Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

9. Kapitel - Gegensätze in der Heiligen Schrift

Vom Gegensatz der Sprüche in der Schrift, und vom rechten Verstand der Schrift.

9.1. »Hat nicht ein Töpfer die Macht, (sich) aus einem Klumpen Ton ein Gefäß zu Ehren und das andere zu Unehren zu machen? (Röm. 9.21 — Antwort: Der Klumpen Ton deutet das Mysterium Magnum an (das große Unbekannte bzw. Ungestaltete), aus dem sich der ewige Gott durch das Wort ausgesprochen hat, so daß aus einem Wesen zwei (unterschiedliche) Wesen hervorgehen, nämlich in der feurigen Unterscheidung geht eines in die Finsternis nach der Grobheit der Prägung und das andere im Licht nach dem Wesen der göttlichen Eigenschaft. Wie nun diese beiden aus einem Grund kommen, so kommen in gleicher Weise die falsche Seele und die heilige Seele beide aus Adams Seele wie aus einem Klumpen des Grundes, weil man doch im Mysterium Magnum nur einen Geist erkennen soll. Aber doch scheidet sich eine Seele ins Licht und die andere in die Finsternis.

9.2. Dieser Töpfer macht aus jeder Unterscheidung ein Gefäß, wozu die abgeschiedene Materie nützlich ist. Er nimmt kein heiliges Wesen und macht selber einen Teufel daraus, sondern wie das Wesen der Seele ist, so ist auch der Wille zum Machen. Gott sitzt nicht über dem Willen und macht ihn wie der Töpfer den Ton, sondern er gebiert ihn (den Willen) aus seiner Eigenschaft. Warum wollte nun der Gottlose sagen: „Warum machst du mich so, daß ich böse bin?“

9.3. Gott wirkt ein Leben aus allen Dingen, aus bösem Wesen ein böses Leben und aus gutem Wesen ein gutes, wie geschrieben steht: »Bei den Heiligen bist du heilig, und bei den Verkehrten bist du verkehrt (Psalm 18.27)« Darum kann niemand Gott beschuldigen, daß er ihm ein böses Leben gewirkt habe. Wäre der Ton besser gewesen, dann hätte er sich ein Gefäß zu Ehren daraus gemacht. Wenn er ihm aber zu Unehren dient, dann macht er sich ein Gefäß seines Zorns daraus.

9.4. Denn Gottes Wort ist Leben, Wesen und Anfang aller Dinge. Weil aber auch der Zorn-Eifer darin ist, so führt auch er sich in ein Leben, denn wer will Ihm das verwehren? Dem Menschen aber ist Christus zum Gehilfen aus dem ewigen Wort gekommen, und er spricht: »So wahr ich lebe, ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. (Hes. 33.11)« Wenn aber das Wesen der Seele so bösartig und untüchtig ist und des göttlichen Wesens unfähig, was vermag hier Christus? Gottes Zorn macht keinen Willen außer in der Kreatur selbst, denn Christus sprach: »Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben. (Matth. 28.18)« So hat Christus nun allein alle Gewalt in allen Dingen. Und so spricht er auch: »Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde. (Joh. 3.16)« Wenn er nun alle Gewalt hat, dann ist kein anderer Macher zur Unehre vorhanden als der, der im Wesen der Seele aus ihrem Zentrum entsteht. Und so ist es eben der zornige Gott selbst, der ihm ein Bildnis aus seinem Wesen macht, das seinesgleichen ist. Darum sagt Paulus: »Hat der Töpfer nicht Macht zu machen, was er will?« Dieser Töpfer ist Gott im Sprechen seiner Unterschiedlichkeit, dadurch er seine Herrlichkeit offenbart, wie bereits hinreichend erklärt wurde.

9.5. Denn weil Christus allein alle Gewalt hat, so kann außer ihm kein anderer Wille zum Machen sein. Darum darf der Gottlose nicht sagen: „Gott macht mich böse!“ Sondern der Gott in ihm, in dessen Grund er steht, der macht ihn, wozu er nach seiner Möglichkeit sein kann. Der Grund seines Wesens, dessen er selber ist, ist der Anfang. Sobald das Leben daraus geboren wird, entsteht der Macher im Leben, nämlich der zornige Gott, der ihm allda offenbar wird, und der macht ihn.

9.6. Gleichwie Christus seinen Willen in seine Kinder hineinführt, die in ihm geboren werden, so wirkt auch Gottes Zorn in seinen Kindern, die aus ihm (dem Zorn) geboren werden. Denn in der Seele ist Gott offenbar, entweder in der Liebe oder im Zorn. Die Natur ist die Seele, und das wirkende Leben ist Gott selbst, und das versteht nach dem Wort der Unterscheidung.

9.7. Denn der reine lautere Gott ohne Natur ist kein Macher der (unterschiedlichen) Willen, denn er ist nur Eines. Aber in seinem Wort, wenn es sich in die Unterschiedlichkeit hineinführt, da entstehen die Willen zum Bösen und zum Guten. Aus jeder Unterscheidung der Gegensätze entsteht ein Wille nach der jeweiligen Eigenschaft. In welche Qual (bzw. Qualität) sich der unergründliche Wille in der Unterschiedlichkeit auch hineingeführt hat, ein solcher Wille entsteht.

9.8. Adam aber hat sich in sich selber aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit in die Unterschiedlichkeit geführt. Nun stehen seine Zweige (Nachkommen) in der Unterschiedlichkeit, und von denen kommt ein neumachender Wille (der immer wieder neue Gegensätze macht und durch persönliche Erfahrung ansammelt). Ein jedes Wesen bekommt dann einen Willen nach seinem Wesen, aber der Vorsatz führt das Regiment, nämlich das feurige Wort der Natur und das Liebe-Wort der Gnade. Diese beiden sind die Macher zu Ehre und Unehre des (körperlichen bzw. persönlichen) Gefäßes, und diese beiden sind (und wirken) im Menschen.

Die höchste Pforte von Kain und Abel, oder auch von Ismael und Isaak, oder von Esau und Jacob

9.9. Das Reich der (ewigen) Natur ist der Grund des sprechenden Wortes, denn soll eine Kreatur werden, so muß zuvor Natur sein. So ist nun das Wort Gottes der Grund aller Wesen und der Anfang aller Eigenschaften. Das Wort ist das Sprechen Gottes und bleibt in Gott. Aber das Aussprechen als der Ausgang vom Wort, wenn sich der unergründliche Wille durch das Aussprechen in Unterschiedlichkeit hineinführt, das ist Natur und Eigenschaft, aber auch ein eigener Wille. Denn der unergründliche Wille scheidet sich im Sprechen und faßt sich durch ein Selbst-Eigen-Sprechen (zur „Eigenschaft“) in die Unterschiedlichkeit, nämlich in einen anfänglichen Willen. So sind aus dem Einigen, ewigen und ganzheitlichen Willen die Eigenschaften entstanden, und aus den Eigenschaften entstand die Schöpfung mit allen Geschöpfen.

9.10. Dies ist nun der erste „Vorsatz“ Gottes, in dem sich das Wort der Kraft aus sich heraus „vor sich gesetzt“ hat, nämlich das unergründliche und unfaßbare Wort des Lebens in eine Faßlichkeit (Bewußtheit bzw. Wahrnehmbarkeit), darin es leben kann. Diese Faßlichkeit ist die Natur, und das unfaßbare Leben in der Natur ist Gottes ewigsprechendes Wort, das in Gott bleibt und Gott selbst ist.

9.11. Der zweite Vorsatz des Wortes besteht dann darin, daß die Faßlichkeit, als der eigene gefaßte Wille, den unfaßbaren Einigen Willen Gottes in sich (erkennen und) wohnen lassen soll. Denn dafür hat sich das Einige Leben in die Faßlichkeit gesetzt und will in der Faßlichkeit offenbar werden. Die Faßlichkeit soll das unfaßbare Leben in sich fassen und faßbar machen, wie man dafür ein Beispiel im Feuer und Licht hat. Denn das Feuer ist die Natur als das faßbare Leben, und das faßt das unnatürliche (geistige) Leben in sich, nämlich das Licht (des Bewußtseins). Denn in diesem Licht werden die Kräfte des unnatürlichen Lebens durch das Feuer offenbar (und erkennbar). So wohnt nun auch das Licht im Feuer, und hier wird das unnatürliche (geistige) Leben des Lichtes in eine (natürliche) Kraft hineingeführt, nämlich in die Tinktur von Luft und Wasser.

9.12. So versteht nun auch, daß Gottes heiliges Leben ohne Natur nicht offenbar würde, als nur in einer ewigen Stille, wo ohne das Aussprechen und die Faßlichkeit nichts darin sein könnte. Gottes Heiligkeit und Liebe würde dann nicht offenbar. Soll sie aber offenbar sein oder werden, dann muß etwas sein, das die Liebe und Gnade benötigt und das der Liebe und Gnade nicht gleich ist. Das ist nun der Wille der Natur, der in der Widerwärtigkeit (der natürlichen Gegensätze) in seinem Leben steht. Diesem sind Liebe und Gnade nötig, damit seine Leiden in Freude gewandelt werden können.

9.13. Und in dieser Wandlung wird das heilige unfaßbare Leben im Wort offenbar, nämlich als ein mitwirkendes Leben in der Natur. Denn die Leiderfahrungen verursachen, daß sich der Wille des Ungrundes, der sich im Aussprechen in Eigenheit geschieden hat, wieder mit dem heiligen unergründlichen Leben vereinigt, so daß er besänftigt wird. Und in der Besänftigung wird er im Leben Gottes offenbar. Denn dieses faßt er in sich selbst in seine Begierde, und so wird auch das heilige Leben des Ungrundes in ihm offenbar.

9.14. Und in dieser Offenbarung des heiligen Lebens in der Natur heißt das heilige Leben „Kraft“, und die Faßlichkeit der Natur, die das begreift, heißt „Tinktur“. Denn es ist die Kraft vom Glanz des Feuers und des Lichtes, und wenn dieses nicht wäre, dann könnte kein Feuer scheinen, denn der eigene Wille der Natur ist nicht scheinend, weil die Faßlichkeit eine Einschließung (bzw. Verhüllung) und der Grund der Finsternis ist.

9.15. Also führen wir unseren tiefen Grund auf Adam und ferner auf Kain und Abel. In Adam stand das Reich der Gnade als das göttliche Leben offenbar, denn er stand in der Ausgeglichenheit der Eigenschaften. Er wußte es aber nicht, daß Gott in ihm offenbar wäre, denn er hatte kein Böses erkannt, und so wußte der eigene Wille auch nicht, was die Gutheit ist. Denn wie könnte eine Freude sein, wenn kein Wissen von Leid oder Traurigkeit wäre?

