, die ihm die Pracht legt, die über die Sanftmut Gottes ausfahren will, wie es Luzifer tat.

17. Frage nach der Gegensätzlichkeit von Geist und Fleisch

Woher kommt und warum gibt es die Gegensätzlichkeit von Geist und Fleisch?

17.1. Mein lieber Herr und Bruder, Ihr wißt ja wohl, daß Feuer und Wasser eine Feindschaft haben, wenn das Feuer Leben ist, dann ist das Wasser sein Töten. Das seht Ihr ja wohl, wenn man Wasser in das Feuer gießt, dann geht die Qualität des Feuers aus, und das Feuer ist wie im Tod.

17.2. Wenn es nun auch im Menschen nicht so ganz im Tod ist, wegen des Lichtes, welches das Feuer immer verursacht, so gibt es doch eine Feindschaft, gleichwie zwischen Gott und der Hölle eine Feindschaft ist, und die Hölle oder das Zornfeuer ist doch Gottes.

17.3. Denn Gottes Majestät wäre nicht, wenn nicht sein Zorn wäre, der das Dunkle und Verborgene der Ewigkeit durch den Grimm der Natur schärft, so daß es in Feuer verwandelt wird, daraus das hohe Licht in der freien Ewigkeit geboren wird, welches in diesem sanften Quell eine Majestät macht.

17.4. Und das Feuer ist doch die alleinige Ursache, daß im Licht in der Sanftmut ein Quellen ist, denn das Licht entsteht vom Feuerglanz und hat des Feuers Qualität in sich.

17.5. Denn wie vorn erklärt, sinkt der Wille mit der Angst in den Tod hinein und grünt in der Freiheit wieder aus, und das ist das Licht mit der Feuer-Qualität. Aber es enthält nun ein anderes Prinzip, denn die Angst ist Liebe geworden.

17.6. So hat es nun auch eine Gestalt im Leib, so daß das Fleisch gegen den Geist streitet, denn das äußere Fleischesleben ist ein Spiegel des allerinnersten Feuerlebens, als der Seele Leben. So ist das Geistleben der Seele mit dem Licht in der Tinktur das mittelste Leben, und wird doch aus der Seele geboren.

17.7. Aber versteht uns hochteuer! Der Seelengeist, darin das göttliche Bildnis steht, entsteht im Feuer und ist erstlich der Wille zum Feuer. Wenn sich aber der Grimm zum Feuer schärft und entzündet, dann kommt der Wille in eine große Angst, gleich einem Sterben, und entsinkt in sich selber aus dem Grimm in die ewige Freiheit. Und das ist doch kein Sterben, sondern aus der ersten Welt wird eine andere.

17.8. Denn der Wille grünt nun in der anderen Welt wie eine Schärfe aus dem Feuer, aber ohne solche Angstqual, in der ewigen Freiheit aus, und ist ein Weben, ein Treiben und ein Erkennen der Angstnatur. Er hat alle Essenzen, die in der ersten scharfen Welt des Feuers in der Angst geboren werden, aber sie sind gleich einem, der aus dem Feuer ins Wasser geht, denn da bleibt (bzw. vergeht) die Angst vor dem Feuer im Wasser.

17.9. So versteht uns! Dieses Leben ist der Seele Geistleben. Die Seele ist das Zentrum der Natur, und der Geist das teure edle Bildnis, das Gott zu seinem Bild erschuf. Hierin steht das hoch-königliche und teure Bildnis Gottes, denn Gott wird auch so und in demselben Lebensquell begriffen.

17.10. Aber der Geist ist nicht von der Seele abgetrennt. Nein, gleichwie ihr seht, daß Feuer und Licht nicht getrennt sind. Doch sie sind auch nicht eins. Es gibt zweierlei Qualitäten, denn das Feuer ist grimmig, und das Licht sanft und lieblich, und im Licht ist das Leben, und im Feuer ist die Ursache des Lebens.

