Die drei Prinzipien Göttlichen Wesens

(Text von Jacob Böhme 1619, deutsche Überarbeitung 2021)

12. Kapitel - Vom Verständnis der Heiligen Schrift

Von der Eröffnung der Heiligen Schrift, um die Umstände höchst zu betrachten. Die goldene Pforte, die Gott der letzten Welt gönnt, in der die Lilie grünen wird.

12.1. Lieber Leser! Ich bedürfte zu dieser Beschreibung wohl einer Engelszunge und du des Gemüts eines Engels, dann könnten wir einander recht verstehen. Weil wir aber beides nicht haben, wollen wir doch mit irdischen Zungen die großen Taten Gottes nach unseren Gaben und Erkenntnissen bereden und dem Leser die Schrift eröffnen, um ihn damit zum Nachdenken anzuregen, damit die Perlen gesucht und endlich gefunden werden können. So wollen wir in unserem Tagewerk arbeiten, und unsere Nachkommen in dem ihren, bis die Perle der Lilie gefunden wird.

12.2. Da fragt nun der Verstand: Wie lange war denn Adam im Paradies vor dem Fall? Und wie lange dauerte die Versuchung? Dies kann ich dir aus Moses Beschreibung von der Schöpfung nicht sagen, denn er ist dazu aus großen Ursachen stumm geblieben. Ich will dir aber die Wunder Gottes aufzeigen und darin begründen, was mir in der Erkenntnis gegeben wurde, damit du die Versuchung und den Fall Adams besser betrachten lernst.

12.3. Lieber Verstand, nun siehe im Spiegel der Geschichten und Taten Gottes: Als Gott vor Moses im Busch in Feuerflammen erschien, da sprach er: »Zieh deine Schuh aus, denn hier ist eine heilige Stätte.« Was war das? Gott zeigte ihm damit seine irdische Geburt. Denn er wollte ihm ein Gesetz geben, daß der Mensch, sofern es möglich wäre, darin leben und dadurch Seligkeit erlangen sollte. Wer war es aber, der es gab und den Menschen gebot, darin zu leben? Das war Gott der Vater aus seinem Zentrum (im ersten Prinzip), und darum geschah es mit Feuer und Donner, denn im Herzen Gottes ist kein Feuer und Donner, sondern die holdselige Liebe.

12.4. Nun spricht der Verstand: Ist denn Gott der Vater mit dem Sohn nicht ein einziges Wesen? Ja, es ist Ein Wesen und Wille. Durch welches Mittel gab er dann das Gesetz? Durch den Geist der großen Welt. Weil Adam nach dem Fall und alle Menschen darin lebten, so wurde versucht, ob der Mensch im Vertrauen auf Gott darin leben könnte. Darum bestätigte er das mit großen Wundern und gab ihm Klarheit, wie an Moses zu sehen war, der ein verklärtes (klares) Angesicht (Gottes) hatte. Und als er ihm dies Volk erwählt hatte, verdarb er die Kinder des Unglaubens und führte sie mit Wundern und Taten hinaus in die Wüste. Hier wurde versucht, ob der Mensch unter dieser Klarheit im vollkommenen Gehorsam leben könnte.

12.5. Was geschah nun hier? Moses wurde durch Gott von den Kindern Israel weg auf den Berg Sinai gerufen und blieb dort vierzig Tage (2.Mose 34). Damit wollte Er das Volk versuchen, ob es möglich wäre, daß es sein Vertrauen in Gott setze, so daß es mit Himmelsbrot gespeist werden und zur Vollkommenheit kommen könnte. So wurde nun das Volk versucht, denn Moses ging mitsamt der Wolke und Feuersäule von ihnen weg und verzog sich vierzig Tage. Da stand nun das Gemüt im Geist der großen Welt gegen das ewige Gemüt Gottes abermals im Streit. Gott forderte Gehorsam, und das Gemüt dieser Welt forderte die Wollust des vergänglichen Lebens, nämlich Fressen, Saufen, Spielen und Tanzen. Da erwählte sich das Volk seinen Bauch-Gott, nämlich ein goldenes Kalb, weil es ohne Gesetz (ungezügelt) frei leben wollte.

12.6. Hierin siehst du wieder, wie die drei Prinzipien miteinander um den Menschen gestritten haben. Das Gesetz für Adam im Garten Eden brach wieder hervor und wollte Gehorsam haben. So brach auch der Geist der Grimmigkeit mit der falschen Frucht und Wollust wieder hervor und suchte das vergängliche Leben. Nun dauerte dieser Streit vierzig Tage, bis sie das Kalb aufrichteten und von Gott abfielen. Solange währte der Streit der drei Prinzipien.

12.7. Als sie nun von Gott abgefallen waren, kommt Moses mit Josua, sieht den Abfall, zerbricht die Tafeln in Stücke und führt sie in die Wüste. Dort mußten sie alle bis auf Josua und Kaleb sterben. Denn die Klarheit des Vaters im Feuer des ersten Prinzips konnte sie nicht ins gelobte Land führen. Und obwohl sie schon Manna aßen, half kein Versuchen, nur Josua und schließlich Jesus konnten es vollbringen.

12.8. Und als nun die Zeit kam, daß der wahre Held aus dem Paradies zurückkehrte und zum Kind der Jungfrau wurde, da kam auch der Streit der drei Prinzipien wieder. Denn da wurde er wieder vor den Baum der Versuchung gestellt und mußte nun den festen Stand vor dem Versuchungsbaum bestehen und die Versuchungen der drei Prinzipien ausstehen, was dem ersten Adam nicht gelang. Da währte der Streit wieder vierzig Tage und vierzig Nächte, solange auch der Streit mit Adam im Paradies dauerte und keine Stunde länger, dann hat der Held gesiegt. Darum öffne achtsam deine Augen und betrachte die Schrift auf rechte Weise, auch wenn sie kurz und dunkel ist, so ist sie doch wahrhaftig.

