10. Sendbrief an Abraham von Sommerfeld und Falkenheim auf Wartha, 1620

(Auch Abraham von Sommerfeld, ein in Wartha bei Beuthen (bzw. Bunzlau) wohnender Landedelmann, dem der vermutlich Ende April 1620 geschriebene Brief gewidmet ist, gehört zu der Schar derer, die Böhme seit dessen Aurora ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. - Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979)

Licht, Heil und ewige Kraft aus dem Brunnquell des Herzens Jesu Christi sei unsere Erquickung!

10.1. Edler, gestrenger und ehrenfester Herr, neben dem Wunsch göttlicher Gnade und aller heilsamen Wohlfahrt gebe ich Euch zur Antwort, nachdem mir Herr Schreiber berichtet hat, welcher maßen Ihr einen Wohlgefallen an meinen noch bisher unbekannten Schriften tragt, daß mir solches in meinem Geist noch ein viel größeres Wohlgefallen und Erfreuen ist, wenn ich vernehme, daß Gott auch in so hohen Menschen sein Werk treibt und führt, welches doch sonst in der Welt nicht allgemein gefunden wird, denn die zeitliche Ehre und Wollust dieses Lebens ist eine Verhinderung.

10.2. Ich kann es aber wohl verstehen, welcher maßen Gottes Geist Euer adeliges Herz rühren müsse, indem Ihr solche Kosten und Mühe auf dieses Werk (der Aurora) gewandt habt, welches doch von einer sehr einfältigen Hand geschrieben wurde, ohne Kunst oder großem Verstand, sondern nur in Erkenntnis der Gabe Gottes. Auch hätte es der Autor nie gedacht, daß es so hohen Leuten zu Händen kommen solle, dieweil er es nur für sich selbst zur Erinnerung und Aufrichtung im finsteren Schlaf von Fleisch und Blut geschrieben hatte, dazu ohne jeden Vorsatz, ein solches Werk zu schaffen.

10.3. Es war wohl ein feuriger Trieb da, aber ohne Vorwissen dieses Werkes, welcher im Autor verborgen lag wie ein Mysterium, das Gottes Geist gerührt (und erweckt) hat, davon eine solche Lust und Begierde zum Schreiben entstand, obwohl dazu weder Kunst noch Geschicklichkeit im Autor nach dem äußerlichen Menschen war. Er suchte allein das Herz Gottes, um sich dort vor dem schrecklichen Gewitter des Teufels zu verbergen, und betrachtete die bösartige Natur und deren Einflüsse und öfters des Teufels Trug und Gottes Zorn, und dann Gottes Liebe und Barmherzigkeit, darin dann mancher Sturm gegen den Verstand, wie auch gegen Fleisch und Blut und den Teufel gehalten worden ist, und alles im gewaltigen Trieb des Geistes, bis ihm zur Zeit ein sehr edles Kränzlein aufgesetzt worden ist, das diese Hand jetzt nicht beschreiben kann. Ich wünsche vielmehr, daß es dem Leser dieses Briefes auch geschehe. So würde er erkennen, was Gottes Süßigkeit sei, und sich nicht so hart verwundern, daß ein Laie solche Dinge anrühren darf.

10.4. So sage ich, als es dahin gelangte und das edle Senfkorn gesät wurde, da kam dieses Werk zu schreiben hervor, welches dann gleich sehr tief wie in einem Mysterium gesehen wurde, aber mit gar großen Freuden, doch wohl nicht genug begreiflich (bzw. verständlich). Wie es nun das erste Buch (der Aurora bzw. Morgenröte) ausweist, darin die großen Geheimnisse noch sehr einfältig und nicht ausführlich genug sowie mit vielen Mängeln beschrieben worden sind, nur wie ein Regen vorübergeht, und was dieser trifft, das trifft er. So war auch der Geist der Wunder, zumal der Autor ein ungelehrter und wenig verständiger Mann war, dazu fast wie kindisch in den Geheimnissen gegenüber den Erfahrenen und Gelehrten, welcher auch den Weg noch nicht verstand, wie es gehen sollte, außer was ihm der Geist zeigte, so daß er sich dann selber seine Verfolgung und Schmach, die ihm begegnen würde, mit aufgeschrieben hat, noch bevor der Verstand etwas davon wußte.

10.5. Und das geschah so klar, als stünde es vor Augen, wie im Buch der „Morgenröte“ im ersten Teil zu sehen, welches alles vor der Verfolgung (durch den Oberpfarrer von Görlitz) gemacht wurde und mir jetzt auch einen Trost gibt, daß es mir der Geist Gottes zuvor gezeigt hat, damit ich erkenne, was sein Rat auf seinem Weg ist. So daß ich mich dann auch ganz geduldig unter das Kreuz begeben und meine Sachen Gott anbefohlen habe, und auch viel zu ihm gefleht, daß er solches, das nicht aus seinem Rat kommt, von mir nehme und mich nicht auf solchem Weg erkennen lasse.

10.6. Und ich hatte mich auch nach der Verfolgung entschlossen, nichts mehr zu machen, sondern als ein Gehorsamer vor Gott stillzuhalten und den Teufel mit seinem Spott über mich herrauschen zu lassen, in dem dann so mancher Sturm gegen mich ergangen ist, und was ich gelitten habe, ich nicht beschreiben kann.

10.7. Aber es ging mit mir, wie ein Korn in die Erde gesät wird. Es wächst hervor in allem Sturm und Unwetter, auch gegen allen Verstand, wenn im Winter alles wie tot erscheint und der Verstand spricht: „Es ist nun alles hin!“ So grünte das edle Senfkorn in allem Sturm wieder hervor, unter Schmach und Spott, wie eine Lilie, und kam mit hundertfältiger Frucht wieder, dazu mit sehr tiefer und eigentlicher Erkenntnis und feurigem Trieb.

10.8. Aber mein äußerlicher Mensch wollte nichts mehr aufschreiben, sondern war wie blöde, bis es auch dahin kam, daß der innere den äußeren gefangennahm, so daß dann das größte Mysterium erschien. Da erkannte ich Gottes Rat und warf mich deswegen in Gottes Willen, und wollte auch mit dem Verstand nichts denken oder dichten. Auch ließ ich dem Verstand keinen Raum mehr und stellte meinen Willen in Gottes Willen, so daß mein eigener Verstand wie tot sein sollte, und der Geist Gottes sollte machen, was er wollte. Ich wollte im Verstand nichts sein, damit das Wollen und Tun sein sei.

10.9. Und als dies geschah, wurde der innere Mensch gewappnet und bekam einen sehr teuren Führer. Dem habe ich meinen Verstand ganz anheimgestellt, auch nichts ersonnen oder dem Verstand überlassen, was ich schreiben wollte, außer das, was mir der Geist wie in einer großen Tiefe im Mysterium auf einem Haufen (gleichzeitig) immer zeigte, aber ohne meinen genugsamen Begriff. Denn die Kreatur ist nicht wie Gott, der alles in seiner Weisheit auf einmal erfaßt und tut.

10.10. Und so wurde es wieder vorgenommen, etwas zu schreiben, und innerhalb eines dreiviertel Jahres sind drei Bücher gemacht worden: Eins mit etwa 100 Bögen „Von den drei Prinzipien göttlichen Wesens“, das heißt, vom Wesen aller Wesen, darin sich das große Mysterium etwas eröffnet hat und gar feine Sachen darin sind, weit höher als in diesem (der Aurora) begriffen, welches das erste war und Sie mir mit hierhergeschickt haben, um es zu überprüfen.

10.11. Und nach diesem ist eines mit etwa 60 Bögen gemacht worden, welches „Vom dreifachen Leben des Menschen“ und von der ganzen Schöpfung handelt, eine große offene Pforte des Mysteriums und wohl ein Wunder über allen Verstand, dessen ich mich selbst in meinem Verstand wundere, was doch Gott tun will, daß er so ein gar schlechtes Werkzeug zu solchen wichtigen Dingen gebraucht. Denn es ist darin das Geheimnis eröffnet, um welches die Welt seit dem schweren Fall Adams gezankt und immer danach gesucht hat, aber kein solcher Grund ans Licht gekommen ist. Welches aber der Welt nicht verständlich sein wird, sondern nur den Kindern Gottes, wie erkannt wurde (vom sehenden Geist).

10.12. Und zum Dritten wurden mir 40 Fragen von einem trefflichen Gelehrten (Dr. Balthasar Walther) und Verständigen sowie Liebhaber des Mysteriums und einem großen Verwandten desselben geschickt, und ich wurde gebeten, ihm nach diesen Gaben und Geist darauf zu antworten. Welches zwar die allerhöchsten Fragen vom Ursprung der Seele und aller Heimlichkeit des Mysteriums sind, von vielen großen und tiefen Geheimnissen, aber darüber wurde eine solche Antwort geboren („Die Vierzig Fragen von der Seele“), dessen sich wohl die Welt zu Recht erfreuen sollte, wenn es des Teufels Zorn und Bosheit nicht verhindert, obwohl der Rat Gottes bestehen muß.

10.13. Weil ich nun vernehme, daß Euer adeliges Herz und Gemüt einen besonderen Durst und Hunger nach solchem Geheimnis haben und nicht auf die Welt sehen und solche Geheimnisse nicht verachten, so erkenne ich hierin den Rat Gottes, und das soll Euch zu Recht mitgeteilt werden. Denn den Kindern soll man das Brot geben, die es wert sind, und die Perlen nicht vor die Säue werfen. Denn mein Geist und Gemüt zeigt mir wohl, daß Ihr nicht nur nach Klugheit trachtet, sondern aus Geistes Anregen, der öfters auch Petrus zu Kornelius führte (Apg. 10), damit er ihm Worte des ewigen Lebens sage.

10.14. Und obwohl ich ein fremder Mann und dazu ganz einfältig bin, macht mich doch Euer Begehren und Wollen kühn, an Euch zu schreiben, sei es auch mit einfältiger Hand, denn Gottes Gaben sind nicht an Kunst gebunden. Vor allem, weil ich erkenne, daß Euer adeliges Herz so demütig erscheint und zu mir schickt, der ich doch gering bin.

10.15. Weil dem so ist, hat Euer adeliges Herz auch von Gottes Geist gewiß zu hoffen, daß er der Seele Tür und Tor der Geheimnisse auftun und ein rechtes (wahrhaftes) Verständnis geben werde, um seine Wundergaben zu begreifen und zu erkennen, welches ich Euch hiermit von Herzen wünsche.

10.16. Es (das Werk der „Morgenröte“) wird auch Euch etwas wunderlich vorkommen, denn es eifert an etlichen Stellen sehr hart, besonders über Babel und den Antichrist, der von Gott in seinem Zorn erkannt worden ist. So sage ich aber, daß ich nicht anders schreiben konnte noch durfte, als es mir gegeben wurde.

10.17. Ich habe dem Geist immer nachgeschrieben, wie er es diktiert hat, und dem Verstand keine Stätte gelassen. Und erkenne es nicht als ein Werk meines Verstandes, der dafür viel zu schwach wäre. Sondern es ist des Geistes Werk, der gezeigt hat, was er vorhat und was geschehen soll und geschehen ist, denn er kommt aus dem Ungrund in Grund und durchsucht alles, prüft Herz und Nieren und probiert die Gedanken der Menschen.

10.18. Auch zeigt er hiermit das letztendliche Gericht an, daß er alle Wesen durch das Feuer probieren (und bewähren) will. Und ich hätte gar nichts schreiben können, auch nicht im feurigen Trieb, ich setzte es denn so, wie es der Geist entwarf. Deswegen habe ich es für mich zu einer Erinnerung gemacht und habe weiter keine Absicht damit.

10.19. Wenn Euch aber beliebt, selbiges zu lesen, dann soll es übersandt werden mit der Bitte, daß Ihr es zurückschicken mögt, denn ich will es zur Erinnerung behalten. Und ich bin dessen gewiß, wenn euer adeliges Gemüt Gott die Ehre geben und fleißig lesen will, um diesen Weg mit der Begierde ins Herz zu fassen, Ihn zu erkennen, daß Euch Gott die Tür seiner Liebe im Mysterium auftun und das schöne Kränzlein seiner Weisheit aufsetzen wird, das edler ist als der geschaffene Himmel und diese Welt.

10.20. Denn darin liegt der edle Stein der Weisen (Lapis Philosophorum), der Grund aller Heimlichkeit, und so ist dieses Kränzlein mit diesem Stein besetzt, welches die Seele wie ein Kleid anzieht, als einen neuen Leib in Gottes Reich, darin sie Gottes Kind ist, und mit dem sie im Feuer von Gottes Zorn unverletzt bestehen kann. Und darin kann sie auch den Teufel, den Tod und die Welt überwinden sowie das Gestirn und äußerliche Leben beherrschen, welches sonst dem Verstand unmöglich ist.

10.21. Denn es gibt die Erkenntnis des Einen, das keine Kunst erforschen kann. Es sieht durch Himmel und Erde und nimmt, wo es nicht gesät hat. Es fragt nicht: „Ist es wahr?“ Denn es hat das Zeichen der Wahrheit und Gerechtigkeit in sich, und auch alle Tugend, die in der Hoffnung liegen. Es ist keine Furcht des göttlichen Zorns darin, sondern gibt eine gar fröhliche Hoffnung und vergewissert diese und bestätigt die Seele als Kind Gottes.

10.22. Dieses Kränzlein ist eine Jungfrau und eine Zucht und Zierde Gottes, eine Freude des Lebens. Es erfreut das Gemüt in Trübsal und geht mit dem Menschen in den Tod, aber hat kein Sterben in sich. Es lebt seit Ewigkeit und ist eine Führerin der Himmel und eine Freude der Engel. Sein Geschmack ist köstlicher und lieblicher als alle Freude der Welt. Und wer es einmal bekommt, der achtet es höher als alles Gut der Welt, denn ihm ist nichts gleich als nur die Gottheit.

10.23. Aber es liegt in einem finsteren Tal verborgen, und die Welt kennt es nicht. Der Teufel rauscht darüber her wie ein Sturm, und bedeckt es, so daß es der Verstand meistens nicht erkennt. Aber es grünt zu seiner Zeit wie eine schöne Lilie mit vielfältiger Frucht wieder hervor. Es wächst in Trübsal, sät mit Tränen und erntet mit großen Freuden. Es wird vom Verstand verachtet, aber wer es erreicht, hält es für seinen besten Schatz.

10.24. Ein solches Kränzlein wird dem aufgesetzt, der es mit Ernst sucht und sich ihm ergibt und nicht seinem Verstand in Fleisch und Blut, wie solches meine Schriften erklären. Denn was darin geschrieben ist, hat der Autor selbst erkannt. Es ist keine fremde Hand und Geist darin. Und ich schreibe es mir auch nicht zum Ruhm, welcher allein in Gott ist, sondern den Kindern Gottes zur Richtschnur und daß sie wissen, was Gott denen für Lohn gibt, die auf ihn vertrauen und der Welt Spott nicht beachten.

10.25. Mich wundert auch zugleich, wie Ihr und andere mehr in Schlesien meine Schriften bekommen habt, denn mir ist von ihnen keiner bekannt. Und ich halte mich doch auch so still damit, daß sogar die Bürgerschaft hier (in Görlitz) nichts davon weiß, außer daß sie gehört haben, wie der erste Teil (die Aurora), welcher mir gewaltsam entzogen und aus Mißgunst von einer Person im Ministerium zu Babel (dem Oberpfarrer von Görlitz) verfolgt wurde, als ketzerisch in Verruf gekommen war. Doch wurde er ihnen nie zu lesen gegeben, und auch nie nach Gebühr erörtert, wiewohl ich auch keines Menschen Ratschlag darüber begehrt habe, sondern Gott befohlen.

10.26. Nun erkenne ich doch hiermit Gottes Wege und verstehe, daß es nicht allein in Schlesien, sondern auch in anderen Ländern ohne Wissen des Autors bekannt geworden ist. Und muß eben sagen, daß der, der es verfolgte, es damit auch publiziert hat. Denn mein Beschluß war, solches mein Leben lang bei mir allein zu behalten, und ich habe es auch nur für mich geschrieben.

10.27. Was aber Gott in seinem Rat vorgenommen hat, steht jetzt im Licht und wird viel heller erscheinen, wenn die letzten zwei Bücher gelesen werden. Darüber ich mich nun im äußerlichen Menschen selbst hoch wundere (und frage), was doch Gott hiermit meint und tun will.

10.28. Zumal ich mich als ganz unwürdig und unverständig erkenne, aber doch dem innerlichen Menschen die größten und höchsten Geheimnisse eröffnet werden. Das gebe ich Euch und anderen Liebhabern Gottes in Demut nachzudenken. Denn ich kann ja nicht sagen, daß es ein Werk meines Verstandes und der Vernunft sei, sondern erkenne es als ein Wunder, darin Gott große Dinge offenbaren will. Dabei auch mein Verstand zugleich mit zusieht und sich immerzu wundert, denn ich habe diese Geheimnisse mein Leben lang nicht studiert und auch fast nichts davon gewußt. Denn ich bin ein Laie und soll nun solche Dinge ans Licht bringen, was allen hohen Schulen zu mächtig gewesen ist, gegenüber denen ich doch ein Kind bin und weder Kunst noch ihre Weisheit habe. Und so muß ich schlicht und einfach aus einer anderen Schule schreiben.

