15. Sendbrief an Dr. Johann Daniel Koschowitz, 3.7.1621

(Zwischen Ende April und Anfang Juni des Jahres 1621 reiste Jakob Böhme durch Schlesien. Auf dieser Reise besuchte er im Gebiet von Striegau einen Kreis gebildeter Männer, die sich naturphilosophischen und religiösen Fragen widmeten. Es kam offensichtlich zu manchen kritischen Rückfragen, denen der philosophisch ungeschulte Philosophus standzuhalten hatte. Der Arzt Johann Daniel von Koschwitz gehört zu diesem Zirkel… Genannt werden auch Dr. Staritius, bekannt als Herausgeber der Werke von Paracelsus, sowie Theodor (Hans Dietrich) von Tschesch, Rat des Herzogs von Brieg… - Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979)

15.1. Lieber Herr Doktor! Wollt nur Herrn Balthasar Tilke meinen Brief selber zu lesen geben, nur ohne dieses Skriptum, und ihn zu christlicher Demut ermahnen, ob ihm vielleicht die Augen der Seele geöffnet werden könnten, welches ich ihm wohl gönne. Es wird ihm kein Spott sein, wenn er die Wahrheit liebt. Denn ich merke wohl, was ihn aufhält und im Weg liegt: Nichts anderes als eigene Liebe, darin er bisher seinen Grund weit ausgesprengt und bei vielen ein Ansehen bekommen hat. Und weil dieser mein Grund nicht gänzlich mit ihm übereinstimmt, so treibt ihn die eigene Liebe zum Gegenspiel (Contrario), darin er doch meinen Grund noch nicht begriffen hat und dessen noch ein Kind ist.

15.2. Wenn ihm aber die Ehre bei Gott und die brüderliche Liebe gefallen wollte, dann hat er in Wahrheit nichts gegen mich und meine Schriften. Auch möchten sie ihm wohl noch frommen. Aber ohne geneigten Willen wird er wohl stumm daran bleiben, denn diesen Grund versteht kein Verstand ohne die einige Liebe Gottes, darin alle Schätze der Weisheit liegen. Was aber seine Meinung sei, bitte ich mir doch wieder durch Herrn N. mit einem Sendbrieflein zu melden.

15.3. Auch Herrn Dr. Staritius ist sein verdeckter Grund hiermit geöffnet. Ich hoffe, er werde auch sehend werden, weil er doch sonst einen scharfen Verstand und die Logik wohl studiert hat, so wird er vielleicht weiterforschen. Will er aber nicht, dann hebt seine Meinung Gottes Gaben nicht auf. Er kann mir diesen Grund und besonders die Erklärung der Sprüche mit keiner Schrift umstoßen. Ich meine es treulich mit ihm.

15.4. Daneben bitte ich Euch, ihr wollt mir diese Freundschaft erzeigen und dieses Traktat „Von der Gnadenwahl“ Herrn Th. von Tschesch zu lesen schicken, weil er ein sittsamer Herr ist und auch eben der Disputat dieses Artikels bei ihm vorgelaufen ist, so daß es nicht das Ansehen hat, als sei man im Unverstand totgeschlagen worden. Wird es aber die Not erfordern, dann will ich mich dermaßen erklären, daß sie sehen sollen, aus welchem Grund ich schreibe.

15.5. Mögen sie mir Fragen geben, wie sie wollen, seien sie in der Natur, in der Zeit oder der Ewigkeit. Ich will mich in göttlicher Gnade nicht vor ihnen scheuen, sondern genug beantworten. Allein, daß es nur christlich geschehe und nicht aus Affekten oder Schmähung. Ich will dergleichen für jeden handeln.

15.6. Damals in unserer Zusammenkunft war ich gar übel geschickt zu solchem Disput, denn Wein und köstliche Speise verdecken des Perleins Grund, vor allem, weil ich dessen nicht gewohnt bin und daheim ganz mäßig und nüchtern lebe. Und so wurde Herrn N. nicht genug geantwortet.

15.7. Ich bin aber erbötig, ihm und all denen, welche es christlich meinen, zu antworten. Sie mögen mir nur ihre Fragen schriftlich geben und ihre Meinung dabei erklären, so daß ich sehe, was sie schließen. Dann will ich ihnen gründlich und ausführlich genug antworten und mich keines Sektierers oder sektiererischen Namens behelfen oder zum Grund der Wahrheit nennen lassen, nicht ein Flaccianer (nach dem lutherischen Theologen Matthias Flacius, 1520-1575), wie Herr Dr. Staritius meint, sondern im Grund soll ich stehen. Denn ich lehre kein eigenes Vermögen, um ohne Christus zur Kindschaft zu kommen, wie Dr. Staritius meint.

15.8. Allein, mit seiner Meinung bin ich auch nicht zufrieden, viel weniger aber mit Herrn Balthasar Tilke, welche ganz gegen die (Heilige) Schrift anstößt. Denn ich bin allen Meinungen in mir tot und habe nichts, außer was mir von Gott zu erkennen gegeben wird. Und ich gebe es Euch allen selbst zu richten, wovon ich weiß, was es ist, so daß ich als ein Laie und ungeübter Mann mit Euch, die ihr von hohen Schulen geboren seid, zu tun habe und mich gegen die gelehrte Kunst setzen muß, da ich doch in meinem eigenen Verstand ohne Gottes Wissen nicht weiß, wie ich dazu komme, sondern sehe Ihm selbst nach, was Gott tut.

15.9. Aber im Grund meiner Gaben weiß ich sehr wohl, was ich in diesem Vorhaben tue, und daß es doch kein Vorhaben in mir ist, sondern so bringt es die Zeit, und so treibt es Der, der alles regiert.

15.10. Bezüglich unserer heimlichen Absprache, wie Euch bewußt, werdet ihr Euch noch eine ziemliche Weile im bewußten Prozeß gedulden müssen, und es wird auch in diesem Anfang keinen anderen leiden wollen. Es darf wohl erst im siebenten Jahr in diesem Prozeß zu Ende gehen, denn es muß durch alle sechs Eigenschaften des geistigen Grundes aufgeschlossen werden. Wenn es auch jetzt schon durch die Sonne aufgeschlossen ist, so ist doch der Schlüssel kaum in den ersten oder zweiten Grad des Zentrums der Natur gekommen.

15.11. Denn eine jede Eigenschaft unter den sechs Gestaltungen des Geistlebens hat eine besondere Sonne (als Bewußtsein) in sich, von Macht und Herkommen des Lichtes der Natur, als die essentiellen Sonnen, und sie werden in der Ordnung aufgeschlossen, wie ihre Geburt und ihr Ursprung ist.

15.12. Erstens wird des Saturns Sonne durch den Schlüssel der äußeren Sonne aufgeschlossen, so daß man die Unterschiedlichkeit der Natur sieht. Zweitens des Jupiters Sonne, so daß man die Kraft wie einen blühenden Baum sieht, und bis dahin seid ihr gekommen. Drittens wird der Mars als die feurige Seele aufgeschlossen. Dann erscheint die Jungfrau Venus in ihrem weißen Kleid und scherzt mit der Seele, ob sie diese zur Begierde der Liebe bewegen könnte. Sie geht mit der Seele aus und ein, auf und ab, und herzt sich mit ihr, ob sie die flüchtigen Eigenschaften des eigenen Willens, darin die Seele aus der Ausgeglichenheit in das flüchtige Leben der zertrennten Eigenschaften gegangen ist, wieder in sie einführen könne, so daß Jungfrau Venus wieder beseelt würde und des Feuers Tinktur wieder erlangen kann, darin ihre Freude und ihr Leben besteht.

15.13. Denn die Jungfrau Venus ist der Glanz des Weißen in der Sonne, an diesem Ort (bzw. in diesem Zusammenhang) verstanden. Aber die Macht zum Schein ist nicht ihr eigen. Ihr Eigentum ist das geistige Wasser, welches ursprünglich aus dem Feuer entstand, wenn die Scheidung im Salniter (Salpeter) in der Mars-Sonne beginnt, dann scheidet sich die Jungfrau Venus in sich selbst und bedeckt sich mit einem kupfernen Röcklein. Denn Mars will sie zum Eigentum haben, aber er besudelt sie sehr in seiner Bosheit und schmeißt Erde und Ruß über sie, denn er mag sie nicht ehelichen, weil er ihr dann seinen eigenen Feuerwillen zum Eigentum gibt, und das will er nicht. Darum streiten sie eine lange Zeit. Sie sind Eheleute, aber einander treulos geworden.

15.14. So kommt dann die Sonne, und Mercurius schließt die Sonne auf, welches der vierte Schlüssel ist. Dann werdet ihr große Wunder sehen, wie Gott Himmel und Erde geschaffen hat, dazu den Grund aller vier Elemente. Und wenn ihr achthaben werdet, dann könnt ihr euren eigenen Geist (Proprium Genium) ausgewirkt vor euch sehen, und sehen, wie das Wort Mensch geworden ist, nämlich das ausgesprochene Wort in seinem Wiederaussprechen in die Unterschiedlichkeit der Kräfte. So werdet ihr sehen, wie die Jungfrau Venus geteilt wird, wie sie die Gestaltungen der Natur in sich fassen muß, die mit ihr jämmerlich umgehen und sie in ihre Gewalt nehmen und sich in ihr in Purpurfarbe verwandeln. Sie wollen morden, aber sie ist ihre Taufe zum neuen Leben an diesem Ort.

15.15. Der fünfte Schlüssel ist die Jungfrau Venus selbst, wenn sie ihr Gott als die Sonne aufschließt, so daß sie ihren Willen und ihr schönes Kränzlein den Mördern gibt. Dann steht sie wie eine Geschwängerte, und so meint der Künstler (bzw. Magier) er habe das neue Kind, aber es ist noch weit bis zur Geburt desselben.

15.16. Der sechste Schlüssel ist der Mond. Wenn die Sonne diesen aufschließt, dann müssen Mars, Jupiter und Saturn jeder seinen Willen verlassen und ihre flüchtige Pracht sinken lassen, denn die Sonne im Mond nimmt sie in die Menschwerdung ein. Da beginnt der Künstler zu trauern und denkt, er habe verloren. Aber seine Hoffnung wird nicht zerstört, denn der Mond in seiner aufgeschlossenen Sonne ist so hungrig nach der wahren Sonne, daß er sie mit Gewalt in sich zieht, davon Mars in seinem Grimm erschrickt und in seinem eigenen Recht abstirbt. Dann ergreift ihn Jungfrau Venus und sinkt mit ihrer Liebe in ihn ein. Davon wird Mars im Jupiter und Saturn in dieser Liebe eines freudenreichen Lebens lebendig, und alle sechs Eigenschaften geben ihren Willen in die Venus, und die Venus gibt ihren Willen der Sonne. Allda wird das Leben geboren, das in der harmonischen Ausgeglichenheit steht.

15.17. Lieber Herr Doktor, der Feder ist nicht zu trauen, habt nur acht auf das Werk. Es wird so und gar nicht anders sein. Bewegt es nicht, damit sich Mercurius (Merkur) vor seiner Aufschließung nicht erzürne, denn äußerlich ist er böse, aber innerlich ist er gut und das wahre Leben. Jedoch ist Mars die Ursache zum Leben. Sie gehen auch nicht so schlecht in der Ordnung mit dem Aufschließen. Und obwohl das Aufschließen in der Ordnung geschieht, so wendet sich doch das sinnliche Rad um und dreht sich hinein, bis Saturn mit seinem Willen in den inneren Grund kommt. Dann steht er in der harmonischen Ausgeglichenheit und gebiert keine Neigungen mehr.

15.18. Das alles, was ihr jetzt seht, sind die abtrünnigen flüchtigen Geister. Sie glänzen mit der Jungfrau Venus, leben aber alle in Hurerei und müssen alle umkehren und sich in den Grund hineinwenden, damit sie beständig werden. Das geschieht so lange, bis die Jungfrau Venus ihr materialistisches grobes Wasser verliert, in welchem die Ehebrecher in falschem Willen mit ihr buhlen. Dann wird sie ganz geistig, und dann scheint die Sonne in ihr, welche die Natur in Liebe verwandelt.

15.19. Lieber Herr Doktor, der Weisheitskörper (Corpus Philosophorum) ist das geistige Wasser vom Feuer und Licht als die Kraft des Feuers und Lichtes, wenn es durch die Aufschließung aller Eigenschaften der Natur von der Grobheit geschieden wird. Dann ist es wahrhaft geistig, und dann nimmt der Sonnen-Geist keine andere Eigenschaft mehr in sich als nur diese, welche er in den aufgeschlossenen Gestaltungen in ihrer sinnlichen Sonne erreichen kann. Denn die Sonne nimmt nichts in sich als nur ihre Gleichheit. Sie nimmt ihren Himmel aus der Erde, wollt ihr mich recht verstehen, denn es ist ihre Speise, und davon gebiert sie einen jungen Sohn in sich, der auch Sonne heißt, aber ein Körper ist. Darum sage ich Euch, haltet Euch fleißig und genau zu ihr. Ihr werdet wohl erfreut werden, läßt Euch Gott so lange leben, wenn ihr nur den rechten Vater habt, dem ich nachgesonnen und ihn sehr geliebt habe.

15.20. Ein solches ist mir wohl bewußt, denn ich habe neulich (geistig viel) gesehen, darüber ich mich nicht nur wunderte, sondern erfreute, und darin mir viel offenbar geworden ist. Und wiewohl ich etwas ausführlicher davon schreiben könnte, so tut es Euch doch in diesem Prozeß nicht not. Auch ist der Feder nicht zu trauen. Es kann auch ein andermal geschehen, und bitte: Haltet diesen Brief geheim und in Treue. Komme ich zu Euch, dann kann ich Euch wohl noch etwas anvertrauen, was ich neulich empfangen und gesehen habe. Jedoch soll ich nur gehen, soweit ich darf und die Zeit gibt. Wenn ich wegen der Unruhe kann, die nahe ist, dann komme ich zu Mittfasten nach Breslau, und dann besuche ich Euch auf dem Rückweg.

15.21. Herr Doktor, seid sehend, und lest das Traktat „Von der Gnadenwahl“ mit innerlichem Bedacht. Es hat mehr in seinem inneren Grund in sich als äußerlich, wegen der Sprüche der (Heiligen) Schrift, welchen Grund ich nicht den Unweisen geben und auswickeln darf, und doch wohl den Weisen geben sollte. In den Geheimnissen (Arcanis) seid nur treu und denkt, daß deren die bösartige Welt in ihrem Geiz nicht wert ist, was ihr nicht nur parabolisch (gleichnishaft) verstehen sollt. Da tut Fragen not, und dann soll Euch wohl etwas mehr offenbart werden. Jedoch nur in einer Ordnung solches zu tun, ist mir zu verwerflich vor den Fürsten der Himmel, aber auf Art der blühenden Erde darf ich es wohl. Darum vernehmt der Bienen Art an Euch, welche von vielen Blüten Honig sammelt. Öfters zu schreiben könnte Euch dienen, doch wie ihr wollt: Gott nimmt Gott, Not nimmt Not. J. B.

16. Sendbrief an Dr. Christian Steinberg, 3.7.1621

(Christian Steinberg alias Valentin Thirnes war Alchimist und Arzt.)

Von der Gnadenwahl und dem ewigen Ratschluß Gottes

16.1. Edler, achtbarer und hochgelehrter Herr! Nebst dem Wunsch göttlicher Liebe und Freudenreich in unserem Emanuel (Christus), in seiner wundersüßen Kraft, auch aller leiblichen und zeitlichen Wohlfahrt, füge ich Euch freundlich, daß ich mich unseres Gespräches erinnert habe, das kürzlich geschehen war. Und nachdem ich den Herrn als einen sehr eifrigen Liebhaber der Wahrheit und göttlicher Geheimnisse kennenlernen durfte, habe ich es nicht unterlassen wollen, Euch mit diesem Schreiben zu ersuchen, weil es Gelegenheit gegeben hat, etwas auf den Artikel „Von der Gnadenwahl Gottes“ zu antworten, dieweil mich auch eine andere Person deswegen angefochten hat. Und was ich darauf geantwortet habe, habe ich dem Herrn zum Überlesen mitgeschickt. Ich bin bereit und erbötig, sofern sich mit dem wenigen das Gemüt nicht beruhigen kann, wenn es begehrt würde, ein solches zu schreiben und aus dem Zentrum auszuführen, darauf sich das Herz beruhigen könnte.

16.2. Wiewohl ich meinte, ein Christ sollte in diesem wenigen so viel finden, daß er durch diesen und andere Artikel zur Ruhe käme. Weil es aber nicht ausreichte, so daß dieser Artikel viele Leute bekümmert hat und darauf solche Meinungen gefaßt wurden, die der Welt eine offene Pforte zu aller Bosheit geben, so tut es mir leid.