17.11. So könnt Ihr die Ursachen der Gegensätzlichkeit des Fleisches und Geistes gar leicht und ohne viel Suchen finden. Denn der innere Geist hat Gottes Leib aus der sanften Wesenheit, und der äußere Geist hat des grimmen Feuerspiegels Leib, als des Seelenspiegels Leib, der immer die Grimmigkeit erwecken will, als die großen Wunder, die an Verkörperungen der Seele im Verborgenen liegen. Doch dagegen wehrt sich der innere Liebegeist, weil er sich nicht erheben und die Seele entzünden will, sonst würde er seine liebe Wonne und sein (göttlich-ganzheitliches) Bildnis verlieren, denn der Grimm der Seele würde es ihm zerstören.

17.12. So besteht Gegensätzlichkeit, und der innere Geist will Herr sein, denn er zähmt den äußeren. Doch so will auch der äußere Geist Herr sein, denn er spricht: „Ich habe die großen Wunder und das Geheimnis!“ Und er prangt so mit dem Mysterium, und ist doch nur ein Spiegel des Mysteriums. Er ist nicht das Wesen des Mysteriums, sondern eine Sucht, wie ein begreiflicher Spiegel, in dem das Mysterium gesehen wird. Und doch will er Meister sein, weil er ein Prinzip erlangt hat und ein eigenes Leben ist. Aber er ist ein Narr, gegenüber dem Mysterium betachtet.

17.13. Darum, liebe Brüder, wollt ihr das Mysterium suchen, dann sucht es nicht im äußerlichen Geist, sonst werdet ihr betrogen und bekommt nur einen Schein vom Mysterium. Geht hinein bis ans Kreuz, dann sucht das (vollkommene) Gold, und ihr werdet nicht betrogen werden. Ihr müßt das reine Kind ohne Makel in einer anderen Welt suchen, denn in dieser Welt findet ihr nur das rostige (unreine) Kind, das gar unvollkommen ist. Geht es nur richtig an!

17.14. Geht vom Kreuz zurück in die vierte Gestaltung, wo ihr Sonne und Mond ineinander habt, führt es durch die Angst in den Tod, und zertreibt (und durchschaut) den gemachten magischen Leib so weit, bis er wieder das wird, was er vor dem Zentrum im Willen war. So ist er dann magisch und hungrig nach der Natur, denn er ist eine Sucht in der ewigen Sucht, und wollte gern einen Leib haben. Dazu gebt ihm die Sonne zum Leib, als die Seele, dann wird er sich geschwind einen Leib nach der Seele machen, denn der Wille grünt im Paradies mit gar schöner himmlischer Frucht ohne Makel.

17.15. Da habt ihr das schöne edle Kind, ihr Geizhälse! Auch euch müssen wir es sagen, weil es mit geboren wird, und wollen doch hiermit nur den unseren verständig sein. Denn wir meinen nicht einen Spiegel oder Himmel, sondern das (reine) Gold, mit dem ihr prangt, und das so lange Zeit euer Abgott gewesen ist. Das ist geboren, und sticht der blinden Kuh die Augen vollends aus, so daß sie noch weniger sieht als vorher. Doch die (reinen) Kinder sollen sehen, essen und satt werden, so daß sie Gott loben.

17.16. Wir reden hier wunderlich, aber nur das, was wir sollen. Und dessen verwundere sich niemand, daß wir das Mysterium kennen, das wir nie gelernt haben. Wächst doch ein Kraut auch ohne euren Rat und fragt euch nicht nach der Kunst. So ist auch das Mysterium ohne eure Kunst gewachsen. Es hat seine eigene Schule, ähnlich wie die Apostel am Pfingsttag, die ohne Vorwissen der Kunst mit vielen Sprachen und Zungen redeten. So ist diese Einfalt.

17.17. Das sei dir, Babel, ein Vorbote deines Untergangs, damit du es weißt, und es hilft dir weder Grimm noch Zorn. Der Stern ist geboren, der die Weisen aus dem Morgenland führt. Suche dich nur, wo du bist, und finde dich, und wirf die Verwirrung von dir ab, dann wirst du mit den Kindern leben. Das sagen wir ohne Scherz. Es gibt keinen anderen Rat, denn dein Zorn ist dein Feuer, das dich selber verschlingen wird.