10.29. Und was noch größer ist, daß mir die Natursprache eröffnet wurde, so daß ich in meiner Muttersprache die allergrößten Geheimnisse verstehen kann. Obwohl ich nicht sagen will, daß ich es ergriffen und gelernt habe, sondern so lange wie die Hand Gottes über mir hält, erkenne ich es. Wenn sie sich aber verbirgt, dann kenne ich auch meine eigene Arbeit nicht und bin dem Werk meiner Hände fremd geworden, damit ich doch sehen möge, wie unmöglich es ist, Gottes Geheimnis ohne seinen Geist zu erforschen und zu halten.

10.30. Darum schreibe ich mir auch nichts zu. Es ist nicht mein Werk, und ich begehre auch keine menschliche Ehre dafür, denn ich bin nur ein schlichtes einfältiges Werkzeug. Gott tue und mache, was er will, und das will ich auch. Und was er nicht will, das will ich auch nicht. Will er, daß ich es wissen soll, dann will ich es wissen. Will er aber nicht, dann will ich auch nicht. Ich selber will nichts und tot sein, damit er in mir lebe und wirke, was er will.

10.31. Ich habe mich in ihn geworfen, damit ich vor dem Teufel sicher sei. Und wenn ich auch der Welt den äußeren Leib und das Leben lassen muß, um damit zu tun, was sie will, und dem Teufel gestatten muß, über mich herzurauschen, so will ich doch meinen inneren Menschen weder der Welt noch dem Teufel anvertrauen, und auch nach dem inneren Menschen nichts tun, was die Welt will. Obwohl mein äußerer Mensch der Welt verpflichtet ist, und der soll auch in seiner Pflicht aller weltlichen Ordnung gehorsam sein und tun, was die äußere Pflicht anbelangt. Aber mein innerer Mensch soll allein Gott gehorsam sein und nicht der Welt, denn er ist nicht in der Welt, sondern hat sich gleichsam tot gemacht, damit Gott in ihm lebe und sein Tun und auch das Wollen sei.

10.32. Obwohl ich nicht sagen kann, daß es möglich sei, so zu leben, so ist doch mein Wille so gerichtet, und den soll mir weder die Welt noch der Teufel brechen. Und sollte mir auch mein äußerliches Leben verschmachten, so will ich doch am Willen hängen. Wenn auch der Verstand öfters lauter „Nein!“ spricht und die Versuchung mit Anhäufen und auch mit Schrecken und Drohen des äußeren Lebens erscheint, so daß sich der Geist verbirgt, als wäre alles tot und weg, so bringt es doch allezeit neue Frucht, und dazu vielfältig.

10.33. Das habe ich deswegen so ausführlich erklärt, daß Ihr erkennen und wissen mögt, was ich für ein Mann bin und was der Anfang und die Ursache meines Schreibens war, auch aus welcher Kunst und Geist es geboren wurde und zu welchem Ende, nämlich nur für mich selbst. Weil ich aber sehe, daß fromme Herzen einen Durst danach tragen, so soll ich ihnen nach christlicher und brüderlicher Art solches nicht verbergen, sondern Gott anbefehlen, daß er in ihnen wirke und tue, was er will, weil wir doch solches zu tun schuldig sind.

10.34. Deshalb bitte ich darum, meinen Namen bei den Gelehrten zu schweigen, denn ich weiß wohl, daß ein einfältiger Mann von der Kunst spöttlich gehalten und verachtet wird. Und obwohl Gott auch seine Kinder unter ihnen hat, so achte ich es doch nicht, daß es nach meinem Namen genannt sein sollte, denn Gott gehört die Ehre, der der Geber ist. Ich suche mir damit keinen Namen noch Ruhm, sondern Christus ist mein Ruhm und mein Lohn, und gedenke, in jenem Leben vor Menschen und Engeln Ruhm zu haben und mich in Christus mit den Heiligen darin zu erfreuen, wie solches meine Schriften genugsam darstellen.

10.35. Bezüglich (der Abschrift) des Buches „Morgenröte“, welches Sie mir hiermit zur Überprüfung geschickt haben, bin ich es ein wenig durchgegangen und finde, daß es mein Werk ist und auch recht (wahrhaft) nachgeschrieben wurde, nur daß etliche Silben um der Kürze willen ausgelassen wurden, aber doch dem Verständnis nichts verlorenging. Und ich bin, soweit ich davon in der Eile durchgeblättert und einzeln gelesen habe, weil ich keinen Zusatz fand, wohl damit zufrieden.

10.36. Aber die großen Geheimnisse stecken darin noch sehr tief im Mysterium, sind zwar vom Autor wohl erkannt worden, aber es war wohl zum ersten Mal nicht möglich, vom Verstand zu erfassen. Auch wenn es in der Tiefe erkannt wurde, so war dies doch dem Autor noch sehr ungewohnt. Wenn ihm die himmlische Freude begegnete, dann wurde dem Geist schlecht nachgegangen. Aber die wilde Art ist nicht sogleich neugeboren. Es wird ein Korn gesät, daraus ein Baum wächst. Doch wenn die Kraft groß ist, dann wächst der Baum desto schneller und wird desto schneller erkannt.

10.37. So werdet Ihr in den anderen drei Büchern die Geheimnisse etwas heller finden und entsprechend immer höher gegründet, und damit das vierte wie ein fast heller Spiegel, darin man das große Mysterium sichtbar genug erkennt, jedoch nur dessen Kinder. Der (weltliche) Verstand wird daran wohl blind bleiben, denn Gottes Geist wohnt nicht im äußeren Prinzip, sondern im inneren und geht vom inneren in das äußere aus, aber das äußere ergreift ihn nicht.

10.38. Ich sage Euch aber auch, daß das Buch „Morgenröte“ nicht vollendet wurde, denn der Teufel gedachte Feierabend damit zu machen, weil er sah, daß der Tag darin anbrechen wollte. Doch nun hat der Tag die Morgenröte schon übereilt, so daß es sehr licht geworden ist. Es gehörten wohl noch dreißig Bögen dazu. Weil es aber der Sturm abgebrochen hat, so ist es nicht vollendet worden, und es ist unterdessen Tag geworden, so daß die Morgenröte verloschen ist, und seit dieser Zeit am Tag gearbeitet wurde. Und das soll auch so zu einem ewigen Gedächtnis stehenbleiben, zumal der Mangel in den anderen (Büchern) erstattet worden ist. So ist dem Feind die Schuld an diesem Mangel zu geben.

10.39. Wiewohl ich niemand anders darunter verdächtigt haben will, als den Falsch des Teufels, welcher ein Feind von allem Guten ist. Er verwirrt wohl sogar Könige. Wie will dann ein einfältiger Mensch in solcher Arbeit sogleich erkannt werden, zumal man dessen gewiß ist, daß er ein Laie und dazu ungelehrt ist.

10.40. Es kann sich wohl auch der Klügste an einer solchen Einfalt ärgern, wenn er von solchen Wundern in so schlechter Einfalt reden hört. Dann denkt er, es ist aufgerafftes Wesen (bzw. Wissen), denn er versteht Gottes Gaben nicht, weil man niemand ins Herz sehen kann.

10.41. Ich will deswegen niemand verwirrt haben, sondern erkenne, daß Gottes Schickung so sei, sonst wäre dieses Buch wohl noch im (stillen) Winkel. Doch so ist es ohne mein Wissen und Wollen publiziert worden und dazu von den Verfolgern selbst, welches ich als eine Gottesschickung erkenne. Denn die Leute, die es haben, habe ich nie gekannt. Dazu habe ich es selber nicht, und es ist mir doch nun schon zum vierten Mal ganz nachgeschrieben zum Augenschein und in die Hände gekommen, und ich sehe, daß es andere Leute publizieren, welches ich für ein Wunder erachte, daß das Korn gegen des Feindes Willen wächst. Doch was von Gott gesät wird, kann niemand halten noch abwehren.

10.42. Und was Ihr und andere Leute im Buch „Morgenröte“ möglicherweise in Mißverstand zieht und euch unrecht vorkommt, dazu eine Erklärung gehört, wird im dritten und vierten Buch genug erklärt, in denen dann eine offene Pforte der Geheimnisse aller Wesen erscheint. Und es ist nichts in der Natur, das auf diesem Weg nicht ergründet werden kann, denn es zeigt und öffnet den Stein der Weisen zu allen Geheimnissen, sowohl im göttlichen als auch im irdischen Mysterium. Mit diesem Verständnis könnten alle Metalle der Erde in den höchsten Grad gebracht werden, aber nur von den Kindern der Magie Gottes, denen es eröffnet wird.

10.43. Ich sehe wohl dasselbe, aber mir gebührt nicht, es anzurühren, und ich habe auch keine Kunst noch Handgriffe dazu, sondern stelle nur ein offenes Mysterium dar. Gott wird sich schon seine Arbeiter erwecken, aber bei mir suche niemand dieses Werk. Und wenn es auch etwas heller eröffnet werden könnte und auch heller erkannt worden ist, so habe ich doch meinen Eigenwillen gebrochen und will nichts schreiben, als nur wie es mir gegeben wird, damit es nicht mein Werk sei und ich nicht der Verwirrung anheimfiele.

10.44. Und wenn Ihr etwas aus den hier mitgeschickten Schriften abschreiben lassen wollt, dann tut dem Schreiber not, daß er ein gelehrter und verständiger Mann sei, denn die Silben sind nicht alle genug ausgestrichen, auch nicht nach der Grammatik. Es mögen auch wohl in vielen Worten Buchstaben fehlen, auch öfter ein kleiner Buchstabe für einen großen gesetzt sein, denn die Kunst hat hier nicht geschrieben. Es hat auch keine Zeit gehabt, über den rechten Verstand des Buchstabens nachzudenken, sondern alles war nach dem Geist gerichtet, welcher öfters in Eile gegangen ist, so daß dem Schreiber wegen der Ungewohntheit die Hände zitterten.

10.45. Und wenn ich auch etwas zierlicher und verständiger schreiben könnte, dann liegt es doch daran, daß das brennende Feuer oft zu geschwind treibt. Dem muß die Hand und Feder nacheilen, denn es kommt wie ein Platzregen, und was er trifft, das trifft er. Wäre es möglich, alles zu ergreifen und zu schreiben, dann würde es wohl dreimal mehr und tiefer gegründet. Aber es will nicht sein. Und darum werden mehr als ein Buch gemacht, mehr als eine Philosophie, und immer tiefer, so daß dasjenige, was in einer nicht begriffen werden konnte, in der anderen gefunden wird.

10.46. Es wäre wohl gut, daß letztendlich aus allen nur eines gemacht würde, und die anderen alle weggetan würden, denn die Vielfalt macht Streit und Widerwärtigkeit wegen des zähen (1682: jehen) Begriffs der Leser, welche nicht wissen, den Geist zu unterscheiden (bzw. ganzheitlich zu erfassen), der so wunderliche Sprache führt, so daß der Verstand oft meint, es sei ihm widerwärtig, und ist doch in der Tiefe nicht widerwärtig (bzw. gegensätzlich).

10.47. Aus welchem Mißverstand die große Babel (der verwirrenden Gedankenkonstrukte) auf Erden geboren worden ist, darin man nur um Worte zankt und den Geist der (ganzheitlichen) Vernunft im Mysterium liegenläßt, welcher nun Ende und Zahl gefunden hat und der Verwirrung anheimgestellt worden ist. Denn der Anfang hat das Ziel gefunden, und es ist kein Aufhalten mehr. Und so kann es auch keine Gewalt mehr dämpfen (um die Verwirrung zu verhindern).

10.48. Damit rede ich nicht aus mir, sondern aus dem, was der Geist zeigt, dem niemand widerstehen kann. Denn es steht in seiner Allmacht und liegt nicht an unserem Wähnen oder Wollen, wie das vierte Buch dieser Schriften trefflich hoch anzeigt, welches gewaltig im Licht der Natur gegründet ist und an allen Dingen erwiesen werden kann.

10.49. Ferner möchte ich Euch zu den hier mitgesandten Schriften sagen: Wenn der Autor mit „wir“ zweifach von sich zu reden pflegt und dann öfters auch als „ich“, daß in dem „wir“ der Geist verstanden wird, und im einfachen „ich“ versteht sich der Autor selber. Das sei zur Benachrichtigung um des Argwohns willen gesagt.

10.50. Damit übersende ich Euch hiermit den vierten Teil (meiner Schriften), als die „Vierzig Fragen“. Darin kann sich der Herr ersehen, und ich will Euch künftig auch den zweiten und dritten Teil schicken, wenn Ihr das begehrt. Und ich bitte, mir dasselbige bei nächster Gelegenheit wieder zuzuschicken, denn ich soll es demjenigen übersenden, der die Fragen gestellt hat.

10.51. Ich empfehle Euch der göttlichen Liebe, nebst dem Wunsch, daß Gott Euer adeliges Herz erleuchten wolle und des Autors Sinn und Gemüt im inneren Prinzip recht erkennen lasse und damit auch alle zeitliche und ewige Wohlfahrt gebe.

Datum, Görlitz, siehe oben. J. B.

75. Sendbrief an Balthasar Walther, Oktober 1620

(Die Briefe 75-79 gehören zu den bisher ungedruckten Sendbriefen aus dem zweiten Band der „Urschriften“ von Werner Buddecke. (Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979) Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit zeitlich einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung der Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Dem ehrenfesten, hochgelehrten Herrn Balthasar Walther, meinem besonders guten Freund!

Der hochteure Name Jesus sei unsere Kraft, Trost und Erquickung!

Ehrenfester, hochgelehrter Herr und in Christus lieber Bruder! Euch wird nunmehr der üble Zustand unseres Landes Lausitz bekannt sein, besonders der zerstörten Stadt Bautzen (der damaligen Hauptstadt des Markgrafentums Oberlausitz). Weil aber der Reden darüber vielerlei sein könnten, will ich Euch einen Bericht geben, soweit ich dies von den Leuten habe, die aus Bautzen zu uns gekommen sind, und auch von den Soldaten, die von Anfang bis Ende dabeigewesen waren. Jedoch bitte ich dieses Schreiben wegen gewisser Ursachen geheim zu halten.

Nachdem der Kurfürst (von Sachsen) drei Wochen (seit dem 8.9.1620) davor lagerte und ohne Unterlaß mit großen Stücken hineingeschossen hatte, auch oft sturmgelaufen war, hat er schließlich die Soldaten müde gemacht, weil die Bürgerschaft in Schrecken und Furcht stand, und auch etliche unter ihnen waren, wie berichtet wurde, welche selber Briefe hinausgeworfen hatten, dadurch ohne Zweifel der Feind aller Sachen kundig wurde.

So hat er mit großem Ernst nahe der Mauer und dem Wall seine Verschanzung aufgebaut, wiewohl mit großem Verlust des (Soldaten-) Volkes, und die Stadt fast drei Tage und Nächte lang ohne Unterlaß bestürmt und hineingeschossen, auch immer Feuer hineingeworfen, und war in drei Tagen 17 mal dagegen angelaufen. Auch wir berichtet, daß er in diesen drei Tagen an die 1.700 Mann verloren hatte. Und als die Kriegsleute solches gesehen und bemerkt, daß er in die Vorstädte einbrechen könnte, haben sie selber die Vorstädte angezündet, weil man ihnen auf ihr vielfältiges Flehen und Bitten nicht zu Hilfe gekommen ist, damit sich der Feind nicht hineinlagert. Als der Feind solches gesehen hatte, hat er der Stadt mit Stürmen und Feuereinwerfen noch viel heftiger zugesetzt, und schließlich waren es am Sonntag acht Tage, daß die Stadt entzündet worden war, welche bis auf etwa hundert und etliche Häuser ganz ausgebrannt wurde. Es sollen etwa noch 170 Häuser stehen, aber viele sind halb zerschossen.

So daß ein solcher Schaden entstand, der sehr groß ist. Denn viele vom Adel und vom Land, die das Ihre (der befestigten Stadt) anvertraut hatten, wurden, als das Feuer begann, von den Soldaten ausgeraubt und geplündert. Dadurch auch viele Menschen starben, besonders Frauen, die sich wegen des grausamen Schießens, auch Feuerkugeln und Pechkränze-Einwerfens vom Feind, nicht gegen den Feind wenden wollten, sondern auf die Winkel und Plätze vertrauten, um sich vor dem Feuer und Rauch zu erretten. Aber sehr viel sind doch elendig erstickt, auch viele in Kellern und Gewölben vom Feuer angefallen und erstickt und in solche Not geraten, daß es schrecklich und jämmerlich zu melden ist.

Welches alles hätte verhindert werden können, wenn man der armen bedrängten Stadt auf ihr flehentliches Bitten an den Markgrafen, welcher doch sehr viele tausend Mann im Land lagern hatte, zu Hilfe gekommen wäre. Wenn nur tausend Mann hingeschickt worden wären, was man doch wohl konnte, dann hätte die Stadt nicht erobert werden können. Man hat sie wohl immer vertröstet, man wolle sie retten, darum sich dann auch die Kriegsleute ritterlich gewehrt hatten und den Beistand erwarteten. Weil es aber nicht sein wollte, so hat man einige aus der Stadt hinausgeschickt, um mit dem Kurfürsten zu verhandeln, und so hat auch das Schießen am Sonntag früh (am 4.10.1620) aufgehört, so daß man in 36 Stunden keinen Schuß zu beiden Seiten vernommen hatte, bis er am Montag wieder gegen die Stadt angelaufen und gestürmt war. Dann hat man ihn hereingelassen und die Stadt übergeben.

