Bedenken über das Büchlein von Esaia Stiefel

Bedenken über Esaia Stiefel's Büchlein „Von dreierlei Zustand des Menschen und dessen neuen Geburt.“

Geschrieben im Jahr 1621 (deutsche Überarbeitung 2022)

Der offene Brunnen im Herzen Jesu Christi sei unsere Quelle und stete Erquickung!

1. Ehrenfeste, hochachtbare Herren in der Liebe Jesu Christi und in der Einigkeit seiner Menschheit, hohe Freunde und Brüder! Es ist mir eine reine Freude und Erquickung meiner Seele, daß ich jetzt von vielen Orten vernehme, daß der vom fleischlichen Widerchrist verdeckte gar köstliche Baum Christi unseres Heils durch alle Pforten der Finsternis und des Zorns Gottes mitten im Gefängnis Babylons von der Wurzel an wieder zu grünen beginnt. Vielmehr erfreue ich mich in seinem ausgrünenden Gewächs seiner Holdseligkeit und Lieblichkeit sowie seiner Kraft und Tugend, weil ich mich auch als Zweiglein am selben Baum befinde, daß er so süß und freudenreich ist, und sehe dies mit großer Verwunderung, daß er gleichsam wie mitten in der Nacht mit schönen Zweiglein zu grünen beginnt: Ja, mitten im Winter wachsen Lilien und Blumen.

2. Ist das nicht gegen allen äußerlichen Verstand, daß ein altes, verwüstetes und zerbrochenes Haus, das nur noch den Sturmwind erwartet, um es auf einen Haufen zu werfen, wieder neu zu werden beginnt? Und es stellt seine erste Jugend dar, als wäre es nie alt geworden. Wir sehen dieses Baumes erste Gestalt, wie er in der Jugend war und wie sein Alter und seine Jugend nur eine einzige Gestalt, Kraft und Tugend ist: Ist das nicht ein großes Wunder?

3. Wir wurden in unserer ersten Mutter blind, die uns alle gebar, und werden nun in unserem Alter, da wir am Ende sind, im Schoß der Mutter wieder sehend. Wir wurden stumm und verloren unsere Muttersprache, und finden diese nun in unserem Alter wieder, so daß wir darin unsere Mutter erkennen und in ihrer Sprache mit ihr reden können. Sollen wir uns nicht zu Recht hoch verwundern, daß wir in unserer Mutter waren und erkannten sie nicht? Wir sind also eine lange Zeit blind in ihr gewesen und werden nun im Alter sehend.

4. Doch sollen wir wirklich von unserem Alter sprechen? Nein. Wir sind ein neuer Zweig, aus unserer ersten Mutter geboren. Wir waren ein verdorrter Ast am Baum, aber die Mutter hat ihren Saft und ihre Kraft in uns hineingeführt und einen jungen Zweig aus sich geboren, daran sie Freude haben und dadurch ihre Frucht gebären will. Ja, einen jungen Sohn hat sie aus dem alten geboren, und der soll nicht blind sein, auch nicht von ihr weggehen, sondern in ihrem Haus bleiben, denn er ist ihr einziger Erbe, an dem sie Freude hat.

5. Liebe Brüder, laßt uns doch freudig und im Herrn fröhlich sein, daß unsere Stadt Jerusalem und Zion wieder aufgebaut wird, in der unsere Mutter wohnt und auch unsere ewige Wohnung sein soll.

6. Weil ihr nun, liebe Herren und Brüder, wie ich vernehme, auch mit in der grünenden Essenz steht und ein sehendes Auge empfangen habt, so gelüstet es mich in meinen Gliedern in der Essenz meiner Mutter, mich mit euch herzlich in unserem neuen Leben zu erfreuen, und ich bitte, ihr wollt es nicht anders als in rechter Treue und Liebe verstehen, wie es ein Glied dem anderen schuldig ist.

7. Daß ich also mit euch reden werde, geschieht nicht dergestalt, als wollte ich über eure Gaben auffahren und mich über euch erhöhen, weil mir vom göttlichen Mysterium ein scharfer Verstand gegeben wurde, sondern wollt es so verstehen, daß ich nicht Euer Zerbrecher, sondern vielmehr ein Balken in unserem Bau am Haus unserer aller Mutter geworden bin, nicht durch menschlichen Verstand oder Kunst, sondern der hat es so zugerichtet, der die Macht dazu hat und tut, was er will.

8. So muß doch ein Haus nicht allein Sparren und Balken haben, sondern auch Steine zum Grund, und muß mancherlei Gefüge haben. Wenn nun der Herr einen zum Grund oder Eckstein legt und den anderen zum Bau gebraucht, so sollen wir uns untereinander erkennen lernen, jeden nach seiner Gabe, und uns nicht wegen der ungleichen Gaben verachten oder verwerfen, wie bisher eine lange Zeit in Babel geschehen ist. Sondern vielmehr die Nutzbarkeit des Gebäudes betrachten, und daß ein Gefüge nicht wie das andere sein muß, da es doch alles ineinander geschlossen wird und zusammen nur Ein Haus ist.

9. Mir ist gegeben worden, vom Grund her zu verstehen und zu reden, und einem anderen vom ganzen Gebäude Gottes, wie in einer Summe. So ist aber der Grund und das ganze Haus Gottes nur Eins, denn aus Einem Geist kommt es her, und so dient alles der wunderlichen Offenbarung Gottes.

10. Darum, wenn ich mit euch aus meinen Gaben reden und euch das Gebäude im Inneren zeigen werde, dann bitte ich, es ja nicht anders als nur herzlich und wohlmeinend zu verstehen. Ich tue es nicht aus Leichtfertigkeit und Vermessenheit, sondern in wahrer, mir von Gott gegebenen Erkenntnis, zum Nutzen und zur Besserung, damit unser Perlein gefunden werden könne und der Feind, der uns so lange gefangengehalten hat, in seinem Gift ersticke, so daß wir den wunderlichen Gott in seiner unergründlichen Weisheit erkennen lernen können und uns in ihm als seine Kinder, gleichsam wie die Äste am Baum, in seiner Essenz und Kraft erfreuen, welche Freude ein Grünen in der Essenz unseres Lebens ist. Darum wollt es nicht anders vermerken.