12.9. Du findest bei Moses nicht, daß Adam am ersten Tag aus dem Paradies vertrieben worden war. Die Versuchung Israels und Christi bestätigt uns mehrfach ein anderes, denn die Versuchung Christi gleicht der Versuchung Adams in allen Umständen.

12.10. So wurde wohl auch Adam vierzig Tage im Paradies versucht, im Garten Eden vor dem Baum der Versuchung, ob er bestehen könnte und seine Aneignung in das Herz Gottes setzen und allein vom Wort des Herrn essen würde. Dann wollte ihm Gott vom himmlischen Limbus zu essen geben, so daß er nur mit dem Mund und nicht in den Leib äße. Er sollte aus sich das Kind der Jungfrau gebären, denn er war weder ein Mann noch ein Weib und hatte sowohl die Matrix (Gebärmutter) als auch den Mann (Samen) in sich. So sollte er aus der (ewigen) Matrix die Jungfrau voller Zucht und Keuschheit gebären, ohne seinen (ganzheitlichen) Körper zu zerteilen.

12.11. Und hier wurzelt auch der Streit in der Offenbarung von Johannis im Kapitel 12.1-12, wo eine Jungfrau einen Sohn geboren hat, den der Drache und Wurm verschlingen wollte. Da steht die Jungfrau auf dem irdischen Mond und verachtet das Irdische und tritt es mit Füßen. So sollte auch Adam das Irdische mit Füßen treten, aber es hatte ihn überwältigt. Darum mußte später auch das Kind der Jungfrau, nachdem es vor dem Versuchungsbaum gesiegt hatte, in den ersten Mors (ins Totenreich) der Grimmigkeit in den Tod gehen und das erste Prinzip überwinden.

12.12. Denn vierzig Tage bestand Christus in der Wüste der Versuchung, wo weder Brot noch Trank war, und dann kam der Versucher, wollte ihn aus dem Gehorsam führen und sagte: »Er solle aus den Steinen Brot machen. (Matth. 4.2)« Das bedeutet, er sollte das Himmelsbrot verachten, das der Mensch in Glauben und starker Zuversicht in Gott empfängt, und seine Imagination in den Geist dieser Welt setzen und darin leben.

12.13. Als ihm aber das Kind der Jungfrau das Himmelsbrot darlegte, daß nämlich der Mensch nicht allein von dieser Welt lebe, vom irdischen Essen und Trinken, da erschien die zweite Art der Versuchung, nämlich die Mächtigkeit dieser Welt. Denn der Fürst der Grimmigkeit wollte ihm alle Gewalt der Sterne und Elemente geben, wenn er nur seine Imagination in ihn setze und ihn anbete. Das war nun die wirkliche Peitsche, mit der Adam von der Macht, dem Reichtum und der Schönheit dieser Welt gepeitscht wurde, und danach sich Adam schließlich gelüsten ließ und gefangen wurde. Aber das Kind der Jungfrau legte ihm dar, das Reich gehöre nicht ihm, dem Fürsten der Grimmigkeit, sondern dem Wort und Herzen Gottes, und er sollte Gott anbeten und ihm allein dienen.

12.14. Die dritte Versuchung war dann der Knüppel, unter dem auch der Teufel aus Hochmut gefallen war, denn er sollte vom Tempel herabfliegen und sich über die Demut und Sanftmut erheben. Denn die Sanftmut macht den zornigen Vater im Ursprung sanft und freudenreich, so daß die Gottheit ein lieblich-sanftes Wesen ist.

12.15. Aber Herr Luzifer wollte in der Schöpfung über die Sanftmut des Herzens Gottes hinaus über das Ende (bzw. Ziel) der Natur. Darum wollte er auch den Sohn der Jungfrau dazu überreden, mit den Flügeln des überheblichen Stolzes über das Ende der Natur zu fliegen, was an passender Stelle noch ausführlich behandelt werden soll. Ich habe dies jetzt nur kurz eingeführt, damit du meine Beschreibung besser verstehst, wie sie auf dem Grund der Heiligen Schrift steht und nichts Neues sei. Es wird auch nichts Neues werden, als nur die wahre Erkenntnis des Wesens aller Wesen im Heiligen Geist.

Von Adams Schlaf

12.16. Adam hat vor seinem Schlaf nicht (körperlich) von der Frucht gegessen, bis aus ihm sein Weib erschaffen wurde. Doch seine Essenzen und Aneignungen haben durch Imagination im Geist davon gegessen, und das nicht nur im Mund. Deswegen hat ihn der Geist der großen Welt gefangen und mächtig in ihm inqualiert (gewirkt). So haben dann auch Sonne und Sterne mit ihm gerungen sowie alle vier Elemente, so mächtig und sehr, bis sie ihn überwältigt hatten, so daß er in den Schlaf niedersank.

12.17. Nun ist es für einen vernünftigen Menschen gar leicht zu ergründen und zu erkennen, daß in Adam, als er in Gottes (ganzheitlichem) Bildnis stand, kein Schlaf war, noch sein konnte. Denn Adam war ein solches Bildnis, wie wir in der Auferstehung vom Tode sein werden, wenn wir nicht zu Elementen werden müssen, weder der Sonne noch den Sternen folgen und auch keinen Schlaf benötigen. Sondern unsere Augen stehen offen, um immerfort und ewig die Herrlichkeit Gottes zu schauen, die uns dann Speise und Trank sein wird, und das Zentrum in der Vielfalt oder der Aufgang der Geburt gibt reine Lust und Freude. Denn Gott wird keinen anderen Menschen aus der Erde zum Himmelreich hervorbringen, als wie der erste vor dem Fall war. Denn er war aus Gottes ewigem Willen erschaffen, und dieser ist unveränderlich und muß bestehen. Darum denke über diese Dinge scharf nach.