(Belagerung von Bautzen im September 1620, Matthäus Merian der Ältere, Quelle Wikipedia)

Auch hat man die Kriegsleute, welche an die 2.000 gewesen waren, mit 8 Fähnlein, allem Gewehr und fliegender Fahne davonziehen lassen, nachdem sie geloben mußten, drei Monate den Lausitzern nicht zu dienen. Auch hat ihnen der Kurfürst den Dienst für ihn mit der alten Bezahlung angeboten, sofern diese noch ausstand. Als sie aber nicht wollten, gebot er ihnen zu ihrem König zu ziehen und sich bezahlen lassen. Wenn das nicht geschähe, sollten sie zu ihm kommen und ihm dienen. Er wollte sie selbst bezahlen und noch jedem zwei Monate Sold zum Antritt ihres Dienstes geben. Darauf sind sie mit fliegenden Fahnen, mit allen Wagen und Raub nach Schlesien gezogen. Man hat sie frei passieren lassen, worüber fein nachzudenken ist.

Von diesem kläglichen Zustand der Stadt Bautzen haben wir bis zu ihrem gänzlichen Verlust nichts gewußt und vermeinten, auch wenn wir den Rauch sahen, es wäre in der Stadt keine Not. Allein dem Markgrafen ist es zugeschrieben worden, welches wir mit dem Verlust der Stadt Bautzen mit großem Schrecken erfahren haben, und zwar nicht eher, bis die Soldaten von Bautzen zu uns kamen. Daraufhin war die Ritterschaft von Stadt und Land sehr bestürzt, auch ganz unwillig, daß man die schöne Stadt nicht gerettet hatte.

Am Dienstag hat der Markgraf die Ritterschaft mit Reitern und Fußvolk, wie man berichtet, fast an die 16.000, in das Feld geführt und hat selber dabeisein müssen. Welches die Ritterschaft so haben wollte, und sich nicht eher auf die Rosse setzte. So ist er mit dem ganzen Volk nach Grätz, zwei Meilen von Bautzen, gezogen und hat dort eine Nacht gelagert und sich dann am Mittwoch wieder abgewandt. Am Donnerstag früh ist er mit dem ganzen Volk wieder nach Görlitz gekommen und hat das (Kriegs-) Volk auf das Land in die Quartiere sowie in die Stadt verteilt, so daß alles voll ist. Und so lagern sehr viele von ihnen in Görlitz. Mit großer Beschwerde des Landes und der Städte, denn den armen Bauersleuten wird das Ihre gewaltsam genommen, und so steht alles ganz traurig und elendig. Und wir wissen nicht, was uns begegnen wird, außer daß wir alle Stunden den Feind erwarten müssen und mit den Soldaten sowie Verschanzen und Wachen sehr geplagt werden.

Aus Schlesien sind uns gestern und am Freitag sowie auch heute etliche Fähnlein stattlichen (Kriegs-) Volkes zu Hilfe gekommen. Auch wurde solches unserem König vom Herrn Landvogt alles berichtet, und wir hoffen, dem Kurfürsten werde bald sein Hochmut gelegt werden, denn die treuen Schlesier haben sich dieses Handels mit großem Beistand unterwunden, welches auch diesmal die höchste Not fordert, oder der König würde die Lausitz verlieren, denn des antichristlichen Ordens Bauchdiener und Verräter sind zu viele. Aber nur zu ihrem Selbstuntergang, denn so muß es gehen, daß ein Besen den anderen auskehre. Denn Babel mit dem Tier und der Hure stehen im Brand. Wer da jetzt gedenkt, selig zu werden, der mag sich wohl mit Geduld gürten und nichts Weltliches als eigen erachten, denn er wird es nicht behalten, oder wird daran seine Seele verlieren.

Man berichtet, von den Unseren sind in Bautzen in der ganzen Summe etwa 700 geblieben, aber vom Feind in der ganzen Summe etwa dreieinhalbtausend. Dem Gottesmann wird es ohne Zweifel nicht wohlergehen. Wenn er aber noch in Bautzen ist, Gott sei sein Trost! Jetzt kann ich nicht zu ihm, etwas zu schicken, denn die Bautzner haben dem Kurfürsten sogleich (Treue) schwören müssen. Danach hat er sie des Kaisers Räten, welche innen liegen (bzw. nun in Bautzen amtieren), übergeben und hat seine besten Stücke mitsamt der Bürger Gut, welches er ihnen genommen hat, nach Dresden geführt.

Und so lagert der Kurfürst in Dresden, und die Kaiserlichen in Bautzen. Sie haben auch den bautzischen Adel, der in das bautzische Amt gehört, zur Huldigung hineinberufen. Etliche sind kommen, und etliche nicht. Und so ist keine Gelegenheit in Bautzen, denn es ist besetzt und äußerlich verschanzt.

Wie ihr wegen des Zinses berichtet: Wenn es zu Sagan ein Kannegießer gleich um begehrte oder es nicht anders sein könnte um 41 ½ Argent (Silbergroschen) das Pfund, wollte ich es ihm verschaffen, wenn er Bargeld gäbe. Besser etwas als ganz verloren. Bitte um Bennachrichtung, ob es gewiß sei.

Bitte auch mit Herrn Christiansen zu verhandeln, ob er mir, wenn es die Not erforderte, mit einem Kramfäßlein (ein Faß oder Tonne zum Transport) eine Gelegenheit bestellen könne, etwa wenn es Gelegenheit bei ihm gäbe oder bei Herrn Magister Weigel in seinem Haus. Ich wollte dann mit etlichen Sachen dahin flüchten, so daß doch nicht sogleich alles den Soldaten zuteil würde. Bis Gott anderes schickte, will ich es um ihn verschulden.

Hiermit empfehle ich uns alle dem treuen Schutz Jesu Christi in seine Liebe. »Der Name des Herrn ist eine feste Burg.« J. B.

76. Sendbrief an Christian Bernhard, Oktober 1620

An Herrn Christian Bernhard, königlicher Zolleinnehmer zu Sagan.

Emanuel!

Ehrenfester, wohlbenamter Herr und in Christus geliebter Bruder. Hiermit sende ich Euch ein offenes Schreiben an Herrn Walther, falls Ihr es auch lesen wollt. Und ich bitte, wenn Herr Walther nicht mehr bei Euch ist, dann wollt es doch versiegeln und ihm bei Gelegenheit übersenden. Ich bitte auch, wegen eines Kramfäßleins, wie in Herrn Walthers Schreiben erklärt, wenn es die Not erfordern würde, mir doch etwa Gelegenheit zu schaffen, damit es sicher sein könnte. Ich will es wieder verschulden.

Neues weiß ich Euch jetzt nicht zu schreiben, denn was vor acht Tagen geschehen war, wurde in Herrn Walthers Schreiben gemeldet. Allein, man sagt für ganz gewiß, es sollen eine große Menge der Ungarn nach Böhmen gekommen sein und nahe bei Pilsen lagern. Etliche sagen, sie sind schon vor Prag, aber wie dem sei, gibt die Erfahrung. Bei Pilsen ist ein großes Schlagen zwischen dem Bayerfürsten Buquoi und Dampierre mit den Königlichen geschehen. Und man sagt, es sei sehr viel Volk geblieben und der Feind habe zurückweichen müssen, denn er soll viel verloren haben. Bei uns ist jetzt nichts Neues, außer daß das Land und fast alle Städte, Dörfer und Flecken voll Kriegsvolk lagert und wir sehr bedrängt werden. Was folgen wird, gibt die Zeit. Babel brennt!

Uns sämtlich in die Liebe Jesu Christi empfehlend, J. B.

»Der Name des Herrn ist eine feste Burg.«

67. Sendbrief an Christian Bernhard, 11.11.1620

(Die Briefe 67-74 stammen aus der Ausgabe von 1730 und wurden dort speziell als Zugabe ausgewiesen. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung aus den Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

An Herrn Christian Bernhard, Zolleinnehmer zu Sagan, am Tag Martini 1620.

Die Kraft der Wunderlilien Gottes aus dem Brunnquell Jesu Christi sei unsere Erquickung!

67.1. Ehrenfester, wohlbenamter Herr und vertrauter Freund! Hiermit übersende ich Euch mit Melchior Specht ein Schreiben an Herrn Walther nebst drei Säcke, welche Herr Walther oder Herr Magister Weigel fordern lassen werden. Denn Herr M. Weigel wollte mir Korn darin schicken, wie Herr Walther berichtet. Wird es zu Euch geschickt werden, dann beherbergt mir es doch, bis Specht kommt. Dann laßt ihm das folgen, daß er es mir bringe. Das Schreiben an Herrn Walther wird er wohl befördern lassen. Oder, wenn ihr wißt, wo er wäre und zufällige Gelegenheit hättet, die verläßlich wäre, dann könnt Ihr es ihm mitschicken, und tätet mir und ihm einen Dienst.

67.2. Ich möchte auch gern wissen, wie es um Sagan und in der Niederlausitz wegen der Kriegsgefahr gehe. Am Tag Martini (11. November) ist der Markgraf mit allem Volk wieder in Görlitz angekommen und hat sich einquartiert, so daß fast alle Häuser voll sind, nachdem er drei Wochen in Lübben lagerte und nichts ausgerichtet hat, als daß sie letzten Freitag ein wenig miteinander vor Lübben gekämpft haben, da von den unseren zwei geblieben und etliche verwundet wurden. Und wie die Soldaten berichten, sind viele von den anderen Völkern totgeblieben. Das Gemetzel hat einen ganzen Tag gewährt.

67.3. Sonst ist nichts geschehen, außer daß sie einander oft auf der Streife angetroffen und ein wenig geschlagen haben. Aber das Land ist über die Hälfte verdorben und beraubt, und man weiß nicht, wie es gemeint ist oder was es werden wird. Unser Land wird bald fertig sein. Die Lager liegen bei Rackenitz nur eine Pflugwende voneinander entfernt und kämpfen alle Tage miteinander. Aber zu einer Schlacht will es nicht kommen.

67.4. Sonst streift man bis nach Raudnitz, drei Meilen von Leutenmeritz (Leitmeritz), und verdirbt und verheert das Land mit Rauben, Morden und Brennen, sowohl im Leutenmeritzer als auch im Saazer und Schlaner Kreis, und so ist das Böhmerland größtenteils im Grund verdorben, wie ich es selber gesehen habe, als ich vor acht Tagen oben war.

Ich empfehle Euch der Liebe Jesu Christi. Des Herrn dienstwilliger J. B.

P.S. Donnerstag nach Martini kam eine Zeitung, daß die Lager von Rackenitz auf Prag gerückt sind, wo unter den Stadtmauern und bis in die kleine Stadt (Stadtviertel von Prag) hinein und wieder heraus ein großes Gefecht war und eine sehr große Schlacht geschah, darin viel Volk geblieben ist, worauf die Lager wieder auseinandergezogen. Wo sie aber liegen, gibt ferner die Zeitung.

(Hinweis: Hier geht es vermutlich um die berühmte Schlacht am Weißen Berg am 8.11.1620, in welcher Friedrich V. seine kurze Herrschaft über wieder Böhmen verlor, so daß die „Rekatholisierung“ über ganz Böhmen kam und durch ihren Absolutismus fast die gesamte Gesellschaftsstruktur zerstörte, während sich die Oberlaussitz nach dem Friedensvertrag vom Februar 1621 unter sächsischer Führung auf protestantischem Weg langsam wieder erholte.)

77. Sendbrief an Christian Bernhard

(Die Briefe 75-79 gehören zu den bisher ungedruckten Sendbriefen aus dem zweiten Band der „Urschriften“ von Werner Buddecke. (Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979) Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit zeitlich einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung der Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Herrn Christian Bernhard, königlicher Zolleinnehmer zu Sagan.

Die Liebe Gottes mit und in uns allen!

Ehrenfester und wohlbenamter Herr! Euer Schreiben neben dem Gläsel Wein habe ich wohl empfangen und den Wein erstlich dem Kellerherrn angeboten. Der hat ihn nicht kaufen wollen, sondern nach dem Kosten gesagt, er tauge ihm nicht. Nachmals habe ich ihn den Marketendern (Händlern) angeboten. Die sagen, wenn er am Kauf ein wenig leichter (preiswerter) wäre, dann wollten sie ihn kaufen, und ich sollte ihn bringen lassen. Vielleicht kann es mit den Marketendern sein, doch auf ihre Reden baue ich nicht viel. Weil aber der Bier- und Weinschank jetzt bei uns überall frei ist, so daß ein jeder ausschenken kann, so teile ich Euch mit: Schickt mir nur den Wein, beide Viertel, mit Herrn Specht hierher, solange das (Kriegs-) Volk noch bei uns lagert. Und was ihr vielleicht am Kauf daran nachlassen könnt, meldet mir nur an. Ich will den Wein verkaufen oder selber ausschenken und Euch das Geld dafür zuschicken. Müßt Euch darum nicht sorgen, nur daß er gefahrfrei auf der Straße herkommen kann, und möglichst bald, denn jetzt lagert sehr viel Volk bei uns. Ich traue mich, ihn anzuwerben. Mit dem Fuhrmann werdet ihr Euch selber um den Fuhrlohn vergleichen und zahlen. Wenn das Volk wegkäme, dann könnte er nicht so leicht verkauft werden, wie jetzt. Doch jetzt wollte ich ihn erwerben. Allein am Kauf ist er zu hoch. Was ihr nachlassen könnt, meldet mir. Dazu meldet mir auch, wieviel Eimer und Kannen ein grumbergisches Viertel enthalte. Zu eurer Nachricht gebe ich Euch zur Antwort: Wegen der guten Zusage, im Notfall ein Fäßlein (Kramfäßlein zur Aufbewahrung wertvoller Sachen im Kriegsfall) zu beherbergen, das nehme ich mit hohem Dank an. Wollte Gott, wir bedürften es nicht!

Ansonsten gibt es jetzt nichts Neues, außer daß sie einander fast alle Tage auf der Streife angreifen. Der Markgraf hat fast alles (Kriegs-) Volk nahebei und in die Stadt Görlitz verlegt. Und man fürchtet, es wird bald in wenigen Tagen ein Angriff geschehen, denn bei uns wurde ein sehr großes Volk versammelt. Gestern kamen noch sieben Fähnlein Fußvolk in die Stadt und wurden einquartiert, und so liegen alle Häuser voll.

Hiermit göttlichem Schutz empfohlen!

Görlitz, Des Herrn dienstwilliger Jakob Böhme.

78. Sendbrief

Licht, Heil und ewige Kraft aus dem Brunnquell des Herzens Jesu Christi sei unsere Erquickung!

Ehrenfester und wohlbenamter Herr! Euch sind meine willigen Dienste jederzeit befohlen. Ich gebe Euch aber zu wissen, daß ich in den angekündigten Schriften etwas verhindert wurde, welche ich Euch zum Nachzuschreiben schicken wollte, denn sie sind bei einem Liebhaber derselben auch nachgeschrieben worden. Weil aber Herr Baltzer (Balthasar) Walther wieder im Land angekommen ist, hat er diese jetzt selbst unter der Feder. Doch wenn Euch beliebt, etwas davon zu haben und nachzuschreiben, dann soll Euch sobald wie möglich gedient werden.

Ich empfehle Euch dem göttlichen Schutz, Görlitz.

11. Sendbrief an Paul Kaym, 19.11.1620

An Herrn Paul Kaym, kaiserlicher Zolleinnehmer zu Liegnitz, vom 19. November 1620.

(Dieser Sendbrief ist auch der 2. Teil des Traktats „Unterricht von den letzten Zeiten (Informatorium Novissimorum)“.)

Unser Heil in Jesus Christus!

11.1. Ehrenfester und wohlbenamter Herr, in Christus geliebter Bruder! Euer jüngst an mich gerichtetes Schreiben habe ich empfangen und darin abermals Euer entzündetes Gemüt in Eurem vorhabenden und hart eingenommenen Studium vernommen, daneben auch die ängstliche Begierde nach dem Licht der wahren Erkenntnis, und dann zum Dritten, den großen Durst nach dem Brünnlein Christi, in welchem das Gemüt gelabt, besänftigt und befriedigt wird. Weil ich nun nicht weniger und auch ein Schuldner meiner Brüder in der Liebe Christi bin, so soll ich Euch in derselben Liebe dartun, was ich erkenne und mir gegeben ist, weil auch solches eure Begierde fordert.

11.2. Christus spricht: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir bleibt, der wird viele Früchte bringen, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.« Oder: »Wer in mir bleibt und meine Worte in ihm, der bringt viele Früchte. (Joh. 15.5,7)«

11.3. In diesem liegt der ganze Grund, und das ist die einzige Wurzel zu dem Brünnlein, daraus die göttliche Vernunft fließt. Kein anderer Grund ist zur wahren und rechten Erkenntnis in der Weisheit Gottes. Es hilft kein anderes Suchen, Studieren oder Forschen, denn ein jeder Geist erforscht nur seine eigene Tiefe und dasjenige, darin er sich entzündet. Und wenn er in seiner Entzündung forscht, dann findet er doch nicht mehr als der Dinge Abbild, gleich einem Schatten oder Traum. Das (wahre) Wesen kann er nicht schauen, denn wenn er das Wesen schauen will, dann muß er in dem Wesen sein, und das Wesen in ihm, damit er dessen fähig sei und in diesem Wesen selbst sehe.