11. Ihr habt mir ein Büchlein mitgeschickt, um euch samt euren Freunden kennenzulernen, und begehrt, euch meine Erkenntnis darüber zu eröffnen, welches euch zwar durch meine Schriften, die ihr in den Händen habt, schon genugsam eröffnet und verstanden sein sollte, was ich euch darauf antworten würde. Weil es aber zu Gottes Ehre und menschlichem Heil zum Nutzen gereicht, will ich Euch eine kurze summarische Antwort darüber geben, und euch ferner auf meine Schriften verwiesen haben.

12. Vom Autor dieses Büchleins, der mir zwar nach meinem äußeren Menschen unbekannt, aber im Geist nicht fremd ist, sondern aus meiner Mutter Essenz und Kraft geboren, sehe, sage und erkenne ich aus seinen geschriebenen Worten, welches ohne Zweifel auch sein Geist und ganzer Wille ist, daß er sich freilich, wie er auch selbst durchaus beschreibt, wieder gänzlich in den Schoß der Mutter hineinergeben hat und nichts begehrt als nur der Mutter Leben und Geist.

13. Und daß wohl freilich nur der Mutter Geist in ihm, nämlich im alten, aber nun in einer neuen grünenden Essenz, die alte im grimmigen Quell gefangenhält, und er so mit der alten Essenz entsunken ist, daß er sich selbst nicht erkennen kann, indem er vermeint, er sei ganz und gar durch und durch neu und ohne Sünde und Makel. Das ist zwar wohl recht geredet, aber nur nach dem inneren neuen Menschen, der aus Christus geboren ist, und nicht nach dem sterblichen verweslichen Menschen, den der neue in sich gefangenhält, als durchdringend oder ganz überschattend.

14. Der alte Stock oder die Hülse, also der Leib, den uns Adam in seiner Imagination in die Irdischkeit aus irdischer und teuflischer Essenz als eine widerwärtige Qual einführte, der ist es nicht, der da grünt: Sondern das verblichene Bild Gottes (das dem Adam aus göttlicher Wesenheit gegeben wurde, nämlich vom zweiten Prinzip aus dem Reich des Himmels), welches mit der irdischen Einführung abstarb, oder wie ich es sagen möchte, wieder in die ewige Stille als in das Nichts geschlossen wurde, so daß es sein wahrhaft göttliches Leben verlor, das ist es, darin das ewige Wort Mensch wurde und mit seiner Eingehung und Eröffnung wieder lebendige Wesenheit einführte und aus dem Tod das ewige Leben gebar. Diese göttliche und dann auch im Tod verschlossene menschliche Wesenheit oder Fleisch wurde ein Mensch, dem die irdische Hülse nur anhing, und hielt den irdischen brennenden Tod in sich gefangen. Darum müssen wir den Unterschied betrachten, wenn wir von uns selber reden wollen.

15. Die Heilige Schrift spricht auch nicht von einem ganz neuen Fleisch, so daß das alte Fleisch ganz neu in göttlicher Essenz empfangen und in Gott geboren werde. Sonst müßte folgen, daß das böse, eingeführte tierische Fleisch mit tierischer Eigenschaft in der Kraft der Majestät erhöht worden wäre.

16. Und wenn man sagen wollte, die irdische Qual-Qualität werde in der neuen Geburt aus Christus ganz ertötet und sterbe ganz und gar im Tod Christi, wie der Autor schreibt, daß der alte Mensch ganz weg, tot und ein Nichts sei, und allein Christus in diesem äußeren sichtbaren Fleisch lebe, regiere und alles tue und verrichte, dann müßte auch der Mensch auf paradiesische Art essen, trinken und nur himmlische Qualität genießen, denn Christus ißt keine irdische Speise mehr, sondern göttliche. So leidet es auch der tierische Madensack (des vergänglichen Körpers) nicht, daß wir den ganzen Menschen aus allen drei Geburten göttlich nennen wollten, viel weniger das Reich dieser Welt der Sterne und Elemente, welches des äußeren Menschen Qualität, Leben und Regiment ist.

17. Das können wir nicht leugnen. Es sei ein Mensch so heilig wie er wolle, so ist doch der Geist der äußeren Welt seines äußeren Fleisches Geist, Leben und Führer. Und wir sehen klar, wie der äußere Mensch in einer Konstellation des Gestirns steht, und wenn ihn diese verläßt, dann fällt er dahin und verwest.

18. Weil es mir aber aus Gottes Gnade zu erkennen gegeben wurde, was der irdische und dann auch der himmlische Mensch in Einer Person ist, so will ich es mit wenigem entwerfen und anzeigen, wie es eine Gestalt mit dem Autor des mir zugeschickten Büchleins habe, und solches aus dem Grund, jedoch in kindlicher Einfalt, dem Autor und denen, die sein Buch lesen zum Verständnis und zur Richtschnur.

19. Bezüglich des Autors verstehe ich es so, daß er freilich ein Frommer und Neugeborener und in Christus mit seiner neuen Geburt und neuem Menschen auch heilig sein mag, wegen Christi Einwohnung. Denn die wesentliche Einwohnung ist durchaus der Heiligen Schrift gemäß, wie er solches auch hoch bewährt, und darin habe ich gegen ihn auch gar keine Einwände. Es ist der wahre Grund, daß uns Gott in sich aus seiner himmlischen Wesenheit durch seine Kraft im Wort und Christi Fleisch und Blut zu Kindern aus seiner Essenz geboren hat.