12.18. Oh liebe Seele, die du in einem finsteren Bad schwimmst, neige dein Gemüt zur Himmelspforte und erkenne, was der Fall in Adam gewesen ist, daran Gott einen so großen Ekel trägt, daß Adam nicht mehr im Paradies bleiben konnte. Schau und betrachte den Schlaf, dann findest du alles.

12.19. Der Schlaf ist nichts anderes als eine Überwältigung, denn die Sonne und das Gestirn sind immer im mächtigen Streit mit den Elementen. So sind Feuer und Gestirn dem Element Wasser in der Matrix (dem Mutterleib der Natur) oft zu übermächtig, und das ist die Überwältigung im Zentrum der Natur, wie du bereits zuvor an vielen Stellen findest.

12.20. So ist nun das Licht der Sonne wie ein Gott in der Natur dieser Welt. Es zündet mit seiner Kraft immerfort das Gestirn an, so daß das Gestirn, das doch ein ganz schreckliches und fürchterliches Wesen ist, immerfort im Triumph aufsteigend ganz freudenreich wird, denn beides ist Ein Wesen. Gleichwie das Licht Gottes das finstere und strenge Gemüt des Vaters entzündet und erleuchtet, davon im Vater durch das Licht die göttliche Wonne mit dem Freudenreich aufgeht.

12.21. So wirkt dieses Triumphieren oder Aufsteigen in der Wasser-Matrix immerfort wie in einem Sud, denn die Sterne werfen alle ihre Kräfte in die Wasser-Matrix, die dann in ihr wirken (und kochen). So ist die Matrix nun immer im Sieden und Aufsteigen, davon das Wachsen im Holz, Kraut, Gras und in den Tieren herrührt. Denn das Oberregiment der Sonne und Sterne mit den Elementen herrscht in allen Kreaturen und wird zur Blüte oder Gewächs von ihnen, denn ohne deren Macht wäre in dieser Welt im dritten Prinzip kein Leben oder irgendeine Beweglichkeit in einem Ding möglich, nichts ausgenommen.

12.22. So haben nun die lebendigen Kreaturen wie Menschen, Tiere oder Vögel die Tinktur in sich, denn sie sind ein Auszug von der Gestaltungsqualität der Sterne und Elemente durch das Schöpfungswort im Anfang. Und in der Tinktur (auch „Urmeer“ oder „Meer der Ursachen“) steht das immer entzündbare Feuer, das aus dem Wasser immer die Kraft auszieht, oder auch das Öl, aus dem das Geblüt wird, in dem das edle Leben steht.

12.23. So zünden nun Sonne und Gestirn die Tinktur immerfort an, denn sie sind feurig, und die Tinktur zündet den Leib durch die Wasser-Matrix an, so daß er immer warm ist und siedet. Gestirn und Sonne sind das Feuer der Tinktur, und die Tinktur ist das Feuer des Leibes, und so ist alles am Sieden. Und wenn nun die Sonne untergeht, so daß ihr Schein nicht mehr da ist, dann wird die Tinktur schwach, denn sie hat keine Anzündung mehr von der Sonne Kraft. Und wenn sie auch von der Kraft der Sterne mit der Sonnen-Qualität angezündet wird, so ist es doch alles zu wenig, und sie wird wie ohnmächtig. Wenn nun die Tinktur ohnmächtig wird, dann wird auch die Kraft im Geblüt, das die Tinktur (des Leibes) ist, ohnmächtig und sinkt in eine sanfte Ruhe, als wäre sie tot und überwunden.

12.24. Nun ist aber der Verstand, der das Gemüt regiert und die Sinne hervorbringt, allein in der Tinktur (verwurzelt). Darum wird nun alles wie tot, und es regiert nur noch das Gestirn in der Wurzel des ersten Prinzips, wo die Gottheit wie ein Schein oder eine Kraft in allen Dingen wirkt. Darin sieht der gestirnte (gedanklicher) Geist im Schein des Spiegels der göttlichen Kraft im Feuer-Element in der Wasser-Matrix und sperrt seinen Gaumen (gierig) nach der Tinktur auf. Aber sie ist ohnmächtig, und so nimmt er anstatt der Kraft der Tinktur das Gemüt und inqualiert mit diesem. So sucht dann das Gemüt die Elemente und wirkt darin alles nach der Sterne Kraft, denn es steht in der Sterne Wirkung und Gestaltungsqualität. Und das sind nun die nächtlichen Träume und Vorstellungen im Schlaf.

Die Pforte der höchsten Tiefe des Lebens, von der Tinktur

12.25. Wenn der Doktor weiß, was die Tinktur ist, so weiß es doch der Einfältige und Ungelehrte nicht, der manchmal wohl bessere Gaben und Vernunft hat, auch wenn er die Kunst wie der Doktor hätte. Darum schreibe ich dem Suchenden, was ich sehe: Den Grund der Tinktur hat keiner, weder der Doktor noch der Alchimist, wenn er nicht im Geist wiedergeboren ist. Nur dann sieht er hindurch, sei er gelehrt oder ungelehrt, denn bei Gott gilt der Doktor nicht mehr als der Bauer.

