45. Sendbrief an Christian Bernhard, 13.10.1623

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

45.1. Vielgeliebter Herr, Bruder Christian, ich wünsche Euch Gottes wirkende Kraft, damit der Quellbrunn im Leben Jesu Christi in Euch reichlich quellen möge und eure Seele darin stets erlabt werde und dieses heilige Wasser trinken möge, auch darin wachsen, grünen und viele gute Früchte tragen, nebst leiblicher Wohlfahrt! Und erfreue mich Eurer glücklichen Ankunft, daß Euch Gott mit Gesundheit wieder nach Hause geholfen hat.

45.2. Gottlob sollt ihr auch mich noch in guter Gesundheit und in meinem Talent wirkend wissen, denn Gott hat mir seine Gnadentür immer mehr und mehr aufgetan, und nicht allein mir, sondern auch vielen anderen, welche diese Schriften zu lesen bekommen, denen Gott ihre Herzen berührt, so daß sie in die Buße und Bekehrung getreten sind und in sich selbst zu innerlicher göttlicher Beschaulichkeit kommen und begehren, das Kleid der Sünde und Unreinheit abzuwerfen und Christus im Leben und Willen nachzufolgen.

45.3. Wie mir erst vor wenigen Tagen eine solche Umkehr von zwei Personen (welche doch in der Welt hoch sind und zuvor die Welt geliebt haben) vorgestellt worden ist, an denen ich die neue Geburt in großer Kraft und im Triumph göttlicher Erkenntnis in solcher Demut und süßem Aussprechen gesehen habe, daß ich dergleichen von meiner Kindheit an niemals gesehen habe, außer was Gott an mir armen Menschen selbst bewirkt hat. Welches mir fast unglaublich wäre, wenn ich solches nicht selbst empfunden und auch dergleichen gehabt hätte.

45.4. Wie sich dann der eine nach seinem irdischen Weltwesen selber verschmäht und seinen gewesenen Wandel vernichtet hat, welcher auch so tief in die Gelassenheit und Buße entsunken ist, daß er sich zu unwürdig achtete, sein Gebet vor Gott auszuschütten, sondern sich wie tot und allzu unwürdig erachtet und in Gottes Erbarmen fiel, was dieser durch und mit ihm tun wolle, so daß er selbst durch ihn beten und Buße wirken möge. Er sei zu solcher Erhebung oder Begehrung zu unwürdig, darauf ihm alsbald die göttliche Sonne eingeschienen und durch seinen Mund über drei Stunden nicht anderes gesprochen wurde, als nur solche Worte wie „Gott, Kot, Gott, Kot“, und er sich vor Gott wie Kot erachtete. In welchem Aussprechen in ihm die göttliche Sonne des Freudenreichs und der großen Erkenntnis aufgegangen ist und ihm sein Herz und Gemüt ganz umgekehrt und erneuert hat.

45.5. Darauf ist er zusammen mit einem ähnlichen Menschen zu mir gekommen, an dem ich die gleiche Umkehr gesehen und mich dessen hoch erfreut habe, dieweil er auch durch mein Büchlein „Von der Buße“ dazu gebracht wurde. Wie dann an anderen mehr in kurzer Zeit dergleichen auch geschehen ist, daß ich also mit großer Verwunderung sehe, wie sich die Tür der Gnade so mächtig bewegt und in jenen eröffnet, denen es ernst ist, wie mir schon lange zuvor angezeigt worden ist.

45.6. Welches ich Euch, mein geliebter Herr Bruder, mit guter Wahrheit vor Gottes Augen darum beschreibe und andeute, weil ihr einer unter den Erstlingen seid, dem dieses Talent durch göttliche Schickung zu Händen gekommen ist, welches ihr auch mit Freude angenommen und viel Mühe damit gehabt, ob Euch nicht auch nach einem solchen, wie oben von diesen zwei Personen beschrieben, gelüstet und Ihr so dahin wirken möchtet, von Gott ein solches zu empfangen, welches mir dann eine große Freude in meinem Geist sein würde. Obwohl sich ein Mensch nicht vornehmen soll, etwas von Gott nach seinem Willen zu empfangen, sondern sich nur so in Gottes Willen zu versenken wie genannte Person, damit Gott mit ihm tue, wisse und wolle und ihn so erleuchte und führe, wie er wolle. Daran wollte ich Euch in Liebe erinnern, denn ich weiß wohl, daß sich auch eure Seele neben ihnen und mir daran erfreuen wird.

45.7. Mehr noch sage ich Euch, daß Gott auch etliche Pharisäer (welche zuvor solche waren und über mich gelästert haben) bekehrt und zum Licht gebracht hat, so daß sie diese Schriften begehren und lesen und nunmehr die neue Geburt und Erneuerung im Geist Christi lehren und allen Zank für Kot und untüchtig erachten und lehren, sondern die Menschen auf das Leben Christi weisen. Wie auch diese Schriften neulich von hohen Potentaten (Herrschern) begehrt und nachgeschrieben wurden, so daß zu hoffen ist, der Tag werde bald anbrechen.

45.8. Denn es finden sich auch jetzt (ein Teil) unserer Gelehrten dazu und belieben es sehr, mit denen ich viel Konversation habe. Das melde ich Euch zur Nachricht, weil mir wohl bewußt ist, daß auch bei Euch der Wolf hinter dem Lamm steht und es fressen will. So seid nur getrost und helft beten und wirken! Unser Lohn wird uns im Paradies gegeben werden. Hier sollen wir keinen Lohn begehren, denn wir sind Christi Reben an seinem Weinstock und sollen ihm gute Früchte gebären, welche er selbst durch uns wirkt.

45.9. Gott wird uns wohl Bauchfülle geben. Laßt uns nur am Wenigen genügen! Er wird für uns sorgen, auch wenn es sich oft trübselig anläßt, so wird es doch zum guten Ende kommen. Und wenn wir auch um seiner Erkenntnis willen Schmach und Armut erleiden müssen und sogar das zeitliche Leben dafür lassen sollten, so muß doch Gottes Kindern alles zum Besten dienen. Denn es währt hier nur eine kurze Zeit, und darauf folgt unsere Einernte dessen, was wir hier ausgesät haben.

45.10. Euren Herrn Bruder, den Konrektor, bitte ich von mir mit dem Gruß unseres Herrn Jesu Christi zu grüßen, sowie alle, die mich in Liebe kennen und die Wahrheit lieben, mit denen ihr bekannt seid und zu tun habt. Ich empfehle Euch samt ihnen der sanften Liebe Jesu Christi.

Euer in Liebe dienstwilliger J. B.

72. Sendbrief an Christian Bernhard, 28.10.1623

(Die Briefe 67-74 stammen aus der Ausgabe von 1730 und wurden dort speziell als Zugabe ausgewiesen. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung aus den Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Am Tag von Simon und Judas, 1623.

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

72.1. Geliebter Herr Christian! Nebst Wünschung göttlichen Heils übersende ich Euch beigefügte Schreiben, wie ich Euch vor acht Tagen im Schreiben angekündigt habe, und bitte, mir sie doch zu Herrn Gersdorff nach Weichau zu befördern. Und wie gesagt, wenn Herr Gersdorff den Boten nicht zahlt, dann verlegt es nur und meldet es mir, wieviel es ist, dann soll es bald erstattet werden.

72.2. Habt Ihr aber selber die Gelegenheit, mit Euren abgeschriebenen Büchern nach Glogau zu reisen, dann übergebt nur Herrn Dr. Freudenhammer die Briefe, außer daß ihr einen zu Beuthen bei Herrn Kaspar Lindner laßt. Die anderen werden alle Herrn Freudenhammer übergeben. Ich habe ihm geschrieben, die anderen zu befördern.

72.3. Und wie vor acht Tagen gemeldet, so nehmt bei Herrn Gersdorff das Buch „Von der Gnadenwahl“ zu Euch und bei Herrn Kaspar Lindner, das gegen Stiefel (die Apologie) und bei Herrn Freudenhammer drei Bücher. Auch sollen drei Traktätlein als das „Von der Buße“, „Von der neuen Geburt“ und „Von der Gelassenheit“ bei Herrn Freudenhammer abgefordert werden, welche Herr Friedrich Kregewitz innehat. Wenn ihr diese bekämt, dann wollt sie alle zu Euch nehmen.

72.4. Und wenn Euch davon etwas mangelte, dann mögt ihr es abschreiben, wenn ihr wollt, und mir baldmöglichst zurückschicken. Eure abgeschriebenen Bücher sollte eigentlich, nach meinem Bedünken, Herr Jakob Johann Huser erhalten, Münzmeister zu Glogau, dessen Euch Herr Freudenhammer Bericht geben wird. Denn er bat mich damals sehr, als ich bei ihm war, ich wollte sie ihm doch nachschreiben lassen, und er wollte auch gerne bezahlen. Und so wird es ihm wohl ein Dienst sein, denn er wollte Euch zu solchem Nachschreiben bitten, wenn ihr nicht weggezogen wärt.

72.5. Auch sind ihrer mehr zu Glogau, welche sie begehren, wo Euch Herr Freudenhammer natürlich helfen wird. In dem Fall, wenn ihr diese vereinzeln wollt und nicht alle beieinander lassen, dann werden ihrer zwei, nämlich die „Vierzig Fragen“ und dann die drei Teile „Von Christi Menschwerdung“, als den ersten und zweiten Teil samt dem Baum des christlichen Glaubens, hier bei uns begehrt. So schickt mir sie nur.

72.6. Könnt ihr diese aber miteinander vertun, dann tut, was Euch beliebt. Ich habe Herrn Freudenhammer und Herrn Huser darum geschrieben. Habt ihr aber Zeit, etwas mehr zu schreiben, dann meldet mir das. Ich will Euch wohl zu tun geben, denn ich weiß ihrer mehr, welche sie begehren, besonders meine letzten Schriften.

72.7. Was es nun ist oder wo diese Briefe geblieben sind, das meldet mir bitte. Wenn nicht, dann sendet sie nur allesamt Herrn Gersdorff. Den Boten zahle ich von allen Briefen, die ich Euch sende und je zur Nachricht gesendet habe, auch künftig so.

Uns in die Liebe Jesu Christi empfehlend! Euer in der Liebe Christi dienstwilliger Teutonicus.

46. Sendbrief, 1623

Der Brunnquell des Herzens Jesu Christi sei unsere Erquickung, Erneuerung und ewiges Leben!

46.1. In Christus geliebter Herr und Freund! In brüderlicher Pflicht, wie es ein Ast am Baum dem anderen zu tun schuldig ist, wünsche ich Euch in mitwirkender Begierde den offenen Gnaden-Brunnquell, welchen Gott durch Jesus Christus in unserer Menschheit offenbart hat, daß dieser in Euch reichlich quelle und dadurch die göttliche Sonne ihre Liebestrahlen in die Seele hineinführe und den großen magischen Hunger der Seele nach Christi Fleisch und Blut als den wahrhaft göttlichen Mund hiermit erwecke und auftue, nebst auch leiblicher Wohlfahrt.

46.2. Nachdem ich schon öfters von Eurem lieben Freund Herrn Dr. K. vernommen habe und dann auch in meiner Gegenwart so bemerkt, daß ihr im Zug Gottes des Vaters zu seinem Leben, welches er in Jesus Christus aus seiner höchsten Liebe offenbart hat, einen besonderen Durst und sehnliches Verlangen tragt, so habe ich es aus brüderlicher Pflicht nicht unterlassen wollen, auf Begehren des Herrn Doktors und dann auch des Herrn selbst, den Herrn mit einer kurzen Epistel (eines Lehrbriefes) zu ersuchen, um mich etwas in diesem Brunnquell des Lebens Jesu Christi mit dem Herrn zu erquicken und zu ergötzen, zumal es mir reine Freude gibt, wenn ich vernehme, daß unser paradiesischer Perlenbaum in meinen Mitbrüdern grünt und Frucht zu unserer ewigen Glückseligkeit wirkt.

46.3. Und ich will dem Herrn hiermit aus meinen wenigen Gaben und Erkenntnissen andeuten, was ein Christ sei und warum er ein Christ genannt werde. Nämlich daß nur der ein Christ sei, der dieses hohen Titels in sich selbst fähig geworden ist, der sich mit innerlichem Grund, Gemüt und Willen zu der geschenkten Gnade in Jesus Christus hineingewandt hat und im Willen seiner Seele wie ein junges Kind geworden ist, das sich allein nach der Mutterbrust sehnt, das einen Durst nach der Mutter hat und an der Mutterbrust saugt, davon es lebt.

46.4. So ist auch dieser Mensch allein ein Christ, dessen Seele und Gemüt wieder in die erste Mutter eingeht, daraus des Menschen Leben entsprossen ist, als in das ewige Wort, welches sich mit der wahren Milch des Heils in unserer an Gott blinden Menschheit offenbart hat, und diese Muttermilch in seine hungrige Seele trinkt, davon die neue geistige Menschheit entsteht, mit welcher die feurige Seele aus der Eigenschaft des Vaters die Stätte der Liebe Gottes erlangt, darin der Vater seinen Sohn gebiert. Und allein darin wird der Tempel des Heiligen Geistes gefunden, der in uns wohnt, und allein darin wird auch der geistige Mund der Seele verstanden, welcher Christi Fleisch ißt und sein Blut trinkt.

46.5. Denn nur der ist ein Christ, in dem Christus wohnt, lebt und ist, in dem Christus nach dem innerlichen Grund der Seele und des in Adam verblichenen himmlischen Wesens auferstanden und lebendig geworden ist, der da Christi Sieg gegen Gottes Zorn auch Hölle, Teufel, Tod und Sünde (als Christi Menschheit, Leiden, Sterben und Auferstehung) in seinem innerlichen Grund angezogen hat, darin des Weibes Samen als Christus in seiner Überwindung auch in ihm überwindet und der Schlange im bösartigen Fleischeswillen täglich den Kopf zertritt und die sündhaften Gelüste des Fleisches tötet.

46.6. Denn allein in Christus werden wir zur göttlichen Kindschaft als Erben Christi angenommen, nicht durch einen äußerlichen fremden Schein einer absonderlichen Gnaden-Annehmung durch einen fremden Verdienst einer zugerechneten Gnade von außen, sondern durch eine kindliche, innewohnende, brüderliche und essentielle Gnade, darin der Todesüberwinder als Christus mit seinem Leben, Wesen und Kraft in uns von unserem Tod aufersteht und in uns herrscht und wirkt als eine Rebe an seinem Weinstock, wie die Schrift der Apostel durch und durch bezeugt.

46.7. Nicht ist das ein Christ, der sich nur des Leidens, Sterbens und der Genugtuung Christi tröstet und sich diese als ein Gnadengeschenk zurechnet, aber unwiedergeboren ein wildes Tier bleibt. Ein solcher Christ ist ein jeder gottloser Mensch. Denn ein jeder will gern durch eine Gnadenschenkung selig werden. Es wollte auch wohl der Teufel durch so eine von außen angenommene Gnade gern wieder ein Engel sein.

46.8. Aber daß er umkehren soll und wie ein Kind werden und aus Gottes Gnadenwasser der Liebe und dem Heiligen Geist neugeboren werden, das schmeckt ihm nicht, und so auch dem Titel-Christen nicht, der zwar den Gnadenmantel Christi über sich nimmt, aber in die Kindheit und neue Geburt nicht eingehen mag. So sagt aber Christus, anders kann er das Reich Gottes nicht sehen.

46.9. Denn was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch (Joh. 3.6) und kann Gottes Reich nicht erben. Fleischlich gesinnt sein ist eine ewige Feindschaft gegen Gott. Aber geistig gesinnt sein ist Leben und Frieden. Und nur der hört Gottes Wort, der aus Gott geboren ist, denn nur der Geist der Gnade in Christus hört Gottes Wort.