9.16. Denn das ist Freude, wenn die Natur als ein eigener Wille von seinem Leid erlöst wird. Dann freut er sich des Guten, wenn es ihm widerfährt. Wenn er aber dieses Gute in eigener Macht ergreifen könnte, dann wäre es keine Freude, denn der eigene Wille lebte wie er wollte und hätte keine Hoffnung, wenn er alles selber machen könnte. Wenn er es aber selber nicht vermag, dann freut er sich dessen, was ihm aus Gnade widerfährt oder dessen, was er erhofft, das ihm widerfahren soll. Alle (wahrhafte) Freude steht in der Hoffnung der Gnade, die ihm immerdar ohne die Macht seines Könnens und Nehmens widerfährt.

9.17. Und darum steht die Natur so in Leid und Streit, damit das Gnadenreich der Liebe in ihr offenbar werde, und sie zu einem Freudenreich werde, aus dem, das ihr immerdar (in den Gegensätzen) widerfährt, indem Gottes Leben in ihr offenbar wird und sie dadurch eine heilige Tinktur erlangt, welche das Leiden tingiert (verwässert, auflöst und im Ganzen vereint) und in (reine) Freude als in ein Bild des heiligen Lebens wandelt.

9.18. Als Adam in der Gleichheit stand, da wußte er es nicht. Er wußte nicht, was das Böse in der Natur wäre, und so wußte er auch nichts vom Reich der Gnade, denn sie beide standen in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit. Als sich aber der freie Wille in die Unterschiedlichkeit des Wortes der Kräfte hineinführte, da wurde das Leiden im Reich der Natur in ihm offenbar. Hier war es nun nötig, daß sich auch die Kraft der Gnade in ihm bewegte, die das Reich der Natur nicht geben konnte. Denn es ist keine Möglichkeit in ihrem eigenen Willen, denn er ist erfassend, aber das Reich der Gnade ist unfaßbar. Darum konnte ihr die Seele als der erfassende Wille vom unfaßbaren Leben nichts entnehmen. Aber so wäre auch Gott in diesem Bild verborgen geblieben und selbst nicht offenbar geworden.

9.19. Darum sprach sich das unfaßbare heilige Leben in seiner Liebe in das seelisch erfaßbare, auf daß es etwas hätte, das es lieben könnte. Und so formte es sich mit in die Eigenschaften der seelischen Natur zu einem Gehilfen.

9.20. Und das war der Schlangentreter, welcher der Schlange des eingeführten Giftes und dem leidenschaftlichen Willen mit der Liebe-Begierde den Kopf zertreten wollte. Diese Unfaßbarkeit kam dem Reich der Natur zu Hilfe und stellte sich mit in die Gestaltung. Und die Natur, die jetzt nach der Gnade hungrig war, ließ sich mit in ein Bildnis der natürlichen Seele und des Leibes einfassen.

9.21. Und in diesem Bildnis war auch Abel eine Gestaltung im Bild Christi, bis sich in Erfüllung der Zeit diese unfaßbare Liebe noch einmal bewegte (bzw. verwirklichte) und sich in ein Wesen der Wesen in menschlicher Eigenschaft einfaßte, als wäre die Gottheit selbst ein Wesen im menschlichen Wesen geworden. Doch dieses Wesen lag schon zuvor in Adam, aber er wußte es nicht. Und da er sich mit dem eigenen Willen der Natur von diesem Wesen trennte, so wurde die Seele an Gott blind und lebte nur noch in sich selber.

9.22. Wenn wir nun sehen wollen und uns nicht selber blind machen, dann erkennen wir Kain und Abel. Kain muß der Erste sein, denn er ist Adams Bild nach dem (Sünden-) Fall, denn Adam war in das Reich Gottes geschaffen worden.

9.23. Kain ist das Reich der Natur als ein wirkliches Bild, das Adam in sich selber außerhalb der Gnade war. Und Abel ist das Bild, das Adam in der wiedereingesprochenen Gnade war. Das deutet auf Christus hin, der sich in eine menschliche Natur hineingeben und die Gnade in die verdorbene Natur von Kains Bild einsprechen wollte.

9.24. Darum sagte Christus, ihm wäre alle Gewalt von seinem Vater gegeben worden, auf daß er Macht hätte, die Gnade in den Willen der Natur einzusprechen.

9.25. So stellte nun Gott in den figürlichen Gleichnissen von Kain und Abel, auch von Ismael und Isaak oder Esau und Jakob dar, wie er Christus in das Fleisch senden wollte, den er hier wie in Adam und Eva in der Stimme seines Wortes in die Kraft als einen Quell zum Leben eingesprochen hatte.

9.26. Diese Kraft wollte er mit menschlichem Wesen erfüllen, welches in Christo geschah, dem als Mensch in dieser Kraft und Stimme die Macht gegeben wurde, die Sünde durch seine eigene Stimme zu tilgen und in sich die Natur wieder zu einem göttlichen Leben lebendig zu machen.

9.27. Damit dies aber geschehen konnte, mußte die Gnade in der Kraft der Liebe in die Widerwärtigkeit (bzw. Gegensätzlichkeit) der leidvollen Natur eingehen und sich in ihren Eigenwillen hineinbegeben, so daß sie die Natur erfaßt. Und in diesem Erfassen durch die hohe Liebe wurde die Natur in den göttlichen Liebe-Willen transmutiert (verwandelt) und erstarb des eigenen gefaßten Willens (der Ichheit), nicht als ein Sterben des Todes, sondern als ein Verlieren des Eigenwillens, welches in Christus in unserer Menschheit geschah.

9.28. Wenn nun der Eigenwille sein Recht verliert, dann wird das eingesprochene Wort wesentlich, was nicht eher sein kann, bis der Eigenwille der Erfahrung des Ungrundes sein Recht abgibt. Sonst zieht er das göttliche Wesen in die Eigenheit (der Ichheit) und wandelt es in seine Bosheit, wie Luzifer und sein Anhang taten, welche Engel waren und das göttliche Wesen in sich hatten, darin ihr Licht ein Schein war. Aber der eigene Wille aus der Erfahrung des Ungrundes verdarb dies.

9.29. Wer will uns nun mit Grund sagen, daß in Kain nicht die göttliche Stimme der Gnade gegeben war, die sich in des Weibes Samen einsprach? Welche Schrift sagt das? — Antwort: Wohl keine. Denn als Gott das Opfer von Kain ungnädig ansah, da ergrimmte Kain innerlich über (seinen Bruder) Abel als ein Bild (bzw. Vorbild) von Christus, das sich von ihm aus Adams Wesen geschieden hatte. Darin sprach ja die einverleibte Gnadenstimme in Kain: »Herrsche über die Sünde und überlaß ihr nicht die Gewalt!« Denn dies kann Gottes Vorsatz im Zorn nicht sagen, der in ihm war, sondern nur die einverleibte Gnadenstimme.

9.30. Wie kam es aber, daß Kain über die Sünde nicht herrschte? Konnte er denn nicht? — Antwort: Nein, er konnte nicht. — Warum konnte er nicht? Hatte ihn Gott verstockt, so daß er nicht konnte? — Antwort: Gott hatte ihn nicht verstockt, sondern der Eigenwille aus der Erfahrung des Ungrundes hatte sich in Adam mit der Einbildung in tierische Eitelkeit hineingeführt, nämlich durch die Ich-Bildung in Böses und Gutes, in die der Teufel das giftige Wesen der Schlange eingeflößt hatte, das dann Eva einnahm.

9.31. Das war die Verstockung im eigenen Willen. Denn der Vorsatz Gottes nach der grimmigen Natur hatte sich darin in Kain gefaßt und ihn so taub gemacht, daß er die einverleibte Gnadenstimme nicht hören konnte. Auch wenn er sie von außen hörte, so hörte er sie doch nicht im Wesen der Seele, sonst hätte sich die Gnade bewegt, so daß die Seele über das Gift der Schlange geherrscht hätte. Aber er meinte, er wollte und sollte von außen über die Sünde herrschen, und darum erhob er sich über Abel.

9.32. Gleichwie der jetzige Verstand meint, die (göttliche) Kindschaft von außen in einer angenommenen Weise zu erlangen, nämlich mit äußerlichen Werken durch eine Gnadendecke aus Christi Leiden und Tod, wie eine äußerliche Genugtuung für die Sünde, derer man sich nun äußerlich trösten und annehmen dürfte, auch wenn der eigene Wille im Gift der Schlange zur Herberge bleibt. Doch dieses gilt soviel wie bei Kain, wenn nicht der innerliche Grund angeregt wird, so daß die Gnade in der Seele beweglich (wirksam bzw. lebendig) werde, nämlich die einverleibte Stimme Gottes im Samen des Weibes, die Christus in uns ist, so daß die Seele in ihrem Inneren die Stimme Gottes beweglich (wirksam bzw. lebendig) hört.

9.33. Da fragt nun der Verstand: Wenn die Gnadenstimme in Kain unter der Sündendecke lag, warum wurde sie dann nicht durch Gottes Einsprechen bewegt, als er sprach: »Herrsche über die Sünde und überlaß ihr nicht die Gewalt!« Denn wenn Er den innerlichen Grund der Seele mit der einverleibten Gnadenstimme bewegt hätte, dann hätte er Ihn innerlich in der Seele gehört, welche ein Herr des Leibes ist. Und dann hätte sich der äußerliche Grund nicht (egoistisch über Abel) erheben können.

9.34. Antwort: Die Stimme, die zu Kain sprach »Herrsche über die Sünde und überlaß ihr nicht die Gewalt!«, war Gottes Gerechtigkeit in seinem Vorsatz, nämlich im sprechenden Wort, darin die göttliche Stimme will, daß sich der Eigenwille der Erfahrung des unergründlichen ewigen Willens in eine göttliche Geburt zum Guten hineinführen soll. Dieses Wort fordert Gottes Gerechtigkeit, so daß er nicht das Böse will, und es ist der wahre Grund des Gesetzes im Alten Testament. Aber er (Kain) erreicht die Gnade nicht, denn er fordert das eigene Vermögen und ergibt sich auch nicht der Gnade. Gott selbst bedarf keiner Gnade. Die Gnade muß sich in ihn hinein ergeben, nämlich in Gottes Gerechtigkeit. Wie sich dann auch die Gnade, welche in Christo offenbart wurde, als in der einverleibten Gnadenstimme, in Gottes Gerechtigkeit hinein ergeben mußte. Diese Gerechtigkeit entspricht dem ewigen Einigen Vorsatz zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in seinem sprechenden Wort, nämlich in der Erkenntnis des Vaters. Und sie mußte den Willen des Menschen, der vom Vorsatz der Gerechtigkeit abgewichen war, in das Zornfeuer Gottes und in seine Gerechtigkeit hineinführen, nämlich in der (körperlichen) Entstehung der Seele, und mußte den Willen der Seele, der aus der Gerechtigkeit abgewichen war, in seinem (Christis) Blut aus dem göttlichen heiligen Wesen der Liebe ersäufen, auf daß die Seele in der Gnade mit diesem Liebes-Blut im Vorsatz der Gerechtigkeit offenbar würde.