12.26. Die Tinktur ist etwas, was da unterscheidet, und das Reine oder Lautere vom Unreinen hervorbringt. So bringt sie das Leben aller Geister oder Essenzen in seinem höchsten Grad hervor. Ja, sie ist die Ursache des Scheins oder Glanzes und eine Ursache, daß alle Kreaturen sehen und leben. Aber ihre Gestaltung ist nicht einerlei, sie ist in den Tieren anders als im Menschen, auch unterschiedlich in den Steinen, Metallen und Kräutern. Obwohl sie wahrhaftig in allen Dingen ist, wirkt sie in einigen stark und in anderen wie ohnmächtig.

12.27. Wenn wir aber forschen, was sie an Essenz und Eigenschaft sei und wie sie geboren werde, dann finden wir gar ein teures und edles Wesen in ihrer Geburt. Denn sie rührt von der Kraft aus dem Brunnquell der Gottheit her, die sich in alle Dinge eingebildet hat. Darum ist sie auch so heimlich und verborgen und wird keinem falschen, ungöttlichen Gemüt in der Erkenntnis zuteil, um sie zu finden oder zu erkennen. Auch wenn sie überall ist, so ist doch kein leichtfertiges und falsches (illusorisches) Gemüt ihrer Erkenntnis wert. Darum bleibt sie ihm verborgen und regiert durch Gott Alles in Allem, der Kreatur unbegreiflich und unempfindlich (bzw. unbewußt). Ein solches Gemüt geht dahin und weiß nicht, wie ihm geschieht. Es lebt und weiß nicht, worin. Es vergeht und weiß nicht, wie (und wohin). Doch der Tinktur Schatten und Bild bleiben ewiglich. Denn sie ist aus dem ewigen Willen geboren, aber der Geist (der Gestaltung) wird ihr durch das Schöpfungswort gegeben, nach der Art jeglicher Kreatur. Auch in den Kristallen, Steinen und Metallen ist sie im Anfang der Schöpfung nach der jeweiligen Art mit verkörpert und gepflanzt worden.

12.28. Seit Ewigkeit ist sie in Gott gewesen, und darum ist sie auch ewig in Gott. Als aber Gott ein Gleichnis seines Wesens schaffen wollte und sie aus der Finsternis geboren werden sollte, da stand sie im aufgegangenen Feuer-Blitz an dem Ort, als sich die fünfte Gestaltungsqualität der Liebe-Geburt im Gleichnis gebar. Denn sie war aus dem Brunnquell des Willens, aus dem Herzen Gottes geboren. Darum bleibt ihr Schatten ewig im Willen Gottes, und darum bleibt auch der Schatten aller Kreaturen und Wesen ewig, die jemals im Gleichnis geboren worden sind. Denn sie ist das Gleichnis Gottes, das aus dem ewigen Willen geboren wird. Nur im dritten Prinzip dieser Welt bleibt ihr Geist nicht ewig, sondern vergeht mit dem Aufhören des Quellens oder Lebens.

12.29. Denn alles, was im dritten Prinzip lebt, das zerbricht und vergeht wieder in seinen Äther und sein Ende, bis auf die Figur (bzw. Bildung) der Tinktur, die wie ein Schatten oder Wille ohne Geist und Beweglichkeit ewig bestehenbleibt. Doch im zweiten Prinzip bleibt die Tinktur im Geist und Wesen überall ganz mächtig und ewig bestehen, nämlich in den Engeln und Menschen sowie im Aufgang aller Wesen, denn ihr Zentrum zur Geburt ist ewig beständig.

Von der Essenz und Eigenschaft der Tinktur, der tiefen Pforte des Lebens

12.30. Ihre Essenz ist der Blitz im Kreis des aufgehenden Lebens, der im Wasser den Glanz und Schein bewirkt, und ihre Wurzel ist das Feuer, und der Stamm ist die Herbigkeit. Nun scheidet der Blitz die Bitterkeit und Herbigkeit vom Wasser, so daß das Wasser sanft und hell sei. Darin besteht auch das Sehen aller Kreaturen, so daß der Geist im Blitz in der Wasser-Matrix steht, denn der Blitz steht darin wie ein Glanz und erfüllt den Geist der Essenzen. Dadurch zieht die Essenz gewaltig an sich, denn es wirkt die Herbigkeit, und der Blitz scheidet immerfort die Finsternis vom Licht und das Unreine vom Reinen. Hier steht nun die göttliche Kraft, und hier bildet sich der göttliche Glanz immer in das Reine, davon das Strenge aus der Natur entschieden wird und der göttliche Glanz das reine Süße bewirkt, denn er infiziert sich damit.

12.31. Das Süße aber ist gleich einem Öl oder Wachs, und darin entzündet sich immerfort der Blitz, so daß er scheint. Weil aber das Öl süß und mit der Wasser-Matrix vermischt ist, so ist das scheinende Licht stetig und sanft. Weil es aber in der Wasser-Natur wegen der Infizierung des Wassers nicht nur ein Öl bleiben kann, so wird es dick (emulgiert) und färbt sich nach der Art des Feuers rot. Das ist dann das Geblüt und die Tinktur in einer Kreatur, darin das edle Leben steht.

Vom Tod und Sterben, der Pforte des Jammers und Elends

12.32. So steht nun das edle Leben in der Tinktur in großer Gefährlichkeit, und die Vergänglichkeit ist jede Stunde gegenwärtig. Denn sobald das Geblüt, in dem der Geist lebt, wegfließt, vergeht die Essenz, und die Tinktur flieht wie ein Schein oder Schatten dahin. Dann ist der Feuer-Quell aus, und der Leib erstarrt.