46.10. Denn niemand hat Gott je gesehen. Allein der Sohn, der in des Vaters unermeßlichem Schoß ist, verkündigt uns Gottes Wort und Willen in uns selbst (Joh. 1.18), so daß wir seinen Willen und sein Wohl-Wollen in uns hören und verstehen und demselben gern nachfolgen wollen. Aber wir werden oft vom äußerlichen sündhaften Fleisch gehalten, so daß die Wirkung dieser göttlichen Kraft nicht allemal in die äußerliche Bildung geht, aber sie geht in die innerliche Bildung in der inneren geistigen Welt, davon St. Paulus sagt: »Unser Wandel ist im Himmel. (Phil. 3.20)«

46.11. Darüber auch alle Heiligen Gottes und besonders St. Paulus geklagt haben, daß sie zwar das ernste Wollen haben und mit dem Gemüt des innerlichen Grundes Gott dienen, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde, so daß das Fleisch gegen den Geist gelüstet (Röm. 7.25). Welche Lust täglich im Tod Christi durch den innerlichen Grund ersäuft und getötet wird. Aber nur in denen, darin Christus vom Tod auferstanden ist. Und dann bleibt nichts Verdammliches an denen, die in Jesus Christus sind, denn der tierische Leib gehört der Erde, aber der geistige Leib gehört Gott. Wer aber den nicht hat, der ist lebendig tot und hört noch vernimmt nichts vom Geist Gottes. Es ist ihm sogar eine Torheit, nach der Schrift (1.Kor. 2.14).

46.12. Darum ist das alles nicht genugsam verstanden und erklärt, was einzig und allein von einer von außen angenommenen Gnade und Vergebung der Sünden spricht. Die Vergebung der Sünden und die angenommene Kindschaft in der Gnade besteht in der Rechtfertigung des Blutes und Todes Christi, darin uns Christi himmlisches Blut tingierte (und heilte) und den Zorn Gottes in unserer Seele und innerlich göttlichem Grund aus dem Wesen der Ewigkeit mit der höchsten Liebe der Gottheit im Namen Jesu überwunden und wieder in die göttliche Demut und Gehorsam verwandelt hat, dadurch die zerrissene Ausgeglichenheit unserer menschlichen Eigenschaft des Gehorsams und Wohl-Wollens wieder in die Gleichheit oder Einigung der Eigenschaften einging.

46.13. Allda wurde des Vaters Grimm, der in unseren Lebenseigenschaften aufgewacht war und sich zum Regenten in Seele und Leib gemacht hatte, dadurch wir des Himmelreichs abgestorben waren und Kinder des Zorns wurden, wieder in die einige Liebe und Gleichheit Gottes gewandelt. Und so starb unser menschlicher Eigenwille im Tod Christi seiner Ichheit und des Eigenwollens ab, und der erste menschliche Wille, den Gott aus seinem Geist in Adam eingab, grünte durch die Überwindung der Süßigkeit Gottes in Christi himmlischem Blut wieder aus. Allda wurden Teufel und Hölle, welche den Menschen gefangenhielten, zum Spott. Und das deutet die dürre Rute Aarons an, welche in einer Nacht grünte und süße Mandeln trug. (4.Mose 17.8; Hebr. 9.4)

46.14. Nun, gleichwie die Sünde von einem kam und von einem auf alle drang, so drang auch die süße Gnade und Überwindung in Christus von einem auf alle (Röm. 5.18). So wurde in der einigen adamischen Seele der Tod und der Zorn durch Christus zersprengt und durch die Zersprengung des Todes eine Möglichkeit zur Gnade aufgetan. Durch welche zersprengte Pforte sich der seelische Wille wieder in die erste Mutter hineinwenden kann, daraus er im Anfange kam, als in die Kindheit oder neue Geburt eines neuen Lebens und Wollens. Allda kann er das süße Blut Jesu Christi erreichen, welches in Christus in unserer Menschheit die Todespforten zersprengte und den Zorn Gottes in unserer Menschheit in sich selbst in Liebe verwandelte, darin die arme gefangene Seele aus Gottes Brünnlein trinkt und sich in ihrem Feuerodem erlabt, daraus das neue Grünen ausgrünt, so daß der Seelenhunger und die Begierde im Blut Christi nach himmlischer Art substantiell und wesentlich wird.

46.15. Gleichwie nun die Todeszersprengung in Christi Person in unserer Seele und Menschheit geschehen mußte, so daß die Ewigkeit in Christus, mit welcher er vom Himmel gekommen und zugleich auch im Himmel war (Joh. 3.13), die Zeit als das Leben und den Willen der Zeit überwand und die Zeit mit ihrem Willen in den ewigen Willen der Gottheit wandelte und solches in unserer angenommenen Menschheit geschehen mußte: In gleicher Weise muß auch unsere Seelenbegierde denselben ewigen Willen in Christus, darin Zeit und Ewigkeit in der Gleichheit stehen, in sich einnehmen und sich durch dieselbe Macht wieder in die Kindheit als in die Gnade versenken, damit dieser innere paradiesische Grund, welcher in Adam abstarb, im Willen des Gehorsams Christi durch sein himmlisches und von uns angenommenes menschliches Blut wieder ausgrüne.

46.16. In uns selbst muß die Versöhnung durch die Einmal-Versöhnung Christi offenbar werden. Wohl durch das einmal Geschehene in Christi Blut und Tod, aber dieses einmal Geschehene in Christus muß es auch in mir tun. Es muß jetzt durch Christi Blutvergießen auch in mir geschehen. Dann vergießt Christus sein himmlisches Blut auch in meiner Glaubensbegierde in meiner armen Seele und tingiert den Zorn Gottes darin, damit das erste adamische Bild Gottes wieder erblickt und sehend, hörend, fühlend, schmeckend und riechend wird.

46.17. Aber dieses in Adam abgestorbene Bild vom Wesen der himmlischen Welt als das wahre paradiesische wohnt dann nicht in den vier Elementen. Sein Wesen und Leben steht nicht in dieser Welt, sondern im Himmel, welcher in Christus in uns offenbar wird, als in einem reinen heiligen Element, daraus die vier Elemente im Anfang der Zeit entsprossen sind. Und dieser innere neue geistige Mensch ißt Christi Fleisch und trinkt sein Blut, denn er lebt und ist in Christus. Christus ist sein Stamm, und er ist ein Ast am Stamm.

46.18. Denn ein jeder Geist ißt von dem, daraus er seinen Ursprung hat: Die tierische sterbliche Seele ißt vom irdischen Weltgeist (Spiritus Mundi), von den Sternen und vier Elementen, vom Reich dieser Welt. Aber die wahre ewige Seele, welche aus dem ewigen Wort im Menschen als ein göttliches Leben eingeblasen wurde, diese ißt aus ihrer Mutter als aus dem heiligen wesentlichen Wort Gottes.

46.19. Weil ihr das aber nach der Abtrennung von Gott in ihrer nach Außen gewandten Eigenschaft nicht mehr möglich war, so kam dieses Wort des Lebens als seine wahre Mutter wieder zur nach Außen gewandten Seele in dieses Jammertal heraus, in das Gefängnis der Hölle, und führte sein himmlisches Wesen in unser menschliches wie einen Seelenkörper, und umgab unsere arme gefangene Seele damit und sprengte ihr den toten himmlischen Mund im Zorn Gottes mit der Liebe-Tinktur wieder auf, damit die arme Seele wieder himmlisches Manna essen kann. Welches Essen in Christi Person mit unserer angenommenen Menschheit in der Versuchung Christi wieder in der Wüste zur Prüfung stand als Adam in Christus wieder 40 Tage lang Manna vom Paradies aß.

46.20. Darum sage ich: Ist einer ein Christ, dann ist er es nicht durch einen von außen zugerechneten Gnadenschein. Die Sünde wird ihm durch das einmal geschehene Wort-Sprechen von außen nicht vergeben, ähnlich wie ein Herr in dieser Welt einem Mörder das Leben durch eine äußerlich zugerechnete Gnade schenkt. Nein, das gilt vor Gott nicht.

46.21. Es gibt keine andere Gnade, durch die wir zur Kindschaft kommen können, als nur im Blut und Tod Christi. Den allein hat sich Gott zu einem Gnadenthron in seiner eigenen Liebe vorgestellt, welche er im süßen Namen Jesu aus Jehova in ihn hineinführte. Er ist das einzige Opfer, das Gott annimmt und seinen Zorn versöhnen kann.

46.22. Soll mir aber nun dieses Opfer zugute kommen, dann muß es in mir geschehen. Der Vater muß seinen Sohn in meiner Glaubensbegierde gebären oder hineingeben, so daß ihn mein Glaubenshunger erfaßt. Und wenn ihn der Glaubenshunger meiner Seele in seinem verheißenen Wort erfaßt, dann ziehe ich ihn in seinem ganzen Prozeß der Rechtfertigung in meinem inwendigen Grund an, und sogleich beginnt in mir durch den Tod Christi die Tötung von Zorn, Teufel, Tod und Hölle.

46.23. Denn ich selber kann nichts tun, denn ich bin mir tot. Aber Christus in mir tut es. Wenn dieser in mir aufersteht, dann bin ich mir nach dem wahren Menschen tot und er ist mein Leben. Und was ich dann lebe, das lebe ich in ihm und nicht in der Meinheit, denn die Gnade tötet meinen Willen und setzt sich zum Herrn anstatt meiner Ichheit, damit ich ein Werk Gottes sei, der damit tut, was er will.

46.24. Und ich lebe dann in zwei Reichen, nämlich mit dem äußeren sterblichen Menschen in der Eitelkeit der Zeit, darin das Sündenjoch noch lebt. Und das nimmt Christus im inneren Reich der göttlichen Welt auf sich und hilft es meiner Seele tragen.

46.25. Denn das Joch dieser Welt ist Christi Last, die er tragen soll, bis er seinem Vater das Reich, das er ihm gegeben hat, wieder überantworten wird. Denn er sagte: »Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden von meinem Vater gegeben.« So ist ihm auch diese Last gegeben, daß er Gottes Zorn, Hölle, Tod und alles Übel in uns trage, wie auch Jesajas sagt: »Er nahm unsere Krankheit auf sich und lud sich unsere Schmerzen auf, aber wir hielten ihn für den, der von Gott so zerschlagen, gestraft und gemartert wurde. (Matth. 28.28; Jes. 53.4)«

46.26. Daher muß ein Christ ein Kreuzträger sein. Denn sobald Christus in ihm geboren wird, beginnt der Sturm der Hölle und des göttlichen Zorns in der ewigen Natur. Dann wird die Hölle im Menschen gestört und die Schlange getreten, davon die große Unruhe, Verfolgung und Schmach vom Teufel und der verdorbenen Welt über den äußerlichen sündhaften Menschen kommt. Darin muß sich der äußerliche sündhafte Mensch von Gottes strenger Gerechtigkeit im Zorn durch die Kinder des Zorns verurteilen und zur Verdammnis richten lassen, weil ein anderer Mensch in ihm lebt, der dem äußerlichen und sterblichen nicht ähnlich ist. So führt Gottes Gerechtigkeit im Zorn sein Gericht über das Sündenhaus sowie alle Diener des Zorns Gottes.

46.27. Allda hilft Christus das Joch tragen, und der Mensch wird in Christi Prozeß, Verachtung und Spott in seinem Leiden und Tod der Gerechtigkeit Gottes im Zorn aufgeopfert, und so wird er Christi Bild ähnlich.

46.28. Die Heilige Schrift bezeugt an allen Stellen, daß wir durch den Glauben an Christus von der Sünde gerechtfertigt werden, nicht durch die Werke unserer Verdienste, sondern durch das Blut und Tod Christi. Welches zwar von vielen so gelehrt, aber von wenigen, die es so lehren, richtig verstanden wird.

46.29. Man lehrt uns wohl die zugerechnete Gnade. Aber was der Glaube sei, wie er geboren werde, was er in Essenz und Wesen ist und wie er das Verdienst Christi mit der Gnade ergreift, daran ist der größte Teil stumm und blind und bleibt bei einem historischen Glauben (Jak. 2.17), welcher nur eine Wissenschaft ist, mit der sich der Mensch der Sünde und des Todes kitzelt und tröstet und sich durch solche Einbildung selber heuchelt und sich einen Christen nennt, aber doch dieses hohen Titels noch nicht fähig oder würdig geworden ist, und nur ein Titel-Christ ist, der sich mit Christi Purpurmantel äußerlich bedeckt, von denen der Prophet sagt: »Mit ihren Lippen nahen sie sich mir, aber ihr Herz ist fern von mir. (Jes. 29.13; Mark. 7.6)« Und Christus sagt: »Nicht alle, die da sagen „Herr, Herr!“, sollen darum auch in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen meines Vaters im Himmel tun. (Matth. 7.21)«

46.30. Nun ist allein Christus der Wille des Vaters, darin die Annehmung der Gnade und Kindschaft ist. Und niemand kann des Vaters Liebe-Willen tun, als allein der einige Gnadenthron Christus selbst, wie die Schrift sagt: »Niemand kann Gott (bzw. Jesus) einen Herrn nennen, ohne den Heiligen Geist in sich. (1.Kor. 12.3)«

46.31. »Denn wir wissen nicht, was wir vor Gott beten, wie es sich geziemt, sondern er, der Heilige Geist in Christus, vertritt uns selbst mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott in uns selbst, wie es Gott gefällt. (Röm. 8.26)« Durch unser eigenes Wollen oder Wissen können und vermögen wir nichts zu erreichen. Er ist uns zu tief verborgen. »Denn es liegt nicht am Wissen, Wollen, Laufen oder Rennen von jemandem, sondern an Gottes Erbarmen. (Röm. 9.16)«

46.32. Nun ist aber kein Erbarmen als allein in Christus. Soll ich nun das Erbarmen erreichen, dann muß ich Christus in mir erreichen. Soll meine Sünde in mir getilgt werden, dann muß es Christus mit seinem Blut und Tod und mit seiner Überwindung in mir tun. Soll ich glauben, dann muß der Geist, die Begierde und der Wille Christi in meiner Begierde und Willen glauben, denn ich selber kann nicht glauben.

46.33. Er aber nimmt meinen ihm ergebenen Willen und faßt ihn in seinen Willen ein und führt ihn durch seine Überwindung in Gott hinein. Allda vertritt er den Willen meiner Seele in seinem Willen vor Gott, und ich werde als ein Gnadenkind in seinem Liebe-Willen angenommen.

46.34. Denn der Vater hat seine Liebe in Christus offenbart, und Christus offenbart diese Liebe in meinem ihm ergebenen Willen. Christus zieht meinen Willen in sich und bekleidet ihn mit seinem Blut und Tod, und tingiert (bzw. heilt) ihn mit der höchsten Tinktur der göttlichen Kraft. Damit wird er in ein englisches Bild verwandelt und bekommt ein göttliches Leben.

46.35. Jetzt beginnt dieses Leben nach seinem Körper zu hungern, welcher Körper die verdorbene feurige Seele ist, daraus der Wille in Christus eingegangen ist. So tingiert das neue Leben in Christus nun auch die Seele, so daß die Seele in diesem Willen-Geist einen wahrhaft göttlichen Hunger bekommt und der göttlichen Gnade begierig wird und beginnt, sich in diesem göttlichen Willen-Geist in Christus zu besehen, was sie ist, wie sie in ihren Eigenschaften von Gott getrennt gewesen war und wie sie in Gottes Zorn gefangenlag, und erkennt ihre Greuel und auch ihre Ungestalt vor Gottes Engeln. Dann hat sie nichts mehr, mit dem sie sich beschirmen könnte. Denn sie sieht, daß sie im Rachen des Todes und der Hölle steht und von bösen Geistern umgeben ist, die stets ihre Begierde in sie hineinführen, um sie zu verderben.

46.36. Dann entsinkt sie in diesen neugeborenen Willen-Geist und vertieft sich in die allerlauterste Demut. Dort ergreift sie der Geist Christi und führt sie in diesen neuen Willen-Geist hinein, so daß ihn die Seele essentiell empfindet, darin dann der göttliche Freudenanblick in der Seele aufgeht, wie ein neues Auge, darin die feurige Seele das Sein und Wesen des göttlichen Lichtes in sich empfängt, davon sie nach Gottes Gnade hungert und dürstet und in die mächtige Buße eingeht und das Übel bereut, daß sie begangen hat.

