54. Sendbrief an den Ehrbaren Rat zu Görlitz, 3.4.1624

Schriftliche Verantwortung an den Ehrbaren Rat zu Görlitz zu des Primarius Lästerung, Lügen und Verfolgung wegen des gedruckten Büchleins von der Buße.

Geschrieben Anno 1624, den 3. April.

54.1. Edle, ehrenfeste, achtbare, hochgelehrte, großgünstige und wohlweise Herren! Ich erscheine vor meinen Herren, aber jetzt als ein Christ und bin bereit, von meinen Gaben und Erkenntnissen, welche ich einzig und allein von göttlicher Gnade als ein Geschenk empfangen habe, Rechenschaft zu geben.

54.2. Von meiner Person weiß ich nichts anderes zu sagen, als daß ich ein Laie und einfältiger Mann bin und mich als ein Christ mit der Liebe meines Heilandes verliebt habe. Und er hat sich mit mir verliebt und verlobt nach der Innerlichkeit meiner Seele, davon, wenn es von mir gefordert würde, ich Rechenschaft geben wollte.

54.3. Aus solcher Gabe habe ich meine Erkenntnis und Wissenschaft und gar nicht vom Teufel, wie ich zu Unrecht verlästert werde, davon eine ernste Rechenschaft vor dem Gericht Christi gehören wird, wie geschrieben steht: »Wer dem Heiligen Geist lästert, hat keine Vergebung ewiglich.« Dieweil ich doch meinem Widerpart das herzliche Erbarmen Gottes wünsche.

54.4. Mein erstes Buch (Aurora) habe ich in solcher Erkenntnis nur für mich selber zu einer Erinnerung geschrieben, um solches allein bei mir zu behalten und keinem Menschen zu zeigen. Dieses ist mir aber durch göttliche Schickung entzogen und dem Herrn Primarius gegeben worden, wie ein Ehrbarer Rat wohl weiß.

54.5. In diesem Buch wurde ein philosophischer und theosophischer Grund mit solchen Worten beschrieben, wie ich sie zu jener Zeit in meiner Einfalt für mich selbst verstehen konnte. Und ich habe nicht gemeint, daß es jemand anderes lesen sollte. Doch dieses Buch hat mir der Herr Primarius mit ganz fremdem Verstand gegen meine Meinung herangezogen und diese ganze Zeit so verlästert, welches ich um der christlichen Ehre willen in Geduld ertragen habe.

54.6. Als ich mich aber vor dem Ministerium ihm gegenüber verantwortet und meinen Grund angezeigt hatte, ist mir vom Herrn Primarius auferlegt worden, nicht mehr so zu schreiben. Welches ich auch bewilligte, denn den Weg Gottes, was er mit mir tun wolle, habe ich damals noch nicht verstanden. Hingegen hat mir der Herr Primarius samt den anderen Prädikanten zugesagt, zukünftig auf der Kanzel zu schweigen, welches aber nicht geschah, sondern er hat mich die ganze Zeit schmählich verlästert und mir öfters Dinge zugemessen, deren ich gar nicht schuldig war, und so die ganze Stadt lästernd und irre gemacht, daß ich samt meiner Frau und den Kindern ihr Schauspiel, Eule und Narr sein mußte. Ich habe aber weiter all mein Schreiben und Reden von solcher Hoheit und Erkenntnis göttlicher Dinge auf sein Verbot hin viele Jahr bleibenlassen und gehofft, es werde des Schmähens einmal ein Ende sein, welches aber nicht geschah, sondern immerzu ärger wurde.

54.7. Bei diesem hat es der Herr Primarius nicht bleibenlassen, sondern hat mein Buch und die Verantwortung in fremde Orte, Städte und Dörfer ausgeliehen und es selber verbreitet, ganz ohne mein Wissen und Willen, wo es dann nachgeschrieben und oft mit anderen Augen angesehen wurde, als er es sehen konnte. Dadurch ist es auch von einer Stadt zur anderen zu vielen Gelehrten, sowohl Priestern als auch Doktoren und vielen adeligen Personen gekommen, wie dann auch zum Herzog von Liegnitz, welcher es begehrte, aber mir ganz unbewußt und ohne meinen Willen.

54.8. Danach haben sich viele gelehrte Männer von Priestern, Doktoren, wie auch Adelige und Gräfliche, sowie etliche fürstliche Personen mit Schreiben zum Teil sogar persönlich an mich gewandt und von meiner Gabe, Erkenntnis und Bekenntnis noch mehr erbeten. Denen habe ich anfänglich gesagt, ich dürfte es nicht tun, es sei mir vom Herrn Primarius verboten. Sie haben mir aber die (Heilige) Schrift mit ernstlichem Drohen göttlicher Strafe vorgestellt und gezeigt, daß ein jeder bereit sein soll, seiner Gaben und seines Glaubens samt der Hoffnung Rechenschaft zu geben, und daß Gott das Pfund von mir nehmen würde und dem geben, der es anlegt (Luk. 19.11), und auch daß man Gott mehr als Menschen gehorchen müsse. Welches ich betrachtet und zu Gott gefleht habe, wenn solches nicht seinem Namen zur Ehre gereichen würde, daß er es von mir nehmen wollte. So habe ich mich mit Beten zu Ihm und Flehen Tag und Nacht ganz und gar in seinen Willen gegeben, bis mir die göttliche edle Gabe erneuert und mit großem himmlischem Licht angezündet wurde.

54.9. Daraufhin habe ich angefangen, den Herren auf ihre Fragen in göttlicher Erkenntnis zu antworten, und auf Bitte und Begehren etliche Büchlein geschrieben, unter denen auch dieses „Von der Buße“ war, welches jetzt gedruckt wurde.

54.10. Denn in diesem Büchlein ist mein eigener Prozeß aufgezeichnet, durch den ich meine Gabe von Gott erlangt habe, welches auf Bitten hoher und gelehrter Leute geschrieben wurde und etlichen so tief in ihr Herz gefallen ist, daß es ein Vornehmer von Adel aus Liebe drucken ließ.

54.11. Daß aber der Herr Primarius so heftig dagegen donnert und es zum Feuer verurteilt, auch meine Person so schmählich heranzieht und mir die ganze Gemeinde auf den Hals hetzt, sowie vorgibt, ich hätte die ganze Stadt Görlitz samt dem Fürstentum Liegnitz damit vergiftet und es verbreitet, und daß deswegen das große Klagen von den Priestern zu Liegnitz über mich erging, auch daß darum der Ehrbare Rat samt der Stadt Görlitz in Gefahr stünden:

54.12. Darauf gebe ich zur Antwort, daß sich dies mitnichten so verhalte und daß mir solches aus bösartiger Neigung nur von Wenigen und vielleicht auch nur durch des Herrn Primarius eigene Anreizung zugerichtet wurde, damit er verhindert, daß meine Unschuld an den Tag kommen soll.

54.13. Denn erstlich habe ich das Büchlein nicht selber drucken lassen. Zum zweiten habe ich es nicht selber im Fürstentum Liegnitz verbreitet, sondern der Patron, welcher es drucken ließ, hat es seinen Freunden und Bekannten geschickt. Zum dritten weiß ich, daß sein Vorwurf wegen solcher Gefahr, als sollte sich der Herzog zu Liegnitz samt der ganzen Priesterschaft beschweren, sich gar nicht so verhält, denn ich weiß soviel, daß es der Herzog samt etlichen Räten sowie viele der Priester selber lesen und es von vielen Prädikanten sowie etlichen von den hohen Schulen, welche trefflich gelehrte Männer sind, geliebt wird. Auch wird es am kurfürstlichen Hof zu Dresden und Sachsen von vornehmen Herren geliebt, wie dann auch bei etlichen Reichsfürsten und Herren der Reichsstädte, wie ich solches mit vielen Briefen beweisen könnte.

54.14. Und ich halte deswegen gänzlich dafür, daß mir dieses Bad vom Teufel und seinem Reich zugerichtet sei, weil er sieht, daß sein Reich dadurch offenbart und der Mensch zur Buße und zu christlichem Wandel angewiesen wird.

54.15. Weil aber der Herr Primarius mein Büchlein zum Feuer verdammt, so bitte und begehre ich um Gottes Willen, der Ehrbare Rat wolle ihm befehlen, daß er mir meine Irrtümer artikelweise aus diesem Büchlein aufzeichne und mir zur Antwort zukommen lasse oder zu einem mündlichen Gespräch im Beisein etlicher Herren des Rates. Ist es dann, daß er mir einen Irrtum beweist, dann will ich mich herzlich gern weisen lassen und ihm folgen. Wenn aber nicht, dann mag er nur dagegen schreiben, weil es (nun einmal) im Druck ist, wenn es Eurem Ehrbaren Rat gefällt, denn es wird schon gelehrte Leute geben, welche sich meiner annehmen und ihm antworten werden, auch wenn ich es nicht täte.

54.16. Letztlich hat er mich vor der ganzen Gemeinde verleumdet, ich verachte die Kirche und Heiligen Sakramente, und mich mehrfach als einen Ketzer, Schwärmer und Halunken gescholten und an meinem wohl hergebrachten und darin stets wohlerhaltenen Ehren und guten ehrlichen Namen angetastet, auch solche Dinge, welche alle nicht wahr sind, mir angehangen und behauptet, ich besaufe mich stets mit Branntwein sowie anderem Wein und Bier wie ein Schwein, welches mir aber gegen Gott, Ehre, Recht und alle Wahrheit aus lauter bösartigen Affekten zugelegt wird, um mich bei der Gemeinde verhaßt zu machen.

54.17. Denn erstlich verachte ich keine Kirche, denn ich gehe selbst hinein, viel weniger die Heiligen Sakramente, die ich selbst gebrauche, sondern ich bekenne den Tempel Jesus Christus in uns, daß wir Christus in unseren Herzen lehren hören sollten, ganz nach der Lehre von St. Stephani und den Aposteln. So habe ich auch von den Heiligen Sakramenten klarer geschrieben als ich auf der Kanzel von ihm jemals gehört habe, wie solches zu erweisen wäre.

54.18. So bin ich auch kein Lehrer oder Prediger und predige oder lehre nicht, sondern gebe nur Rechenschaft von meiner Gabe und Erkenntnis, wie ich dazu gekommen bin. Und so muß sich meinethalben niemand eines Anhangs (irgendwelcher Lehren) fürchten, denn ich gehe mit meinem Talent nicht mit gemeinen Leuten um, sondern mit Doktoren, Priestern und Edelleuten, welche gelehrt sind.

54.19. Ich bitte deswegen den ehrenfesten und hochweisen Rat, mich wegen solchen entehrenden Schmähungen und unwahrhaftigen Anklagen in gebührlichen Schutz zu nehmen, denn mir geschieht mit solcher Anklage Gewalt und Unrecht, denn ich bin kein Lästerer der Kirche und Sakramente, viel weniger ein Trunkenbold, sondern lebe ganz nüchtern mit Beten und Meditieren in göttlicher Gabe, berufe mich auch auf die ganze Stadt und weiß, daß da kein Mann sein wird, der mich solches bezichtigen kann. Doch diesen trunkenen Mann konnte man wohl schon öfters beim Herrn Primarius finden. Während ich ohne Not fast nie in Menschenhäuser komme, viel weniger in Bierhäuser und Weinkeller, sondern einsam und still lebe, wie dem Ehrbarem Rat wohl bewußt ist. J. B.