20. Ich verstehe auch Fleisch und Geist in Einem Wesen, und gar nicht Geist ohne Fleisch und Blut. Ich verstehe auch, daß solches im Samen des Weibes geschehen ist und noch immerfort geschieht, und sage mit Grund, daß Christus in und aus meiner eigenen menschlichen Essenz in mir selbst als eine neue Kreatur geboren werde, wie auch der Autor durchaus so redet.

21. Aber dem Autor mangelt der Begriff der drei Prinzipien ineinander, als der drei Welten ineinander. Er unterscheidet nicht eine von der anderen, sondern hat sie sich ganz zusammengerafft mit allem Verstand und den Sinnen, und sich ganz in die Menschwerdung Christi, in sein Leiden, Sterben, Tod und Auferstehen hineingeworfen und sich seines äußeren Lebens entzogen. Er begehrt nur in und aus Christus zu leben, und verwirft alles, was dem zuwider ist und lebt. Er begehrt nichts als was Christi ist. Christi Leben und Geist, auch Wille, sollen sein Geist, Leben und Wille sein. Also ist er gleichsam im Leben, Willen und Geist Christi wie darin versunken, so daß sein alter Mensch wie tot ist, obwohl er doch nach dem Reich und der Qualität dieser Welt in seinem eigenen Prinzip in sich ungestorben lebt. Denn er kann nicht sterben, bis ihn der Geist der äußeren Welt in seiner Konstellation verläßt, und er stirbt auch nicht ganz ab, sondern geht in das Mysterium des äußeren Prinzips mit seinen Wundern und Werken, bis ins Gericht Gottes, zur Wiederbringung all dessen, was wir in Adam verloren haben.

22. Dieser ganz christliche Eingang des Autors ist ganz recht und ohne Falsch. Ihm ist auch recht in Christus geschehen, sofern sich das Werk, wie ich auch gänzlich spüre, mit ihm so verhält, wie er von sich schreibt. Aber die Erkenntnis seiner selbst, was und wie er ist, wäre doch besser zu erklären gewesen. Er hat sich mitten in den Baum geworfen, wo er zwar sicher ist und gut steht, aber die Wurzel des Baumes ist ihm noch verborgen. Er steht darin als ein Zweiglein, aber in Mitten.

23. Wenn man dem menschlichen Gemüt genugtun will, so daß es sich in die ewige Ruhe begebe, dann muß man ihm die Wurzel des Baumes zeigen, woraus Geist und Fleisch ihren Ursprung haben. Man muß ihm das Zentrum der ewigen und dann auch der anfänglichen Natur zeigen und eröffnen, so daß es das irdische und auch das himmlische Mysterium ergreife. Dann sind der ewige Anfang und das ewige Ende ganz Eins, und dahinein legt sich der Geist der Seele in die Ruhe, denn er sieht das Rad im Ganzen.

24. Mit dieser Beschreibung ist die blöde, verdorbene, äußerliche Natur gar wenig zufrieden, denn ihr wird etwas zugemutet, das sie nicht tun kann. Der Autor sagt, sie soll ganz absterben, damit allein Christus im Fleisch lebe: Das will sie nicht, sondern hofft auf die Erneuerung, welche sie zwar anzieht wie ein Kleid, aber nicht essentiell in der Kraft. Sondern wie das Feuer den Stein durchglüht, so gehen oft die Strahlen des Heiligen Geistes aus dem zweiten Prinzip aus dem neuen Menschen durch den alten, und wie das Eisen in der Glut und ohne Glut ein wie das andere Mal ein Eisen ist, so ist auch der irdische Mensch.

25. Er muß wohl des inneren Menschen Knecht werden, wenn der neue mit seinem glühenden göttlichen Feuer durch ihn fährt. Er tut es auch gern, solange die Feuersglut durch ihn scheint, aber er vermag sich nicht in das innere Reich zu verwandeln. Denn das äußere Fleisch und Blut soll das Himmelreich nicht erben, sagt Christus. Es soll und muß verwesen, wie eine Hülse (bzw. Schale) von der Essenz des eingesäten Korns im Acker.

26. Ihr habt, geliebte Herren, den Grund dieses Geheimnisses in meinem Buch „Von der Menschwerdung Christi“ und im Buch „Vom dreifachen Leben“ sehr ausführlich, wie der Mensch in einem dreifachen Leben steht, nämlich nach der Seele in der Natur des ewigen Vaters und der Wurzel der finsteren Welt, nämlich im Zentrum des ewigen Ursprungs, als im Geist des ewigen Vaters.

27. Und zum zweiten (Prinzip), wie das rechte wahre Bildnis und Gleichnis Gottes aus der Seele, nämlich aus dem Sterben im magischen Geistfeuer der Seele, in einem anderen Prinzip oder einer anderen Welt ausgrüne und von der Natur und damit auch von Sterben, Qual und Leid frei werde, wie Gott selbst. Und daß das wahre Bildnis Gottes nicht im Regiment der äußerlichen Welt lebe, sich auch nicht äußerlicher Speise und Trank behelfe, sondern von göttlicher Wesenheit esse, als von Gottes Brot, von Christi Fleisch und Blut, so daß Christus in ihr und sie in Christus lebe. Und auch, daß dieses Essen in geistiger Begierde stehe und wahrhaftig wesentlich geschehe, und die Seele damit in ihrem Hungerfeuer gespeist werde, und daß ein großer Schluß zwischen der Seele und dem wahren Bildnis im Sterben des Feuers geschehe.

28. Wie wir das am Feuer und Licht sehen, und eine wirkliche Form und ein Gleichnis haben, darin man mit der Feuerglut die Seele im Gleichnis versteht, denn sie ist in sich, was sie rein ohne das edle Bildnis allein anbelangt, ein Feuerauge, das in der ewigen Natur des göttlichen Vaters besteht und vom Geist Gottes aus der Eigenschaft des Vaters in das äußere geschaffene Bild eingeführt wurde, das aus äußerlicher und innerlich-himmlischer göttlicher Wesenheit geschaffen wurde. So verstehen wir das edle Bildnis im Licht und in der Kraft des sanften Lichtes, das vom Sterben, als von der verzehrenden Qual des Feuers ausscheint. Darin wir dann sehen, wie das Licht im Feuer ohne Empfindung der Feuerqual wohnt, und wie das Feuer der Natur eine leidvolle Essenz sei, aber das Licht von dieser Feuersnatur frei ist, und doch ohne das Feuer ein Nichts wäre.

