Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

Das heißt: Die Wurzel oder Mutter der Philosophie, Astrologie und Theologie aus wahrhaftem Grund, oder die Beschreibung der Natur, wie alles gewesen und im Anfang geworden ist, wie die Natur und Elemente kreatürlich geworden sind, auch von beiden Qualitäten, der bösen und guten, woher alles Dingliche seinen Ursprung hat, wie es jetzt steht und wirkt, und wie es am Ende dieser Zeit werden wird, auch wie das Reich Gottes und der Hölle beschaffen ist und wie die Menschen in jedem Reich kreatürlich wirken.

Alles aus wahrhaftem Grund und Erkenntnis des Geistes und im Wallen Gottes, mit Fleiß erstellt durch Jakob Böhme in Görlitz, im Jahr Christi 1612, im Alter von 37 Jahren, am Dienstag zu Pfingsten.

Vorrede des Autors

1. Günstiger Leser! Ich vergleiche die ganze Philosophie, Astrologie und Theologie samt ihrer Mutter einem köstlichen Baum, der in einem schönen Lustgarten wächst.

2. Nun gibt die Erde, in der dieser Baum steht, dem Baum immerfort Saft, davon der Baum seine lebendige Qualität hat. So wächst der Baum in sich selbst vom Saft der Erde und wird groß und breitet sich mit seinen Ästen aus.

3. Nun, gleichwie die Erde mit ihrer Kraft an dem Baum arbeitet, daß derselbe wachse und zunehme, so arbeitet der Baum mit seinen Ästen stets aus ganzem Vermögen, damit er immer viele gute Früchte bringen kann.

4. Wenn aber der Baum wenig Früchte bringt, dazu ganz klein, madig und wurmstichig, dann liegt die Schuld nicht im Willen des Baumes, so daß er vorsätzlich bösartige Früchte zu tragen begehren würde, denn er ist ein köstlicher Baum von guter Qualität. Sondern die Schuld liegt darin, daß oft große Kälte, Hitze, Mehltau, Rauben und Ungeziefer auf ihn fallen, denn die Qualität in der Tiefe, die von den Sternen ausgeworfen wird, verdirbt ihn, so daß er wenig gute Früchte bringt.

5. Nun hat aber der Baum diese Art an sich, daß je größer und älter der Baum wird, desto süßere Frucht er trägt. In seiner Jugend trägt er nur wenig Früchte, denn das macht die rauhe und wilde Art des Erdbodens und die übermäßige Feuchte im Baum. Wenn er auch schön blüht, so fallen doch im Wachstum seine Äpfel meistens ab, auch wenn er ganz in einem guten Acker steht.

6. Nun hat der Baum zwar eine gute und süße Qualität an sich, aber auch drei andere gegensätzliche, nämlich bitter, sauer und herb. Und wie der Baum ist, so werden auch seine Früchte, aber bis sie die Sonne bewirkt und süß macht, so daß sie einen lieblichen Geschmack bekommen, müssen sie im Regen, Sturm und Ungewitter bestehen.

7. Wenn aber der Baum alt wird, so daß seine Äste langsam verdorren und der Saft nicht mehr in die Höhe kann, dann wachsen unten um den Stamm viele grüne Zweiglein aus, letztlich auch aus der Wurzel, und verklären den alten Baum, wie er auch ein schönes grünes Zweiglein und Bäumlein gewesen war, aber nun ganz alt geworden ist. Denn die Natur oder der Saft wehrt sich, bis der Stamm schließlich ganz dürre wird, und dann wird er abgehauen und im Feuer verbrannt.

8. Nun erkenne, was ich mit diesem Gleichnis angedeutet habe: Der Garten dieses Baumes bedeutet die Welt, der Acker die Natur, der Stamm des Baumes die Sterne, die Äste die Elemente, die Früchte, die auf diesem Baum wachsen, bedeuten die Menschen, und der Saft im Baum bedeutet die klare Gottheit. So sind die Menschen aus der Natur, den Sternen und den Elementen gemacht worden. Gott der Schöpfer aber herrscht in allen, gleichwie der Saft im ganzen Baum.

9. Die Natur hat aber bis zum Gericht Gottes zwei Qualitäten in sich, nämlich eine liebliche, himmlische und heilige, sowie eine grimmige, höllische und durstige.

10. Nun qualifiziert und arbeitet die gute immer mit ganzem Fleiß, damit sie gute Früchte bringe. Darin herrscht der Heilige Geist und gibt dazu Saft und Leben. Und auch die bösartige quillt und treibt mit ganzem Fleiß, damit sie immer bösartige Früchte bringe, und dazu gibt ihr der Teufel Saft und höllisches Feuer.

11. So sind nun diese beiden Qualitäten im Baum der Natur, und die Menschen sind aus diesem Baum gemacht und leben in dieser Welt, in diesem Garten zwischen den beiden Qualitäten in großer Gefahr. Und so fällt auf sie manchmal Sonnenschein und manchmal Regen, Sturm oder Schnee.

12. Wenn nun der Mensch seinen Geist in die Gottheit erhebt, dann quillt und qualifiziert in ihm der Heilige Geist. Wenn er aber seinen Geist in die Welt sinken läßt, in die Lust des Bösen, dann quillt und herrscht in ihm der Teufel mit dem höllischen Saft.

13. Gleichwie der Apfel am Baum madig und wurmstichig wird, wenn Frost, Hitze und Mehltau auf ihn fallen, und er leicht abfällt und verdirbt, so auch der Mensch, wenn er den Teufel mit seinem Gift in sich herrschen läßt.

14. Wie nun in der Natur Gutes und Böses quillt, herrscht und besteht, so auch im Menschen. Der Mensch aber ist Gottes Kind, das er aus dem besten Kern der Natur gemacht hat, um im Guten zu herrschen und das Böse zu überwinden. Wenn ihm auch das Böse anhängt, wie überall in der Natur das Böse am Guten hängt, so kann er doch das Böse überwinden. Denn wenn er seinen Geist in Gott erhebt, dann quillt in ihm der Heilige Geist und hilft ihm siegen.

15. Doch wie die gute Qualität in der Natur mächtig ist, über die böse zu siegen, denn sie ist und kommt aus Gott und der Heilige Geist ist der Herrscher darin, so ist auch die grimmige Qualität mächtig, um in der boshaften Seele zu siegen, denn der Teufel ist ein mächtiger Herrscher in der Grimmigkeit und ein ewiger Fürst derselben.

16. Der Mensch aber hat sich durch den (Sünden-) Fall von Adam und Eva selbst in die Grimmigkeit geworfen, so daß ihm das Böse anhängt, sonst wäre sein Quell und Trieb allein im Guten. Deshalb ist er nun in beiden, und es heißt jetzt, wie St. Paulus sagt: »Wißt ihr nicht, welchem ihr euch zu Knechten in Gehorsam begebt, dessen Knecht seid ihr, dem ihr gehorsam seid, entweder der Sünde zum Tod oder dem Gehorsam Gottes zur Gerechtigkeit. (Röm. 6.16)«

17. Weil aber nun der Mensch in beiden den Trieb hat, so kann er greifen, zu welchem er will. Denn er lebt in dieser Welt zwischen beiden, und beide Qualitäten von Böse und Gut sind in ihm, und in welcher der Mensch wallt, davon wird er angetan, nämlich von heiliger oder höllischer Kraft.