9.35. Und darum mußte Christus in der Gerechtigkeit Gottes in unserer Menschheit in uns leiden und sterben, auf daß die Gnade in der Gerechtigkeit offenbar würde. Denn in Kain war sie nicht in der Gerechtigkeit Gottes offenbar, denn sie hatte noch keine Seele in sich genommen, bis die Gnade in Christus die Seele annahm.

9.36. So lag nun die Gerechtigkeit Gottes in der Seele, denn sie war Gottes Bild. Und so forderte Gott seine Gerechtigkeit von der Seele, daß sie über das Böse herrschen sollte, gleichwie Gott über den abtrünnigen Willen der Teufel herrschte und sie von der guten Ordnung der Gerechtigkeit ausstieß, als sie abtrünnig wurden. Und so sollte hier auch Kain den Sündenquell der Qual aus sich ausstoßen. Aber es war ihm nicht möglich, denn die Sünde hatte seinen freien Willen besessen, das menschliche Können war verloren und lag nun im anderen (zweiten) Vorsatz der eingesprochenen Gerechtigkeit durch die Gnade, daß ihr die Seele ihren Willen übergebe und dem eigenen (ichhaften) Einsprechen stillstünde. Denn im Sprechen der Gerechtigkeit Gottes waren nun in der Seele nur noch Not und Widerwillen. Denn die Gerechtigkeit forderte die Ausgeglichenheit, nämlich Gott als sein Werkzeug stillzustehen, damit er darin seine Stimme offenbaren kann. Aber das Werkzeug war zerbrochen und aus der göttlichen Harmonie herausgegangen. Darum lag es jetzt nicht mehr an Kains Wollen, Laufen oder Rennen, sondern an der Gnade als am Erbarmen.

9.37. So spricht nun St. Paulus: »Er erbarmt sich, wem er will, und verstockt, wen er will. (Röm. 9.18)« Darin liegt nun der ganze Grund der Irrung im Verstand. Er versteht nicht, wie das Gnaden-Wollen geschieht, denn was die Gnade will, das ist auch ein Wollen mit der Gnade.

9.38. Denn die Gnade hat kein Wollen im Teufel oder in der Hölle, sondern in dem, was aus Gott geboren ist. Das Gnaden-Wollen ist nicht im Willen des Fleisches und Blutes noch im Willen des eigenen Samens eines Mannes (Joh. 1.13), sondern im göttlichen Wesen. Nicht in Kains eingeführten Schlangen-Samen wollte die Gnade sich einsprechen, sondern viel mehr demselben den Kopf zertreten. Denn sie war ja auch aus Adams Seele entsprossen, wie auch aus dem Schlangen-Samen in der Seele von Kain, aber das Gift der Schlange hatte die Seele in sich so verstockt und eingenommen, daß die Seele in sich verwegen (überheblich) wurde und sich (zwangsweise) unter den Zorn der Gerechtigkeit stellte, damit dieser sie annahm und zum Werkzeug gebrauchte, weil die Gerechtigkeit in der Gnade den (verdorbenen) Menschen in Christus tötete, wie in seinem Vorbild in Abel.

9.39. Denn durch menschliche Werke war die Sünde in die Seele gekommen. Also mußte sie auch durch menschliche Werke in der Gnade in Gottes Gerechtigkeit getötet werden, wie es dann in der Menschheit Christi durch das Menschen-Töten durch die Pharisäer geschah, die das Gesetz Gottes der Gerechtigkeit führten und hatten.

9.40. Darum mußte Abel als Christi Vorbild und auch Christus selbst durch die Menschenwerke des eigenen adamischen Willens in Gottes Gerechtigkeit sterben. Und darum mußten auch diejenigen, die von Gottes Gerechtigkeit im Grimm seines Vorsatzes ergriffen wurden, ein Werkzeug dazu sein, damit die Gnade Gottes in der Gerechtigkeit des Vorsatzes im Zorn offenbar würde. Es steht zwar geschrieben: »Wehe dem Menschen der Ärgernisse halben! (Matth. 18.7)« Jedoch müssen Ärgernisse sein, damit Gerechtigkeit und Wahrheit inmitten der Unwahrheit offenbar werde.

9.41. Denn die Gnade wäre sonst nicht offenbar, wenn nicht das Falsche (Illusorische) ein Gegensatz der Wahrheit wäre. Gleichwie der freie Wille in der Gnade nicht offenbar werden könnte, wenn die Gerechtigkeit denselben nicht zuvor abgetötet hätte, welchen dann die Gnade, nachdem er den selbsterwählten (egoistischen) Willen verlor, in sich wieder lebendig macht, auf daß er nicht mehr sich selber wolle und lebe, sondern der Gnade lebe und wolle, die in Christo offenbar wurde.

9.42. Darum sind wir im Gnaden-Leben in Christo alle nur Einer, denn wir haben das natürliche (gegensätzliche) Leben der Gerechtigkeit Gottes in seinem ewigen Vorsatz verloren und bekommen die Kindschaft in der Gnade.

9.43. Darum sagt die Schrift: »Gott will, daß allen Menschen geholfen werde (und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen). (1.Tim. 2.4)« Nämlich die Gnade will solches, denn sie kann nichts anderes wollen als Erbarmen, denn sie ist sonst nichts in ihrem eigenen Wesen.

9.44. Aber die natürliche Gerechtigkeit im Vorsatz Gottes fordert die Seele in den Gehorsam göttlicher Ordnung ohne Gnade, denn sie wurde nicht in die Gnade geschaffen, sondern in die Ordnung. Worin sie nun dieselbe nicht findet, dort ergreift sie diese in ihre Eigenschaft der Unterschiedlichkeit des Wortes, derer die Seele ein Wesen wird. Also wird sie ein falsches (illusorisches) Wesen und nimmt die entsprechende Gleichheit an, wie es auch in Kain zu verstehen ist, in dem sich der abgewichene Wille von Adam in eine kreatürliche Eigenheit hineingeführt hatte. Und die Hineinführung dieses Seelen-Wesens in das Schlangengift wird zu einer Distel, die der Gnade nicht mehr fähig ist. Denn obwohl die eingesprochene Gnadenstimme im inneren Grund darin liegt, so wächst doch dieses Wesen in eine Distel und kreuzigt Christus in sich und wird an seinem Tod schuldig.

9.45. Gleichwie sich das Wesen der Sonne in der Distel stechen lassen muß, so daß sich ihr der gute Wille der Sonne entzieht, nämlich das heilige Leben, das sie sonst in einem guten Kraut offenbart, aber sie läßt die Distel aus ihrem Wesen machen, was sie will. In gleicher Weise geht es auch dem gottlosen Distel-Wesen der Menschen, wie die Schrift sagt »Er läßt ihr Licht mitten in der Finsternis verlöschen (Spr. 20.20)«, nämlich das heilige Leben in der einverleibten Gnadenstimme.

9.46. Fragst du: Warum das? Denn wenn Er das heilige Leben in ihnen offenbarte, dann würde die Seele heilig. — Antwort: Nein, ein Beispiel haben wir am Teufel, in dem das heilige Leben offenbar war. Aber das Wesen seines Willens war eine Distel. Also gebraucht auch ein Distel-Kind die Gnade nur zum überheblichen Stolz wie Luzifer. Denn Gott erkennt an der Erfahrung des Ungrundes, wie sie sich in Grund geformt oder offenbart hat, ob sie eine Wurzel aus der Finsternis als aus dem finsteren Feuer-Leben sei oder eine Wurzel aus dem lichtvollen Feuer-Leben.

9.47. Da sagst du: So ist Kain eine Wurzel aus dem finsteren Feuer, darum kann er die Gnade nicht erreichen. — Antwort: Nein, denn er kam aus Adams Seele. Aber das finstere Feuer aus dem Zorn oder die Eigenschaft der finsteren Welt hatte sich in die wahre Seele hineingedrängt, nicht von außen, sondern aus dem Inneren hatte es sich emporgeschwungen. Und dies geschah bereits im (Sünden-) Fall von Adam, aus welcher Wurzel Kain herkam. Darum mußte er ein Knecht der Gerechtigkeit Gottes sein, damit die Gerechtigkeit den freien Willen von Abel in der Gerechtigkeit tötete.

9.48. Denn in Adams Samen schieden sich die Eigenschaften, nämlich der wahre seelische (Samen), das heißt, der wahre seelische Wille, der im Anfang des göttlichen Bildes im Vorsatz Gottes in der Einigen Seele offenbar war, welcher ein freier Wille war, aber vergiftet wurde, so daß er an Gott erblindete. Dieser Wille schied sich (bzgl. Abel) in den Tod seiner Ichheit, denn Gott sagte: »Du wirst sterben, wenn du von Gut und Böse ißt.« So trat er ins Sterben, und in das Sterben sprach Gott seine Stimme ein, auf daß der erste (ursprünglich ganzheitliche) Wille in der Gnade wieder lebendig würde, und aus diesem kam Abel.

9.49. Der andere, in der Sünde neugeborene Wille, der im Anfang nicht gewesen war, sondern erst im (Sünden-) Fall entstand, der schied sich in das Naturleben, und der war Kain. Darum war dieser Wille ein Distel-Kind, das Gott nicht geschaffen hatte, sondern es war aus dem Zentrum der Seele herausgegangen.

9.50. Nachdem die Einige Seele aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit ausging, so daß sich der finstere Grund in Kain offenbarte, kam die Finsternis in ein Wollen der Seele, das im Anfang nicht war. Nach dem Wesen der Seele kamen sie beide, Abel und Kain, aus einem Wesen, aber nach dem Willen unterschieden sie sich. Nicht daß Abel rein und ohne Sünde geboren war, denn die Sünde hing ihm durch den Willen des Todes an, obwohl es doch kein wahrer Tod war, sondern die Stimme der Gerechtigkeit in der Gnade tötete ihn, auf daß sie ihn in sich lebendig mache. Aber im Fleisch war der Wille der Sünde offenbar. Darum tötete ihn die Gerechtigkeit Gottes durch Kain, denn er war nach dem Fleisch auch dem Gesetz der Sünde untertan. Aber den (eigenen) Willen der Seele hatte die Gnadenstimme in ihm getötet und in sich lebendig gemacht. Darum war er auch ein Vorbild Christi und im Bild Christi stehend.

9.51. Darum ist das der wahre Grund von Kains Verstockung, und nicht Gott hat ihn aus seinem göttlichen Willen verstockt, denn Gott macht das nicht, weil er reine Gutheit ist. Nur der neuentstandene Wille aus dem Zentrum (bzw. der Egozentrik) der Seele verstockte sich in eigener Begierde. Denn als die Begierde im Grimm der Natur in Seinesgleichen einging, da fand er im Vorsatz der Natur Seinesgleichen, nämlich in der Unterscheidung von Finsternis und Licht. Diese (Trennung) nahm ihn ein und besaß ihn, das heißt, den neuentstandenen falschen Willen, der ein Mörder und Knecht von Gottes Zorn war. Aber die wahre geschaffene und gebildete Seele aus Adams Wesen, darin die einverleibte Stimme Gottes lag, die war noch nicht gerichtet oder zur Verdammnis bestimmt, wie der Verstand so irrt. Denn dieses Gericht steht keinem Menschen zu, sondern der Gerechtigkeit Gottes.