17.18. Oder meinst du, wir sind blind? Wenn wir nicht sähen, dann schwiegen wir doch. Denn was könnte Gott für Gefallen an der Lüge haben? Und wir würden auch in der Verwirrung gefunden, die aller Menschen Wesen und Werke durchsucht. Oder dienen wir damit für Lohn? Ist es unsere Nahrung? Warum bleiben wir nicht am Brot nach unserem äußeren Verstand? Doch wenn es unser Tagewerk ist, dann sollen wir tun, was der Vater will, denn wir müssen am Abend Rechenschaft darüber geben. Das sagen wir teuer ohne Scherz.

17.19. So könnt Ihr ja die Gegensätzlichkeit des Geistes und Fleisches verstehen, und erkennt wohl, wie zwei Geister ineinander sind und einer gegen den anderen streitet. Denn einer will Gott haben, und der andere will Brot haben, und beide sind nützlich und gut.

17.20. Doch, oh Menschenkind, laß es dir gesagt sein, führe dein Leben vorsichtig! Laß den Geist der Seele Herr sein, dann wirst du hier gar wohl gefochten haben, denn hier ist nur eine kurze Zeit, in der wir im Acker und Wachsen stehen. So sehe jeder zu, was er für Früchte tragen will, denn am Ende der Ernte wird einem jeden Werk sein Behälter gegeben.

17.21. Deshalb ist es besser, eine kleine Weile in Mühe und Kummer im Weinberg zu arbeiten und auf den großen Lohn der Glückseligkeit zu warten, als hier eine kleine Zeit ein König zu sein, aber danach wie Wölfe, Löwen, Hunde, Katzen, Kröten, Schlangen oder Würmer in der Bildung.

17.22. Oh Menschenkind, bedenke es! Sei doch gewarnt, denn wir reden gar teuer aus einem wunderlichen Auge. Ihr werdet es bald erfahren, es ist nur noch eine kleine Zeit, denn der Anfang hat schon das Ende gefunden, und dies ist ein Röslein aus dem Anfang. Werdet doch sehend, tut doch den Geiz aus den Augen, oder ihr werdet weinen und heulen, und niemand wird sich eurer erbarmen. Denn was einer sät, das erntet er auch. Was hilft euch die Pracht und Ehre, wenn es doch von euch abfällt? Hier seid ihr sehr mächtig, aber werdet danach machtlos. Ihr seid von Gott, und lauft selber zum Teufel. Erbarmt euch doch über euer Leben und über euer schönes Himmelsbildnis!

17.23. Ihr seid doch Gottes Kinder, werdet keine Teufel! Laßt euch von den Scheinheiligen mit ihrem Loben nicht aufhalten, denn sie tun es um des Bauches, der Ehre und des Geldes willen. Sie sind die Diener der großen Babel. Sucht euch selber, fragt euer Gewissen, ob es in Gott sei! Das wird es euch wohl klagen und sagen. Treibt die Heuchler von euch, und sucht das klare Angesicht Gottes. Seht nicht durch den Spiegel! Ist doch Gott vor euch und in euch. Beichtet Ihm, und kommt mit dem verlorenen Sohn zu Ihm. Niemand sonst kann die Verwirrung von euch nehmen. Ihr müßt nur durch den Tod in eine andere Welt gehen, wo eure Heuchler nicht hinkönnen, anders ist keine Vergebung der Sünden möglich. Wenn ihr dem Heuchler alles gebt, dann seid ihr einmal wie das andere in der Verwirrung gefangen.

17.24. Es ist nicht so, daß da einer steht und die Verwirrung von euch wegnimmt, wenn ihr ihm nur gute Worte gebt. Nein, nein, es ist magisch: Ihr müßt anders geboren werden, wie Christus sagt, sonst erreicht ihr Gott nicht, was immer ihr auch tut, denn alle Heuchelei ist Betrug.

17.25. Wollt ihr Gott dienen, dann muß es im neuen Menschen geschehen. Der irdische Adam kann ihm keinen Dienst tun, der ihm angenehm wäre. Er singe, klinge, rufe, schreie, bete oder was er alles tun kann, es ist doch nur ein Spiegelfechten. Denn der Wille muß darin sein, und das Herz muß sich dahinein ergeben, sonst ist es Tand (interessantes, aber nutzloses Zeug) und eine Phantasiegeschichte des Antichristen, der die ganze Welt erfüllt.