46.37. Und in diesem Hunger und Durst empfängt sie Christi Fleisch und Blut. Denn der neue Willen-Geist, welcher anfänglich in die Gnade eingegangen ist und welchen Christus in sich eingenommen hat, der wird jetzt durch das magnetische Verdichten im Hunger und Begehren der Seele substantiell oder wesentlich.

46.38. Und diese Wesenheit heißt Sophia als die wesentliche Weisheit oder der Leib Christi. Und in diesem steht der Glaube im Heiligen Geist, und hier glauben Christus und die Seele in Einem Grund.

46.39. Denn der rechte Glaube ist kein Gedanke oder die Zulassung einer Geschichte, so daß sich der Mensch verinnerlicht, daß Christus für seine Sünde gestorben sei, sondern er ist ein Nehmen der verheißenen Gnade Christi. Er nimmt Christus in sich herein und verinnerlicht ihn durch seinen Hunger mit seinem himmlischen Fleisch und Blut, mit der Gnade, welche Gott in Christus anbietet.

46.40. Und Christus speist die Seele mit dem Wesen der Sophia als mit seinem Leib und Blut, wie er dann auch sagte: »Wer das Fleisch des Menschensohns nicht ißt, der hat kein Leben in sich. Wer es aber ißt, der bleibt in Christus und Christus in ihm. (Joh. 6.53)«

46.41. Und hierin bestehen auch Christi Testamente und der rechte (richtige) christliche Glaube. Denn ein unwesentlicher Glaube ist wie ein glimmendes Feuer oder ein Zunder in der Nässe, der gern brennen wollte, aber kein rechtes Sein (Ens) dazu hat. Wenn ihm aber ein rechtes Sein gegeben wird, dann vermehrt sich das kleine Fünklein des Feuers, aus welchem ein schönes Licht entsteht, das um sich leuchtet. Dann wird ihm offenbar, wie im Holz ein solches Feuer und schönes Licht verborgen liegt, welches zuvor nicht erkannt wurde.

46.42. So ist es auch in einem Kind Gottes zu verstehen: Solange die arme Seele im Grimm Gottes eingewickelt ist, ist sie wie ein glimmendes Döchtlein, das gerne brennen wollte, aber kann es wegen der Eitelkeit der Sünden und des göttlichen Zorns nicht. Wenn aber die Seele als das kleine Fünklein göttlichen Feuers Christi Liebe-Sein als Christi Fleisch und Blut in sich bekommt, dann beginnt das kleine Fünklein, ein großes Feuer und Licht zu werden, das um sich scheint und mit schönen Tugenden und guten Werken leuchtet und in großer Geduld unter der Eitelkeit der Welt lebt, aber hervorwächst wie eine schöne Blume aus der wilden Erde.

46.43. Wie wir dessen ein Gleichnis an der Sonne und der Erde haben, daß, wenn die Sonne nicht die Erde beschiene, dann wüchse keine Frucht. Wenn aber die Sonne die Erde anscheint und in das Sein der Erde eindringt, dann fängt das Sein der Erde die Kraft der Sonne in sich, davon ein großer Hunger im Wesen (Ente) der Erde nach der Sonnenkraft entsteht. Und dieser Hunger verinnerlicht und verdichtet die Sonnenkraft, und aus diesem Hunger des Erdwesens, der nach dem Sein der Sonne in die Höhe geht, wird ein Kraut mit einem Halm aus der Erde gezogen, darin das Sein und die Kraft der Sonne mit im Wachstum in die Höhe geht und die Sonne mit ihren Lichtstrahlen im Wesen der Erde im Halm und der Wurzel wesentlich wird. Und so sieht man, wie durch die Macht der Sonne und des Gestirns im irdischen Weltgeist (Spiritus Mundi) aus dem Halm ein anderer Körper wird, als die Wurzel in der Erde ist, nämlich wie sich der Halm in eine Knospe zu einer schönen Blüte und danach zur Frucht hineinführt. Auch sieht man, wie die Sonne danach diese Frucht von Zeit zu Zeit reift und ganz lieblich macht.

46.44. So ist es auch mit dem Menschen zu verstehen: Der seelische Grund ist der göttliche Acker. Wenn der den göttlichen Sonnenschein in sich empfängt, dann kommt ein göttliches Gewächs hervor. Dies ist die neue Wiedergeburt, davon Christus spricht (Joh. 3.7). Und dieses Gewächs muß nun von oben von der göttlichen Sonne und vom göttlichen Wasser und vom göttlichen Gestirn als der göttlichen Kraft ernährt und aufgezogen werden, bis zu einem göttlichen Körper einer göttlichen und englischen Bildung, wie der Fruchtkörper auf dem Halm.

46.45. Und wie der Fruchtkörper auf dem Halm im Regen, Wind und Unwetter sowie in Hitze und Kälte bestehen und sich von der Sonne reifen lassen muß, so muß ein Christ in den Dornen dieser Welt wachsen und im aufgewachten Zorn Gottes im Reich des Teufels unter vielen gottlosen Menschen stehen und Spott und Verachtung auf sich schlagen lassen, aber seine Hoffnung einzig und vor aller Kreatur allein in die göttliche Sonne hineinwenden und sich von ihr reifen lassen, um eine himmlische Frucht zu gebären.

46.46. Nicht steinerne Häuser oder Menschen-Satzungen gebären ihn, sondern die göttliche Sonne im göttlichen Gestirn der Kräfte des göttlichen Wortes im Tempel Jesu Christi, so daß er eine Rebe am Weinstock Christi ist und gute Trauben bringt, welche die göttliche Sonne reift, daß sie Gottes Kinder als seine lieben Mitglieder essen, davon sie auch in und mit ihm ausgrünen, welche Trauben gute Lehre, Leben und Tun sind.

46.47. In dieses Wirken und Fruchtbringen muß ein Mensch kommen, sonst ist die neue Geburt in ihm noch nicht offenbar und der edle Zweig noch nicht geboren. Es hilft kein Kitzeln, Trösten oder sich eines Glaubens Rühmen, wenn nicht der Glaube ein gottförmiges Kind in Wesen und Willen wird, der da göttliche Früchte trägt.

46.48. Das alles, darum man jetzt streitet und kämpft, auch Land und Leute verdirbt, ist nur eine leere Hülse ohne Frucht und gehört der feurigen Welt zur Entscheidung. Es ist keine wahre Vernunft in irgendeiner Partei. Sie alle streiten nur um den Namen und Willen Gottes, aber keine Partei will ihn tun. Sie meinen nichts als eigene Ehre und Wollust des Fleisches. Wären sie wirklich Christen, dann hätten sie keinen Streit untereinander.

46.49. Ein guter Baum trägt für alle gute Früchte. Und wenn er auch erleiden muß, daß ihm oft der Wind seine Äste und Früchte abschlägt oder die Sonne sie ausdorrt, und wenn sie reif geworden sind, daß sie die Säue fressen oder zertreten, dennoch arbeitet er stets zu weiterer guter Frucht.

46.50. So kann auch ein wahrer Christ in Christus nichts anderes wollen, als nur was Christus in ihm will, auch wenn er erleiden muß, daß ihm oft von seinem bösartigen Fleisch und Blut sowie von des Teufels Wind und auch der Welt Bosheit seine guten Früchte, die aus dem innerlichen Menschen ausgrünen und wachsen, zertreten und verdorben werden. Dennoch bleibt der Baum des neuen Gewächses im Leben Christi stehen und grünt durch den äußerlichen sterblichen Menschen ohne jegliches Aufhalten aus, gleichwie die Ewigkeit durch die Zeit grünt und der Zeit Leben und Kraft gibt. Und wie der Tag durch die Nacht ausgrünt und die Nacht in Tag verwandelt, und doch die Nacht in sich selber bleibt, aber im Tag nicht mehr erkannt wird, so grünt auch der göttliche Tag durch unsere ewige Nacht in uns aus und wandelt die Nacht als Gottes Zorn, Hölle, Tod, Angst und ewiges Verderben in den göttlichen Tag des Freudenreichs, auch wenn die finstere Nacht mit dem Sein und Gift der Schlange im Fleisch und Blut dagegen tobt und streitet.

46.51. Darum, geliebter Herr und christlicher Bruder, ist uns mehr nach dem Gewächs des edlen Perlenbaums zu trachten und wie wir dazu kommen können, als daß wir dem unnützen Geschwätz und Tand nachlaufen, darin ein Bruder den anderen wegen einer selbergemachten Meinung verachtet, verschmäht, verketzert und verteufelt.

46.52. Ich sage Euch in meiner von Gott gegebenen Erkenntnis, daß es lauter Trug des Teufels ist, welcher uns arme Menschen so in Meinungen, Verachtung und Spotten hineinführt, so daß wir uns um die Hülse zanken und unterdessen die Liebe und den Glauben verlieren und nicht zur neuen Geburt kommen.

46.53. Unsere ganze Religion ist nur ein Kinderwerk, darin wir von unserem eigenen Wissen, Wollen, Laufen und Disputieren ganz abgehen und uns vornehmen, wie wir den Weg betreten wollen, der uns wieder in unser verlorenes Vaterland hineinführt, und wie wir wieder zu unserer Mutter kommen können, die uns im Anfang aus sich geboren hat.

46.54. Wenn wir nun solches tun wollen, dann dürfen wir nicht in eigenwilliger Pracht und in Verachtung ihrer Kinder, unserer Mitchristen oder Mitglieder, zu ihr kommen. Denn wir sind der verlorene Sohn, der ein Sauhirt geworden ist, und haben unser väterliches Erbe schändlich mit den abfallfressenden Säuen des Teufels und der Welt verpraßt. Wir müssen wieder in uns selbst eingehen und uns und unseres Vaters Haus wohl betrachten. Und müssen den Spiegel des Gesetzes und Evangeliums vor uns stellen und erkennen, wie weit wir von Gottes Gerechtigkeit und Wahrheit sowie von der brüderlichen Liebe abgeschritten sind, und unser Herz wohl prüfen, wozu es geneigt ist.

46.55. Wenn wir dies tun, dann werden wir in uns selbst viele hundert bösartige Tierwesen finden, welche wir an Gottes Statt gesetzt haben und als Gott verehren, und werden erst erkennen, was für greuliche Tiere in Adam durch die falsche Lust offenbar geworden sind und warum Gott zu Adam sagte: »Des Weibes Samen soll der Schlange als dem monströsen Tierwesen den Kopf zertreten.«

46.56. Erstlich werden wir in unserer Begierde den stolzen Luzifer sehen, der von der göttlichen und brüderlichen Demut abgewichen ist und seines Leibes Glieder verachtet und sich über sie zu einem Gott und Herr gesetzt hat, in dem keine göttliche Liebe ist, weder um Gott noch seine Brüder zu lieben.

46.57. Zum zweiten werden wir ein Tierwesen in unserer Eigenschaft finden, das einer geizigen Sau gleicht, die alles an sich ziehen und allein fressen und besitzen will und mehr begehrt als es bedarf, damit der stolze Luzifer prangen und sich sehen lassen könne, daß er ein Gott über die Wesen sei, der da herrschen könne und Macht und Gewalt über seine Mitäste habe. Und wir werden sehen, wie sich dieser stolze Luzifer vom Baum des Lebens und vom Wachstum der Liebe abgebrochen hat und ein eigener Baum sein will, darum er dann auch an Gott verdorrt ist.

46.58. Zum dritten werden wir die giftige neidige Schlange in unserer Eigenschaft finden, die wie ein Gift um sich sticht, nämlich den Neid, der niemanden mehr gönnt als sich selber, welcher in anderer Menschen Herzen sticht und reitet und sie mit Worten verleumdet und allein den stolzen Luzifer in sich lobt und seine Falschheit einen „Engel Gottes“ nennt.

46.59. Zum vierten werden wir den feurigen Drachen im höllischen Feuer sitzend in unserer Eigenschaft finden, nämlich den Zorn, welcher mit Fäusten dreinschlagen und mit Gewalt nehmen will, was Geiz und Neid nicht bekommen konnten, und so toll ist, daß er sein Leben vor Bosheit zerberstet und in der feurigen Bosheit zerbricht und ein gar dürrer Ast am Baum ist, der nur zum Feuer taugt.

46.60. Zum fünften werden wir noch viele hundert Tierwesen (der Gedanken) in unserer Begierde finden, welche der Stolz als Gott liebt und verehrt und der Geiz zu einem Schatz an sich zieht, mit denen der Stolz glänzt als wären es Götter, und dadurch seinem Bruder das Leben entzieht, so daß er es im Elend und Trübsal durch deren Zwänge verzehren muß.

46.61. Wenn sich nun der Mensch in diesem Spiegel seiner Ichheit so beschaut und diese bösartigen Tierwesen gewahr wird, dann kann er sich wohl ein Bild von ihnen machen und darin den schweren Fall Adams betrachten und bedenken, daß ihm diese Begierden alle miteinander aus dem Monster der Schlange durch des Teufels Einführen in unsere ersten Eltern entstanden sind.

46.62. Denn ursprünglich lagen alle Eigenschaften der Begierden in Adam in der Gleichheit, und so liebte jeweils eine die andere. Aber durch des Teufels Neid, welcher die falsche Lust in Adam und Eva erweckte, um die Ungleichheit zu probieren und zu schmecken, was Böse und Gut sei, um Hitze und Kälte zu empfinden und die Vielfalt der Eigenschaften zu probieren, sind solche falschen Begierden im Menschen entstanden. So daß diese Begierden jetzt ihresgleichen an sich ziehen und begehren, und eine jede Begierde dieser Eigenschaften ein besonderer Lebenshunger im Menschen wurde, der sich von der Gleichheit abgebrochen hat und gegen die Liebe und Gleichheit seiner Mitäste oder Brüder lästert, um ihr Leben und ihre Nahrung an sich zu ziehen und sich zum Herrn darüber zu machen und ein Eigenes sein zu wollen.

46.63. Welches alles gegen den göttlichen Willen und Grund und eine Meineidigkeit (bewußte Lüge) vor Gott ist, auch gegen den Lauf der Natur läuft, wie man das an der Erde, den Bäumen und allem Gewächs sieht, wie doch alles lieblich beieinander steht und wächst und sich in einer Mutter erfreut, und wie ein Ast am Baum dem anderen seinen Saft und seine Kraft einflößt und jeweils einer dem anderen dient.

46.64. Denn so war auch das menschliche Leben aus dem ewigen Wort (Joh. 1) dem Menschenbild aus dem Stoff der Erde in eine liebliche Gleichheit eingeführt, so daß alle Eigenschaften des Lebens im Gleichgewicht und in der Harmonie Einer Liebe standen und sich selbst liebten.

46.65. Aber als der Teufel das Gift und die falsche Begierde dahinein warf, da zertrennten sich die Lebenseigenschaften in viele Begierden, davon Streit, Krankheit, Zerbrechen und die Grobheit des Leibes entstanden, nämlich durch die falsche Begierde und Einführung der tierhaften Eigenschaften, dadurch das Bild Gottes vom Wesen der himmlischen Welt verblich, davon ihnen Gott sagte: »Welchen Tages du vom Gewächs der Erkenntnis des Bösen und Guten essen wirst, wirst du des Todes, das heißt, an Gottes Reich sterben.« Wie dann auch so geschehen ist.

46.66. Und wir sollen deshalb erkennen, daß diese tierische und falsche Begierde im Menschen das Monstrum der Schlange sei und eine Feindschaft gegen Gott und Himmelreich, und daß wir darin nichts anderes sind als Kinder der Hölle und des Zorns Gottes, und das Reich Gottes darin nicht ererben oder besitzen können. Auch ist Gott in keiner dieser Begierden offenbar, sondern nur sein Zorn in der Eigenschaft der finsteren und irdischen Welt. Und wir leben darin nur die Eitelkeit dieser Welt und stehen damit auf dem Abgrund der finsteren Welt des göttlichen Zorns als der Hölle, welche alle Stunden ihren Rachen nach diesen „Eigenschaften“ aufsperrt und diese Eigenschaften für ihre Furcht und Kinder hält, welche sie einernten soll, was ihr auch aus Naturrecht gebührt. Denn diese Begierden sind alle aus ihr erstanden und stehen mit der Wurzel im Grund der Hölle und des Verderbens, und gar nicht anders.