9.52. Und es ist gar nicht so, wie etliche meinen, daß Kain aus dem Willen des Teufels und dem Samen der Schlange geboren worden sei, sondern aus Adams Seele und Leib. Aber Adams angenommener natürlicher Wille regierte ihn. Er war ein Bildnis des gefallenen und nicht wiedergeborenen Adams, in dem die Verheißung und die eingesprochene göttliche Stimme ohne ein wirkliches Leben lag, also ohne eine reale Möglichkeit zur neuen Geburt. Denn diese Möglichkeit stand nicht in Kains Gewalt mit seinem falschen (illusorischen) Willen, sondern lag im Grund der Seele und wartete auf Christis Stimme, der sich in dieser Möglichkeit im teuren Namen „Jesus“ erweckte und die armen Sünder in Gnade annahm und mit seiner Stimme in die verschlossenen Sünder hineinrief und den stillstehenden Grund der ersten Einsprechung erweckte, wie solches dem Übeltäter am Kreuz und vielen mehr geschehen ist.

9.53. Denn wenn das wahr wäre, daß Gott in seinem vorbestimmten Willen Kain verstockt hätte, dann könnte kein Gericht durch die Gerechtigkeit Gottes über Kain ergehen. Auch hätte kein Fluch in ihn eingehen können, denn was Gottes Vorsatz gemacht hat, das verflucht Gottes Gerechtigkeit nicht, wie aber Kain geschah.

9.54. Denn die Gerechtigkeit ist die Ordnung des anfänglich ausgesprochenen Wortes, so daß alle Dinge in der Ordnung bestehenbleiben, wie sie das Sprechen in ein Leben hineingeführt hat. Und es fällt nichts ins Gericht, was in seiner Ordnung stehenbleibt, in der es geschaffen wurde.

9.55. Wenn nun ein Wille aus Gottes Vorsatz, das heißt, aus göttlichem Vorsatz, Adam und Kain verstockt hätte, dann hätte die Gerechtigkeit keinen Einspruch (und nichts zu verurteilen), denn dieser Wille der Verstockung würde in göttlicher Ordnung stehen.

9.56. Deshalb ist der Wille zur Verstockung in Adam und Kain im Abfall (von Gott bzw. der Ganzheit) entstanden, in der Ungleichheit der zerteilten Eigenschaften, weil sich diese Eigenschaften im Wesen faßten und das (überbildliche) Bild Gottes im Licht verdunkelten und töteten.

9.57. Gottes Vorsatz ist das Zentrum des menschlichen Grundes, welches das ausgesprochene und wiedersprechende Wort Gottes ist. Und so ist dieser gefaßte menschliche Wille in Wahrheit auch in diesem Vorsatz Gottes verstockt worden, wie die Schrift sagt. Aber niemand will den Grund (wahrhaft) verstehen, sondern man sagt nur, Gottes Vorsatz tut es, und niemand will des Vorsatzes Grund erforschen (und erkennen), daß er im Menschen selbst liege und nicht in Gott.

9.58. Wenn Gott einen Vorsatz zum Teufel gehabt hätte, dann wäre dieser Vorsatz ein Wille des Teufels (und der Wille des Teufels wäre göttlicher Wille). Aber erst in der Unterscheidung des Sprechens ist der Vorsatz zur Bosheit in ein Prinzip getreten, und ist in sich selber in der gefaßten Unterscheidung aus dem Mysterium Magnum offenbar geworden, nach der sich Gott einen zornigen Gott nennt. Und es ist doch nicht Gott, sondern das Zentrum der Natur als die Ursache göttlicher Offenbarung zum Freudenreich. Denn in Gott ist kein Zorn offenbar, sondern nur eine brennende Liebe.

9.59. Wenn in Gott ein Wille zur Verstockung wäre, dann wären alle diese Sprüche nicht wahr, die da sagen: »Du bist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt. (Psalm 5.5)« Oder auch: »So wahr ich lebe, ich will nicht den Tod des Sünders. (Hes. 18.23 und Hes. 33.11)« Oder auch die zehn Gebote, die das Bösartige verbieten.

9.60. Wenn Gott gewollt hätte, daß Kain den Abel töte, dann wäre das fünfte Gebot nicht wahr („Du sollst nicht töten!“). Auch setzte Gott für Kain (nicht umsonst) eine schwere Strafe fest: »Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden durch Menschen. (1.Mose 9.6)« Wenn er es aber haben will, dann müßte niemand seine Gebote einhalten. Wo bliebe dann seine Gerechtigkeit und das Gericht in der Wahrheit? Denn die Schrift sagt: »Israel, dein Unheil kommt aus dir selber. (Hos. 13.9)«

9.61. So sollten wir nun niemanden verdammen als nur die Laster und Sünden, die am Gottlosen offenbar erscheinen. Denn diese kommen durch den in Adam und Kain entstandenen eigenen Willen aus dem Zentrum der finsteren Welt. Und diesen Eigenwillen hat Gott im Menschen ursprünglich nicht offenbart oder geboren, sondern der Teufel ist schuld daran.

9.62. Diesen falschen (illusorischen) Willen in seinem Wesen und Tun sollten wir verdammen und nicht die arme Seele, die in diesem schweren Gefängnis der eingesprochenen Gnadenstimme verborgen liegt. Diese Gnadenstimme der ersten Verkörperung im Paradies nach dem (Sünden-) Fall kann wohl durch Christi Stimme in seinen Kindern erweckt werden, in denen der Geist Christi wohnt, wie im Übeltäter am Kreuz, im Zöllner, auch in Maria Magdalena und vielen hunderttausend armen gefangenen Seelen geschehen ist. Denn die Schrift sagt: »Es ist ein teures und wertvolles Wort, daß Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um alle armen Sünder selig zu machen. (1.Tim. 1.15)« Oder auch: »Er steht vor der Tür und klopft an, nämlich an der Tür der armen gefangenen Seele. (Offb. 3.20)« Und: »Kommt zu mir, alle Mühseligen und Beladenen, ich will euch erquicken. (Matth. 11.28)«

9.63. Er steht in dem innerlichen, in Adam eingesprochenen Grund der Gnade im Zentrum der Seele und ruft sie, solange die Seele den Leib auf Erden trägt, ob sich die arme Seele zu ihm wenden wolle. Und wenn es geschieht, daß sie sich zu ihm wendet, dann spricht er: »Klopfe an, dann wird dir aufgetan!« Klopfe an die einverleibte erste Gnadenstimme, dann wird sie sich bewegen (und lebendig werden). Oder auch: »Bittet, dann werdet ihr empfangen.« Oder: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.9-13)«

9.64. So liegt es nun nicht am Selber-Können und -Nehmen, sondern am Bitten und Anklopfen, denn die Gnadenverheißung hat sich in Jesus Christus in das Bitten eingesprochen, so daß sie sich dem Bitten hingeben will. Denn es steht geschrieben: »Christus ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Matth. 18.11)«

9.65. Frage: Wer sind nun die Verlorenen? — Antwort: Kain, Ismael, Esau und alle in der Sünde gefangenen und verstockten Menschen. Diese ist Christus gekommen, zu suchen und selig zu machen, und er will, daß sie nicht verloren werden. Aber den ich-geborenen falschen Mörder in Kain will er nicht, auch nicht den Spötter in Ismael oder den Jäger in Esau, die will er nicht, sondern den wahren Grund der erstgeborenen Seele, in dem die Gnadenstimme liegt.

9.66. Weil er den Spötter Ismael nicht will, so stieß er ihn mit seiner Mutter aus dem Haus, das heißt, den Spötter in Ismael als den selbstgefaßten und in Adam entstandenen bösartigen Willen, samt der Hagar (die Mutter Ismaels) als die gegensätzliche Natur, das heißt, die zertrennte Eigenschaft der Natur.

9.67. Zuerst floh Hagar vor Sara und wollte sich nicht züchtigen lassen, denn Hagar wollte mit dem Spötter (ihrem Sohn Ismael) in Abrahams Gütern herrschen. »Als sie dann aber in die Wüste kam, sprach der Engel Gottes zu ihr: „Wo kommst du her, Magd der Sara?“ Und sie sprach: „Ich bin von meiner Herrin Sara geflohen.“ Und er hieß sie wieder umkehren und sich vor der Herrin demütigen, und sprach weiter zu ihr: „Ich will deinen Samen so vermehren, daß er vor großer Menge nicht mehr gezählt werden kann. Du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären, den sollst du Ismael („Gott hört“) nennen, weil der Herr dein Elend erhört hat. Er wird ein wilder Mensch sein, seine Hand gegen jedermann und jedermanns Hand gegen ihn, und er wird gegen alle seine Brüder wohnen.“ (1.Mose 16.8)«

9.68. Dieses Gleichnis verdeutlicht uns den wahren Grund, wie Adam mit dem Reich der Natur (Hagar) von Gott in die Wüste der tierischen Eigenschaften hinausgelaufen war, nämlich von der Freien (Sara), welche die Ausgeglichenheit ist (bzw. symbolisiert), und in der eigenen Begierde als im eigenen entstandenen Willen mit dem Spötter schwanger geworden war. Das Reich der Natur hatte sich dadurch in den Eigenschaften getrennt, so daß je eine gegen die andere ging, wie hier von Ismael gesagt wird: »seine Hand gegen jedermann, und jedermanns Hand gegen ihn.« Aber die Eigenschaften der Natur waren darum nicht von Gott abgetrennt, wie hier auch bei Hagar zu sehen ist, denn der Engel sprach zu ihr: »Er wollte ihren Samen so vermehren, daß er vor großer Menge nicht mehr gezählt werden kann. Aber sie sollte wieder zur Freien umkehren und sich unter ihre Hand demütigen.« Das deutet die Buße und Umkehrung des armen Sünders an, wenn ihm Christus mit seiner Stimme innerlich in seiner Wüste der Welt begegnet und ihn tröstet, und ihm ins Gemüt spricht: »Ich habe dein Elend erhört, du arme gefangene Seele, in dieser Wüstenei. Kehre wieder um, du bist ja mit dem Spötter schwanger aus dem Reich der Natur deiner Konstellation, und wirst ihn gebären. Aber ich will dich segnen, und du sollst aus dem Reich der Natur zwölf Fürsten gebären, die in meinem Segen kommen sollen und deren Nachkommen vor großer Menge nicht gezählt werden können.« Und so kommt der arme Sünder, wenn er nur in diesem Ruf des Engels wieder umkehrt, in diese zwölffache apostolische Gnade. Doch er muß mit dem Willen der Seele wieder zur Freien gehen. Der Spötter aber wird in seiner Konstellation mit einem eigenen Willen geboren, ein Wille, der Gottes Reich nicht erben soll.