29. Zum Zweiten habe ich euch in den oben genannten Büchern gezeigt, wie das Feuer eine magische Begierde nach der Sanftmut hat, um sich abzukühlen und seinen dürren Hunger zu erfüllen, daraus es das Leben und den Schein empfängt, und dann auch, wie das Licht eine große Begierde nach dem Feuer hat, um sein Leben und seine Kraft durch das Feuer zu erwecken.

30. Zum Dritten, wie das Licht in ihrer Begierde eine Wesenheit mache, nämlich Sanftmut, welche im Sterben im Feuer entsteht und das Wasser des ewigen Lebens genannt wird, denn es ist ein Sinken durch den Tod und gibt Begreiflichkeit und Wesenheit. Und wie das Feuer diese Wesenheit wieder in sich ziehe und sich damit sättige, und aus diesem Einziehen wieder einen Geist aus sich gebäre, der immer wieder in die Wesenheit eingehe und nunmehr den Glanz von Feuer und Licht in die Wesenheit einführe. Welcher Glanz in der Wesenheit der Sanftmut (bzw. Güte) die Tinktur heißt, welche die Wesenheit in die höchste Zierde und Farbe hineinführt und die Essenz, als die Gestaltungen der finsteren Welt zum Feuerleben, so erneuert und hoch gradiert und in ein anderes verwandelt, daß aus der feindseligen leidvollen Qual des ersten Prinzips durch das Feuer in der edlen Tinktur das höchste Freudenreich wird. Und so wirkt auch das Böseste als eine Ursache für das Beste, in welchem Vorbild wir auch in der inneren Geburt die Geburt und das Wesen der Heiligen Dreifaltigkeit verstehen.

31. Und dann zum Vierten habe ich euch in den oben genannten Büchern berichtet, daß das ganze Wesen aller Wesen eine immerwährende Begierde sei, um sich in seiner Begierde zu offenbaren, und wie diese Begierde zur Offenbarung das Schöpfen wird, und wie die Kraft im Licht das Wort sei, und wie das Wort das Schöpfen in allen Gestaltungen der ewigen Natur bewegt habe, nach der Lichtwelt und auch der finsteren Welt, dadurch die Begierde entsprechend den Eigenschaften beider Welten in sich Wesen gemacht hat, davon in der Wesenheit Gutes und Böses entstand, entsprechend der „Eigenschaft“ jeder Welt. Auch aus welchem Wesen diese äußere sichtbare Welt mit den Sternen und Elementen erschaffen ist, als ein eigenes Leben, und doch nicht vom Ewigen abgetrennt. Und ferner habe ich zum Verständnis gegeben, wie sich das innere geistige Wesen in seiner Begierde mit dieser äußeren sichtbaren Welt wie mit einem Gleichnis offenbart habe.

32. Als dann Gott den Menschen als ein Bild nach seinem Wesen und ein Gleichnis nach Gott erschuf, da erschuf er ihn (entsprechend) aus der Mutter aller Wesen und allen drei Welten.

33. Denn Gott wollte sich durch den Menschen in einem Bild schauen, und er sollte ein Gleichnis nach Gott sein. Seinen Leib schuf er aus äußerlicher und auch innerlicher Wesenheit, als aus irdischer und himmlischer, und blies ihm durch seinen Geist einen lebendigen Odem ein, das heißt, sich selbst nach der göttlichen Welt und auch nach der äußeren Welt.

34. Denn der Geist Gottes ist der Geist von allem Leben, aber unterschieden in drei Prinzipien dreier Welten, nämlich nach der finsteren Welt, dem ersten Prinzip, nach welchem sich Gott einen zornig-eifrigen Gott und ein verzehrendes Feuer nennt, welches die ewige Natur ist, und zum Zweiten nach der Lichtwelt, als nach Gottes Liebe und Sanftmut, nach welcher er der Heilige Geist heißt, und zum Dritten nach der äußeren Welt, dem Luftgeist mit der Qualität der Sterne und Elemente. So hat der Mensch ein dreifaches Leben empfangen, den Geist aller drei Welten.

35. Nun ist uns ja begreiflich und gut genug erkenntlich, daß der Heilige Geist sein Regiment nicht im äußerlichen irdischen Fleisch geführt haben wird, sondern im innerlichen himmlischen. Denn mit seinem Eingehen in die Menschheit hat er auch die himmlische Wesenheit mit eingeführt.

36. Denn Gottes Geist wohnt seit Ewigkeit und in Ewigkeit nur im Himmel, das heißt, in seinem Wesen in der Kraft der Majestät. Als er sich aber in des Menschen Bild einblies, da war der Himmel im Menschen. Denn Gott wollte sich im Menschen als in einem Bild nach sich offenbaren und die großen Wunder seiner ewigen Weisheit durch den Menschen eröffnen.

37. Darum sollten wir den Menschen recht betrachten, was er sei, und kein irdisches Tier aus ihm machen, und auch aus seinem irdischen Teil keinen Engel, sondern er ist nach dem irdischen Reich als nach dem dritten Prinzip in die Wunder geschaffen, so daß er die Wunder in Bildungen offenbaren sollte, denn dazu hat er den inneren Geist aus dem ersten Prinzip. Aber er sollte damit nicht herrschen, und auch nicht mit dem äußeren, sondern sich dem Heiligen Geist im zweiten Prinzip ergeben und im äußeren Leben wie ein Kind im Schoß der Mutter sein.