11.4. Weil es aber nun geschah, daß wir in Adam der göttlichen Wesenheit abgestorben und gleichsam blind und fremd geworden sind, so ist kein Vermögen mehr in uns. Wir wissen in unserem Verstand nichts von Gott als nur die Historien, aber seine Kraft fühlen wir nicht und sein Licht sehen wir nicht. Es sei denn, daß wir umkehren und wie die Kinder werden, die nichts wissen und sich pflegen und regieren lassen. Und wie ein Kind auf seine Mutter sieht und sich nach ihr sehnt, die es auch ernährt und aufzieht, so muß der äußere Verstand ganz geblendet, niedergeschlagen und gedämpft werden, und die Begierde muß sich in Gottes Gnade und Liebe hineinwerfen, und das Gegenfechten des äußeren Verstandes nicht beachten, der da spricht: „Es ist nicht wahr! Gott ist fern, und du mußt ihn (gedanklich) ersinnen und nach seinem Willen forschen, wie er sich offenbart hat, denn so und nicht anders will er erkannt sein.“

11.5. So richtet der äußere gestirnte (gedankliche) Verstand, der auch die ganze Welt regiert, bis auf ein kleines Häuflein der Kinder Gottes. Doch Christus sprach: »Ihr müßt in mir bleiben, denn ohne mich könnt ihr nichts tun, nichts von Gott wissen, nichts Wahrhaftiges erforschen. Denn wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen. In mir werdet ihr viele Früchte bringen.« So wächst nun ein jeder Zweig aus seinem Baum und hat des Baumes Saft, Kraft und Eigenschaft und bringt auch die Früchte nach der Eigenschaft des Baumes.

11.6. Deshalb muß nun ein jeder, der da von Gott gelehrt sein und göttliche Erkenntnis haben will, in dem Baum stehen, dahinein uns Gott durch die Wiedergeburt gepflanzt hat, und er muß dieses Baumes Saft und Kraft haben, sonst bringt er fremde wilde Früchte, die nicht den Geschmack des guten Baumes haben. Wir müssen also ein Kind werden, das nichts versteht, sondern nur seine Mutter kennt und sich nach ihr sehnt. Wir müssen von der neuen Milch der Menschwerdung Christi trinken, damit wir seines Fleisches und Geistes teilhaftig werden. Seine Kraft und Saft muß unser Saft und Kraft werden. Und so müssen wir im göttlichen (ganzheitlichen) Essen und Trinken Gottes Kinder werden.

11.7. Nikodemus fragte: »Wie kann es geschehen, daß ein Mensch im Alter anders geboren werden kann? (Joh. 3.4)« Ja, lieber Nikodemus und lieber äußerlich irdischer Verstand, wie konnte es geschehen, daß Adam, der doch ein vollkommenes Bildnis Gottes war, in seiner Vollkommenheit verdarb und irdisch wurde? Geschah es nicht durch Imagination, so daß er seine Sucht und Lust in das äußere gestirnte und elementisch-irdische Reich hineinführte, darin er dann auch sogleich in seiner Begierde, Lust und Einbildung geschwängert und irdisch wurde, davon er in den Schlaf der äußeren Magie fiel?

11.8. Und so geschieht auch die Wiedergeburt. Durch Imagination und ernstliche Begierde werden wir wieder von der Gottheit schwanger und empfangen den neuen Leib im alten. Nicht mischt sich der neue mit dem alten, gleichwie das Gold im groben Stein etwas ganz anderes ist und auch einen anderen Geist und Tinktur hat als das Grobe im Stein. So ist auch der neue Mensch im alten. Der grobe Stein weiß nichts vom Gold, und so weiß auch der irdische Adam nichts vom göttlich-himmlischen Adam.

11.9. Darum ist der Streit im Menschen, und der Mensch ist sich selber widerwärtig. Der irdische Adam will sehen, fühlen und schmecken, aber er empfängt nur einen Strahl und ein Abbild vom inneren Menschen, der zwar zu Zeiten etwas schmeckt, aber nicht essentiell, sondern gleichwie das Sonnenlicht die traurige Finsternis verschlingt, so daß es scheint, als wäre keine Finsternis mehr da, und die Finsternis doch wahrhaftig im Licht verborgen bleibt, welches offenbar wird, wenn das Sonnenlicht weicht.

11.10. So verschlingt oft der neue Mensch in göttlicher Kraft den alten, so daß der alte meint, er habe die Gottheit ergriffen. Aber er ist darin seiner Essenz nicht fähig, sondern der Geist Gottes durchgeht den alten aus dem neuen, und wenn dieser wieder in sein Mysterium tritt, dann weiß der alte nicht wie ihm geschehen ist, sucht Wege zu Gott, forscht nach Gottes Vorsatz und Willen, aber findet nur Tand und Meinungen, eifert in seiner Meinung und weiß nicht, was er tut. Er findet die Wurzel nicht, denn er ist weder fähig noch würdig. Das beweist sein Sterben und Verwesen.

11.11. Aber der neue Mensch, welcher im ernsten Willen und Vorsatz durch Imagination entsteht, der bleibt in der Ruhe Christi in dem Baum stehen, den Gott der Vater durch seine Bewegung, als er sich zum zweiten Mal nach seinem Herzen bewegte (d.h. mit der Geburt und Menschwerdung seines Sohnes), in die menschliche Seele pflanzte, und grünt im Leben Gottes. Er wächst durch Kraft und Saft der Wesenheit Gottes in Gottes Liebe und empfängt göttliche Erkenntnis und Wissenschaft, nicht nach dem Maß des äußeren Willens, was der äußerliche Mensch wissen will, sondern nach dem Maß des inneren Himmels.

11.12. Der innere Himmel zündet den äußeren an, so daß die Vernunft das Äußere begreift und versteht. Denn mit der äußeren Welt hat sich Gott, der da ein Geist und auch ein Wesen ist, im Gleichnis offenbart, damit sich der Geist im Wesen schaue, und nicht allein das, sondern auch daß die Kreatur das Wesen Gottes in der Bildung schaue und erkenne. Denn Gottes Wesen kann keine Kreatur außer sich selbst schauen.

11.13. Nur der (göttliche) Geist schaut Gott im Wesen und im Glanz der Majestät, und das an sich selbst und seinesgleichen, denn Gott ist selbst der Geist aller Wesen, das heißt aber, der himmlischen. Wenn wir die göttliche Kreatur sehen, dann sehen wir ein Bild aus Gottes Wesen. Und wenn wir dessen Willen und Tun sehen, dann sehen wir Gottes Willen und Tun.

11.14. So ist auch der neue Mensch aus Gott geboren. Was der will und tut, das ist Gottes Wollen und Tun. Sein Wissen ist Gottes Wissen, denn ohne Gottes Geist wissen wir nichts von Gott. Das Äußere kann nicht das Innere schauen. Aber wenn das Innere das Äußere mit einem Blick in sich zieht dann ergreift das äußere des inneren Spiegel zu einer Andeutung, daß die äußere Welt aus der inneren entsteht und daß uns unsere Werke im Mysterium nachfolgen sollen und durch die Entscheidung des Gerichts Gottes durch das Feuer des Prinzips in das Ewige gestellt werden. Zu welchem Ende Gott die Engel und Menschen zu seiner Wundertat erschaffen hat, damit die Weisheit der göttlichen Kraft erscheine und daß sich Gott in Bildnissen der Kreaturen schaue und seine Freude in sich selbst mit dem Geschöpf aus seiner Weisheit habe.

11.15. Mein lieber Herr und Bruder, verzeiht mir, daß ich so scharf mit Euch rede. Doch Ihr beklagt Euch, daß Ihr die göttlichen Geheimnisse nicht allemal erfassen und behalten könnt, und beschreibt daneben, daß Ihr oft einen Blick dahinein erlangt, aber daß Euch meine Schriften schwer zu verstehen sind.

11.16. Ich will es Euch, nachdem ich von Gott Macht empfangen habe, dartun, wie das Wesen eurer Heimlichkeit sei, welches ihr bis jetzt selber nicht verstehen konntet.

11.17. Ihr meint und wollt es gern in einem stetigen (absoluten) Begriff erlangen. Doch dieser Wille gehört der äußeren Welt, die gern der Gottheit fähig sein und die Eitelkeit los sein wollte. Das kann aber nicht sein, sondern der Geist der äußeren Welt muß in stetiger Angst und im Suchen stehen, denn im Suchen findet er die Wunder seiner Magie als das Abbild der inneren Welt.

11.18. Denn Gott bewegt sich nicht immerfort, sondern das Sehnen und Ängsten der Kreatur bewegt das Mysterium, damit das Bild der göttlichen Weisheit gesucht und gefunden werde. Darum gebietet uns Christus zu suchen und anzuklopfen und verheißt uns ferner, das Perlein oder Kleinod (des göttlichen Samens) im Suchen zu geben. Die äußere Welt ist auch Gottes und aus Gott, und der Mensch ist darum in die äußere Welt geschaffen, daß er die äußere Bildung in die innere hineinführe, so daß er das Ende in den Anfang bringe.

11.19. Je mehr sich der Mensch nach Gott sehnt und nach ihm ächzt und strebt, desto mehr führt er aus dem Ende in den Anfang, nicht allein zu Gottes Wunder, sondern auch zu seinem Selbst-Bau. Denn das Zweiglein am Baum dürstet immer nach des Baumes Kraft und Saft und ängstet sich nach dem Baum und zieht diesen in sich, aber zieht sich damit selber groß, so daß es ein großer Ast am Baum wird. So zieht auch das ängstliche Suchen im menschlichen Mysterium das Reich Gottes in sich, davon Christus sagt: »Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, ziehen es zu sich.«

11.20. Denn eine Essenz, die nichts an sich zieht, kann keinen Leib großziehen, sondern verhungert selber. Wie man sieht, wie das Feuer der Kerze das Wachs in sich zieht und in sich verschlingt, aber aus dem Verschlingen das scheinende Licht gibt.

11.21. So ist es auch mit dem Menschen. Er wurde mit seiner ersten göttlichen Wesenheit (durch den Sündenfall) in die Finsternis des Todes eingeschlossen, und die hat Gott der Seele in Christus wieder aufgeschlossen. Nun ist die arme gefangene Seele dieses hungrige magische Feuer und zieht aus der Menschwerdung Christi diese aufgeschlossene Wesenheit Gottes wieder in sich, ißt also Gottes Wesen, schlingt es in sich, und gibt aus diesem Verschlingen oder Verzehren einen Leib des Lichtes, welcher der Gottheit ähnlich oder fähig ist. So wird die arme Seele mit einem Lichtleib bekleidet, gleichwie das Feuer der Kerze. Und in diesem Lichtleib findet sie Ruhe, aber in der Finsternis dieser Welt hat sie Angst.

11.22. Weil es aber nun so ist, daß sie sich mit Adam das irdische Bild angezogen hat, so muß sie dieses tragen, gleichwie das Feuer der Kerze aus der finsteren Kerze brennen muß. Wäre die Seele mit Adam in Gottes Wesen geblieben und hätte das irdische Bild nicht angezogen, dann müßte sie dieses nicht tragen. Nun trägt sie es aus Pflicht. Doch St. Paulus spricht: »Welchem ihr euch zu Knechten in Gehorsam gebt, dessen Knechte seid ihr, entweder der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam Gottes zur Gerechtigkeit. (Röm. 6.16)«

11.23. Hat die Seele das irdische Bild angezogen, welches nur Frucht zum Tod bewirkt, und sich der Sünde zum Knecht hingegeben, dann ist sie nun des Todes und der Sünde Knecht. Warum gelüstete sie nach einem fremden Herrn, der über sie herrscht? Wäre sie Kind geblieben und hätte sich nicht nach dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zugleich gelüsten lassen, dann hätte sie nicht beider Regimenter tragen müssen. Weil sie aber wie Gott in Liebe und Zorn nach beiden Prinzipien der Ewigkeit sein wollte, so trägt sie nun auch beide Bildnisse und deren Macht und muß das Feuerbrennen bis zum Tag der Entscheidung erdulden.

11.24. Darum heißt es ein Kreuztragen, denn wenn das magische Feuer entsteht, dann macht es in der Entzündung eine Kreuzgeburt, und so quetscht jeweils eine Gestaltung der Natur die andere, das heißt, eine ist der anderen widerwärtig, wie süß gegen sauer, herb gegen bitter oder das Feuer gegen alle.

11.25. Hätte die Seele den Lichtleib allein Herr sein lassen und nicht in das äußere Reich dieser Welt imaginiert, nämlich in den Geist der großen Welt und in die Sterne und Elemente, und sich nicht nach der irdischen Frucht gelüsten lassen, dann wäre der Grimm in ihr wie verschlungen gewesen und sie hätte ihn nicht gefühlt. Weil sie aber aus der Sanftmut des Lichtes und aus der Liebe Gottes ausgegangen war, so fühlt sie nun den Grimm der ewigen Natur.

11.26. Deshalb muß sie wieder zum Licht arbeiten, damit sie es wieder erreicht. Und darum steht das menschliche Leben in solcher Angst, in schmerzlichem Suchen und in steter Entbehrung (Abstinenz). Es begehrt immer wieder die göttliche Ruhe, aber wird vom Grimm der Natur gehalten.

11.27. Je mehr das Leben vom Grimm zu fliehen begehrt, desto heftiger wird der Streit im Leben, neben dem, was der Teufel in seinem Nest schürt und durch seine giftige Verwünschung und magische Einbildung und Einführung hineinführt. Er stellt der armen Seele immerfort das magische Bild der giftigen Schlange vor, damit sie dahinein imaginieren und sich in deren Gift entzünden soll, welches dann auch täglich geschieht. So wird das Feuer der Seele ein böses und giftig brennendes Schwefelfeuer.

11.28. Aber wenn die Seele von des Teufels Schlangenbildnis abgeht und den bösen irdischen Baum verwirft, das heißt Stolz, Geiz, Neid, Zorn und Falschheit, und sich nicht danach gelüsten läßt, sondern machte sich in dieser Bildung gleichsam wie tot oder wüßte nichts davon, und wirft die böse Lust selbst von sich und begehrt die Liebe Gottes, ergibt sich Gott aus Gehorsam in seinen Willen und Tun, so daß er ihr Wollen und Tun sei, dann finge das göttliche Licht in ihr zu scheinen an. Damit bekommt sie ein Auge des wahren Sehens, mit dem sie ihre eigene natürliche Gestaltung sehen kann. Dann tritt sie in die einfältige Demut. Sie will nichts, begehrt auch nichts, sondern wirft sich in den Schoß ihrer Mutter wie ein junges Kind, das nur seine Mutter begehrt und sich nach ihr sehnt. Alle Kunst, Klugheit und Vielwissen achtet sie nicht. Und wenn sie auch viel weiß, so erhebt sie sich doch nicht in das Wissen, sondern läßt den Geist ihrer Mutter das Wissen, Wollen und Tun in ihr sein.

11.29. Diesem edlen Seelenzweiglein, so sage ich nach meiner Erkenntnis, schießt der Teufel mit der Kraft des göttlichen Zornes stets nach der Wurzel, nämlich nach den Gestaltungen zum Feuerleben im ersten Prinzip, und will den edlen Zweig immerzu verderben. Er schießt seine bösen Giftstrahlen mit bösartiger Lust und Gedanken immerfort der Seele in ihr magisches Feuer und gibt dem Seelenfeuer fremde Materie zum Brennen, damit sie ja nicht zum scheinenden Licht kommen könne. So dämpft und wehrt er, damit sein Reich nicht erkannt werde. Dagegen wehrt sich das edle Zweiglein und will die grimmige finstere Qual nicht. So treibt es hervor und grünt als ein Zweig aus der wilden Erde, aber der Teufel schlägt immer weiter darauf ein.

11.30. Und darum, mein lieber Herr und Freund, ist ein solcher Streit im Menschen. Und darum sieht er zuweilen das göttliche Licht wie in einem Spiegel und bekommt auch bisweilen einen vollkommenen Anblick. Denn solange sich das Zweiglein der Seele des Teufels Gift erwehren kann, so lange hat sie das scheinende Licht. Denn wenn das magische Seelenfeuer göttlicher Wesenheit, das Gottes Leib ist, Christi Fleisch empfängt, dann geht augenblicklich der Heilige Geist wie ein Triumph in der Seele auf und aus. Wie er aus Gott dem Vater durch das Wort oder den Mund des Sohnes als aus dem Herzen der Heiligen Dreizahl aus dem göttlichen Wesen ausgeht, so auch aus dem Wesen des edlen Lilienzweigleins, das aus dem Seelenfeuer wächst, welches das wahre (überbildliche) Bild Gottes ist. Denn es ist der Seele neugeborener Geist, der Willen-Geist Gottes, des Heiligen Geistes Brautwagen, auf dem er in die Heilige Dreiheit (Ternarium Sanctum) der englischen Welt fährt. Und mit diesem genannten Zweiglein oder Bild sind wir in Christus jenseits dieser Welt in der englischen Welt, davon der alte Adam nichts weiß und es auch nicht kennt, wie der grobe Stein das Gold nicht kennt, das doch in ihm wächst.

Die Pforte der wahren Erkenntnis vom dreifachen Leben des Menschen

11.31. Der Mensch ist das wahre Gleichnis nach Gott, wie solches der teure Moses bezeugt, nicht allein ein irdisches Bild, um welches willen Gott nicht Mensch geworden wäre und sein Herz und Geist nach dem Fall darin vertieft und einvermählt hätte. Sondern er ist aus dem Wesen aller Wesen entstanden, aus allen drei Welten, als erstens aus der allerinnersten Naturwelt, welche auch das Alleräußerste ist und die Finster-Welt genannt wird, aus welcher das Prinzip der feurigen Natur entsteht, wie in meinem Buch „Vom dreifachen Leben“ erklärt wurde. Zum Zweiten ist er aus der Licht- oder englischen Welt aus Gottes wahrem Wesen. Und zum Dritten ist er aus dieser äußeren Sonnen-, Sternen- und elementischen Welt, also ein ganzheitliches Bild nach Gott aus dem Wesen aller Wesen.