9.69. Denn Abraham mußte den Spötter (den Sohn der Magd Hagar) aus der Erbschaft der Güter hinausstoßen, aber nicht ohne Geschenk. Denn dies wollte die Freie als die Ausgeglichenheit im Reich Christi so haben, daß der spöttische eigene Wille verstoßen würde. Diese Freie wird von Sara angedeutet, die Gott dem Abraham als Christis Wesen bestimmte. Das Geschenk aber, das Abraham der Hagar und Ismael mitgab, das deutet nun auf das wahre Geschenk im Paradies hin.

9.70. Als Adam ausgestoßen wurde, gab ihm Gott zuvor das Geschenk als das eingesprochene Gnadenwort, und in diesem Geschenk stand der Segen. Aber das Reich der Natur mußte die zwölf Fürsten geben. Das deutet an, daß die Seele aus der ewigen Natur gekommen sei, und diese Ordnung bleiben müsse, denn es könne keine neue Kreatur im Menschen hervorkommen. Auch wenn sie gleichsam in den zerteilten Lebensgestaltungen einen Spötter abgeben (bzw. hervorbringen), so sei doch der innerliche Grund das Wort Gottes.

9.71. Darum soll die Natur nicht vergehen, sondern nur der falsche (illusorische) selbst-entstandene Wille aus der Ungleichheit soll ausgestoßen werden und sterben. Dazu haben wir hier das symbolische Gleichnis. Denn als Hagar mit Ismael weggelaufen war und sie doch noch mit Ismael schwanger war, so daß sie der Engel tröstete, da nannte sie den Namen des Herrn, der mit ihr redete: „Du Gott siehst mich!“ Das heißt, du siehst meinen innerlichen Grund der Seele, darin das Geschenk an Adam liegt. Denn sie sprach: »Hier habe ich gewiß den gesehen, der mich danach angesehen hat.« Das heißt, die arme Seele sprach: »Ich war von der Freien, nämlich der ganzheitlichen Ausgeglichenheit von Gottes Reich, weggelaufen und an Gott blind worden. Nun habe ich aber den gesehen, der mich in meiner Verblendung mit seinem Einsehen der Gnade angesehen hat.« Das heißt, danach sah er mich, als ich schon blind im Sehen Gottes war, also danach, als das Reich der Natur mit dem neuen (eigensinnigen) Willen schon ein Spötter geworden war. Darum nannte sie diesen Brunnen, der zwischen Kades und Bared liegt (und wo der Engel zu ihr gesprochen hatte), „einen Brunnen des Lebendigen, der mich angesehen hat“.

9.72. Dieser Brunnen ist Christus im eingesprochenen Gnadenwort. In diesem Gnadenwort des Schlangen-Zertreters liegt der Brunnquell der süßen Liebe Gottes im Namen „Jesu“ aus Jehova. Er ist der Brunnen des Lebendigen, der die arme Seele nach dem Fall ansah und der auch Hagar und Ismael in ihrem Mutterleib ansah. Denn der Spötter aus den zerteilten Eigenschaften der Natur, nämlich dieser spöttische Wille, war ihr angedeutet, daß er aus dem Reich der Natur entstehen würde, und die arme Seele in ihrem Gefängnis und ihrer Blindheit müsse ihn ertragen. Aber Gott habe ihr und des Knaben Elend aus dem Brunnen des Lebendigen gesehen, nämlich im Zentrum der Seele in ihrem innerlichen Grund. Denn der äußerliche Grund werde zwar ein Spötter sein, aber Gott wollte ihm aus dem innerlichen Grund, wo sich die Gnade einverleibt hatte, zwölf Fürsten hervorbringen, deren Nachkommen unzählig sein würden. Doch äußerlich würde die Natur in zwölf Fürsten der verdorbenen Natur im Regiment stehen, so daß dann auch zwölf Fürsten äußerlich aus ihm entstanden. Also deutet der Geist Gottes in Mose auf den inneren Grund, und das sehen wir klar vor Augen.

9.73. Denn als Ismael geboren wurde, war der äußerliche Grund nach dem verdorbenen Reich der Natur ein Spötter, und diesen hieß Gott ausstoßen. Als er aber ausgestoßen wurde und auch Hagar den Knaben verlassen hatte, weil sie nicht zusehen wollte, wie er in der Wüste stürbe, da lag der Knabe Ismael und weinte. »Da erhörte Gott die Stimme des Knaben, und der Engel Gottes rief vom Himmel der Hagar zu und sprach: „Was ist, Hagar? Fürchte dich nicht, stehe auf, nimm den Knaben und führe ihn bei der Hand, denn ich will ihn zum großen Volk machen. Und Gott tat ihr die Augen auf, daß sie einen Wasserbrunnen sah. Da ging sie hin und füllte die Flasche mit Wasser und tränkte den Knaben. Und Gott war mit dem Knaben. (1.Mose 21.17)« Und sie wohnten in der Wüste Bersaba bei dem Brunnen des Lebendigen und Sehenden.

9.74. Dieses Gleichnis ist also sonnenklar und offenbar gegen die irrigen Meinungen, die da Ismael richten und verdammen, daß es nicht klarer sein könnte, wenn sie nur ihre irrige Meinung erkennen könnten. Denn der Spötter Ismael im äußeren Reich der Natur war bösartig und aus der Kindschaft verstoßen. Aber als er lag und weinte, was die Buße andeutet, da öffnete Gott der Hagar, als dem Reich der inneren Natur nach der Seele, die Augen im einverleibten Gnadenbrunnen, so daß sie den Brunnquell Christi sah und den Knaben als die arme Seele aus dem Brunnen zu Bersaba tränkte, nämlich in den zerteilten Lebenseigenschaften.

9.75. Dieses Tränken deutet die Taufe samt der Beschneidung an, weil auch Christus aus seinem Brunnen die zerteilten Lebensgestalten in ihrem Durst tränken wollte. Aber Ismael, der Spötter nach der äußeren Natur, sollte zuvor durch die Beschneidung abgeschnitten werden, welches durch Buße und Abwerfen des spöttischen Willens geschieht. Dann tauft Christus aus dem Brunnen des Lebendigen und Sehenden mit dem Heiligen Geist, und dann wohnt die Seele bei diesem Brunnen, und Gott ist mit ihr wie mit Ismael.

9.76. Denn nicht der spöttische Wille ist der Same, den Gott segnete, sondern der innere Grund im Gnadengeschenk. Denn Gott sprach zu Abraham: »In Isaak soll dir der Same gesegnet sein!« Und in Christo soll (dann auch) Ismael den Segen haben. Denn nicht der verdorbene Naturwille soll der Erbe in Gottes Reich sein, sondern er soll allezeit verstoßen werden. Doch die Natur in ihrem Grund und Ursprung, die Gottes Wort als das ausgesprochene Wort in seiner Unterschiedlichkeit ist, darin der Brunnquell des Lebens aus Jehova entspringt, nämlich der Quell der Liebe im Namen „Jesu“, der (bzw. diese Natur) soll es erben.

9.77. Diese innerliche Natur wird auch in Japhet angedeutet (in 1.Mose 9.27), dem der Geist Noahs sagte, er sollte in Sems Hütte wohnen wie auch Isaak, das heißt, in Christi Brunnen. Die Hütte Sems deutet die neue Geburt aus Christus an, in die Japhet und Ismael kommen sollten. Denn der Text sagt: »Und Gott war mit dem Knaben Ismael«, nicht aber mit dem Spötter, sondern im innerlichen Grund, der in Christo offenbar werden sollte. Wenn nun Gott mit ihm gewesen war und er mit seiner Mutter bei dem Brunnen des Lebendigen gewohnt hat, nämlich bei Christo in seinem Gnadengeschenk, wer will ihn dann verdammen, wie die irrige Welt es tut? Zu Recht wird der äußerliche Ismael als der Wille der Spötterei verdammt, aber nicht Abrahams angeerbte wahrhafte Natur aus dem Segen, sondern Abrahams irdischer Wille aus dem Samen der Schlange.

9.78. Denn Ismael ist ein Bild des Reichs der Natur nach dem armen verdorbenen Adam, der in uns sterben und verwesen und dann nach dem erstgeschaffenen Bild in Christo wieder auferstehen und den Spötter Ismael in der Erde lassen muß. Und Isaak ist ein Bild des neuen Menschen in der Menschheit Christi, in dem Adams Natur und Christus ineinander vereint sind und in Christo der falsche Wille tot ist. Obwohl Adams Natur noch da ist, so lebt sie aber im Geist Christi (Gal. 2.20).

9.79. Darum nahm Jesus Adams Natur an sich, aber nicht Adams ich-geborenen falschen Willen, sondern die arme zertrennte Lebensgestalt in der Natur in Gottes Gerechtigkeit und Vorsatz, damit der erste (ursprüngliche) Adam in Christo in seiner Gerechtigkeit bestünde.

9.80. Also war Ismael aus dem Bild der Gerechtigkeit Gottes, das er in Adam schuf, und Isaak war im Bild der Gnade, das sich in Christo in Gottes Gerechtigkeit hineingab und sie mit Liebe erfüllte und den Zorn stillte. Denn Christus sollte den Spötter in Ismael, der in Gottes Gerechtigkeit offenbar geworden war, mit der Liebe-Tinktur seines Blutes verwandeln, so daß er in Christo wieder zur Kindschaft kommen könnte, aus der ihn die Gerechtigkeit ausgestoßen hatte wie aus den Gütern von Abraham, nämlich vom Erbe der Natur des geformten und ausgesprochenen Wortes Gottes.

9.81. Das figürliche Gleichnis von Jakob und Esau ist nun das Gegenspiel, wie Christus aus dem Reich der Natur ihres ich-geborenen falschen Willens ausgestoßen wird. Denn als er unsere Sünde in der Natur Adams - das heißt, den Quell, daraus die Sünde quillt, nämlich die zerteilten Lebensgestalten in menschlicher Natur - auf und an sich genommen hatte, da sprach er entsprechend: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. (Joh. 18.36)« Also nicht in den zerteilten vier Elementen, sondern in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit.

9.82. Weil aber Christus die Menschheit in den zerteilten Eigenschaften angenommen hatte, so wollte ihn die Gerechtigkeit der äußeren Ordnung in sich auch nicht dulden, denn er war aus einer anderen, nämlich aus der himmlischen Gerechtigkeit entsprungen und kam in unsere arme Menschheit, nämlich in der Eigenschaft dieser Welt, um uns zu helfen.

9.83. Darum sagt er: »Des Menschen Sohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. (Matth. 8.20)« Aber er sagte auch: »Ihm sei alle Gewalt im Himmel und auf Erden von seinem Vater gegeben. (Matth. 28.18)« Da meinte er den inneren Grund aller Wesen, nämlich die Ewigkeit, welche in dieser Welt verborgen liegt und in Christus offenbar geworden war. Doch diese Offenbarung war nicht in dieser Welt daheim und besaß auch nichts vom Wesen dieser Welt zum Besitz und Eigentum.