46.67. Darum sagte Christus: »Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, sonst soll er das Reich Gottes nicht sehen. (Joh. 3.3)« Alle diese falschen Willen und Begierden sind zur Verdammnis vorherbestimmt. Will jemand Gott sehen, dann muß er wieder umkehren und wie ein Kind werden und durch das Wasser des ewigen Lebens als durch das himmlische Sein, welches Gott in Christus offenbart, im Heiligen Geist neu geboren werden, damit der erste wahre in Adam abgestorbene Mensch vom Wesen der himmlischen Welt in Christus wieder ausgrüne und lebendig werde.

46.68. Alle diese Tierwesen sind verdammt und müssen in uns sterben. Und wenn uns auch deren Begierde im Fleisch noch etwas anhänglich bleibt, so müssen sie doch in dieser Zeit im inneren Grund der Seele alle abgetötet werden und das innere seelische Leben wieder durch die wahre Tinktur im Blut Christi tingiert (und geheilt) werden, damit die Eigenschaften des inneren Grundes wieder in der Gleichheit leben, sonst können sie die Gottheit in sich nicht erreichen.

46.69. Wenn dies der Mensch nun erkennt, dann kann er die Begierde seiner bösartigen Tierwesen nicht besser loswerden, als daß er sich alsbald zur selben Stunde aus allen seinen Kräften in einen solchen strengen Willen und Vorsatz hineinführt, daß er diesen Teufelstieren gram werden will, weil sie nur des Teufels Knechte sind, und wieder in sein verlorenes Vaterland in die Kindheit und Einigung umkehren will. Und er betrachte sich nur nicht anders als der arme verlorene Sauhirt, denn das ist er auch selber und gar nichts anderes oder besseres, und komme alsobald mit der Umkehr seiner Seele zum Vater, und zwar in der allerhöchsten Demut seiner Unwürdigkeit, die das geschenkte Erbe des Verdienstes Christi schändlich vertan hat, und gehe in die Buße.

46.70. Er gebe nur seinen ernsten Willen aus all seinen Kräften dahinein, so daß er noch diese Stunde von nun an Buße tun und diese bösartigen Tierwesen nicht mehr lieben wollte. Aber es muß Ernst sein und kein Denken in einem Tag, Woche oder Jahr, sondern sein Gemüt soll sie zur Verdammnis des Todes verurteilen und sie nicht mehr lieben wollen, sondern für Feinde halten und sich zur Gnade Gottes wenden.

46.71. Wenn dies geschieht, so sage ich teuer, dann kann er sich in der Demut zum ernsten Gebet wenden und Gnade von Gott erbitten. Auch wenn sein Herz lauter „Nein“ spricht und der Teufel sagt: „Harre noch, es ist jetzt nicht gut!“ Und wenn der Morgen kommt, dann sagt er wieder „morgen!“, und spricht in das Fleisch: „Du mußt zuerst dieses und jenes haben! Sammle dir zuerst einen Schatz, so daß du diese Welt nicht mehr benötigst, und dann tritt in ein solches Leben ein.“ Hier soll das Gemüt doch fest im Vorsatz stehenbleiben und denken: „Diese einfallenden Gedanken sind meine bösartigen hungrigen Tierwesen, die ich abtöten und im Blut Christi in seiner Liebe ersäufen will. Es soll mir keines mehr leben, denn ich will sie nicht mehr. Ich bin auf dem Weg zu meinem alten Vater, welcher seinen Sohn zu mir in mein Elend geschickt hat, der da sagt: »Kommt alle zu mir, die ihr mit Sünden beladen, aber derselben mühselig seid, ich will Euch erquicken. (Matth. 11.28) Und mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)«“

46.72. Dieses bilde er sich in sein Herz ein und komme mit diesem verlorenen Sohn zum Vater. Wenn der sehen wird, daß das seelische Gemüt zu ihm gerichtet steht und sich gern bekehren wollte, aber nicht kann, dann wird er alsbald entgegenkommen und die Seele in die Arme seines Zuges fassen und sie in das Leiden und Sterben Christi hineinführen, wo sie durch ernsthafte Buße der greulichen Tiere absterben wird und aus dem Tod Christi in einem neuen Willen mit neuer wahrhaft-göttlicher Begierde aufersteht und beginnt, ein ganz anderer Mensch zu werden. Und er wird das, welches er bisher bevorzugt und für seinen Schatz gehalten hatte, nicht mehr achten, und ihm wird sein, als hätte er es und hätte es auch nicht, und er wird sich danach in all seinem Vermögen nur als Diener Gottes erachten.

46.73. Denn sobald er nur den überheblich stolzen Luzifer mit seinem Stolz (der Ichheit) überwältigen kann, werden die anderen bösartigen Tierwesen alle miteinander matt und schwach und verlieren ihr Regiment. Und wenn sie auch in dieser Zeit im irdischen Fleisch noch leben, so sind sie doch nur wie ein Esel, der den Sack tragen muß, oder wie ein bösartiger Hund an einer Kette. Ihr Vermögen wird ihnen gebrochen.

46.74. Denn wenn Christus aufersteht, muß Luzifer gefangenliegen. Und wenn es ernst wäre, dann würde ein solches Kleinod folgen, was diese Feder hier nicht beschreiben kann. Nur die kennen es, welche bei der himmlischen Hochzeit gewesen sind, darin die edle Sophia mit der Seele vermählt wird, davon Christus sagt, daß solche große Freude im Himmel über einen Sünder sei, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte. Welche Freude auch im Himmel des Menschen in der Vermählung erhalten wird, den Unseren verständlich.

46.75. Mein lieber Herr und christlicher Mitbruder, daran wollte ich Euch christlich und wohlmeinend erinnern und es aus meinem kleinen Schatzkasten in kindlicher Einfalt darstellen, nicht in der Meinung, mich damit sehen zu lassen, sondern aus treuherziger Begierde in der Mitwünschung, daß solches seinem Herzen empfindlich würde und ich mich so brüderlich, wenn auch abwesender Weise, aber doch in der Begierde gegenwärtig und in göttlichen Gaben mitwirkend, mit dem Herrn ein wenig erfreuen könnte, und solches mit Begehren, wie oben beschrieben.

46.76. Und wenn mein guter Wille eine Stätte finden würde und Gott die Tür seiner Heimlichkeit auftun wollte, dann hätte ich noch andere höhere Kleinode in meinem Schatzkästlein, darin Zeit und Ewigkeit erkannt und ergriffen werden können, mit welchen dem Herrn zu dienen wäre.

Damit empfehle ich Ihn samt all den lieben Seinigen der sanften Liebe Jesu Christi.

Datum Görlitz, siehe oben, J. B.

47. Sendbrief an Gottfried Freudenhammer, 11.11.1623

An Herrn Gottfried Freudenhammer, M.D. und Herrn Johann Huser, Münzmeister zu Glogau, vom 11. November 1623.

Der Gruß unseres Herrn Jesu Christi mit seiner Eingehung und Offenbarung in seiner Menschheit wirke in uns allen mit seiner Liebe!

47.1. In Christus geliebte Herren und Brüder! Wenn uns Gott durch seine Gnade das rechte Verständnis eröffnet, so daß wir das Ebenbild Gottes als den Menschen wahrhaft erkennen können, was er nach Leib, Seele und Geist sei, dann erkennen wir, daß er die sichtbare und auch die unsichtbare geistige Welt als ein Extrakt aller drei Prinzipien des göttlichen Wesens ist, mit dem sich der verborgene Gott durch Aushauchung und Einfassung seiner unterschiedlichen Kraft und ewigen Wissenschaft in ein sichtbares Bild dargestellt hat, durch welches er die Wunder des ausgesprochenen Wortes in diesem Wesen formt und bildet, indem sich das Wort seiner Kraft wesentlich macht. Und so hat er mit dem Menschen ein Bild seines sprechenden und ausgesprochenen wesentlichen Wortes dargestellt, in dem die göttliche Weisheit (Scienz) mit der Unterschiedlichkeit des ewigen Sprechens verinnerlicht liegt.

47.2. Daher kommt ihm auch das Verständnis und die Wissenschaft aller Dinge, so daß er der Natur Zusammensetzung sowie auch ihre Auflösung verstehen kann. Denn kein Geist forscht tiefer als in seine Mutter, daraus er entstanden ist und in deren Grund er in seinem Zentrum steht, wie wir das an den Kreaturen der Elemente und Gestirne sehen, daß ihr Verstand und ihre Wissenschaft nicht höher als ihre Mutter ist, darin sie leben: Ein jedes Leben nach Art seiner Mutter, darin es in der Unterschiedlichkeit des ausgesprochenen Wortes steht.

47.3. Deswegen die menschliche Weisheit (Scienz) im Zentrum ihres Ursprungs Gutes und Böses annimmt und sich in Gutes und Böses faßt und darin wesentlich macht, sich also mit der Weisheit in Willen, Begierde und Wesen hineinführt, so daß sich der unergründliche Wille aus dem ewigen Wort der Unterschiedlichkeit im kreatürlichen Wort als in der kreatürlichen seelischen Weisheit in ein Sein und Wesen hineinführt, auf Art und Weise, wie sich das Aushauchen Gottes mit der Unterschiedlichkeit des ewigen Willens mit der sichtbaren Welt in vielfältige Eigenschaften hineingeführt hat, wie in Gut und Böse oder in Liebe und Feindschaft, so daß in solchen Gegensätzen das Wesen unterschiedlich, förmlich, empfindlich und findlich sei und sich ein jedes Ding in seinem Gegensatz selber findlich werde.

47.4. Denn in Gott sind alle Wesen nur ein Wesen als ein ewig Eines, das ewige einige Gute, das sich doch ohne Unterschiedlichkeit nicht offenbar wäre. Darum hat es sich aus sich selbst ausgehaucht, damit eine Vielfalt und Unterschiedlichkeit entstehe, welche sich in eigenen Willen hineingeführt hat und in Eigenschaften, die Eigenschaften aber in Begierde, und die Begierde in Wesen. So daß alle Dinge des Sichtbaren, sowohl die lebhaften als auch die stummen, aus der Unterschiedlichkeit und Einfassung des aussprechenden Wortes aus der Weisheit des großen Mysteriums entstehen, ein jedes Ding aus der Erfahrung (Experienz) des geschiedenen Wortes.

47.5. Ein jedes Ding hat damit seine Trennung in sich, und das Zentrum jeden Dinges ist Geist vom Ursprung des Wortes. Die Trennung in dem Ding ist eigener Wille seiner Selbst-Einfassung, darin sich ein jeder Geist nach seiner essentiellen Begierde in ein Wesen hineinführt. Die Förmlichkeit der Körperlichkeit entsteht also aus der Erfahrung des Willens, darin sich das Zentrum eines jeden Dinges als ein Stück vom ausgesprochenen Wort wieder ausspricht und auf Art und Weise des göttlichen Sprechens in Unterschiedlichkeit führt.

47.6. Wenn nun in solchem Aussprechen kein freier Wille wäre, dann hätte das Sprechen ein Gesetz und stünde im Zwang, und so könnte keine Begierde oder Lust entstehen. Dann wäre das Sprechen auch anfänglich und endlich, welches nicht ist, sondern es ist ein Hauchen des Ungrundes und eine Unterschiedlichkeit der ewigen Stille, eine Austeilung seiner selbst, darin das Abgeteilte in seiner Selbstunterscheidung wieder im eigenen Willen steht. Und das ist wieder ein Aussprechen seiner selbst, aus welchem Natur und das kreatürliche Leben ihren Ursprung genommen haben. Und daher ist in jedem Ding ein eigener Wille entstanden, so daß sich ein jedes Ding aus seiner Erfahrung in eine Form und Gestaltung sowie in ein Leben und Wirken hineinführt, wie es in seinem Zentrum in der allgemeinen Erfahrung als im großen Mysterium in der Mutter aller Wesen verinnerlicht steht.

47.7. Wie wir das an der Erde sehen, welche im Anfang ihrer Materie aus der Unterschiedlichkeit des göttlichen Hauchens geistiger Art entstanden ist, weil sich die Unterschiedlichkeit des Wortes mit dem eigenen Willen in Sein und Wesen gefaßt und mit der Einfassung oder Verdichtung in eine Empfindlichkeit der Essenz hineingeführt hat. In welcher Empfindlichkeit die magnetische Begierde entstanden ist, so daß sich die Eigenschaften des unterschiedlichen Willens mit der Begierde in Körper hineingeführt haben, nach und auf Art der drei Prinzipien göttlicher Offenbarung.

47.8. Aus welchem Ursprung die Erde so vielerlei Körper hat, gute und böse, wie Erde, Salz, Steine und Metalle. Und solche Körper liegen in der Erde deshalb vermischt, weil die drei Prinzipien wie ein Wesen ineinander stehen. Und sie stehen nur in drei Unterschieden der Zentren göttlicher Offenbarung, darin ein jedes Zentrum sein eigenes Aushauchen, Natur und Wesen aus sich macht, und doch alle aus dem ewigen Einen entstehen.

47.9. Das erste Zentrum ist das Aushauchen des Ungrundes als Gottes Sprechen, die Einfassung und göttliche Empfindlichkeit seiner selbst, darin sich Gott in die Dreifaltigkeit führt und in der Kraft gebiert und ausspricht.

47.10. Das zweite Zentrum oder Aussprechen ist das ausgesprochene Wesen der göttlichen Kraft und heißt Gottes Weisheit. Durch dieses haucht sich das ewige Wort in der Wissenschaft aus, nämlich in die Unendlichkeit der Vielfalt, und führt die Vielfalt der Wissenschaft in die Lust, die Lust in Begierde, und die Begierde in Natur und Streit bis zum Feuer, darin der Streit im Leiden der Verzehrung des Feuers seines eigenen Naturrechtes abstirbt. Was doch kein Sterben ist, sondern so führt sich die Kraft in der Empfindlichkeit und durch die Tötung der eigenen Begierde der Eigenschaften durch das Sterben der Selbheit durch das Feuer im Licht heraus. Und dort im Licht wird ein zweites Prinzip als das wahre große Mysterium göttlicher Offenbarung verstanden, während man im Feuer das erste Prinzip als die ewige Natur versteht. Und das sind zwei in Einem wie Feuer und Licht: Das Feuer gibt die Seele, und des Lichtes Kraft gibt den Geist. Und so wird in dieser Lichtkraft des göttlichen Aussprechens durch die Weisheit in der Offenbarung des Feuers, das heißt, im Geist-Feuer, die Mutter der ewigen Geister wie der Engel und Menschenseelen verstanden sowie die geistige englische Welt als die verborgene innere Kraftwelt, welche eine Mutter des Himmels, der Sterne und Elemente ist, nämlich der äußeren Welt.

47.11. Das dritte Zentrum ist das Schöpfungswort (Verbum Fiat) als das natürliche Wort Gottes aus der Kraft des ersten und zweiten Prinzips als ein Separator (Unterscheider), Schöpfer und Macher aller Kreaturen in der inneren und äußeren Welt, eine jede Welt nach ihrer Eigenschaft. Dieser Separator oder Sprecher der Unterschiedlichkeit göttlicher Kräfte hat sich aus sich selbst aus dem ersten und zweiten Prinzip als aus dem Feurigen und Lichtvollen sowie aus der Verdichtung und Einfassung der Beschauung aus der Finsternis ausgesprochen und mit der Unterschiedlichkeit des Aussprechens eingefaßt und materiell, webend und empfindlich gemacht. Daraus ist das dritte Prinzip als die sichtbare Welt mit ihrem Wesen und Leben entstanden, auch die ganze Schöpfung der sichtbaren Welt, deren Leben und Wesen aus dreien in ein Wesen und Leben gekommen ist. Nämlich aus der ewigen Natur als aus dem großen Mysterium, das heißt, ersten aus der Finsternis, zweitens aus dem Feuer und drittens aus dem Licht, also aus Liebe und Zorn.