12.33. Ach, wie viele große und mächtige Feinde hat das Leben, besonders von den vier Elementen und dem Gestirn! Sobald ein Element zu stark wird, flieht die Tinktur dahin, und dann nimmt das Leben ein Ende: Wenn es Erstens vom Wasser überfüllt wird, dann erkaltet es, das Feuer erlischt, und der Blitz fährt dahin wie ein Schein. Wird es Zweitens mit der Erde als unreine Materie überschüttet, dann verdunkelt der Blitz und fährt ebenfalls dahin. Wird es dann zum Dritten von der Luft erfüllt, so daß diese verharrt, dann erstickt es die Tinktur und die quellende Essenz, und der Blitz zerspringt im Schein und geht in seinen Äther. Wird es aber zum Vierten vom Feuer oder der Hitze überfüllt, dann entzündet sich der Blitz und verbrennt die Tinktur, davon das Geblüt dunkel und schwarz wird, und der Blitz in der Sanftmut verlöscht.

12.34. Ach, wie viele Feinde hat doch das Leben auch am Gestirn, das mit der Tinktur und den Elementen inqualiert (wechselwirkt), wenn die Planeten und Sterne ihre Konjunktionen haben, in der sie ihre giftigen Strahlen in die Tinktur werfen, davon Stechen, Reißen und Wehe im Leben der sanften Tinktur entstehen. Denn die süße Tinktur, wie in einer lieblichen und sanften Wonne, kann nichts Unreines erdulden. Wenn darum solche giftigen Strahlen in sie geschüttet werden, dann wehrt sie sich und reinigt sich immerfort. Doch sobald sie überschüttet wurde, so daß sie dunkel wird, dann erlöscht der Blitz, und das Leben zerbricht, der Leib fällt dahin und wird zum Kadaver oder ein totes Aas, denn der Geist ist das Leben. (Joh. 6.63)

12.35. All dieses habe ich hier nur kurz zusammengefaßt und wollte es nicht nach allen Umständen darlegen, damit das Leben verstanden werde. An passender Stelle soll alles noch weitläufig erklärt werden, denn darin liegt sehr viel, und es gehörten große Bücher dazu, nur daß die Überwältigung und der Schlaf in Adam begriffen werden könnten.

Die Pforte der himmlischen Tinktur, wie sie in Adam vor dem Fall gewesen war und wie sie nach diesem Leben in uns sein wird

12.36. Groß und mächtig sind die Geheimnisse! Und wer sie sucht und findet, der hat reine Freude daran, denn sie sind der Seele ein wahres Himmelsbrot. Wenn wir uns entsinnen und die Erkenntnis der himmlischen Tinktur empfangen, dann geht in uns die Erkenntnis des göttlichen Freudenreichs auf, so daß wir wünschten, von der Eitelkeit frei zu sein und in solcher Geburt zu leben, welches doch nicht sein kann, sondern wir müssen unser Tagewerk vollenden.

12.37. Der Verstand spricht: „Ach, hätte sich doch Adam nicht gelüsten lassen, dann wäre er nicht entschlafen. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich würde feststehen und im Paradies bleiben!“ Ja, lieber Verstand, du triffst es wohl! Miß dir nur viel zu, ich will dir deine Stärke und die Pforte weisen: Bedenke nur, wie fest du stehen kannst, stündest du vor dem Baum der Versuchung wie Adam.

12.38. Siehe, ich gebe dir ein passendes Gleichnis: Wärst du ein Jüngling oder eine Jungfrau, wie auch Adam alles beides in einer Person war, was würdest du denken, ob du bestehen könntest? Stelle dir dazu einen mannhaften Jüngling mit gutem Charakter, schöner Gestalt und Tugend vor, und dann eine schöne, wohlgestaltete und züchtige Jungfrau ihm gegenüber, und lasse sie nicht allein freundlich miteinander reden, sondern auch einander berühren, umarmen und erfassen, aber gebiete ihnen, daß keiner von beiden in Lust oder Liebe entbrenne, nicht einmal in Gedanken, auch keine Anhaftung geschieht, viel weniger irgendwelche Infizierung im Willen. Und dann lasse sie vierzig Tage und Nächte beieinandersein und miteinander in reiner Freude spazieren, und gebiete ihnen ferner, daß ihr Wille und Gemüt beständig sei und niemals einen einzigen Gedanken fasse, einander zu begehren oder zu infizieren, mit keiner Essenz oder Eigenschaft, sondern daß ihr Wille so beständig und fest in mein Gebot gefaßt sei. Und der Jüngling soll willig sein, sich auf ewig niemals mit dieser oder einer anderen Jungfrau zu vereinigen, und desgleichen auch die Jungfrau ihm gegenüber. Wie würdest du denken, du gewöhnlicher Verstand voller Mängel und Gebrechen, ob du hier bestehen könntest? Würdest du nicht zusagen wie Adam? Denn aushalten könntest du es nicht.

12.39. Also, mein lieber Verstand, ich habe dir einen Spiegel vorgestellt, und so ist es auch mit Adam gewesen. Gott hatte sein Werk überall weislich und gut geschaffen und eines aus dem anderen gezogen. Der erste Grund war er selbst, daraus hatte er diese Welt geschaffen, und aus der Welt den Menschen, dem er seinen Geist gab und befahl, in ihm ohne Wanken oder anderweitigen Willen ganzheitlich und vollkommen zu leben.