9.84. Das figürliche Gleichnis, wie Christus von dieser Welt ausgestoßen und vertrieben werden sollte, das war Jakob, den sein Bruder Esau als das Reich der äußern Naturgerechtigkeit immerdar töten wollte, so daß Jakob vor Esau fliehen mußte, wie auch Christus vor der pharisäischen Gerechtigkeit im Reich der Natur, und zwar solange, bis Jakob mit seinem Geschenk von Laban kam und zu Esau ging und sich ihm ergab, ob er ihn nun tötete oder lebendig ließe. Aber Jakob war noch nicht der rechte, den die Gerechtigkeit der Natur in Gottes Vorsatz fassen und töten sollte, sondern Christus war es.

9.85. So sehen wir nun hier abermals ein Gleichnis in den Figuren von Christus und Adam, denn als Jakob zu Esau ging und ihm das Geschenk darbrachte, da wurde Esaus Zorn zerschellt und in großes Erbarmen gebracht, so daß er Jakob um den Hals fiel und weinte (1.Mose 33.4) und ihm nichts tat, sondern in Liebe annahm. Also ist auch die Figur von Christo in unserer Menschheit.

9.86. In unserer Menschheit lag der Zorn des Vaters als der zornige Esau, der im Zorn der Gerechtigkeit erweckt wurde, wie Esau gegen Jakob. Aber Christus schickte sein Gnadengeschenk als die Liebe in seinem Blut vom Wesen der himmlischen Welt dem Zorn des Vaters in unsere Natur in Gottes Gerechtigkeit, nämlich in die ursprüngliche Geburt Adams, der (illusorischen) Natur entgegen. Und als sie diese (göttliche Liebe) in sich sah und fühlte, da wurde Gottes Zorn in seiner Gerechtigkeit der Natur in großes Erbarmen gebracht, darin der Zorn all sein Recht verlor und zerschellte, die Sonne ihren (illusorischen zw. weltlichen) Schein in Gottes Gerechtigkeit verlor und die Erde in diesem Zerschellen erbebte, die Felsen zerbrachen und die Toten, die Gottes Gerechtigkeit im Tode verschlungen hatte, in diesem Erbarmen auferstanden.

9.87. Denn Esau ging es um die Gerechtigkeit der Erstgeburt, die er an Jakob verkauft hatte, und doch nicht wußte, wie es Gott so geschickt (schicksalhaft vorbestimmt) hatte, daß Er die Figur von Christus und Adam auf diese Weise vorzeichnete. Und darum feindete er Jakob an, weil Jakob den Segen Abrahams hatte. Denn die Gerechtigkeit des eigenen (egoistischen) Naturwillens wollte diese Segen in Esau haben, nämlich in Adams verdorbener Natur. Aber die Natur des eigenen Willens hatte das Erbe Gottes verloren, und das brachte der andere, neue Adam in Christo wieder in die Natur. Also mußte nun das erste Recht als das erste natürliche Leben sterben und in Christo wieder lebendig werden. Und so konnte Esau in seinem Jägerwesen das Reich Gottes in der Gerechtigkeit nicht erben, sondern wurde ausgestoßen, sogar noch im Mutterleib, wo die Kinder weder Böses noch Gutes getan hatten, auf daß der Gerechtigkeit Gottes in seinem Vorsatz zur Schöpfung der Kreaturen Genüge geschehe.

9.88. Doch in Christo nahm er Esau nach dem Gnadengeschenk im inneren Grund des wahren adamischen Menschen wieder an. Nicht nach dem Recht seiner (ichhaften) Lebensnatur, darin er Esau hieß oder genannt war. Denn des „E“ ist der innere Grund, wo das paradiesische Geschenk verinnerlicht lag. Aber die „sau“ war das verworfene Tierwesen im Reich des eigenen Willens nach der Irdischkeit, von dem die Schrift sagt: »Esau habe ich gehaßt (Röm. 9.13, da er noch im Mutterleib war, auf daß die Wahl Gottes bestünde, so daß Esau in seinem falschen eigenen Naturleben kein Kind Gottes sein sollte, sondern Christus in der wahren adamischen Natur (ursprünglichen Natur Adams) in Esau.

9.89. Die adamische Natur sollte ihr Recht in „sau“ nach ihrem Willen und Leben ganz verlieren. Aber das Wesen der adamischen Natur, welches das geformte ausgesprochene Wort Gottes war, sollte in Christus bleiben und mit dem Geschenk Christi im Zorn versöhnt werden. Welches ein Gleichnis war, als Jakob dem Esau das Geschenk darbrachte und ihn seinen Herrn nannte. Da wurde der Zorn in Esau wegen des Naturrechts versöhnt und begann, sich in größtes Erbarmen zu stellen, und er fiel Jakob um den Hals und küßte ihn und ergab seinen Willen in die Erstgeburt Jakobs (1.Mose 33.4)«

9.90. Denn Christus mußte sich ganz in den Tod hineingeben und das menschliche Naturrecht seinem Vater als der Gerechtigkeit untergeben (bzw. unterordnen). Darin starb „Esau“ ab. Und so erweckte Gott den ersten Adam als den rechten (wahren) Menschen, der in Gottes Vorsatz geschaffen worden war, in der Gnade der Liebe, die vor Gott die Gerechtigkeit erfüllt hatte. Und dann war es nicht mehr „Esau“, sondern ein Glied Christi.

9.91. Daß die Schrift aber so auf die Prädestination (Vorherbestimmung) eingeht, das ist im Grunde richtig. Denn Esau ist das Bild von Gottes Zorn, das in Adam entstand. Und das ist verdammt, auf daß der Gerechtigkeit Gottes Genüge geschehe und der Reichtum seiner Gnade in Jakob als in Christo in Gottes Gerechtigkeit offenbar werde. Denn das Leben im Naturwillen, das „Esau“ hieß, war Adams neues (eigenwilliges) Leben nach den erwachten Eigenschaften der finstern Welt, wie auch bei Kain und Ismael. Dieses Leben hatte Gottes Gerechtigkeit im Zorn ergriffen und sich darin offenbart. Und das war verdammt, aber nicht der seelische Grund als das ganze Zentrum der Natur, nämlich das geformte Wort nach der Seele, das war nicht von Gott verstoßen. Nein, nein, sie waren aus den Kindern der Heiligen entsprossen, nicht von der „Sau“, wie jetzt in vielen geschieht, weil der innere Grund voll Teufel ist.

9.92. Das Gnadengeschenk der einverleibten Stimme lag im inneren Grund, aber nicht im Wesen des Lebens wie in Jakob, Isaak und Abel, deren Wesen Christus war, der sich mit seiner Stimme in dieses eingesprochene Wort im inneren Grund der armen Seelen einsprechen wollte, die im Zorn Gottes gefangen war, wie auch geschrieben steht: »Ich bin gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.« Nämlich den Ismael, Esau und ihresgleichen, die in Gottes Haß ergriffen und verloren waren. So sagte Christus nun, er wäre gekommen, den armen Sünder zu suchen, der verloren wäre, und nicht den Gerechten. (Matth. 9.13)

9.93. Denn Jakob, Isaak und Abel waren die Gerechten, denn die Gnade hatte sich in ihnen offenbart und den eigenen Willen der Sünde im Seelenleben abgetötet und sich dem wahren erstgehabten Lebensgrund zu einem neuen Leben eingegeben. Also waren sie nun in diesem neuen Leben gerecht und hatten Frieden mit Gottes Gerechtigkeit, das heißt, nach der Seele. Aber nach dem äußerlichen Leben waren sie noch unter dem Fluch. Darum mußte ihr äußerer Leib sterben. Denn nicht sie selber waren von Natur die Gerechten, sondern die Gnade machte sie gerecht. Diese Gnade ergab sich in ihnen in ein Sein des Lebens, darin das Leben brannte, und dieses neue göttliche Feuer wandelte den Haß gegen Gottes Zorn in Liebe, darin sie gerecht waren.

9.94. Da fragst du: Warum nicht auch in Kain, Ismael und Esau? — Antwort: Nein, der Vorsatz Gottes muß bestehen, nämlich die Ordnung seines ausgesprochenen Wortes, das er nicht wieder zurückzieht. Sein Zorn mußte nicht getötet und zerbrochen werden, denn er ist eine Ursache, daß die Gnade offenbar werden kann. Darüber hinaus ist er die Ursache, daß die Gnade in ein Freudenreich verwandelt wird. Auch ist er die Ursache, daß die Gnade eine feurige Liebe wird. Christus aber ist der andere (zweite) Vorsatz, den er in Abel, Isaak und Jakob offenbarte, und die Figuren im Gleichnis zeigen, wie das geschehen sollte.

9.95. Denn Christus sollte in der Gerechtigkeit durch Gottes Zorn offenbar werden, so daß erkannt würde, was Gnade wäre. Adam stand in Gottes Gnade und in seinem Zorn. Aber in der Ausgeglichenheit war keines davon in seinem Leben offenbar, denn sie standen im Gleichgewicht. Sollte nun die Gnade offenbar werden, so mußte zuvor oder zuerst der Zorn offenbar werden, auf daß die Gnade verursacht würde, sich im Zorn zu bewegen, und sich dem Zorn zu ergeben und ihn zu tilgen. Dieses Einergeben und Tilgen ist die Ursache des göttlichen Freudenreichs und der feurigen Liebe im Leben des Menschen, daraus Gottes Erbarmen und auch Glauben, Liebe und Hoffnung als das Vertrauen in Gott ihren Ursprung im Menschen genommen haben, was in der Ausgeglichenheit nicht geschehen konnte.

9.96. Denn was in vollkommenem Gleichgewicht steht, das hat kein Bewegen oder Begehren zu etwas. Es ist Eines und ist sein Selbst. Nur wenn es aus der Ausgeglichenheit ausgeht, dann wird es vielfach, dazu zerbrechlich (und vergänglich) und verliert die Selbstheit (bzw. Einheit). Dem tut nun Hilfe not, nämlich Gnade und Erbarmen. Wenn das aber nicht bald geschieht, daß ihm geholfen wird, dann geht es doch in die Hoffnung. Und wenn der Hoffnung versprochen wird, daß ihr Hilfe geschehen soll, dann geht es in den Glauben. Und der Glaube verursacht die Begierde in der Hoffnung. Und die Begierde nimmt die Zusage in sich herein und faßt sie in sich, so daß sie wesentlich wird. Und in diesem Wesen ist nun die Gnade und das Erbarmen. Denn dieses Wesen wird in der Zusage genommen und in ein Wesen gefaßt. Und dieses Wesen muß sich dem ersten Recht, das Alles in sich gemacht hat, hineinergeben. Und wenn das geschieht, dann findet das erste Machende ein neues Leben in sich, das aus der Hoffnung, dem Glauben und der Begierde mit dem „Insichfassen“ entstanden ist. Und es findet, daß es mehr geistig ist, als das erste (Machende bzw. Wirkende), aus dem Alles entstanden ist. Darum kann es ihm kein Widerstand (bzw. Gegensatz mehr) sein, sondern muß das geistige Leben in sich wohnen lassen.