38. Denn der Geist Gottes hatte das äußere Reich in sich gleichsam verschlungen, wie das Licht die finstere Nacht verschlingt, so daß man sie nicht mehr sieht. Aber durch seine Imagination in die Irdischkeit wurde die Irdischkeit und die finstere Welt in ihm offenbar, denn das Seelenfeuer imaginierte nach Irdischkeit und führte irdische Sucht in sich. So fing das Seelenfeuer in irdischer Qualität zu brennen an und wurde in der Irdischkeit offenbar, obwohl doch die irdische Gestalt nicht offenbar sein sollte.

39. Und also gelüstete nun auch die Seele von Gut und Böse zu essen, nämlich von böser, giftiger und grimmiger Eigenschaft aus der finsteren Welt Wesenheit, als von Lügen, Betrügen und Falschheit, in welcher Qualität sie in Gottes Zorn und der finsteren Welt lebte.

40. Denn die äußerliche Irdischkeit entsteht in der Schöpfung aus der Wesenheit der finsteren Welt, und nicht allein daraus, sondern auch aus der himmlischen. Und dieses verbot Gott dem Adam, er sollte nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen, sonst würde er dem Paradies als der göttlichen Wesenheit absterben.

41. Denn das himmlische reine Element mit göttlicher Essenz grünte durch alle Früchte, die dem Menschen erschaffen waren, und er sollte auf magische Art essen, denn in seinem Mund war die Scheidung (bzw. „Entscheidung“), so daß das Himmlische das Irdische verschlang, gleichwie der Tag die Nacht. Wie wir nun wissen, daß unser Leben, das wir jetzt führen, in eine Verwandlung gehen muß, wenn es Gottes Kind heißen will. Es muß Gott wieder anziehen, den es in Adam ausgezogen hat.

42. Denn wir erkennen, daß Adam (d.h. die Seele) mit seiner Imagination aus der göttlichen Kraft als aus dem zweiten Prinzip in das äußere als in das dritte eingegangen ist. Und so liegt nun die arme Seele in einer fremden Herberge gefangen, wo sie der Teufel plagt und stets seine Imagination in sie einführt. Es sei denn, daß sie sich wieder ganz in das zweite Prinzip hineinergibt, das sich in Christi Person in der Menschheit wieder eröffnete, und in diesem Leben wieder in Gott geboren wird. Sonst steht sie mit ihrer Wurzel nur in der finsteren Welt, als in Gottes Zorn, und mit ihrer Bildung in der Begierde dieser äußeren Welt, und darin wird sie nicht als Gottes Kind erkannt und angenommen.

43. Weil es aber nun so ist, daß Adam mit seiner Imagination in die Irdischkeit das innere Reich im Zorn erweckt hat, so daß es in ihm und allen seinen Kindern brennt und seinem himmlischen Fleisch irdische Sucht eingeführt hat, so verstehen wir, daß dadurch der Heilige Geist aus diesem Wesen gewichen ist, denn Gott verfluchte die Erde. Das heißt nichts anderes, als daß Er mit dem Paradies vom Menschen entwich. Das Leben des Paradieses erlosch, das in göttlicher Essenz in Adam war, und dazu sprach Gott zu Adam: »Welchen Tages du vom Baum oder Gewächs der Erkenntnis des Guten und Bösen ißt, wirst du sterben. (1.Mose 2.17)« Das ist nichts anderes, als am Himmelreich absterben und in der irdischen Qualität lebendig werden.

44. Denn so sagte auch die Schlange: »Du wirst nicht sterben, sondern deine Augen werden dir dadurch aufgetan, und du wirst sein wie Gott. (1.Mose 3.5)« Aber die Schlange betrog Eva. Es wurden ihr wohl die irdischen Augen aufgetan, aber die himmlischen wurden ihr zugetan.

45. Also verstehen wir auch, daß Adam mit seiner Imagination den Willen der Seele ganz in die äußere Welt hineingeführt und sein äußerliches Fleisch ganz irdisch und tierisch gemacht hat, darin sogleich die Sterne und Elemente geherrscht haben und er der himmlischen Wesenheit ganz abgestorben ist. Obwohl es kein Tod oder Sterben in der himmlischen Wesenheit ist, aber weil Gottes Geist daraus wich, wurde sie in die Stille als in das Nichts verschlossen, und damit verlor der Mensch das Gleichnis Gottes, das edle Bild.

46. Darum sprach Christus: »Ihr müßt aus dem Wasser und Heiligen Geist neugeboren werden, wollt ihr das Reich Gottes schauen. (Joh. 3.5)« Dieses Wasser ist die himmlische Wesenheit, die von der Sanftmut der Majestät Gottes geboren wird, darin die hochedle Tinktur himmlisch ist.

47. So versteht uns nun, daß Gottes Wort, das in Maria Mensch wurde, wieder dasselbe Wasser oder göttliche Wesen in unsere, im Tod verschlossene Wesenheit eingeführt hat. Das heißt, nicht in die Irdischkeit, sondern in den himmlischen Teil, der Adam mit dem Heiligen Geist, als er sich in das Bildnis einführte, mit eingeführt wurde. Denn des Weibes Samen sollte der Schlange den Kopf zertreten. Gottes Essenz nahm menschliche Essenz an sich und wurde Fleisch, und nicht allein des Fleisches Essenz, sondern auch der Seele Essenz. So kam das göttliche Leben wieder in das Fleisch, und so wurde das zweite Prinzip im Menschen wieder zum Leben in Gott geboren, und das äußere Reich hing gleichwohl daran.

48. Wenn wir nun alle von Adam hergekommen sind, dann sind wir auch alle zugleich aus seinem verdorbenen sündhaften Fleisch geboren, und sind alle in Gottes Zorn und mit der Seele in die finstere Welt beschlossen. Denn wir sind aus irdischem, bösartigem und verkehrtem Willen in Ungehorsam und nur Angst, Jammer, Gift, Bosheit, Neid und Zorn aus dem ewigen Tod in das irdische zerbrechliche Leben geboren. Wir sind aus dem Reich der Wahrheit in die Lügen und den Betrug geboren worden. Der Teufel hat seinen Willen in uns eingeführt, und darin leben wir, und essen immerfort von der verbotenen Frucht.