47.12. Das Feuer heißt „Zorn“ als eine Schmerzlichkeit und Widerwärtigkeit. Und das Licht heißt „Liebe“ als eine Hingabe seiner selbst. Und die Finsternis ist eine Scheidung der Erkenntnis und Wissenschaft, damit erkannt wird, was Licht und Leben und was böse und schmerzlich ist.

47.13. Denn es werden zweierlei Feuer erkannt und auch zweierlei Licht: Nämlich nach der finsteren Verdichtung ein kaltes Feuer und ein falsches Licht durch die Imagination der strengen Verdichtung, welches Licht nur in der Imagination entsteht und keinen wahren Grund hat. Das andere Feuer ist ein heißes Feuer und hat ein gründlich wahres Licht aus dem Ursprung des göttlichen Willens, der sich mit dem Aushauchen mit in die Natur bis in das Licht durch das Feuer ausführt.

47.14. In diesen zweierlei Feuern und zweierlei Licht werden zwei Prinzipien und auch zweierlei Willen verstanden. Denn das falsche Licht aus der Imagination entsteht aus dem Eigenwillen der Natur als aus der Verdichtung der Eigenschaften, darin sich die Eigenschaften gegenseitig probieren, daraus die eigene Lust entsteht und eine Imagination, so daß sich die Natur in eigener Begierde den Ungrund einmodelliert und begehrt, sich in eigener Macht ohne den Willen Gottes in ein Regiment ihres Selber-Wollens hineinzuführen. So daß dieser eigene Wille dem unergründlichen Willen Gottes, der jenseits von Natur und Kreatur im ewigen Einen in sich selbst entsteht, nicht untertänig sein will, sich ihm auch nicht ergeben und mit ihm nicht Ein Wille sein will, sondern sich selber zum eigenen Separator und Schöpfer macht. Er schöpft sich in sich selber eine Weisheit (Scienz) und scheidet sich von Gottes Willen, wie am Teufel sowie am eigenwilligen Menschen zu erkennen ist. Daraus ihnen die Ausstoßung aus Gottes Separation erfolgt ist, so daß der Teufel mit seinem eigenen Willen ein Separator der finsteren Verdichtung bleiben muß, darin sich das Wort in Natur und Schmerzlichkeit zur Empfindlichkeit hineinführt, nämlich im Ursprung des Feuerqual-Quells, welcher doch das wahre Feuer nicht erreichen kann, darin sich Gottes Wille in das empfindliche Leben und in die Natur hineinführt als in ein scheinendes Licht. Denn der Separator der natürlichen Eigenschaft hat kein wahres Sein, darin sein Licht beständig ist. Denn er schöpft mit seiner Begierde nicht aus dem ewigen Einen als aus Gottes Sanftmut, sondern schöpft sich selber in ein Wesen, und sein Licht entsteht nur im eigenen Wesen der Selbheit (bzw. Ichheit).

47.15. Darum ist ein Unterschied zwischen Gottes Licht und dem falschen Licht, denn Gottes Licht entsteht im ewigen Einen als im Wesen göttlicher (ganzheitlicher) Gebärung und führt sich mit Gottes Willen in Natur und Wesen hinein. Es wird durch den göttlichen Separator in ein Sein (Ens) eingefaßt und geführt und scheint in dieser Natur in der Finsternis (Joh. 1.5). Denn die eingefaßte Weisheit (Scienz) ist nach der Verdichtung eine Finsternis. Aber das göttliche Licht durchleuchtet sie, so daß sie ein feuriges Licht ist, darin Gottes Hauchen oder Sprechen in Natur und Kreatur offenbar und in einem empfindlichen Leben steht. Davon St. Johannes sagt: »Das Leben der Menschen war in ihm. (Joh. 1.4)« Und auch Christus sagt, er sei das Licht der Welt, das der Welt das Leben gebe (Joh. 8.12). Denn ohne dieses göttliche Licht aus der Gebärung göttlicher Dreieinigkeit gibt es kein beständig wahres Licht, sondern nur ein Licht der Imagination, der natürlichen Verdichtung eigenen Willens.

47.16. Darum soll der Mensch als das Bild Gottes die Augen der Vernunft, darin ihm Gottes Licht entgegensteht und hereinzuscheinen begehrt, erheben und nicht wie ein Tier sein, welches mit seinem Separator nicht im innerlichen Grund in der Ewigkeit steht, sondern nur in der Nachformung im ausgesprochenen Wort, welches nur ein zeitliches Licht in einem anfänglichen und damit vergänglichen Separator hat, darin sich der ewige Separator in ein Spiel hineinführt und die göttliche Weisheit (Scienz) in Bildnisse gleich einer Nachmodelung des großen Mysteriums der geistigen Welt einführt, darin die ewigen Prinzipien nach Feuer und Licht in einer Vormodelung mitspielen. Aber der Mensch steht nur nach dem äußerlich begreifbaren Leib in solcher Vormodelung und ist mit seinem geistigen Leib das wahre wesentliche Wort göttlicher Eigenschaft, in dem Gott sein Wort spricht und gebiert, so daß sich die göttliche Weisheit austeilt, einfaßt und in ein Ebenbild Gottes gebiert, in welchem Bild Gott nach Art der Empfindlichkeit und Kreatur offenbar ist und selbst wohnt und will. Deshalb soll der Mensch sein eigenes Wollen zerbrechen und sich dem Wollen Gottes eingeben.

47.17. Weil aber der eigene Wille des Menschen solches nicht tun will, so ist er unvernünftig und sich selbst mehr schädlich als die wilde Erde, welche doch ihrem Separator stillhält und ihn aus sich machen läßt, was er will. Denn Gott hat alle Dinge in sein Spiel aus seinem Aussprechen durch und in seinem Separator gemacht, und es hält ihm auch alles still. Nur das falsche Licht macht, daß sich der Separator der Kreatur in eigenen Willen hineinführt, so daß sich die Kreatur gegen Gottes Willen setzt.

47.18. Welches falsche Licht im Menschen durch des Teufels Willen sein Fundament hat, der mit der Einführung seiner falschen Begierde den Menschen monströs (tierhaft) gemacht hat, so daß er auch eine falsche Imagination annahm, dadurch er die vom Teufel eingeführte falsche Begierde durch seine eigene Begierde in sich wesentlich machte, so daß im menschlichen Leib, der aus dem Stoff (Limo) der Erde in das göttliche Schöpfen gefaßt wurde, ein tierhafter Separator entstanden ist, der die Eigenschaften aller Tiere offenbarte. Davon dem Menschen so vielerlei Lust, Begierde und Willen entstanden ist, denn dieser falsche Separator hat sich emporgeschwungen und das Regiment bekommen, alle Prinzipien an sich gezogen und aus göttlicher Ordnung ein Monstrum gemacht.

47.19. Welches monströse Bild sich mit seinem Willen und Begehren ganz von Gottes Willen und dem göttlichen Licht abgewandt hat, davon das göttliche Sein vom Wesen der heiligen Welt in ihm verblich und er, der Mensch, also nur ein Monstrum des Himmels blieb und mit seinem Separator zu einem Tier aller Tiere gemacht wurde, welcher nunmehr in sich und mit allen Tieren herrscht, indem der irdische Weltgeist (Spiritus Mundi) mit den Sternen und Elementen das Regiment bekommen hat.

47.20. Jetzt läuft nun der Mensch und sucht wieder sein erstes wahres Vaterland, denn er steht in solcher Eigenschaft nur in Unruhe. Nun sucht er in einem, bald im anderen und meint, sich in diesem Monstrum in Ruhe hineinzuführen, und läuft doch nur in den falschen aufgewachten tierhaften Willen, der Gottes Willen nicht erreichen kann.

47.21. Denn er läuft jetzt nur im falschen Licht seiner Selbheit (bzw. Ichheit), das in seiner Imagination mit einem monströsen Separator geboren wird, der sich ein irdisches Gemüt macht, darin das Gestirn seine Wirkung hat. Und er hat die ganze sichtbare Welt zum Feind und steht wie eine Rose im Dornenstrauch, die von den Dornen immerzu zerkratzt und zerrissen wird. Und man könnte von ihm auch nicht mehr sagen, daß er eine Rose sei, wenn ihm nicht die göttliche Gnade zu Hilfe gekommen wäre und sich ihm wieder in seinen innerlichen Grund eingesprochen hätte, darin ihm die Liebe zur neuen Wiedergeburt angeboten wird.

47.22. Darum sage ich, dem Menschen ist es hochnötig, sich selbst erkennen zu lernen, was er sei, bevor er läuft und sucht. Denn sein Suchen ist sonst nur ein Quälen, mit dem er sich in einem falschen Separator selber quält und doch zu keiner Ruhe kommt. Denn alle diese vielen irdischen Willen, darin er sich gedenkt, in Ruhe hineinzuführen, sind ein Widerwille gegen Gott als dem ewigen Einen. Denn es liegt nicht an jemandes Selber-Wollen, Laufen oder Rennen, sagt Paulus, sondern am Erbarmen als an der Gnade, welche ihm eingesprochen worden ist. Denn der Mensch ist ohne diese Gnade an Gott tot und blind und kann zu keinem wahren Leben kommen, es sei denn, diese Gnade wird in ihm erweckt und offenbar.

47.23. So kann auch in diesem irdischen Willen keine Erweckung geschehen, denn sie können die Gnade nicht erreichen, viel weniger erwecken. So muß sich der ganze Mensch in Seele und Gemüt nur in die Gnade einsenken und sich ein Nicht-Wollender werden, der nichts als nur die Gnade begehrt, damit die Gnade in ihm lebendig werde und seinen Willen übertäube und töte. Gleichwie die Sonne in der Nacht hervorkommt und die Nacht in Tag verwandelt, so ist es auch vom Menschen zu verstehen, davon Christus sagt: „Es sei denn, daß ihr umkehrt und wie die Kinder werdet, anders sollt ihr Gottes Reich als den göttlichen Separator nicht sehen, von dem alle Dinge entstanden sind.“ Denn keine Wissenschaft ist wahrhaft oder gründlich, sie komme denn aus der wahren göttlichen Weisheit (Scienz), aus der Unterscheidung göttlichen (ganzheitlichen) Sprechens, davon alle Dinge ihren Ursprung haben.

47.24. Soll nun eine solche Wissenschaft wieder im Menschen entstehen, dann muß der göttliche Separator in einem Wesen seiner Gleichheit stehen, nämlich in einem göttlichen Wesen, darin sich das göttliche Wort ausspricht und in diesem Sprechen das göttliche Licht scheint. Dann kann die menschliche Weisheit (Scienz), welche anfänglich vom Sprechen des Wortes entstanden ist, im selben Lichte nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen natürlichen Dinge nach der Unterschiedlichkeit des Wortes schauen und auch auf magische Weise in göttliche Art und Eigenschaft in und mit den Dingen wirken.

47.25. Denn der Mensch ist an allen Werken Gottes blind und hat keine wahre Erkenntnis, es sei denn, das Hauchen oder Sprechen Gottes ist in seinem innerlichen Grund nach Art des Sprechens, daraus alle Wesen entstehen, offenbar. Sonst ist alles Suchen der Menschen, um den Grund eines Dinges zu finden, blind und geschieht nur in einer Schale (der äußerlichen Rinde), welche die Essenz des Baumes verdeckt. Soll es ein wahres Finden sein, dann muß die menschliche Weisheit in die Eigenschaft des Dinges eingehen und diesen Separator schauen können.

47.26. Darum ist das die große Mühseligkeit der Menschen, daß sie alle in Blindheit laufen und suchen, und an der Schale zu suchen anfangen, obwohl doch alle Dinge äußerlich signiert werden, was sie in ihrem inneren Wesen sind, und sich der Separator aller Dinge sichtbar und förmlich dargestellt hat, so daß man am Geschöpf den Schöpfer erkennen kann.

47.27. Denn es sind alle Wesen nur ein Einiges Wesen, welches sich aus sich selbst ausgehaucht und unterschiedlich geformt hat. Und aus dieser Einfassung und Formung kommt nur jeweils ein Zentrum aus dem anderen, nämlich mit jeder Einfassung der Begierde, darin sich der abgeschiedene und zerteilte Wille in ein Teil faßt. Hier entsteht ein Zentrum, und in dem Zentrum ein Separator oder Schöpfer seiner selbst als ein Formierer des wiederaushauchenden Willens, wie wir das an der Erde sehen, daß ein jedes Kraut einen eigenen Separator in sich hat, der es entsprechend macht und in eine Form scheidet.

47.28. Wenn nun der Mensch als das Bild Gottes, in dem das göttliche Sprechen offenbar ist, die Natur erforschen will, sei es im Lebhaften oder im Stummen als im Wachsenden oder Metallischen, dann muß er vor allen Dingen die Gnade von Gott wiedererlangen, so daß ihm das göttliche Licht in seiner Wahrnehmung (Scienz) leuchtet, darin er durch das natürliche Licht hindurchgehen kann. Dann wird ihm in seiner Erkenntnis alles offenbar werden. Anders läuft er im Suchen wie ein Blinder, welcher von Farben redet und doch keine sieht noch weiß, was Farben sind.

47.29. Welches allen Ständen der Welt zu betrachten ist, daß sie ohne göttliches Licht alle blind laufen, nur in einer siderischen Bildlichkeit, was das Gestirn in den Verstand einbildet. Denn der Verstand ist nichts anderes als das menschliche Gestirn (bzw. Denken), welches nur eine Nachmodelung aller Prinzipien ist. Er steht nur in einer Bildlichkeit und nicht in göttlicher Weisheit (Scienz). Wenn aber das göttliche Licht darin offenbar und scheinend wird, dann beginnt auch das göttliche Wort aus der ewigen Wissenschaft darin zu sprechen. So ist dann der Verstand ein wahres Gehäuse göttlicher Wissenschaft und Offenbarung und kann dann recht und wohl gebraucht werden. Aber ohne dem ist der Verstand nicht mehr wie ein Gestirn der sichtbaren Welt.

47.30. Darum wird allen Liebhabern der Künste, deren Separator ein Künstler großer Subtilität in ihnen ist, angedeutet, daß sie zuerst Gott und seine Liebe und Gnade suchen sollen und sich diese ganz einverleiben und hineinergeben, sonst ist all ihr Suchen nur ein Spiegelfechten, und nichts Gründliches wird gefunden, es vertraue denn einer dem anderen etwas in die Hand.

47.31. Welches doch Gottes Kindern, in denen die Gnade offenbar geworden ist, streng verboten ist, das Perlein nicht vor die Säue zu werfen, bei ewiger Strafe. Ihnen ist nur erlaubt, das Licht aufzuzeigen und ihnen zu weisen, wie sie dazu kommen können. Aber den göttlichen Separator in eine tierische Hand zu geben ist verboten, er kenne denn des Menschen Weg und Willen.

47.32. Auf solches Andeuten will ich euch, geliebte Herren und Brüder, durch Zulassung göttlicher Gnade und Mitwirkung dieser jetzigen Zeit das göttliche Geheimnis, wie sich Gott durch sein Wort sichtbar, empfindlich und findlich, dazu kreatürlich und förmlich gemacht hat, ein wenig entwerfen.

47.33. Solchem wollt ihr weiter nachsinnen. Jedoch daß es geschehe, wie oben erklärt wurde, anders werde ich euch stumm sein, daran ich keine Schuld habe.

47.34. Gott ist weder Natur noch Kreatur, was er in sich selbst ist, weder dies noch das, weder hoch noch tief. Er ist der Ungrund und Grund aller Wesen, ein ewiges Eines, darin weder Grund noch Stätte ist. So ist er der Kreatur in ihrem Vermögen ein Nichts, und ist doch Alles. Die Natur und Kreatur ist sein Etwas, mit dem er sich sichtbar, empfindlich und findlich macht, sowohl nach der Ewigkeit als auch der Zeit. So sind alle Dinge durch göttliche Imagination entstanden und stehen immer noch in solcher Geburt und Regiment. Auch die vier Elemente haben einen solchen Grund von der Imagination des ewigen Einen. Dazu ich hier eine Tabelle darstellen will, wie sich eines aus dem anderen auswickelt oder aushaucht.