11.32. Sein erstes Bildnis stand im Paradies in der englischen Welt. Aber er ließ sich nach der äußeren Welt gelüsten, als der Sternen- und Elemente-Welt. Und die hat das edle Bild des inneren Himmels in sich verschlungen und verdeckt, und herrscht nun im Ebenbild wie in seinem Eigentum. Darum heißt es: »Ihr müßt neu geboren werden, oder könnt das Reich Gottes nicht schauen.«

11.33. Und darum ist das Wort oder Herz Gottes in die menschliche Essenz eingegangen, damit wir mit unserer Seele wieder einen neuen Zweig oder ein Bild in der Kraft des Wortes oder Herzens Gottes aus unserer Seele gebären können, welcher dem ersten (ursprünglichen) ähnlich ist.

11.34. Und darum muß der alte Kadaver verfaulen und hinfallen, denn er ist zum Reich Gottes nicht tüchtig. Er führt nur sein Mysterium in seinen ersten Anfang, nämlich seine Wunder und Werke, und zwar als das magische Seelenfeuer in der Essenz des ersten Prinzips, welches unsterblich und unvergänglich ist. Und nicht nur dies, sondern er soll auch das Ende in den Anfang hineinführen und vereinigen. Denn die äußere Welt ist aus der inneren ausgeboren und in ein greifbares Wesen geschaffen worden. Und deren Wunder gehören wieder in den Anfang, denn sie sind in der Weisheit Gottes als in der göttlichen Magie seit Ewigkeit erkannt worden, wohl nicht im Wesen, aber im Spiegel der jungfräulichen Weisheit Gottes, aus welchem die ewige Natur immer seit Ewigkeit entsteht.

11.35. Und zu dem Ende (bzw. Ziel) steht die arme Seele in diesem Gefängnis des Sternen- und Elemente-Reichs, damit sie ein Arbeiter sein soll und die Wunder der äußeren Natur mit der Lichtwelt wieder einigen und in den Anfang hineinführen. Wenn sie sich nun auch quetschen und pressen lassen und viel leiden muß, so ist sie doch der Knecht im Weinberg Gottes, die den göttlichen Wein zurichtet, der in Gottes Reich getrunken wird. Sie ist die einige Ursache (der Vernunft und) des Verstandes, so daß die Begierde im Mysterium arbeitet und die verborgenen Wunder Gottes darstellt und hervorbringt, wie solches vor Augen ist, wie der Mensch alle Wunder der Natur erforscht und eröffnet.

11.36. Darum sollen wir uns nicht entsetzen, wenn das edle Bild oft verdeckt wird, so daß wir Erquickung und Trost nicht erlangen können, sondern wir sollen wissen, daß die arme Seele dazu in den Weinberg gestellt worden ist, damit sie arbeiten und die Frucht auf Gottes Tisch tragen soll. Ihr ist hier ein Zweig des Weinstocks oder eine wilde Rebe gegeben worden, und die soll sie zurichten, anbauen und in das göttlich-himmlische Mysterium einpflanzen, um es mit dem Reich Gottes zu einigen. Das ist so zu verstehen:

11.37. Gleichwie ein Bäumlein gepflanzt wird, das so lange arbeitet, bis es Äste und danach Frucht bring, so muß der Zweig der Seele, welcher zwar in einem finsteren Tal verdeckt steht, immer arbeiten, daß er zu einer Frucht komme. Das ist die edle und schöne Erkenntnis Gottes. Wenn diese in Ihm gewachsen ist, so daß die Seele Gott erkennt, dann gibt sie ihre schöne Frucht. Das sind die guten Lehren, Werke und Tugenden. Das führt zum Reich Gottes, hilft das Reich Gottes pflanzen und bauen, und das ist dann ein rechter Arbeiter in Christi Weinberg.

11.38. Und dies ist es, davon ich lehre, schreibe und rede, daß es in mir gewachsen ist, sonst wüßte ich nichts davon. Ich habe es nicht aus Historien zusammengerafft und Meinungen gemacht, wie es die Babel-Schule tut, wo man um Worte und Meinungen zankt. Ich habe durch Gottes Gnade selbst eigene Augen bekommen, und kann in mir selbst in Christi Weinberg arbeiten.

11.39. Ich sage es frei und öffentlich, daß alles, was aus Wahn und Meinungen zusammengeflickt wird, darin der Mensch nicht selbst göttliche Erkenntnis hat, darüber und daraus Schlüsse gemacht werden, das ist Babel, eine Hurerei. Denn kein Dünkel kann es tun, auch kein Wahn, sondern die Erkenntnis im Heiligen Geist.

11.40. Die Kinder Gottes haben gesprochen, vom Heiligen Geist getrieben. Sie haben viel und mancherlei Bäume gepflanzt, aber sie stehen alle auf einer Wurzel, und die ist der innere Himmel. Niemand kann diese finden, er stehe denn auch auf derselben Wurzel. (Es sind wohl mancherlei Gaben und Unterschied der Gaben, aber sie wachsen alle aus derselben Wurzel.) Darum kann sie der äußere Himmel nicht finden oder meistern, und so bleiben die Worte der heiligen Kinder Gottes dem irdischen Menschen ein verborgenes Mysterium. Und wenn sie meinen, sie verstehen sie, dann haben sie doch nicht mehr als einen Abglanz davon.

11.41. Wie man jetzt auch um Christi Worte, Lehre und Ehre zankt und um Gottes Willen streitet, wie man Gott dienen soll, da ihm doch nicht mit Meinungen gedient wird, sondern im Geist Christi und in der Wahrheit dient man Gott. Es liegt nicht daran, was einer für Zeremonien und Gebärden gebraucht. Ein jeder arbeitet in seinen Werken und Gaben aus seiner Konstellation und Eigenschaft, aber alle aus einem Geist getrieben und geführt, sonst wäre Gott endlich und meßbar, wenn die Gaben einerlei (und begrenzt) wären. Aber Er ist ein reines Wunder. Und wer Ihn ergreift, der geht in seinen Wundern einher.

11.42. Solches sage ich Euch treuherzig aus wahrhaft christlichem Eifer aus meinem Brünnlein der Gaben und Erkenntnis, und bitte und mahne, daß Ihr es mit rechtem Gemüt verstehen wollt, wie es gemeint ist. Ich spiele mich nicht auf, sondern rede brüderlich zu Eurem Gemüt, um Euch zu erwecken und dann zu trösten, daß ihr Euch das Joch Christi nicht zu schwer dünken laßt, wenn der äußere Mensch oft den inneren verdeckt, so daß die arme Seele um ihr Bildnis trauert, welches doch nur so in Trübsal geläutert und recht geboren wird.

11.43. Es geht mir und einem jeden Christen nicht anders. Laßt Euch das nicht wundern. Es ist wohl gut, wenn die arme Seele im Streit ist, viel besser, als wenn sie im Gefängnis ein Heuchler ist. Es steht geschrieben: »Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.« Wenn also der Kampf der Seele beginnt, so daß sie gern Gott schauen wollte und nicht allemal kann, dann wißt, daß sie um das edle Ritterkränzlein kämpft, davon der äußere Mensch nichts weiß. Ja, Gottes Geist kämpft in der natürlichen Seele um das Übernatürliche, damit er die Kreatur in Gott hineinführe.

11.44. Er will die Seele immer gern mit dem edlen Bildnis krönen, wenn ihm nur der blinde (oberflächliche) Verstand Raum gäbe und die (ganzheitliche) Vernunft mitarbeiten ließe. Denn arbeiten müssen wir, gegen den äußerlichen Verstand, auch gegen Fleisch und Blut, sowie gegen die Einwürfe des Teufels kämpfen, und diese immer zerbrechen und verwerfen, den bösen Gedanken und Einflüssen wehren und mächtig in Gottes Barmherzigkeit mit Beten zu ihm flehen und uns hineinwenden. Dann wird das edle Senfkorn gesät, welches, wenn es bewahrt wird, danach groß wie ein Baum wächst. Und auf diesem Baum wachsen dann die Früchte des Paradieses, davon die Seele ißt, wenn sie von Gottes Reich weissagen und reden will, wenn sie die göttliche Magie schaut, darin sie von Gottes Wundern spricht. Denn Gottes Wesen ist nicht so ein abteiliges (abgetrenntes) Wesen, das Ort oder Stelle bedürfte, sondern fliegt im Geist der Vernunft wie der Sonnenglanz in der Luft. Es schießt in das Bildnis wie ein Blitz, davon oft der ganze Leib entzündet und erleuchtet wird.

11.45. Darum wißt, daß wir hier in diesem Leben Arbeiter und keine Müßiggänger sind, denn die Geburt des Lebens ist ein steter Kampf und eine Arbeit. Je mehr wir in Gottes Weinberg arbeiten werden, desto mehr werden wir Früchte erlangen und ewig genießen, und gelangen zu unserem Selbst-Bau. Denn unsere Arbeit bleibt in unserem Mysterium zu Gottes Wunder und zu unserem Selbst ewigen Ruhm und Ehren bestehen, wie in meinen Schriften weitläufig erklärt wurde.

11.46. Bezüglich des Sabbats in dieser Welt, davon ihr geschrieben habt und noch in derselben Meinung seid, ist mir davon nichts zu erkennen gegeben, und ich weiß auch nicht, wie in diesem Qual-Haus der Sterne und Elemente ein vollkommenes Wesen sein könnte. Ich habe dessen keine Findung im Mysterium. Weil der erste Mensch nicht bestehen konnte, als der himmlische Regent in ihm herrschte, sondern vom Sternen- und äußeren Elemente-Reich überwältigt wurde, so müßte dieses eine Gefahr sein. Auch wenn man die Möglichkeit und Unmöglichkeit im Mysterium betrachtet, dann scheint es, als wollte im ängstlichen Spiegel des göttlichen Wesens kein Sabbat sein, denn der Teufel ist ein Fürst dieser Welt. Sollte er dann auch tausend Jahr in die finstere Welt gebunden sein, so herrschen doch die grimmigen Sterne in dieser Welt sowie Hitze und Kälte, und damit ist diese Welt nur ein Jammertal.

11.47. Sollte uns aber das Regiment der Sterne nicht erregen, dann wären wir nicht in dieser Welt, sondern im Paradies, und dort wird wohl kein Gottloser mehr gegen uns streiten oder uns sehen, denn im Paradies sind wir in Gott verschlungen (und vereint). So wenig, wie wir mit unseren irdischen Augen die Engel sehen, so wenig wird auch ein gottloser Mensch von dieser Welt einen neuen Menschen in Christus sehen.

11.48. Wenn wir nun den neuen Menschen in Christus erlangen, dann sind wir demselben nach schon im Sabbat und warten auf die Auflösung des bösartigen (gegensätzlichen) irdischen Lebens, denn wir sind samt Christus in Gott. Wir sind mit ihm in seinen Tod gepflanzt, sind in ihm vergraben und stehen mit dem neuen Menschen mit ihm aus dem Grab auf und leben ewig in seinem Wesen, das heißt, in seiner Leiblichkeit. Wir sind mit und in Christus in Gott, und Gott ist in uns. Wo wollen wir dann Sabbat halten? Nicht in dieser Welt, sondern in der englischen Welt, in der Lichtwelt.

11.49. Oder wenn (nach Ihrer Beschreibung) die Gottlosen in dieser Welt tausend Jahre gequält werden sollten, dann müßte ja dieser Ort in die finstere Welt entrückt sein. Denn in der Sonnenwelt ist noch keine höllische Marter. Aber wenn die Sonne weg wäre, dann wäre es wohl. Aber dann wären die Gottlosen noch weiter von den Gerechten geschieden, denn es wäre die Kluft eines Prinzips dazwischen.

11.50. So ist auch Gott kein Gott des Bösen, der da Rache oder Qual begehrte, daß er also die Gottlosen aus Rache (bereits) tausend Jahre vor dem Gericht quälen wollte. Der Gottlose quält sich selber in der Geburt seines Lebens. Eine Gestalt des Lebens feindet die andere an, und das wird wohl eine höllische Marter sein, an der Gott keine Schuld hat.

11.51. Er hat auch den Fall des Menschen noch nie gewollt, sondern die grimmige Natur hat ihn überwunden, und der Willen-Geist des Menschen, der da frei wie Gott selbst ist, hat sich selber willig in den Streit begeben, nämlich in der Meinung, selber zu herrschen.

11.52. Aus überheblichem Stolz (Hoffart) fiel der Teufel und auch der Mensch. Wären sie in der Demut geblieben, dann wäre Gott in ihnen. Sie sind selber beide von Gott ausgegangen. Trotzdem hat Gott des Menschen Bild so hoch geliebt, daß er aus Liebe selbst wieder in das Menschenbild eingegangen ist. Warum wollte er dann seine Qual begehren?

11.53. In Gott ist keine böse Begierde, aber sein Grimm, der die finstere Welt ist, ist eine Begierde des Bösen und Verderbens. Und die hat den Teufel und Menschen zu Fall gebracht: Den Teufel in die finstere Welt, und den Menschen in die äußere grimmige Natur. Und doch sind beide aneinander gebunden, welches man sehen und fühlen würde, wäre einmal die Sonne aus dieser Welt verschwunden.

11.54. Darum sage ich auch: Der Gerechte hält Sabbat im Schoß Abrahams, in der Ruhe Christi, denn Christus hat uns den grimmigen Tod zerbrochen, der uns gefangenhielt. Er hat das Leben aufgeschlossen, so daß wir in einem neuen Menschen in ihm grünen, blühen und ruhen können. Aber der alte Sternen- und Elemente-Mensch muß in seinem eigenen Regiment bleiben, in seinem Qual-Haus, bis er der Erde gegeben wird. Dann tritt alles wieder in sein Mysterium, und die Seele bleibt in ihrem Prinzip bis zum Gericht Gottes, wenn sich Gott noch einmal bewegen und das Mysterium anzünden wird. Dann scheidet sich ein jedes Ding selber in seine Eigenschaft, und eine jede Welt wird das Ihre einernten, sei es gut oder böse. Es wird sich scheiden wie Licht und Finsternis.

11.55. Ich bitte Euch demnach ganz brüderlich und christlich: Seht zu, daß ihr den Sabbat in der Ruhe Christi ergreift und Euch nicht durch des Geistes Entzündung bewegen laßt. Forscht aber weiter im Licht der Natur, ob ihr das ergründen könnt. Wenn ihr das im Licht der ewigen Natur ergründen und erreichen könnt, dann könnt ihr wohl fortfahren. Aber stellt es uns auch dar, damit wir es sehen, sonst kann unser Gemüt nicht darauf ruhen, es finde denn den Grund.

11.56. Es läßt sich auch mit Schriften (aus der Bibel) nicht begründen, die vielleicht dazu herangezogen werden könnten. Sie geben auch ein Gegenspiel und können wohl anders gedeutet werden. Und wenn sich mein Gemüt nicht in die Liebe und Ruhe Christi hineingewandt hätte, dann könnte ich es Euch nach Art der jetzigen Zank-Welt beweisen.

11.57. Doch die Apokalypse („Offenbarung“) ist geistig und steckt im Mysterium. Und das erfordert ein hocherleuchtetes Gemüt mit Vernunft, das die Macht hat, in das Mysterium Gottes einzugreifen. Es spricht magisch, und es gehört auch ein magischer Verstand dazu. Doch auf diese Weise finde ich den magischen Begriff nicht (in eurem Buch), denn es ist ein historischer Begriff.

11.58. Wer Magie himmlisch ergreifen will, der muß die himmlischen Bildungen in Gestalt des inneren Himmels als das Zentrum oder den Lebenskreis erkennen, daraus alle Wesen entstehen und diese Welt geboren ist. Hat er aber diesen magischen Führer nicht in sich, dann lasse er die himmlischen Bildungen stehen, oder die große Verwirrung hat dann Gewalt, daß sie ihn aus der göttlichen Magie ausspeie.

11.59. Der Evangelist Johannes, oder wer die Apokalypse geschrieben hat, hat die Bildungen der Magie Gottes erkannt. Obwohl er selbst erklärt, er wurde hineingeführt und es sei ihm gezeigt worden, sind diese Bildungen dennoch in der göttlichen Magie stehengeblieben. Und wenn sie auch selbst offenbar werden, so gehört doch ein solcher Magier dazu, der den Kern aller Schätze (Thesaurinellam) versteht. Er muß alle drei Prinzipien mit ihren Bildungen verstehen. Dann hat er die Macht, sonst fällt seine Arbeit der Verwirrung anheim. Das sage ich ganz wohlmeinend.

11.60. Wenn es Euch gefällt, dann lest mein Buch »Vom dreifachen Leben« recht. Dort werdet ihr die Wurzel der Magie finden. Obwohl noch andere, viel tiefere vorhanden sind, so wollte ich doch, daß ihr dieses verstehen könntet, denn es hat Grund genug. Ihr könntet die anderen sonst nicht begreifen.

11.61. Gefällt Euch dann weiter zu forschen, dann könnt ihr sie gar wohl erlangen. Allein es muß Ernst sein, sonst bleibt es auch stumm. Denn der Grund derselben ist hoch magisch, wie das erleuchtete Gemüt wohl finden wird, wenn es sich dahinein vertieft. Die Apokalypse ist darin leicht zu verstehen. Und auf keine andere Art wird sie ganz verstanden werden, als durch das Mysterium Gottes. Wer sich in das vertiefen kann, der findet alles, was er erforscht.