55. Sendbrief an N. N. von Lübeck, 20.4.1624

(In dem Anonymus (N.N.) des 55. Briefes haben wir den Lübecker, in rosenkreuzerischen Kreisen bekannten Joachim Morsius zu sehen. Böhme erblickt in ihm einen „begierigen Sucher“. Damit haben wir einen weiteren Beleg in den Händen, der für den hohen Bekanntheitsgrad Böhmes spricht. Bis in die Hafenstadt an der Ostsee ist die Kunde von dem geistesmächtigen Schuster gedrungen. Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979)

Unser Heil in der wirkenden Liebe Jesu Christi in uns!

55.1. Mein lieber und christlicher Herr! Der hohe Friede nebst herzlicher, brüderlicher und in der Begierde mitwirkender Liebe-Wünschung, daß dem Herrn die wahre Sonne der wirklichen Liebe Jesu Christi in Seele, Geist und Leib stets aufgehe und scheine!

55.2. Sein Schreiben vom 24. Januar habe ich 14 Tage nach Ostern empfangen und mich dessen erfreut, weil ich darin sehe, daß der Herr ein hungriger, eifriger und begieriger Sucher und Liebhaber des wahren Grundes sei, welchem, wie ich erkenne, der Herr mit Fleiß nachgetrachtet und geforscht hat.

55.3. Daß ihm aber auch meine Schriften zu Händen gekommen sind und er diese liebt, das ist gewißlich eine Ursache und Ordnung Gottes, der die Liebenden zur Liebe führt und oft fremde Mittel gebraucht, dadurch er die liebhabende Begierde erfüllt, sie mit seiner Gabe speist und ihrer Liebe ein Sein zum wahren Feuer-Brennen zuführt.

55.4. Und so soll der Herr gewiß glauben, sofern er in der Liebe zur Wahrheit beständig bleibt, daß sie sich ihm in feuerflammender Liebe eröffnen und recht zu erkennen geben wird. Nur daß es recht angefangen werde. Denn nicht durch unseren scharfen (trennenden) Verstand der Forschung erlangen wir den wahren Grund göttlicher Erkenntnis. Die Forschung muß von innen im Hunger der Seele anfangen. Denn das Verstandes-Forschen geht nur bis in sein Gestirn (Astrum) der äußeren Welt, daraus der Verstand entsteht. Aber die Seele forscht in ihrem Gestirn als in der inneren geistigen Welt, daraus die sichtbare Welt entstanden oder ausgeflossen ist und darin sie mit ihrem Grund steht.

55.5. Wenn aber die Seele ihr eigenes Gestirn als das große Mysterium erforschen will, dann muß sie zuvor all ihre Macht und allen Willen ganz der göttlichen Liebe und Gnade ergeben und zuvor wie ein Kind werden und sich durch große Buße zu ihrem Zentrum wenden und nichts tun wollen, außer was der Geist Gottes durch sie erforschen will. Und wenn sie sich so übergeben hat und dadurch nichts als Gottes Ehre und ihre Seligkeit zusammen mit dem Dienst und der Nächstenliebe sucht und sich dann in solcher Begierde findet, daß sie gern göttliche und natürliche Erkenntnis haben wollte, dann soll sie wissen, daß sie von Gott dahin gezogen wird. So kann sie wohl solchen tiefen Grund, wie in meinen Schriften angedeutet wird, erforschen.

55.6. Denn der Geist Gottes forscht durch sie und führt sie schließlich in die Tiefe der Gottheit, wie St. Paulus sagt: »Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit. (1.Kor. 2.10)«

55.7. Mein lieber Herr, es ist ein einfältiger Kinderweg zur höchsten Weisheit, den die Welt nicht kennt. Ihr dürft sie nicht an fernen Orten suchen, denn sie steht vor eurer Seelentür und klopft an. Kann sie eine ledige und gelassene Stätte in der Seele finden, dann wird sie sich dort wohl eröffnen und sich mehr darin erfreuen als die Sonne in den Elementen. Wenn sie sich ihr zum Eigentum ergibt, dann durchdringt sie die Seele mit ihrer feuerflammenden Liebe und schließt ihr alle Geheimnisse auf.

55.8. Es möchte dem Herrn vielleicht ein Wunder sein, wie ein Laie solche hohen Dinge erkennen kann, die er niemals gelernt noch gelesen hat. Aber ich sage Euch, mein lieber Herr, daß ihr bisher in meinen Schriften nur einen Abglanz von solchen Geheimnissen gesehen habt, denn man kann es nicht beschreiben. Wenn ihr von Gott als würdig erkannt werden würdet, so daß Euch das Licht in der Seele anbrennen würde, dann könntet ihr unaussprechliche Worte Gottes von solcher Erkenntnis hören, schmecken, riechen, fühlen und sehen. Allda beginnt erst die wahre theosophische Pfingstschule, darin die Seele von Gott gelehrt wird.

55.9. Danach bedarf es keines Forschens oder scharfer Mühe mehr, denn es stehen alle Pforten offen. So kann sogar ein einfältiger Mensch dazu kommen, wenn er sich nur nicht selber mit seinem Wollen und Rennen widersteht. Denn es liegt bereits im Menschen und muß nur durch Gottes Geist erweckt werden.

55.10. In meinem Talent (bzgl. des biblischen Gleichnisses von den anvertrauten Talenten, Matth. 25.14), wie ich es in der Einfalt aufschreiben konnte, werdet ihr den Weg hierzu wohl sehen, besonders in diesem beigefügten Büchlein (Weg zu Christo), das auch von meinem Talent handelt und erst vor wenigen Wochen zum Druck befördert wurde, welches ich dem Herrn in Liebe als meinem christlichen Mitglied verehre und ihn oft durchzulesen ermahne, denn seine Tugend heißt: „Je länger, je lieber.“ In diesem Büchlein wird der Herr einen wahren kurzen Grund sehen, welcher sicher ist, denn der Autor hat ihn in der Praxi erfahren.

55.11. Was aber den Grund der hohen natürlichen Geheimnisse anbelangt, dazu der Herr nebst Herrn Walther und Herrn Leonhard Elver mehr Erläuterung begehrt, wolle er bei Herrn Walther darum nachfragen. Denn ich habe Euch und ihm eine Erklärung nebst anderen neuen Schriften mitgeschickt. Wenn Euch diese belieben, dann könnt ihr sie nachschreiben lassen. Ihr werdet gar große Erkenntnis darin finden (siehe Sendbrief 57.2).

55.12. Ich wünsche, daß ihr das allesamt recht verstehen mögt. Ich würde es euch gern noch einfältiger geben, aber wegen der großen Tiefe und dann auch wegen der Unwürdigen kann es jetzt nicht geschehen. Christus spricht: »Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird Euch aufgetan. (Matth. 7.7)« So kann es keiner dem anderen geben, denn ein jeder muß es selbst von Gott erlangen. Es kann einer dem anderen wohl eine Anleitung geben, aber nicht das Verständnis.

55.13. Jedoch wißt, daß euch mitternächtigen (nördlichen) Ländern eine Lilie blüht!

55.14. Wenn ihr diese mit dem sektiererischen Zank der Gelehrten nicht zerstören werdet, dann wird sie zum großen Baum bei euch werden. Werdet ihr aber lieber zanken wollen als den wahren Gott erkennen, dann geht der Strahl vorüber und trifft nur einige. So müßt ihr danach Wasser für den Durst eurer Seelen bei fremden Völkern holen.

55.15. Werdet ihr das recht in acht nehmen, dann werden euch meine Schriften großen Anlaß und Anweisung dazu geben, und der Signatstern (Leitstern) über eurem Pol wird euch helfen, denn seine Zeit ist geboren.

55.16. Ich will euch gerne geben, was mir der Herr gegeben hat. Seht nur zu und legt es recht an. Es wird euch ein Zeugnis über die Spötter sein. Auf meine Person sollte niemand sehen, denn es ist eine reine Gabe Gottes. Nicht allein um meinetwillen, sondern auch um euretwillen und all derer, welche sie zu lesen bekommen.

55.17. Es gaffe niemand mehr nach der Zeit, denn sie ist schon geboren! Wen es trifft, den trifft es. Wer da wacht, der sieht es, und wer da schläft, der sieht es nicht. Sie ist erschienen, die Zeit, und wird bald erscheinen. Wer da wacht, der sieht sie. Viele haben sie schon empfunden, aber es muß zuvor eine große Trübsal vorübergehen, ehe sie ganz offenbar wird. Das ist die Ursache: Der Streit der Gelehrten, daß sie Christi Kelch mit Füßen treten und um ein Kind zanken, das nie bösartiger gewesen ist, seit es Menschen gibt. Und das wird offenbar werden. Darum soll sich kein frommer Mann mit solchem Zank besudeln. Es ist ein Feuer vom Herrn darin, der ihn verbrennen und die Wahrheit selbst offenbaren wird.

55.18. Noch mehr wird er bei Herrn Walther empfangen, besonders eine Tabelle samt der Erklärung, darin der ganze Grund vor Augen gestellt ist (siehe Sendbrief 47).

Damit empfehle ich den Herrn der Liebe Jesu Christi! - Des Herrn in der Liebe Jesu Christi dienstwilliger J. B.

56. Sendbrief an N. N., 25.4.1624

Unser Heil in der wirkenden Liebe Jesu Christi in uns!

56.1. Mein lieber Bruder im Leben Jesu Christi, nebst herzlicher Wünschung Gottes wirklicher Liebe, daß Euer in Christus entsprossenes edles Lilienzweiglein im Paradies Gottes in der Kraft Christi groß wachse und viele Früchte zu unser aller ewigen Freude und himmlischen Brüderschaft trage!

56.2. Ich erfreue mich in meiner Seele, wenn ich vernehme, daß so ein kräftiges schönes Zweiglein an unserem Lebensbaum Christus entsprossen ist und hoffe, auch seine guten Früchte zu genießen.

56.3. Denn wie ein Zweig am Baum des anderen Saft und Kraft genießt und alle in einer Kraft wachsen und Früchte tragen, so sind auch wir im Baum Christi alle nur Einer, welcher Christus in uns allen ist.

56.4. Weil ihr Euch nun mit Mund und Herzen frei öffentlich zu diesem Baum des Lebens bekennt und hingegen des Satans Gift und Irrung widersprecht, so wünschte ich jetzt nichts mehr, als daß ich in der Kraft dieses Baumes, welcher Christus ist, Euch meine von ihm empfangene Kraft einflößen könne, damit wir als Glieder in einer Kraft wachsen mögen.

56.5. Ich zweifele nicht daran, daß der Höchste seinen Lilienzweig in Euch geboren habe, denn ohne göttliche Kraft haben wir kein Verlangen noch Hunger nach Gott, und wir können ihn auch ohne seinen Geist in uns nicht erkennen. Denn alles, was wir Gründliches von ihm wissen, das kommt von seiner Offenbarung und Wirkung.

56.6. Wenn auch die Welt viel von Gott redet, so tut sie es doch nur aus Gewohnheit und nimmt ihr Wissen von der Historie des buchstäblichen Wortes, und so ist kein wahres Wissen bei ihnen. Denn niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.

56.7. Darum haben wir keine wahre Wissenschaft von Gott, sie werde uns denn vom Sohn gegeben, welcher in uns lebt, wenn wir auch Reben am Weinstock sind.