18. Denn Christus spricht: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)« So hat Gott dem Menschen auch das Gute befohlen und das Böse verboten und läßt es noch täglich predigen, rufen und schreien, um den Menschen zum Guten zu ermahnen. Daran erkennt man ja wohl, daß Gott das Böse nicht will, sondern will, daß sein Reich komme und sein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden.

19. Weil aber der Mensch durch die Sünde vergiftet wurde, so daß die grimmige Qualität über die gute in ihm herrscht und er nun halbtot und mit großem Unverstand Gott als seinen Schöpfer wie auch die Natur und ihre Wirkung nicht mehr erkennen kann, so hat die Natur ihren höchsten Fleiß vom Anfang an bis heute darauf angelegt und Gott hat dazu seinen Heiligen Geist gegeben, so daß sie immer und überall weise, heilige und verständige Menschen geboren und zugerichtet hat, welche die Natur wie auch Gott als ihren Schöpfer erkennen gelernt haben und mit ihrem Schreiben und Lehren allezeit der Welt Licht gewesen sind. Damit hat Gott seine Kirche auf Erden zu seinem ewigen Lob errichtet. Aber dagegen hat der Teufel gewütet und getobt und manchen edlen Zweig durch die Grimmigkeit in der Natur verdorben, deren Fürst und Gott er ist.

20. Denn wie die Natur oft einen gelehrten und verständigen Menschen mit schönen Gaben zugerichtet hat, so hat der Teufel seinen höchsten Fleiß darangesetzt, um diesen in fleischliche Gelüste und überheblichen Stolz sowie in die Begierde zu verführen, reich zu sein und Gewalt zu haben. Damit hat der Teufel in ihm geherrscht, und die grimmige Qualität hat die gute überwunden, und aus seinem Verstand und aus seiner Kunst und Weisheit sind Ketzerei und Irrtum gewachsen, welche der Wahrheit gespottet und große Verwirrung auf Erden angerichtet haben. So ist dieser Mensch dem Teufel ein guter Heerführer gewesen.

21. Denn die bösartige Qualität in der Natur hat von Anfang an mit der guten gerungen und ringt noch immer, und hat sich emporgehoben und manche edle Frucht im Mutterleib verdorben, wie solches erstlich bei Kain und Abel klar zu sehen war, die aus einem Mutterleib kamen. Kain wurde ein Verächter Gottes und überheblich stolz, dagegen Abel ein demütiger und gottesfürchtiger Mensch. So sieht man es auch bei den Söhnen Noahs, wie auch bei Abraham mit Isaak und Ismael, aber besonders beim Isaak mit Esau und Jakob, die sich im Mutterleib gestoßen und gerungen hatten, darum auch Gott sagte: »Jakob habe ich geliebt und Esau gehaßt. (1.Mose 25.23)« Das bedeutet nichts anderes, als daß beide Qualitäten in der Natur heftig miteinander gerungen haben.

22. Denn als Gott damals in der Natur wallte und sich der Welt durch den frommen Abraham, Isaak und Jakob offenbaren und sich auf Erden eine Kirche zu seiner Glorie und Herrlichkeit errichten wollte, da wallte in der Natur auch die Bosheit und deren Fürst Luzifer mit. Denn weil im Menschen Böses und Gutes war, so konnten beide Qualitäten in ihm regieren. Deswegen wurde ein böser und ein guter Mensch von der gleichen Mutter geboren.

23. So ist es auch an der ersten Welt wie auch an der anderen (nach Christi Geburt) bis ans Ende unserer Zeit klar zu sehen, wie das himmlische und höllische Reich in der Natur immer und überall miteinander gerungen hat und in großer Mühe stand, wie ein Weib während der Geburt.

24. Bei Adam und Eva ist es am klarsten zu sehen, denn da wuchs im Paradies ein Baum von beiderlei Qualität, von guter und bösartiger. Damit sollten Adam und Eva versucht werden, ob sie in der guten Qualität in englischer Art und Form bestehen könnten. Denn der Schöpfer verbot Adam und Eva, von der Frucht (dieses Baumes der Gegensätze) zu essen. Aber die böse Qualität in der Natur rang mit der guten und brachte Adam und Eva in Lust, von beiden zu essen. Darum bekamen sie auch bald tierische Art und Form, aßen vom Bösen und Guten und mußten sich auf tierische Art vermehren und am Leben erhalten. Und so verdarb auch manch edler Zweig, der von ihnen geboren wurde.

25. Danach sieht man, wie Gott in der Natur gewirkt hat, als die heiligen (Stamm-) Väter in der ersten Welt geboren wurden, nämlich Abel, Seth, Enos, Kenan, Mahalalel, Jared, Henoch, Methusalem, Lamech und der heilige Noah. Sie haben der Welt den Namen des Herrn verkündigt und Buße gepredigt, denn der Heilige Geist wirkte in ihnen.

26. Dagegen hat auch der höllische Gott in der Natur gewirkt und Spötter und Verächter geboren, erstlich Kain und seine Nachkommen. So ging es mit der ersten Welt wie mit einem jungen Baum, der zwar schön wächst, grünt und blüht, aber wegen seiner zarten Art nur wenig gute Früchte bringt. Also brachte die Natur in der ersten Welt wenig gute Früchte, auch wenn sie in weltlicher Kunst und Üppigkeit schön blühte, aber das konnte den Heiligen Geist nicht ergreifen, der auch damals in der Natur wie jetzt gewirkt hat.

27. Darum sprach Gott »Es reut mich, daß ich die Menschen gemacht habe. (1.Mose 6.6)«, und erregte die Natur (zur Sintflut), so daß alles Fleisch starb, was im Trocknen lebte, bis auf die Wurzel und den Stamm, die stehenblieben. Und damit hat er den wilden Baum gedüngt und angerichtet, damit er bessere Früchte tragen sollte. Doch als dieser wieder grünte, brachte er bald wieder gute und böse Früchte bei den Söhnen Noahs. Und da fanden sich bald wieder Spötter und Verächter Gottes, und so wuchs kaum ein guter Ast am Baum, der heilige und gute Früchte brachte, und viele andere Äste trugen und brachten die wilden Heiden hervor.

28. Als aber Gott sah, daß der Mensch in seiner Erkenntnis so abgestorben war, bewegte er die Natur abermals und zeigte den Menschen, wie in ihr Böses und Gutes erscheint, damit sie dem Bösen fliehen und im Guten leben sollten. Und er ließ Feuer aus der Natur fallen und zündete Sodom und Gomorrha zu einem schrecklichen Beispiel für die Welt an.