9.97. Und allda entsteht die Wiederbringung des ersten Wesens, das sich zerbrochen hatte, und daß der letzte Leib besser ist als der erste, denn er ist ganz geistig aus Glauben, Hoffnung und Liebe geboren. Denselben entzündet das erste Feuer mit seiner Begierde, davon die feurige Liebe entsteht.

9.98. Also versteht uns nun recht: Adam war das ganzheitliche Bild Gottes in Liebe und Zorn. Aber er stand in der Gleichheit der Eigenschaften, und so war keines vor dem anderen offenbar. Als er sich aber durch des Teufels Trug und Lust verführen ließ, da zerbrach dieses ganzheitliche Bild und die Eigenschaften unterschieden sich aus der Ausgeglichenheit. Nun tat ihm Hilfe not, und so sprach ihm Gott das Wort ein. Das nahm die hungrige Begierde nach der Hilfe an und faßte es und setzte seinen Willen hinein, nämlich in eine Hoffnung, daß ihm (zum Heilsamen) geraten werden würde. Und die Begierde faßte die Hoffnung in ein Dasein des Wesens. Jetzt wurde das eingesprochene Wort wesentlich und hieß Glaube, als ein Einnehmen, das die Erfahrung des ewigen Willens in sich nahm und sich hineinergab. Denn dieses Wesen war edler als das erste aus dem Vorsatz des gesprochenen Wortes. Also fing die feurige Liebe aus dem Zornfeuer im Vorsatz der ewigen Natur an. Denn dieses Wesen des Glaubens war unzerbrechlich und bestand im Zornfeuer. Und in diesem Einnehmen des Zornfeuers wurde das Feuer des Grimmes in die freudenreiche Liebe gewandelt.

9.99. Und dieses ist nun der Grund Christi aus dem eingesprochenen Wort, der sich in Adam in eine eigene Figur im Wesen der Natur unterschied. Daraus kam Abel, und aus der zerbrochenen (abgetrennten) Figur kam Kain. Nun hatte aber Abel auch Kains Natur im Wesen des Glaubens, darin die Seele stand. Aber der zerbrochene Wille war in einen ganzheitlichen verwandelt, denn das Zerbrechen kam im Wesen des Glaubens zur Ruhe, und das war die Figur von Christus. Nun war aber der Seele Adams zugesagt, nämlich der zerbrochenen Natur der seelischen und körperlichen Eigenschaft, daß des Weibes Same der hineingeführten Schlangen-Eigenschaft den Kopf zertreten und Adam helfen sollte. Also mußte dieser Schlangentreter ein anderer als Adam sein, in dem Gott offenbar wäre, der das tun könnte und der in Adam das eingesprochene Wort erweckte, das heißt, der auch die Macht und Kraft des Einsprechens hätte.

9.100. Denn obwohl das Einsprechen in Adam lebendig und offenbar war, so ging es aber auch um seine Kinder, deren eingesprochener Grund mit der Sünde bedeckt und noch nicht entschieden war, wie bei Kain und Abel, und auch darum, daß das menschliche Wesen im Sünder, das von Gottes Gerechtigkeit im Zorn ergriffen wurde, eine Gnadenstimme hätte, die in ihm sprach und den inneren ersten eingesprochenen Grund des Wortes göttlicher Kraft erweckte.

9.101. Denn Gott Jehova sprach den Namen „Jesus“ in Adam nach dem Fall in ein wirkliches Leben, das heißt, er offenbarte ihn im himmlischen Wesen, das verblichen war. Dieser Name „Jesus“ wurde in der Seele ein Leben, indem ihn Gott in die Seele einsprach. Denn durch dieses Einsprechen der Seele Adams wurde wieder eine göttliche Begierde aus dem Sterben erweckt. Es faßte die in der Seele erweckte Begierde in sich, und diese erweckte Begierde wurde der Anfang des Glaubens. Diese unterschied sich von der Eigenschaft der falschen Begierde in ein Bild als in ein Wesen, und aus diesem Wesen kam Abel, und aus der Eigenheit der adamischen Seele nach der irdischen Lust kam Kain.

9.102. Nun lag aber im Grunde der Eigenheit der Seele im Wesen von Kain auch der Schall des Wortes, das Gott einsprach. Aber dieses Wesen war des göttlichen Lebens im Einsprechen des Wortes nicht fähig, denn der erwachte Grimm Gottes in seinem Vorsatz des Aussprechens zur Natur in der Unterschiedlichkeit war darin offenbar geworden. So bedurfte jetzt dieses seelische Wesen eines anderen und noch mehr vom Einsprechen in das ausgesprochene Wort, damit es auch im Seelen-Wesen lebendig wurde.

9.103. Dies konnte nun nicht geschehen, wenn es nicht aus einem göttlichen Hall oder Einsprechen käme - weil das Sprechen zugleich aus göttlichem Leben und auch aus seelischem Lebensgrund kam - wo eine göttliche heilige Seele wäre, die sich der verdorbenen und an Gott blinden Seele in seelischer und göttlicher Kraft hineinspräche, so daß die seelische Kraft in das Seelische und die göttliche Kraft in das Göttliche einginge und sich eines im anderen erweckte.

9.104. Denn darum ging es Gott, daß er die arme verdorbene Seele von Adam nicht verlassen wollte. Dazu stellte er sie in Kains Bild dar, und stellte den Namen „Jesus“ in der anderen Linie gegen ihn, darin auch der seelische Grund war, so daß sich der Name „Jesus“ mit dem neuen Leben des seelischen Grundes in Kains Seele einsprechen sollte. Und dieses Bild war Abel, aus dessen Linie Christus in unsere Menschheit kam. Und Er war gekommen, den armen, im Zorn Gottes gefangenen Sünder zur Buße zu rufen. Er hatte eine menschliche, in Gott neugeborene Seele, und konnte in die Seele und auch in das eingesprochene Wort Gottes einsprechen, wie es im Paradies geschehen war, und konnte die Seele in einem neuen göttlichen Hunger in sich erwecken, so daß sie dieses eingesprochene angeerbte Wort in sich einnahm, davon ihr auch ein neues Leben entstand.

9.105. Darum versteht uns recht, denn wir reden treu, wie wir es wohl in Gottes Gnade erkennen. Das Bild von Kain, Ismael, Esau und ihresgleichen betrifft alle Menschen, die noch nicht (geistig-göttlich) wiedergeboren wurden, und sie sind der eigentliche Adam nach dem (Sünden-) Fall. Diese ruft Gott mit seinem einsprechenden Wort, das er uns in Christo gelehrt hat und das er noch heute in den neugeborenen Kindern in diese verdorbenen adamischen Kinder einspricht und sie damit ruft: »Kommt alle zu mir!« Nicht nur einige, sondern alle.

9.106. Und das Bild Abels, Isaaks und Jakobs betrifft alle Menschen, die sich durch das Einsprechen erwecken lassen und in denen das göttliche Einsprechen wirkt. Diese bekommen in der Seele ein neues Leben und einen neuen Willen, wie einen göttlichen Hunger, der in ihnen das erste paradiesische einverleibte Wort im Namen Jesus wirksam erfaßt und wesentlich macht. Weil dann Christus in ihnen geboren ist, sind sie nach diesem neugeborenen Grund nicht mehr in dieser Welt, sondern im Himmel. Denn sie sind selbst der heilige Himmel als der wahre Tempel Gottes, wo Gott-Mensch und Gott verinnerlicht ist, wo das Wort Fleisch wird, das heißt, himmlisches geistiges Fleisch, wenn das heilige Seelenfeuer von Christi Fleisch ißt und sein Leben davon hat.

9.107. So bringen wir euch nun das Verständnis von Esau nahe, wenn die Schrift sagt, Er habe Esau gehaßt und Jakob geliebt, obwohl die Kinder weder Böses noch Gutes getan hatten, so daß darin ein Vorsatz Gottes bestünde (Röm. 9.11). Esau war Adams verdorbenes Bild, und Jakob war das Bild Christi. Das zeigt Gott hier im Gleichnis, wie der Haß im Vorsatz des ausgesprochenen Wortes in Adam offenbar geworden sei, darin er im Tod und Gottes Zorn lag und zum reinen Haß Gottes wurde. Denn das heilige Leben war tot, und dessen Bild war Esau. Er wurde bereits in Gottes Haß im Mutterleib empfangen. Denn das Bild Christi hatte sich von ihm in Jakob geschieden. Das stand nun in heiliger Seele gegen Esau und sollte in Esau einsprechen und die arme, kranke und gefangene Seele mit seinem innewohnenden göttlichen Hall bewegen, so daß die verdorbene adamische Seele im Einsprechen des Namens „Jesus“ (zur Heilung) erweckt würde.

9.108. Aber das Einsprechen sollte nicht vorübergehen, sondern in Gottes Gerechtigkeit als in den Haß und Zorn sich hineinergeben, gleichwie sich Christus in Gottes Haß in die Gerechtigkeit hineinergeben mußte und das Erbarmen mit seiner Liebe im Namen „Jesu“ erwecken und das Zornfeuer mit seinem Hineinergeben in ein Liebefeuer als in ein großes sehnendes Erbarmen der liebevollen Kindschaft verwandeln. Gleichwie Jakob den Zorn seines Bruders Esau in großes Erbarmen verwandelte, als er ihm zuvor sein Geschenk darbrachte und ihm sagen hieß, er ergebe sich in seine Gnade als in seinen gerechten Zorn. Weil er ihm die erste Geburt weggenommen hatte und daß er durch dieses Geschenk Gnade bei ihm erlangen könne, so wollte er sich mit allem, was er hatte, dem Esau, seinem Bruder, zum Eigentum ergeben, welches in Christus erfüllt wurde. Denn Er hatte unsere Seele in sich genommen. Aber er hatte das heilige Kleinod Gottes, das in Adam verborgen lag, mit aus Adam in sich genommen, darum der Haß entstanden war, nämlich um die erste Geburt als um die Gerechtigkeit Gottes. Denn das Kleinod gebührte dem ersten adamischen Bild in Gottes Gleichnis, und das nahm Gott mit Abel in eine neue Figur aus Adam.

9.109. Und hier war nun der Haß im Bild wegen Gottes Gerechtigkeit um das Kleinod entstanden, weil Esau mit seinem Bruder Jakob in Christi Bild zürnte. Darum mußte sich Jakob dem Esau mitsamt dem Kleinod und allem, was er hatte, ergeben. So mußte sich auch Christus mit diesem Kleinod des Namens „Jesu“ der Gerechtigkeit des Vorsatzes Gottes ganz ergeben und das Kleinod in den Haß des Vorsatzes wieder hineinergeben.