12.40. So hatte nun der Mensch auch den Geist der Welt, denn er war aus der Welt und lebte in der Welt. Damit war nun Adam die züchtige Jungfrau, das heißt, der Geist, der ihm von Gott eingeblasen wurde. Und der Geist, den er aus der Natur von der Welt geerbt hatte, war der Jüngling. Diese waren nun beide beieinander und ruhten Arm in Arm.

12.41. Nun sollte die Zucht der Jungfrau ins Herz Gottes gesetzt sein, um keine andere Imagination zu haben und sich der Schönheit des wohlgestalteten Jünglings nicht gelüsten zu lassen. Aber der Jüngling war nun für die Jungfrau entbrannt und begehrte, sich mit ihr zu infizieren, denn er sprach: „Du bist meine liebste Braut, mein Paradies und Rosenkranz! Laß mich doch in dein Paradies, ich will in dir schwanger werden (ich will dich schwanger machen), auf daß ich deine Essenzen empfange und deine holdselige Liebe genieße! Wie gern würde ich die freundliche Süßigkeit deiner Kraft kosten! Wenn ich nur dein schönes Licht empfangen könnte, wie wäre ich so freudenreich!“

12.42. Und die züchtige Jungfrau antwortete: „Du bist ja mein (ewiger) Bräutigam und mein Gesell, aber du hast nicht meinen Schmuck. Meine Perle ist köstlicher als du, meine Kraft ist unvergänglich, und mein Gemüt ist immerfort beständig. Aber du hast ein unbeständiges Gemüt, und deine Kraft ist zerbrechlich und vergänglich. So wohne in meinen Vorhöfen, dann will ich dich freundlich halten und dir viel Gutes tun. Ich will dich mit meinem Schmuck zieren und will dir mein Kleid anziehen. Aber meine Perle gebe ich dir nicht, denn du bist finster, und sie ist licht und schön.“ (Die Perle hat Adam erst in Christus empfangen, denn sie versenkte sich in den Wurm der Seele und gebar ihn wieder neu und zum Licht. Hier ist nun der Streit, denn hier wollte die Jungfrau die Perle, das heißt, die reine Gottheit, dem Wurm nicht geben, sondern er sollte in ihren Vorhöfen leben, und sie wollte ihn erleuchten und krönen. Dazu wurde Adam versucht, ob es so sein könnte. Da es aber nicht sein konnte, gab die Jungfrau die Perle dem Sohn der Jungfrau, Christus, dem Fürsten in Gott.)

12.43. Da sprach der Geist der Natur, nämlich der Jüngling: „Meine schöne Perle und Zucht, laß mich doch deinen Trost genießen! Willst du dich nicht mit mir vereinigen, so daß ich niemals in dir schwanger werden kann (so daß du niemals von mir schwanger werden kannst), dann schließe doch deine Perle in mein Herz, auf daß ich sie zum Eigentum habe! Du bist doch meine goldene Krone! Wie gern würde ich deine Frucht kosten.“

12.44. Darauf antwortete der züchtige Geist aus Gott in Adam, nämlich die Jungfrau: „Mein lieber Buhle und Gesell, ich sehe wohl deine Lust. Du willst dich gern mit mir vereinen, aber ich bin eine Jungfrau und du ein Mann. Du würdest mir meine Perle beflecken und meine Krone zerbrechen. Dazu würdest du meine Süßigkeit mit deinem Sauren vermischen und mein helles Licht verdunkeln. Darum will ich nicht. Meine Perle will ich dir leihen und mit meinem Kleid zieren, aber zum Eigentum gebe ich sie dir nicht.“

12.45. Und der Geselle, nämlich der Geist der Welt in Adam, sprach: „Ich lasse dich nicht! Willst du nicht, daß ich mich mit dir vereine, dann nehme ich meine innerste und stärkste Macht und gebrauche dich nach meinem Willen und der innersten Macht. Ich will dich mit der Macht der Sonne, Sterne und Elemente bekleiden, und dann wird dich niemand erkennen. Du mußt ewiglich mein sein! Auch wenn ich unbeständig bin, wie du sagst, und meine Kraft nicht wie die deine ist, so will ich dich doch in meinem Schatz behalten, und du mußt mein Eigentum sein.“ So wollte der Geist in Adam in eigener Macht auf Erden herrschen, denn der Geist der großen Welt wollte es so haben, wie auch Luzifer mit seinem Wurm über die Jungfrau herrschen wollte. Hätte er die Jungfrau in Liebe bewahrt und hätte in ihren Vorhöfen gewohnt, dann wäre er ein Engel geblieben.

12.46. Darauf sprach die Jungfrau: „Warum willst du Gewalt ausüben? Bin ich doch deine ganze Zierde und deine Krone. Ich bin hell, und du bist finster. Siehe, wenn du mich verdeckst, dann hast du selbst keinen Glanz mehr und wirst ein finsterer Wurm. Wie kann ich bei dir wohnen? Laß nur ab, ich gebe mich dir nicht zum Eigentum. Ich will dir meine ganze Zierde geben, und du sollst in meiner Freude leben, meine Frucht sollst du genießen und meine Süßigkeit schmecken, aber mit mir inqualieren kannst du nicht, denn meine Essenz ist die ewige Kraft, in der meine schöne Perle und das helle Licht geboren werden. Mein Brunnen ist ewig. Wenn du mir mein Licht verdunkelst und mein Kleid besudelst, dann hast du selbst keine Schönheit mehr und kannst nicht bestehen, sondern dein Wurm („Ich-Wurm“) zerbricht dich. Dann verliere ich meinen Gesellen, den ich mir zum Bräutigam erwählt hatte und mit dem ich Freude haben wollte. Und dann wird meine Perle und Schönheit keinen Gespielen haben. (Jes. 5.1, Matth. 21.33) Davon sprechen auch Jesaias und Christus, daß er gern von den edlen Trauben vom Weinstock essen wollte. (Mich. 7.1, Mark. 12.1) Ich hatte mich doch um meiner Freude willen zu dir gesellt, doch du willst meine Schönheit nicht (auf diese Weise) genießen. Bleibe doch in meiner Zierde und Tugend, und wohne bei mir in Freuden, dann will ich dich ewig schmücken.“