29. Als aber der Menschen Blindheit (trotzdem) überhandnahm und sie sich Gottes Geist nicht lehren lassen wollten, gab er ihnen Gesetze und Lehre, wie sie sich verhalten sollten, und bestätigte diese mit Wundern und Zeichen, damit die Erkenntnis des wahren Gottes nicht erlösche.

30. Aber auch damit wollte das (wahre göttliche) Licht nicht an den Tag kommen, denn die Finsternis und Grimmigkeit in der Natur wehrten sich und ihr Fürst regierte mit großer Gewalt.

31. Als aber der Baum der Natur in sein mittleres Alter kam, da begann er, etliche milde und süße Früchte zu tragen, um anzuzeigen, daß er künftig liebliche Früchte tragen würde. Denn da wurden die heiligen Propheten aus dem süßen Ast des Baumes geboren, und sie lehrten und predigten vom Licht (Christi), das künftig die Grimmigkeit in der Natur überwinden würde.

32. Auch unter den Heiden ging ein Licht in der Natur auf, so daß sie die Natur und ihre Wirkung erkannten, obwohl dies nur ein Licht in der wilden Natur war und noch nicht das heilige Licht. Denn die wilde Natur war noch nicht überwunden, und so rangen Licht und Finsternis solange miteinander, bis die Sonne aufging und diesen Baum mit ihrer Hitze zwang, liebliche und süße Früchte zu tragen.

33. Das geschah, bis dann der Fürst des Lichtes (Jesus Christus) aus dem Herzen Gottes kam, ein Mensch in der Natur wurde und in seinem menschlichen Leib mit der Kraft des göttlichen Lichtes in der wilden Natur rang.

34. Dieser fürstliche und königliche Zweig (des Christentums) wuchs in der Natur auf, wurde ein Baum in der Natur und breitete seine Äste vom Orient bis zum Okzident (vom Osten bis zum Westen) aus. So umfaßte er die ganze Natur und rang und kämpfte mit der Grimmigkeit, die in der Natur war, sowie mit deren Fürsten, bis er sie als ein König der Natur überwand und triumphierte und den Fürsten der Grimmigkeit in seinem eigenen Haus gefangennahm (Psalm 68.19).

35. Als dies geschah, da wuchsen aus dem königlichen Baum, der in der Natur gewachsen war, viele tausend Legionen köstlicher süßer Zweiglein, die alle den Geruch und Geschmack des köstlichen Baumes hatten. Und wenn auch Regen, Schnee, Hagel und Ungewitter auf sie fielen, so daß manches Zweiglein vom Baum gerissen und geschlagen wurde, wuchsen doch immer weitere Zweiglein. Denn die Grimmigkeit in der Natur und ihr Fürst erregten große Ungewitter mit Hageln, Donnern, Blitzen und Regen, nur damit öfters viele herrliche Zweiglein vom süßen und guten Baum abgerissen wurden. Aber diese Zweiglein schmeckten so holdselig, süß und freudenreich, daß es keine Zunge der Menschen oder Engel aussprechen kann, denn sie hatten große Kraft und Tugend in sich. Sie dienten zur Gesundheit (bzw. „Heilung“) der wilden Heiden, denn welcher Heide von den Zweiglein dieses Baumes aß, der wurde von der wilden Art der Natur entledigt, in welcher er geboren war, und wurde ein süßer Zweig am köstlichen Baum, grünte im Baum und trug köstliche Früchte wie der königliche Baum.

36. Darum liefen viele Heiden zu dem köstlichen Baum, wo die köstlichen Zweiglein lagen, die der Fürst der Finsternis mit seinen Sturmwinden abgerissen hatte. Und welcher Heide an einem abgerissenen Zweiglein roch, der gesundete von der wilden Grimmigkeit, die ihm von seiner Mutter angeboren war.

37. Als aber der Fürst der Finsternis sah, daß sich die Heiden um die Zweiglein rissen und nicht um den Baum, und seinen großen Verlust und Schaden erkannte, da ließ er gegen Aufgang und Mittag (Osten und Süden bzw. Südosten) vom Sturm ab und stellte einen Kaufmann unter den Baum, der die Zweiglein auflas, die vom köstlichen Baum gefallen waren.

38. Und wenn dann die Heiden kamen und nach den guten und kräftigen Zweiglein fragten, dann bot der Kaufmann dieselben an, um sie für Geld zu verkaufen, damit er vom köstlichen Baum großen Wucher (und reichen Gewinn) hätte. Denn solches forderte der Fürst der Grimmigkeit von seinem Kaufmann, weil ihm der Baum in seinem Land gewachsen war und seinen Acker verdarb.

39. Als nun die Heiden sahen, daß die Frucht vom köstlichen Baum angeboten wurde, um sie für Geld zu kaufen, liefen sie haufenweise zum Krämer (bzw. „Händler“) und kauften von der Frucht des Baumes. Sie kamen sogar von den fernen Inseln, um zu kaufen, ja vom Ende der Welt.

40. Als nun der Krämer sah, daß seine Ware so viel galt und auch so begehrt war, erdachte er sich eine List, damit er seinem Herrn einen großen Schatz ansammeln konnte, und schickte Kaufleute in alle Länder aus und ließ seine Ware feilbieten und hochloben. Aber er verfälschte die Ware und verkaufte andere Früchte für die guten, die nicht auf dem guten Baum gewachsen waren, nur damit der Schatz seines Herrn groß würde.

41. Doch die Heiden und alle Insulaner und Völker, die auf Erden wohnten, waren alle aus dem wilden Baum gewachsen, der da gut und böse war. Darum waren sie halbblind und sahen den guten Baum nicht, der doch seine Äste ausstreckte vom Aufgang bis zum Untergang (der Sonne über die ganze Welt), sonst hätten sie die falsche Ware nicht gekauft.

42. Weil sie aber den köstlichen Baum nicht kannten, der doch seine Äste über sie alle ausstreckte, liefen sie allen den Krämern nach und kauften vermengte falsche Ware für gute und vermeinten, sie diente zur Gesundheit. Weil sie aber alle so sehr nach dem guten Baum begehrten, der doch über ihnen allen schwebte, so wurden viele von ihnen durch die große Lust und Begierde gesund, die sie zu diesem Baum trugen. Denn der Geruch des Baumes, der über ihnen schwebte, heilte sie von ihrer Grimmigkeit und wilden Geburt, und nicht des Krämers falsche Ware. Das währte nun eine lange Zeit.

43. Doch als der Fürst der Finsternis, der da der Quell der Grimmigkeit, Bosheit und Verderbens ist, erkannte, daß die Menschen durch den Geruch des köstlichen Baumes von seinem Gift und ihrer wilden Art geheilt wurden, wurde er zornig und pflanzte einen wilden Baum gegen Mitternacht (Norden), der aus der Grimmigkeit in der Natur wuchs, und ließ ausrufen: „Das ist der Baum des Lebens! Wer davon ißt, wird gesund und lebt ewiglich!“ Denn an dem Ort, wo der wilde Baum wuchs, war eine wilde Stätte, und die dortigen Völker hatten das wahre Licht aus Gott von Anfang an bis zur damaligen Zeit und auch bis heute nicht erkannt. Und dieser Baum wuchs am Berg Hagar, im Hause Ismaels, des Spötters.