49. Es sei denn, daß wir mit unserem Willen umkehren und wieder in die neue Geburt eingehen, welche uns Christus in unserer Menschheit eröffnet hat. Dann werden wir im Wort, das sich in Maria in der wahren menschlichen Essenz eröffnete, wieder empfangen und des Heilandes schwanger, als des göttlichen Reiches.

50. Nicht in der irdischen Essenz wird Gott in uns offenbar, sondern im rechten Bildnis, das in Adam verblich. Aber das Äußere hängt natürlich am Inneren. Der innere Mensch offenbart das göttliche Mysterium, und der äußere Mensch offenbart das äußere Mysterium als den Spiegel der Wunder.

51. So beginnt nun der Streit in einem neugeborenen Menschen: Der neue will Herr sein, denn er besieht die göttliche Welt, und der alte steht gegen ihn und will auch Herr sein, denn er besieht die äußere Welt. Wenn aber der innere wächst und in Gottes Willen stark wird, das heißt, wenn sich die Seele ganz dahinein ergibt, dann wird der äußere gefangengehalten, denn der innere tötet immer den äußeren mit Gottes Liebe und Sanftmut, damit der äußere seine irdische, giftige und vom Teufel infizierte böse Sucht mit dem entsprechenden Willen nicht in das Seelenfeuer hineinführen kann.

52. Aber ganz getötet kann der äußere bis zu seiner Zerbrechung nicht werden. Denn wenn der äußere Mensch ganz getötet werden sollte, dann müßte das Reich dieser Welt von ihm abbrechen. So kann aber auch der äußere nicht ganz in die Erneuerung gesetzt werden, denn des Teufels Sucht steckt in ihm, sondern der äußere muß wieder in das Mysterium versetzt und am Jüngsten Tag durch das ewige Feuer geführt werden, darin dann die bösartige Sucht als die Verwirrung (Turba) im Feuer verschlungen wird und das Mysterium mit seinen Wundern wieder im edlen Bildnis erscheint.

53. Darum kann ich mit keinem Grund von meinem äußeren Fleisch und Blut sagen, daß es Christi Fleisch sei, und dazu noch ganz heilig und ohne Makel. Allein von dem inneren Menschen, der aus Gott geboren ist, kann ich es mit Wahrheit sagen, daß er in Gottes Essenz empfangen sei, nämlich im Wort des Lebens, das Adam im Paradies wieder verheißen wurde, welches sich im Ziel im hochgesegneten jungfräulichen Spiegel als in der göttlichen Jungfrauenschaft in unserer, im Tod verschlossenen Wesenheit eröffnete.

54. Denn in dieser Empfängnis ist das Himmelreich oder das Herz Gottes der Mann zum Samen, der gesät wird. Und des Weibes Samen, das heißt, der Samen der Seele und des im Tod verschlossenen edlen Bildnisses, ist die Matrix, die Gottes Samen in sich auf essentielle Weise annimmt, so daß Gott und Mensch Eine Person werden, nach der Gestalt der drei Welten, wie sie ineinander stehen, aber keine die andere ist. Denn keine besitzt die andere, sondern eine jede wohnt in sich selbst. Wenn also Gott in Christus in uns geboren wird, dann können wir noch lange nicht sagen, wenn wir vom ganzen Menschen reden, „ich bin Christus“, denn der äußere ist nicht Christus. Sondern so können wir mit Grund sagen: „Ich bin in Christus, und Christus ist in mir Mensch geworden.“

55. Aber sein menschliches Reich ist nicht von dieser Welt, und ich bin mit meinem neuen Menschen in Christus nicht von dieser Welt. Denn auch St. Paulus sagte: »Daß unser Wandel im Himmel ist, von wo wir den Heiland Jesu Christi erwarten. (Phil. 3.20)« Denn das äußere Mysterium am Menschen wird Jesus Christus erst am Jüngsten Tag anziehen, wenn zuvor die Verwirrung vom Mysterium genommen werden wird, darin der Sündenspiegel steht, der dem Grimm Gottes gehört. Und darum ist ein Gerichtstag bestimmt, an dem alles wiedergebracht werden soll, was wir in Adam verloren haben.

56. Wenn wir aber mit diesem äußeren, sichtbaren und begreiflichen Fleisch ganz vollkommen sein sollten, dann müßte der äußere Mensch das Paradies wieder angezogen haben, und so wäre der äußere Mensch unsterblich und unzerbrechlich und könnte durch Erde und Steine gehen, auch wären die vier Elemente in einem gleichsam verschlungen, wie wir am Jüngsten Tag werden sollen. Dann müßte auch der äußere Mensch nicht mehr vom verbotenen Baum essen, und so müßte auch die magische Schwängerung beginnen und wir müßten nicht mehr auf tierische Art geboren werden.

57. Hat der Autor, wie er erklärt, wirklich das Paradies angezogen, dann ist er verzückt. Ich kann solches von mir bis jetzt noch nicht sagen. Ich habe das Perlein mit Ernst gesucht, und habe auch ein Kleinod dadurch erlangt. Mir ist auch gegeben worden, den ersten Menschen im Paradies zu erkennen, wie er vor dem Fall und nach dem Fall gewesen ist, und habe auch die Eigenschaft des Paradieses gesehen, aber nicht im äußeren Menschen.

58. Ich sage auch, daß der innere Mensch das Reich Gottes angezogen hat und im Himmel in Gott lebt. Aber es ist noch ein großer Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen, auch zwischen uns und der Paradieswelt. Das Paradies grünt nicht mehr durch die Erde, denn der Herr hat die Erde verflucht, und der äußerliche Mensch wohnt auf der verfluchten Erde und ißt die verfluchte Frucht. So schluckt er den Fluch in sich, und darum ist hier in dieser Welt keine ganze Vollkommenheit.