56.8. Denn Christus sprach: »Wer von Gott ist, der hört Gottes Wort.« Und zu den Verstandes-Gelehrten, die nur vom Buchstaben gelehrt waren: »Darum hört ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott. (Joh. 8.47)« Oder: »Ihr seid nicht meine Schafe, ihr seid reißende Wölfe und Mietlinge.«

56.9. Darum sage ich: Wollen wir wahrhaft von Gott reden und seinen Willen verstehen, dann müssen seine Worte in lebendiger Wirkung in uns bleiben. Denn auch Christus sprach: »Ohne mich könnt ihr nichts tun. (Joh. 15.5)« Oder: »Niemand kann Gott einen Herrn nennen, ohne den Heiligen Geist in sich. (1.Kor. 12.3)« Denn sein Herr-Nennen muß aus Gott geboren sein und vom Heiligen Geist ausfließen.

56.10. Nichts gefällt Gott und es wird auch nichts von Gott angenommen, außer was er mit und durch des Menschen Geist selbst wirkt und tut. »Denn alle Pflanzen, sagt Christus, welche mein Vater nicht pflanzt, sollen ausgerottet und im Feuer verbrannt werden. (Matth. 15.13)«

56.11. Darum, mein geliebter Bruder, tut ihr wohl, daß ihr Euch zum Ursprung des Lebens haltet und davon Kraft begehrt. So werdet Ihr wohl erquickt und gestärkt werden, denn Ihr seid Gott und den Gliedern Christi ein angenehmer Gast in eurem Vorsatz. Und wenn ihr beständig bleibt und dem Teufel samt der Welt und dem irdischen Fleisch und Blut widersteht und Euch zum rechten ritterlichen Siegeskampf gegen all diese schickt und den Mittagsfeind eigener Liebe in Euch überwindet und wahrhaft in unsere allgemeine Liebe kommt, dann sollt Ihr gewiß wissen, daß Euch das edle und hochteure Ritterkränzlein Jesu Christi, das er in der Schlacht des Todes und der Hölle erlangt hat, mit dem himmlischen Freudenreich aufgesetzt werden wird.

56.12. Dann werden sich alle Kinder Christi samt den heiligen Engeln mit Euch so hoch erfreuen, wie über neunundneunzig Gerechte, die das schon erlangt haben, und die schöne und edle Sophia wird eurer Seele zur Gemahlin gegeben, welche jetzt vor eurer Seelentür steht und Euch flehentlich mit ihrer Stimme ruft und anklopft. Ihr sollt nur recht in den Kampf gegen Sünde, Tod, Teufel und Hölle treten und mit eurem Ernst die große Petarde (aus Sprengpulver) an das feste Schloß der Natur setzen, dann wird sie Euch helfen, dieses Schloß zu zersprengen. Dann werdet ihr große Wunder sehen, und zur selben Siegesstunde wird die freudenreiche Hochzeit des Lammes im Himmel in Euch gehalten werden. Und dann wird Euch der Hirtenstab von Christus in die Hand eurer Seele gegeben.

56.13. Nur bedenkt, was ihr dieser keuschen Sophia gelobt, um solches auch fest bis an euer Ende zu halten. Es muß Ernst sein: Nicht wieder zurück nach Sodom sehen wie Lots Frau, welche zur Salzsäule erstarrte, sondern mit Lot nach Gottes Begehren aus Sodom ausgehen und in die Nachfolge Christi eintreten und der Welt Spott und Lästerung nicht achten, sondern das Malzeichen Christi mehr lieben als aller Welt Freundschaft, Ehre und Gut. Dann könnt Ihr mit uns auf Christi Pilgerstraße wandern. Wenn Euch aber dieses nicht schmeckt und Ihr noch der Welt Wollust und Ehre begehrt, dann seid Ihr noch nicht geschickt, um zur Hochzeit und zu eurer Braut zu kommen, unserer lieben Sophia.

56.14. Darum bedenkt Euch wohl und schaut Euer ganzes Herz an. Ist es nun, daß ihr einen sehnlichen Hunger und Zug dazu bemerkt, wie ich schon fast glaube, dann versäumt keine Stunde. Geht fort, tretet mit ganzem Ernst in die Buße und ergebt euren Willen, um ganz dahinein zu treten und nimmermehr wieder davon abzugehen, sollt ihr darum auch Leib, Leben, Ehre und Gut verlassen. Wenn ihr das tut, dann seid ihr recht geschickt, und es wird der rechte Mauerbrecher zu eurer Seele treten und das in Euch tun, was ihr ohne ihn nicht tun könnt.

56.15. Und würden Euch danach auch Neigung und große Widerwärtigkeit im Fleisch anhängen, euer Verstand Euch närrisch nennen und Gottes Zorn Leib und Seele überziehen und zudecken, dann wird es Euch alles nicht schaden. Ihr werdet mit einem neuen Gemüt unter solchen Dornen ausgrünen und mit dem Geist im Himmel wandeln. Wenn auch der irdische Leib mit Kreaturen umgehen muß, so wird es doch mit Euch gehen wie mit einem groben Stein, in dem ein schönes Gold wächst.

56.16. So sollt ihr Euch auch an meiner Trübsal und Verfolgung nicht stoßen oder davor fürchten, denn es ist Christi Malzeichen. Seht nur zurück in die Schrift, wie es Gottes Kindern ergangen ist, wie sie allezeit gerade von denen, welche Gottes Wege lehren sollten, verfolgt und getötet worden sind. Denn mir ist ein edles Perlein anvertraut, und das deckt Gott so zu, daß es die Unwürdigen nicht sehen, sondern daran blind sind und sich an der Einfalt der Person ärgern, damit sie sich in ihrer Verstandes-Weisheit selber töricht bleiben, es sehen und doch nicht verstehen, weil sie die Einfalt Christi verschmähen. Aber es kommt bald eine Zeit, daß sie davon ernste Rechenschaft geben müssen.

56.17. Aber daß es Euch Gott zu erkennen gegeben hat, was es sei und woher es kommt, das dankt ihm. Es ist Euch aus Gnade widerfahren und darum, daß ihr Euch vor ihm gedemütigt habt. Und so kann Euch noch größere Gnade widerfahren, wenn ihr in der Demut und im ernsten Gebet beständig bleibt. Ich will Euch meine Liebe mit Beten und christ-brüderlichen Wirken gern mitteilen. Denn es ist mir eine reine Freude in meinem Herzen. Auch wenn ich leibliche Trübsal darum erleiden muß, so erfreue ich mich doch, weil ich sehe, was Gott der Herr durch mich armen Menschen bisher getan hat.

56.18. Der Satan kann Gottes Wege nicht verhindern. Wenn es auch scheint, als behindere er sie mit solchem Mordgeschrei, so wird es doch nur mehr und mehr eröffnet, so daß Gottes Kinder nach dem Grund fragen.

56.19. Der gottlose Haufen aber wird dadurch verstockt und verhindert, während die anderen dadurch gerufen werden. Das werdet ihr sehen, ehe noch ein Jahr vergeht. Und wenn sie mich auch töten, dann müßte es trotzdem vor sich gehen, denn es kommt vom Herrn.

56.20. Damit empfehle ich Euch der sanften wirkenden Liebe Jesu Christi und mich in Eure brüderliche Liebe und Gunst.

Datum siehe oben, J. B.

57. Sendbrief an Christian Bernhard, 5.5.1624

Unser Heil in Christus!

57.1. Mein geliebter Herr Christian! Nebst Wünschung aller seligen Wohlfahrt zu eurer Ruhe wünsche ich Euch den Schutz und Schirm Gottes, daß er Euch mit seinen lieben Engeln begleiten und zu frommen christlichen Herzen führen und mit Gesundheit erhalten wolle, um durch Euch das zu verrichten, was er will!

57.2. Herrn Baltzer (Balthasar) Walther habe ich jetzt auf die Leipziger Messe geschrieben und ihm das Büchlein „Von der Gnadenwahl“ mit 42 Bögen, das „Von Christi Testamenten“ mit 16 Bögen, auch 27 Bögen über die Genesis nebst einem Clavis (Schlüssel und Erklärungen) von 6 Bögen und dann drei Exemplare meines Büchleins („Der Weg zu Christo“) mitgeschickt. Auch habe ich den beiden Herren von Lübeck, welche mir geschrieben hatten, geantwortet und jedem ein Exemplar des gedruckten Büchleins geschickt, welche Herrn Walther wohlbekannt sind.

57.3. Grüßt euren Herrn Bruder, den Konrektor! Und ich nehme es mit großem Dank an, daß er meine Briefe befördern will, und will ihm oft etwas zuschicken. Nächsten Freitag reise ich nach Dresden, wo ich zu den Räten des Kurfürsten berufen bin, um mich mit ihnen zu besprechen, wie dann auch mit Herrn Henckelmann (Benedikt Hinckelmann, kursächsischer Arzt und Hofchemiker), dem Verwalter des Laboratoriums im Schloß. Gott gebe Gnade dazu!

Ich empfehle Euch der Liebe Jesu Christi! Euer in der Liebe Christi dienstwilliger J. B.

58. Sendbrief an N. N., 8.5.1624

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

58.1. Mein lieber Herr, nebst herzlicher Wünschung göttlicher Liebe und aller ersprießlicher Leibeswohlfahrt! Seine Unpäßlichkeit wolle Gott nach seinem Willen schicken. Mein Lebenszustand ist noch leidlich (erträglich), dafür ich Gott danke, aber sehr mit pharisäischen Kletten beworfen, so daß mich der gemeine Pöbel kaum noch erkennt, daß ich ein Mensch bin. So sehr ist der Satan über mich und mein gedrucktes Büchlein erzürnt und wütet im obersten Pharisäer so sehr, als wollte er mich fressen, obwohl sich das große Feuer jetzt nach drei Wochen ein wenig gelegt hat, weil er merkt, daß ihm von so vielen hundert Menschen widersprochen wird, welche er allesamt neben mir verbannt, verlästert und verurteilt hat. Und mich hat er so sehr mit Lügen beschüttet, daß man mich kaum noch erkennt.

58.2. So verdeckt Christus seine Braut und das edle Perlein wegen der Unwürdigkeit der Menschen, weil der Zorn in ihnen entbrannt und die Rache nahe ist. Ich bete und sie fluchen mir, ich segne und sie verlästern mich, und so stehe ich jetzt recht in der Prüfung und trage das Malzeichen Christi an meiner Stirn. Aber meine Seele ist darin nicht traurig, sondern betachtet dies alles als die Siegeszeichen Christi, denn so muß der Mensch recht in Christi Prozeß gestellt werden, damit er seinem Bild ähnlich werde. Denn Christus muß immerzu verfolgt, verspottet und getötet werden, denn er ist ein Zeichen, dem widersprochen wird. Aber auf wen er fällt, den zerschellt er und zerstört die angeerbte Bosheit der Schlange.

58.3. Ich habe doch anderen diesen Weg lehren sollen und gelehrt, warum sollte es mir bange sein, auch selbst darauf zu wandeln? Es geht mir doch nur so, wie ich es anderen beschrieben habe, daß es gehen soll. Und so geht es mir ja recht, denn dies ist die Pilgerstraße Christi. Denn die wahren Christen sind hier fremde Gäste und müssen durch des Teufels Reich in ihr wahres Vaterland wandern, nur durch Disteln und Dornen des göttlichen Fluchs. Es muß gerungen und überwunden sein, bis wir durchkommen. Und das wird uns wohl belohnt werden. Denn diese, welche uns jetzt richten, werden am Gerichtstag Gottes unter unsere Augen gestellt, wenn wir neben Christus im Urteil über sie herrschen werden. Was wollen sie uns dann sagen? Werden sie nicht verstummen und sich selber lästern, wie sie es jetzt uns antun?