44. Als nun von dem Baum ausgerufen wurde „Siehe, das ist der Baum des Lebens!“, da liefen die wilden Völker zu dem Baum, die nicht aus Gott geboren waren, sondern aus der wilden Natur, und liebten den wilden Baum und aßen von seiner Frucht. Und der Baum wuchs und wurde groß vom Saft der Grimmigkeit in der Natur, und er breitete seine Äste aus von Mitternacht (Norden) gegen Morgen und Abend (Osten und Westen). Der Baum aber hatte seinen Quell und seine Wurzel aus der wilden Natur, die da böse und gut war, und wie der Baum war, so war auch seine Frucht.

45. Weil aber die Menschen an diesem Ort alle aus der wilden Natur gewachsen waren, so wuchs der Baum über sie alle und wurde so groß, daß er mit seinen Ästen bis in das werte Land unter dem heiligen Baum reichte.

46. Aber die Ursache, daß der wilde Baum so groß wurde, lag darin, daß die Völker unter dem guten Baum alle den Krämern nachliefen, die die falsche Ware verkauften, und von der falschen Frucht aßen, die auch böse und gut war, und vermeinten, sie würden dadurch gesund werden, und deshalb den heiligen, guten und kräftigen Baum immer mehr (abseits) stehenließen. Dadurch wurden sie immer blinder, matter und schwächer und konnten nicht verhindern, daß der wilde Baum gegen Mitternacht wuchs. Denn sie waren viel zu matt und schwach. Sie sahen wohl, daß es ein wilder und bösartiger Baum war, aber sie waren zu matt und schwach und konnten sich gegen sein Gewächs nicht wehren. Wenn sie aber nicht den Krämern mit der falschen Ware nachgelaufen wären und von der falschen Frucht gegessen hätten, sondern vom köstlichen Baum, dann wären sie kräftig genug geworden, um dem wilden Baum Widerstand zu leisten.

47. Weil sie aber der wilden Natur im Menschen-Tand (der interessanten, aber nutzlosen Dinge) nachhurten, nämlich durch die Heuchelei der Gelüste ihres Herzens, so herrschte auch die wilde Natur über sie, und der wilde Baum wuchs hoch und weit über sie und verdarb sie mit seiner wilden Kraft.

48. Denn der Fürst der Grimmigkeit in der Natur gab dem Baum seine Kraft, um die Menschen zu verderben, die von der wilden Frucht des Krämers aßen. Dadurch verließen sie den (wahren) Baum des Lebens und suchten ihre eigene Klugheit wie Mutter Eva im Paradies. So herrschte ihre eigene angeborene Qualität über sie, und sie gerieten in solchen kräftigen Irrtum, wie St. Paulus sagt (in 2.Thess. 2.11: »Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, so daß sie der Lüge glauben, auf daß alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glauben, sondern Lust an der Ungerechtigkeit haben.«).

49. Und der Fürst der Grimmigkeit erregte Kriege und Sturmwinde von dem wilden Baum gegen Mitternacht über die Völker, die nicht aus dem wilden Baum geboren waren, und sie fielen in ihrer Mattigkeit und Schwachheit vor dem Ungewitter, das aus dem wilden Baum kam.

50. Und der Kaufmann unter dem guten Baum heuchelte weiterhin mit den Völkern gegen Mittag und Abend sowie gegen Mitternacht (Süden, Westen und Norden) und lobte seine Ware hoch und betrog die Einfältigen mit List. Und die Klugen machte er zu seinen Kaufleuten und Krämern, so daß sie auch ihren Gewinn davon hatten, bis er es dahin brachte, daß niemand mehr den heiligen Baum wahrhaft sah und erkannte und er das Land zum Eigentum bekam.

51. Da ließ er ausrufen: »Ich bin der Stamm des guten Baumes und stehe auf der Wurzel des guten Baumes und bin eingepfropft in den Baum des Lebens. Kauft meine Ware, die ich euch verkaufe, dann werdet ihr von eurer wilden Geburt geheilt und ewig leben. Ich bin aus der Wurzel des guten Baumes gewachsen, habe die Frucht des Heiligen Baumes in meiner Gewalt, sitze auf dem Thron der göttlichen Kraft und habe Gewalt im Himmel und auf Erden. Kommt zu mir und kauft euch für Geld die Frucht des Lebens! (2.Thess. 2.1)«

52. Da liefen alle Völker herzu und kauften und aßen, bis sie verschmachteten. Alle Könige von Mittag, Abend und gegen Mitternacht aßen von der Frucht des Krämers und lebten in großer Ohnmacht. Denn der wilde Baum von Mitternacht wuchs mit der Zeit immer mehr über sie und vertilgte sie eine lange Zeit. Und es war eine elende Zeit auf Erden, wie noch nie gewesen war, seit die Welt bestand. Aber die Menschen meinten, es wäre eine gute Zeit, so sehr hatte sie der Kaufmann unter dem guten Baum verblendet.

53. Aber am Abend (des christlichen Zeitalters) bejammerte die Barmherzigkeit Gottes das Elend und die Blindheit der Menschen und bewegte abermals den guten Baum, den herrlichen göttlichen Baum, der die Frucht des Lebens trug. Da wuchs aus dem köstlichen Baum ein Zweig nahe bei der Wurzel und grünte, und ihm wurde des Baumes Saft und Geist gegeben, und er redete mit Menschenzungen und zeigte jedermann den köstlichen Baum und seine Stimme erscholl weit in viele Länder.

54. Da liefen die Menschen, um zu sehen und zu hören, was da wäre. Und hier wurde ihnen der köstliche und tugendreiche Baum des Lebens gezeigt, von dem die Menschen im Anfang gegessen hatten und von ihrer wilden Geburt entledigt (und befreit) worden waren.

55. Damit wurden sie hoch erfreut und aßen vom Baum des Lebens mit großer Freude und Erquickung. Sie bekamen neue Kraft vom Baum des Lebens, sangen ein neues Lied vom wahrhaftigen Baum des Lebens, wurden von der wilden Geburt entledigt und haßten den Kaufmann mit seinen Krämern und falschen Waren.

56. Da kamen alle, die da hungerte und dürstete nach dem Baum des Lebens, auch die im Staub saßen, und aßen vom heiligen Baum, wurden von ihrer unreinen Geburt und von der Natur der Grimmigkeit geheilt, in der sie lebten, und wieder eingepfropft in den Baum des Lebens.

57. Nur die Krämer des Kaufmanns und ihre Heuchler, die ihren Wucher mit der falschen Ware getrieben und ihre Schätze gesammelt hatten, kamen nicht, denn sie waren im Wucher (und Gewinn) der Hurerei des Kaufmanns ersoffen und im Tode abgestorben und lebten in der wilden Natur. Auch die Angst und Schande, die da aufgedeckt wurde, hielt sie zurück, weil sie mit dem Kaufmann so lange gehurt und die Seelen der Menschen verführt hatten, da sie sich rühmten, sie wären in den Baum des Lebens eingepfropft, lebten in göttlicher Kraft und Heiligkeit und könnten die Frucht des Lebens verkaufen.