12.47. Aber der Jüngling sprach: „Dein Schmuck ist schon immer mein, und so gebrauche ich dich nach meinem Willen. Wenn du sagst, ich werde zerbrechen, so ist doch mein Wurm ewig, und mit dem will ich herrschen. In dir aber will ich wohnen und dich mit meinem Kleid verkleiden.“

12.48. Da wandte sich die Jungfrau an das Herz Gottes und bat: „Mein Herz und meine Liebe, du bist meine Kraft, aus dir bin ich hell, und aus deiner Wurzel werde ich seit Ewigkeit geboren. Erlöse mich vom Wurm der Finsternis, der meinen Bräutigam infiziert und versucht! Laß mich doch nicht verdunkelt in der Finsternis sein! Ich bin doch deine ganze Zierde, und darum gekommen, damit du Freude an mir hättest. Warum soll ich denn mit meinem Bräutigam im Finsteren stehen?“ Und die göttliche Antwort sprach: »Des Weibes Samen soll der Schlange (dem Wurm) den Kopf zertreten, und sie wird ihn in die Fersen beißen. (1.Mose 3.15)«

12.49. Siehe, liebe Seele, hierin steht die himmlische Tinktur, die wir ins Gleichnis setzen müssen und niemals mit Worten aussprechen können. Ja, hätten wir Engelszungen, dann könnten wir wahrhaft reden, was das Gemüt begreift. Aber die Perle ist mit dem finsteren Kleid bekleidet. Die Jungfrau fleht stets zum Herzen Gottes, daß er ihren Gespielen vom finsteren Wurm erlösen wolle, aber die göttliche Antwort sagt: »Des Weibes Samen soll der Schlange den Kopf zertreten.« Das heißt: »Die Finsternis der Schlange soll von deinem Bräutigam geschieden werden. Das finstere Kleid, mit dem die Schlange deinen Bräutigam bekleidet hat und deine Perle und schöne Krone verdunkelt, soll zerbrechen und zu Erde werden, und du sollst dich mit deinem Bräutigam in mir erfreuen. Das war mein ewiger Wille, und der muß bestehen.«

12.50. Wenn wir uns nun der hohen Mysterien entsinnen, dann eröffnet uns der Geist das Verständnis, daß dies der wahre Grund von Adam sei, denn sein ursprünglichster Geist, nämlich die Seele, wurde zum Wurm, und dieser war aus dem ewigem Willen von Gott dem Vater geboren und in der Zeit der Schöpfung durch das Schöpfungswort auf Geistesart geschaffen worden, nämlich aus dem Reich, wo der Vater sein Herz von Ewigkeit gebiert, zwischen der vierten und fünften Gestaltungsqualität im Zentrum Gottes, wo sich das Licht Gottes seit Ewigkeit immerfort erblickt und entspringt. Darum kam ihm das Licht Gottes wie eine schöne Jungfrau zur Hilfe, nahm die Seele zu ihrem Bräutigam an und wollte die Seele mit ihrer schönen Himmelskrone zieren, mit der edlen Kraft der Perle, und sie mit ihrem Kleid schmücken.

12.51. So brach nun die vierte Gestaltung (der Wassergeist) im Zentrum der Seele hervor. Als dann der Seelengeist zwischen der vierten und fünften Gestaltungsqualität (des Liebe-Feuers) im Zentrum nach dem Herzen Gottes geschaffen wurde, da war die vierte Gestaltung im Lichtglanz in der Finsternis. Daraus wurde diese Welt geschaffen, die sich während ihrer Gestaltung in ihrem Zentrum wieder in fünf Teile teilte, im Aufgang bis zum Licht der Sonne, denn auch die Sterne sind in ihrem Zentrum zwischen der vierten und fünften Gestaltungsqualität geboren, und die Sonne ist der Brunnquell der fünften Gestaltung im Zentrum, gleichwie das Herz und Licht von Gott im ewigen Zentrum, der selbst keinen Grund hat. Aber die Sterne und Elemente haben ihren Grund in der vierten Gestaltung im finsteren Gemüt, im Aufgang des erweckten Feuerblitzes.

12.52. Also wurde die Seele zwischen beiden Zentren geboren, nämlich zwischen dem Zentrum Gottes, dem Herzen oder Licht Gottes, weil es aus einem ewigen Reich geboren wird, und zwischen dem aufgegangenen Zentrum dieser Welt. So ist sie beiden anhängig und inqualiert (wechselwirkt) mit beiden, darum sie alle drei Prinzipien hat und in allen dreien leben kann.

12.53. Aber der Jungfrau Gesetz und Wille war, daß gleichwie Gott über alle Dinge herrscht, sich überall einbildet und allem Kraft und Leben gibt, aber das Geschöpf ihn doch nicht begreift, obwohl er überall ist, so sollte auch die Seele stillstehen, und der Jungfrau Gestaltung (die göttliche Weisheit) sollte in der Seele regieren und die Seele mit dem Licht Gottes krönen. Die Seele sollte der schöne Jüngling sein, der geschaffen war, und die Kraft Gottes die schöne Jungfrau, und das Licht Gottes die schöne Perlenkrone, mit der die Jungfrau den Jüngling schmücken wollte.