47.35. In beigefügter Tabelle ist der Grund aller Heimlichkeit göttlicher Offenbarung entworfen, um diesem nachzusinnen, dessen Verständnis nicht das eigene Vermögen der Natur ohne Gottes Licht ist. Aber denen, die in diesem Licht stehen, wohl verständlich und sogar kindisch ist, wie solches in meinen Schriften weitläufig und genug erklärt ist und hier nur mit kurzem Begriff bildlich dargestellt wird.

47.36. Damit empfehle ich die Herren dem Gruß der Liebe Jesu Christi, welcher durch seinen Anblick und Gruß selbst der Schlüssel zum Verständnis dieser Tabelle ist.

Datum siehe oben, der Herren dienstwilliger J. B.

Eine Tabelle oder ein Entwurf, um zu betrachten:

I. Was Gott jenseits der Natur und Kreatur sei.
II. Was das große Mysterium (Mysterium Magnum) sei, dadurch sich Gott offenbart.
III. Wie er sich durch sein Aushauchen oder Sprechen in Natur und Kreatur hineingeführt habe.

Dem Leser weiter nachzusinnen (bezüglich der oben genannten drei Zentren göttlicher Offenbarung).

I. So wird Gott jenseits von Natur und Kreatur betrachtet, was er in sich selbst ist:

Tabelle I

II. Anfang des großen Mysteriums oder der ewigen Natur (im 1. und 2. Prinzip)

Hier fängt nun das große Mysterium als die Unterschiedlichkeit im Sprechen des Wortes an, darin das Wort durch die Weisheit unterschiedlich wird und damit natürlich, sinnlich, empfindlich und findlich, darunter man den ewigen Anfang der Prinzipien mit Gottes Liebe und Zorn in Licht und Finsternis versteht, dazu die sieben Hauptgestaltungen der Natur, wie sich das Aussprechen in sieben Gestaltungen hineinführt und durch die sieben ins Unendliche. Mit dem Wort TINKTUR fängt die Unterschiedlichkeit des Wortes an, darin sich der ewige Wille in die Natur hineinführt.

Tabelle II

(Hinweis: Diese Tabelle wurde in der Ausgabe von 1730 und 1847 sehr verändert und erweitert. Wir stützen uns auf die Ausgabe von 1682, aber haben die sieben Gestaltungen der Natur nach ihren Nummern geordnet, so daß man besser erkennt, wie Seele und Teufel zwischen den ewigen Prinzipien stehen. Die Punkte haben wir in Bindestriche gewandelt, weil sie vermutlich ähnlich wie die Kreuze besondere Verbindungen andeuten.)

III. Tabelle des Makrokosmos und Mikrokosmos (des 3. Prinzips)

Wie sich das Wort durch die ersten zwei Prinzipien in die sichtbare Welt und äußere Natur und Kreatur (des 3. Prinzips) hineingeführt hat.

Tabelle III

Andeutung, wie aus den sieben Eigenschaften die vier Elemente (im 3. Prinzip) entstehen

Die II. Tafel ist zuvor zu betrachten.

1. Erde

⇧ Gottes Verbot nach Art des kreatürlichen Wortes.

⇩ Des Menschen Fall durch Lust und Begierde der Unterschiedlichkeit aus der Ausgeglichenheit der paradiesischen Qualität.

Die Begierde ist das Schöpfen oder der Anfang zur Natur und verdichtet sich selber, und so kommen aus dieser Eigenschaft erstlich Herbe, Härte, Schärfe, Kälte, alle Salze, Steine, Knochen, Erde und dann alles, was grob, hart und irdisch ist. Nach den Planeten aus der Quintessenz des Saturns.

2. Trockenes Wasser

⇧ Gottes Fluch nach Art der Natur.

⇩ Ursprung nach der Erkenntnis des Guten und Bösen, auch der Grobheit des Leibes.

Aus der Weisheit (Scienz oder auch „Wissenschaft“) kommen Bewegung, Unterschiedlichkeit, Empfinden und Leben. Das ist der Separator aller Dinge, der Unterscheider des Reinen und Unreinen, wie in der Quintessenz die grobe Erde von der reinen, daraus die reinen Metalle werden. Diese reine Erde ist ein trockenes Wasser des Mercurius, eine Wurzel zur Luft. Denn es ist das äußere Wort mit seinem Wiederaushauchen, ein Ausgang vom Hauchen Gottes, daraus die Bewegung entsteht, der Ursprung von allem kreatürlichen Leben, nach der Ewigkeit ewig, nach der Zeit zeitlich. Daraus entsprossen nach der Unterschiedlichkeit unter dem Planeten Merkur (Mercurius bzw. reflektierendes Bewußtsein).

3. Element Feuer

⇧ Gottes Zorn nach Art der drei Prinzipien.

⇩ Der Mensch in der Hölle, und Gottes Zorn in Angst und Not.

Aus der Angst kommen nach der Essenz Qual, Schmerz, Gemüt, Denken und alle fünf Sinne, und nach dem Wesen kommt Sulphur oder (brennbarer) Schwefel. Nach der Bewegung kommt die Seele, nach dem Ewigen ewig und nach der Zeit tierisch als eine siderische Seele. Und hierin wird der irdische Weltgeist (Spiritus Mundi) in der fünften Essenz (des heiligen Elementes) verstanden unter dem Planeten Mars und unter den sieben Eigenschaften. Grimm und Zorn vom Mercurius werden giftig, und vom Saturn stark. So ist das Feuer ohne dem (göttlichen) Licht die Hölle, und im Licht die Freude.

4. Element Luft-Welt

⇧ »Oh Gott, bei den Verkehrten bist du verkehrt, bei den Heiligen heilig. (Psalm 18.26)«

⇩ Der Mensch, das tierische Leben der Zeit in Böse und Gut.

Aus der Begierde kommen Natur und Wesen, wie oben beschrieben. Aus der Erfahrung (Scienz bzw. bewegte Weisheit) kommt das empfindliche Leben sowie das Wirken, Wachsen und Gebären. Aus der Angst kommen Feuer und das verständliche Leben. Aus dem Feuer kommt die Luft als die Bewegung und das Wallen oder Wollen der Erfahrung (Scienz). Aus der Luft kommt das nasse Wasser, und aus dem nassen Wasser kommt das sterbliche vergängliche (greifbar-körperliche) Wesen in den Elementen. Unter den Planeten ist es die Sonne.

5. Element Licht / Liebe-Feuer

⇧ CHRISTUS

⇩ Hier ist der Mensch der göttlichen Liebe abgestorben und in einer tierischen aufgewacht.

Der Wille des Ungrundes als Gottes Wille führt sich durch alle Gestaltungen bis in die Anzündung des Feuers und nimmt damit entsprechend der Natur natürliche Eigenschaften an und führt sich durch das Feuer als durch die verzehrende Qual der Eigenschaften im Licht heraus, und wohnt dann nach väterlich-natürlicher Eigenschaft im Licht. Das heißt nicht, daß man Gott in sich selber natürlich machen wollte, sondern den Willen im Wort, der doch nach seiner Offenbarung auch Gott ist. Im Licht ist der Wille ein natürliches Liebe-Feuer. Danach entsteht im äußeren Wesen der Welt aus dem feurigen Wasser eine andere Erde, die ist Silber, Gold und alle Metalle, alle und jede Eigenschaft derselben nach den sieben Eigenschaften der Natur. Der Blick des Feuers, daraus das Licht offenbar wird, ist ein Schreck des Salpeter-Ursprungs, darin sich der Geist über sich scheidet, in der Mitte ist er ein Öl als ein wesentliches Licht-Feuer, und unter sich ein geistiges Wasser als TINKTUR-Körper. Die Kraft vom Feuer und Licht ist die (heilende) TINKTUR und entsteht vom Wort, das sich in die Natur hineingeführt hat. Das alles unter dem Planeten Venus.

6. Schall

⇧ Gottes Wort durch CRISTUS.

⇩ Babel, eigener Verstand und Wort.

Der Schall ist das ausgewirkte natürliche Wort aus beiden inneren Prinzipien, ein Leben der Sinne, ein wesentliches Wort aus dem Feuer durch das Licht, eine Freude des Lebens, eine Kraft aller Leben, auch der Metalle und der Erde Kraft. Im Leben ist er der Verstand, ein Finder und Empfinder göttlicher Eigenschaft, und unter den Planeten Jupiter.

7. Wesen

⇧ CHRISTI Fleisch.

⇩ Tiermensch.

Das Wesen ist ein Körper aller Eigenschaften als eine Mumie der fünften Essenz, ein Menstruum (fruchtbares Monatsblut) der Prinzipien, darin sie sich in Körperlichkeit und Kreaturen hineinführen, daraus Fleisch und Blut entstehen. Es ist ein Liquor aller Wachsenden, nach dem Guten gut und nach dem Bösen böse, also ein Zentrum zum Guten und Bösen. Unter den Planeten Mond (Luna). - Wer hier Augen hat, wird nun verstehen, warum der Mond in seiner Kugel halb licht und halb finster ist.

(Ab 1730 folgen hier noch einige Erklärungen zu den Begriffen der Tabellen, die vermutlich nicht von Jacob Böhme stammen:)

Begriffserklärung zur I. Tabelle (zur Gottheit)

Ungrund, Nichts und Alles: Hier fängt man an und betrachtet, was Gott jenseits von Natur und Kreatur in sich selbst sei. Und diese Betrachtung geht bis zur Weisheit in Zeile 7. Darin wird verstanden, wie Gott durch alles wohnt und wie alles von ihm entsteht, und er selbst doch dem allen unbegreiflich und wie ein Nichts ist, aber sich durch das alles sichtbar, dazu empfindlich und findlich macht.

Wille und Wallen des Ungrundes: Und dabei auf der rechten Seite (vom Bild aus) „Vater“ und auf der anderen Seite „JE“. Dies deutet den Willen des Ungrundes an, welcher der Vater aller Wesen ist. Und das „JE“ deutet das ewige Eine an als den Namen Jesus im ewigen Einen.

Lust und Einfassung des Willens: Dabei steht zur Rechten „Sohn“ und gegenüber „HO“, und das deutet an, wie sich der einige Wille zu seiner Stätte seiner Besitzlichkeit einfasse. Die Stätte ist sein Ausgebären aus sich selbst, darin Gott Gott gebiert als eine Lust seiner Selbheit. Das „HO“ ist das Aushauchen des Willens, dadurch die Lust ausgeht.

Weisheit (Scienz) und Bewegung: Und zur Rechten steht „Geist“ und gegenüber „VA“. Weisheit (Scienz) ist das Einziehen des Willens zur Stätte Gottes, darin der Wille die ausgegangene Lust zum Sohn oder zum Hauchen einfaßt, durch welches Aushauchen der Geist Gottes verstanden wird. Und so wird hier der große Name JEHOVA als das dreieinige Wesen verstanden, wie der Vater seinen Sohn aus sich gebäre und wie der Heilige Geist von beiden ausgehe und doch nur ein einiges Wesen sei, das nichts vor sich habe. Denn die Scienz wird im Einziehen als eine Wurzel der ewigen Wissenschaft oder Bewegung verstanden.

Gott in Dreifaltigkeit: Deutet das dreieinige Wesen an, wie man ein Gleichnis geben könnte von Willen, Gemüt und Sinnen (Wille, Denken und Sinne), darin die einige Vernunft liegt. So ist die Dreiheit die einige ewige Vernunft und Ursache aller Wesen.

Wort in Gott: Deutet die Unterschiedlichkeit in der (ganzheitlichen) Vernunft an, als das Sprechen der Empfindlichkeit seiner selbst, welches Wort ewig in Gott bleibt und Gott als die Kraft der Empfindlichkeit das einige Gut ist.

Weisheit: Deutet das ausgesprochene Wort an als die Kräfte der göttlichen Beschaulichkeit, darin sich Gott selbst erkennbar, empfindlich und offenbar ist. Und soweit (bzw. darüber hinaus) ist Gott der Kreatur unsichtbar und unbegreiflich, auch unnatürlich und unkreatürlich.

Begriffserklärung zur II. Tabelle (zum 1. und 2. Prinzip)

Unter Weisheit steht: Anfang des großen Mysteriums oder der ewigen Natur, als der Unterschiedlichkeit, Empfindlichkeit und Findlichkeit der Eigenschaften. Darunter versteht man die göttliche Auswicklung oder Offenbarung, wie sich Gott in der ewigen Natur in Liebe und Zorn hineinführe und nicht in sich selbst, denn er ist selbst das ewige einige Gut, welches aber ohne Unterschiedlichkeit nicht empfindlich oder offenbar wäre.

Das erste Prinzip deutet des Vaters Eigenschaft durch das Sprechen des Wortes im Grimm an, und das 2. Prinzip deutet die englische Kraftwelt an, und das im Zorn deutet die finstere Kraftwelt des Leidens an, darin Gott ein zorniger Gott ist.

TINKTUR oder Sprechen der Dreiheit deutet die Ausgeglichenheit aller Kräfte an, wie sie überall durch das Sprechen in Unterschiedlichkeit und Gestaltungen ausgehen, vor allem in den sieben Hauptgestaltungen: 1. Begierde / Herb, 2. Scienz / bitterer Stachel, 3. Angst, 4. Feuer, 5. Licht / Liebe-Feuer, 6. Schall und 7. Wesen. Und ferner steht bei jeder Gestaltung, was für Eigenschaften aus ihr ausgehen und geboren werden. Denn wenn ein Sprechen sein soll, dann muß sich die Kraft zuvor zusammenfassen, damit sie sich aushauchen kann. Und so ergibt diese Einfassung in sich eine Herbigkeit oder magnetische Verdichtung, welches der Anfang des Etwas ist, darin das Schöpfen verstanden wird, das die Kräfte anzieht.

Und das ist die erste Hauptgestaltung der geistigen Natur, und so steht „1. Begierde“, welche Begierde sich schärft, so daß daraus Herb, Härte und die Ursache der Kälte entstehen. Und das ist ein Grund aller salzigen Eigenschaften, in der geistigen Welt geistig und in der äußeren Welt wesentlich. So ist die Begierde der Verdichtung auch eine Ursache seiner Selbst-Beschattung oder die Finsternis im Abgrund, wie dann diese Gestalten alle zu Nr. 1 zur Begierde der Einfassung gehören.

Bei der zweiten Hauptgestaltung steht „2. Scienz oder Stachel“, und das deutet das Einziehen der Begierde an, darin die erste Feindschaft oder der Widerwille entsteht, denn das Verhärten und das Regen oder Bewegen sind etwas Ungleiches. In dieser Gestaltung entsteht nun das Bewegen und Fühlen als eine Wurzel des Leidens, darin man das Mercurius-Giftleben sowohl geistig als auch im Wesen versteht, und in der Finsternis das Quälen oder die Schmerzlichkeit des bösartigen Lebens. Und doch wäre sich auch das gute Leben ohne diese Wurzel nicht offenbar. Und diese Gestaltung ist die Wurzel des göttlichen Zorns nach der ewigen Natur der Empfindlichkeit.

Die dritte Hauptgestaltung ist „3. Angst“. Sie entsteht aus der Begierde der Verdichtung und aus der Feindschaft des Stachels, darin der Wille in der Qual steht, und ist eine Ursache des Fühlens und der fünf Sinne sowohl der Essenz und des Gemüts und des Sinnens (bzw. Denkens), darin in der Angst alle Gestaltungen leidig werden, und so empfinden sie einander. Hier wird das Wort schiedlich und ist eine Wurzel des Sulphurs, sowohl geistig als auch wesentlich, darin man in der Finsternis im leidlichen Leben recht das höllische Feuer versteht, wie in der Tabelle abwärts gezeichnet ist.

Die vierte Hauptgestaltung heißt „4. Feuer“, darin man des Feuers Anzündung aus der leidvollen Sulphur-Wurzel versteht. Denn der Wille geht aus der Angst wieder in die Freiheit, und die Freiheit geht in die Angst zu ihrer Offenbarung. In dieser Konjunktion geschieht der Schreck oder Blitz, darin der Ungrund als das ewige Gute offenbar wird, und das ist in den Gestaltungen der Natur Ursprung und Leben. In der Finsternis ist es feindlich, und in der Freiheit ist es die Wurzel der Freude oder der Erweckung der Kräfte, und ist des Feuers Anzündung, in welcher Anzündung der Ungrund ein scheinendes Licht und majestätisch wird.