58. Doch weil nun ihre Schande, Betrügerei, Geiz und Schalkheit offenbar wurde, verstummten sie und blieben zurück und schämten sich, anstatt für ihre Greuel und Abgötterei Buße zu tun und mit den Hungrigen und Durstigen zum Brunnquell des ewigen Lebens zu gehen. Darum verschmachteten sie in ihrem Durst, und ihre Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit, und ihr Gewissen nagt an ihnen.

59. Als nun der Kaufmann mit der falschen Ware erkannte, daß sein Betrug offenbar geworden war, wurde er sehr zornig und verzagt und richtete seinen Bogen gegen das heilige Volk, das seine Ware nicht mehr kaufen wollte, und tötete viele von ihnen und lästerte gegen den grünen Zweig, der aus dem Baum des Lebens gewachsen war. Aber der Großfürst Michael, der vor Gott steht, kam und stritt für das heilige Volk und siegte.

60. Als aber der Fürst aus der Finsternis erkannte, daß sein Kaufmann gefallen war und sein Betrug offenbar wurde, erregte er aus dem wilden Baum das Sturmwetter von Mitternacht her gegen das heilige Volk, und auch der Kaufmann stürmte von Mittag her gegen sie. Aber daran wuchs das heilige Volk sehr und hoch im Blut, und wie es im Anfang war, als der heilige und köstliche Baum wuchs, der die Grimmigkeit in der Natur und ihren Fürsten überwand, so war es auch zu jener Zeit.

61. Doch als nun der edle und heilige Baum allem Volk offenbar geworden war, so daß sie sahen, wie er über ihnen allen schwebte und seinen Geschmack über alle Völker ausstreckte und jeder davon essen konnte, der da wollte, da wurde das Volk vom Essen jener Frucht überdrüssig, die auf dem Baum wuchs, und sie begehrten nach der Wurzel des Baumes, um auch davon zu essen. So suchten die Klugen und Gelehrten nach der Wurzel und zankten um dieselbe. Und der Streit um die Wurzel des Baumes wurde so groß, daß sie vergaßen, von der Frucht des süßen Baumes zu essen, wegen des Zanks um die Wurzel des Baumes.

62. Aber eigentlich ging es ihnen gar nicht um die Wurzel noch um den Baum, sondern der Fürst der Finsternis hatte etwas anderes im Sinn. Denn er sah nun, daß sie nicht mehr vom guten Baum essen wollten, sondern um die Wurzel zankten, und erkannte wohl, daß sie ganz matt und schwach wurden und daß die wilde Natur wieder in ihnen herrschte. Darum bewegte er sie nun zum überheblichen Stolz, so daß ein jeder meinte, er hätte die Wurzel am Stiel ergriffen, und man sollte auf ihn sehen und hören und ihn ehren. Damit bauten sie ihre Palast-Häuser und dienten heimlich dem Abgott Mammon. Dadurch wurde der Laienstand geärgert, und sie lebten in der Lust ihres Fleisches, in der Begierde der wilden Natur und dienten dem Bauch in Üppigkeit, denn sie verließen sich auf die Frucht des Baumes, der über ihnen allen schwebte, daß sie dadurch wieder geheilt werden konnten, auch wenn sie ins Verderben gerieten. Aber sie dienten unterdessen dem Fürsten der Finsternis entsprechend dem Trieb der wilden Natur, und der köstliche Baum mußte ihnen nur zum Schauspiegel dastehen. So lebten viele von ihnen wie die wilden Tiere und führten ein bösartiges Leben in überheblichem Stolz, Pracht und Üppigkeit, und der Reiche verzehrte den Schweiß und die Arbeit des Armen und bedrängte ihn noch dazu.

63. Alle bösartigen Taten wurden durch Geschenke gut. Die Rechte flossen aus der bösartigen Qualität in der Natur, und ein jeder trachtete nach viel Geld und Gut, nach überheblichem Stolz, Prassen und Prangen. Der Elende hatte keine Rettung mehr. Schelten, Fluchen und Schwören wurden für kein Laster mehr gehalten, und sie fühlten sich in der grimmigen Qualität wie eine Sau im Schlamm. Solches taten die Hirten mit den Schafen, und sie bewahrten den Namen vom edlen Baum nicht mehr, denn die Frucht, Kraft und das Leben dieses Baumes mußten nun eine Decke für ihre Sünden sein.

64. So lebte die Welt zu jener Zeit bis auf ein kleines Häuflein, das mitten unter den Dornen in großer Trübsal und Verachtung geboren wurde. Hierin gab es keinen Unterschied unter allen Völkern auf Erden, vom Orient bis in Okzident (vom Osten bis zum Westen), denn sie lebten alle im Trieb der wilden Natur in Ohnmacht, bis auf das kleine Häuflein, das aus allen Völkern errettet wurde. Und wie es vor der Sintflut war und vor dem Aufgang des edlen Baumes in die Natur und in der Natur, so war es auch zu jener Zeit.

65. Daß aber die Menschen am Ende so hartnäckig nach der Wurzel des Baumes begehrten, ist ein Geheimnis, ein Mysterium, und bisher den Klugen und Gelehrten verborgen gewesen. Es wird auch in der Höhe (des Gedankengebäudes) nicht aufgehen, sondern in der Tiefe in großer Einfalt, gleichwie der edle Baum mit seinem Kern und Herzen allezeit den Weltklugen verborgen gewesen war, auch wenn sie meinten, sie stünden auf des Baumes Wurzel und Spitze, so war es doch nicht mehr als ein lichter Dunst vor ihren Augen gewesen.

66. So hat der edle Baum von Anfang an bis heute mit höchstem Fleiß in der Natur gearbeitet, damit er allen Völkern, Zungen und Sprachen offenbar werden könne. Dagegen hat der Teufel in der wilden Natur gewütet und getobt und sich wie ein grimmiger Löwe gewehrt. Aber der edle Baum brachte immer länger immer süßere Früchte und offenbarte sich immer mehr gegen alles Wüten und Toben des Teufels, bis ans Ende, als es licht wurde.

67. Denn ein grünes Zweiglein wuchs aus der Wurzel des edlen Baumes und bekam den Saft und das Leben der Wurzel. Ihm wurde der Geist des Baumes gegeben, und er erklärte den edlen Baum in seiner herrlichen Kraft und Macht, und dazu die Natur, in welcher er gewachsen war.

68. Als dies geschah, da gingen in der Natur beide Türen auf, nämlich die Erkenntnis beider Qualitäten vom Bösen und Guten, und das himmlische Jerusalem sowie das Reich der Hölle wurden allen Menschen auf Erden offenbar. Da erschollen das Licht und die Stimme in die vier Winde, und der falsche Kaufmann vom Mittag wurde ganz offenbar und die Seinen haßten ihn und rotteten ihn von der Erde aus.