59. Es kommt wohl mit dem Menschen so weit, wenn er in die neue Geburt eintritt, daß er den äußeren Menschen bändigen kann, so daß er tun muß, was er nicht gern will, denn der innere nimmt ihm die Gewalt und durchdringt ihn, wie das Gold im groben Stein. Aber gleichwie die Grobheit am Stein kein Gold wird, so wird auch der irdische Mensch kein Gott, sonst müßte folgen, daß auch die äußere Welt in die klare Gottheit verwandelt würde.

60. Der äußere Mensch ist die äußere Welt von den Sternen und Elementen, und der innere Mensch in Christus ist die innere göttliche Welt, und die Seele ist die Feuerwelt, denn sie hat das ewige Zentrum zur Natur in sich. Dieses Zentrum ist die finstere Welt, denn wenn sie Gottes Licht verliert, dann steht sie in sich selber im Abgrund in der finsteren Welt, als in Gottes Zorn.

61. Daß nun der Autor erklärt, er sei durch Christus im Tod so verwandelt, daß er nicht mehr sündigen könne und deshalb den äußeren Namen vom Wesen der äußeren Welt verläßt, das bedürfte noch einer sehr viel anderen und klareren Beschreibung und wird schwerlich angenommen werden, es komme denn zu einem helleren Verständnis. Denn auch die Allerheiligsten haben sich als Sünder bekannt, nicht daß sie Sünde begehren oder tun wollen, sondern sie beklagen es vor Gott, daß der äußere Mensch im Zorn Gottes lebendig geworden ist, so daß der Zorn in ihnen herrscht, wie auch der hohe Apostel Paulus sagt: »Wenn ich nun sündige, dann tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in meinem Fleisch wohnt. (Röm. 7.20)«

62. Wo nun Sünde im Fleisch wohnt, da ist noch keine Vollkommenheit. Darum sagt er weiter: »Ich armer Mensch, wer wird mich erlösen vom Leib dieses Todes?!« Und spricht: »Ich danke Gott durch Jesus Christus, unserem Herrn! So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. (Röm. 7.24)« Die Schrift sagt auch: »Vor dir ist kein Lebendiger gerecht.« Oder: »Es sind auch die Himmel nicht rein vor Gott.« Sollte denn dem äußeren fleischlichen Menschen, der in Gottes Zorn beschlossen liegt, auch noch ein Engelsname gegeben werden? Er ist doch nur bösartig und streitet immer gegen Gottes Gesetze. Er gehört der Erde, und sein Mysterium dem Gericht Gottes, und der wird erst die Scheune fegen.

63. Daß aber gesagt wird, wir sind der Sünde im Tod Christi abgestorben, ist wohl richtig, denn das ist einmal für uns alle geschehen. Aber wir müssen noch immerfort so der Sünde im Tod Christi absterben und den Menschen der Sünde immerzu töten, damit der neue leben kann. Wir können ihn aber nicht ganz töten, sondern nur gefangenführen, und ihm immerzu Wasser aus Gottes Sanftmut in sein Feuerbrennen gießen.

64. Denn die Seele ist ein Feuerauge, und ist das größte Leben. Sie will Wesen haben, darin ihr Feuer brenne. Weil sie aber im Fall Adams in diese Welt gewendet worden ist, so ist auch das Reich der Sterne und Elemente in sie zur Herberge eingezogen, und die führen oft eine seltsame Verwirrung ein. Wenn nun die Himmel vor Gott nicht rein sind, wie will dann dasjenige rein sein, das vom äußeren Himmel regiert wird, als das äußere Leben, das nur im Regiment des äußeren Himmels getrieben wird?

65. Das Unverwesliche als der neue Mensch kann das Verwesliche als das äußere Fleisch nicht anziehen, denn darin ist die Verwirrung (Turba). Dies wird erst zum Gericht Gottes geschehen, wenn die Verwirrungen vom äußeren Mysterium genommen werden.

66. Daß aber der Autor sagt, es sei nicht möglich, daß ein Wiedergeborener sündigen könne, daran erkennt man, daß er das Mysterium der Seele nicht genug versteht. War es doch in Adam möglich, als sein äußerer Mensch noch rein und unbefleckt war. Denn wenn man forschen will, woher die Sünde entsteht, dann muß man auf den Grund sehen.

67. Der neue Leib wirkt keine Sünde, aber die Seele imaginiert in die Bosheit und führt die Sünde in sich. Wie also das wahre Gleichnis nach Gott aus der Seele entsteht, so wird auch die himmlische Wesenheit durch das von der Seele eingenommene Gift infiziert.

68. Aber die Sünde berührt nicht das Herz Gottes, als das Zentrum des neuen Leibes, sondern die Wesenheit wird infiziert, gleichsam als schütte man Erde in reines Wasser. Das Fleisch des neuen Menschen und der Geist Gottes sind nicht Ein Ding. Der Geist Gottes bleibt in sich bestehen, auch wenn Adam verdirbt, wie das in Adam auch geschah.

69. Was der Lichtwelt entfällt, das fängt die Feuerwelt auf. Ist es grimmige Wesenheit, dann wird es im Feuer verschlungen und fällt in die finstere Welt in den ewigen Tod. Wenn der neue Leib infiziert wird, dann verliert er sein göttliches Leben. Der Gottheit geht damit nichts ab, als nur ihr Spiegel der Wunder. Denn der Leib ist nicht Gott, nur durch den Geist wird er durch die edle Tinktur mit dem Glanz des Heiligen Himmels so hoch gradiert, daß in ihm die Farben des göttlichen Freudenreichs erscheinen. Wenn er aber verfinstert wird, dann geht die Tinktur in einer anderen Eigenschaft auf. Alles je nachdem, worin das Seelenfeuer brennt, so erscheint auch eine Tinktur daraus. Und wie der Geist des Menschen in sich selbst ist, so bekommt er auch einen Himmel zur Wohnung.