11.62. Demnach wollte ich gern, daß ihr Eure Begeisterung prüft, so daß ihr den Führer von der inneren Welt erkennen könnt, und dann auch den Führer von der äußeren Welt, so daß Euch die magische Schule beider Welten erkenntlich sei. Dann wäre das edle Gemüt vom Wahn frei. Denn im Wahn ist keine Vollkommenheit. Der Geist muß des Mysteriums fähig sein, so daß Gottes Geist in seinem Sehen der Führer ist, sonst steht er nur im äußeren Mysterium als im äußeren Himmel des Gestirns, welcher auch oft das menschliche Gemüt heftig entzündet und treibt. Aber er hat nicht die göttliche (ganzheitliche) magische Schule, welche nur in einem reinen, einfältigen und kindlichen Gemüt steht.

11.63. Der äußere Führer arbeitet und erleuchtet nur in einem Spiegel. Aber der innere erleuchtet im Wesen, welches er nicht tun kann, wenn ihn Gottes Geist nicht führt. Darum steht jener wohl bei Gott, den die himmlische Schule ergreift, und dieser wird ein Magier ohne sein hartes Laufen. Und wenn es auch ist, daß er hart laufen muß, so ist er aber von Gott ergriffen und wird vom Heiligen Geist getrieben.

11.64. Darum soll sich ein Mensch prüfen, von welchem Führer er ergriffen ist. Findet er, daß er in seinem Sehen das göttliche Licht scheinend hat und ihn sein Führer auf dem Weg der Wahrheit zur Liebe und Gerechtigkeit in die himmlische Schule führt, so daß er sein Gemüt mit göttlicher Gewißheit versichert und bestätigt, dann kann er fortfahren. Wenn er aber im Wahn und Zweifel und doch im feurigen Trieb ist, dann ist es der Führer von dieser Welt. Und der soll an seinem vorhabenden Willen geprüft werden, ob er Gottes oder seine eigene Ehre und Ruhm suche, ob er sich freiwillig unter das Kreuz werfe und nur begehre, in Christi Weinberg zu arbeiten, und seinen Nächsten suche (und diene), ob er also Gott oder Brot suche. Dementsprechend soll ihn die Vernunft beurteilen und freilassen oder verwerfen und zähmen, wie es die Not erfordert.

11.65. Solches habe ich Euch zu einer christlichen Ermahnung brüderlich nicht verbergen sollen, und bitte, Ihr wollt es nicht anders annehmen als wohlmeinend, wie denn solches meine Pflicht erfordert, zumal ich in Christus auf Euer Begehren in eurem ängstlich suchenden Gemüt euer Schuldner bin wie ein Körperglied dem anderen.

11.66. Was dann ferner Eurem Gemüt annehmlich sei, will ich Euch, soviel mir Gott verleiht, nicht verbergen, und Euch nun in die Liebe Jesu Christi empfehlen.

Gegeben am Donnerstag, am 8. Tag nach Martini (Martinstag),
Des Herrn dienstwilliger J. B.

»Der Name des Herrn ist eine feste Burg, der Gerechte läuft dahin und wird erhöht.«

12. Sendbrief an Kaspar Lindner, 10.5.1621

An Herrn Kaspar Lindner, Zöllner zu Beuthen, vom 10. Mai 1621.

(Jakob Böhme zeigte sich immer wieder beglückt, wenn er sah, daß sich nicht nur Unbekannte bei ihm meldeten, weil seine Schriften ihr Interesse geweckt hatten, sondern vor allem, wenn er merkte, daß Suchende in die Mysterien der Gottesweisheit eingeführt werden wollten. Der Beuthener Zöllner Kaspar Lindner ist ein solcher Sucher. Böhme pflegte ernstliches Suchen mit rückhaltloser Offenheit über sich und sein Tun zu vergelten. Der 12. Sendbrief kann als Musterbeispiel dafür gelten… - Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979)

12.1. Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung und führe uns in sich hinein, damit wir in seiner Kraft leben, uns in ihm erfreuen, lieben, erkennen und in Einen Willen treten!

12.2. Ehrenfester und wohlweiser Herr, in der Liebe und Menschheit Jesu Christi geliebter Freund! Neben dem herzlichen Wunsch von Gott zur Wohlfahrt von Leib und Seele in unserem Emanuel (Christus) gebe ich Euch zu wissen, daß ich eure Briefe empfangen und darin erkannt habe, wie der Herr nicht allein ein Sucher und Liebhaber des göttlichen Mysteriums ist, sondern auch überall entsprechenden Schriften fleißig nachforscht.

12.3. Welches mich meinerseits hoch erfreut, daß Gott seine Kinder so zieht und führt, wie auch geschrieben steht: »Welche der Geist treibt, die sind Gottes Kinder. (Röm. 8.14)« Und wie sich ein Ast am Baum des anderen erfreut und ihm seinen Saft und Kraft gibt, so sind auch die Kinder Gottes in ihrem Baum Jesus Christus. Welches meine einfältige Person hoch erfreut, daß uns Gott in seinem Brunnquell als einfältige Kinder zu sich wie zu den Brüsten unserer wahren Mutter zieht, so daß wir uns nach ihm sehnen wie ein Kind nach seiner Mutter.

12.4. Mein geliebter Herr und Bruder in der Liebe Christi, weil ich nun verspüre, daß ihr einen Durst nach dem offenen Brünnlein Christi tragt und nach der Wohlfahrt eurer Brüder fragt und euch in ihnen wie ein Zweig im Baum zu sättigen begehrt, so ist mir solches lieb, meinen Saft und Geist in meiner mir von Gott gegebenen Erkenntnis meinen Brüdern und Gliedern als meinen Mitästen im Baum Jesu Christi mitzuteilen und mich in ihnen zu erfreuen als in ihrem Saft, Kraft und Geist. Denn solches ist meiner Seele eine angenehme Speise, wenn ich vernehme, wie meine Mitäste und Glieder im Paradies Gottes grünen.

12.5. Ich soll Euch aber nicht den einfältigen Kinderweg verbergen, den ich in Christus wandle. Denn ich kann von mir nicht anders schreiben als von einem Kind, das nichts weiß und versteht, auch niemals etwas gelernt hat, als nur das, was der Herr in mir nach dem Maß wissen will, wie er sich in mir offenbart.

12.6. Denn vom göttlichen Mysterium etwas zu wissen, habe ich niemals begehrt, viel weniger verstanden, wie ich es suchen oder finden könnte. Und ich wußte auch nichts davon, wie der Laien Art in ihrer Einfalt ist. Ich suchte allein das Herz Jesu Christi, um mich darin vor dem grimmigen Zorn Gottes und den Angriffen des Teufels zu verbergen, und bat Gott ernstlich um seinen Heiligen Geist und Gnade, daß er mich in sich segnen und führen wollte und das von mir nehmen, was mich von ihm abwendete, um mich ihm gänzlich zu ergeben, damit ich nicht nach meinem, sondern seinem Willen lebte und er allein mich führte und ich sein Kind in seinem Sohn Jesus Christus sein könnte.

12.7. In solchem meinem sehr ernstlichen Suchen und Begehren, darin ich heftige Anstöße erlitten habe, mich aber eher des Lebens verwegen als davon ausgehen und ablassen wollte, ist mir die Pforte eröffnet worden, darin ich in einer Viertelstunde mehr gesehen und gewußt habe, als wenn ich viele Jahre auf hohen Schulen gewesen wäre. Dessen ich mich hoch verwunderte, denn ich wußte nicht, wie mir geschah, und darüber wendete ich mein Herz in das Lob Gottes.

12.8. Denn ich sah und erkannte das Wesen aller Wesen, den Grund und Ungrund, oder die Geburt der Heiligen Dreifaltigkeit, das Herkommen und den Ursprung dieser Welt und aller Kreaturen durch die göttliche Weisheit. Ich erkannte und sah in mir selbst alle drei Welten, nämlich erstens die göttliche englische oder paradiesische, zweitens die finstere Welt als den Ursprung der Natur zum Feuer, und zum Dritten diese äußere sichtbare Welt als ein Geschöpf und Ausgeburt oder als ein ausgesprochenes Wesen aus den beiden inneren geistigen Welten. Ich sah und erkannte das ganze Wesen im Bösen und Guten, wie eines vom anderen entsteht und wie die Mutter der Gebärerin wäre, so daß ich mich nicht allein hoch verwunderte, sondern auch erfreute.

12.9. Und so fiel damals stark in mein Gemüt, mir solches als eine Erinnerung aufzuschreiben, obwohl ich es in meinem äußeren Menschen nur schwerlich begreifen und in die Feder bringen konnte. Ich mußte erst anfangen, in diesem sehr großen Geheimnis zu arbeiten, wie ein Kind, das zur Schule geht. Im Inneren sah ich es wohl wie in einer großen Tiefe, denn ich sah hindurch wie in ein Chaos, darin alles liegt, aber seine Auswicklung war mir unmöglich.

12.10. Es eröffnete sich aber von Zeit zu Zeit in mir wie ein Gewächs, wiewohl ich zwölf Jahre damit umging und dessen in mir schwanger war und einen heftigen Trieb in mir empfand, bevor ich es ins Äußere bringen konnte, so daß es mich dann wie ein Platzregen überfiel. Und was der trifft, das trifft er. So ging es mir auch, und was ich ergreifen konnte, um es ins Äußere zu bringen, das schrieb ich auf.

12.11. Wiewohl mir die Sonne danach lange Zeit geschienen hat, aber nicht immer beharrlich. Und wenn sich diese verborgen hatte, dann habe ich auch meine eigene Arbeit kaum noch verstanden, und solches darum, damit der Mensch erkenne, daß das Wissen nicht sein, sondern Gottes sei, daß Gott in der Seele des Menschen wisse, was und wie er will.

12.12. Solche meine Schriften gedachte ich, mein Leben lang bei mir zu behalten und keinem Menschen zu geben. Aber es fügte sich nach Schickung des Höchsten, daß ich einem Menschen etwas davon anvertraute, durch welchen es ohne mein Vorwissen offenbar wurde, darauf mir das erste Buch (der Aurora) entzogen wurde. Und weil darin gar wunderliche Sachen eröffnet wurden, die dem menschlichen Gemüt nicht sogleich begreiflich waren, habe ich darum von den Verstandes-Weisen viel ausstehen müssen.

12.13. Und ich sah auch dieses erste Buch über drei Jahre nicht wieder und vermeinte, es wäre längst tot und dahin, bis mir Abschriften von gelehrten Leuten zugeschickt wurden, die mich ermahnten, mein Talent zu offenbaren, welches der äußere Verstand niemals tun wollte, auch weil er bereits so viel erleiden mußte. So war der Verstand sehr schwach und zaghaft, auch weil mir zugleich das Gnadenlicht eine ziemlich lange Zeit entzogen wurde und nur wie ein verborgenes Feuer in mir glomm, so daß nichts als Angst in mir war, von außen Spott und von innen ein feuriger Trieb. Und ich konnte es doch nicht ergreifen, bis mir der Höchste mit seinem Odem (Lebensatem) wieder zu Hilfe kam und ein neues Leben in mir erweckte. Damit erlangte ich einen besseren Stil zu schreiben und auch eine tiefere und gründlichere Erkenntnis, und konnte alles besser in das Äußere bringen, wie es dann das Buch »Vom dreifachen Leben« durch die drei Prinzipien ausweist und der göttliche Liebhaber sehen wird, wenn ihm sein Herz aufgetan werden kann.

12.14. So habe ich nun geschrieben, nicht von Menschenlehre oder Wissenschaft aus Bücherlernen, sondern aus meinem eigenen Buch, das in mir eröffnet wurde. Denn das edle Gleichnis Gottes, das Buch des edlen Bildnisses (d.h. vom Ebenbild Gottes) war mir vergönnt zu lesen, und darin habe ich mein Studieren gefunden wie ein Kind im Haus seiner Mutter, das da sieht, was der Vater macht und diesen in seinem Kinderspiel nachspielt. Ich brauche kein anderes Buch dazu.

12.15. Mein Buch hat nur drei Blätter, und das sind die drei Prinzipien der Ewigkeit. Darin kann ich alles finden, was Moses und die Propheten sowie Christus und die Apostel gesprochen haben. Ich kann der Welt Grund und alle Heimlichkeit darin finden. Doch nicht ich, sondern der Geist des Herrn tut es nach dem Maß, wie er will.

12.16. Denn ich habe viele hundertmal zu Ihm gefleht: Wenn mein Wissen nicht zu seinen Ehren und meinen Brüdern zur Besserung dienen kann, dann wolle er solches von mir nehmen und mich nur in seiner Liebe erhalten. Aber ich habe empfunden, daß ich mit meinem Flehen das Feuer in mir nur heftiger entzündet hatte. Und in solchem Entzünden und Erkennen habe ich meine Schriften gemacht.

12.17. Ich habe aber damit nicht beabsichtigt, bei solchen Leuten, wie ich jetzt sehe, bekannt zu werden. Ich vermeinte noch immer, ich schriebe für mich, obwohl der Geist Gottes in der Verborgenheit in meinem Geist solches genugsam zeigte, zu welchem Ende (bzw. Ziel) es wäre. Doch der äußere Verstand war immer noch in der Gegensätzlichkeit wie zu Zeiten, als der Morgenstern aufging. Da wurde zwar der Verstand mit entzündet und tanzte mit, als hätte er es begriffen, aber er ist weit davon entfernt.

12.18. Denn Gott wohnt im edlen (heiligen bzw. ganzheitlichen) Bildnis und nicht im Geist der Sterne und Elemente. Er besitzt nichts als nur sich selbst in seinesgleichen. Und wenn er auch etwas besitzt, wie er auch alles besitzt, so ergreift ihn doch nichts als nur das, was von ihm entsprungen und hergekommen ist, nämlich die Seele in der Gleichheit Gottes.

12.19. Darum ist mein ganzes Schreiben wie das eines Schülers, der zur Schule geht. Gott hat meine Seele in eine wunderliche Schule geführt, und ich kann mir in Wahrheit nichts anmaßen, so daß meine Ichheit etwas wäre oder verstände.

12.20. Es soll keiner höher von mir denken, als er hier sieht. Denn das Werk in meiner Arbeit ist nicht mein. Ich habe es nur nach dem Maß, wie es mir vom Herrn vergönnt wird. Ich bin nur sein Werkzeug, mit dem er tut, was er will. Solches gebe ich Euch, mein geliebter Herr, zur Nachricht, damit nicht jemand einen anderen bei mir suche, der ich nicht bin, wie einen von Kunst und hohem Verstand, sondern ich lebe in Schwachheit und Kindheit in der Einfalt Christi, in seinem mir gegebenen Kinderwerk. Darin habe ich mein Spiel, und das ist mein Zeitvertreib. Darin habe ich meine Freude wie in einem Lustgarten, in dem viele edle Blumen stehen. Mit denen will ich mich dieweil erfreuen, bis ich wiederum die Paradiesblumen im neuen Menschen erlangen werde.

12.21. Weil ich aber sehe und bemerke, daß Ihr, mein lieber Herr und Freund, auch auf diesem Weg seid und sucht, so beschreibe ich Euch meinen Kinderweg mit Fleiß. Denn ich verstehe, daß ihr Euch mancherlei Schriften bedient von welchen ihr ein Urteil von mir begehrt, welches Euch als meinem Mitbruder auch widerfahren soll, soweit es mir Gott zu erkennen gegeben hat, aber solches nur kurz und summarisch. In meinem Buch „Vom dreifachen Leben“ findet Ihr es weitläufig nach allen Umständen.

12.22. Ich gebe Euch demnach zur Antwort, daß der eigene Verstand, der ohne Gottes Geist nur bloß vom Buchstaben gelehrt ist, alles tadelt und verachtet, was nicht schnurgerade mit dem Gesetz der hohen Schule übereinstimmt. Das wundert mich aber nicht, denn er ist von außen, und Gottes Geist von innen. Er ist Gut und Böse, fährt dahin wie ein Wind und läßt sich wägen und treiben. Er achtet auf Menschenurteil, und was das hohe Ansehen dieser Welt richtet, danach richtet er auch. Er erkennt nicht den Sinn des Herrn, denn er ist nicht in ihm. Sein Verständnis ist vom Gestirn und ist nur ein Spiegel gegenüber der göttlichen Weisheit.

12.23. Wer könnte die göttlichen Sachen richten, wenn nicht der Geist des Herrn in ihm ist? Nur der Geist des Herrn kann alle Dinge prüfen und richten, denn ihm allein ist alles bewußt und offenbar. Der Verstand aber richtet von außen, und so richtet jeweils ein Verstand nach dem anderen: Der Kleine nach dem Großen, der Laie nach dem Doktor, und keiner ergreift die Wahrheit und des Herrn Sinn, außer der Geist Gottes, welcher im Menschen richtet und niemandes Person ansieht, denn der Laie ist ihm wie der Doktor.

12.24. Daß aber die Kinder Gottes so mancherlei Gaben zum Schreiben, Reden und Richten haben und nicht alle einen Stil führen, daraus der eigenwillige Verstand danach das seine heraussaugt und eine Babel macht, aus der so viele Meinungen entstanden sind, daß man aus ihren Schriften die Meinungen und Wege zu Gott erdichtet hat, welche Wege man gehen sollte, und ein solcher Zank daraus entstanden ist, daß jetzt der Mensch nur noch auf den Streit sieht, welcher den anderen mit Buchstabenwechseln überwindet: Das ist alles Babel, eine Mutter der geistigen Hurerei, darin der Verstand nicht zur Tür Christi durch Christi Geist in die Gelassenheit eindringt, sondern er dringt aus sich selber, aus eigener Macht und überheblichem Stolz in einen anderen Menschen und will gern immer das schönste Kind im Haus sein. Man solle ihn also ehren und anbeten.