69. Als dies geschah, da verdorrte auch der wilde Baum gegen Mitternacht, und alles Volk sah mit Verwunderung den heiligen Baum, sogar auf den fernen Inseln. Da wurde der Fürst in der Finsternis offenbar, seine Geheimnisse wurden aufgedeckt, und die Menschen auf Erden sahen und erkannten seine Schande, seinen Spott und sein Verderben, denn es war licht geworden. Aber das währte nur eine kleine Zeit, dann ließen die Menschen das Licht wieder sein und lebten in der Lust ihres Fleisches zum Verderben. Denn wie sich die Tür des Lichtes aufgetan hatte, so auch die Tür der Finsternis, und aus beiden gingen allerlei Kräfte und Künste hervor, die darin waren.

70. Wie die Menschen zuvor im Gewächs der wilden Natur gelebt hatten und nur nach irdischen Dingen trachteten, so wollte es auch am Ende nicht besser werden, sondern nur ärger.

71. Während dieser Zeit wurden viele große Sturmwetter vom Abend gegen Morgen und Mitternacht (von Westen nach Osten und Norden) erregt. Und von Mitternacht ging ein großer Wasserstrom gegen den heiligen Baum aus und verdarb viele Zweige am heiligen Baum, aber mitten im Strom wurde es licht, denn der wilde Baum gegen Mitternacht verdorrte.

72. Damit wurde der Fürst der Finsternis in der großen Beweglichkeit der Natur ergrimmt, denn der heilige Baum wallte in der Natur, als wollte er sich nun bald erheben und in Glorifizierung der heiligen göttlichen Majestät entzünden, sowie den Grimm aus sich gebären, der ihm solange entgegengestand und mit ihm gerungen hatte.

73. Entsprechend wallte auch der Baum der Finsternis, der Grimmigkeit und des Verderbens so grausam, als sollte er nun bald entzündet werden, und darin ging der Fürst mit seinen Legionen aus, um die edle Frucht vom guten Baum zu verderben.

74. Und man stand in der grimmigen Qualität in einer ganz schrecklichen Natur, nämlich in der Qualität, in welcher der Fürst der Finsternis wohnt. Oder menschlich zu reden: Als würde man ein grausames und schreckliches Unwetter aufziehen sehen, das sich greulich und schrecklich mit vielen Blitzen und Sturmwinden ankündigt, so daß man sich entsetzt.

75. Dagegen stand man in der guten Qualität, in welcher der heilige Baum des Lebens stand, gar lieblich, süß und wonnereich, gleich dem himmlischen Freudenreich. Diese Beiden wallten heftig gegeneinander, so hart, bis damit die ganze Natur angezündet wurde, beide Qualitäten in einem Augenblick.

76. So wurde der Baum des Lebens in seiner eigenen Qualität mit dem Feuer des Heiligen Geistes angezündet, und seine Qualität brannte im Feuer des himmlischen Freudenreichs, das in der guten Qualität seit Ewigkeit gewesen war. Und das Licht der Heiligen Dreiheit (Trinität) leuchtete im Baum des Lebens und erfüllte die ganze Qualität, in welcher er stand.

77. Und so wurde auch der Baum der grimmigen Qualität angezündet, der das andere Teil (bzw. Gegenteil) in der Natur ist, und brannte im Feuer des göttlichen Zorns mit höllischer Flamme. Und der grimmige Quell stieg aus der Ewigkeit auf, und der Fürst der Finsternis mit seinen Legionen blieb in der grimmigen Qualität als in seinem eigenen Reich. In diesem Feuer vergingen Erde, Sterne und Elemente, denn es brannte alles zugleich, ein jedes im Feuer seiner eigenen Qualität, und so wurde alles entschieden.

78. Denn der Alte bewegte sich, in dem da alle Kraft, alle Kreaturen und Alles ist, was genannt werden kann. Und die Kräfte vom Himmel, von den Sternen und Elementen wurden wieder dünn und in die Gestalt formiert (bzw. „informiert“), wie sie vor dem Anfang der Schöpfung waren. Nur die beiden Qualitäten von Gut und Böse, die in der Natur ineinander gewesen waren, wurden voneinander geschieden, und die böse war dem Fürsten der Bosheit und Grimmigkeit zur ewigen Behausung gegeben, und das heißt die Hölle oder Verwerfung, welche die gute Qualität in Ewigkeit nicht mehr ergreift oder berührt, sozusagen eine Vergessenheit alles Guten, und das in seiner Ewigkeit.

79. In der anderen (guten bzw. reinen) Qualität stand der Baum des ewigen Lebens, und ihr Quell rührt aus der Heiligen Dreiheit her und der Heilige Geist leuchtet darin. Und daraus (aus diesen beiden Qualitäten) kamen alle Menschen hervor, die von Adam, dem ersten Menschen, abstammten, ein jeder in seiner Kraft und in der entsprechenden Qualität, in welcher er auf Erden gewachsen war: Die da auf Erden von dem guten Baum gegessen hatten, der da Jesus Christus heißt, in denen war die Barmherzigkeit Gottes zur ewigen Freude gequollen, denn sie hatten die Kraft der guten Qualität in sich, wurden in die gute und heilige Qualität aufgenommen und sangen das Lied ihres Bräutigams, ein jeder in seiner Stimme nach seiner Heiligkeit.

80. Die aber im Licht der Natur und des Geistes geboren waren, doch auf Erden den Baum des Lebens nie wahrhaft erkannt hatten, doch in der Kraft des Baumes gewachsen waren, der alle Menschen auf Erden beschattet hatte, zu denen viele Heidenvölker und Unmündige gehören, die wurden auch in derselben Kraft aufgenommen, in der sie gewachsen waren und mit der ihr Geist bekleidet war, und sie sangen das Lied ihrer Kraft vom edlen Baum des ewigen Lebens, denn ein jeder wurde nach seiner Kraft glorifiziert.

81. Und die heilige Natur gebar freudenreiche himmlische Früchte, wie sie auf Erden in beiden Qualitäten irdische Früchte geboren hatte, die da gut und bösartig waren. Also gebar sie jetzt himmlische freudenreiche Früchte, und die Menschen, die jetzt den Engeln gleich waren, aßen alle von der Frucht ihrer Qualität und sangen das Lied Gottes und das Lied vom Baum des ewigen Lebens. Und das war im Vater wie ein heiliges Spiel und eine triumphierende Freude, denn dazu wurden alle Dinge im Anfang aus dem Vater gemacht, und das bleibt nun in seiner Ewigkeit so.

82. Die aber auf Erden in der Kraft des Zorn-Baumes gewachsen waren, das heißt, die von der grimmigen Qualität überwältigt wurden und in der Bosheit ihres Geistes in ihren Sünden verdorrt waren, die kamen auch alle hervor, ein jeder in seiner Kraft, und wurden in das Reich der Finsternis aufgenommen. Und ein jeder wurde in der Kraft angetan, in der er gewachsen war, und ihr König heißt Luzifer, ein Verstoßener aus dem Licht.