17.26. Der Wille ist größer und mächtiger als viel Geschrei. Er kann die Verwirrung zerstören und in das Bildnis Gottes eintreten. Er hat die Macht, Gottes Kind zu werden, kann Berge versetzen und Tote auferwecken, wenn er in Gott geboren ist und es ihm der Heilige Geist zuläßt.

17.27. Aber er muß im Gehorsam in großer Demut wandeln und seinen Willen nur in Gottes Willen werfen, daß Gott in ihm das Tun und Wollen sei. Das ist der Weg zur Seligkeit und zum Himmelreich, und kein anderer. Wer anderes predigt, sei es auch der Papst oder ein Doktor, dann ist es erlogen und ein scheinheiliges Spiegelfechten.

18. Frage nach dem Abscheiden der Seele im Tod

Wie scheidet sich die Seele im Tod des Menschen vom Leib?

18.1. Hier wollen wir die Welt zu Gast geladen haben, besonders Babel, die Hure, ob doch noch ein (göttliches bzw. ganzheitliches) Kind aus ihr werden könnte, denn der Tod ist ein Schreckensgast, der den stolzen Reiter mit dem Roß zu Boden wirft.

18.2. Mein geliebter Freund, das ist eine gar scharfsinnige Frage, und bedarf der Augen aller drei Prinzipien, die wohl sehen. Sie dürfen nicht im Tod sterben, wenn sie hineingehen und dies sehen. Sie müssen dem Tod ein Gift sein, und der Hölle eine Pestilenz. Und sie müssen den Tod gefangennehmen, wenn sie ihn schauen wollen, sonst erfährt es kein Verstand, er komme denn selber in den Tod, denn dann wird er es wohl fühlen, was Tod ist, und er wird es wohl schmecken, was es ist, wenn ein Prinzip als ein Leben zerbricht.

18.3. Ihr habt ja oben vernommen, wie alle Wesen magisch sind, weil je eines des anderen Spiegel ist, wo im Spiegel wieder das Begehren des ersten Spiegels eröffnet wird und zum Wesen kommt, und dann auch, wie in allen Wesen die Verwirrung sei, die alles zerbricht, bis auf das erste Wesen, das allein besteht und keinen Zerbrecher hat. Denn es ist nichts mehr und kann nicht zerbrochen werden, denn es steht in sich und außer sich, und geht wohin es will. So ist es überall und an keinem Ort, denn es ist im Abgrund (dem grundlosen Grund), wo keine Stätte der Ruhe ist, sondern es kann nur in sich selber ruhen.

18.4. Wenn nun alle Wesen aus Einem gekommen sind, dann ist auch der Anfang im letzten Wesen, denn das Letzte ist wieder zurück in das Erste gewandt und sucht das Erste, und findet es in sich. Und wenn es das Erste findet, dann läßt es das andere alles fahren und wohnt am Ziel, wo es ohne Qual-Qualität sein kann. Denn da ist nichts, das ihm irgendeine Qualität mache, weil es selber das Ding des ersten Wesens ist. Und wenn da auch etwas anderes wäre, dann ist es doch nur sein Zweig, und hat sonst keinen als seinen Willen, denn da ist nichts, das einen anderen Willen geben könnte.

18.5. So geben wir Euch das Sterben zu verstehen: Der Anfang sucht das Ziel, und wenn er es findet, dann wirft er das Suchen weg. Und das ist das irdische Leben, das weggeworfen wird und sich selber zerbrechen muß. Denn der Anfang als die Seele bleibt im Ziel und läßt den Leib hinfallen, und keine Klage ist um ihn. Die Seele begehrt ihn auch nicht mehr, denn auch er muß in sein Ziel gehen, nämlich in die Wunder dessen, was er gewesen ist.

18.6. Dem Seelengeist geschieht kein Leid, wenn der Leib hinfällt, aber dem Feuerleben geschieht das Leiden. Denn die Materie des Feuers, die das Feuer geboren hat, bricht ab, aber nur im (äußeren) Wesen.

18.7. Die Bildung bleibt im Willen bestehen, denn der Wille kann nicht zerbrechen, und so muß die Seele im Willen bleiben, nimmt die Bildung anstatt Materie und brennt im Willen. Denn die erste (ursprüngliche) Glut des Feuers vergeht nicht, aber seine Materie des irdischen Lebens wird ihm abgebrochen, nämlich das „Phur“ (das „Körperliche“ vom Sulphur).