58.4. Ach, daß sie das hier bedenken könnten und davon abließen! Ich wünsche ihnen Gottes Barmherzigkeit, denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie sind in größerem Elend wie jene, die sie verfolgen, denn sie sind arme Gefangene des Teufels, der sie so quält und vergiftet, daß ihr Leben Gift ist. Darum erfreuen sie sich, daß sie des Teufels Dornen und Disteln als Früchte in Gottes Zorn gebären. Welches den Kindern Christi wohl zu beherzigen ist, die sich nach ihrem wahren Vaterland ängstigen, so daß sie nicht nur für sich selber zu Gott um Erlösung beten, sondern auch um diese, ihre elenden und armen gefangenen Mitglieder, daß sie Gott auch erleuchten und führen wolle.

58.5. Liebe Brüder, es ist eine Zeit großen Ernstes. Laßt uns ja nicht schlafen, denn der Bräutigam zieht vorüber und lädt seine Hochzeitsgäste ein. Wer das hört, der geht mit zur Hochzeit. Wer aber nicht will, sondern nun in Fleischeslust schläft, der wird es sehr bereuen, daß er solche Gnadenzeit verschlafen hat.

58.6. Die Welt sieht es wunderlich an, daß jemand Gott gefallen sollte, der von den Schriftgelehrten verachtet und verfolgt wird, und sie sehen nicht zurück, was die Gelehrten den Propheten, Christus und seinen Aposteln und Nachkommen angetan haben.

58.7. Ach, es ist jetzt nur noch eine Mund- und Titel-Christenheit! Das Herz ist ärger wie damals, als sie Heiden waren. Laßt unsereins ja wahrnehmen und nicht auf sie sehen, damit doch ein Samen auf Erden bleibe und Christus nicht nur ein Deckmantel sei! Laßt uns untereinander ermahnen und trösten, daß wir in Geduld bestehen, denn es kommt noch eine größere Trübsal danach, so daß wir bestehen können. Denn unser Christentum besteht nicht allein im Wissen, sondern in der Kraft. Man zankt jetzt nur in Wissen und Bildern, und die Kraft verleugnet man. Aber es kommt die Zeit der Prüfung, dann wird man sehen, was ihre Bilder gewesen sind und wie sie daran festgehalten haben, wenn sie von einem Bild ins andere fallen werden und doch keine Ruhe finden.

58.8. Ach, ihre Bilder sind nur Abgötter der Heiden, wie sie waren, bevor sie Christennamen trugen. Die Gelehrten und Vorsteher suchen nur Eigennutz und Ehre darin und haben sich auf Christi Thron gesetzt, sind aber nur Krämer der Bilder, die sie für Geld verkaufen. Wer ihnen viel gibt, dem verkauft man ein ehrbares Lob-Bild, und sie fragen nicht nach ihren Seelen, wenn sie nur ihr zeitliches Gut genießen können.

58.9. Ach, finstere Nacht! Wo ist die Christenheit? Ist sie doch zur untreuen Hure geworden! Wo ist ihre Liebe? Ist sie doch zu Kupfer, Stahl und Eisen geworden! Woran soll man jetzt die Christenheit erkennen? Welchen Unterschied hat sie zu den Türken oder Heiden? Wo ist ihr christliches Leben? Wo ist die Gemeinschaft der Heiligen, darin wir in Christus nur Einer sind, weil Christus uns allen nur Einer ist? Sieht doch am Baum des christlichen Lebens kein Ast mehr dem anderen ähnlich, denn es sind nur wilde widerwärtige Zweige gewachsen.

58.10. Ach, Brüder, die wir sehen, laßt uns doch erwachen und von Babel abgehen. Es ist Zeit, auch wenn sie uns verhöhnen oder sogar töten. Wir wollen doch nicht den Drachen und sein Bild anbeten, denn die solches tun, sollen ewiglich gequält werden.

58.11. Stoßt Euch nicht an meiner Verfolgung. Und wenn es Euch auch so gehen würde, dann denkt, daß es ein anderes Leben gibt und daß sie nur unseren eigenen Feind verfolgen, den wir auch selber hassen. Sie können uns nicht mehr nehmen als nur die Hülse, darin der Baum gewachsen ist. Der Baum aber steht im Himmel und Paradies im Grund der Ewigkeit, und den kann kein Teufel ausrotten. Laßt nur des Teufels Sturmwinde darüber hinwegwehen. Ihr Treiben und Quälen ist unser Wachstum.

58.12. Ich bin abermals von den Widerwärtigen durch die Bewegung von Gottes Zorn bewegt worden, damit ich wachse und groß werde, denn erst jetzt ist mein Talent meinem Vaterland offenbar geworden. Der Feind meint es böse, aber er publiziert nur dadurch mein Talent. Es wird nun hier mächtig sehr begehrt und manche hungrige Seele ist davon erquickt worden, auch wenn der unwissende Haufen darüber lästert.

58.13. Ihr werdet noch wunderliche Dinge hören, denn die Zeit ist geboren, davon mir vor drei Jahren durch ein Gesicht (einer Vision) gesagt wurde, nämlich die Reformation. Das Ende befehle ich Gott. Ich kenne es noch nicht eigentlich.

Damit empfehle ich Euch der sanften Liebe Jesu Christi, Datum siehe oben, J. B.

69. Sendbrief an Christian Bernhard, 11.5.1624

(Die Briefe 67-74 stammen aus der Ausgabe von 1730 und wurden dort speziell als Zugabe ausgewiesen. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung aus den Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Unser Wille und Begierde sei Immanuel!

69.1. Mein gar lieber Freund und Bruder in Christus, nebst herzlicher Wünschung aller seligen Wohlfahrt, daß uns der Geist Christi stets leite, führe und helfe und in all unserem Willen und Tun der Anfang und das Ende sei! Ich wollte kürzlich auf dem Rückweg gern wieder zu Euch kommen, wie es auch mein ganzes Vorhaben war, mich vor allem mit eurem Herrn Bruder in göttlicher Erkenntnis zu unterreden, weil ich ihn als ein sehr begieriges Herz nach göttlicher Erkenntnis bemerkt habe, neben einem guten Verständnis von Gott wohl begabt.

69.2. Ich wurde aber nicht nur von meiner vorgenommenen Reise abgebracht, so daß ich diese nicht nach meinem Vorsatz vollbringen konnte, sondern auch durch Gottes Schickung einen ganz anderen Weg von Weichau aus nach Glogau und Breslau und viele andere Orte geführt. Und solches durch das Begehren und sehr christliches Beginnen vornehmer Leute, welches ich als eine Schickung Gottes erkannte und meinen weltlichen Geschäften voransetzte, und deshalb einen Boten von Weichau aus zu meinem Bruder sandte und die Geschäfte mit Briefen verrichtete.

69.3. Weil mir auch gleichwohl etwas daran gelegen war, und mein Bruder mir wieder Schreiben zurück zu Herrn Rudolf von Gersdorff geschickt haben wird. Wenn mir Herr Rudolf einen Boten verleihen würde, dann gelangt mein freundliches Bitten an Euch: Wollt doch die Schreiben, die Euch diese zuschicken, wie ich es so bestellt habe, mir durch Herrn Specht oder einen anderen verläßlichen zufälligen Boten zuschicken. Daran erzeigt ihr mir einen brüderlichen Dienst, daran ich gar nicht zweifle, daß ihr sehr beflissen seid.

69.4. Meine verbrachte Reise, als ich von Euch schied, wird, wie ich zu Gott hoffe, viel Nutzen schaffen, wenn mir Gott solche gelehrte Männer zuführt, mit denen ich mich besprochen habe, denen es auch sehr angenehm gewesen war, so daß ich hoffe, es werde viel Frucht und Nutz bringen. Obwohl der Satan dagegen tobt, so wächst doch dadurch mancher schöne Zweig in Christi Gärtlein, dessen ich mich hoch erfreue, daß Gott dennoch seine Sonne mitten in der Nacht aufgehen und scheinen läßt.

69.5. Und bitte, wollt eurem Herrn Bruder meine Liebe und geneigten Willen in Jesus Christus neben meinem Gruß vermelden. Ich will ihm baldmöglichst ein Schreiben schicken, um uns auch abwesend in christlichen Gesprächen zu unserer Selbsterbauung zu erfreuen.

69.6. Wenn ihr Gelegenheit hättet, Frau Magister Weigel wegen meiner drei Neu-Säcke mit einem Brieflein zu erinnern, diese Euch in meinem Namen zu übersenden, wäre mir ein Dienst. Ich empfehle Euch samt den Euren der sanften Liebe Jesu Christi.

Euer in Liebe vertrauter Freund J. B.

59. Sendbrief an N. N., April 1624

59.1. Mein lieber Herr! Nebst Wünschung der Liebe unseres Herrn Jesu Christi in Seele und Geist teile ich dem Herrn mit, daß in meiner Abwesenheit auf der Reise, als ich bei Herrn Hans Sigmund Paust gewesen war, der pharisäische Geist gewütet hat, als wollte er den Himmel stürmen und die Hölle zerbrechen, und alles wegen des gedruckten Büchleins, welches doch von vielen sehr hoch geliebt wird.

59.2. Und ich weiß nicht, wie es mir mit diesem pharisäischen Geist noch gehen wird. Ich setze aber meine Hoffnung und ganzes Vertrauen in die Liebe Jesu Christi und danke Gott, daß ich dem Bild Jesu Christi ähnlich werden soll und um seiner willen Schmach erleiden. So will ich alles mit Geduld unter dem Kreuz Christi ertragen, denn der Satan stürmt gegen Christus, und Christus gegen den Satan. Und so geht es wie bei Christus, eine Partei sagte „Er ist fromm und ein Prophet.“, und die anderen sagten: „Er hat den Teufel.“ Wie es ablaufen wird, das berichte ich weiterhin dem Herrn. Und empfehle ihn der Liebe Jesu Christi.

Des Herren dienstwilliger J. B.

60. Sendbrief an Dr. Friedrich Krause, 9.5.1624

An Herrn Friedrich Krause, Dr. med. zu Liegnitz, vom 9. Mai 1624.

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

60.1. Mein gar lieber Herr und christlich treuer Freund, nebst herzlicher Wünschung göttlicher Liebe, daß Euch die Sonne der Gerechtigkeit in Seele und Geist ewig scheine! Wenn es Euch noch wohl ginge, das wäre mir eine reine Freude. Mich wißt, Gott Lob, diesmal noch in guter Leibesgesundheit, aber vom pharisäischen Geist mit des Satans Kletten von außen wohl beworfen, denn wie sehr der Satan über mich und mein gedrucktes Büchlein „Von der Buße“ erzürnt sei, kann ich Euch kaum beschreiben, und (es ist doch nur) der oberste Pharisäer und seinesgleichen. Denn sie haben Sorge, ihre Autorität und Ansehen könnten fallen, wenn so ungelehrte Leute den höchsten Grund hervorbringen würden, und die Leute könnten die Nachfolge Christi und der Apostel im Leben und Lehren von ihnen fordern. Dann müßte ihr Bauchgott fallen und ihr Sinn etwas demütiger werden, welches alles nicht schmeckt.