16.3. Zumal mir vom Höchsten zu erkennen gegeben worden ist, daß dieser Artikel noch nie aus diesem Grund verstanden wurde, daß wir uns einander doch nicht so fremd ansehen dürfen, wie Menschen und Teufel gegeneinander, sondern als liebe Brüder und Christi eingeborene und teuer erworbene Kinder, damit wir doch in einer wahren Liebe untereinander wandeln können. Welches in solchem Wahn, daß Gott einen erwählt und den anderen nicht, nimmermehr geschehen kann. Wenn ich aber meinen Bruder als mein Fleisch und Geist ansehe, dann kann es wohl geschehen, welches uns die (Heilige) Schrift und auch der Ursprung des menschlichen Geschlechts gewaltig bezeugt. Und noch viel mehr überzeugt mich mein Gewissen im Geist des Herrn, indem ich meinen Bruder wie mein eigenes Leben oder meinen Gott lieben soll.

16.4. Warum sollte mir Gott gebieten wollen, einen verdammten Teufel zu lieben? Nein, sondern meines Leibes Gliedmaßen (aller Mitmenschen). Darum habe ich mir Ursache genommen, dem Herrn zu schreiben und ihn christlich zu ersuchen und zu ermahnen, diesem Artikel besser nachzudenken und sich in der Betrachtung ja nichts anderes einräumen lassen als den holdseligen Namen Jesus, der in die Welt gekommen ist und sich in unserer Menschheit offenbart, um uns arme am Reich Gottes abgestorbene und verlorene Menschen zu suchen und selig zu machen und das wiederzubringen, was in Adam verloren wurde.

16.5. Nicht schreibe ich dem Herrn darum, ihn zu meistern, sondern brüderlicherweise, um mich mit ihm zu suchen und zu erfreuen, damit unser Glaube der Zuversicht zu Gott im Herrn gestärkt werde. Denn wir sind allseits nur Menschen und halten uns zu Recht in Lehren und Leben wie Glieder zueinander, denn wer seinen Bruder im Geist Christi findet, der findet sich selbst.

16.6. Die vielen Dispute sind keinem nützlich, denn sie machen nur Verwirrung. Geht doch mit mir in meinen Schriften in das Zentrum aller Wesen, dann werdet ihr die Vernunft im Guten und Bösen sehen und von all diesen Irrtümern erlöst werden. Denn ihr werdet in meinen Schriften viel finden, so daß dem Gemüt Genüge geschehen wird. Wenn das Zentrum aller Wesen ergriffen wird, dann kommt eine solche Freude im Gemüt auf, die alle Freuden der Welt übertrifft. Denn der edle Stein der Weisen liegt darin, und wer ihn findet, achtet ihn höher als die äußere Welt mit all ihrer Herrlichkeit.

16.7. Sollte das nicht Freude sein, Gott zu finden und zu erkennen, darin man in sich selbst alles finden und sehen kann, was in vielen tausend Büchern kaum entworfen worden ist, aber in einem jeden Ding zu erkennen?!

16.8. Mit wem soll ich um die Religion zanken, wenn dies in meinem Herzen offenbar wird, so daß ich alles in seiner Wurzel im Ursprung schauen kann? Nicht rede ich es mir zum Ruhm, der ich ein Nichts bin und Gott in mir Alles, sondern darum, wenn es einem zu suchen gelüstete, daß er es auch suchen und erreichen könne.

16.9. Wiewohl ich es nicht so suchte und auch nicht verstand, und ich wußte auch nichts davon: Ich suchte allein das liebreiche Herz Jesu Christi, um mich darin vor dem grimmigen Zorn Gottes und dem bösen Feind, dem Teufel, zu verbergen. Aber so wurde mir mehr offenbart, als ich suchte und verstand. Und daraus habe ich geschrieben, auch nicht vermeint, damit bei so hohen Leuten bekannt zu werden. Denn ich dachte, ich schriebe allein für mich, und gedachte, es bis ans Ende bei mir zu behalten. Nun ist es doch ohne mein Wissen und Laufen offenbar und in vieler Menschen Hände gekommen. Deswegen ich verursacht werde, zu Euch und ihnen zu flehen und sie dessen zu erinnern, daß man doch nicht auf die Einfalt des Autors sehen wolle und sich wegen der Person ärgern.

16.10. Denn es gefällt dem Höchsten wohl, seinen Rat durch törichte Leute zu offenbaren, welche vor der Welt wie ein Nichts geachtet sind, damit es erkannt werde, daß es von seiner Hand komme. Darum, wenn dem Herrn meine geschriebenen Schriften in die Hände kommen, wolle er sie nur ansehen wie die eines Kindes, in welchem der Höchste sein Werk getrieben hat, denn es liegt so viel darin, was kein Verstand verstehen oder ergreifen kann. Aber den Erleuchteten ist es kindisch und sehr leicht.

16.11. Denn es wird vom Verstand nicht ergriffen werden. Es sei denn, er werde von Gottes Licht angezündet, ohne dem ist kein Finden. Daran wollte ich den Herrn und alle, die es lesen, freundlich erinnern. Christus sprach: »Suchet, dann werdet ihr finden, klopfet an, dann wird Euch aufgetan. (Matth. 7.7)« Denn: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)«

16.12. Hierin liegt das Perlein verschlossen. Wer es haben will, kann es so erlangen. Anders ist kein Finden, sondern nur ein halbblindes Wissen gleich einem Spiegelfechten. Im Perlein liegt eine lebendige Wissenschaft, darin man niemals mehr fragen muß, ob es wahr sei. Denn es steht geschrieben: »Sie werden von Gott gelehrt sein. (Joh. 6.45)« Oder: »Wir wollen zu euch kommen und Wohnung bei euch machen. (Joh. 14.23)« Oder: »Wer Christi Geist nicht hat, ist nicht sein. (Röm. 8.9)« Darum sagt Christus: »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird Euch das andere alles zufallen. (Matth. 6.33)«

16.13. Er heißt uns danach trachten und nicht stillsitzen und auf (Gnaden-) Wahl warten, sondern zu ihm kommen und in seinem Weinberg arbeiten, nicht auf Antreiben warten, sondern willig kommen.

16.14. Weil ich am Herrn ein weises Herz gespürt habe, bin ich desto kühner gewesen, ihm zu schreiben. Ich hoffe, er werde es weislich richten. Wenn nun etwas dem Herrn in meinen Schriften unverstanden vorkommen sollte, bitte ich es anzumerken und mir bei Gelegenheit zuzuschicken. Ich will es kindlicher geben und erklären. Damit empfehle ich den Herrn samt den Seinigen und auch mich mit ihnen in brüderlicher Einigung in die sanfte Liebe Jesu Christi.

Datum, siehe oben, J. B.

17. Sendbrief, 3.7.1621

17.1. Edler Herr! Nebst dem Wunsch göttlicher Liebe und Freudenreich in unserem Emanuel und seiner süßen Kraft, auch aller leiblichen und zeitlichen Wohlfahrt, möchte ich Euch freundlich mitteilen, nachdem ich jetzt Gelegenheit hatte, mich an unser kürzlich geschehenes Gespräch zu erinnern: Weil ich Euch und andere mehr, die dabei waren, in hohem göttlichem Eifer als Liebhaber Gottes und seiner Wahrheit bemerkt habe, welche mit Ernst dem Mysterium und Grund aller Wesen nachzuforschen begehren, um in das Licht zu kommen, habe ich es nicht unterlassen wollen, denen zu schreiben und sie zu erinnern, um in solchem eifrigen Suchen mehr Ursache zu geben und darzulegen, wie das Perlein zu suchen und endlich zu finden sei. Zumal ich auch einer unter den Suchern bin und mir am höchsten daran liegt, dasjenige, was mir von Gott anvertraut ist, nicht zu vergraben, sondern darzulegen, damit Gottes Wille in uns erkannt werden könne und sein Reich in unser Suchen und Begehren komme und offenbart werde. Auch wie wir uns untereinander als Kinder des Höchsten finden können und uns untereinander als Glieder und Brüder erkennen, und nicht als Fremdlinge oder als Teufel und Unmenschen gegeneinander, welches der Artikel von der Gnadenwahl, wie er bisher von etlichen traktiert wurde, nicht viel anders geben und leiden würde.

17.2. Und wenn es auch so ist, daß wir im schweren Fall Adams im Zorn ergriffen worden sind, so daß uns sein Zorn zu Kindern der Verdammnis erwählt hat, so hat aber doch Gott sein liebes Herz als das Zentrum der Gottheit darangewandt und in der Menschheit offenbart, damit er uns in ihm wieder neu gebäre und das Leben in uns wieder offenbarte.

17.3. Und wie der schwere Fall von einem auf alle kam und auf alle drang, so kam auch die Gnade von einem und drang auf alle. Und auch der Apostel sagt, daß »Jesus Christus in diese Welt gekommen sei, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Matth. 18.11)« Nämlich den armen, verlorenen, verdammten, im Zorn Gottes ergriffenen und zur Verdammnis erwählten Sünder, und nicht den Gerechten, der mit Abel, Seth, Henoch, Noah, Sem, Abraham, Isaak und Jakob in der Liebe ergriffen ist. Sondern den Armen vom Zorn Gottes gefangenen sündigen Menschen, wie Kain, Ismael und Esau und dergleichen, um diese zu suchen und zu rufen, ob sie sich bekehren wollten, wie Gott zu Kain sagte: „Herrsche über die Sünde und laß ihr nicht die Gewalt!“ Wenn das Kain nicht hätte tun können, dann hätte es ihm Gott nicht geheißen. Auch wenn es nicht möglich gewesen wäre, daß Adam hätte bestehen können, dann hätte er ihm den Baum nicht verboten.

17.4. Wiewohl man so nicht schließen kann und dem Gemüt so nicht Genüge geschieht, denn es forscht weiter nach Gottes Allmacht. Deshalb ist ein anderes Studium nötig, so daß man das Zentrum aller Wesen zu Liebe und Zorn erkennen lerne, was da die ewige Liebe Gottes ist, und auch was der ewige Zorn Gottes ist, der den Menschen verstockt und verschlingt und zum Kind des ewigen Todes macht, und wie ein Mensch in dieser Zeit aus solchem Gefängnis befreit werden könne.

17.5. Weil ich es aber in meinen Büchern dermaßen erklärt und ausgeführt habe, daß ich vermeine, dem Gemüt sollte genug geschehen sein, besonders im Buch „Vom dreifachen Leben“ und in den drei Büchern (bzw. Teilen) „Von der Menschwerdung Christi“ und noch vielmehr und höher im Büchlein „Von den sechs Punkten“ zum Mysterium Magnum von der ewigen Geburt der Gottheit und „Von den drei Prinzipien“ der drei Welten, wie sie ineinanderstehen wie eine und wie ein ewiger Friede untereinander sei, und wie eine die andere gebäre, eine die andere begehre und auch eine ohne die andere nicht wäre, so vermeinte ich, dem Gemüt sollte damit genug geschehen sein, zumal man solches an allen Wesen und Dingen erweisen kann.

17.6. Weil Herr D.K. (Dr. Koschowitz) diese Schriften teils in den Händen hat, wenn auch nicht alle, so kann der Herr nach denselben forschen, wenn sie Lust danach haben. Sie werden nicht allein den Grund dieses Artikels von der Gnadenwahl finden, sondern aller Artikel und fast alles, wo sich des Menschen Gemüt hinwendet, wenn man dem Grund nachgeht, der eröffnet wird.

17.7. Mein edles Herz, nehmt es doch nicht als Scherz, was uns Gott in seiner Liebe offenbart! Und seht nicht auf die Einfalt des Menschen, durch den er solches tut. Denn so ist es vor ihm wohlgefällig, daß er seine Macht an den Schwachen und Törichten offenbart, wie sie die Welt betrachtet. Das geschieht der Welt zur Lehre, weil alles im Zank lebt und Er sich seinen Geist nicht ziehen lassen will, damit sie erkennen sollen, daß Gottes Reich in uns ist. So wird ihnen auch noch das Zentrum seines Wesens und aller Wesen offenbart. Das geschieht alles aus seiner Liebe zu uns, daß wir doch vom elenden Streit und Zank abgehen und in eine brüderliche und kindliche Liebe treten mögen.

17.8. So wollte ich Euch, weil ich ein sehr sehnendes Gemüt gespürt habe, nicht verbergen, daß es ein Ernst sein wird, und sage: Wohl denen, die unter dem Schall der Posaune mit ergriffen werden, die schon posaunt hat. Denn es kommt ein solcher Ernst hernach, daß Babel mit dem Streit samt allem überheblichen Stolz und Ehrgeiz sowie Falschheit und Ungerechtigkeit einen ernsten Trank trinken soll. Und eben diesen, den sie sich eingeschenkt hat, soll sie auch austrinken. Ich bitte um des ewigen Heils willen, solchem nachzusinnen, denn es ist (vom sehenden Geist) erkannt worden.

17.9. Ich bin erbötig, sofern das Gemüt nicht des Grundes genug in meinen Schriften haben kann, daß es darin ruhen könne, wenn mir dasselbe nur aufgezeichnet übersendet wird, es entsprechend zu erklären und aus dem Zentrum aller Wesen auszuführen, so daß ich verhoffe, dem Gemüt solle Genüge geschehen, obwohl es eben nicht am Forschen liegt. Denn keine Forschung ergreift das Perlein ohne Gottes Licht. Es gehört ein bußfertig demütiges Gemüt dazu, das sich ganz in Gottes Gnade hinein ergibt und läßt, das nichts forscht noch will als nur Gottes Liebe und Barmherzigkeit. In dem geht schließlich der helle Morgenstern auf, so daß das Gemüt ein solches Perlein findet, darin sich Seele und Leib erfreuen. Und wenn dieses gefunden wird, dann bedarf es weder des Forschens noch Lehrens, denn es steht geschrieben: »Sie werden von Gott gelehrt sein. (Joh. 6.45)« Ein solches eröffnet der Schall der siebenten Posaune im Gemüt vieler Menschen, wenn sie es nur mit Ernst in einem demütigen und in Gott gelassenen Willen suchen werden.

17.10. Darum, mein edles Herz, wollte ich Euch solches nicht verbergen. Viel Disputieren und Grübeln in eigenem Verstand findet das Perlein nicht. Aber ein ernster und bußfertiger Wille findet dasselbe, welches köstlicher als die Welt ist. Und wer es findet, der gäbe es nicht um aller Welt Reichtum, denn es gibt ihm zeitliche und ewige Freude, so daß er mitten im Kerker der Finsternis fröhlich sein kann und die fetten Tage dieser Welt wie Kot erachtet.

17.11. Christus sprach: »Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird Euch aufgetan. (Matth. 7.7)« Oder: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)« Hierin liegt der Grund. Es sage ja niemand: „Mein Herz ist verschlossen, ich kann nicht bitten!“ Und wenn mein Herz lauter „Nein“ spräche, so werfe ich mich doch in Christi Leiden und Tod. Und er werfe mich in Himmel oder Hölle, so will ich in seinem Tod sein, denn er ist mir ein ewiges Leben geworden. So heißt es dann: »Meine Schäflein kann mir niemand aus meinen Händen reißen. (Joh. 10.28)«

17.12. Der Weg zum edlen Perlein, um dieses zu suchen und zu erkennen, ist im Buch „Vom dreifachen Leben“ weit genug eröffnet, sonst wollte ich etwas davon erklärt haben. Damit befehle ich mich in Eure Gunst und uns alle in die sanfte Liebe Jesu Christi!

Datum, siehe oben, J. B.

18. Sendbrief an Hans Sigmund von Schweinichen, 3.7.1621

Die hohe Einschätzung des schlesischen Junkers Hans Sieg(is)mund von Schweinichen auf Schweinhaus hebt Böhme dadurch hervor, daß er ihn zusammen mit David von Schweinichen als »Erstling« einstuft. In der Tat ist es der Adressat, an dem Böhme später Anzeichen einer spirituellen Reifung wahrnimmt. Es ist derselbe H.S. von Schweinichen, dem Böhme als einzigem gestattet, ein kleines Druckwerk, bestehend aus meditativ gehaltenen Schriften, nämlich Christosophia (Der Weg zu Christo), herauszubringen. Welchen Sturm der Entrüstung diese einzige, im letzten Lebensjahr Böhmes publizierte Schrift bei den Gegnern ausgelöst hat, ist u.a. dem 53. Sendbrief zu entnehmen. (Quelle: Gerhard Wehr, Sendbriefe, 1979)

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung!

18.1. Edler, ehrenfester und hochbenamter Herr! Nebst dem Wunsch göttlicher Liebe und Freudenreich in unserem Emanuel, in seiner wundersüßen Kraft, und auch alle zeitliche Wohlfahrt des Leibes, wollte ich dem Herrn nicht verbergen, wie mir zu wissen gegeben wurde, daß der Herr ein besonderer Liebhaber der Quelle der Weisheit (Fontis Sapientiae) sei, auch etliche meiner Schriften lese und eine große Begierde nach dem Brünnlein Christi und der edlen Weisheit trage, welches mich bewogen hat, dem Herrn zu schreiben, zumal er etliche meiner Schriften für sich gebraucht.