83. Und auch die höllische Qualität brachte ihre Früchte hervor, wie sie es auf Erden getan hatte, nur das Gute war von ihr geschieden, und darum brachte sie jetzt nur noch Früchte in ihrer eigenen Qualität. Und die Menschen, welche jetzt auch den Geistern gleich waren, aßen alle von der Frucht ihrer Qualität, wie auch der Teufel selbst. Denn wie in den Menschen auf Erden ein Unterschied in den Qualitäten ist und nicht alle von einer Qualität sind, so ist es auch bei den verstoßenen Geistern, wie auch in der himmlischen Pracht der Engel und Menschen, und das währt in seiner Ewigkeit. Amen.

Geneigter Leser, dies war ein kurzer (und symbolischer) Bericht von den zwei Qualitäten in der Natur vom Anfang bis zum Ende, wie daraus zwei Reiche entstanden sind, ein himmlisches und ein höllisches, und wie sie in dieser Zeit gegeneinander wallen und streiten, und wie es zukünftig mit ihnen ergehen wird.

84. Nun habe ich aber diesem Buch auch den Namen gegeben: „Die Mutter oder Wurzel der Philosophie, Astrologie und Theologie.“ Damit du nun weißt, wovon dieses Buch handelt, so verstehe: (1.) Durch die Philosophie wird die göttliche Kraft behandelt, was Gott sei; wie im Wesen Gottes die Natur, Sterne und Elemente beschaffen sind und woher alles Dingliche seinen Ursprung hat; wie Himmel und Erden beschaffen sind, auch Engel, Menschen und Teufel, dazu Himmel und Hölle und alles, was kreatürlich ist; auch was hier die beiden Qualitäten in der Natur sind; und das alles aus wahrhaftem Grund in der Erkenntnis des Geistes, im Trieb und Wallen Gottes.

85. (2.) Durch die Astrologie werden die Kräfte der Natur, der Sterne und Elemente behandelt, wie daraus alle Kreaturen entstanden sind, und wie diese Kräfte alles treiben, regieren und in allem wirken; und wie in Menschen und Tieren durch sie Böses und Gutes gewirkt wird, was dann die Ursache ist, daß Böses und Gutes in dieser Welt herrscht und besteht; auch wie das Reich der Hölle und des Himmels darin besteht.

86. Es ist nicht mein Vorhaben, den Lauf, Ort oder Namen aller Sterne zu beschreiben oder wie sie jährlich ihre Konjunktion, Gegenschein oder Quadrat und dergleichen haben, oder was sie jährlich und stündlich bewirken.

87. Das wurde im Laufe vieler langer Jahre von hochweisen, klugen und geistreichen Menschen durch fleißiges Anschauen und Aufmerken sowie tiefes Sinnen und Rechnen erfahren. Ich habe das auch nie studiert und gelernt und überlasse es der Behandlung durch Gelehrte. Mein Vorhaben ist es, nach dem (inneren) Geist und Sinn zu schreiben und nicht nach dem (äußeren) Anschauen.

88. (3.) Durch die Theologie wird das Reich Christi behandelt, wie dasselbe beschaffen sei, wie es dem Reich der Hölle entgegengesetzt ist, auch wie es in der Natur mit dem Reich der Hölle kämpft und streitet, und wie die Menschen durch den Glauben und Geist das Reich der Hölle überwinden, in göttlicher Kraft triumphieren und die ewige Seligkeit erlangen können und als den Sieg im Kampf davontragen. Aber auch, wie sich der Mensch durch die Wirkung der höllischen Qualität selbst ins Verderben stürzt, und schließlich, wie es einen Ausgang mit beiden nehmen wird.

89. Der oberste Titel „Morgenröte im Aufgang“ ist ein Geheimnis und Mysterium, das den Klugen und Gelehrten in dieser Welt verborgen ist, doch welches sie in Bälde selber erfahren müssen. Denen aber, die dieses Buch in Einfalt und mit Begierde des Heiligen Geistes lesen und ihre Hoffnung allein in Gott setzen, wird es kein Geheimnis sein, sondern eine offensichtliche Erkenntnis.

90. So will ich diesen Titel nicht weiter erklären, sondern dem unparteiischen Leser, der da in dieser Welt in der guten Qualität ringt, zur Beurteilung geben.

91. Doch wenn nun Meister Klügling, der da in der grimmigen Qualität qualifiziert, über dieses Buch kommt, dann wird er dagegenhalten, wie auch das Himmel- und Höllenreich gegeneinander wallen und bestehen. Erstlich wird er sagen, ich sei viel zu hoch in die Gottheit gestiegen, und mir gezieme solches nicht. Danach wird er sagen, ich rühme mich des Heiligen Geistes, deshalb müsse ich auch entsprechend leben und solches mit Wunderwerken beweisen. Zum dritten wird er sagen, ich mache solches aus Begierde nach Ruhm. Zum vierten wird er sagen, ich sei nicht gelehrt genug dazu. Zum fünften wird ihn die große Einfalt des Autors sehr ärgern, wie es der Welt Brauch ist, nur auf das Hohe zu sehen und sich an der Einfalt zu ärgern.

92. Diesen parteiischen Klüglingen will ich entgegensetzen: Die Altväter in der ersten Welt waren auch nur geringe und verachtete Leute, gegen die die Welt und der Teufel wüteten und tobten, wie zur Zeit von Henoch, als die heiligen Väter begannen, mit großer Kraft von des Herrn Namen zu predigen. Auch sie waren nicht mit dem Leib in den Himmel gestiegen und haben alles mit (körperlichen) Augen gesehen. Allein der Heilige Geist hat sich in ihrem Geist offenbart. Danach sieht man es auch in der anderen Welt (nach Christus) bei den heiligen Altvätern, Patriarchen und Propheten, die allesamt nur einfältige Leute und teilweise nur Viehhirten waren.

93. Auch als Messias Christus, der Held im Kampf, in der Natur ein Mensch wurde, hielt er sich doch in dieser Welt in großer Einfalt und war nur der Welt Hausgenosse, auch wenn er ein Fürst und König der Menschen war. So waren auch seine Apostel allesamt nur arme verachtete Fischerknechte und kleine Leute. Ja, Christus selbst dankte seinem himmlischen Vater, daß er es den Klugen und Gelehrten in dieser Welt verborgen gehalten hatte und den Unmündigen offenbarte (Matth. 11.25).

94. Dazu sieht man, wie sie auch in gleicher Weise arme Sünder gewesen waren und in der Natur beide Triebe von Gut und Böse an sich hatten, obwohl sie gleichzeitig gegen die Sünde der Welt, ja gegen ihre eigene Sünde gepredigt und dieses bestraft haben. Doch das taten sie durch den Antrieb des Heiligen Geistes und nicht aus Ruhmsucht. So haben sie auch aus eigenen Kräften und Vermögen nichts gehabt oder in den Geheimnissen Gottes lehren können, sondern alles geschah im Antrieb Gottes.