18.8. So wird das Feuer ohnmächtig und tritt in die Finsternis ein. Es sei denn, daß der Geist himmlische Wesenheit hat, nämlich Gottes Leib, denn dann empfängt das Feuer als wahre Seele diesen sanften Leib zu einem Sulphur (einer „Körperseele“), und so brennt die Seele im Liebefeuer und ist ganz vom ersten Feuerleben weg.

18.9. Sie ist nun im Prinzip Gottes, und das erste grimmige Feuer kann sie in Ewigkeit nicht mehr berühren, denn es hat eine andere Qualität empfangen und ist wohl wahrhaft neugeboren, und weiß nichts mehr vom ersten Leben, weil dieses in der Magie verschlungen ist.

18.10. Und vom irdischen Leib bleibt die Verwirrung, und wird wieder das, was sie war, bevor der Leib wurde, nämlich ein Nichts, eine Magie, darin alle ihre Wesen in der Bildung wie in einem Spiegel stehen, aber nicht leiblich, sondern nach Art der Ewigkeit. Wie wir auch erkennen, daß alle Wunder dieser Welt in einem Mysterium standen, nämlich in der Jungfrau der Weisheit, aber ohne (greifbares) Wesen.

18.11. So erkennen wir nun hier auch, wie dieses (ganzheitliche) Mysterium in seiner Teilung so offenbar geworden ist, daß es in Ewigkeit nicht erlöschen kann, sondern es bleibt ewiglich im Unterschied und in der Teilung bestehen, und wird in der Magie in der Teilung gesehen, in gleicher Art, wie es sich hier geformt hat.

18.12. So ist uns erkenntlich, was das Scheiden (von Seele und Leib) sei, nämlich dies: Die Verwirrung hat das Ziel des Wesens gefunden, denn die Krankheit zum Sterben ist nichts anderes, als daß sich die Verwirrung entzündet hat und das Wesen zerbrechen will. Sie ist am Ziel und will das eingeführte Mittel wegwerfen, und das ist es auch, wenn der Leib stirbt.

18.13. Die Verwirrung tritt in sich selbst ins Feuer, und so erlöscht das äußere Leben, denn ihm wird das Seelenfeuer entzogen. Dann geht es in seinen Äther (den „Raum der Information“) und ist an seinem Ziel.

18.14. Und wenn nun das Seelenfeuer nicht Gottes Leib im Geist hat, und auch nicht im Willen und im Begehren, dann ist es ein finsteres Feuer, das in Angst und großen Schrecken brennt, denn es hat nur die ersten vier Gestaltungen der Natur in der Angst (ohne die ganzheitliche Liebe entwickelt zu haben).

18.15. Denn wenn der Wille nichts von der Kraft der Demut hat, dann geschieht kein unter sich oder in sich Entsinken durch den Tod ins (ewige) Leben, sondern es gleicht einem ängstlichen unsinnigen Rad, das immer über sich gehen will, und geht doch auf der anderen Seite unter sich. Es ist eine Art des Feuers, aber hat doch kein Feuerbrennen, denn die Verwirrung ist gar strenge Herbigkeit und Bitterkeit, darin die Bitterkeit immer das Feuer sucht und anzünden will, aber die Herbigkeit hält es gefangen, so daß es nur eine schreckliche Angst ist. Und so geht es immer wie ein Rad in sich selber, und imaginiert, aber es findet nichts, als sich selber, denn es zieht sich selber in sich und schwängert sich. Es frißt sich selber, und ist selber sein Wesen. Es hat sonst kein Wesen, als nur dieses, was der Seelengeist im äußeren Leben immer gemacht hat, nämlich Geiz, Hochmut, Fluchen, Schwören, Schinden, Nachreden, Verleumden, Neid, Haß, Grimm, Zorn und Falschheit. Darin bestehen seine Speise und Kurzweil, seine Verbringung, denn die Verwirrung nimmt das Wesen im Willen mit. Und so folgen ihnen ihre Werke nach.