18.2. Aber sich auch Leute finden, die aus Mißgunst mit Unbegriff derselben aus Unverstand dagegen prahlen, wie aus dem angehängten Zettel zu ersehen, wie der arme stolze Mensch prahlt, und hat doch nicht das geringste Verständnis, woraus meine Schriften fließen, und zieht sie noch ganz falsch aus fremdem Verstand heran, nur um seine elende Meinung damit zu bestätigen, dieweil er etliche Schriften von der Gnadenwahl Gottes über uns ausgesprengt (bzw. zerrissen) hat und uns so gedenkt, einen Strick der Verzweiflung an den Hals zu werfen und eine Tür der Leichtfertigkeit aufzutun. So schmeckt ihm wohl das offene Brünnlein Christi in meinen Schriften nicht.

(Hier spricht Böhme von Balthasar Tilke, einem Adeligen aus Schlesien, der eine Schmähschrift, ein „giftiges Pasquill“, gegen etliche Kapitel der Aurora veröffentlich hat und auch am Buch „Von der Menschwerdung Christi“ einige „Schmäh-Zettelchen“ angehängt, deren Inhalt offenbar nicht überliefert ist. Daraufhin sind 1621 zwei „Schutzschriften gegen Balthasar Tilke“ entstanden.)

18.3. Deshalb habe ich eine kurze Erklärung über seinen angehängten Zettel gemacht und dem Leser meines Buches zu erwägen gegeben, nur summarisch, weil der Grund sonst genug in meinen Schriften zu finden ist, daß man doch sehe, wie der Zettelanhänger gedenkt, uns bloßzustellen und den Schatz zu rauben, darin unser ewiges Heil liegt, und solches mit klugen Worten und Zitaten der (Heiligen) Schrift. Gleichwie eine Kröte aus Honig Gift saugt, so zieht er die Schrift an den Haaren heran, wie bei der Beschreibung der Jungfrau Maria und vom verheißenen Weibes-Samen zu sehen ist, wie er die Schrift verfälscht und verbittert, darauf er dann die Gnadenwahl setzt.

18.4. Welches mich in meinem Herzen trefflich jammert, daß der Mensch so beschwert ist und von einer solchen Meinung eingenommen, die eine schwere Last ist, und er daraus nicht entrinnen kann, er lerne denn das Zentrum aller Wesen erkennen, daraus Gutes und Böses entsteht, was Gottes Liebe und Zorn ist, und lerne die drei Prinzipien verstehen, sonst wird er davon nicht erlöst.

18.5. Wiewohl es mich nicht wundert, daß ihm meine Schriften fremd vorkommen, denn es ist ein Neues und ein Fahren über den Verstand hinaus. Sie haben ein anderes Verständnis als seine Schriften, eine andere Wurzel, daraus sie quellen. Denn ich habe sie nicht aus Buchstaben zusammengetragen oder gelernt. Ich war ein unverständiges Kind daran, wie der Laien Art ist, wußte auch nichts von solchen Dingen, und suchte es so auch nicht. Ich suchte allein das Herz und offene Brünnlein Jesu Christi, um mich darin vor dem schrecklichen Gewitter des göttlichen Zorns und dem Gegensatz des Teufels zu verbergen, damit ich einen Leiter und Führer bekommen könnte, der mein Leben führte und regierte.

18.6. Als mir dieses so hart ankam und mein Gemüt sich so hart im Streit gegen Sünde und Tod und für die Barmherzigkeit Gottes einzwängte, daß ich eher das Leben lassen wollte, als davon abzustehen, da wurde mir ein solches Kränzlein aufgesetzt, dessen ich mich in Ewigkeit zu erfreuen gedenke, und dazu ich keine Feder habe, solches zu beschreiben, viel weniger mit dem Mund auszusprechen. Und daraus ist mir meine Erkenntnis gekommen und die Begierde, diese aufzuschreiben, nur für mich zu einer Erinnerung, die ich bis an mein letztes Ende zu behalten gedachte. Doch wie es damit zugegangen war, ist dem Herrn durch Herrn N. wohl bewußt.

18.7. Weil es aber durch Gottes Schickung zu dem Ende geraten ist, daß der Herr zusammen mit seinem Herrn Bruder (David von Schweinichen) als Erstlinge dazu berufen waren, durch welche es fortgepflanzt wurde, so ermahne und bitte ich denselben um des ewigen Heils willen, das Perlein, das uns Gott gönnt, in acht zu nehmen.

18.8. Denn es wird eine Zeit kommen, daß es gesucht und angenehm sein wird. Dann wird man sich nicht wie im Sturmwind treiben lassen, sondern nur recht anschauen und Gott den Höchsten bitten, daß er die Tür der Erkenntnis auftun wolle, ohne dem niemand meine Schriften verstehen wird.

18.9. Denn sie gehen über den (zergliedernden) Verstand hinaus und begreifen und ergreifen die göttliche (ganzheitliche) Geburt. Darum muß auch ein ebengleicher Geist sein, der sie recht verstehen will. Kein Spekulieren erreicht sie, es sei denn, das Gemüt ist von Gott erleuchtet, zu welcher Findung dem suchenden Leser der Weg ganz treulich gewiesen worden ist.

18.10. Das erkläre ich mit guter Wahrheit vor Gott und Menschen und appelliere damit auch vor Gottes Gericht und sage, daß an keinem Disput ohne Gottes Licht und Geist etwas Gutes sei und dadurch auch nichts Beständiges und Gottgefälliges entstehen kann.

18.11. Darum, wer den Weg zu Gott im Grunde erkennen lernen will, der gehe nur aus all seinem eigenen Verstand und trete in ein bußfertiges, demütiges und in Gott gelassenes Kinderleben und suche nur kindisch, dann wird er himmlische Kraft und Weisheit erlangen und wird Christi Kindergeist anziehen, der ihn in alle Wahrheit leiten wird. Anders ist gar kein gerechter Weg als nur dieser einige. Wird es zu dem Ende kommen, daß ihm das jungfräuliche Kränzlein aufgesetzt werden kann, dann wird er keinem mehr sagen müssen: „Lehre mich!“ Denn es steht geschrieben: »Sie werden alle von Gott gelehrt sein.« Anders habe auch ich weder Wissen noch Kunst.

18.12. Ich bin in meinen Schriften gegangen, wie ein Schüler zur Schule geht oder wie ein Platzregen, der vorübergeht, und was er trifft, das trifft er. So ist auch mein Begriff gewesen bis heute.

18.13. Das Buch „Aurora oder Morgenröte“ war mein kindlicher Anfang. Ich schrieb also im Widerschein ohne Verstand, bloß nach dem Schauen, fast auf magische Art. Ich erkannte es wohl, aber es ist nicht genug ausgeführt. Es bedürfte Erklärung und besserer Ausführung. Denn ich gedachte es nur bei mir zu behalten, aber es wurde mir ohne meinen Willen entzogen und publiziert, wie dem Herrn bewußt ist. Ich befehle mich in des Herrn Gunst und uns alle in die sanfte Liebe Jesu Christi. J. B.

19. Sendbrief an Johann Daniel Koschowitz, 3.7.1621

(In denselben Kreis von Theosophen, die sich der herrschenden Orthodoxie entgegensetzten, um ein innerliches, herzliches Christentum zu verbreiten, statt der fanatischen Verfolgung Andersgläubiger Gedankenfreiheit und Toleranz einzuführen, und statt des Hasses die Liebe der Religion geltend machten, gehörten noch Hans von Schellenberg, Michael von Ender, Dr. Koschwig und Balthasar Tilke (von Tölken) in Striegau. Mit letzterem hatte Böhme zuerst einen Streit, später näherten sich beide, nachdem Jakob Böhme zwei Apologien auf die beiden angreifenden Zuschriften Tilkes geschrieben, von denen er die zweite in Begleitung eines Sendbriefes an Dr. Koschwitz sandte, damit er Tilke zu milderer und vorteilhafterer Beurteilung veranlasse, zumal jener schon für Böhme gewonnen war. Es wurde zu diesem Zweck ein Gespräch veranstaltet, wo Böhmes Persönlichkeit das Herz des Gegners gewann. Der Streit war ziemlich heftig gewesen. Böhme nannte Tilkes Angriffsschrift auf die Morgenröte ein feindliches Pasquill, das einige übel verstandene Texte falsch herangezogen und bestritten habe. Nach Böhmes erster Apologie, die den bösen Pasquillanten nicht gerade schonend behandelt, folgte eine zweite Streitschrift des Edelmanns über die Menschwerdung Christi. In der zweiten Apologie Böhmes ist deutlich zu erkennen, wie er im Innersten durch den Angriff des „giftigen Pasquills und unverständigen Eiferer“ gekränkt war, dennoch lenkt er im Brief an Koschwitz in einen versöhnlichen Ton ein… Böhme bittet zwar Dr. med. Friedr. Krause im 40. Sendbriefe vom 9. Febr. 1623, er möge Tilke bewegen, nicht mehr so unglimpflich, wie ehemals, mit ihm zu handeln, aber der Streit war beigelegt und es bestand freundschaftlicher Verkehr unter ihnen. - Quelle: Neues lausitzisches Magazin, Band 33, 1857)

(Dieser Brief wurde auch als Einleitung zur zweiten Schutzschrift gegen Balthasar Tilke abgedruckt.)

An Herrn Johann Daniel Koschowitz, Dr. med. und Practicus zu Striegau, vom 3. Juli 1621.

19.1. Ehrbarer, ehrenfester, hochgelehrter Herr und geliebter Bruder im Leben Jesu Christi! Neben dem Wunsch von unserem Immanuel, seiner Gnade, Liebe und Barmherzigkeit sowie aller zeitlichen Leibeswohlfahrt, soll ich dem Herrn nicht verbergen, daß ich das Buch mit den Zetteln (von Balthasar Tilke) gelesen und den Gegensatz an Verstand, Begriff und Meinung in der Liebe und Gottesfurcht betrachtet und gut genug verstanden habe, in welcher Erkenntnis dieser Mensch laufe und wie er meine Schriften noch nicht im geringsten verstanden hat.

19.2. Auch jammert mich dieser Mensch gar sehr, daß er sich in eine solche Gruft mit der Gnadenwahl Gottes vertieft hat, daraus er gewiß nicht entkommen kann, er lerne denn das Zentrum aller Wesen erkennen. Auch geht er jämmerlich irre wegen Christi Menschheit und seiner Mutter Maria, so daß seine Meinung unserem christlichen Glauben, auf dem unser wiedergebrachtes Heil steht, ganz zuwider ist.

19.3. Ich wünsche aber von Herzen, daß der Mensch sehend werden möge, denn er ist ein Eiferer, und so würde doch sein Eifer nützlich sein. Allein dieser Weg, den er jetzt geht, ist nur eine offene Türe zu aller Leichtfertigkeit und Verzweiflung, und dazu wird schwere Rechenschaft gehören, die Menschen so in Verzweiflung und Leichtfertigkeit hineinzuführen.

19.4. Ich wünschte, daß ihm geraten werden könnte, so daß er sehend würde, damit er doch das freundliche Liebe-Herz Jesu Christi erkennen kann, das sich in unserer Menschheit offenbart hat, um uns arme verlorene Menschen zu suchen und selig zu machen. Denn solcher leichtfertige Spott, den er gegen seinen Bruder treibt, ist gar kein christlicher Weg. Er wird nicht Zion erbauen, sondern zerstören. Will er unter dem Schall der siebenten Posaune mit ergriffen und ein Erstling sein, dann muß er von allem Spott, Zank und Verachtung abgehen und nur das brüderliche Liebe-Herz suchen, sonst ist alles Babel und Fabel, Streiten und Zanken und kann nimmer an das Ziel unserer Ruhe in Christus kommen.

19.5. Ich habe es ihm und den anderen Lesern meiner Schriften ein wenig entworfen, um dem nachzudenken, weil ich sehe, daß nicht allein mein Gegensatz, sondern auch andere, meistenteils von hohem Stand, mit solchem Wahn wegen der Gnadenwahl Gottes bekümmert sind, ob vielleicht manchem der beschwerte Irrtum aus dem Gemüt gebracht werden könnte.

19.6. Ich bin aber bedacht, ein ganzes Buch darüber zu schreiben („Von der Gnadenwahl“, 1623), sofern ich vernehmen werde, daß man mir nicht so heftig widerstreben wird, ohne Erkenntnis, wessen Geistes Kind ich sei.

19.7. Solches zu bedenken, stelle ich Euch als gelehrte und erfahrene Leute anheim und bitte, es nur recht zu betrachten, woher mir meine Erkenntnis und Wissenschaft kommen kann. Denn ihr seht und wißt, daß ich es nie gelernt habe, viel weniger zuvor bedacht oder verstanden wie es die Art der albernen einfältigen Laien ist. Ich habe es auch so nie gesucht oder etwas im geringsten davon verstanden. Es ist mir aber aus Gnade des Höchsten gegeben worden, in dem ich sein liebes Herz gesucht habe, um mich darin vor dem grausamen Zorn Gottes und der Feindschaft des Teufels zu verbergen.

19.8. Darum ermahne und bitte ich Euch in der Liebe Christi, dem nachzusinnen und es recht gegen den Geist der Heiligen Schrift zu halten und mit einem rechten christlichen Gemüt recht auf die Probe zu stellen. Dann werden Euch die Augen aufgetan, daß ihr es sehen und erkennen werdet.

19.9. Wiewohl ich an der Person des Herrn gar nicht zweifle, den ich für einen gar frommen Liebhaber Gottes und der Wahrheit ansehe, und hoffe auch, mein Gemüt welches in Liebe trefflich sehr zum Herrn geneigt ist, werde mich nicht betrogen haben.

19.10. Denn ich sehe es wohl und habe solches auch in meinem Gebet zu Gott getragen, daß dem Herrn noch das schöne Kränzlein der göttlichen Ehre in der Erkenntnis der Weisheit aufgesetzt werden könne, so daß er weder meine noch andere Schriften zur Erkenntnis Gottes bedürfen wird, sondern den Herrn in sich selbst erkennen, wie es mir auch geschehen ist, daraus ich schreibe und sonst nichts anderes dazu brauche. Denn es steht geschrieben: »Sie sollen alle von Gott gelehrt sein und den Herrn erkennen. (Joh. 6.45)« »Ich will meinen Geist über alles Fleisch ausgießen.« Oder: »Ihre Söhne und ihre Töchter sollen weissagen, und ihre Jünglinge sollen Gesichte (Visionen) haben. (Apg. 2.17)«

19.11. Warum will man das dann verspotten, wenn Gott seinen Geist über so einen einfältigen Mann ausgießt, daß er über aller Menschen Verstand schreiben muß, höher als der Grund dieser Welt ist?

19.12. Lieber Herr, es geschieht aus Gottes Liebe zu Euch, damit ihr doch Grund und Wurzel eures Schulen-Streits sehen mögt. Denn viele haben gesucht, aber nicht am rechten (richtigen) Ziel. Davon ist ihnen der Streit geworden, welcher die Welt erfüllt und fast alle brüderliche Liebe zerstört hat.

19.13. Darum ruft Euch Gott mit einer höheren Stimme, daß ihr doch seht, woher alles Böse und Gute entsteht und komme, damit ihr vom Streit ablassen und Ihn am höchsten erkennen sollt, welches von der Welt her verborgen war und nur den Kindern der Heiligen offenbart wird.

19.14. Weil mir aber bewußt ist, wie der Herr sein Herz zur Weisheit neigt, so rede ich zu ihm kühnlich und hoffe, er werde es in rechter Liebe annehmen und recht erkennen, wie es gemeint ist.

19.15. Ich wünschte, daß ich ihm den halben Geist meiner Erkenntnis geben könnte, dann bedürfte er keines Schreibens mehr, wiewohl ich ihn für weise halte. So wollte ich Euch aber noch um eines mit diesem Schreiben brüderlich ersuchen, ehe der rauhe Winter der Trübsal kommt, welcher auf der Bahn ist.

19.16. Wenn dem Herrn meine Schriften belieben, dann bitte ich ihn, sie nur fleißig zu lesen und vor allen Dingen sich auf das Zentrum aller Wesen zu richten, dann werden ihm die drei Prinzipien gar leicht sein. Ich weiß und bin gewiß, wenn der Herr das Zentrum im Geist ergreift, dann wird er eine solche Freude darüber haben, die aller Welt Freude übertrifft, denn der edle Stein der Weisen liegt darin. Er gibt die Gewißheit aller Dinge. Er erlöst den Menschen von allem Kummer im Religionsstreit und eröffnet ihm seine höchste Heimlichkeit, die in ihm selbst liegt. Sein Werk, zu dem er von der Natur erkoren ist, bringt er zur höchsten Vollkommenheit und kann allen Dingen ins Herz sehen. Kann das nicht ein Kleinod über alle Köstlichkeit der Welt sein?