60.2. Aber es muß doch geschehen, denn die Zeit ist geboren, und kein Lästern wird helfen. Denn mit ihrem Lästern verursachen sie nur die Leute nach diesen Schriften zu fragen und fördern sie dadurch mehr, als daß sie diese verhindern können. Wie hier bei uns jetzt geschehen ist, daß sie fast ein jeder gerne sehen wollte und das große Wunder anschauen, was doch für ein wildes Tier darin steckt. Und wenn sie diese Schrift zu lesen bekommen, dann entsetzen sie sich wegen ihrer Blindheit, gehen in sich und betrachten ihr Leben dagegen, dadurch sehr viele von ihnen umgekehrt und in die Buße gegangen sind und sich mit mir befreundet haben, welche zuvor Lästerer waren. Diese werden danach Schafe Christi. So wunderlich führt der Herr seine Wege, und so müssen Gottes Kindern alle Dinge zum Besten dienen.

60.3. Der Primarius hat bei uns eine giftige und lügenhafte Schmähschrift (Pasquill) von einem Bogen in lateinischen Versen gegen mich drucken lassen, darin man seinen Geist weidlich sieht und den Satan mit seinen Krallen. Dagegen habe ich eine Verantwortung (Apologie bzw. Verteidigungsrede) geschrieben, die könnt ihr samt der Schmähschrift bei Herrn Michael Ender bei euch bekommen. Er wird es Euch willig ausleihen. Darin werdet ihr wunderliche Dinge sehen, welches ich Euch hier nicht schreiben kann.

60.4. Ich übersende Euch mit dem Boten auch ein Exemplar vom gedruckten Büchlein. Hoffe, ihr werdet es wohl praktizieren, weil ihr ohnedies ein Liebhaber des wahren Grundes seid. Und ich wollte Euch gern noch etwas von den geschriebenen Sachen mitschicken, aber ich habe sie alle verliehen.

60.5. Heute, den 9. Mai, reise ich nach Dresden, dahin ich von vornehmen Leuten am kurfürstlichen Hof auf ein Gespräch gebeten wurde, welche auch meine Schriften lesen und lieben. Gott gebe Gnade und Kraft dazu! Was dort ablaufen wird, berichte ich Euch ein andermal.

60.6. Und ich bitte, sendet doch Herrn Martin Moser in Goldberg bei gewisser Gelegenheit beigefügtes Paket, darin ihr ihm und mir einen Liebesdienst erzeigt. Und wollt auch mit Herrn Michael Ender Bekanntschaft machen, wenn das nicht schon geschehen wäre. Dort könnt ihr alle meine Schriften bekommen, denn er hat sie alle und ist ein großer Praktizierender und lieber Mensch, auch sehr verschwiegen und treu. Ihr werdet einen besonders guten Freund an ihm haben. Damit empfehle ich Euch der Liebe unseres Herrn Jesu Christi.

Euer in der Liebe Christi dienstwilliger J. B.

61. Sendbrief an Dr. Tobias Kober, 15.5.1624

An Herrn Tobias Kober, Dr. med. zu Görlitz, Dresden den 15. Mai 1624

Emanuel!

61.1. Mein lieber und werter Herr und Bruder im Leben und in der Kraft unseres Herrn Jesu Christi, nebst herzlicher Wünschung göttlicher Liebe und Geduld unter dem Kreuz Christi!  Euer Schreiben habe ich wohl empfangen und darin Eure christlich-brüderliche Liebe gespürt, wie sie mir doch zuvor schon wohlbekannt war, und erfreue mich besonders Eurer und der meinen Gesundheit. Ich bin auch, Gott Lob, bei guter Gelegenheit zusammen mit Herrn Melchior Bernt hier bei Herrn Benedikt Hinckelmann angelangt, wo mir alle christliche Liebe und Freundschaft angeboten wird. Und so sind wir täglich in guter Konversation beieinander. Auch ist meine Ankunft bei fast allen kurfürstlichen Räten von Herrn Hinckelmann verkündet worden, die auch fast alle mein gedrucktes Büchlein lesen und lieben und als eine göttliche Gabe erkennen und dessen täglich gebrauchen. Und sie haben mir nun auch mehrfach ihren Gruß und geneigten Willen durch Herrn Hinckelmann ausrichten lassen, welcher täglich zu ihnen kommen muß, weil er (als Arzt) praktiziert und sie ihn persönlich brauchen, und sie begehren, ich sollte doch länger hierbleiben. Sie wollten es so bestellen und einrichten, daß sie mit mir ins Gespräch kommen könnten, wie sie dann auch mehr meiner Schriften empfangen haben, und bin dessen täglich gewärtig.

61.2. Wie mir auch Herr Joachim von Loß, ein gar weiser Herr, kaiserlicher und kurfürstlicher Rat, welcher einer der Vornehmsten ist, andeuten ließ, daß er seine Sache so regelt, daß er zum Ausklang der Feiertage auf sein Schloß Pillnitz fahren wollte, eine Meile (ca. 7,5 km) von Dresden, und dort wollte er mich und Herrn Hinckelmann mitnehmen und etliche Tage zu einer guten Unterredung bei sich behalten.

61.3. Desgleichen waren mir auch der Hausmarschall und oberste Stallmeister wohlgesonnen, und ich hoffe noch, diese Herren werden mich nicht allein in Gnade wohl vermerken, sondern auch etliche meiner Schriften fördern, welches ich alles für eine göttliche Schickung halte. Und ich werde nur schwerlich unter drei Wochen nach Hause kommen können, weil ich hier warten muß, wie es Gott schicken will, und auch das Feuer des Zorns des Satans zu Hause so sehr brennt, davor ich hier guten Frieden habe und nichts von solchem Lärmen höre.

61.4. Ich ermahne Euch in Liebe, wollt doch nur Geduld haben und zusehen, was Gott tun will. Ich habe für mich keine Schwermut, sondern bin gar fröhlich dabei, wenn ich sehe, daß der Teufel gegen mich erzürnt ist und mich so belügt. Denn das sind Christi Malzeichen, und des Lästerers Lügen werden wohl an den Tag kommen, so daß sich unsere Feinde schämen werden müssen. Laßt uns nur beten und Gott das Gericht anbefehlen. Er selbst tut solches Christus und seinen Kindern. Seine (des Primarius) Entschuldigung, welche doch nur falsch ist, wird nicht gelten. Wollte Gott, er betete so, daß er den Heiligen Geist auf die Kanzel brächte, dann würde er nicht den zornigen Lästerteufel darauf bringen. Es geht jetzt an die Hure zu Babel, und darum ist der Teufel so sehr erzürnt.

61.5. Ich bitte aber, sprecht mit meiner Frau und sagt ihr, daß sie sich in Geduld fasse und zufriedengebe und nicht so kleinmütig darüber werde, wie ich vernehme, daß sie es ist. Es geht mir gut und ich werde in Ehren und sehr lieb behandelt. Ich werde sie nicht verlassen. Haben wir an diesem Ort keinen Raum, dann wird uns Gott an einen anderen führen.

61.6. Denn ich sehe jetzt nach den Wegen des Herrn, was er tun wird. Sie soll sich das alles nicht als Schande zurechnen, denn wir werden wegen göttlicher Erkenntnis und Gabe um Christi, unseres Erlösers willen, verfolgt. Christus gebot uns zu freuen, wenn es uns so erginge, denn unser Lohn ist im Himmel groß. Ich will sie und unsere Kinder, so Gott will, noch wohl versorgen. Sie gebe sich nur in Geduld und sei zufrieden und lasse sich von niemandem etwas einbilden. Ich will wohl auf mich selbst achthaben. Sie muß sich wegen mir nicht sorgen. Es wird auch noch eine Zeit kommen, daß es ihr nicht zur Unehre geraten wird. Es weiß niemand etwas Unehrliches von uns zu sagen, als nur ein einziger bösartiger Mensch, der uns belügt und um Christi willen angreift. Und das ist mir eine reine Freude, um Christi und seiner Gabe willen Schmach zu erleiden, und so muß unser Feind das Gute fördern helfen.

61.7. Das Drohen unseres Feindes ist nur sein boshafter Wille. Wer weiß, ob ihm nicht bald ein Ring durch die Nase gezogen werde (wie einem wilden Bullen, um ihn zu führen). Ich will solches den kurfürstlichen Räten nicht unbewußt lassen, wie sie es auch schon wissen, und ihm das nicht wohl sprechen. Auch hoffe ich, vor den gnädigen Kurfürsten selbst in eigener Person zu kommen, und hoffe, es werde alles gut werden. Er (der Primarius) darf nicht so sehr auf die Hoheit pochen und sich auf Lügen und auf Menschen verlassen. Sein christliches Herz möge doch noch offenbar werden, sonst könnten ihm auch seine jetzigen Freunde bald entgegenstehen.

61.8. Weil er aber glaubt, es sei unrecht, daß mein Büchlein unter keinem Namen veröffentlich wurde, so soll es bald unter einem Namen erscheinen. Er wird das nicht verhindern. Ich habe schon Anleitung. Auch sind jetzt zur Leipziger Messe sehr viele solcher Büchlein im Druck herausgekommen. Er mag sich nur wehren, wenn er der Mann ist, der es tun kann. Ich hoffe, bevor ein Jahr vergeht, wird sein Verwehren öffentlich „Babel“ heißen.

61.9. Über meinen Sohn Jakob freue ich mich, daß er nach Hause gekommen ist, und bitte, er wolle doch bis zu meiner Ankunft in Görlitz bleiben und sich nicht etwa wegen der spöttischen Leute in Zank einlassen, damit nicht Gottes Gabe gelästert werde und der Feind sagen könne, wir wollten es mit dem Schwert verteidigen und Aufruhr anstiften. Sondern wir wollen ein wenig Geduld haben, damit unser Gutes mit Nutzen gepflanzt werde und wir als Kinder Christi erkannt werden.

61.10. Denn das künftige Zeitalter wird kein Zanken, Beißen und Schlagen sein, sondern Liebe und Geduld, Friede und Freude in Erkenntnis göttlicher Gaben.

61.11. Weil uns nun Gott zu Erstlingen mit auserkoren hat, so sollen wir es recht anfangen und wie eine Rose unter dem Dornenstrauch stehen. Denn unsere Heimat ist im Himmel und nicht auf Erden, darum laßt uns dahin werben.

61.12. Meine Frau braucht mir keine Sachen herzuschicken, denn ich habe genug bei mir. Und wird ihr etwas mangeln, dann weiß sie doch wohl, was sie tun soll. Sie muß keine Not leiden, aber des unnützen Kummers soll sie sich entschlagen. Es geht nicht an Hals und Bauch. Und wenn es daran ginge, dann wäre es Gottes Rat, den man geschehen lasse.

Ich will Euch bald wieder schreiben, wie es hier abläuft. Am Sonntag nach Himmelfahrt habe ich Euch ein Schreiben gesandt und darin allen Zustand berichtet, welches erst nächsten Freitag in Zittau bei Herrn Melchior Bernts Frau ankommen wird. Ich hoffe, ihr werdet dieses unterdessen schon empfangen haben.

(Das würde bedeuten, daß dieser Brief erst nach dem 19.5. entstanden ist, wenn Himmelfahrt am 16.5.1624 war.)