12.25. Die Kinder Gottes haben mancherlei Gaben nach der Regel des Apostels: »Gott gibt einem jeden auszusprechen, wieviel er will.« Die Gaben der Menschen geschehen alle nach dem unerforschlichen Willen Gottes und quellen alle aus einer Wurzel, welche die Mutter der drei Prinzipien ist. Wie der seelische Geist eines jeden in der Mutter konstelliert wird, so ist auch seine Offenbarung und Erkenntnis.

12.26. Denn Gott führt keinen neuen oder fremden Geist in uns, sondern er eröffnet mit seinem Geist unseren Geist als das Verborgene der Weisheit Gottes, welche in jedem Menschen liegt, nach dem Maß und auf die Art seiner innerlich verborgenen Konstellation. Denn Christus sprach: »Mein Vater wirkt, und ich wirke auch. (Joh. 5.17)« So wirkt nun der Vater in der Essenz der seelischen Eigenschaft, und der Sohn in der Essenz des Ebenbildes Gottes, nämlich in der göttlichen Gleichheit.

12.27. Die seelische Eigenschaft gehört dem Vater, denn Christus sprach: »Vater, die Menschen waren dein, und du hast sie mir gegeben, und ich gebe ihnen das ewige Leben. (Joh. 17.6)« Wenn aber die seelische Eigenschaft seit Ewigkeit aus dem Vater ist, so hat er auch seit Ewigkeit darin gewirkt und wirkt noch bis in die Ewigkeit in diesem Bildnis zum Licht oder zur Finsternis, wohin sich der Wille der seelischen Eigenschaft neigt.

12.28. Weil nun des Vaters Eigenschaft unermeßlich ist und er die Weisheit selbst wirkt und auch alle Dinge durch seine Weisheit entstehen, so sind auch die Seelen vielfältig konstelliert, wohl aus einer Essenz entstanden, aber die Wirkung ist vielfältig, alles nach Gottes Weisheit. So eröffnet nun der Geist Christi einer jeden Seele ihre Eigenschaft, so daß eine jede aus ihrer Eigenschaft von den Wundern in der Weisheit Gottes spricht.

12.29. Denn Gottes Geist macht nichts Neues im Menschen, sondern er spricht von den Wundern in der Weisheit Gottes aus dem Menschen. Und solches nicht allein aus der ewigen, sondern auch aus der äußeren Konstellation, also durch den Geist der äußeren Welt. Er öffnet (bzw. offenbart) im Menschen die innere seelische Konstellation, so daß er weissagen muß, was der äußere Himmel wirkt. Oder: Er muß durch die große Verwirrung (Turbam magnam) sprechen, wie die Propheten oft gesprochen und dem Volk die Strafe angedeutet haben, welche ihnen durch die große Verwirrung wegen ihrer Sünde aus Gottes Verhängnis widerfahren sollte.

12.30. So spricht nun der Geist Gottes oft etwas: Zum einem durch die innere ewige Konstellation der Seele von ewiger Strafe oder Belohnung, und zum anderen durch die äußere Konstellation von Glück und Unglück dieser Welt, vom Aufsteigen aller Macht und auch der Zerbrechung von Land und Städten sowie von wunderlicher Veränderung der Welt.

12.31. Und weil es so ist, daß der Geist der äußeren Welt oft auch sein Spiel im Menschen vollbringt und sich aus seiner eigenen Macht im menschlichen Geist einflicht und seine wunderliche Bildung andeutet, wenn er bei denen Raum hat, welche nur im Verstand in stolzem Eigenwillen laufen, daraus oft falsche Propheten entstehen: Darum sage ich nun, daß ein jeder aus seiner Konstellation spricht, einer durch die Offenbarung des Geistes Gottes wahrhaftig, und der andere durch die Eröffnung des äußeren Sternengeistes ungewiß, jedoch aus derselben Konstellation. Wer aber aus eines anderen Mund vom Geheimnis spricht und ohne eigene Erkenntnis richtet, das ist Babel und Wahn, ein Ding, welches das Herz nicht erfährt, ob es wahr sei.

12.32. Und ich sage ferner, daß all die teuren von Gott erleuchteten Männer, deren Schriften ihr teils in den Händen haben mögt, aus ihrer Erfahrung gesprochen haben, ein jeder nach seinem Begriff. Das Zentrum aber ist die Seele, das Licht ist Gott, und die Offenbarung geschieht durch Eröffnung des göttlichen Geistes entsprechend der Seelenkonstellation.

12.33. So haben auch vom Anfang der Welt her alle Propheten von Christus geweissagt, einer so, der andere anders. Sie haben nicht alle einerlei Rede in einerlei Form geführt, sondern ein jeder, wie ihm der Geist Gottes in seiner seelischen ewigen Konstellation eröffnet hat, aber alle haben aus einem Zentrum gesprochen. So geschieht es noch heute. Die Kinder Gottes sprechen alle aus der Eröffnung des Geistes Christi, welcher Gottes ist, ein jeder nach seinem Begriff. Deswegen will ich Euch freundlich erinnert haben, Euch nicht am Verstandes-Geschwätz und stolzen Gericht zu stoßen und deswegen jemandes Gaben zu verachten, denn wer solches tut, der verachtet den Geist Gottes.

12.34. Die angedeuteten Autoren, über welche ihr ein Gutachten von mir begehrt, habe ich nicht alle, sondern nur zum Teil gelesen. Ich begehre sie nicht zu richten, das sei fern von mir. Auch wenn sie nicht alle einen Stil zu schreiben gehabt haben, denn die Erkenntnis ist vielfältig. So steht es mir aber aus meinen Gaben zu, ihre Herzen und Willen zu prüfen. Und wenn ich finde, daß ihre Herzen und der Geist aus einem Zentrum als aus Christi Geist entsprießen, dann lasse ich mir am Zentrum genügen und befehle das Aussprechen der höchsten Zunge, als dem Geist der Weisheit Gottes, der sich durch die Weisheit einem jeden nach dem Maß eröffnet, wie er will.

12.35. Ich richte niemand, denn das Verdammen ist ein falsches Geschwätz. Der Geist Gottes richtet selbst alle Dinge. Ist dieser in uns, was fragen wir dann lange nach dem Geschwätz? Ich erfreue mich vielmehr der Gaben meiner Brüder. Ist es aber, daß sie eine andere Gabe auszusprechen hatten als ich, soll ich sie darum richten?

12.36. Spricht denn auch ein Kraut, eine Blume oder ein Baum zum anderen „Du bist sauer und dunkel, ich mag nicht neben dir stehen!“? Haben sie nicht alle eine Mutter, aus der sie wachsen? So wachsen auch alle Seelen aus Einer, und alle Menschen aus Einem. Warum rühmen wir uns als Kinder Gottes, wenn wir doch unverständiger als die Blumen und das Kraut auf dem Feld sind? Ist es nicht auch so mit uns, daß Gott seine Weisheit in uns offenbart, gleichwie er die Tinktur der Verborgenheit in der Erde durch die Erde mit schönen Gewächsen offenbart? Wer aber auf gottlosem Weg richtet und verdammt und nur in überheblichem Stolz läuft, um sich sehen zu lassen, der ist ein Treiber zu Babel und ein drehendes Rad, das nur Zank entfacht.

12.37. Die wahre Prüfung der Kinder Gottes ist diese, der man sicher nachfolgen kann: Ein demütiges Herz, das sich nicht selber sucht noch ehrt, sondern immerfort seinen Bruder in der Liebe sucht, das nicht Eigennutz und Ehre sucht, sondern Gerechtigkeit und Gottesfurcht. Und der wahre und schlichte Weg zu Gott zu kommen ist dieser, soweit mir dessen erkenntlich ist: Daß der Mensch aus seinen begangenen Sünden ausgehe und sich einen ernsten Vorsatz mache, nimmermehr wieder dahinein zu gehen, und in seinem Ausgehen nicht zweifle.

12.38. Und wenn der Verstand auch zweifelt, davor der Sünder erschrickt und sich vor Gottes Zorn entsetzt, so daß sich der Wille nur schlecht und recht in die Barmherzigkeit Gottes, in Christi Leiden und Tod versenkt und sich durch Christus in Gott ergibt wie ein Kind im Schoß seiner Mutter, das selber nichts will als nur, was die Mutter will. Es jammert nur die Mutter an, erhofft immer das Beste von der Mutter und sehnt sich allein nach der Mutterbrust. So muß auch unsere Begierde einzig und allein wieder in unsere erste (ursprüngliche) Mutter gerichtet werden, von der wir mit Adam in ein Eigenes ausgegangen sind.

12.39. Daher sagt Christus: »Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr das Reich Gottes nicht sehen. (Matth. 18.3)« Oder: »Ihr müßt neugeboren werden. (Joh. 3.7)« Das heißt, wir müssen aus allem Verstand wieder in die Gelassenheit im Schoß unserer Mutter eingehen und alles Disputieren fahrenlassen, auch unseren Verstand ganz wie tot machen, damit der Mutter Geist eine Gestalt in uns bekomme und in uns das göttliche Leben entfache, so daß wir uns im Geist der Mutter in der Wiege finden, wenn wir von Gott gelehrt und getrieben sein wollen.

12.40. Wir müssen uns Ihm gänzlich ergeben, damit Gottes Geist in uns das Wollen, Tun und Vollbringen sei, damit wir in ihm wissen und nicht in uns, so daß er unser Wissen ist.

12.41. Wir sollen niemals sagen, was wir wissen wollen, sondern nur in die Menschwerdung und Geburt Jesu Christi, in sein Leiden und Tod eingehen, und immer gern in seine Fußstapfen treten und ihm nachfolgen wollen und gedenken, daß wir auf der Pilgerstraße sind, wo wir durch einen gefährlichen Weg in unser Vaterland, daraus uns Adam führte, wieder in Christus auf dem schmalen Steig eingehen müssen. Auf diesem einigen Weg liegt das Perlein des Mysterium Magnum (der göttliche Samen des ganzheitlichen Geheimnisses). Alles Studieren, Suchen und Forschen außerhalb dieses Weges ist tot und erlangt die jungfräuliche Krone nicht, sondern nur Dornen und Spitzen, welche in die Kinder Gottes stechen.

12.42. Darum, mein lieber Herr, weiß ich Euch, weil ihr mein Bekenntnis begehrt, keinen besseren Rat mitzuteilen, als daß ich Euch den Weg zeige, den ich selbst gehe und darauf mir die Tür aufgetan worden ist, so daß ich gelehrt bin, ohne vorheriges Lernen. Denn alle Kunst und Wissen kommen von Gott, der alles findet.

12.43. Ich habe mit den Kindern Gottes wegen ihrer ungleichen Gaben keinen Streit, denn ich kann sie alle in mir einigen. Ich gehe mit ihnen nur in das Zentrum, dann habe ich die Probe aller Dinge. Wollt ihr mir nun nachfolgen, dann werdet ihr es erfahren und danach vielleicht besser verstehen, was ich geschrieben habe.

12.44. Ein wahrer Christ hat mit niemand Streit, denn er stirbt in der Gelassenheit in Christus allem Streit ab. Er sorgt nicht mehr für den Weg zu Gott, sondern er ergibt sich in die Mutter als in Christi Geist, und was immer der mit ihm macht, das gilt ihm gleich. Sei es Glück oder Unglück, Leben oder Tod in dieser Welt. Es ist ihm alles gleich. Den neuen Menschen berührt kein Unglück, sondern nur den alten von dieser Welt. Dann mag die Welt mit ihm tun, was sie will, denn dieser gehört der Welt. Aber der neue ist Gottes.

12.45. Mein lieber Herr, dies ist mein Weg, auf dem ich wandle und ohne mein Vorwissen wissen kann. Ich nehme mir keinen Vorsatz vor, was ich schreiben oder reden will, sondern ergebe mich in Gottes Wissen. Der mag in mir wissen, was er will. Und auf solchem Weg habe ich eine Perle erlangt, welche mir lieber ist als die äußere Welt.

12.46. Und wenn es auch oft geschieht, daß die Kinder Gottes in der Erkenntnis miteinander anstoßen, so geschieht das alles nur durch die Verwirrung des äußeren Verstandes, der in allen Menschen ist, und darum verhängt Gott solches, damit der Mensch geübt werde und seinen Geist heftiger mit Beten und Eindringen in Gott entzünde. Dann kommt der Geist Gottes aus der Verborgenheit der Menschheit wie ein Feuer, das da brennt, und muß den Kindern Gottes zum Besten dienen (Röm. 8.28).

12.47. Bezüglich den etlichen Personen eurer Nachbarschaft, von denen ihr schreibt, welche alles zu Geld machen und dem vermeintlichen Zion zulaufen, hielt ich es für ratsamer, sie blieben daheim, denn Zion muß in uns selbst geboren werden. Wenn sie an diese Orte kommen werden, dann ist es ihnen so wie vorher, und sie müssen gleichwohl unter dem Joch Christi leben.

12.48. Gott ist im Himmel, und der Himmel ist im Menschen. Will aber der Mensch im Himmel sein, dann muß der Himmel im Menschen offenbar werden. Das muß durch ernste Buße und herzliche Hingabe geschehen, und das können sie wohl auch daheim und an ihren Orten tun. Denn dem sie zu entfliehen gedenken, dahinein werden sie laufen. Wenn sie daheim einen göttlichen Weg wandelten, so daß andere Leute ein Beispiel an ihnen hätten, wäre es Gott angenehmer.

12.49. Denn es gibt unter ihnen auch stolze, hochmütige und spöttische Leute, welche nur verachten und schmähen, und so ist in manchem mehr eine angenommene Weise und geistige Arroganz, wie ich auch selbst erfahren habe. Denn ich habe einen unter ihnen wegen eines herausgegebenen Büchleins, darin ich etwas Schweres gegen Gott und den Grund der Wahrheit fand, ganz christ- und brüderlich ersucht und unterwiesen. Ich hoffte, er würde sehend werden, aber er hat ganz stolz und verächtlich, dazu schmählich geantwortet und eine solche Antwort von sich gegeben, darin kein Gottesgeist zu spüren war. Ihre Konfession (ihr Glaubensbekenntnis) ist vielmehr eine Meinung als ein wahrhafter Ernst, denn dessen sie sich rühmen, das sind sie nicht. Es mag wohl fromme Herzen unter ihnen geben, aber viele von ihnen sind es nur dem Namen nach und wollen das Ansehen haben, wie ich selbst von einem der Vornehmsten unter ihnen erfahren habe.

12.50. Wollte Gott, es wäre so ein Ernst mit ihnen, wie sie vorgeben, ich wollte es auch loben. Doch das Schmähen und Verachten ist nur Babel, dessen die Welt voll ist.

12.51. Bezüglich Hans Weyrauch: Soviel ich in dieser Schrift sehe, kann er ein Mensch sein, der in Gottes Liebe wallt, sofern sich sein Weg auch im Herzen so verhält. Daß er aber andere wegen der Erkenntnis im Licht der Natur tadelt, darin hat er vielleicht keine Erkenntnis und seine Gaben erstrecken sich nicht dahin, und darauf ist nicht zu sehen, weil es nicht seine Gabe ist. Ihr mögt ihn trotzdem für einen frommen Bruder halten, denn Gott führt seine Gaben nicht nur in der Einfalt aus, sondern auch in manchem in der Höhe. Denn Er ist hoch und tut mit allen seinen Werken, was er will.

12.52. So antworte ich auch bezüglich der anderen angedeuteten Autoren, welche teils hohe Gaben gehabt, aber nicht alles genug ergreifen konnten. Doch haben sie zu ihrer Zeit genug getan. Weil aber die jetzige Zeit eines anderen Arztes bedarf, so finden sich auch in jetziger Zeit andere Erkenner und Wissende zu der Krankheit, alles nach Gottes Liebe und Vorsorge, der nicht will, daß jemand verlorengehe, sondern daß allen Menschen geholfen werde.

12.53. Wenn diese Autoren jetzt lebten, würden sie vielleicht in etlichen Punkten klarer und in anderen Formen geschrieben haben, wiewohl sie zu ihrer Zeit genug getan und sie darum mitnichten zu verachten sind. Obwohl etliche Punkte zu verbessern wären, so ist doch sonst ihre Lehre von der Vereinigung der Gottheit und Menschheit sehr klar, und man sieht, wie auch Gottes Geist in ihnen gewesen war. Aber der Verstand dreht alles ins Ärgste und verkehrt es mit falschem Deuten.

12.54. Bei Schwenckfeld (Kaspar Schwenckfeld von Ossig, 1490-1561) stößt dieser Punkt an, daß er Christus für keine Kreatur hält. Er hat noch nicht die Prinzipien ergriffen, und darum ist es nicht möglich zu unterscheiden, womit er keine Kreatur sei. Denn was seine Gottheit anbelangt, ist er keine Kreatur. Was aber die himmlische Wesenheit anbelangt, von welcher er sagt, er wäre vom Himmel gekommen und wäre im Himmel (Joh. 3.13), ist er mit derselben in der Menschheit kreatürlich, und jenseits der Menschheit unkreatürlich.

12.55. Gleichwie wir Menschen in den vier Elementen leben und selber die Eigenschaft der vier Elementen sind: In uns sind sie bildlich, und jenseits von uns unbildlich, und es ist doch ein Ding. So ist es auch mit Christi Person.

12.56. Die ganze englische Welt als das zweite Prinzip ist sein leibliches Wesen nach der himmlischen Wesenheit, in der Person der Menschheit kreatürlich und jenseits der Person unkreatürlich. Denn er ist des Vaters Herz und Wort, und das Herz ist überall im Vater. Wo also sein Herz ist, da ist auch der Himmel und die göttliche Wesenheit mit der Fülle der Weisheit umgeben.