19.17. Und wenn dem Herrn in meinen Schriften etwas begegnet, das unverstanden und zu hoch sein sollte, bitte ich nur anzumerken und mir schriftlich zu schicken, dann will ich es kindischer geben. Weil ich aber ein feines und hohes Verständnis dafür beim Herrn bemerkt habe, so ermahne und bitte ich in rechter Meinung, die vor Gott gestellt wird, man wolle doch auch in ein solches Leben treten und in dieser Erkenntnis leben und wandeln, damit wir in Zion als berufene Erstlinge im Herrn befunden werden.

19.18. Denn es eröffnet sich eine Zeit, die wunderlich ist, wie in meinen Schriften genug angedeutet wurde. Sie kommt gewiß, und darum ist Ernst zu gebrauchen nötig.

19.19. Dem Herrn N. zu N., wenn die Herren in eine Konversation kämen, bitte ich aus des Herrn Gaben zu berichten, denn er ist eifrig und ein großer Sucher. Gott gebe ihm, daß er es finde! Bitte auch das inliegende Schreiben an ihn bei nächster Gelegenheit ihm zu senden, daran ihm und mir ein Wohlgefallen geschieht, auch dem edlen Herrn N. dies mit zu übersenden oder auch mit zu N. zu schicken, daß er es hinbefördere.

19.20. Wegen des giftigen Pasquilles (von Balthasar Tilke gegen die Aurora) des unverständigen Eiferers habe ich 23 Bögen zur Antwort gegeben („Erste Schutzbrief gegen Balthasar Tilke“), aber die Antwort bis heute aufgeschoben, um den Menschen nicht zu beschämen. Ich hoffe, er werde vielleicht durch guter Leute Unterweisung sehend werden. Ich habe sie auch noch verboten, weiterzugeben, ob es möglich sein wollte, daß er von seiner Bosheit abließe. Denn sonst, wenn die Antwort an den Tag kommen soll, wird er schlechteren Ruhm davon bekommen, wie er wohl erhofft. Ich gebe dieweil dies wenige, um es zu erwägen.

19.21. Genügt es ihm nicht, so in brüderlicher Liebe zu handeln, dann sei er sich gewiß, daß dort, wo Gottes Liebe ist, auch sein Zorn ist, so daß ihm solches gewiesen werden möchte, daß er sich dessen schämen und wünschen würde, er hätte es nie angefangen. Will er aber zufrieden sein, dann mag die Antwort am bekannten Ort ruhen. Er mag es sicher glauben, daß ich weiter sehe als er versteht.

19.22. Allein um der Nachsicht und göttlicher Ehre willen habe ich bewußter Person freundlich geantwortet, denn mir liegt mehr an Gottes Kindern als an Rechtfertigung. Denn für die Wahrheit und Christi Ehre leide ich gern Schmach, denn es ist das Kenn-Zeichen Christi. Das sage ich dem Herrn freundlich und empfehle ihn samt allen, die Jesus liebhaben, in die Gnade Jesu Christi. J.B.

20. Sendbrief an Gottfried Freudenhammer von Freudenheim, 17.10.1621

(Seine Reisen führten ihn nach Glogau, Troppau, Breslau und Striegau. Hier besprach er sich mit den Ärzten Dr. Freudenhammer von Freudenheim, Dr. Johann Daniel Koschwitz, Dr. Christian Steinberger und Dr. Göller, die in seiner Korrespondenz und seinen Disputationen eine Zeitlang eine bedeutende Rolle spielten… - Quelle: Jakob Böhme, Leben und Werk, Ernst-Heinz Lemper, 1976, S79)

(Gottfried Freudenhammer von Freudenheim war ein Enkel des Joh. Freudenhammer, welcher 1548 in Königsberg den Magistergrad erworben, dort Pfarrer wurde, eine Tochter des Andreas Osiander heimführte und mit Joh. Aurifaber 1567 sein Königsberger Amt mit einem Breslauer vertauschte. Als Leibarzt begleitete er im Sommer 1645 den Posener Wojewoden Christoph von Bnin Opalinski, den Kastellan von Hohensalza Alexander von Bnin Opalinski, den Erbherrn von Bentschen, Reisen und Grätz Franz Ciswicki, den Erbherrn von Kopnitz Joh. Sierakowski, den Freiherrn Hans Ludwig von Wolzogen, den bekannten Unitarier, nach Paris… Nach Lissa war Freudenhammer im November 1628 gekommen, da er aus Beuthen, wo er am Schönaichianum eine Professur der Medizin bekleidete, (wegen der Rekatholisierung) flüchten mußte… - Quelle: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, 1936, S71)

(Ende November 1628 wurde die Rekatholisierung gezielt auf die bislang von ihr ausgenommene Herrschaft Beuthen ausgedehnt. Anteil hatte daran auch Gottfried Freudenhammer von Freudenheim, der sich seit einiger Zeit in Beuthen als Arzt aufgehalten hatte und jetzt die Stadt verließ. Er ging nach Lissa. Er soll vor seinem Aufenthalt in Beuthen den Widerstand der evangelischen Kirche in Glogau gegen die Rekatholisierung mitverursacht haben. - Quelle: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band 35, 1995, S93)

An Herrn Gottfried Freudenhammer von Freudenheim, Dr. med. zu Großen-Glogau, vom 17. Oktober 1621.

Der offene Brunnquell Gottes im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung und stetes Licht!

20.1. Ehrenfester, achtbarer und hochgelehrter Herr! Ich wünsche dem Herrn einzig und allein, was meine Seele von Gott begehrt, nämlich die rechte wahre göttliche Erkenntnis in der Liebe Jesu Christi, so daß Gott das Zentrum seiner Seele aufschließen könne, damit der paradiesische Lilienzweig in Christi Rosengärtlein grünen, wachsen, blühen und Frucht tragen kann und der Strom aus Christi Brünnlein von ihm ausfließe und er von Gott gelehrt werde, so daß ihn sein Heiliger Geist allein treibe und regiere, wie geschrieben steht: »Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.«

20.2. Des Herrn Schreiben habe ich empfangen und daraus verstanden, daß er meine Schriften gelesen habe und sich diese belieben lasse. Und ich wünsche Herzen von, daß derselben Sinn und rechter Verstand ergriffen werden möge, dann bedürfte er kein weiteres Fragen oder Forschen.

20.3. Denn das Buch, darin alle Heimlichkeit liegt, ist der Mensch selbst. Er ist selbst das Buch des Wesens aller Wesen, weil er die Gleichheit der Gottheit ist. Das große Geheimnis liegt in ihm, nur das Offenbaren gehört dem Geist Gottes.

20.4. Denn wenn die Lilie in Christi Menschheit in der neuen Wiedergeburt aus der Seele ausgrünt, dann kommt aus dieser Lilie der Geist Gottes als aus seinem eigenen Ursprung und Grund heraus, und der sucht und findet alle Verborgenheit in der göttlichen Weisheit.

20.5. Denn der Lilienzweig, der in der neuen Geburt aus Christi Menschheit ausgrünt (d.h. der neugeborene Geist aus der seelischen Essenz in Christi Kraft), ist ein wahrhaftiger Zweig aus und in Gottes Baum bestehend.

20.6. Gleichwie eine Mutter ein Kind gebiert, so wird der neue Mensch in und aus Gott geboren. Und so und gar nicht anders ist er Gottes Kind und Erbe, ein Kind des Himmels und Paradieses.

20.7. Denn es gilt keine zugerechnete Gerechtigkeit, weil ein Fremdling Gottes Reich nicht erben kann, sondern eine eingeborene Gerechtigkeit aus Gottes Wesenheit als aus Gottes Wasser und Geist, wie uns Christus sagt: Wir müssen wie die Kinder werden und in Gottes Essenz empfangen und als neue Kinder in Gottes Essenz ausgrünen und ausgeboren werden auf Art, wie eine schöne Blume aus der wilden Erde oder wie ein köstlich schönes Gold im groben Stein wächst. Anders können wir Gottes Reich weder schauen noch erben.

20.8. Denn was die innere geistige Welt ererben will, muß aus derselben geboren werden. Das irdische Fleisch aus den vier Elementen kann Gottes Reich nicht erben. (Joh. 6.63; 1.Kor. 15.50)

20.9. Aber das fünfte Wesen, als das heilige Element, daraus die vier Elemente geboren werden, (welches das Paradies ist,) das muß über die vier Elemente in der Art herrschen, wie das Licht die Finsternis in sich gleichsam verschlungen hält, obwohl sie doch wahrhaftig in sich da ist. So muß es auch mit dem Menschen geschehen.

20.10. Nur in dieser Zeit des irdischen Lebens kann es mit dem äußeren Menschen nicht sein, denn die äußere Welt herrscht über den äußeren Menschen, weil sie in Adam offenbar geworden ist, welches sein Fall war.

20.11. Darum muß dieser Mensch zerbrechen, wie auch die äußere Welt zerbricht. Und darum kann es in dieser Zeit mit keinem Menschen zur Vollkommenheit kommen. Sondern der rechte Mensch muß im Streit gegen das irdische verdorbene Leben bleiben, welches sein Gegensatz ist, darin Ewigkeit und Zeit gegeneinander streiten.

20.12. Denn durch diesen Streit wird das große Geheimnis eröffnet und die ewigen Wunder in Gottes Weisheit werden aus der seelischen Essenz offenbar.

20.13. Gleichwie sich der ewige Gott mit der Zeit offenbart hat und seine ewigen Wunder mit der Zeit in Streit und Gegensätzlichkeit führte, damit sich durch den Streit das Verborgene eröffne, so muß im Streit auch das große Mysterium im Menschen offenbar werden, in welchem Gottes Zorn und Liebe gleichwie Feuer und Licht im Streit sind.

20.14. Denn in der Seele, die aus dem ewigen Feuer aus der Eigenschaft des Vaters als aus der ewigen anfangslosen Natur aus der Finsternis entsteht, muß das Licht, welches in Adam verloschen ist, durch Christi Eingehung wieder geboren werden. Dann ist ihm Christus und Gottes Reich aus Gnade geschenkt.

20.15. Denn kein Mensch kann sich das nehmen, es sei denn, Gottes Liebe dringt aus Gnade wieder in das Zentrum der Seele hinein und führt den Willen Gottes in himmlischer Wesenheit als einen neuen Zweig oder ein neues Ebenbild aus dem Seelenfeuer heraus, gleichwie das Licht aus dem Feuer scheint.

20.16. Darum ist alles ein Ungrund (bzw. grundloser Unsinn), was Babel von der äußerlich zugerechneten Gerechtigkeit und von außen angenommener Kindschaft lehrt. Denn Christus sprach: »Ihr müßt von neuem geboren werden, anders könnt ihr Gottes Reich nicht sehen. (Joh. 3.3)«

20.17. Hier hilft kein heuchlerisches Trösten mit Christi Tod, sondern in Christi Tod eingehen und in ihm ausgrünen, in ihm und mit ihm auferstehen und im neuen Menschen Christus werden.

20.18. Gleichwie Christus die Welt, auch seines Vaters Zorn als das Zentrum der ewigen Natur in der seelischen Eigenschaft, mit seiner Liebe ertötet, gelöscht und überwunden hat, nämlich mit dem neu eingeführten Liebesfeuer in die seelische Essenz (in welche zuvor der Teufel seine Begierde hineingeführt hatte), so müssen auch wir in und mit Christi Geist den irdischen Adam in Gottes Zorn ersäufen und mit Gottes Liebe ertöten, damit der neue Mensch ausgrüne. Anders ist kein Sünde-Vergeben, auch weder Kindschaft noch Gerechtigkeit.

20.19. Das Reich Gottes muß innerlich in uns geboren werden. Anders können wir nicht mit dem Auge der Ewigkeit in die englische Welt sehen.

20.20. Sonst ist alles Dichten und Trachten, Lernen und Studieren umsonst. Weder Kunst noch Verstand erlangen es. Wir müssen nur durch die Tür eingehen, die uns Gott in Christus aufgetan hat, und in Gottes Reich ausgrünen und dem irdischen Willen absterben, so daß er uns hinterher nur noch anhängt. So muß in uns des Weibes Samen immerfort der Schlange den Kopf zertreten.

20.21. Der Eigenverstand kann kein Kind Gottes machen. Denn es liegt nicht an unserem Wollen, Laufen und Rennen, wie Paulus sagt, sondern an Gottes Erbarmen (Röm. 9.16).

20.22. Meine Ichheit kann es nicht erreichen. Meine Ichheit muß in Christi Tod absterben und dem Nichts anheimfallen. Dann fällt meine Ichheit in Gottes Erbarmen und ist am Ziel des ersten Menschen und steht wieder im Schöpfungswort (Verbo Fiat). Hier macht Gottes Erbarmen durch Christi Eingehen in unsere Menschheit den neuen Menschen aus Gnade.

20.23. Darum muß der verdorbene irdische Wille durch rechte (wirklich) wahre Buße absterben und in die Gelassenheit eingehen als in das Nichts, den Willen seines Verstandes ganz in den Tod ergeben und sich selber nicht mehr wollen noch wissen, sondern an Gottes Erbarmen hängen.

20.24. So heißt es dann, wie Gott im Propheten spricht: »Mein Herz bricht mir, daß ich mich seiner erbarmen muß. Kann denn eine Mutter ihr Kind vergessen, daß sie sich nicht erbarmt über den Sohn ihres Leibes? Und wenn sie schon den Sohn vergäße, dann will ich doch dein nicht vergessen. Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet. (Jes. 49.15)«

20.25. In diesem, als in Gottes Erbarmen, steht der neue Mensch auf und grünt im Himmelreich und Paradies, auch wenn der irdische Leib in dieser Welt ist.

20.26. Darum sagt St. Paulus: »Unser Wandel ist im Himmel. (Phil. 3.20)« So wandelt der neue Mensch im Himmel, und der alte in dieser Welt, denn der Himmel, darin Gott wohnt, ist im neuen Menschen.

20.27. So, mein lieber Herr und Bruder, und auf keine andere Weise habe ich das Mysterium gefunden. Ich habe es nicht studiert oder gelernt. Wenn Euch oder einem anderen danach dürstet, dem bin ich brüderlich geneigt, den Weg zu zeigen, wie es mir begegnet ist und wie ich das in meinen Schriften, besonders im Buch „Vom dreifachen Leben des Menschen“ und im Buch der „Drei Prinzipien göttlichen Wesens“, der Länge nach beschrieben habe.

20.28. Zwar für mich selbst zu einer geistigen Übung in der Erkenntnis Gottes, aber weil es durch Gottes Schickung dahin geraten ist, daß es gelesen wird, so gönne ich es einem jeden, der es in Ernst zu verstehen begehrt und wünsche von Herzen, daß es dem Leser und einem jeden in sich selbst offenbar und erkannt sein möchte, dann bedürfte es keines Forschens mehr.

20.29. Weil es aber Gott durch die Propheten verheißen hat, besonders im Joel 3.1, daß er seinen Geist zur letzten Zeit über alles Fleisch ausgießen will, so ist die Zeit in acht zu nehmen.

20.30. Ich sage, wie ich es erkannt habe. Wer sich jetzt selber absterben will, den will der Geist des Herrn nach Joels Deutung ergreifen und seine Wunder durch ihn offenbaren. Darum, ist es jemandem ein Ernst, dann wird er es erfahren.

20.31. Aber ich will einen jeden treulich gewarnt haben: Wenn es geschehe, daß Gottes Licht in ihm aufginge, daß er ja in großer Demut in der Gelassenheit stehenbleibe, als im Tod Christi.

20.32. Denn der Himmel soll jetzt seine langgewirkte Ausgeburt (Egest) vom Gestirn ausschütten, die er in menschlicher Eigenschaft mitgewirkt hat. Damit er also vom gestirnten Himmel nicht ergriffen werde und aus der Gelassenheit über das Ziel hinausfahre.

20.33. Wie an den Methisten (Anhänger von Böhmes Zeitgenossen Ezechiel Meth, siehe auch „Vom Irrtum der Sekten Esaia Stiefels und Ezechiel Meths“, 1622) zu sehen ist, welche bis in die Tore der Tiefe gekommen waren, aber vom gestirnten Himmel wieder ergriffen wurden, in sich selber wieder eingingen, sich erhoben und vom Kampf gegen die Schlange ab und damit in ein Eigenes hineingingen, vermeinend, sie wären ganz in Gott verwandelt, doch haben so die äußerliche Welt mit der innerlichen vermischt.

20.34. Welches ein Ungrund (der Haltlosigkeit) ist, und man sich wohl vorsehen sollte, daß man in höchster Demut vor Gott stehenbleibe, bis aus dem eingesäten Körnlein ein Baum wachse und zur Blüte komme, und der Geist Gottes eine Gestalt in ihm gewinne.

20.35. Denn aus dieser Blüte geht der Morgenstern auf, so daß sich der Mensch selbst erkennen lernt, was er ist und was Gott und die Zeit ist.