9.110. Fragst du nun: Warum führte Gott solch einen Prozeß? Konnte er das Kleinod dem Adam nicht lassen, der es als Erstgeborner mit Naturrecht im Wort des Vorsatzes Gottes in göttlicher Bildung hatte? — Antwort: Nein, und zwar darum, weil dann das Kleinod in der höchsten Liebe Gottes im Menschen als im Bild Gottes verborgen geblieben wäre. Also mußte es durch einen solchen (Entwicklungs-) Prozeß in der Wiedergeburt offenbar werden, auf daß die Liebe und Gnade Gottes erkannt und im Menschen offenbar würde, und daß der Mensch Ursache hätte, Gott zu lieben und sein Lob in die Gnade zu erheben. Dieses Erheben ist eine lautere göttliche Formung und Gebärung in der Weisheit Gottes, weil dadurch auch das Wort Gottes im Menschen geboren wird und der Mensch Gott gebiert, daß er also ein wesentlicher Gott sei und wie eine Harmonie im göttlichen Freudenreich.

9.111. Denn als Christus das Kleinod der Gerechtigkeit Gottes in den Haß hineinergab, da wandelte sich der Zorn in ein höchst triumphierendes Freudenreich und das Lob Gottes wurde offenbar, welches in Adam nicht sein konnte, als er in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit stand. Denn der Grimm freute sich nun, daß er aus der Feindschaft in ein Feuer der Liebe verwandelt worden war.

9.112. Und dies ist nun die Auferstehung Christi und seiner Kinder, die er durch seinen (Entwicklungs-) Prozeß in ein Liebe-Feuer verwandelt. Wenn sich die Seele ziehen läßt, wenn in ihr Christus nach ihr ruft, dann muß sie sich in Ihn ergeben. Dann steht Christus im Zorn-Feuer auf und verwandelt es im göttlichen Freudenreich in das Lob Gottes.

9.113. So vernehmt es doch, liebe Brüder, in welcher Art Gott den Esau gehaßt hat, wiewohl nicht Gott, sondern der Vorsatz Gottes als die Gerechtigkeit in der unterscheidenden Erfahrung. Diese haßte das Bild, weil es nicht das erste wahrhafte (überbildliche) Bild war, das in der Gerechtigkeit geschaffen wurde. Denn das Kleinod als das Wesen göttlicher Liebe war darin verloschen, und Jakob hatte dieses. So haßte nun der Vorsatz Gottes dieses Bild von Esau, weil es nicht Gottes erstes Bild in der Liebe war, sondern im Zorn.

9.114. Esau war das Bild des Hasses selbst. Doch nicht Gott konnte ihn hassen, sondern der Vorsatz als die feurige Natur in der Unterschiedlichkeit seines Sprechens, darin sich das Feuer entzündet und in ein Prinzip zur Offenbarung Gottes einfaßt, in dem das kreatürliche Leben steht.

9.115. So versteht es doch, daß das kreatürliche Leben ohne die Offenbarung des Lichtes nur Feuer, Haß, Zorn und Neid ist. Und das war Adam nach dem Fall, ohne das Wieder-Gnade-Einsprechen, und auch Kain, Ismael, Esau und alle Menschen, ohne dem Gnaden-Wesen der Liebe, daraus das Licht entsteht.

9.116. So steht nun die Frage, ob Gottes Gerechtigkeit im Vorsatz Esau zum ewigen Verderben gehaßt habe. — Antwort: Ja, in eigener Macht konnte nichts anderes mehr sein. — Dann fragt es sich: War das des reinen und wahren Gottes Wille, daß Esau, Kain und viele tausend andere ewig verderben sollten? — Antwort: Nein, sondern Christus war Gottes Vorsatz, soweit Gott ein „Gott“ heißt.

9.117. In Christus will Gott, daß allen Menschen geholfen werde (1.Tim. 2.4). Doch sein Zorn will alle (Egos) verschlingen, in denen er offenbar ist. Aber die Schrift sagt: »Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt als in die Menschheit gesandt, daß er sie richte, verstocke und verderbe, sondern daß er sie selig mache. (Joh. 3.17)« — Da sprichst du: Ja, welche er will. — Antwort: Ja, er ruft sie alle zu sich, und sie sollen alle kommen. Doch warum kommen sie nicht alle? — Da sprichst du: Er zieht sie nicht in sich zu sich. — Antwort: Das ist nicht wahr, er zieht sie alle, er lehrt alle in sich, denn sie wissen im Licht der Natur, darin er dem Gottlosen in seiner Vernunft begegnet und ihm das Recht weist, was recht ist, welches sie auch selbst lehren und bekennen, daß es recht sei, aber nicht tun. — Frage: Warum aber das? — Antwort: Christus spricht: »Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, seien, wo ich bin. (Joh. 17.24)« Oder auch: »Es kommt niemand zu mir, es ziehe ihn denn mein Vater zu mir. (Joh. 6.44)« — Frage: Wie geht das zu, daß er sie nicht alle zieht? — Antwort: Hier liegt der Grund, liebes besudeltes Hölzlein. Rieche nur in deinem Busen! Wonach riechst du? Bist du nur im Vorsatz des Grimms in seiner Konstellation ergriffen wie Esau, Ismael und dergleichen, so gibt es wohl Rat. Bist du aber eine Distel aus der angeerbten wirkenden Sünde, so daß sich Gottes Vorsatz im Zorn in eine Gestaltung des Lebens eingebildet hat, davon Gott in seiner Gerechtigkeit des Vorsatzes sagte, er wolle die Sünde der Eltern an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied strafen, dann ist es gefährlich. Denn dieser lebendige Vorsatz im Zorn Gottes hat bereits eine Gestaltung in der Erfahrung des sprechenden Wortes und ist aufs neue vom einverleibten Grund der Gnade geschieden, nicht aus Gottes Vorsatz, sondern durch den Quell der Sünde. Dieser Quell hat sich mit dem Zorn im Vorsatz eng verbunden und in ein Leben der Finsternis hineingeführt. Hier liegt die einverleibte Gnade fern (tief vergraben), und hier ist Christus gestorben und ruht im Grab. Und bis er aufersteht ist dieser bösartige Geist in den Abgrund gefahren. Diese (Gefallenen) hält nun der Vorsatz Gottes und gibt sie nicht der Gnade Christi, denn sie sind Distel-Kinder, und ihr Wille ist ein lebendiger Teufel in Engelsgestalt unter anderen Menschen.

9.118. Der Vorsatz Gottes kennt ein jedes Wesen, solange es noch ein Same in Mann und Weib ist, und weiß, wozu dieses Holz nütze ist, wenn es zum Baum werden wird. Denn die Distel kommt nicht allein aus dem ersten Grund vom Mutterleib, sondern auch durch äußerliche Einfälle der Zeit, an denen die meisten verderben.

9.119. Diese alle ruft Christus, und viele von ihnen haben auch noch ein Fünklein göttlichen Zugs in sich, das ihnen der Vorsatz Christo in seiner Stimme gibt, so daß sie manchmal Christus in sich lehren hören. Und diese sind nun gerufen und berufen. Aber die äußeren Einfälle verderben es wieder und kreuzigen Christi Stimme und Einrufen, ehe er in ihnen als Mensch geboren wird, und sie führen an Christi Stätte das Schlangen-Wesen ein. Und wenn es dann in der Erntezeit zur Wahl kommt, da man das Korn ausdrischt und worfelt, dann ist dies nur eine Spreu des Korns und hat kein göttliches Gewicht in sich. So bleibt es dann zurück im Zentrum der Finsternis und im Zorn von Gottes Gerechtigkeit. Deshalb heißt es: »Wenige sind auserwählt…« Denn der Vater wählt sich nur die gute Frucht zu seiner Speise, und das andere gibt er dem Vieh. Also auch hier: Was nicht im göttlichen Wesen aufwächst und aus Gott geboren wird, das kann Gott nicht schauen.

9.120. Fragst du nun: Ist dann Esau aus Gottes Haß schließlich neugeboren und selig geworden? — Antwort: Das sollen wir nicht richten, denn Gott spricht: »Die Rache ist mein, ich will in meiner Gerechtigkeit vergelten. (Röm. 12.19)« Wir sagen mit Grund, daß Esau in Adams Sünde wie ein entsprechendes Bild Adams nach dem Fall geboren wurde und schon im Mutterleib im Vorsatz von Gottes Zorn ergriffen gewesen war, wie alle armen Sünder, und daß Jakob im Bild Christi in der neugeborenen Liebe wie ein Vorbild Christi war, zu dem Christus kam, den armen Sünder zu rufen und ihn selig zu machen, so fern ihn die Gerechtigkeit Gottes im Zorn folgen läßt wegen der angeerbten und in die ewige Erfahrung eingefaßten Greuel und auch der gewirkten Greuel, welche das Festhalten sind (bzgl. der Bindung an die Sünde).

9.121. Weil aber Esau von heiligen Eltern gezeugt und geboren wurde und nur in der Unterschiedlichkeit wie ein Bildnis der verdorbenen Natur dastand, und weil Gott auch das Bild Christi aus demselben Samen seiner Eltern als seinen Bruder Jakob geschieden und gegen ihn gestellt hatte - welcher Jakob ihn auch letztlich durch sein Geschenk und seine Demut in das größte Erbarmen brachte, was das Geschenk Christi in Esau andeutet, das ihn entsprechend umkehren wollte und aus dem zornig ergriffenen Vorsatz der Gerechtigkeit Gottes herausziehen, so daß er in Reue seines bösen Willens also weinen und Buße tun sollte, wie er es auch tat, als er Jakob umarmte und an seinem Hals weinte und den Mordgeist gegen Jakob fallenließ - so sollen wir ihn niemals verdammen. Wir verdammen ihn nur nach der Schrift, die ihn in Adams Bosheit verdammt, als er noch nicht neugeboren war. In diesem Verständnis geschieht Gottes Gerechtigkeit Genüge, und in der Buße wird auch die Gnade offenbar.

9.122. Wir wissen nicht, ob ihn Gott nicht bekehrt habe, welches das Gleichnis, als Jakob von Laban zu ihm kam, wohl andeutet. Denn in Adam war er tot, aber in Christus konnte er lebendig werden, denn die Gnadenpforte stand für ihn wie auch für seine Eltern offen, welche in Christis Linie waren. Daß sie aber auch Adams Gift und Tod im Fleisch hatten und den Quell der Sünde von Adam, das zeigt sich an Esau, Ismael und Kain.

9.123. Aber dem Verstand sollten wir hier nicht glauben, der da sagt, Gott habe Esau verstockt und zur ewigen Verdammnis verurteilt. Es ist in der Heiligen Schrift nicht zu beweisen, daß Gott den Esau verstockt habe und daß es der göttliche Wille sei. Sondern der Vorsatz in Gottes Gerechtigkeit, der hat es getan, nicht durch den Eingriff eines gefaßten göttlichen Willens, sondern aus der verdorbenen Natur aus Adams Eigenschaft im Wesen von Esau selbst. Also war es kein fremder Zufall oder Eingriff, wie der Verstand richtet, der von Gott nicht weiß, was er ist, und den Menschen immerdar weit von Gott getrennt malt (und sich vorstellt), obwohl doch Gott in allen Menschen offenbar ist, in jedem Menschen nach der Eigenschaft seines Lebens. Diesen Grund haben wir nun dem Leser weitläufig erklärt, auf daß er auch unseren Sinn in den nachfolgenden kurzgefaßten Schlußfolgerungen verstehe.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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