12.57. Bezüglich seiner Seele, die er seinem Vater in seine Hände befahl und von welcher er am Ölberg sagte, sie wäre betrübt bis in den Tod, ist dieselbe aus unserer seelischen Eigenschaft. Denn um diese Seele ging es, so daß Gott Mensch wurde, damit er diese wieder in sich brächte und unseren Willen aus der Irdischkeit wieder in sich hineinführte, und die ist eine Kreatur.

12.58. Und das dritte Prinzip als das äußere Reich dieser Welt, das Gott durch seine Weisheit aus der Ewigkeit geboren hat, ist auch kreatürlich in ihm. Denn die ganze Gottheit hat sich im Menschen Christus offenbart, so daß Gott in diesem Geist alles ist, damit er auch in diesem Menschen alles sei. Sind wir Menschen doch alle so, sofern wir wieder aus Gott geboren werden. So wäre diesem Punkt, welcher fast die anderen alle treibt, wohl zu raten, wenn man ihn recht betrachtete. Und dann bedürfte es auch nicht viel Streit oder Verdammens, denn der Geist Gottes fragt nach keinem Streit. Er richtet alles in sich.

12.59. In ähnlicher Weise will es auch Weigel (Valentin Weigel, 1533-1588) haben: Maria sei nicht Joachims und Annas Tochter, und Christus habe nichts von uns angenommen, sondern sei eine edle Jungfrau. Das ist wohl wahr nach dem Ziel des Bundes, nach der Jungfrau der göttlichen Weisheit. Aber was hilft mir das? Wo bliebe meine Seele und meine in Adam verblichene Wesenheit als das Paradiesbild, wenn nicht Christus unsere Seelenessenz in sich genommen und das verblichene Bild wieder zum Leben geboren hätte? Welches ich in meinem Buch »Vom dreifachen Leben« der Länge nach ausgeführt habe.

12.60. Sonst schreibt Weigel auch sehr schön von der neuen Geburt und der Einigung der Menschheit in Christus mit uns, welches, weil ich es in meinen Schriften etwas klarer beschrieben habe, hier beruhen lasse. Und ich lasse sie (diese Autoren und ihre Schriften) unverachtet, wie auch den, der sie liest.

12.61. Trägt doch eine Biene aus vielen Blumen Honig zusammen, auch wenn manche Blume besser wäre als die andere. Was fragt die Biene danach? Sie nimmt, was ihr dient. Sollte sie darum ihren Stachel in die Blumen stechen, wenn sie deren Saft nicht möchte, wie es der verächtliche Mensch tut? Man streitet um die Hülsen, und den edlen Saft, der zum Leben dient, läßt man stehen.

12.62. Was hilft mir die Wissenschaft, wenn ich nicht darin lebe? Das Wissen muß in mir sein und auch das Wollen und Tun. Der Mantel mit dem Leiden und der Genugtuung Christi, den man jetzt dem Menschen umdeckt, wird manchem zum Strick und höllischen Feuer werden, weil man sich damit nur mit Christi Genugtuung kitzeln und den Schalk anbehalten will.

12.63. Es heißt: »Ihr müßt neu geboren werden oder sollt Gottes Reich nicht schauen. Ihr müßt wie ein Kind werden, wollt ihr Gottes Reich sehen.« Nicht allein um die Wissenschaft zanken, sondern ein neuer Mensch werden, der in Gerechtigkeit und Heiligkeit in Gott lebt. Man muß den Schalk austreiben und Christus anziehen, dann sind wir in Christus in seinem Tod begraben und stehen mit Christus auf und leben ewig in ihm. Was soll ich dann lange um das zanken, das ich selbst bin?

12.64. Ich habe mit niemand irgendeinen Zank als nur gegen den Gottlosen. Den straft der Geist unter den Augen. Das wollte ich Euch nicht verbergen und meine es treulich.

12.65. Betreffend meiner Bücher könnt ihr diese, wie ich vernommen habe, wohl bei Euch bekommen, wenn Euch diese belieben. Denn mir wurde von Herrn Christian Bernhard, Zöllner zu Sagan, berichtet, daß er derselben zwei seinem Bruder, Eurem Weinschenk, geliehen habe, nämlich »Vom dreifachen Leben«, welches fast das Beste im Lehren ist, und dann die »Vierzig Fragen von der Seele«. Könnt Ihr euch mit ihm befreunden, wird er sie Euch nicht versagen. Wenn nicht, dann will ich Euch auf anderem Weg dazu verhelfen. Denn Ihr könnt diese auch bei Herrn Christian Bernhard selbst bekommen, wenn ihr sie begehrt und sonst nicht haben könnt. Ich will ihm dann schreiben, so daß er Euch diese leihen wird, denn ich habe meine selten daheim. Jedoch, wenn Ihr sie nicht erlangen würdet, dann will ich, sobald ich sie zu Hause hätte, Euch eines nach dem anderen leihen.

12.66. Die Titel der verschiedenen Bücher sind diese:
I. „Die Aurora“, steigt aus der Kindheit auf und zeigt Euch die Schöpfung aller Wesen, aber sehr heimlich und nicht genug. Es erklärt viel magischen Verstand, denn es sind etliche Geheimnisse darin, die noch kommen sollen.

12.67. II. Ein großes Buch von 100 Bögen „Von den drei Prinzipien göttlichen Wesens“ und des Wesens aller Wesen. Das ist ein Schlüssel und Alphabet all derer, die meine Schriften zu verstehen begehren. Es handelt von der Schöpfung, also von der ewigen Geburt der Gottheit, von der Buße, der Rechtfertigung des Menschen, seinem Paradies-Leben und seinem Fall, wie auch von der neuen Geburt, Christis Testamenten und vom ganzen menschlichen Heil. Es ist sehr nützlich zu lesen, denn es ist ein Auge, um die Wunder im Mysterium Gottes zu erkennen.

12.68. III. Ein Buch „Vom dreifachen Leben“, das 60 Bögen hat und ein Schlüssel von oben und unten zu allen Geheimnissen ist, wohin sich das Herz nur schwingen möchte. Es zeigt allen Grund der drei Prinzipien und dient einem jeden nach seiner Eigenschaft, denn man kann fast alle Fragen, die der Verstand ersinnen kann, darin gründen. Und das ist das Nötigste, das Euch wohl dienen könnte, und ihr würdet der Zank-Bücher bald überdrüssig werden, wenn ihr dies ins Gemüt brächtet.

12.69. IV. „Vierzig Fragen von der Seele“, es hat 28 Bögen und handelt von allem, was ein Mensch wissen soll.

12.70. Das V. Buch hat drei Teile: Der erste Teil „Von der Menschwerdung Christi“. Der zweite Teil ist sehr tief „Von Christi Leiden, Tod und Auferstehen“, wie wir in Christi Tod eingehen, mit und in Christus sterben und auferstehen müssen, und warum Christus sterben mußte. Es wurde ganz aus dem Zentrum durch die drei Prinzipien ausgeführt und ist sehr hoch. Der dritte Teil ist „Der Baum des christlichen Glaubens“, auch durch die drei Prinzipien, und ist sehr nützlich zu lesen.

12.71. VI. Das sechste Buch oder Teil dieser Schriften sind die „Sechs Theosophischen Punkte“ der allergrößten Tiefe, wie sich die drei Prinzipien ineinander gebären und vertragen, so daß in der Ewigkeit kein Streit ist und wohl ein jedes in sich selbst besteht, und woher Streit und Uneinigkeit kommen, woher Böses und Gutes entsteht, und zwar ganz aus dem Ungrund als aus Nichts in Etwas als in den Grund der Natur eingeführt. Dieses sechste Buch ist ein solches Geheimnis, obwohl kindisch ans Licht gegeben, daß es kein Verstand ohne Gottes Licht ergründen wird. Es ist ein Schlüssel zum A und O.

12.72. VII. Ein Büchlein für die Melancholie, für die Angefochtenen geschrieben, woher Traurigkeit entsteht und wie man derselben widerstehen soll („Eine Trostschrift für die vier Komplexionen“).

12.73. VIII. Ein sehr tiefes Buch „De Signatura Rerum“ von der Bezeichnung und Schöpfung und was jedes Dinges Anfang, auch Zerbrechung und Heilung sei. Es geht ganz in die ewige und dann in die anfängliche, äußerliche Natur und in ihre Gestaltungen.

12.74. Dieses sind also meine Bücher, neben etlichen kleinen Traktätlein, die ich hin und wieder gegeben, von denen ich keine Kopie behalten habe, denn ich bedarf ihrer für mich nicht. Ich habe an meinen drei Blättern genug.

12.75. Und wenn es meine Gelegenheit ergibt, denn ich muß oft wegen meines Werkes reisen, dann will ich Euch sobald es sein kann, daß ich diesen Ort bereise, selbst ansprechen. Ich wollte es tun, als ich nach Ostern in Weicha war, und es war mein ganzer Vorsatz, doch Gott wendete es anders und fügte mir einen Mann zu (der mich andere Wege zu solchen Menschen führte, denen es nötig war), so daß ich danach erkannte, daß mein Weg vom Herrn (geführt) war.

12.76. Herr Balthasar Walther hat sich vergangenen Winter und Frühling bei Fürst August von Anhalt-Plötzkau aufgehalten und hat mir daselbst geschrieben. Jetzt ist er beim Grafen zu Gleiche, drei Meilen von Erfurt. Sein Medicus hat sich auf ein Jahr bestellen lassen.

12.77. Am selben Hofe ist auch Ezechiel Meth. Aber sie sind nicht ganz eines Sinnes, wie es Walthers Schreiben ausweist, welches ich erst vor drei Wochen empfangen habe. Wenn mir also der Herr etwas schreiben wollte und keine Botschafter dafür hätte, kann er es auch an Herrn Christian Bernhard, Zöllner zu Sagan, schicken. Da habe ich alle Wochen Gelegenheit, und er ist ein gottesfürchtiger Geselle.

12.78. Und wenn in meinen Schriften etwas zu schwer und unverständlich sein sollte, dann bitte aufzeichnen und ich will es kindisch geben, damit es verstanden werden könne. Denn den Klugen und Satten, den Hohen und in sich selber Wissenden, welche selber gehen können und bereits reich sind, denen habe ich nichts geschrieben, sondern den Kindern und Unmündigen, die noch an der Mutterbrust saugen und gehen lernen.

12.79. Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben, denn ich habe für mich geschrieben.

12.80. Wenn aber ein Bruder durstig wäre und mich um Wasser bäte, dem gäbe ich zu trinken. Und der wird erfahren, was ich ihm gegeben habe, wenn ihm der Herr das Trinken vergönnen wird. Damit empfehle ich mich in des Herrn Gunst und uns alle in die sanfte Liebe Jesu Christi!

Datum Görlitz, am Tag von Mariä Himmelfahrt (15. August, was nicht zum Datum 10. Mai 1621 am Anfang des Briefes paßt, auch wurde die hier erwähnte Schrift „De Signatura Rerum“ erst im Februar 1622 vollendet).

»Der Name des Herrn ist eine feste Burg, der Gerechte läuft dahin und wird erhöht.« J. B.

68. Sendbrief an Christian Bernhard, Mai 1621

(Die Briefe 67-74 stammen aus der Ausgabe von 1730 und wurden dort speziell als Zugabe ausgewiesen. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung aus den Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Emanuel!

68.1. Herr Christian, guter Freund! Ich sende Euch dies, nachdem ich jetzt nach meiner Gelegenheit hier bin, daß ich Euch gern wegen unserer Bekanntschaft ansprechen würde, aber nicht weiß, wie es Euch gefällig oder gelegen sein möchte. Ich wünschte, mit Euch im Geheimen zu sein auf ein kurzes Gespräch, wenn Euch dies gefällig wäre, dann werdet ihr ohne Zweifel Mittel dazu wissen. Wollt auch in meiner Gegenwart meinen Namen und die Person verschweigen, es sei denn, daß es den Eurem zuvor bekannt wäre und sie dessen begehrten. J. B.

Extra-Schreiben an denselben, vom 8. Juni 1621

68.2. Mein lieber Herr Christian, ich teile Euch noch freudig mit, daß ich Herrn Rudolf von Gersdorff auf Schwarza und Weichau, in Weichau seßhaft, als ich letztens von Euch zu ihm gereist war, in einem sehr guten Zustand gefunden habe. Und er trägt eine sehr herzliche Begierde nach unserem Talent und hat auch sein Leben dahin gerichtet, solches von Gott zu erlangen. So werden in kurzem etliche Episteln (Briefe) zu Euch gesandt werden, welche er bei Euch abfordern lassen wird, oder wenn ihr ihm diese auf seine und meine Kosten nach Weichau senden wollt, werdet ihr ihm und auch mir darin einen Liebesdient tun. Denn er ist ein sehr ehrsamer Mensch geworden und ist jetzt wohl auf dem rechten Weg. Gott gebe Beständigkeit!

68.3. Es soll mich keine Mühe verdrießen, auch wenn ich viel Zeit zubringe, meinem Nächsten das mir eröffnete Talent zu offenbaren, wenn nur dadurch Gottes und unser englisches Reich vermehrt wird. Wie ich dann auf meiner Reise, als ich von Euch kam, solche Schüler gefunden habe, daß ich mich nicht allein der hohen Gaben Gottes verwunderte, sondern auch hoch erfreute. Denn mein Gang ging gar anders, als ich dachte. Nachdem ich von zu Hause abreiste, mußte ich durch Gottes Wunderschickung wohl fünfeinhalb Wochen draußen bleiben. Ich hoffe, es werde nicht vergebens sein.

Und empfehle Euch der Liebe Jesu Christi. Görlitz, Euer dienstwilliger Bruder J. B.

13. Sendbrief an Christian Bernhard, 8.6.1621

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung!

13.1. Ehrenfester und wohlbenamter Herr, in der Liebe Christi hoher Freund! Neben dem Wunsch aller heilsamen Wohlfahrt teile ich Euch freundlich mit, daß die mitgeschickten Schriften von vielen gelehrten, auch adeligen Personen mit Lust und Liebe gesucht und gelesen werden. Sie sind also sehr verbreitet, so daß ich mich darüber wundere, denn das ist ganz ohne mein Wissen geschehen. Man hat sie fast in ganz Schlesien sowie an vielen Orten in der Mark, Meißen und Sachsen, wie mir auch täglich Schreiben zugeschickt werden, darin diese begehrt werden, und sich auch etliche vornehme Leute anbieten, sie im Druck zu verlegen, welches mir jetzt, weil Babel brennt, noch nicht gefällig ist, aber doch seine Zeit haben wird.

13.2. Denn das goldene Zeitalter (Aureum Saeculum) wird mitten im Feuer zu Babel zu grünen beginnen. Das sage ich Euch, um treuherzig nachzusinnen und Euch in der Begierde in unserem Emanuel (Christus) zu erwecken, als einer unter den Erstlingen, die vom Schall unter der siebenten Posaune ergriffen wurden.

13.3. Christus spricht: »Suchet, dann werdet ihr finden.« Das edle Perlein offenbart sich von selbst in denen, die es jetzt suchen werden. Denn es ist eine angenehme Zeit. Beide Türen, sowohl zum Himmel als auch zur Hölle, stehen jetzt mit ihrer Begierde offen. Das ist eine (gute) Zeit, sich selbst zu suchen, und das halte niemand für einen Scherz! Oder er fällt dem grimmigen Zorn Gottes anheim und wird im Rachen des Grimms ergriffen.

13.4. Seid nur demütig unter dem Kreuz eine kleine Zeit! Der Mai wird seine Rosen wohl bringen, und der Lilienzweig seine Frucht!

13.5. Wohl dem, der ihn in seinem Herzen hat! Es wird ihm zur höchsten Ehre gereichen, denn dieser Welt Ehre ist nur wie Kot gegenüber der göttlichen Liebe. Das sage ich für Euch, mein Lieber, der im Herrn Jesus Christus treuherzig ist, um Euch zu erinnern und zu ermuntern im Herrn. Und empfehle Euch der Liebe Jesu Christi!

Datum Görlitz, siehe oben. E.D.W (Euer dienstwilliger) J. B.

14. Sendbrief an Christian Bernhard, Juni 1621

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung!

14.1. Mein lieber Herr Christianus, hoher Freund! Eure Wohlfahrt ist mir allezeit lieb. Ich übersende Euch hiermit das Buch „Die drei Prinzipien“ vollends zum Abschreiben, wenn es Euch gefällt, und ermahne Euch in der Liebe Christi wie ein Glied das andere, im Studium und Gebet zu Gott fleißig zu sein, damit unser Glaube mit der Erkenntnis untereinander wachse und zunehme und wir endlich die Frucht davon einernten und derer genießen.

14.2. Seid nur wacker, in Christus gegen den Verstand der Welt und den Willen des Fleisches zu streiten, und kämpft ritterlich. Euer Sieg ist im Herrn, und der wird ihn Euch aufsetzen, wann es ihm gefällt. Die Krone ist Euch (bereits) beigelegt, um welche ihr kämpft. Es wird Euch nicht gereuen.

14.3. Aber das Malzeichen Christi müßt ihr in dieser Welt tragen und seinem Bild ähnlich werden, anders erlangt ihr die Krone nicht, das sage ich Euch brüderlich. Bereitet Euch nur fleißig, denn es steht ein großer Sturm bevor, damit ihr zum Lob Gottes erhalten werdet und zum Jahr der Lilien, welche grünt. Der Liebe Christi empfohlen!

14.4. Ich bitte, mit dem Nachschreiben zu eilen, denn es wird begehrt. Es finden sich Schüler, denen man es geben soll. J. B.


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