61.13. In Zittau haben wir gute Konversation mit Herrn Johann Molinus im Beisein von Herrn Fürstenauer, Herrn Johann Hartigius und Herrn Matthias Renisch gehabt, welche beiden Doktoren mir ein jeder einen Reichsthaler zur Versorgung gegeben und mich gebeten haben, ihre Bekanntschaft weiter zu pflegen. Ich hoffe, es soll hier in Dresden nicht leer ausgehen, wie ich schon vernommen habe. Dem Primarius bei Euch gebe ich nichts davon, auch wenn er noch böser wäre. Hat er nicht genug an der geschriebenen Apologie (meiner Verteidigungsrede)? Sie soll ihm wohl auch gedruckt werden, wie ich dazu von vielen ermahnt werde, aber doch noch ein wenig nachsehen will, wie es hier ablaufen wird. Dürstet ihn gar sehr nach mir, dann komme er her und verklage mich hier. Ich will zur Antwort stehen und wünsche, daß mein Büchlein zur Erörterung kommen möge, und auch seine Schmährede (Pasquill). Ich gedenke noch nicht, auf seine Schmährede so still zu schweigen, sondern will es noch öffentlich bewähren, daß er alles gegen mich erlogen hat. Er bringt damit nur sein schönes Herz an den Tag. Die beiden Doktoren zu Zittau sagten, sie können keinen guten Geist in ihm spüren. So wird seine Schmährede überall angesehen.

61.14. Ich bitte, meine Frau und alle guten Brüder in Christus unserer Liebe zu grüßen, besonders Herrn Hans Roth mein Wesen anzudeuten, daß er es Herrn Karl Ender und seinem Bruder Michael Ender schreibe, so daß auch Herr Hans Sigmund erfahren könne, wie es jetzt um mich steht. Ich will ihnen allen bald schreiben, was ich jetzt wegen Hinderung noch nicht konnte. Ich wollte aber meine Frau trösten, daß sie den unnützen Kummer fahrenlasse. Es ist keine Gefahr bei mir. Ich sitze jetzt so gut und besser als zu Görlitz. Sie soll nur zu Hause bleiben, still sein und Babel brennen lassen. Unser Feind steht im Feuer, und darum ist er so zornig.

Ich empfehle Euch der Liebe Jesu Christi! Gegeben in Dresden, Euer in der Liebe Jesu Christi dienstwilliger Teutonicus.

62. Sendbrief an Dr. Tobias Kober, 19.5.1624

An Herrn Tobias Kober, Dr. med., Dresden am Sonntag nach Christi Himmelfahrt 1624.

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

62.1. Mein lieber Herr und christlicher Bruder, nebst treuherziger brüderlicher Wünschung stets währender göttlicher Liebe-Kraft, daß eure Seele immerzu aus dem Brünnlein Jesu Christi schöpfen und trinken möge!

62.2. Wenn es Euch samt den Eurigen und unseren lieben Freunden sowie meiner Frau wohl ginge, wäre es mir lieb. Für mich danke ich Gott, welcher mich wunderlich nach seinem Wohlgefallen führt! Ich bin am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt (15.5.1624) zusammen mit Herrn Melchior Bernt bei guter Gesundheit in Dresden bei Herrn Benedikt Hinckelmann, dem Alchemisten und Arzt (Chymico und Practico) des gnädigen Kurfürsten, angelangt, wo mir alle christliche Liebe und Freundschaft dargeboten wird, und ich gar wohl unterhalten werde, so daß wir hier viele gute Gespräche haben.

62.3. Und es finden sich auch unter den Räten des Kurfürsten, und zwar den allervornehmsten, sehr christliche liebhabende Herren, denen ein solcher theosophischer Grund sehr lieb ist, und die auch meine Schriften lieben und lesen. Denn mein gedrucktes Büchlein ist hier in die Hände vieler Offiziere und anderer gelehrter Männer gekommen, welche es alle für gut und eine Gabe Gottes erkennen und dahin arbeiten und denken, wie man solche guten Schriften, welche den Menschen in die Nachfolge Christi führen, fördern helfen und nicht unterdrücken könne, wie es leider Gottes in meinem Vaterland aus Haß der Person geschieht.

62.4. Und so wird das schmähliche Pasquill des Herrn Primarius von den Räten und Gelehrten gar wunderlich angesehen, und ein Teil meint sogar, daß es ihm der leidige böse Geist diktiert habe. Auch wird es von den Priestern verachtet, welche sagen, er schreite damit ganz aus seinem Amt. Denn Herr Hinckelmann hat ihn den Räten und Gelehrten gewiesen, welche sich wegen des Mannes Torheit wundern, daß er seine Affekte so öffentlich gegen ein christliches Büchlein ausschütten darf, davon sich manches fromme Herz entsetzt. Und sie erachten es als eine Strafe Gottes, daß diejenigen, welche andere lehren sollten, so blind sind und der Wahrheit selbst widerstehen.

62.5. Es haben mir auch etliche der vornehmsten Räte ihren guten Willen entbieten und daneben andeuten lassen, daß sie ehesten Tages, wie sie nur Gelegenheit haben, mich auf eine christliche Konversation zu sich fordern lassen wollen, welches ich seitdem erwarte, was da geschehen möchte. Hoffe aber, daß alles gut werden wird, denn dessen bin ich gewiß, daß sie meine Schriften lieben, wie dann auch der Superintendent hier, Dr. Aegidius Strauch, mein gedrucktes Büchlein liest und liebt, und hoffe, es werde auch hier aufgelegt und nachgedruckt werden, wie mir angedeutet worden ist. Dann hätte der Krieg ein Loch. So erwarte ich täglich, wie es Gott fügen werde.

62.6. Ich bitte, der Herr wolle doch meiner Frau ausrichten, daß sie sich wegen mir nicht bekümmere und nur fleißig bete. Gott wird es wohl schicken. Mangelt ihr etwas, dann weiß sie doch wohl, wo sie es bekommen kann. Sie soll nur gut haushalten und sich ein wenig bücken. Dieses Sturmwetter wird wohl vorübergehen und die Sonne wieder scheinen. Ich werde auf Herrn Hinckelmanns Bitte noch etwa einen Monat lang oder was es sein möchte, hier zu Dresden bei ihm bleiben. Denn ich habe es ihm zugesagt, weil er mir Kost und Gelegenheit umsonst gibt und ein sehr christlicher Herr ist, welcher mir wohl dienen mag, jedoch nach Gottes Willen. Ich verlasse mich auf keinen Menschen, sondern auf den lebendigen Gott, und bin dabei ganz fröhlich und getrost. Wer weiß, wie es sich verlaufen möchte.

62.7. Meine Schriften werden hier nachgeschrieben. Die Zeit wird alles eröffnen. Ich will Euch bald wieder schreiben, sobald ich nur Gelegenheit habe, und Euch meinen weiteren Zustand berichten. Ich bin jetzt hier noch sehr neu und fremd, hoffe aber wohlbekannt zu werden, bevor ein Monat vergeht.

62.8. Wenn ihr irgendeine Gelegenheit hättet, dann bitte ich, mir doch zu schreiben, ob die Schmähung des Primarius noch so währt und er darin nicht nachlassen will. Dann wollte ich die kurfürstlichen Räte um Schutz und Gerechtigkeit bitten, welches ihm weder Nutzen noch Ehre bringen würde. Er sollte sich nicht so sehr auf seine Macht verlassen. Man könnte ihn wohl wegen seiner Lügen und schändlichen Ehrenrührungen zurechtweisen. Man bietet hier in Dresden dergleichen gute Büchlein von der neuen Geburt und dem letzten Zeitalter öffentlich an. Es gibt ja hier so gelehrte Priester, wie bei uns, aber man hört nicht, daß so dagegen gelästert wird. Es ist wahrlich der Stadt Görlitz kein Ruhm. Man möchte sich wohl besser bedenken.

62.9. Herrn Friedrich Renisch wolle doch der Herr neben meinem Gruß melden, daß ich sein Schreiben, welches er mir mitgegeben hat, mit Fleiß bei vornehmen Leuten andeuten und zeigen will. Würde sich etwas ergeben, dann will ich ihm gern dienen. Wenn meine Frau meine Apologie (meine Verteidigungsrede) vom Präzeptor des jungen Herrn von Scheratin beim Schneider Lihnen nicht wieder empfangen hätte, dem ich sie hinterlassen habe, dann soll sie diese abfordern und wenn gewisse Gelegenheit wäre, mit herschicken. Man hätte diese hier auch gerne.

62.10. Dresden ist jetzt hier eine Jubelstadt, wie damals Prag war, und es geht prächtig zu. Aus Ungarn berichtet man hier fast gewiß, wie Herr Hinckelmann von den Obersten, Offizieren und besonders von Herrn von Loß vernommen hat, daß der Friede zwischen dem Kaiser und Bethlehem Gabor (Bethlen Gabor?) geschlossen sei. Denn die Zeitungen laufen (und berichten hier) sehr viel anders. In Niederlanden ist es jetzt auch still, obwohl dort viel Volk in Bereitung ist, so hört man doch nichts Neues. Schweden hat vor acht Tagen Knechte geworben, auch geht die englische Werbung fort, und weiteres ergibt die Zeit.

62.11. Ich bitte, Herrn Hans Roth meinen Gruß zu melden und ihm anzudeuten, daß er doch Herrn Michael Ender und Herrn Karl Ender neben meinem Gruß andeuten wolle, wenn er vielleicht Gelegenheit bei ihnen hat, daß ich mich eine Weile, etwa vier Wochen, vielleicht auch weniger, hier aufhalten werde, damit er es Herrn Hans Sigmund von Schweinichen berichte.

62.12. Und falls Gelegenheit wäre und fremde Schreiben bei meiner Frau angekommen wären, dann bitte ich, mir sie mitzusenden. Ich will ihnen schon antworten, denn von hier laufen Boten in viele Länder. Damit empfehle ich euch alle in die Liebe Jesu Christi.

Dresden, Datum seine oben, Euer in der Liebe Jesu Christi dienstwilliger J. B.

P.S. Eurer Frau meinen besonderen Gruß. Und Herr Benedikt Hinckelmann läßt Euch grüßen, er hatte noch keine Zeit zu schreiben.

63. Sendbrief an Dr. Tobias Kober, 31.5.1624

An Herrn Tobias Kober, Dr. med., Dresden, Freitag nach Pfingsten 1624.

(In der Ausgabe von 1682 steht hier als Datum 23. Mai 1624. Wir haben es auf den 31. Mai korrigiert, wenn der Pfingstsonntag am 26. Mai 1624 war. Damit wäre er nun ca. zwei Wochen in Dresden.)

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

1. Mein gar lieber Herr und christlicher Bruder, nebst herzlicher Wünschung göttlicher Liebe, Geduld und Hoffnung der Erlösung vom Treiber auch steter Wirkung in der Kraft Christi, daß Euer Perlenbäumlein stets größer wachse! Wenn es auch noch wohl erginge, wäre mir reine Freude. Für mich danke ich Gott, denn meine Sache stand hier bisher in gutem Aufnehmen. Gott helfe weiter!

2. Am Heiligen Pfingsttag sind nachmittags die kurfürstlichen Offiziere als die drei Herren von Schwalbach und der Hausmarschall die wohledlen gestrengen Obersten des Kurfürsten, als der Hausmarschall, der Stallmeister, der oberste Kämmerer und ein Rat bei meinem Wirt zu Gast gewesen und um meinetwillen dahin gekommen, um sich mit mir zu unterreden, welches auch in Liebe, Gunst und gutem Vernehmen bei ihnen ablief, und sie mich gern anhörten und meine Sache ihnen belieben ließen, mir auch geneigten Willen und Beförderung zugesagt haben und erbaten und begehrt, sich weiterhin mit mir zu unterreden, dessen ich täglich warte. Sie lesen auch mein gedrucktes Büchlein mit Liebe, welches sie auch vor den Kurfürsten gebracht haben.