18.16. Und wenn es auch etwas Gutes gemacht hätte, dann ist es doch nur im Glanz und Schein geschehen, aus einem ruhmhaften Gemüt. So steht es auch danach immer im Aufsteigen, und erhebt sich immer, will immer über die Sanftmut hinaus, und erkennt sie doch nicht, und sieht sie auch nicht. Es ist ein stetiges über Gott Erheben, und doch nur ein ewiges Sinken. Es sucht den Grund, wo keiner ist, und das ist sein Leben.

18.17. Wenn er aber in seinem Willen noch etwas Reines von der Liebe ergriffen hat, wie mancher, der sich doch am Ende noch bekehrt, dann entsinkt er damit in sich selber durch die Angst. Denn das demütige Fünklein geht unter sich durch den Tod ins Leben, weil ja der Seele Qual ein Ende nimmt, aber es ist ein kleines Zweiglein, das im Reich Gottes grünt.

18.18. Doch was die Seele für ein Fegefeuer habe, ehe sie mit dem Fünklein in sich einzugehen vermag, ist nicht genügend zu beschreiben, nämlich wie sie dann vom Teufel gehalten und geplagt wird, welches die kluge Welt nicht glauben will, denn sie ist zu klug und auch gar zu blind, sie versteht es nicht und hängt nur am Buchstaben. Ach, wollte doch Gott, es erführe keiner, dann wollten wir gern schweigen.

18.19. Wir sprechen aber von keiner fremden Qual, sondern nur von der, welche in der Verwirrung liegt, und auch von keiner anderen Macht des Teufels über die arme Seele, als nur sein Schrecken und greuliches Vorstellen, so daß die Imagination der Seele genug darin gequält wird.

18.20. So hat es mit der Hölle noch lange nicht die Bewandtnis, wie es Babel lehrt und sagt, der Teufel schlage und peinige die Seele, denn das ist gar blind geredet. Denn der Teufel ist mit seinen Kindern nicht selbst uneins (und von ihnen getrennt), sondern sie müssen alle seinen Willen tun. Der Hölle Angst und Schrecken ist ihnen Plage genug, einem jeden in seinem Greuel. Und ein jeder hat seine eigene Hölle, denn es ist sonst nichts, das ihn ergreift, als sein eigenes Gift.

18.21. Die vierte Gestaltung des Ursprunges der Natur ist die allgemeine Qual, die einer nach seiner Verwirrung fühlt, und jeweils einer anders als der andere. So hat ein Geiziger Frost, ein Zorniger Feuer, ein Neidiger Bitterkeit, ein überheblich Stolzer das Fliegen und ewige Sinken und Fallen in den Abgrund, ein Lästerer frißt die Verwirrung seiner ausgeschütteten Greuel in sich, und ein falsches verleumderisches Herz hat die vierte Gestaltung als die große Angst. Denn die Verwirrung steht im Feuerkreis im Herzen der Seele, und die falschen Reden, die Lügen und Untreue sind ein Greuel und Nagen, ein in sich Verfluchen und so fort.

18.22. Ein Gewaltiger, der den Elenden bedrängt und ihm seinen Schweiß im überheblichen Stolz verzehrt hat, der reitet im Fluch des Elenden im vollen Feuer, denn des Elenden Nöte stehen alle in ihm. Er hat keine Ruhe, und sein Stolz steigt immer auf, denn er tut in seinen Gebärden, wie er hier getan hat, sucht immer und darbt doch an allem. Was hier zu viel war, hat er dann zu wenig. Er frißt sich immer um das Wesen und hat keines, denn es ist magisch. Er hat sein wahres Bildnis verloren, und hat vielleicht das Bildnis eines stolzen Rosses oder womit er hier umgegangen ist, denn was er in seinem Willen mitnimmt, das ist sein Bildnis. Wo sein Herz ist, da ist auch sein Schatz, und das ist seine Ewigkeit.

18.23. Oh Fritz, ahnst du nun, was das Jüngste Gericht mitbringen wird, wenn alles durch das Feuer gehen soll, die Scheune gefegt wird und ein jeder seine Stelle bekommt? Davor erzittern sogar die Teufel.

19. Frage nach der Sterblichkeit der Seele

Ist die Seele sterblich oder unsterblich?