95. So kann ich auch von mir selbst nichts anderes sagen, rühmen oder schreiben, als daß ich ein einfältiger Mann bin, dazu ein armer Sünder und alle Tage bitten muß: »Herr, vergib uns unsere Schuld!« Und mit den Aposteln darf ich sagen: »Oh Herr, du hast uns durch dein Blut erlöst. (Kol. 1.14)« Ich bin auch nicht in den Himmel gestiegen und habe alle Werke und Geschöpfe Gottes gesehen, sondern in meinem Geist ist dieser Himmel offenbart worden, so daß ich im Geist die Werke und Geschöpfe Gottes erkenne. So ist auch der Wille dazu nicht mein natürlicher Wille, sondern es ist der Antrieb des Geistes, und damit habe ich auch manchen Sturz des Teufels erleiden müssen.

96. Der Geist des Menschen ist aber nicht allein aus den Sternen und Elementen gekommen, sondern es ist auch ein Funke aus dem Licht und der Kraft Gottes darin verborgen. Es ist also kein leeres Wort, wenn in der Genesis (der biblischen Schöpfungsgeschichte) steht, daß »Gott den Menschen sich zum Bilde erschuf, ja zum Bilde Gottes erschuf er ihn (1.Mose 1.27)«, denn er hat ebenfalls die (ganzheitliche) Vernunft, weil er aus dem ganzen Wesen der Gottheit gemacht worden ist.

97. Nur der Leib besteht aus den Elementen, und darum muß er auch elementische Speise haben. Doch die Seele hat ihren Ursprung nicht allein vom Leib. Auch wenn sie im Leib entsteht und ihr erster Anfang der Leib ist, so hat sie doch ihren Quell auch von außen in sich durch die Luft (bzw. den Lebensatem). Und so herrscht darin auch der Heilige Geist nach der Art und Weise, wie er alles erfüllt und wie in Gott alles ist und Gott selbst alles ist.

98. Weil nun der Heilige Geist in der Seele als ihr Eigentum kreatürlich ist, deshalb forscht sie auch in der Natur bis in die Gottheit, denn sie hat aus dem Wesen der ganzheitlichen Gottheit ihren Quell und ihr Herkommen. Wenn sie vom Heiligen Geist angezündet wird, dann sieht sie, was Gott ihr Vater macht, gleichwie ein Sohn im Haus wohl sieht, was der Vater macht. So ist sie ein Mitglied oder Kind im Haus des himmlischen Vaters.

99. Wie das Auge des Menschen bis in das Gestirn (der Sterne und Planeten) sehen kann, aus dem es seinen anfänglichen Ursprung hat, so kann auch die Seele bis in das göttliche Wesen sehen, in dem sie lebt.

100. Weil aber die Seele ihren Quell auch aus der Natur hat, in der Böses und Gutes ist, und weil sich der Mensch durch die Sünde auch in die Grimmigkeit der Natur gestürzt hat, so daß die Seele täglich und stündlich mit Sünden befleckt wird, deshalb ist ihre Erkenntnis nur stückweise (und begrenzt), denn die Grimmigkeit der Natur herrscht nun auch in der Seele.

101. Der Heilige Geist aber geht nicht in die Grimmigkeit, sondern herrscht im Quell der Seele, der im Licht Gottes ist, und kämpft gegen die Grimmigkeit in der Seele.

102. Darum kann die Seele in diesem Leben zu keiner vollkommenen Erkenntnis kommen, bis sich schließlich Licht und Finsternis scheiden (bzw. „entscheiden“) und die Grimmigkeit mit dem Leib in der Erde verzehrt wird. Dann sieht die Seele hell und vollkommen in Gott ihren Vater. Wenn aber die Seele vom Heiligen Geist angezündet wird, dann triumphiert sie bereits im Leib, wie ein großes Feuer aufgeht, so daß Herz und Nieren vor Freude erzittern. Es ist aber nicht gleich eine große und tiefe Erkenntnis in Gott ihrem Vater da, sondern die Liebe für Gott ihren Vater triumphiert im Feuer des Heiligen Geistes.

103. Die Erkenntnis Gottes aber wird im Feuer des Heiligen Geistes gesät und ist zuerst klein wie ein Senfkorn, wie es Christus vergleicht (Matth. 13.31). Danach wächst sie so groß wie ein Baum und breitet sich in Gott ihrem Schöpfer aus, wie ein Tröpflein Wasser im großen Meer nicht sehr wallen kann, aber wenn ein großer Strom hineingeht, der kann etwas mehr tun.

104. Nun ist aber das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige, wie auch die Weite, Tiefe und Höhe in Gott so nahe und weit wie ein einziges Ding, sozusagen eine einzige Begreiflichkeit. Und solches sieht auch die heilige Seele des Menschen, aber in dieser Welt nur stückweise. Und es entfällt ihr auch oft, so daß sie gar nichts mehr davon sieht, denn der Teufel setzt ihr durch den grimmigen Quell heftig zu, der in der Seele ist, und verdeckt oft das edle Senfkörnlein. Darum muß der Mensch immer im Kampf sein.

105. Auf eine solche Weise und in solcher Erkenntnis des Geistes will ich in diesem Buch von Gott unserem Vater schreiben, in dem Alles ist und der selber Alles ist. Ich will behandeln, wie alles unterschiedlich und kreatürlich geworden ist und wie sich alles treibt und bewegt im ganzen Baum des Lebens.

106. Hier wirst du den wahren Grund der Gottheit sehen und wie es vor den Zeiten der Welt ein einziges Wesen gewesen ist; auch wie und woraus die heiligen Engel erschaffen worden sind; auch vom schrecklichen Fall Luzifers samt seinen Legionen; auch woraus Himmel, Erde, Sterne und Elemente entstanden sind, sowie die Metalle, Steine und alle anderen Kreaturen der Erde; wie die Geburt des Lebens und die Leiblichkeit aller Dinge geschieht; auch was der wahre Himmel ist, in dem Gott und seine Heiligen wohnen; und was hier der Zorn Gottes und das höllische Feuer sei, und wie alles entzündlich geworden ist. In Summe: was oder wie hier das Wesen aller Wesen ist.

107. Die ersten sieben Kapitel handeln ganz schlicht und begreiflich vom Wesen Gottes und den Engeln mit Gleichnissen, damit der Leser von einer Stufe zur anderen endlich in den tiefen Sinn und wahren Grund kommen kann. Im achten Kapitel beginnt die Tiefe im göttlichen Wesen, und so fort, je weiter, je tiefer. Dabei wird manches Thema oft wiederholt und immer tiefgründiger beschrieben, wegen der zähen Begreiflichkeit des Lesers und auch meiner selbst.

108. Was du aber in diesem Buch nicht genug erklärt findest, das wirst du im zweiten und dritten hell und klar finden, denn wegen unserer Verdorbenheit ist unsere Erkenntnis ein Stückwerk und nicht auf einmal ganz vollkommen, obwohl dieses Buch ein Wunder der Welt ist, was die heilige Seele wohl verstehen wird.

109. Hiermit empfehle ich den Leser der sanften und heiligen Liebe Gottes. Amen.


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