20.36. Ich gebe dem Herrn wohlmeinend zu wissen, daß die jetzige Zeit wohl in acht zu nehmen ist, denn der siebente Engel in der Apokalypse (bzw. Offenbarung) hat seine Posaune gerichtet. So stehen des Himmels Kräfte in besonderer Bewegung, dazu sind beide Türen offen und in großer Begierde zum Licht oder zur Finsternis. Wie ein jedes ergriffen werden wird, so wird es eingehen. Und wessen sich einer hoch erfreuen wird, das wird ein anderer verspotten. Darauf ergeht das schwere und strenge Gericht über Babel. Damit empfehle ich den Herrn samt den Seinigen in die sanfte Liebe Jesu Christi. J. B.

21. Sendbrief an Christian Bernhard, 29.10.1621

Emanuel!

21.1. Ehrenfester, in Christus vielgeliebter hoher Freund! Ich wünsche Euch einzig und allein, was meine Seele stets von Gott wünscht und begehrt, nämlich rechte wahre Erkenntnis Gottes in der Liebe Jesu Christi, so daß Euch der schöne Morgenstern stets aufgehen und in Euch durch dieses Jammermeer zur ewigen Freude leuchten möge. Und ermahne Euch in der Liebe Christi aus meinem herzlichen Wohlmeinen, auf dem angefangenen Weg in Christi Ritterschaft fortzufahren und beständig zu bleiben, damit das Paradiesbäumlein wachsen und zunehmen möge. Ihr werdet Eure edle Frucht hernach wohl sehen und ewig genießen und Euch genugsam daran erfreuen. Auch wenn sie eine Zeitlang vom irdischen Acker verdeckt wird, so wächst doch das edle Gold unaufhaltsam.

21.2. Wie es eurem Bruder zu Beuthen gehe, dem ihr diese Schriften geliehen habt, und was er für ein Urteil (Judicium) geschöpft hat, wäre mir lieb zu wissen. Denn es gibt sonst noch mehr Leute zu Beuthen, welche auch etwas davon haben wollen und die anderen (Schriften) heftig begehren, und so würdet ihr eurem lieben Bruder und anderen einen Dienst daran erzeigen, wenn sie etwas mehr ausleihen könnten. Dazu will ich in Kürze etwas mehr schicken, was Euch noch ermangelt.

21.3. Herr Kaspar Lindner, Zöllner zu Beuthen und des Rates, ist auch ein Liebhaber. Wenn er etwas begehren würde, dann tut ihr wohl, es ihm zu leihen. Er pflegt es nicht lange aufzuhalten. Diese Schriften sind weit und fern in vielen Ländern bei Hohen und Niedrigen, auch teils hochgelehrten Leuten bekannt und erschollen. Gott richte sie zu seinen Ehren!

21.4. Ich übersende Euch mit Boten drei Säcke für das Korn, das Herr Rudolf schicken will. Ich bitte, habt doch so viel Mühe und nehmt es zu Euch. Wenn Specht oder der andere von der Rausche hinüberkommen wird und ihr ihn seht, dann sagt es ihm doch und wollt es ihm anmelden. Er wird es mir wohl bringen, und ich will es wieder freundlich verschulden. Damit befehle ich Euch in die Liebe Jesu Christi.

Datum, siehe oben, Euer dienstwilliger Freund und Bruder, J. B.

22. Sendbrief an Hans von Schellendorf, 1.1.1622

Vorbemerkung: Dieser Brief erklärt die Magie, welche von der verstorbenen Frau des Herrn Hans von Schellendorf, eines Vornehmen vom Adel im Liegnitzischen, durch ihren Grabstein aus den Augen ihres Bildnisses gedrungen war, so daß man diese allgemein feucht gefunden hatte, als wenn sie geweint hätte. (Hans Dietrich von Tschesch)

22.1. Diese Frage ist dunkel (bzw. tief) im Verständnis und bedürfte eines Josef, der es erklärte, denn es ist ein magisches Ding und fast wunderlich, darauf sehr schwer zu antworten ist, denn es kommt aus der Magie.

22.2. Um Euch jedoch meine Gedanken dazu zu eröffnen, ohne daß ich darüber etwas beschließen und ein gewisses Urteil fällen wollte, will ich mein Bedenken kurz summarisch darstellen und auch Euch und anderen von Gott erleuchteten Männern ihr Bedenken lassen. Was mir aber Gott zu prüfen (und zu erklären) gegeben hat, das stelle ich zu Eurem Urteil, weil Ihr die Sachverhalte der bewußten Person mehr kennt als ich, denn alle Dinge geschehen nach Zeit, Maß und Ziel des jeweiligen Dinges.

22.3. Ein harter grober Mauerstein hat kein Leben, das beweglich wäre, denn das elementische vegetative Leben steht darin still und ist mit der ersten Verdichtung eingeschlossen, aber nicht dergestalt, daß es ein Nichts sei. Es gibt kein Ding in dieser Welt, darin nicht das elementische sowie das siderische Regiment läge. Aber in einem mehr beweglich und wirkend als im anderen, und wir können doch auch nicht sagen, daß die vier Elemente samt dem Gestirn nicht täglich ihre Wirkung in allen Dingen hätten.

22.4. Aber weil dies ein harter Stein ist, so ist das Mirakel (Wunder) weit über dem gewöhnlichen Lauf der Natur. So kann man eigentlich nicht sagen, daß es eine natürliche Ursache im Stein habe, so daß die Wirkung des Steines solches errege, sondern es ist eine magische Bewegung vom Geist, dessen Bildnis in diesem Stein ausgehauen und modelliert wurde.

22.5. Denn ein Stein besteht in drei Dingen, wie auch alle Wesen in diesen drei Dingen bestehen, aber in zweierlei eingeschlossen, nämlich in einem Geistigen und einem Leiblichen. Und die drei Dinge, darin alles besteht, was in dieser Welt ist, das sind Sulphur, Salz und Mercurius* in zwei Eigenschaften, als in einer himmlischen und einer irdischen, gleichwie Gott in der Zeit wohnt und die Zeit in Gott, und doch ist die Zeit nicht Gott, sondern aus Gott als ein Bild der Ewigkeit, mit dem sich die Ewigkeit abmalt (bzw. abbildet).

(* Sulphur oder brennbarer Schwefel als Seele-Körper, Salz als Kristallisation und Quecksilber als lebendiges Silber oder reflektierendes Bewußtsein)

22.6. So ist auch der Mensch aus der Zeit und auch aus der Ewigkeit, und besteht ebenfalls in drei Dingen als in Sulphur, Mercurius und Salz in zwei Teilen, nämlich ein Teil aus der Zeit als der äußerliche Leib und der andere Teil in der Ewigkeit als die Seele.

22.7. Weil dann der Mensch und die Zeit sowie die Ewigkeit in einem Regiment im Menschen stehen, so ist dieser Frage jetzt nachzusinnen: Denn der Mensch ist eine kleine Welt aus der großen und hat die Eigenschaft der ganzen großen Welt in sich. So hat er auch die Eigenschaft der Erde und Steine in sich. Denn Gott sprach zu ihm nach dem Fall: »Du bist Erde und sollst zu Erde werden«, das heißt, Sulphur, Mercurius und Salz. Darin besteht alles in dieser Welt, sei es geistig oder leiblich, bis zur Seele, die in solcher Eigenschaft nach dem Recht der ewigen Natur besteht, wie ich in meinen Schriften genug dargetan habe.

22.8. Wenn nun der Mensch stirbt, dann verlischt das äußere Licht im äußeren Sulphur mit seinem äußerlichen Feuer, darin das elementische Leben gebrannt hat. Damit zerstäubt (und zerfällt) der äußere Leib und geht wieder in das, aus dem er gekommen ist. Aber die Seele, welche aus der ewigen Natur geboren ist und dem Adam vom Geist Gottes eingeführt wurde, die kann nicht sterben, denn sie ist nicht aus der Zeit, sondern aus der ewigen Gebärung.

22.9. Doch wenn es nun so ist, daß die Seele ihre Begierde etwa in zeitliche Dinge hineingeführt und sich damit verdichtet hat, dann hat sie die Eigenschaft dieser Dinge in ihre Begierde hinein verdichtet und hält es magisch, als hätte sie es leiblich. Den Leib kann sie zwar nicht halten, das heißt, den elementischen, aber den siderischen Leib hält sie, bis das Gestirn auch ihn verzehrt.

22.10. Und so geschieht es oft, daß sich Leute nach ihrem Tod mit ihrem eigenen Leib in Häusern sehen lassen. Aber der Leib ist kalt, tot und erstarrt. Und der Seelengeist zieht diesen nur durch den Sternengeist an sich, so lange bis der Leib verwest. Mancher Leib wird auch durch die Begierde der Seele vom Sternengeist so sehr eingenommen, daß er nur langsam verwest.

22.11. Denn die Begierde der Seele führt den siderischen Geist dahinein, so daß die Elemente wie mit einem Sternenleben verdichtet werden, besonders wenn die Seele noch nicht zur Ruhe gekommen ist, weil sie sich im leiblichen Leben irgendetwas zu hart eingebildet hat. Und ist ihr der Leib indessen abgestorben (bevor sie ihre Begierde aus dem Ding wieder herausgeführt hat), dann läuft ihr Wille noch immer in derselben Verdichtung und wollte gern ihre Sache in Recht verwandeln, aber kann es nicht. So sucht sie die Ursache ihres Festhaltens und wollte gern in der Ewigkeit in Ruhe sein, aber das verdichtete Ding mit dem Sternengeist hat sein Treiben, bis es das Gestirn verzehrt. Vorzeiten wurde im Papsttum etwas davon behandelt, aber nicht mit genügender Vernunft.

22.12. So kann der Herr nun diesem leicht nachsinnen, wie es zugegangen sei, daß der Grabstein Wasser geweint habe. Es geschah nicht aus der Macht des Steines, sondern aus der Macht des Geistes, dessen der Stein ein Bildnis ist. So ist es auch nicht aus der Seele eigener Essenz geschehen, sondern magisch durch den Sternengeist. Das Gestirn vom Seelengeist hat sich in den siderischen Geist im Stein hinein verdichtet, alles nach der Begierde der Seele. Sie hat damit angedeutet, daß ihr zu Lebezeiten etwas Schweres im Gemüt lag, und diese Schwermut war nach dem siderischen Geist in ihr gewesen. Denn Christus sprach: »Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. (Matth. 6.2)« Und in der Offenbarung Jesu Christi steht: »Es sollen uns unsere Werke nachfolgen. (Offb. 14.13)«

22.13. Mein lieber Herr, hier weiter zu richten gebührt mir nicht. Bedenkt Euch, ob nicht besagte Person vor ihrem Ende etwas schwer Anliegendes in sich gehabt hat, ob ihr jemand großes Unrecht getan oder ob sie jemand Unrecht getan hat, oder ob es die Kümmernis um ihren Ehegemahl oder Kinder gewesen sei, oder in wie fern sie eine heilige Person gewesen war und gesehen hat, daß die ihrigen etwa einen bösen Weg gingen, so daß sie so mit der Macht des siderischen Geistes durch den Stein solche Andeutung zur Besserung gegeben habe. Bedenkt Euch nur recht, mein edler Herr, ich lasse mich bedünken, ich habe es unter diesen genannten Dingen ziemlich getroffen.

22.14. Weil ich aber die Person nicht gekannt habe und auch nichts von ihr weiß, so stelle ich Euch das Urteil selbst anheim. Sie werden es besser wissen als ich, was ihr angelegen gewesen war. Ich schreibe allein von der Möglichkeit, wie es geschehen kann, und fälle weiter kein Urteil.

22.15. Daß aber solches verlacht werden möchte, davon lasse ich mich nicht beirren. Ich verstehe (Gott Lob!) diesen Grund gar wohl, denn ein solches Wissen habe ich nicht von oder durch Menschen gelernt, sondern es ist mir gegeben worden, und ich könnte es mit weiterer Erklärung genug begründen, wenn ich von menschlicher Eigenschaft schreiben würde, wie ein Mensch im Leben und im Tod sei.

22.16. Dazu übersende ich Euch das Büchlein „Von den vierzig Fragen zur Seele“. Darin werdet ihr weiteren Grund finden, welcher im Buch „Vom dreifachen Leben“ noch besser in das Zentrum aller Wesen gegründet ist und vielmehr im Buch „De Signatura Rerum“. Dazu bitte ich aber, mit diesem Gutdünken und der Erklärung der Frage vor leichten (oberflächlichen) Leuten nicht viel zu erzählen, denn einer Kuh gehört Futter und den Vernünftigen Vernunft. Der Gottlose richtet gottlos, der Vernünftige prüft alles. Das sage ich wohlmeinend. Datum, siehe oben, J. B.

Nachwort: Die Frage wegen des weinenden Grabsteins, woher und wie es zugehe, ist unserem seligen Mann Jakob Böhme ohne alle Hintergründe und Sachverhalte, die es zuvor mit der verstorbenen Edelfrau gehabt hatte, vorgelegt worden. Aber danach hat der Vorlegende selbst berichtet, daß besagte Edelfrau, die eben unter diesem Grabstein begraben lag, zu Lebzeiten einen großen Kummer um ihre beiden Söhne trug, die gegen ihren Willen in den Krieg ritten und damals, als solche Tränen aus den Augen des steinernen Bildes hervorquollen, in Ungarn gegen die Türken gefallen waren. Diese Frage wurde auch auf etliche Universitäten geschickt, aber für Phantasie und Teufelswerk gehalten. - Die Grabsteine des Vaters und der Mutter waren nebeneinander bei den Gräbern an der Wand aufgerichtet und eingemauert, mit dem Gesicht zum Morgenlicht gerichtet. Ein Magnet zieht den anderen an, ein Licht erklärt das andere, eine Liebe rührt, weckt und regt die andere, und ein Geist wirkt im anderen, der Stärkere im Schwachen usw. (Danzig, 6. Oktober 1642, Abraham von Frankenberg)

23. Sendbrief an Karl von Ender, 24.2.1622

Unser Heil im Leben, Jesu Christi in uns!

23.1. Edler, in Christus geliebter Herr! Ich wünsche dem Herrn Gottes reichen wirklichen Segen in seiner Kraft, daß ihm des Perleins Grund im Leben Jesu Christi im göttlich scheinenden Licht in seinem Lebenslicht offenbart werden möge und viele Früchte zu göttlicher Beschaulichkeit und ewiger Freude wirke. Weil ich den Herrn stets als einen Liebhaber des Studiums der Weisheit erkannt habe, so wünsche jetzt nichts Größeres, als daß ich ihm aus Dankbarkeit vieler erzeigter Wohltaten das geben könne, was mir unwürdigen armen Menschen der Allerhöchste in kurzer Zeit aus seinem Gnadenbrunnen gegeben hat.

23.2. Und obwohl ich keine Macht habe, damit zu wirken, so ist mir doch all mein Gemüt in seinem Zentrum so entzündet, daß ich es herzlich gern meinen Brüdern in Christus mitteilen wollte, wie ich auch stets zum Herrn flehe, daß er doch der Menschen Herzen öffnen wolle, so daß sie es verstehen können und eine wahrhaft lebendige Wirkung in sie komme.

23.3. Und ich will in treuer Meinung dem Herrn nicht verbergen, daß ich jetzt seit dem neuen Jahr auf Begehren etlicher Gelehrter und auch hoher Standespersonen ein Traktat „Von der Gnadenwahl“ oder „Gottes Willen über die Menschen“ geschrieben habe und dieses aus einem solchen Grund ausgeführt, daß man alle Heimlichkeit, sowohl der äußerlich sichtbaren elementischen und dann auch der innerlich verborgenen geistigen Welt sehen soll. Ich habe entsprechend auch die Sprüche der Heiligen Schrift darauf gesetzt und gegründet, die von Gottes Willen zur Verstockung und dann auch vom nicht-verstocken-Wollen sprechen, und sie miteinander harmonisiert, so daß man den rechten Verstand derselbigen sehen kann. Ich habe es also dargelegt, daß ich zu Gott hoffe, es möge eine Ursache geben, um den Streit in der Kirche aufzuheben. Welches auch erkannt wurde, daß die Zeit nahe bevorsteht, daß der Religionsstreit in eine Ausgeglichenheit gehen soll, aber mit großem Untergang des falschen Reichs zu Babel, das sich an Christi Stelle gesetzt hat, neben anderen großen Veränderungen, welches, auch wenn man es mir vielleicht nicht glauben will, sich aber in kurzem darstellen wird. Das möchte ich zum Nachdenken und christlicher Betrachtung meinem lieben Herrn andeuten.

23.4. Und dies ist der Grund, warum ich dem Junker schreibe: Wenn ihm das Traktat zu lesen gefiele, das 36 Bögen hat, oder es nachschreiben zu lassen oder darin etwas zu notieren, dann würde ich ihm dieses übersenden, welches jetzt noch unter der Feder im Nachschreiben bei Herrn Johann Roth ist und täglich etwa drei Bögen in seinem Nachschreiben fertig werden. Er wolle es dann von Herrn Nickel abfordern lassen, welcher täglich den Junker zulaufen muß. Denn ich habe zugesagt, dieses Traktat zuerst den begehrenden Herren und Personen zu schicken, die mich heftig darum bitten.