19.1. Was einen ewigen Anfang hat, das hat auch ein ewiges Ende, wie auch die Essenz der Seele ist.

19.2. Was also das Bildnis anbelangt, das Gott erschuf und einen zeitlichen Anfang hat, das ist aus dem Ewigen geboren und wird in das ewige Wesen ohne Qualität (bzw. Eigenschaft) gesetzt.

19.3. Wo keine Qualität ist, da ist auch kein Tod. Und wenn auch eine Qualität ist, wie im Himmel eine Qualität besteht, dann ist es in einem einzigen Willen, und der gründet sich in der Ewigkeit. Es ist also nichts, das ihn findet, und so kann auch nichts dahineinkommen.

19.4. Wo nur ein einziger Wille ist, wie in Gott, der Alles in Allem ist, da ist nichts mehr, das den Willen finden kann, und so gibt es hier auch keine Verwirrung, denn der Wille begehrt nichts mehr, als nur sich und seine Zweige, welche alle in einem einzigen Baum stehen, in einer einzigen Essenz, und dieser Baum ist selbst sein Anfang und auch selbst sein Ende.

19.5. Die Seele ist aus Gottes Mund ausgegangen und geht im Sterben des Leibes wieder in Gottes Mund ein. Sie ist im Wort das Wesen, und im Willen das Tun. Wer will nun den beschuldigen, der ein Ding in seinem Leib hat, wie die Seele, die in Gottes Leib ist? Sie ist vor allem Übel in Gott verborgen, wer will sie finden? Niemand als Gottes Geist, und eine Seele die andere, und eine Gemeinschaft der Engel.

19.6. Aber die Seelen der Gottlosen haben ihr Bildnis im Ziel verloren, denn sie sind in ein Ziel eingegangen, und das Ziel ist das Ende des Bildnisses. Die Verwirrung zerstört das erste Bildnis und zieht dem Willen sein Wesen zu einem Bildnis an, das auch unsterblich ist, denn die ewige Natur stirbt nicht, denn sie kommt von keinem Anfang. Wenn die ewige Natur im Zornfeuer stürbe, dann verlösche auch Gottes Majestät, und aus dem ewigen Etwas würde wieder ein ewiges Nichts. Das kann nun nicht sein, denn was von Ewigkeit ist, das bleibt ewig.

19.7. Die falsche (verkehrte) Seele kann keine andere Qualität erwecken, als nur diese, welche seit Ewigkeit im Zornauge als im Zentrum der Natur stand. So ist alles seit Ewigkeit gewesen, aber essentiell in der Essenz, nicht im Wesen der Essenz. Also keine wesentlichen (greifbaren) Geister, aber gebildete Geister ohne Verkörperung sind seit Ewigkeit gewesen, nämlich in einer Magie, weil eines das andere in die Magie verschlungen hat.

19.8. So ist aus den Zweien das Dritte geworden, entsprechend dieser Gestalt der Beiden. Und seit Ewigkeit ist ein Regen gewesen und ein gebildetes Wesen, und die Schöpfung hat alles in das Wunder gesetzt, so daß nun in der ewigen Magie und in Ewigkeit alles im Wunder steht.

19.9. Wenn nun die Seelen der Gottlosen kein Wesen in ihren Willen hineingeführt hätten, dann wäre auch kein Leid darin, denn es wäre keine Empfindlichkeit, sondern Magie.

19.10. Aber so ist das Wesen ein Bildnis geworden, das in der Verwirrung steht, und so ist es eine empfindliche Qual-Qualität. Es ist ein Sterben, und doch kein Sterben, sondern ein Wille des Sterbens als eine Angst in demselben Wesen, das in den Willen hineingeführt worden ist.

19.11. Und das verursacht es, daß sich alles nach Gott sehnt, aber ihn nicht erreichen kann, und daß macht Angst und Reue über die eingeführte Bosheit, wenn die Seele je gedenkt: „Hättest du doch dieses oder jenes nicht getan, dann könntest du zu Gottes Huld kommen!“ Und das bösartige Wesen bewirkt den ewigen Zweifel.

19.12. Also sagen wir, daß keine Seele stirbt, sei sie in Gott oder in der Hölle, denn ihr Wesen bleibt ewig zu Gottes Wunder bestehen.


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