3. Am Donnerstag nach Pfingsten hat mich neben meinem Wirt, Herrn Hinckelmann, der auch ein Doktor der Medizin ist, der wohledle gestrenge Herr Joachim von Loß, kaiserlicher Majestät und kurfürstlich geheimer Rat und Reichsoffizier, auf sein Schloß Pillnitz (eine Meile von Dresden) mit seiner Kutsche abholen lassen und sich mit mir unterhalten. Welchem Herrn meine Sachen und Gaben hoch belieben, welcher mir auch geneigten Willen und Beförderung versprochen hat, auch angedeutet, daß er meine Person beim Kurfürsten fördern und sehen wolle, ob ich vielleicht Unterhalt und Ruhe bekommen könnte, um mein Talent zu fördern.

4. Dieser Herr ist ein sehr gelehrter und hochverständiger Mann, welcher auch unserem Land sowie Schlesien nach dem Fall Friderici, unseres gewesenen Königs (Friedrich V.), in der Schlichtung der Hauptsachen sehr viel gedient hat, und alle hohen Sachen gehen durch seinen Rat. Welcher begehrt hat, ich sollte öfters bei ihm erscheinen, und er wollte mein Patron und geneigter Förderer sein. Und so warte ich seitdem stündlich, wann mich Ihre kurfürstliche Durchlaucht zu sich fordern lassen wird, welches ich durch Andeutung und Förderung seiner oben genannten Räte gewärtig bin. Und es gibt auch viele andere Herren und Räte, denen mein Büchlein beliebt, wie auch dem Superintendenten Aegidio Strauch. Und so hoffe ich, es werde nach dem erlittenen Schaden und der Verfolgung alles gut werden.

5. Hätte nun der Herr Primarius zu Görlitz etwas gegen mich zu klagen, dann möge er es jetzt hier bei den Räten des Kurfürsten vorbringen und seine giftige Verleumdung beim Ehrwürdigen Stadtrat, meinen Herren zu Görlitz, unterlassen. Hier wollte ich ihm zu Recht bestehen und seine Lügen vors Angesicht stellen, die er giftigerweise vor der Gemeinde und in der Schmähschrift über mich ausgeschüttet hat.

6. Sein christliches Herz wird trefflich gelobt, wenn er nur teilweise wüßte, wie christlich und gerecht man (hier) seine Schmähschrift ansieht. Er bringt damit der Stadt Görlitz nur Schande und Spott, daß sie so einen Lästerer und Spötter zum Hohepriester haben, welcher so entehrende Schmähschriften und Zoten gegen seine Pfarr-Kinder drucken läßt und sie nicht anders unterrichten kann. Er hat sich dadurch einen trefflichen Namen gemacht, so daß man ihn für einen Unchristen und ungeistlichen Mann hält. Ihm dürfte wohl auch bald der Mund gestopft und geboten werden, seines Amtes und der Nachfolge Christi und der Apostel zu dienen, außer was ihm begegnen dürfte, wenn man seine entehrenden Worte in der Schmähschrift und auf der Kanzel mit Eifer anklagen wollte. Ich hoffte, ich wollte wohl Richter finden, welche diesen Richter richten können, auch wenn ich zu Görlitz kein Gehör finden kann. Welches doch den Herren hier wunderlich erscheint, daß man einen Bürger in seinen Sachen nicht vernehmen will, zumal ich doch vor meinen Herren zu Görlitz keine Klage oder Beschwerde ohne besondere Ursache führen will.

7. Daß es aber den Primarius verdrießt, daß ich mich schriftlich verantwortet habe und darum oben ausfahren will und noch viel mehr lästert, dazu sage ich: Hat er nicht genug an geschriebener Antwort, dann will ich sie zum Druck befördern, wie es von vielen gelehrten Leuten für gut angesehen wird. Ich weiß auch schon Gelegenheit dazu. Den Mund vom Lästern abzuhalten, wäre ihm gut, oder er wird sehen und hören müssen, was ihm jetzt nicht gefällt.

8. Wiewohl ich keinen Gefallen daran habe, denn ich merke sehr wohl, daß der Teufel gerne mein Talent mit Zanken besudeln wollte, hoffe aber, unter göttlichem Schutz zu stehen, denn ich empfinde jetzt kräftig, wie Gott seine Kinder führt und schützt, dafür ihm zu danken ist. Es wird so nicht gehen, daß der Primarius alle Leute aus Görlitz jagen kann, welche mein Büchlein lesen, und dazu müßte er auch nach Dresden kommen und in viele andere Orte, und den Kurfürsten seine Räte und Priester verjagen. Er sehe nur zu, daß ihn Gottes Zorn nicht in das höllische Feuer jage! Buße tun wäre wohl gut. Will er aber eine Reformation anfangen, dann wird der Kurfürst auch darauf sehen, was er für einen Reformator in seinem Land habe. So müßt Ihr Euch vor ihm nicht entsetzen, denn es ist nur ein pharisäischer Eifer ohne Grund.

9. Ich hoffe noch, es wird bald die Zeit der großen Reformation kommen, da man auch sie reformieren wird und gebieten, Christus zu lehren und nicht Schusterpech und Schusterschwärze und das Lästern über Christi Kinder. Er komme nur nach Dresden in einen Buchladen. Dort wird er die neue Reformation genug sehen, welche meinem Grund gleichsieht, was den theologischen Grund anbetrifft. Und ich höre hier nichts dagegen lästern, denn es wird mit Freude gelesen, wie dann auch der Superintendent Aegidius Strauch sowie Doktor Hoë (der Oberhofprediger Matthias Hoë von Hoënegg) die neue Geburt und den inneren Menschen jetzt selber lehren, mag es ihnen der Primarius zu Görlitz auch verbieten. Und viele andere in Meißen, Sachsen, Thüringen und den See-Städten schreiben und lehren davon gar recht. Wenn das unser Primarius verwehren will, dann wäre es Zeit, daß er ein Consilium ausschreibe und die Reformation vornehme, oder es werden nur Enthusiasten werden, wie er sie nennt.

10. Ich bitte, wollt doch meine Frau und Söhne grüßen und ihnen dies lesen lassen und sie zu Geduld und Gebet ermahnen. Ich hoffe, es wird alles gut werden. Sie sollen sich nur noch ein wenig gedulden. Wer weiß, wie es noch ablaufen wird. Diese Verfolgung kann mir wohl noch zum allerbesten bekommen. Ich will in drei Wochen, wenn es möglich ist, wieder nach Hause kommen, auch wenn ich gleich wieder hierherreisen müßte. Will Euch aber unterdessen schreiben, wie es mit den Herren weiter ablaufen wird, und meinen (ältesten) Sohn Jakob ermahnen, zu warten und daß er doch oft zu Hans Bergen gehen wolle und sehen, was Elias (der jüngste Sohn Böhmes) lernt, und sich mit seinem Lehrmeister in Liebe gehaben. Dem soll er meinen Gruß und guten Willen entbieten und mein Vorhaben nicht verbergen, damit es nicht das Ansehen habe, als hätte man eine solche Sache, daß man vor dem Primarius fliehen müsse, und deswegen der kleine Elias von seinem Lehrmeister verfolgt und übel gehalten würde. So mag ihm mein diesmaliger guter Zustand wohl angedeutet werden.

11. Denn er ist ein guter einfältiger Mann, und soll die Sachen nicht so verstehen, daß er deswegen Abgunst auf meinen Knaben werfen wolle. Es wird noch alles gut werden. Er soll sich nicht scheuen, meinen Sohn zu lehren. Ich will seinen Kindern und ihm wiederum dienen. Denn es könnte wohl auch noch eine andere Zeit kommen, daß ich ihm dienen kann. So wolle er doch jetzt mit mir Geduld haben, denn mein Weg ist von Gott so beschaffen, und das wird die Zeit und das Ende geben.

12. Die Herren und christlich lieben Brüder wie Herrn Hans Roth, Herrn Friedrich Renisch, Herrn Martin Möller und Herrn Michael Kurz nebst allen Kindern Christi, welche sich Euch nahen, bitte ich zu grüßen und meinen Zustand zu eröffnen, auch daß sie als Kinder Christi im Weinberg Christi arbeiten wollen und den Satan brummen lassen. Die Zeit der Erlösung kommt schon zu seiner Zeit. Auch besonders der Frau Doktor meinen Gruß. Und meiner Frau und den Söhnen bitte vermelden, daß sie still seien und Geduld haben und nicht eifern, so daß uns der böse Feind nicht etwa einen Klecks anhänge. Damit letztendlich jedermann sehe, daß wir um der Erkenntnis Christi und seiner Wahrheit willen verfolgt werden. Wenn es gewisse Gelegenheit gäbe, bitte ich mir doch meine Apologie gegen den Primarius mitzusenden oder bei gewisser Gelegenheit Herrn Melchior Bernt nach Zittau zu senden, der allezeit mit den Leipziger Buch-Händlern Gelegenheit hat, und solche bei meiner Frau abzufordern, denn es wird begehrt, diese den kurfürstlichen Räten zu zeigen, was sie dazu sagen werden. Inliegendes Schreiben bitte meiner Frau geben, daß sie es an Herrn Karl von Ender sende. Und damit empfehle ich Euch alle der sanften Liebe Jesu Christi!

Datum Dresden, siehe oben, Euer in der Liebe Jesu Christi dienstwilliger Teutonicus.

64. Sendbrief an Dr. Tobias Kober, 13.6.1624

An Herrn Tobias Kober, Dr. med., Dresden, vom 13. Juni 1624.

Emanuel!

64.1. Mein vielgeliebter Herr und christlicher Bruder, nebst herzlicher Wünschung der stets wirkenden Liebe Jesu Christi, daß sein Perlenbäumlein unter dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi in solcher Bewegung und Übung groß werde und wir allesamt in solcher Kraft dem zornigen Feind Christi im Glauben und in der Demut Christi widerstehen können, welcher jetzt brüllt wie ein wütender Löwe und sich mächtig gegen Jesus und seine Kinder auflehnt, so daß wir mit Paulus einen guten Kampf kämpfen mögen und das Ziel unserer Seligkeit davonbringen, und nicht um zeitlicher Ehre und Lust willen Christus in der einmal erkannten Wahrheit verleugnen und mit den Heuchlern umkehren und das edle Pfand veruntreuen, welches schwer sein würde, wieder zu erlangen.

64.2. Ich für meine Person danke Gott in Jesus Christus, daß er mich mit seinem Malzeichen gezeichnet hat und mich täglich seinem Bild ähnlich macht, und bitte ihn um Beständigkeit, und daß er auch meine Feinde von dem grausamen Tod des ewigen Schreckens, darin sie jetzt unwissend gefangenliegen, erlösen wolle und ans Licht bringen, so daß sie diesen Weg erkennen und in unsere ewige Brüderschaft kommen.