23.5. Wenn es aber der Junker nachschreiben lassen oder sich selber als eine Übung vornehmen wollte, dann sollte es alsobald befördert werden. Welches ich in des Junkers Gefallen stelle, ob ihm daran gelegen sei, und übersende hiermit vom Anfang sechs Bögen. Und so könnten täglich etwa drei Bögen geliefert werden.

23.6. Wenn aber der Junker jetzt gerade keine Gelegenheit hat, es zu lesen oder nachschreiben zu lassen, dann bitte ich, sie mir zurückzuschicken. Will er es aber lesen, dann will ich es ihm, ehe ich es (im Ganzen) wegschicke, übersenden. Denn es ist jetzt gefährlich wegzuschicken, wegen der Unsicherheit. Wie ich auch um die 48 Bögen gekommen bin, welche ich auf Begehren von Herrn Johann Roth an Herrn Michael Ender nach Hirschberg schickte, und muß es jetzt anderweitig wieder nachschreiben lassen, welches eine solche Materie über die Genesis ist, die manchem sehr lieb und nützlich sein wird.

23.7. Herr Balthasar Walther hat mir aus Lüneburg geschrieben, wo er sich jetzt aufhält, und gebeten, den Junker zu grüßen und es ihm nicht Übel zu nehmen, daß er ihm nicht geschrieben hat, denn die Post war zu eilend gewesen. Ich habe ihm auch durch eine zufällig eilende Post nach Magdeburg zurückgeschrieben und meine Sachen mitgeschickt, welche ich von ihm nachschreiben lasse. Er meldet, daß Herr Mag. Nagel nach Zerbst gezogen sei und sich dort aufhalte. Damit empfehle ich den Junker der Liebe Jesu Christi!

Des Junkers allezeit dienstwilliger Teutonicus.

24. Sendbrief an Balthasar Nitsche, 28.4.1622

An Herrn Balthasar Nitschen, Tuchmacher in Troppau, vom 28. April 1622.

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung und stetes Licht!

24.1. Ehrenfester, wohlbenamter und in Christus geliebter Herr und Freund, nebst treuer Wünschung von unserem Heiland Christus, seiner Liebe und Gnade, auch aller zeitlichen Wohlfahrt!

24.2. Nachdem ich von frommen Leuten erfahren habe, wie der Herr ein großer Liebhaber Gottes und des Studiums der Weisheit sei, möchte ich nicht säumen, ihn treuherzig, wiewohl unbekannterweise mit diesem Brieflein aus christlichem Gemüt zu ersuchen, Bekanntschaft mit ihm zu machen.

24.3. Denn mich erfreut von Herzen, wenn ich vernehme, wie Gottes Liebe in seinen Kindern wirkt, und erfreue mich mit und in ihnen im Lebensbaum Jesu Christi, in und aus welchem wir gezeugt und neu geboren werden und Äste oder Zweiglein in ihm sind.

24.4. So hat mich mein Gemüt bewegt, mich mit dem Herrn als meinem Mitbruder im Geist und in der Liebe Christi zu ersuchen und zu erfreuen, wiewohl aus der Ferne, aber im Willen-Geist gegenwärtig, vor allem in dieser trübseligen Zeit (im vierten Jahr des Dreißigjährigen Krieges), da wir von allen Seiten von Feinden umgeben sind und unser Baum in vielen Ästen und Zweigen sehr schwach und dürre ist.

24.5. Weil uns aber die Gnadensonne Jesus Christus jetzt mit einem hellen Schein anblickt und seine Tür der Liebe und hohen Erkenntnis in vielen unterschiedlichen Gaben eröffnet, so daß wir seine großen Wunder seiner grenzenlosen Weisheit erkennen, so ermahnen wir uns zu Recht untereinander in der Liebe als Brüder und gehen von Babel ab, die im Zornfeuer Gottes entbrannt ist. Denn es ist wahrlich eine Zeit großen Ernstes, so daß wir uns mit großem Ernst suchen und sehen mögen, wo wir sind.

24.6. So ist es gut, daß man jetzt viele herrlich schöne Zweige gleichsam mit Verwunderung im Baum Christus auch mitten im Feuer Gottes wachsen sieht, daran ich mich hoch erfreue, daß uns die Gnadensonne in Reinheit wieder anblickt und Gott dennoch seine treue Verheißung hält, wie er in Jesaja sagt, er habe uns in seine Hände eingezeichnet. Welches sich jetzt in etlichen Menschen kräftig zeigt, wie der Brunnquell Jesu Christi in ihnen kräftig wirkt, welches in kurzem noch mächtiger geschehen wird, wie er uns in seinen Propheten verheißen hat, daß er in der letzten Zeit seinen Geist über alles Fleisch ausgießen will und das Evangelium von Gottes Reich in aller Welt zu einem Zeugnis über alle Völker gepredigt werden soll. Und weil nunmehr auch die Zeit gekommen ist, daß das Tier mitsamt der Hure in der Apokalypse (Offenbarung) zerbrochen werden soll, so erheben wir zu Recht unsere Häupter zu den Bergen Gottes und freuen uns, daß sich unsere Erlösung naht.

24.7. Weil mir nun Gott ein Pfündlein von seinem edlen Geschenk aus dem Quellbrunnen Christi anvertraut hat, um sowohl die himmlische als auch die natürliche Weisheit zu erkennen, so habe ich desto mehr Freude an den Kindern der Weisheit Christi. Und obwohl ich dem Herrn unbekannt sein könnte, so soll er mich doch in seinem Gemüt nicht als fremd betrachten, welches ihn als ein Glied in der Liebe Christi mit mir verbindet. Und ich bitte, wenn es ihm gefällig wäre, mich in seine Bekanntschaft und Freundschaft aufzunehmen, bis unser edler Perlenbaum Christus nach diesem Hüttental (nach dem Ablegen der sterblichen Hülle) in uns offenbar werde und wir in einer brüderlichen Gemeinschaft beieinander wohnen. Dann wollen wir uns dessen wohl erfreuen, was wir hier in brüderlicher Einigung angefangen haben, und wollen uns derweilen, obwohl abwesend des Leibes (trotz unserer leiblichen Ferne) im Geist und Vorgeschmack desselben untereinander ermahnen und trösten. Und ich bitte, es freundlich zu verstehen.

24.8. Bei Herrn D. Güller kann der Herr etwas von meinen Gaben sehen, wenn er Lust hätte, sich in göttlicher Übung in hohen göttlichen Dingen zu beschauen, welche zwar hoch und doch auch in der allerbesten Einfalt geschrieben sind. Weil es mir als ein Geschenk Gottes anvertraut worden ist, so teile ich es sehr gern treuherzig hungrigen Herzen mit. Und will dem Herrn samt den Seinigen in die sanfte Liebe Jesu Christi empfehlen, und bitte, den Herrn Johann Butovski auch als einen Liebhaber der Wahrheit sowie Herrn J.G.B. freundlich von mir zu grüßen.

Datum Görlitz, siehe oben. Des Herrn dienstwilliger J. B.

25. Sendbrief an Christian Bernhard, 21.6.1622

Das offene Brünnlein Jesu Christi sei unsere Erquickung und stetes Licht!

25.1. Mein sehr lieber und werter Freund! Ich wünsche Euch und den eurigen und allen Kindern Christi im Reich unserer englischen Bruderschaft Gottes Liebe und Segen, daß der Quellbrunn Christi in uns aufgehe, grüne und viele Früchte trage, in welchem Grünen unsere wahre neue Wiedergeburt steht. Und ich hoffe gewiß zu Gott, wie mir auch gezeigt wird, daß die Zeit nahe ist und schon vorhanden, daß er sehr grünen soll, daran ich mich dann erfreue. Und wie ich schon jetzt das Feuer in Babel brennen sehe, so soll doch aus dem Feuer ein hellscheinendes Licht entstehen, das die finstere Nacht vertreibt. Aber das wird durch eine große ängstliche Geburt geboren werden.

25.2. So ermahne ich meine lieben Brüder, sie wollen sich doch in diese ängstliche Geburt hinein ergeben, damit sie im Leben Gottes im Licht mit ausgrünen und nicht in der Verwirrung ergriffen werden, welche jetzt grausam mit ihren Eigenschaften um sich greift, nämlich mit Geiz, Neid, Zorn und überheblichem Stolz, und ihre gewachsene Frucht mächtig in ihr Feuer zieht, in welchem sie schon an vielen Orten gewaltig brennt.

25.3. Ich habe auf Begehren und Bitten ein feines Büchlein „Von der wahren Buße“ nebst einer Formel des Gebets geschrieben (welches alles ganz ernstlich und ein rechter Anfang und Eingang in die theosophische Schule ist), welches ich auf Begehren hiermit Herrn Rudolf von Gersdorff zu Weicha schicke. Ich bitte, ihm dasselbe zu übersenden und vergönne Euch, es zu öffnen und wenn es Euch gefällt, bald nachzuschreiben. Nur das Schreiben an Herrn Rudolf bleibe versiegelt. Und ihr wollt es nach Möglichkeit nicht länger als drei oder vier Tage bei Euch aufhalten, weil es nicht viel ist. So kann es bald nachgeschrieben und Herrn Rudolf geschickt werden. Auch vergeßt Euren Bruder hierin nicht, denn es wird ihm ohne Zweifel lieb und ein rechter Schlüssel sein, welchem ich neben meinem Gruß viel Gutes gönne wie meinem eigenen Leben.

25.4. Wenn ihr dieses Büchlein in die Praxis führen könnt, dann werdet ihr den Nutzen bald erfahren. Denn es ist aus einem ängstlichen Zweig durch das Feuer geboren, und ist eben mein eigener Prozeß gewesen und immer noch, dadurch ich das Perlein göttlicher Erkenntnis erlangt habe. Und wenn ich auch wie alle anderen Menschen in Schwachheit leben muß, so ist mir doch dieses Perlein lieber als das Gut aller Welt, dafür ich alles gern erleide und ertrage, nur damit ich es erhalten möge.

25.5. Ferner teile ich mit, daß mir Herr Dr. Adam Brux, Medicus zu Sagan, nun zum dritten Mal geschrieben und meine Freundschaft gesucht hat, auch heftig gebeten, ihm etwas von diesen Schriften zu leihen. Weil ich aber fast nichts von den meinen zu Hause habe, so wollt ihm doch mit etwas nachzuschreiben dienen und sehen, ob es zu Gottes Ehren angelegt sei. Wenn ihr aber bemerkt, daß es ein Besserwisser (Vorwitz) sei, was ich doch nicht hoffe, dann werdet ihr ferner wissen, was zu tun ist.

25.6. So baut und bringt Gewinn, wie ihr aus göttlicher Gnade gewonnen seid, dann werdet ihr wohl einernten, was ihr ausgesät habt. So wollt ihm doch, sobald ihr könnt, dieses an ihn geschriebene Brieflein neben einem Traktat eurer Schriften (bzw. Abschriften) mitschicken und ihm erklären, daß er es nicht lange aufhalte, wie es etliche tun. Er ist mir zwar gerühmt worden, jedoch wird man sehen, was Gott tun will.

25.7. Mit dem hiermit gesandten Büchlein „Von der Buße“ mögt ihr wohl Gewinn suchen, wenn ihr es abgeschrieben habt, denn es bringt eine große Ernte und ist keinem sehr widrig, sofern er auch ein Mensch und kein Tier ist. Damit empfehle ich Euch der sanften Liebe Jesu Christi.

Datum siehe oben, Euer dienstwilliger Bruder J. B.

26. Sendbrief, 1622

An Herrn Christian Bernhard, vom 3. Juli 1622 (Adressat und Datum machen bezüglich des Inhaltes wenig Sinn.)

Gottes Gnade, Heil und ewiges Licht sei unsere Erquickung!

26.1. Ehrenfester, wohlbenamter Herr, guter und lieber Freund! Euch gehören jederzeit meine willigen und beflissenen Dienste, nebst dem Wunsch aller Wohlfahrt vorangesetzt.

26.2. Euer an mich gerichtetes Schreiben zum Advent habe ich empfangen und auch Euer sehr emsiges und christliches Gemüt und Begehren verstanden. Und obwohl ich Euch fremd bin, habe ich doch aus Herrn (Dr. Balthasar) Walthers Schreiben genugsamen Bericht eures Wesens und Person. Und noch vielmehr gibt es mir euer sehnliches und emsiges Begehren in Eurem an mich gerichteten Schreiben zu erkennen. So bin ich hiermit nicht nur willig, Euch in meine Bekanntschaft und Freundschaft aufzunehmen, sondern erfreue mich zum höchsten über ein solches aus Gott geborenes Gemüt und ermahne Euch christlich, darin beständig zu bleiben, dann werdet ihr alles erlangen, was Euer ehrsames Gemüt wünscht. Ihr werdet mit der Zeit in Euch selbst erfahren, was es für Schriften sind, die ihr von Herrn Walther, wie ich vernehme, vielleicht im Wenigen empfangen habt. Da ich also vermeine, daß ihr das allerwenigste davon gesehen habt, soll Euch in Kürze, wenn ihr derselben noch begierig wärt, ein sehr trefflich schönes Werk zugeschickt werden, dessen ihr Euch hoch erfreuen könnt.

26.3. Denn wie ich von Herrn Walther und auch Euch selbst vernehme, so ist Euch der Autor derselben noch unbekannt. Er mag Euch wohlbekannt werden, wenn ihr Lust zu dem edlen Stein der Weisen geistig habt, daran ihr dann, wenn ihr denselben erlangt, die höchste Freude finden werdet. Er wird Euch über Gold und aller Welt Reichtum lieb sein, denn er ist schöner als die Sonne und köstlicher als der Himmel. Und wer ihn findet, ist reicher als jeder Fürst auf Erden, denn er hat die Kunst und Vernunft der ganzen Welt, und alle Kräfte des Himmels und der Erde liegen in ihm verborgen.

26.4. Ihr habt wie Maria den besten Teil erwählt, daß ihr eure Jugend nicht an weltliche Pracht und Hochmut setzt, sondern Gott aufopfert. Und wenn ihr damit auch eine kleine Weile hier im Finsteren sitzt, werdet ihr doch davon ewiges Licht erlangen, das sagen wir Euch freundlich, und ich meine es treulich. So soll Euch künftig wohl eröffnet werden, wer der Autor der Schriften ist, die Euch auch treulich mitgeteilt werden sollen, denn davon ist ein ziemlich großer Teil vorhanden. Aber es hat Irrung gegeben, so daß ich Euch jetzt nichts mitschicken konnte. Ihr sollt es in Kürze bekommen, wenn ihr Lust habt. Ihr werdet sehr edle schöne Dinge sehen, die von der Welt her größtenteils verborgen gewesen sind, um welche alle Gelehrten getanzt und gesucht haben und vielleicht auch gemeint, sie hätten den edlen Stein. Aber die Zeit war noch nicht gekommen, welches Gott der letzten Welt gönnt. Damit empfehle ich Euch dem göttlichen Schutz und der Gnade.

Datum siehe oben, Euer allezeit dienstwilliger J. B.

27. Sendbrief an Christian Bernhard, ohne Datum

Emanuel!

27.1. Ehrenfester, wohlbenamter Herr und vertrauter Freund! Euer Heil und Wohlfahrt wären mir lieb. Ich wollte Euch längst gern mit einem Schreiben ersucht haben, denn mich verlangt, euren Zustand zu vernehmen, dieweil ihr Euch in das Studium der Weisheit ergeben habt, welches mir lieber ist als die Welt, und wünsche, daß ich mich darin bald mit Euch im Nötigsten besprechen kann, wie ich auch hoffe, bald in eure Gegend zu reisen, dann wollte ich Euch zusprechen. Bisher bin ich durch Gottes Verhängnis verhindert worden, denn ich lag sechs Wochen an der von bösen Soldaten zugefügten Krankheit darnieder und bin kaum wieder zur Gesundheit gekommen.

27.2. Wie es auch unserem Herrn Walther gehe oder wo der sei, wenn ihr etwas von ihm wißt, bitte ich mir zu melden. Auch wie es Euch in eurem Studium geht, ob Euch auch die Gnadentür mehr eröffnet wird, um die hohen göttlichen Geheimnisse zu ergreifen, wäre mir sehr lieb zu wissen. Denn ich hoffe, wenn ihr euer Leben dahin gerichtet und die Praktik in Übung gebracht habt, dann sollte Euch die Tür aufgetan werden, daß ihr mit dem wahren magischen Auge in die göttliche Magie sehen könnt.