Die fünfte Hauptgestaltung heißt „5. Licht / Liebe-Feuer“. Darunter versteht man, wie sich das ewige Gute durch die Anzündung des leidvollen Feuers in ein erhebend brennendes Liebe-Feuer hineinführt, welches Feuer wohl zuvor in Gott ist. Aber so wickelt es sich nur aus, damit es empfindlich und beweglich ist, darin die guten Kräfte wirkend werden.

„6. Schall oder Schiedlichkeit“ steht als die sechste Hauptgestaltung und deutet das natürliche lautbare Leben an, darin sich das ewig-göttliche Wort durch die Gestaltung der Natur ausgewickelt hat und darin alle Kräfte der Weisheit im Schall stehen. Und in diesem steht nun das verständige (und vernünftige) Leben. Im Licht ist es englisch und göttlich, und in der Finsternis ist es teuflisch.

„7. Wesen oder wesentliche Weisheit“ ist die siebente Hauptgestaltung und deutet die wesentliche Weisheit des ausgehauchten Wortes an, darin alle anderen Gestaltungen offenbar werden. Und das ist eben das Wesen aller Gestaltungen, nämlich im Licht gut und göttlich, und in der Finsternis böse und feindlich. Und so wird vor allem das große Mysterium darin verstanden, aber auch die englische Welt sowie der innerliche geistige Leib des Menschen, welcher in Adam verblich als der Seelenwille aus Gottes Willen ausging, aber in Christus wieder lebendig wird, der ihm das Wesen dieser Kraftwelt zu einer Speise gibt, welche das himmlische Fleisch ist (Joh. 6). Und das ist die dürre Rute Aarons, die in Christi Geist im Menschen wieder ausgrünt.

„Reines Element“ deutet die Bewegung im Wesen der englischen Welt an und ist das einige, heilige und reine Element, darin die vier Elemente in der Ausgeglichenheit liegen, und ist eine Wurzel der vier Elemente.

„Paradies“ deutet das ewige Grünen oder das geistige Wachsen in der geistigen Welt an, daraus die äußere sichtbare Welt aus Gut und Böse als aus beiden ewigen Prinzipien ausgehaucht worden ist. In welcher Qualität und Regiment Adam in seiner Unschuld stand, als die vier Elemente in ihm noch alle in der Ausgeglichenheit als im heiligen reinen Element standen.

Begriffserklärung zur III. Tabelle (zum 3. Prinzip)

Die „äußere Welt“ deutet an, wie Gott durch sein Wort das große Mysterium als die ewige Natur aller geistigen Eigenschaften in ein sichtbares und förmliches Wesen ausgehaucht und durch das Schöpfen (Fiat) als die geistige Begierde in den Kreaturen geformt hat. Dabei steht das 3. Prinzip, darunter man drei Welten ineinander verstehen soll, nämlich ersten die finstere Welt von Gottes Zorn, zweitens die ewige Lichtwelt göttlicher Liebe-Offenbarung und drittens diese sichtbare, anfängliche und vergängliche Welt.

„Himmel“ deutet das Scheideziel zwischen der inneren und äußeren Welt als des sichtbaren und unsichtbaren Wesens an, welcher Himmel im Wesen des geistigen feurigen Wassers steht.

„Quintessenz“ deutet die geistigen Kräfte als den paradiesischen Grund in den vier Elementen an sowie das Gestirn, welches aus den inneren Kräften ausgehaucht worden ist als die Zeit anfing, und ist das Gute in den vier Elementen, darin das Licht der Natur als ein ausgehauchter Glanz vom ewigen Licht scheint.

Die „vier Elemente“ sind Feuer, Luft, Wasser und Erde als die geschaffene Welt aus der Finster- und Lichtwelt, welche das ausgesprochene geformte Wort aus der ewigen Natur Kraft und Wesen sind, dahinein der Teufel sein Gift geworfen hat, das von Gott nach dem Fall des Menschen verflucht wurde. Aus der Quintessenz und den vier Elementen sind alle Kreaturen dieser sichtbaren Welt geschaffen worden, und haben alle ihr Leben davon. Aber der seelische Mensch hat auch die innere geistige Welt nach dem innerlichen Seelenmenschen in sich. Darum kann Gottes Liebe und Zorn in ihm offenbar werden, denn worin sich der Wille faßt und entzündet, dessen Wesen wird in ihm offenbar, wie an Luzifer zu sehen ist.

48. Sendbrief an Herrn Christian Bernhard

48.1. Mein lieber christlicher Bruder und Freund, nebst herzlichem Wunsch göttlicher Liebe und weiterer Erleuchtung, auch wahrer Beständigkeit und Geduld, um unter dem Kreuz Jesu Christi geduldig zu stehen.

48.2. Gott hat Euch sogleich zum Anfang eurer Erkenntnis mit dem Malzeichen Christi zu größerer Befestigung besiegelt, so daß er Euch zu einem Ritter gekrönt hat, darin ihr als ein wahrer Bekenner in seinem Dienst wirken sollt. Und ich ermahne Euch christlich: Wollt in Geduld mit Beten und zu Gott Flehen ihm die Sache anbefehlen und in Eurem schon empfangenen Talent fleißig sein! Ihr werdet noch große Wunder sehen, und so wird Euch euer Talent je länger, desto lieber werden.

48.3. Denn so lehrt uns auch Christus, daß wir um seines Namens willen alles verlassen und ihm allein anhängen sollen. Denn er fordert eine reine zum Grund gelassene Seele, in der er wohnen will.

48.4. Ihr dürft nicht erschrecken, Gott weiß wohl, wozu er Euer bedarf. Ergebt Euch ihm nur in Geduld und strebt gegen den Verstand, der dagegen spricht, dann werdet ihr der Welt absterben und in Christus leben. Dann werdet ihr eure Ritterschaft um seiner Liebe willen recht üben und die edle Krone des ewigen Lebens davonbringen, daran wir uns ewig miteinander erfreuen werden. Gott hat sich einen Rosengarten in Euer junges Herz gepflanzt. Seht wohl zu, daß Euch nicht etwa der Teufel Dornen hinein sät. Es wird bald eine andere Zeit kommen, daß euer Röslein Früchte tragen wird.

48.5. Reißt Euch nicht um Dienste, sondern steht dem Höchsten still, wozu Euch dieser haben will, und laßt den Rauch des Teufels immer hinfahren. Freut Euch dieser Lästerung in Christi Malzeichen:

48.6. Oh böse Art, wenn du wüßtest, wie nahe dein Verderben ist, du tätest in Sack und Asche Buße! Aber es muß so sein, damit der Zorn auffresse, was ihm gewachsen ist. Laßt nur den Feind sein Maß voll machen. Dadurch werden nur unsere Seelen geheiligt und gereinigt wie das Gold im Feuer.

Damit empfehle ich Euch der sanften Liebe Jesu Christi! J. B.

49. Sendbrief an Christian Bernhard, 27.12.1623

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

49.1. Vielgeliebter Herr Christian, nebst Wünschung göttlicher Liebe-Wirkung! Ich möchte gerne wissen, wie es Euch geht und was euer Vorhaben sei, ob Euch auch jetzt das pharisäische Gift angreift, welches dem Feuer so nahe ist, darin es verwandelt werden soll, darunter wir in göttlicher Geduld warten. Das möchte ich gern wissen, denn ich habe vernommen, daß bei Euch dieses Gift-Feuer in Babel gegen Euch und mich sehr brennen soll.

49.2. Dagegen habe ich aber auch das große Liebe-Feuer in etlichen angezündet gesehen, so daß ich gewiß erkenne, daß die Zeit göttlicher Heimsuchung nahe und schon vorhanden sei. So wollt Euch neben mir und anderen Kindern Christi nur in Geduld fassen, bis der Zorn Gottes das bösartige Tier samt der Hure stürzt.

49.3. Uns gebührt als Kinder Christi mit Christus zu leiden und im Leiden seinem Bild ähnlich zu werden. Laßt Euch das nur nicht fremd sein, wenn Euch die Welt haßt und gram werden will. Es muß so sein. Der Welt Feindschaft ist unsere Erhöhung in Christus, denn wir sind in der Welt fremde Gäste und wandern auf der Pilgerstraße wieder in unser Vaterland.

Damit empfehle ich Euch der Liebe Jesu Christi, Euer in der Liebe Jesu Christi wohlbekannter J. B.

79. Sendbrief an Dr. med. J. Brix, 17.1.1624

(Die Briefe 75-79 gehören zu den bisher ungedruckten Sendbriefen aus dem zweiten Band der „Urschriften“ von Werner Buddecke. (Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979) Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit zeitlich einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung der Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Geliebter Herr und Freund! Vom holdseligen Anblick des Lichtes Gottes in seiner Gnadenliebe habe ich meine Erkenntnis und hohes Wissen empfangen und auch die große Lust, mir solches zur Erinnerung aufzuschreiben. Ich habe es nicht auf einmal zugleich alles begriffen, sondern wie ein Schüler, der zur Schule geführt wird. So wurde meine Seele in das Mysterium Gottes mit Übung und stetem Anhalten und Beten immer tiefer eingeführt. Denn, wenn die Seele das Licht der ewigen Natur erlangt, dann sieht sie wohl auf einmal hindurch in die ewige Natur der Weisheit Gottes, aber es auf einmal zu ergreifen, ist ihr nicht gegeben, und ist auch nicht möglich. Sondern wie ein Platzregen vorübergeht, und was der trifft, das trifft er, so geht es auch mit dem Anblick der Seele im großen Mysterium Gottes. Je mehr sie sucht, desto mehr findet sie, und es hat doch keine Zahl und kein Ende.

Und wer dieses Ritterkränzlein erlangt, der hat reine Freude daran. Danach habe ich bisher etwas geschrieben und in unterschiedliche Bücher gefaßt, mir zu einer Erinnerung. Ich vermeinte, der Treiber hätte es schon längst verschlungen und durch seine Diener umgebracht, weil es so mächtig sein Rauchloch offenbart, bis mir nach drei Jahren einige Abschriften von gelehrten und hohen Leuten aus meinem Buch gegeben wurden, und sie mich ermahnten, um der Erkenntnis Gottes und des menschlichen Heils willen fortzufahren.

Da sah ich erst, wie es mit meinen Schriften geraten war und verstand den Weg Gottes und wie sie in so vielen Händen nachgeschrieben worden waren, mir ganz unwissend. Ich bin nicht damit umhergelaufen und habe sie jemanden angeboten, um mir einen Namen zu machen, denn ich achte keinen Ruhm. Ich bin ein einfältiger schlichter Mann, ausgenommen meine Gabe, die nicht mein ist, sondern Gottes.

Dieses Wissen und Erkennen kommt nicht vom äußeren Menschen durch das Gestirn, sondern vom inneren Menschen, aus Gott geboren. Gott weiß, sucht und findet sich im Menschen, das heißt, er offenbart sich ihm. Sonst wissen wir nichts von ihm. Denn wir sind mit Adam von seiner Wissenschaft ausgegangen, gehen aber mit Christus in der neuen Wiedergeburt wieder mit ihm hinein.

Meine Schriften haben also einen wahrhaften Ursprung und sind im Licht der ewigen Natur gegründet. Nicht von Menschen oder Kunst, viel weniger vom scharfen Verstand und Denken ist das geschehen, so daß sie daher entsprungen wären, sondern durch ernste Praxis aus dem Brünnlein Israels. Denn Christus gebietet uns zu suchen und anzuklopfen, dann soll uns aufgetan werden, und spricht ferner: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.« Wenn der kommen werde, dann werde er uns in alle Wahrheit leiten, denn von dem Seinen werde er es nehmen und uns verkündigen.

Ich kann mit Grund der Wahrheit sagen, und solches vor Gott, daß ich es in keiner Schrift studiert, auch zuvor nicht gewußt habe, sondern ich war so einfältig im Verstand des Mysteriums wie der ungeübten Laien Art ist. Ich verstand weder die (Heilige) Schrift noch das Geheimnis des Mysteriums richtig. Ich suchte dies auch nicht, denn ich wußte nichts davon. Ich suchte allein das Herz Jesu Christi, um mich darin vor dem grimmigen Zorn Gottes und vor dem Ungewitter und den Angriffen des Teufels zu verbergen.

Jacob Böhme

50. Sendbrief an Martin Moser zu Goldberg, 15.3.1624

Unser Heil und Friede im Leben Jesu Christi!

50.1. Mein lieber Herr Martin Moser, nebst herzlicher Wünschung der stets währenden und wirkenden Liebe unseres Herrn Jesu Christi in Seele, Geist und Leib! Eure beiden Schreiben habe ich wohl empfangen und Euer christliches Herz in brüderlicher Liebe zu mir und der rechten Wahrheit bemerkt, und wünsche, daß Euch Gott in solchem Vorhaben kräftige und erhalte, so daß Ihr im Lebensbaum Jesu Christi wachsen und viele gute Früchte tragen könnt. Ihr könnt wohl auch vernünftig bei Euch erkennen, daß mich die Hand des Herrn mit seinem Willen bisher geführt und zu solcher Erkenntnis gebracht hat, mit der ich wiederum vielen Menschen gutwillig gedient habe. Dieweil ich meine Wissenschaft nicht vom Lernen in Schulen und Büchern empfangen habe, sondern vom großen Buch aller Wesen, welches des Herrn Hand in mir aufgeschlossen hat. Weil nun in diesem Buch ein Kreuz der rechte Verstand ist, so zeichnet Gott auch seine Kinder, denen er dieses Buch zu lesen gibt mit diesem Kreuz, an dem der menschliche Tod erwürgt und das ewige Leben wiedergebracht wurde.

50.2. Und ich gebe Euch brüderlich zu wissen, daß auch mir dieses Malzeichen an meine Stirn gedrückt wurde, neben einem Triumphfähnlein, daran die Auferstehung Jesu Christi eingeprägt ist. Dieses Malzeichen ist mir lieber als aller Welt Ehre und Gut, daß mich unwürdigen Menschen Gott so hochgeachtet und mit dem Siegeszeichen seines lieben Sohns Jesu Christi gezeichnet hat. Vor welchem Siegeszeichen der Teufel erschrocken ist, daß er vor Zorn zerbersten möchte, und deswegen große Sturmwinde aus seinem Meer des Todes über mich erweckt und seine grausamen Wasserstrahlen auf mich geschossen hat, um mich zu ersäufen.

50.3. Aber seine Strahlen sind bisher noch alle erfolglos vergangen, denn das Kreuz mit dem Siegesfähnlein Jesu Christi hat mich beschirmt und die Giftstrahlen zur Erde geschlagen. Dadurch ist vielen hundert Menschen des Satans pharisäisches Mordgift offenbar geworden, welche sich seit dieser Zeit auch zum Malzeichen Christi gewandt haben, so daß ich mit Freude sehe, daß denen, welche Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

50.4. Das Geschrei, welches zu Euch gekommen ist, ist nichts als nur eine pharisäische Schmähung mit einer ehrenrührigen lügenhaften Schmähschrift (Pasquill) in lateinischer Sprache auf einem Bogen Papier gewesen, darin der Satan das pharisäische Herz entblößt hat. Welches durch Gottes Zulassung so geschehen ist, damit die Leute das Gift dieses pharisäischen Herzens kennenlernen und fliehen sollen.

(Anfang 1624 verläßt Böhmes einziges Büchlein "Weg zu Christo" (Christosophia) die Görlitzer Druckerpresse, was wieder zu einer maßlosen Reaktion des Görlitzer Oberpfarrers Gregor Richter führte, der sogleich eine Schmähschrift dagegen verfaßte.)