12.54. Nun wollte aber der Jüngling die Jungfrau zum persönlichen Eigentum haben, obwohl sie doch in der Geburt einen Grad höher war als er, und das konnte nicht geschehen. Denn die Jungfrau war von Ewigkeit, und der Bräutigam wurde ihr zugegeben, so daß sie mit ihm Freude und Wonne in Gott haben sollte.

12.55. Weil dies nun der Jüngling bei der Jungfrau nicht erhalten konnte, so griff er nach dem Wurm (der Ichheit) in seinem Zentrum zurück. Denn die Gestaltung dieser Welt, die auch in der Seele war, drang so hart auf ihn ein und hätte gern die Jungfrau zum Eigentum gehabt, um daraus ein Weib zu machen, wie dann auch im Fall geschehen war. Aber das Weib entstand nicht aus der Perle, sondern aus dem Geist dieser Welt. Und so ängstigt sich die Natur dieser Welt immer noch nach der Jungfrau, um von der Eitelkeit frei zu werden, und vermeint mit der Jungfrau zu inqualieren, aber das kann nicht geschehen, denn die Jungfrau ist höher geboren.

12.56. Und wenn diese Welt auch zerbrechen würde, um die Eitelkeit des Wurms loszuwerden, so erlangt sie (die Natur der Welt) doch nicht die Jungfrau, sondern sie bleibt ohne Geist und Wurm unter ihrem Schatten in schöner und sanfter Ruhe, ohne jegliches Ringen und Begehren, denn sie kommt damit in ihren höchsten Grad der Schönheit und feiert ewig (die Ruhe) von ihrer Arbeit. Denn der Wurm, der sie hier quält, geht in sein Prinzip zurück und berührt dieser Welt Schatten und Bild ewig nicht mehr. Dann regiert die Jungfrau mit ihrem Bräutigam.

12.57. Mein lieber Leser! Ich will es dir deutlicher machen, denn nicht ein jeder hat die Perle, um die Jungfrau zu ergreifen, aber ein jeder will doch gern wissen, wie es mit dem Fall von Adam geschah. Siehe, wie ich gerade erklärt habe, so hat die Seele alle drei Prinzipien an sich: Nämlich (1.) das Innerste, den Wurm oder Schwefelgeist und Quell, nach dem sie ein Geist ist. Dann (2.) die göttliche Kraft, welche den Wurm sanft, hell und freudenreich macht, nach welcher der Wurm oder Geist ein Engel ist, wie Gott der Vater selbst, das heißt, auf solche Art und Geburt. Und dann (3.) hat sie das Prinzip dieser Welt. Und das alles ganzheitlich und unzerteilt aneinander, aber keines begreift das andere, denn es sind drei verschiedene Prinzipien oder auch drei Geburten.

12.58. Siehe, der Wurm (des Ichbewußtseins) ist das Ewige und in sich selbst Eigentümliche. Die anderen beiden sind ihm gegeben, jedes durch eine (besondere) Geburt, eines zur Rechten und das andere zur Linken (zur Wahrheit und zur Illusion). Nun ist es möglich, daß er beide zugegebenen Gestalten und Geburten verliert, denn wenn er in die grimmige Feuer-Macht zurückgreift und falsch gegen die Jungfrau wird, dann weicht sie von ihm und bleibt wie ein Bild in ihrem Zentrum. Dann ist die Pforte der Jungfrau zu.

12.59. Willst du nun wieder zur Jungfrau, dann muß du in ihrem Zentrum durch das Wasser und den Heiligen Geist wiedergeboren werden. Dann erlangst du sie wieder mit großen Ehren und Freuden, dazu Christus sagt: »Es wird mehr Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. (Luk. 15.7)« So herrlich wird der arme Sünder von der Jungfrau wieder empfangen, wenn sie nicht mehr nur ein Schatten (bzw. ungestaltetes Bild) sein darf, sondern eine lebendige und verständige Kreatur und ein Engel Gottes. Diese Freude kann niemand beschreiben. Nur die wiedergeborene Seele weiß davon, was der Leib nicht versteht, sondern er zittert und weiß nicht, wie ihm geschieht.

12.60. Das andere (dritte) Prinzip der Gestaltung verliert der Wurm (des Ichbewußtseins) mit der Abscheidung des Leibes. Auch wenn er als Bild (im ersten Prinzip) bleibt, so ist es ihm doch nur eine Schande und Qual, daß er ein Engel gewesen war und nun ein grauenhafter, grimmiger und giftiger Wurm und Geist ist, davon die Schrift sagt, daß der Gottlosen Wurm nicht stirbt und ihre Qual ewig bleibt. (Mark. 9.44) Wenn der Wurm nicht Engels- und Menschen Gestalt gehabt hätte, dann wäre seine Qual nicht so groß. Aber so macht ihm dies eine ewige Reue und ein Nichts-Erreichen. Er kennt den Schatten seiner Herrlichkeit, aber kann darin nicht mehr leben.

12.61. Darum ist es nun zusammenfaßt der Grund, um vom Fall Adams in höchster Tiefe zu reden: Adam hat durch seine Lust die Jungfrau verloren, und hat in seiner Lust das Weib empfangen, die eine cagastrische (weltliche, vom Gestirn regierte) Person war. Und die (wahre) Jungfrau wartet noch immer auf ihn, ob er wieder in die neue Geburt eintreten will, dann will sie ihn mit großen Ehren wieder annehmen. Darum bedenke dich, oh Menschenkind! Ich schreibe hier, was ich gewiß weiß, und der alles gesehen hat, bezeuget es, denn sonst wüßte ich es auch nicht.


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