64.3. Aber um vernünftig von diesen Dingen zu reden, so sehen wir es ja vor Augen, daß dieser Weg dem Teufel ganz zuwider ist, weil er ohne Ursache so sehr dagegen tobt. Es ist fast ein großes Wunder, daß er gegen so ein kleines Bet-Büchlein solchen Lärm anrichtet. Es muß ihm gewiß nicht schmecken, sondern anstinken, da doch viele dicke Bücher voll Narrenpossen, teils auch voll Aberglauben gefunden werden, welche er nicht angreift. Sondern nur den „Weg zu Christus“ spuckt er an, damit niemand darauf wandeln soll.

64.4. Denn er meint, sein Reich erst kräftig zu bauen, aber sieht nun, daß es überall löchrig werden will, denn die Einreißer kommen jetzt an vielen Orten herzu, besonders von Mitternacht (aus Norden). So können wir jetzt nichts Besseres tun, als diesem Feind mit Geduld unter dem Kreuz Christi spotten und mit ernster Buße überwinden, dann wird er schließlich matt und schwach.

64.5. Und so wird dieser Schwelbrand wohl sein Ende nehmen, denn er ist nur ein Feuerstrahl von Gottes Zorn, welcher mit göttlicher Liebe und Demut gelöscht werden muß. Wir sollen ihm mitnichten Holz zu seinem Brennen zutragen, sondern mit Christi Überwindung abtöten, wie Christus mit seiner Liebe Gottes Zorn und die Hölle überwunden und den Tod zerbrochen hat und mächtig über alle seine Feinde herrscht. Dann wird dieser Feind im Zorn Gottes nicht lange siegen, wie uns Christus gelehrt hat, daß wir unsere Feinde (mit geduldiger Liebe) speisen und tränken sollen und uns erfreuen, wenn sie uns um seinetwillen belügen, denn unser Lohn ist im Himmel.

64.6. Ein weltliches Schwert aus eigenem Vorsatz gegen solchen Feind zu führen, ist nicht gut, denn damit würde er nur stärker. Aber mit Geduld und Beten wollen wir ihn wohl überwinden. Nach seiner ungerechten Lästerung frage ich nicht, denn ich habe ein gutes Gewissen ihm gegenüber. So muß doch bald die Zeit kommen, daß solcher Feind mit dem Schwert der Kraft Gottes erstickt werde.

64.7. Wir sehen zu Recht die Zeit an, denn Babel brennt in der ganzen Welt, und auf allen Gassen ist Leiden, außer wenn man es noch nicht sieht, sondern noch blind daran ist.

64.8. Wegen Eurer brüderlichen Treue und gar christlichen Vorsorge, indem ihr etliche Sachen von meiner Frau zu Euch in Verwahrung genommen habt, sage ich großen Dank. Will mir jemals der Hohepriester das Haus stürmen, dann lasse man ihn nur, damit es doch in allen Ländern verkündigt werde, was für ein Aufrührer er ist. Es wird ihm und den Seinigen zu großen Ehren kommen. Es soll auch vor des Kurfürsten Räten gerühmt werden, daß er mir durch seine getreuen Diener das Haus angetastet und die Fenster eingeworfen hat. Wenn das andere Leute täten und Ursache dazu gäben, dann würde sie ein Ehrbarer Rat in der Stadt nicht dulden.

64.9. Es wundert mich schon sehr, daß man in Görlitz so ein Lärmen anrichtet und die Stadt ohne Ursache so beschreit (und verflucht). Wenn man nach dem Grund fragen wird, dann würde es seltsam aussehen. Jedoch muß es sein, denn diese Zeit ist geboren. Es wird bald eine andere kommen. Dies (wie das Einwerfen der Fenster) ist nur ein Vorbild, und weil sie das Fest des Heiligen Geistes (zu Pfingsten) so fein zelebriert haben, wird er ihnen kräftig beistehen. Daran kann man ja wohl sehen, wessen Geistes Kinder sie sind und wem sie dienen. Damit geben sie uns desto mehr Ursache, von ihnen zu fliehen. Ich meine ja, es sei Pfui genug, es stinke nach pharisäischem Pech und höllischer Schwärze, daß es Gott erbarme, diese arme einfältige Gemeine, welche so verblendet wird und die Strafe Gottes auf sich zieht, welche schon bald ausgegossen werden wird.

64.10. Man sieht auch sehr schön ihre Beständigkeit. Was sie jetzt gutheißen, das verleugnen sie ein andermal. Oh, wenn Jesuiten dahin kämen und man die Kirche von Luther wieder abforderte, was würden das für gute Päpstler ergeben!

64.11. Man lasse es doch nur so gehen. Stillschweigen ist das Beste. Sie jagen eine Mücke und meinen, sie haben den Braten. Aber darin steckt ein kleines Senfkörnlein vom Kreuz, daran Christus den Tod erwürgt hat. Das wird ihnen den Bauch zerbersten und zu einem Baum werden. Und das kann niemand verwehren.

64.12. Meine Frau muß deswegen keine Fensterläden machen lassen. Wenn sie diese einwerfen wollen, dann mögen sie es tun. Daran sieht man des Hohepriesters Früchte. Sie soll sich doch nur noch ein wenig gedulden. Hat sie keinen Raum mehr in Görlitz, dann will ich sie wohl an Ort und Stelle schaffen, wo sie Frieden haben wird. Sie bleibe vorerst nur zu Hause und gehe nicht ohne Not aus und lasse den Feind toben. Er wird sie nicht fressen.

64.13. Ich muß noch ein wenig hier abwarten und nachsehen, was Gott tun will, denn ich bin jetzt erst ein wenig in die Bekanntschaft großer Herren hier gekommen, welches täglich geschieht. Und es geht mir bis heute, Gott Lob, noch wohl, aber habe noch keine Gelegenheit gehabt, etwas von den Herren zu meinem Schutz zu begehren, weil der Kurfürst verreist ist und etliche der vornehmsten Herren mit ihm.

64.14. Obwohl ich mich auf keinen weltlichen Schutz verlasse, sondern auf Gott warte und ihm allein vertraue, von dem ich mein Pfund empfangen habe.

64.15. Nächsten Sonntag ist ein Gespräch zwischen mir und dem Herrn Superintendenten Aegidius Strauch bei meinem Wirt geplant, welches der Herr Superintendent selbst begehrt und auf ein Abendmahl wünscht, um sich mit mir zu unterreden, und etliche Räte des Kurfürsten werden dabei sein. Was da ablaufen wird, berichte ich Euch bald.

64.16. Denn er liebt mein Gebetbüchlein „Von der Buße“, so daß er sich gern wegen etlicher Punkte, welche ihm zu hoch sind, unterreden und selber hören wollte, aus welchem Grund es fließe. Welches mir lieb ist, und mal sehen, was daraus werden wird.

64.17. Auch warte ich noch auf die Resolution des Herrn von Loß, dem kaiserlichen und kurfürstlichen geheimen Kammerrats, zu welchem ich auch bald wieder kommen soll. Was dort ablaufen wird, will ich dann berichten. Hoffe, es wird noch alles gut werden. Wie Gott will, so will ich mit. Wer weiß, wo mich Gott hinhaben will oder was er durch mich tun will. Ich wundere mich selbst sehr, wie ich so wunderlich geführt werde, ohne meine Gedanken und Vorhaben.

64.18. Meiner Frau übersende ich mit dem Boten zwei Reichsthaler Unterhalt. Wird ihr etwas mangeln, dann weiß sie doch wohl, wo sie das haben kann. Der Schlüssel zum (Schreib-) Tisch liegt im Stüberl bei den Pfannen auf dem Brett. Euer Traktätlein liegt im Tisch, und Ihr könnt es abfordern. Euer Schreiben, welches ihr nach Zittau geschickt habt, ist mir noch nicht zuteil geworden. Wenn sich etwas zutrüge, bitte ich doch mir zu schreiben. Und wenn zufällig kein verläßlicher Bote da ist, einfach Herrn Melchior Bernt nach Zittau schicken. Er hat alle Wochen Gelegenheit hier, und ihm zu melden, daß er es befördere, wie ich es auch so mit ihm abgesprochen habe. Und ich bitte, meine Frau und die beiden Söhne zu grüßen und sie zu christlicher Geduld und zum Gebet zu ermahnen und keine eigene Rache vorzunehmen, so daß der Feind keine Ursache habe.

64.19. Der Handel mit Herrn Fürstenauers Gesinde ist wohl nicht gut. Jedoch wird daraus nicht viel werden, denn es ist des Primarius eigene Schande, und es dürfte ihm wohl groß verwiesen werden, wenn es recht beantwortet würde. Ich wünschte, daß es sein Herr recht wüßte, er würde ihn wohl in Schutz nehmen. Das sind des Primarius gute Früchte.

64.20. Ich hoffe, ich kann Euch bald besuchen, auch wenn ich wieder hierherreisen sollte. Es wird mir nicht den Hals kosten. Es ist nur ein tolles Geschrei, daran nichts als Pfaffenglöcklein sind, die so schön läuten. Ob es Christi Stimme sei oder des Teufels, ist leicht zu erraten. Ihr dürft Euch wegen des Geplärres nicht zu Tode fürchten. Es ist keine Sache, daran Schande hängt. Es ist nur die Glocke zu Babel, die zum Sturm geläutet wird.

64.21. Helft nur, im Geist Christi tapfer stürmen, dann wird auch Christis Glöcklein geläutet werden. Gott gebe ihnen und uns allen einen guten Sinn.

64.22. Ich bitte auch, Herrn Friedrich Renisch zu grüßen. Ich konnte hier noch nichts für ihn ausrichten, denn es geht hier sehr nach Gunst. Und es sind viel Aufwärter, wenn etwas ist. Will ihm aber gern in Liebe dienen, wenn ich nur könnte. Ich kann mir jetzt selbst noch nicht helfen, bis mir Gott hilft. Damit empfehle ich Euch alle in die Liebe Jesu Christi! Datum Dresden, siehe oben.

P.S. Mein Jakob soll doch noch in Görlitz warten, damit die Mutter einen Trost habe, bis ich es ändern kann. Es sollte schon sein, wenn ich nicht hier warten müßte. Sie gedulde sich nur.

Des Herrn dienstwilliger Jacob Böhme.

(Das war nun der letzte Sendbrief vom 13.6.1624, der uns von Jakob Böhme überliefert wurde. Er starb am 17.11.1624 mit 49 Jahren im Beisein des Empfängers dieses Briefes, Dr. Kober, der auch sein Hausarzt und langjähriger Freund war. Was geschah in den fünf Monaten dazwischen? Anfang Juli soll Böhme nach der hoffnungsvollen Zeit in Dresden wieder nach Görlitz zurückgekehrt sein. Am 11.7.1624 stirbt sein Freund und Gönner Karl Ender von Sercha. Und am 29.7.1624 schreibt sein erbittertster Gegenspieler Gregor Richter sein Testament und stirbt am 14.8.1624 im Alter von 64 Jahren. Jakob Böhme reiste danach noch einmal nach Schlesien zu Herrn Sigmund von Schweinichen, der das Buch „Weg zu Christo“ drucken ließ, wo er auch mit Herrn Abraham von Franckenberg zusammenkam, der seine erste Biographie schrieb. Und von dieser Reise kehrte er am 7.11.1624 todkrank zurück. Ungefähr ein Jahr später sterben während einer Pest-Welle auch Katherina, die Ehefrau von Jakob Böhme, sein jüngster Sohn Elias, zwei Söhne von Dr. Kober und Dr. Kober selbst. Nun, über diese Ereignisse kann man viel nachdenken, und wie Böhme vielleicht selbst sagen würde: Der Anfang hatte das Ende erreicht.)

— Ende —


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