50.5. Und ich halte fast dafür, daß diese Schmähschrift der allergröbste Teufel diktiert hat, denn er hat darin seine Krallen so sehr entblößt, daß man klar sieht, daß er ein Lügner und Mörder ist. Und das wird vielen Menschen eine Warnung sein, so daß sie besser auf ihre Seele achten werden. Wie dann auch bei uns diese Schmähschrift von fast allen Gelehrten dem Satan zugeschrieben wird.

50.6. Die Ursache solchen Zorns ist das herausgegebene gedruckte Büchlein „Von der Buße“ und „Von wahrer Gelassenheit“ gewesen, welches Büchlein viel Nutzen geschaffen hat. Das hat den pharisäischen Geist verdrossen, daß ein solcher Grund offenbar werden sollte, und er vermeint nun, man würde solche Lehre und Leben auch von ihm fordern, welches ihm nicht schmeckt, weil man in Wollust des Fleisches sitzt und dem Abgott Bacchus in fleischlicher Lust dient.

50.7. Aber wißt dies zur Nachricht, daß seine Schmähungen und Lügen nur mein Büchlein publiziert und offenbart haben, so daß es jetzt fast jedermann, Adel und Gelehrte, auch einfältige Leute zu lesen begehren und sehr liebhaben. Welches Büchlein in kurzer Zeit fast durch ganz Europa erschollen und gekommen ist und sehr geliebt wird. Sogar am kurfürstlichen Hof von Sachsen, dahin ich nun auf ein Gespräch zu hohen Leuten gebeten worden bin, welches ich ihnen bewilligte, zum Ausgang der Leipziger Messe zu vollziehen. Wer weiß, was dort geschehen möchte, ob nicht dem unverschämten Lästerer der Mund gestopft und die Wahrheit gepflanzt werden könne.

50.8. Ich ermahne Euch deswegen, mit Geduld und Beten in christlicher Liebe und Freude der Zukunft und Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi zu warten, auf seine Erscheinung, die bald anbrechen und dem Teufel seine Werke zunichte machen wird. Mich graut es nicht vor dem Teufel. Wenn mich Gott zu seinem Werkzeug noch länger haben will, dann wird er mich wohl beschützen, denn die Wahrheit selbst bedarf keines Schutzes. Ihr Schutz ist dies, was Christus sagt: »Wenn Euch die Leute um meinetwillen verfolgen und alles Üble von Euch reden: Wenn sie daran lügen, dann freut Euch. Euer Lohn ist groß im Himmel. (Matth. 5.11)« Oder: »Wer fromm ist, der sei weiterhin fromm, und wer böse ist, der sei weiterhin böse. (Offb. 22.11)« Ein jeder wird ernten, was er sät.

50.9. Was soll mir zeitliche Ehre, wenn mein Wandel im Himmel ist und ich nach Leib und Seele dahin laufe? Wenn mein Geist bereits in Christus wohnt, dann leide ich doch nur im Leib Verfolgung und nicht in der Seele. Was fürchte ich also die Hülse, die den Geist versteckt? Wenn die Hülse weg ist, dann stehe ich ganz im Himmel mit bloßem Angesicht. Wer kann mir das nehmen? Niemand! Was fürchte ich dann die Welt in einer himmlischen Sache? Ist sie böse, warum leide ich darum Schmach und stehe in Kummer und Fürchten, und gehe nicht weg davon? Ist sie aber gut, was zage ich dann? Wenn ich doch weiß, wem ich diene, nämlich Jesu Christus, welcher mich seinem Bild ähnlich macht: Ist er gestorben und auferstanden, warum wollte ich dann nicht auch mit ihm leiden, sterben und in ihm auferstehen? Ja, sein Kreuz ist mein tägliches Sterben, und seine Himmelfahrt geschieht täglich in mir. Ich warte aber noch der Siegeskrone, welche mir Jesus Christus beigelegt hat, und stehe noch im Ringen wie ein Ritter. Und ermahne Euch als meine Mitringer, daß ihr auch im Glauben kämpft und in Geduld auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi wartet, und ja fest steht, denn dieser rauchende Schwelbrand, welcher jetzt so raucht, wird bald im Feuer verzehrt werden. Alsdann werden sich die Überbleibenden freuen, und so wird dann offenbar werden, was ich Euch schreiben sollte und jetzt verlästert wird, aber doch nur von Unwissenden. Denn die Weisen erkennen es und haben acht darauf, denn sie erkennen die Zeit und sehen die Finsternis und auch die Morgenröte des Tages.

50.10. Mein geliebter Herr Martin, euer Wohlergehen samt Eures Vaters und all der Eurigen ist mir lieb und ich erfreue mich dessen. Die Schachtel voll Konfekt habe ich wohl empfangen und bedanke mich dessen. Wollte auch genannten Herrn Apotheker zur Wilde in der Littau gern zurückschreiben, wenn ich nur wüßte, daß ihr Gelegenheit hättet, zu ihm zu kommen. Bitte laßt es mich wissen. Denn was mein Vaterland wegwirft, das werden fremde Völker mit Freude aufheben.

50.11. Ich übersende Euch und Eurem Herrn Vater jedem ein Exemplar meines Büchleins, vielleicht für gute Freunde, weil ihr dasselbe, wie ich vernommen habe, bereits bekommen habt. Von den anderen geschriebenen Sachen habe ich jetzt fast nichts zu Händen. Ich wollte Euch gern etwas davon schicken, hoffe aber, in Kürze selbst in diese Gegend zu gelangen, dann würde ich etwas mitbringen, wenn Gott will.

Ich empfehle Euch der sanften Liebe Jesu Christi, Datum siehe oben, J. B.

51. Sendbrief an Christian Bernhard, 4.4.1624

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

51.1. Mein lieber Herr Christian, nebst Wünschung der wirkenden Liebe unseres Herrn Jesu Christi in Seele und Leib! Eure beiden Brieflein samt eurem Paket der beiden Bücher habe ich wohl empfangen. Ich bin aber erst vor wenigen Tagen heimgekommen, nachdem ich acht Tage vor Fastnacht verreist war, und bin sechs Wochen nicht zu Hause gewesen. Ich hätte Euch sonst lange geantwortet. Habe auch, sobald ich zu Hause war, ein Brieflein nach Zittau wegen Eurer Bücher geschickt und dem Herrn, welcher zuvor fünf Reichsthaler darauf geboten hatte, Meldung getan, daß sie bei mir wären. Er ist aber nicht zu Hause gewesen, sondern nach Dresden gereist, und ich habe noch keine Antwort von ihm, bis er nach Hause kommt. Kann ich sie aber anders befördern, dann will ich es gern tun.

51.2. Und ich gebe Euch zu wissen, daß der Teufel in unserem obersten Priester wegen des gedruckten Büchleins ganz erzürnt ist und gleich wie rasend und toll geworden mit Fluchen, Schmähen, Lügen und Morden, daran ich kräftig sehe, daß dieses Büchlein dem Teufel ganz zuwider ist und er mich darum gern ermorden wollte. So muß ich jetzt wegen seiner grausamen Verfolgung unter dem Kreuz Christi stehen und dessen Malzeichen tragen, denn der Teufel gießt jetzt sein letztes Gift aus.

51.3. Wie es eurem Vater und Brüdern gehe, besonders dem Herrn Konrektor, welchen ihr von mir grüßen wollt, möchte ich gerne wissen, und was man bei Euch von dem gedruckten Büchlein richtet, ob es auch verlästert wird? Bei uns erfreuen sich viele hungrige Herzen daran. Aber dem obersten bösen Mann schmeckt es nicht, weil es Buße und Beten lehrt.

Ich empfehle Euch der Liebe unseres Herrn Jesu Christi, gegeben zu Görlitz, Euer in der Liebe Christi allezeit treuer Freund J. B.

52. Sendbrief an Karl von Ender, April 1624

52.1. Ich teile dem Junker mit, daß gestern der pharisäische Teufel ganz losgelassen wurde und mich samt meinem Büchlein (Der Weg zu Christo) zum ärgsten verdammt und das Büchlein zum Feuer verurteilt hat, auch mich als einen Verächter der Kirche und Sakramente mit schweren Lastern bezichtigt und gesagt hat, ich besaufe mich alle Tage mit Branntwein sowie Bier und anderen Wein und sei ein Halunke, welches alles nicht wahr ist und er selber ein trunkener Mann ist.

52.2. Weil er nun so sehr tobt, so ist der Ehrbare Rat (der Stadtrat zu Görlitz) bewogen worden, und die Herren haben beschlossen, wie ich von einem guten Freund unterrichtet wurde, mich morgen vor einen Ehrbaren Rat zu fordern, um darüber Rechenschaft zu geben. Da bin ich gesonnen, die Wahrheit aus dem Grund zu sagen und keine Kreatur anzusehen, sollte es auch mein Leben kosten. Jedoch nur auf christliche Art, ohne anderen Eifer. Des Junkers Rat wollte ich hierüber gern vernehmen. Denn es ist die Stunde der Reformation gekommen. Gott schicke es zu seinen Ehren! J. B.

53. Sendbrief an Johann Sigmund von Schweinichen, 6.4.1624

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

53.1. Mein lieber und werter Herr Johann Sigmund, nebst herzlicher Wünschung stets währender Liebe-Wirkung unseres Herrn Jesu Christi in Seele und Geist, damit Euch in eurem von Gott gegebenen himmlischen Talent die Sonne göttlicher Liebe ewig scheine, so daß ich mich ewig mit Euch erfreuen kann.

53.2. Ich teile Euch mit, daß der Satan so sehr über uns erzürnt ist, als hätten wir ihm die ganze Hölle zerstört, obwohl es doch nur in einigen wenigen Menschen begonnen hat, ihm sein Raubschloß zu stürmen.

53.3. Weil wir ihm in uns selbst nicht weiter die Herberge gönnen wollen, ist er so rasend auf uns geworden, daß er gedenkt, uns von dieser Welt zu vertilgen, damit ihm nie mehr solche Kräutlein oder Lilien in seinem vermeintlichen Garten wachsen, den er mit der Sünde in Adam gepflanzt hat. Welches wir unserem Herrgott anheimstellen wollen, wozu er uns als seine neugepflanzten Röslein gebrauchen will, und mit Geduld auf Hoffnung unter dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi stillstehen und hören, was der Herr sagen wird und was er mit seinem Werkzeug tun will.

53.4. Als ich von Euch nach Hause kam, fand ich des Satans zubereitetes Bett, dahinein er mich hatte legen wollen, wenn es nicht Gott durch etliche fromme Herzen, denen unser Weg mehr bekannt ist, verhindert hätte.

53.5. Denn der oberste Pharisäer als der Primarius (Oberpfarrer Gregor Richter) hat so heftig gegen das gedruckte Büchlein gewütet, als hätte es ihm seinen Sohn ermordet und all sein Gut verbrannt, und hat so einen Haufen Lügen gegen mich ausgeschüttet neben leichtfertiger Ehrenrührung, wie in seiner öffentlichen Schmähschrift (Pasquill) zu sehen ist, die ich hier beigelegt habe.

53.6. Solche schändlichen Lügen und Schmähungen hat er nicht allein auf der Kanzel getrieben, sondern auch nach Liegnitz zum Pastor Frisius geschrieben und begehrt, er wolle solches nicht nur so auf der Kanzel erregen, wie er es getan hat, sondern auch drucken lassen. Und er hat ihn ermahnt, beim Ehrbaren Rat zu Görlitz über mich zu klagen und im Namen vorzubringen, als käme solche Klage von allen Priestern im Stadtkreis Liegnitz über meine Schriften, besonders über das gedruckte Büchlein.

53.7. Solches hat Frisius getan und mich beim Ehrbaren Rat zu Görlitz auf Begehren unseres Primarius mit einem lügenhaften Schreiben angeklagt.

53.8. Darüber hinaus ist unser Primarius mehrfach zu den vornehmsten Herren unserer Stadt gelaufen und hat so heftig mit Lügen über mich gewütet und mich angeklagt und begehrt, daß, sobald ich nach Hause kommen würde, sollte man mich ins Gefängnis stecken und dann aus der Stadt verjagen. Und hat auch ein solches Lügen- und Klage-Schreiben beim Rat eingebracht und mir die Hölle wohl geheizt und das Bad zugerichtet.

53.9. Nachdem aber schon fast die meisten Herren des Rates mein gedrucktes Büchlein gelesen und darin nichts Unchristliches gefunden hatten, und es von etlichen auch sehr geliebt wurde, auch neben vielen von der Bürgerschaft, so haben etliche solches Vorhaben und Begehren des Primarius für ungerecht erachtet. Es sei also keine rechtmäßige Ursache zu solcher Verfolgung an mir, und sie haben dagegen gesprochen und gesagt, daß doch diese Religion nichts Neues sei. Es sei eben der Grund der alten heiligen Väter, dergleichen Büchlein man mehr finden würde.

53.10. Manche aber, besonders welche der Primarius eingenommen hatte, hatten es für gut erachtet, mich vor einen Ehrbaren Rat zu fordern und zu bedrohen, ich sollte zusehen, daß nicht etwa der Kaiser oder Kurfürst durch die Priester angestachelt würden und nach mir greifen ließen. Wie es dann auch so geschehen ist, und als ich vor den Rat kam, wurde mir solches gesagt, und sie rieten mir, mich etwas beiseite zu machen (bzw. zurückzuziehen), daß sie mit mir nicht noch Unruhe hätten.

53.11. Überdies hatte ich meine Antwort schriftlich verfaßt und wollte sie übergeben (siehe nachfolgenden Sendbrief Nr. 54). Aber der Primarius hatte das verwehrt. Man sollte keine schriftliche Antwort von mir annehmen, denn er fürchtete wohl, er müßte wegen seiner Lügen antworten.

53.12. So wurde sie vom Rat auch nicht angenommen, sondern ich wurde nur gewarnt, mich beiseite zu machen oder, wenn mich andere Leute gern bei sich hätten, mich zu ihnen zu begeben, daß sie doch Frieden hätten. Aber mir wurde kein Gebot gegeben.

53.13. Auf dieses gab ich ihnen zur Antwort, weil man meine Antwort nicht lesen wollte, daß ich meine Unschuld einklagen möchte und auch unter keinem Schutz vor den Auflagen und ungerechten Schmähungen des Primarius genommen werden könnte. So müßte ich es Gott anbefehlen und sehen, wo mich Gott irgendwo zu frommen Leuten führen würde und mir schließlich ein solches bescheren, daß ich dem Primarius einmal aus den Augen käme.

53.14. Welches ihnen lieb war, aber sie doch kein Gebot gaben, als sollte und müßte ich weg, sondern mich nur warnten.

53.15. Damit ging ich vom Rat heim, als dann vor der Tür des Rates in der äußeren Stube etliche spitzige Spötter aus dem Anhang des Primarius standen, die vielleicht auch wohl von ihm gesandt wurden, und mich verspotteten. Und einer unter ihnen, ein loser Bube, beäugte mich vom Scheitel bis zu den Fußsohlen, von meinen Kleidern und Gaben, und griff den Geist Gottes so heftig an, spottete und sprach: Der Heilige Geist würde schließlich so gemein werden wie die Pelzflicker bei den Kürschnern.

53.16. So nahm dies ein Ende, und der Primarius hat darüber hinaus diese Schmähschrift drucken lassen, und so muß ich jetzt recht unter dem Kreuz Christi stehen. Gott schaffe es nach seinem Rat!

53.17. Ich bitte, der Junker wolle mir hierin auch sein Gutachten andeuten, was ihm Gott zu erkennen gibt. Ich erleide es wohl alles mit Geduld. Aber meine Kinder werden dadurch schändlich an der Ehre gerührt. Welches wohl so sein muß, damit das Maß voll wird und die Strafe komme.

53.18. Ich bitte auch, Herrn Dr. Koschwitz und Herrn Abraham von Franckenberg samt Eurer Frau Mutter und allen lieben Kindern Jesu Christi, die bei Euch sind, zu grüßen. In Eile! Der Bote wartet auf das Schreiben, wollte sonst mehr geschrieben haben.

53.19. Ich empfehle Euch sämtlich der Liebe Christi. Will Euch in Kürze wiedersehen. Es grüßen Euch alle unsere Bekannten.

Euer in der Liebe Jesu Christi dienstwilliger J. B.


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