27.3. Denn wenn das Gewächs des neuen Menschen aufgeht, dann hat es auch sein Sehen. Wie der äußere Mensch diese äußere Welt sieht, so sieht auch der neue die göttliche Welt, in welcher er wohnt, denn es steht geschrieben: »Des Menschen Geist erforscht im Geist Christi alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit. (1.Kor. 2.10)« Obwohl es nicht am Forschen und Hochfahren liegt, darin der Mensch im Verstand forschen will, sondern an demütiger Hingabe, so daß die Seele nichts als Gottes Liebe begehrt. Wenn sie nur diese erreicht, dann führt alsbald der freudenreiche Geist Gottes das Bildnis der Seele oder das Gleichnis Gottes in die himmlisch-göttliche Schule der edlen und teuren Erkenntnis ein, wo sie dann mehr gelehrt wird als in der Schule dieser Welt, denn sie studiert in der Schule göttlicher Weisheit, und der Heilige Geist ist ihr Schulmeister, auch ihr Wissen und ihre Vernunft.

27.4. Es gibt kein Wissen von Gott, so daß eine Kreatur Gott erkennen oder fühlen könnte, als nur allein für diese, welche in Gott ist, wie der Zweig des Baumes Saft in sich zieht (wenn er mit dem Baum verbunden ist). Ist der Mensch mit seinem Willen-Geist nicht in Gott gerichtet, sondern in den äußeren Verstand, dann ist er an Gott blind.

27.5. Begehrt er aber mit Ernst das Göttliche, dann wird er in seinem Begehren mit Gottes Wesen geschwängert, und Gottes Wesen wird ihm zum Eigentum gegeben, darin der Geist Gottes regiert. Und er wird Gottes Kind wie ein Zweig am Baum.

27.6. Weil ich von Herrn Walther vernommen habe, wie ihr euer Leben in Gottesfurcht richtet, und mir auch eure Schriften zeigen, daß ihr eine Begierde nach göttlicher Weisheit und nach dem Brünnlein Christi habt, so bin ich desto kühner, Euch zu schreiben und desselben Weges zu erinnern, denn es bringt mir reine Freude, wenn ich Gottes Kinder vernehme.

27.7. Gleichwie sich ein Zweig des Baumes im Baum neben dem anderen an lieblicher Essenz erfreut, so auch die Kinder Christi. Wenn Euch aber in meinen Schriften etwas mißverstanden sein sollte, dann soll es Euch in leichteren Verstand gebracht werden, wenn ihr es mir nur andeutet. Oder, wenn es Euch zu tief im Sinne wäre, dann wollte ich es Euch kindlicher und einfältiger dartun, damit das Perlein mit Lust gesucht und gefunden werden könne, denn es ist nicht vergebens gegeben.

27.8. Weil ihr aber einer von den Ersten seid, denen es Gott hat gönnen wollen, so ermahne ich Euch in rechter christlicher Liebe, daß ihr fleißig das edle Kleinod suchen wollt. Ihr werdet es gewiß erlangen, denn wenn es sich auch anließe, als wollte Er nicht, dann laßt Euch davon nicht erschrecken und sinkt nicht, sondern haltet aus. Wer ein Ritter werden will, der muß kämpfen. Wo Gott am nächsten ist, dort will Er es nicht entdecken, denn seine Kinder müssen probiert werden. Wir müssen gegen den alten Adam in den Kampf ziehen und ihn abtöten, wenn ein neuer auswachsen soll.

27.9. Werdet ihr das schöne Kränzlein nur einmal aufsetzen, dann wird es danach keines Forschens mehr bedürfen. Ihr werdet dann Einen haben, der forschen wird, der sich in Euch suchen und finden wird, so daß ihr Gott und Himmelreich nach dessen Anblick schauen werdet. Daran habe ich Euch freundlich erinnern wollen.

27.10. Es kündigt sich eine sehr schwere Zeit an, denn dieses Jahr sowie die nachfolgenden werden Jahre großer Trübsal sein, denn der Hure Krankheit und Tod ist gekommen. Aber sie will es nicht merken, und spricht immer noch: „Ich bin eine Jungfrau!“ Doch ihre Wunden sind unheilbar.

27.11. Lieber Freund Christian, laßt uns ja die Augen recht auftun, daß wir sie erkennen lernen und vor ihr fliehen, sonst müssen wir ihre Plage und Strafe bekommen. Das ist kein Schimpf, denn es kostet Leib und Seele, das höchste Gut. Damit empfehle ich Euch der Liebe Jesu Christi! J. B.

»Der Name des Herrn ist eine feste Burg, der Gerechte läuft dahin und wird erhöht!«

28. Sendbrief an Valentin Thirnes, 6.7.1622

An Dr. Christian Steinberg, alias Valentin Thirnes, vom 6. Juli 1622.

(Auch Valentin Tschirness genannt, ein paracelsischer Arzt (1585-1626), Autor von „Schnelle Bottschafft an die Philosophische Fraternitet vom Rosencreutz by Valentinus Tschirnessus“, Görlitz 1616, Danzig 1617, sowie Übersetzer von „Assertio oder Bestätigung der Fraternitet vom Rosen-Creutz“, beigedruckt der Danziger Ausgabe von 1617)

Unser Heil im Leben, Jesu Christi in uns!

28.1. Ehrenfester, hochgelehrter und christlicher lieber Herr und Freund! Neben herzlicher Wünschung göttlicher Liebe und Gnade, daß dem Herrn das Brünnlein göttlicher Liebe durch die Sonne des Lebens aufgeschlossen werden möge, aus dem das göttliche Wasser ausquillt. Wie ich auch nicht zweifle, daß der Bräutigam seine Braut als die Seele des Herrn zu solchem Brunnquell gerufen habe, weil ich vernehme, daß ihn Gott in Kreuz und Trübsal gestellt hat, und dies ist das erste Kennzeichen der edlen Sophia (der „Weisheit“), womit sie ihre Kinder bezeichnet. Denn sie pflegt sich durch die Dornen des göttlichen Zorns zu offenbaren wie eine schöne Rose am Dornenstrauch, sofern nur die Seele ihr Gelöbnis und ihre Treue hält. Denn es muß ein getreues und festes Band zwischen der Seele und dieser feuerbrennenden Liebe Gottes sein.

28.2. Der Mensch muß in solchen Vorsatz treten, daß er in Christi bitteres Leiden und Sterben eingehen will und darin seiner Sünde und bösen Eitelkeit täglich absterben und Gott ernstlich um die Erneuerung seines Gemüts und der Sinne bitten will. Er muß vom Heiligen Geist gesalbt und erleuchtet werden und Christus mit seinem Leiden, Tod und Auferstehen anziehen, so daß er eine wahre Rebe am Weinstock Christi sei, in dem Christus selbst wirkt und nach dem innerlichen Grund seines Geistes herrscht. Welches Geheimnis im Glauben ergriffen wird, weil dann Gottheit und Menschheit nach demselben innerlichen Grund beisammen sind, auf Art wie ein Feuer das Eisen durchdringt, dabei das Eisen wohl seine Substanz behält, aber doch in reines Feuer verwandelt ist, solange das Feuer darin brennt.

28.3. Aber nicht, daß es die Kreatur in eigener Macht ergreife, sondern sie ist ergriffen, wenn sich der Wille Gott ganz übergibt. Und in diesem übergebenen Willen herrscht der Geist Gottes, und der Wille ist der wahre Tempel des Heiligen Geistes, darin Christus wesentlich wohnt, nicht nach bildlich-kreatürlicher Art, sondern gleichsam wie das Feuer im Eisen oder wie die Sonne in einem Kraut, darin sich die Kraft der Sonne mit der Tinktur des Krautes ausbildet und wesentlich macht. So ist es auch im Geist des Menschen zu verstehen, darin sich die Kraft Gottes im Geist und Glauben des Menschen ausbildet und ein geistiges Wesen wird, welches allein der Glaubensmund der Seele ergreift und nicht der irdische Mensch in Fleisch und Blut, welcher sterblich ist. Es ist ein unsterbliches Wesen, darin Christus im Menschen wohnt. Dann wird der Himmel Gottes in die kleine Welt eingeprägt und ist eine Offenbarung der Stätte Gottes, darin das Paradies wieder grünt und Früchte trägt.

28.4. Deswegen muß der Drache zuvor getötet werden. Auch wenn er dann dem irdischen Fleisch noch anhängt wie die Schale oder Rinde am Baum, so lebt doch der Geist in Gott, wie St. Paulus sagt: »Unser Wandel ist im Himmel. (Phil. 3.20)« Und auch Christus sprach: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. (Joh. 6.56)« Oder: »Ohne mich könnt ihr nichts tun. (Joh. 15.5)«

28.5. Deswegen sage ich, wer ein wahrer Christ ist, der wird es in Christus. Er ist in Christi Leben und Geist eingeboren und zieht die Auferstehung Christi an, denn so wird ihm die Genugtuung Christi zuteil. Und so überwindet Christus in ihm auch Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Und so wird er in Christus mit Gott versöhnt und vereint.

28.6. Denn die neue Geburt ist nicht eine von außen zugerechnete Gnade, so daß wir uns nur mit Christi Bezahlung trösten, aber in der Heuchelei der Sünde beharren. Nein, sie ist eine kindlich eingeborene Gnade, so daß Gott dem bekehrten Menschen Christus mit der Rechtfertigung anzieht, damit ihn Christus auch in sich selbst von Gottes Zorn durch die Kraft seiner Offenbarung erlöse. Anders ist keiner ein Christ, er heuchle, wie er wolle.

28.7. Wegen der Deutung etlicher Wörter, die der Herr von mir begehrt, wie in meinem Buch „Aurora“ angedeutet, welche eine sehr heimliche Deutung haben und mir vom Höchsten zu erkennen gegeben worden sind, teile ich dem Herrn mit, daß es jetzt wohl nicht gut ist, in Sendbriefen ausführlicher davon zu schreiben, weil die Zeit gefährlich ist und der Feind Christi grausam wütet und tobt, bis noch eine kleine Zeit vorüber ist. Jedoch will ich ihm eine kurze Andeutung geben, um weiter nachzusinnen.

28.8. Erstlich, von der „mitternächtigen Krone“ gibt es eine zweifache Deutung: Die erste deutet die Krone des Lebens als den Geist Christi an, der mitten in der großen Finsternis offenbar werden soll, nämlich in der Beängstigung der sinnlichen Natur des Gewissens, darin eine besondere Bewegung vorhanden ist. Denn mitten im Wüten solcher Bewegung kommt der Bräutigam als die Kraft Christi (zur Braut als die Seele).

28.9. Die zweite Deutung ist ein Symbol des äußeren Reiches, wo die großen Verwirrungen und Streitigkeiten sein werden, wenn die Völker im Streit stehen. So ist unter dem Symbol der Sieg angedeutet, wie es in der geistigen Bildung steht, wie es gehen werde und welche Völker schließlich siegen, und wie unterdessen in solcher trübseligen Zeit Christus offenbar und erkannt werde, und wie nach und in solcher Zeit der Trübsal die großen Geheimnisse offenbar werden, so daß man auch in der Natur den verborgenen Gott in der Dreifaltigkeit erkennen kann, in welcher Erkenntnis sich die fremden Völker bekehren und Christen werden.

28.10. Auch ist darunter angedeutet, wie der sektiererische Streit in der Religion in solcher Offenbarung zugrunde gehen werde, denn es werden alle Türen aufgetan. Und dann werden die unnützen Schwätzer, welche jetzt als Riegel vor der Wahrheit liegen, weggetan, und alle sollen Christus erkennen, welche Offenbarung die letzte sein wird: Dann soll die Sonne des Lebens über alle Völker scheinen, und dann geht das böse Tier mit der Hure zu Ende (welches unter den Buchstaben RaRa: RP: am RP angedeutet wird (siehe Aurora §26.120)), wie in der Apokalypse zu sehen ist. Diese ausführliche Deutung darf man jetzt noch nicht klarer machen, denn es wird sich alles selber zeigen. Und dann wird man es sehen, was es gewesen ist, denn es ist noch eine andere Zeit.

28.11. Wegen der Natursprache berichte ich dem Herrn, daß es sich so verhalte. Aber das, was ich darin weiß und verstehe, kann ich keinem anderen geben oder lehren. Andeutung kann ich einem wohl geben, wie sie zu verstehen sei. Aber es gehört ein großer Raum dazu und müßte eine mündliche Unterredung sein. Es läßt sich nicht beschreiben.

28.12. Auch wegen des philosophischen Werkes der Tinktur ist nicht so bloß (unverhüllt) zu gehen. Wiewohl ich das nicht in der Praxis habe, denn es liegt das Siegel Gottes davor, um darüber mit seinem wahren Grund bei ewiger Strafe zu schweigen, es wisse denn einer gewiß, daß es nicht mißbraucht werde. Und es gibt auch keine Macht, dazuzukommen, es sei denn einer selbst zuvor das, was er darin sucht. Es hilft keine Wissenschaft, nur wenn einer dem anderen die Tinktur in die Hände gibt, dann kann er sie präparieren, sofern er auch gewiß in der neuen Geburt steht.

28.13. Denn es gehören zwei zentrale Feuer dazu, darin die Macht der Dinge steht, zu welchem gar leicht zu kommen ist, wenn der Mensch recht dazu geschickt ist. Der Herr wolle sich darum auf solche angedeutete Weise weder mit Gold noch Mineralien abmühen. Das ist alles falsch. Es muß das Allerbeste im Himmel und in der Welt dazu sein, vom Oberen und Unteren, welches nah und fern ist. Die Stätte ist überall, wo es anzutreffen ist, aber nicht ein jeglicher ist tüchtig dazu. Es kostet auch gar kein Geld, außer was auf Zeit und Nahrung des Leibes geht, ansonsten könnte es einer mit 2 fl. (Gulden) bereiten und noch weniger: Die Welt muß zum Himmel, und der Himmel wieder zur Welt gemacht werden. Es ist nicht von Erde oder Steinen oder Metall, und doch vom Grund aller Metalle. Aber ein geistiges Wesen, welches von den vier Elementen umgeben ist, welches auch die vier Elemente in eines verwandelt, ein gedoppelter Mercurius, jedoch nicht Quecksilber noch ein anderes Mineral oder Metall.

28.14. Der Herr lese den „Wasserstein der Weisen“, darin viel Wahrheit ist und dazu auch klar, welches im Druck (seit 1619 erhältlich) ist. Die Arbeit ist gering und die Kunst sehr einfältig. So könnte es ein Knabe von zehn Jahren machen, aber die Weisheit darin ist groß und das allergrößte Geheimnis. (Ein jeder muß es selbst suchen.) Es gebührt sich nicht, das Siegel Gottes zu brechen, denn es liegt ein feuriger Berg davor, deswegen ich mich selbst davor entsetze und warten muß, ob es Gottes Wille sei. Wie könnte ich dann andere darüber ausführlich belehren? Ich kann es selbst noch nicht machen. Auch wenn ich schon etwas weiß, so soll doch keiner mehr bei mir suchen als ich habe, was klar genug angedeutet wurde. Damit empfehle ich Euch samt allen Kindern Gottes in die Liebe Jesu Christi.

Datum siehe oben, J. B.

(Es ist anzunehmen, daß Jacob Böhme dieses Buch vom „Wasserstein der Weisen“, das zuerst 1619 in Frankfurt am Main gedruckt wurde, achtsam gelesen hat. Zumindest verwendet er ähnliche Begriffe und bezieht sich offenbar auch auf folgende Stellen des Buches:
„Er ist das fünfte Wesen, ja, das Wesen aller Wesen, und doch eigentlich kein Wesen. Er ist der rechte zweifache Mercurius oder Gigas Gemibæ Substantiæ…“ (
S74)
„Zudem will ich dir auch mit Wahrheit berichten, daß der Kosten, die ungefähr in allem auf das ganze Universal-Werk verlaufen mögen (ausgenommen der täglichen Nahrung und Unterhaltung des Feuers), nicht über drei Florin (Gulden) stehen… Die Arbeit ist leicht und geringtätig.“ (
S120)

Darüber hinaus scheint der Autor dieses Buches (angeblich Johann Ambrosius Siebmacher), einen ähnlichen Weg wie Jacob Böhme gegangen zu sein:
„So wisse doch, daß ich kein Schriftgelehrter oder jetziger Welt aristotelischer Theologus bin, sondern ein Bürger und Privatperson, der ich solche mir von Gott verliehene Scientiam (Wissenschaft und Erfahrung) auf keiner Universität oder hochberühmten Akademie studiert und erlangt habe, sondern aus der allgemeinen Schule der Natur und aus dem großen Wunderbuch (in welchem alle Gottgelehrte seit vielen hundert Jahren studierten) erlernt und studiert habe. Darum ich dann diese meine Beschreibung nicht auf den zierlichen oder hohen Buchstaben, sondern, wie gemeldet, der Einfalt nach gerichtet und gemacht habe.“ (
S114)

Und offenbar hat auch seine Empfehlung dieses Buches zu dessen Verbreitung geführt, wie man in späteren Nachdrucken in der Einleitung liest:
„… daß ich Selbiges wiederum auflegen und drucken lassen solle. Insonderheit weil der seel. Jacob Böhme, sonst Teutonicus Philosophus genannt, solches in seinen Schriften etlichen seiner guten Bekannten zu lesen rekommandiert (empfiehlt), als darinnen sie finden würden, das zu ihrem Begehren dienlich!“ (
1704, S3))

29. Sendbrief an Christian Bernhard, 8.7.1622

Der offene Brunnquell aus dem Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung!

(1730: 29.1. Ehrenfester, wohlbenamter Herr und hoher Freund! Nebst Wünschung aller heilsamen Wohlfahrt teile ich Euch mit, daß die beigelegten Sachen Herrn Rudolf von Gersdorff zu Weicha gehören, und gelangt (das betrifft) meine Bitte, ihr wollt sie doch dahin befördern, wenn nicht zufällige Gelegenheit wäre, alsdenn seine Leute alle Sonnabende zu Sagan sind, dann wolle er sie doch mit eigenem Boten hinschicken. Beiliegende Pfennige sind zur Beförderung dessen. Würde es nicht reichen, wollte ich, was mangelt, erstatten. Bitte, es doch aufs eheste zu befördern. Ob ihr das Buch „Von den drei Prinzipien“ von Specht empfangen habt, weiß ich noch nicht. Bitte, es aufs eheste zu solvieren, denn es fällt jetzt mancherlei vor, daß ich es öfters bedarf, wegen guter frommer Sucher halber, die zu mir kommen.)

29.2. Daneben melde ich ihm auch, sich nur fertig zu machen, denn die heftige Tribulation (die Drangsal der Kriege) wird etliche unserer Landschaften heftig berühren. Versucht Euch nur fleißig in den Frieden einzuschließen, den uns Christus wiedergebracht hat, und wie hinter einer Mauer zu bewahren. Denn Babel wird einen ernsten Trunk austrinken müssen, und zwar eben den, welchen sie sich mit Greueln eingeschenkt hat. Alle Ketten und Bande werden zerspringen und nicht halten, und so wird sich alles teilen, was noch besteht. So kommt dann bald das Zerbrechen. Die Hoheit der Welt ist jetzt selber blind und will es nicht sehen, was sie sich selber antut. Sie wird aber in kurzem sehend werden, wenn der Jammer über Leib und Seele kommt. Damit empfehle ich Euch in die sanfte Liebe Jesu Christi.

Gegeben siehe oben, Euer dienstwilliger J. B.

70. Sendbrief an Christian Bernhard, 9.7.1622

(Die Briefe 67-74 stammen aus der Ausgabe von 1730 und wurden dort speziell als Zugabe ausgewiesen. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung aus den Ausgaben von 1682 und 1730 beibehalten.)

Immanuel!

70.1. Mein lieber Herr Christian, nebst Wünschung aller Wohlfahrt. Weil ihr jetzt gesonnen seid, nach Breslau zu reisen, so bitte ich, wollt mir doch diesen Pack Schreiben an Herrn Dr. Göller von Troppau mit nach Breslau nehmen. Er hat zu Breslau eine Wohnung gemietet, wo er seine Gelegenheit hat, wenn er in Breslau ist, nämlich bei St. Kathrin auf der Katharinengasse in Ludwig Guthäters Haus. Dort wollt doch anfragen, ob er in Breslau sei. Wenn nicht, dann hat er mit mir abgesprochen, daß ich es ihm bei Herrn Andreas Hannibal, Zobelfärber auf dem Graben, hinterlegen lassen soll, und der soll es ihm nach Troppau schicken. Dann bringt es nur diesem Zobelfärber und sagt ihm, daß er es baldmöglichst Herrn Dr. Göller schicken wolle. Er wird wohl wissen, was damit zu tun ist, denn so ist es bestellt. Daran tut ihr mir einen angenehmen Dienst.

70.2. Ich habe ein sehr feines Büchlein „Von der neuen Wiedergeburt“, das zur Buße gehört, welches kurz und sehr gut ist. Ich will es Euch, wenn ihr wieder nach Hause kommen werdet, auch schicken, oder auch unterdessen eurem Bruder, dem Konrektor. Seht nur zu, daß ihr Herrn Gersdorff das Büchlein „Von der Buße“ vor eurer Abreise schicken könnt. Ich will Euer nicht vergessen, und wir verschulden uns in Liebe.

Euer dienstwilliger J. B.

30. Sendbrief an Dr. Friedrich Krause, 17.7.1622

An Herrn Friedrich Krause, Dr. med. zu Goldberg (oder Liegnitz), vom 17. Juli 1622.

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung und stetes Licht!

30.1. Ehrenfester, wohlgelehrter und gütiger Herr und Freund, in Christus geliebter Bruder. Nebst herzlichem Wunsch von Gottes Liebe, Erleuchtung und Segen! Es ist mir lieb, und ich erfreue mich Eures fleißigen Studierens in göttlicher Weisheit.

30.2. Und noch viel mehr dessen, daß ich in Eurem Schreiben vernehme, daß Euch Gott das Herz und den Geist zur Vernunft geöffnet hat. Und ich wünsche von Herzen, daran ich auch gar nicht zweifle, daß das edle Perlenbäumlein der Menschheit Christi in Eurem in Adam verblichenen Paradiesbäumlein im Geist Christi und in seiner zarten Menschheit in uns, des inneren Menschen, wieder grüne und rechte Früchte auf Gottes Tisch trage.

30.3. Und daß die edle Rebe an Christi Weinstock fest eingepfropft sei und daraus grüne und unter der jetzigen Dornenwelt wie ein Wunder neben uns aufblühe und den Sommer Christi in seiner Lilienzeit andeuten helfe, wie sich auch jetzt hin und wieder dergleichen Zweiglein auf Christi Rosengärtlein zeigen und einem Wunder Gottes gleich mitten im Feuer der Trübsal zu Babel grünen.

30.4. Daß ihr aber meldet, daß Euch meine Schriften etwas Anleitung gegeben hätten, dessen danken wir gerechterweise Gott, der seine Wunder und tief verborgene Weisheit auch durch einfältige ungeübte Menschen offenbart und wie Kinder in der Wiege dieser Welt mit ihrem Babel- und Fabelwerk zu einem Licht darstellt und sie mit der albernen Einfalt überzeugt, daß ihr Werk, Willen und Leben vor Ihm nur ein Schnitzwerk und selbsterdichteter Tand ist und nicht in Ihm gegründet und eingewurzelt steht.

30.5. Wie uns auch der Höchste jetzt vielfältig zu erkennen gegeben hat, davon in kurzer Zeit seine Wunder aus seiner verborgenen Weisheit in Schriften ans Licht der Welt gegeben wurden, darin sich unsere Nachkommen und diejenigen, welche die Vernunft von Gott dazu erlangen, nicht allein wundern, sondern auch hoch erfreuen werden.

30.6. Ich habe von Herrn Walther vernommen, daß der Herr einige von meinen ersten Schriften empfangen habe, welche er sich belieben läßt. Ich wünschte, daß er auch die letzten hätte, welche viel heller, klarer und tiefer gegründet sind, darin man den geoffenbarten Gott in allen seinen Wundern und Werken klar erkennen kann.

30.7. Sie würden Euch in eurer Praxis an vielen Enden mehr Offenbarung geben, denn der Natur Grund ist darin sehr hell entdeckt sowie auch unser schöner Lustgarten Christi, der neuen Wiedergeburt.

30.8. Es würde Euch, mein lieber Herr Friedrich, viel Nutzen zu zeitlicher und ewiger Übung schaffen. Und ich hoffe, ihr werdet Euch als ein eingepflanztes Zweiglein nicht vom Baum der göttlichen Weisheit abbrechen, denn es wird bald eine Zeit kommen, da es nützlich sein will und ihr Euch unter den Erstlingen, die aus Babel ausgehen, erfreuen werdet.

30.9. Wegen der Verehrung, welche ich empfangen habe, sage ich großen Dank und will es in meinen Willen in das Mysterium des Höchsten zu seiner Belohnung hineinführen, und es soll Euch als ein Schatz in Ihm wohl aufgehoben sein, denn ich erkenne daran Euer wahrhaft eifriges Herz.

30.10. Obwohl das Perlein dafür nicht gegeben wird, sondern umsonst, wie uns Gott in Christus getan hat und ein Glied dem anderen schuldig ist. Damit empfehle ich Euch der sanften Liebe Jesu Christi und ermahne, das Perlein nur weiter zu suchen.

Datum siehe oben, J. B.

65. Sendbrief an Augustin Köppe, 1622

(Die Briefe 65 und 66 stehen am Ende der Ausgabe von 1682. Wir haben versucht, diese Briefe zur besseren Lesbarkeit in die zeitliche Abfolge einzuordnen, aber die ursprüngliche Numerierung beibehalten.)

An Herrn Augustin Köppe, fürstenauerischer Verwalter zu Lissau, Anno 1622.

Unser Heil im Leben, Jesus Christus in uns!

65.1. Mein lieber Herr Augustinus, christlicher Bruder, nebst herzlicher Wünschung göttlichen Lichtes in wirklicher Kraft des heiligen Wesens in Christus! Daß ihr von meinen Gaben etwas empfangen habt und diese beliebt, lest und nachschreibt, das kommt nicht von mir selber. Ich bin auch nicht der, welcher Euch den Verstand und die Erkenntnis und noch viel weniger die Begierde dazu gibt, sondern der Geist Gottes in Euch selbst gibt es. Denn wenn das durch mich geschehen könnte und ich die Macht dazu hätte, dann wollte ich, daß sie alle Menschen in sich verstünden und das hätten, was mir armem unwürdigem Menschen aus göttlicher Gabe verliehen ist.

65.2. So gebührt mir auch nicht, daß ich diese als ein Eigentum annehmen wollte, viel weniger, dafür von der Welt Ehre oder Gaben anzunehmen, außer was von den Reichen aus ihrem Überfluß zur Unterhaltung des Lebens und zu weiterer Abwartung dieses Talentes geschehen möchte, darum ich doch von niemand etwas begehre.

65.3. Euer treues und recht eifriges christliches Gemüt ist mir schon etwas bekannt, und ich liebe es mehr als Geld und Gut. Denn ich weiß, daß ich einen christlichen Bruder zur ewigen Freude haben und mich in und mit ihm erfreuen kann, wie ein Glied an und in dem anderen. Daran ich auch wohl begnügt wäre und Christus mein reicher Lohn sein wird, wenn ich durch meinen Fleiß etwas in Christi Weinberg wirken und gewinnen helfen konnte, und ich wollte in keiner Weise etwas Zeitliches dafür begehren. Weil ihr mir aber aus christlicher Liebe und Treue auch gern zu meines Leibes Unterhaltung und Notdurft für mein Talent helfen wollt, so erkenne ich solches als eine Schickung göttlicher Ordnung und bedanke mich zum Höchsten für Euer treues Gemüt und die Verehrung. Ich will Euch aber dasselbe viel lieber bezahlen, was es kostet, denn es deucht mich, viel zu sein, daß ich solches von Euch nehmen sollte, welches zu unserer Ankunft geschehen kann. Und wenn es Eure Gelegenheit ergebe, daß ihr amtshalber abkömmlich sein könnt, dann wollten wir es miteinander diese Tage bei einem christlichen Gespräch verzehren, welches mir lieb wäre. Ich empfehle Euch der Liebe Jesu Christi.

P.S. Beigefügtes Schreiben ist mir vom Herrn Doktor Kober geschickt worden, Euch zu senden. J. B.

66. Sendbrief an Augustin Köppe, Juli 1622

An Herrn Augustin Köppe, Schösser zu Lissau, vom Juli 1622.

Immanuel!

66.1. In Christus vielgeliebter Herr und Freund, nebst Wünschung göttlicher Liebe und seliger Erkenntnis, auch aller zeitlicher Wohlfahrt! In Eurem wohlgemeinten Beginnen könntet ihr zwar etwas behindert werden, aber ein wahrhaft christlich-eifriges Herz hat seine Schule in sich, auch mitten in allen anderen Geschäften. Denn wenn wir Christus folgen und denselben in uns erlangen, dann ist er in allen Dingen unser Anfang und Ende und unser Lehrmeister in uns.

66.2. Dazu könnte unsere Konversation wohl freilich einen Nutzen schaffen. Weil ihr jetzt so eine schöne Gelegenheit haben könnt, da ihr diese Schriften in Händen habt, so seht zu, unterlaßt es nicht und bequemt Euch darin. Ihr werdet ein gar treffliches Verständnis in den Summarien (welche ich jetzt gerade schreibe) finden, die Herr Tobias schon zum Teil nachgeschrieben hat.

66.3. Denn es ist ein sehr heller Morgenstern aufgegangen, dessen, wenn Euch der Geist aufgeschlossen werden kann, ihr Euch wundern werdet, was uns der Höchste jetzt gönnt. Darin man klar sieht, wie mitten in der finsteren Nacht der helle Tag anbricht, dessen sich manch hungriges Herz erfreuen wird und dadurch von allem Irrtum erlöst werden kann.

66.4. Ich ermahne euch als meine lieben Brüder, ihr wollt ja diese schöne Zeit und Gelegenheit in acht nehmen und nicht die Rosenzeit versäumen, sondern als gute Zweige in unserem schönen Lustgarten mit ausgrünen.

66.5. Denn das Ende zu Babel steht bevor und die Verwirrung hat eine große Einernte. Es wird Ernst sein. So suche sich nur ein jeder in der Gnadenzeit und gehe aus der fleischlichen Babel heraus, daß er nicht mit ergriffen werde. Es ist höchste Zeit, und das ist kein Scherz, der von uns erdichtet wurde, sondern hoch erkannt worden.

66.6. Ich ermahne auch Herrn Tobias brüderlich, seine jetzige bequeme Zeit in acht zu nehmen und sich selbst zu suchen, und meine es treulich. Er wird bald etwas weiteres zum Nachzuschreiben bekommen, welches zum Teil schon Herr Walther in den Händen hat, zum Teil aber auch noch bei mir liegt.

66.7. Wegen des Görlitzer Hauptmanns berichte ich, daß er heute nicht da ist, will aber nachfragen, wenn er hier sein wird. Und wenn es Not tut, dann kann mich der Herr benachrichtigen, dann will ich Bericht geben.

66.8. Denn wir können jetzt nicht in die Stadt, wegen der eingefallenen Brücke, mit einem ganzen Joch (zwischen zwei Pfeilern) mitten auf der Brücke, von oben bis in den Grund, welches in einem Blitz und Hui geschah als schösse man ein (Kanonen-) Rohr ab, welches, weil ich selber auf der Brücke stand, ich selbst gesehen und Gottes große Macht fast übernatürlich gespürt habe, welches mir großes Nachdenken gibt, davon ich mündlich mit Euch reden wollte. (Einsturz der Neiße-Brücke am 18. Juli 1622)

66.9. Was ich sah, hatte mich hart bestürzt. Denn ich lehnte keine drei Ellen (ca. 1,5m) vom Einbruch entfernt in einem (Brücken-) Fenster, um in das Wasser zu sehen, lief aber im Schreck davon. Ich sah es nur in einem Blick an, und ehe ich mich umsah, war augenblicklich alles im Grund.

66.10. Wegen der Fische bedanke ich mich und will es im Guten verschulden. Ich wollte Euch in Kürze selber sehen, wenn ich nur wüßte, daß ihr ein wenig Zeit habt. Laß es mich nur wissen, wenn ihr einen halben Tag Gelegenheit findet. Damit empfehle ich Euch der sanften Liebe Jesu Christi.

P.S. Es sind wohl eine Person oder zehn mit hinuntergefallen und teils sehr verletzt, aber keiner tot geblieben. Man kann jetzt aber noch nicht wissen, ob jemand fremdes reingefallen ist, denn es war viel Volk darauf. Man weiß den Fall noch nicht recht. Es wird sich zeigen, wenn man das Holz herausheben wird.

Euer in der Liebe dienstwilliger J. B.

(Bemerkung eines Beamten aus Görlitz (in der Ausgabe von 1730 abgedruckt): Zur Erläuterung, daß „Jakob Böhme keine drei Ellen vom Einbruch der Brücke im Fenster lehnte“. Das versteht sich nicht von seinem Hausfenster, sondern von einem Brückenfenster. Denn der Autor, wie er nach diesem Originalbrief selber klar spricht, lehnte beim Einsturz der Brücke selbst im Fenster, welche noch heutzutage oben mit Schindeln bedeckt ist und zu beiden Seiten offene Fenster hat. In einem von ihnen hat er vermutlich gelehnt und in das Wasser geschaut. Welches so viel wahrscheinlicher ist, weil er selbst spricht, daß das Joch in der Mitte der Brücke eingefallen war. Dieselbe wird aber fast auf 100 Ellen lang sein, nach welchem der selige Mann zwischen 40 und 50 Ellen vom Land oder Ufer weg über dem Wasser stand, nämlich auf der Brücke, davon ihm auch der Schreck befangen hat, so daß er im Schreck geschwind davongelaufen war. Welches klar von der Brücke zu verstehen ist und nicht vom Haus, welches also nicht am Wasser gesucht werden darf.)

Ansicht der Stadt Görlitz von Osten. Kolorierter Kupferstich von 1575, Quelle: Wikipedia


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