70. Aus Gott heraus kann nichts fallen, denn er ist selbst Alles. Aber es wird nicht alles Gott genannt, wegen seines Zorns, darin er viel verschlingt. Verschlang er doch das ganze königliche Heer von Luzifer. Sie waren Engel, und wurden doch Teufel. Wie könnte es dann in einem Menschen, der doch im äußeren Fleisch den Sündenspiegel in sich trägt, nicht möglich sein?

71. Ja, wenn die Seele nicht in die falsche Lust einginge, so daß sie keine Sünde begehrte, dann wäre es nicht möglich. Doch die Seele ist frei, sie hat das hohe Feuer-Prinzip in sich, sowohl zur finsteren Welt als auch zur Lichtwelt. Und was sie sich erweckt, das hat sie. So kann sie in Gottes Liebe oder Zorn leben. Wo sie sich hinwendet, allda wird sie angenommen. So daß sie wie die Mutter der ewigen Natur in allen Dingen ist: Wo sich der ewige Wille hinwendet, nach diesem wird ihm auch sein Bildnis gebildet.

72. Darum soll der Mensch in dieser Welt niemals sicher oder verwegen sein, sondern sich stets vor Gott demütigen und seinen Willen in das Herz Gottes ergeben. All die Zeit, solange er diese äußere Hütte trägt, schwebt er in Gefahr. Wenn er aber mit seinem Willen in Gott bleibt, dann ist er in Gottes Hand. Niemand kann ein Schäflein aus Christi Händen reißen (Joh. 10.28), es sei denn, der Seelenwille reißt sich selber heraus. Welches geschieht, wenn sich die Seele sicher wähnt, denn dann sät ihr der Teufel seine giftige Imagination ein, so daß sie darin beginnt, nach der Falschheit zu imaginieren.

73. Ihr müßt verstehen, daß die Seele in der Eigenschaft des Vaters steht, und das schöne Bildnis, wenn es geboren wird, in der Eigenschaft des Sohnes. Die Seele hat das Zentrum der finsteren Welt, und das Bildnis hat das Zentrum der Lichtwelt als Gottes Herz. Geht sie aber von Gottes Liebe ab, dann führt sie ihr Bildnis in die Eigenschaft des Vaters, in die finstere Welt hinein.

74. Darum heißt es für uns, nur demütig vor unserem Gott zu sein und nicht unseren Namen erhöhen wollen, sondern den Namen Gottes in uns. Wir sind nicht der Baum mit der Wurzel, sondern Ästlein und Zweige am Baum. Wir empfangen wohl des Baumes Essenz und Kraft, gleichwie es der Baum dem Zweiglein gibt, aber ein Zweiglein spricht nicht „Ich bin der Baum!“, sondern erfreut sich im Baum wie in seiner Mutter.

75. Wenn wir Christus anziehen, dann heißen wir zu Recht Christen, denn der neue Mensch lebt in Christus. Aber wir sollen nicht sagen „ich bin Christus“ in diesem meinem heiligen Fleisch und Gebein und in diesem meinem sichtbaren Wandel auf Erden. Denn auch Christus sprach: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. (Joh. 18.36)« So ist Christi Reich in uns noch viel weniger von dieser Welt. Denn er sprach: »Ich bin von Gott ausgegangen und gekommen in die Welt. Wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater, und ich will euch zu mir nehmen, daß ihr seid, wo ich bin. (Joh. 16.28)«

76. So versteht, wenn der edle Samen gesät wird, daß das Lilienzweiglein in Christi Menschheit geboren ist, und dann nimmt er es zu sich, wo er ist. Dieses edle Zweiglein ist nicht von dieser Welt, sondern es kommt von Gott, und sein Gewächs wächst in Gottes Reich, nicht in dieser Welt, nicht in Adams Mannheit, auch nicht in der Frau Eva, sondern in der Jungfrau, weder Mann noch Frau, sondern eine züchtige Jungfrau, die Gott und dem Lamm folgt.

77. Denn das ist der Engel, davon Christus spricht: »In der Auferstehung sind sie den Engeln Gottes gleich. (Matth. 22.30)« Wenn dieser aus Christus geboren ist, dann erwartet er für sich selbst keine Auferstehung, denn er ist unsterblich, wenn ihn nicht die Seele in der Zeit dieser Welt vergiftet. Sondern er erwartet sie vom äußeren Mysterium, als vom dritten Prinzip, darin er alle seine Wunder und Werke eingesät hat. Denn dieses verschlingt hier das äußere Leben mit seinen Taten, und das soll aus dem Mysterium wiederkommen.

78. Denn der erste Adam vor seiner Eva, als er weder Mann noch Frau war, soll bestehen. Er soll alle drei Prinzipien in sich haben wie Gott selbst. Aber nicht so vermischt wie jetzt, da eines in das andere hineingeführt ist.

79. Die äußere Welt ist aus der inneren, in der inneren Begierde gefaßt und geboren und im Schöpfen in eine Form geschaffen worden, nicht ganz zu einem vergänglichen Wesen, denn sie sollte im Feuer erneuert werden und wieder zu Gottes Wundertat dastehen. Nicht vier Elemente, sondern eins, darin die vier verborgen liegen. Denn nicht die äußere Welt soll herrschen, sondern die innere göttliche Welt durch Alles.

80. So wenig, wie die äußere sichtbare Welt „Gott“ genannt werden kann, so wenig gebührt auch dem äußeren Leben in Fleisch und Knochen der Name Gottes. Denn Gott gab dem Adam einen Namen und nannte ihn „Mensch“, und so hieß er „Adam Mensch“. Dies versteht die höchste Zunge sehr wohl in der Natursprache, daß der Name „Adam“ vom zweiten Prinzip als von Gottes Reich aus göttlicher Essenz entsteht, und der Name „Mensch“ vom Stoff (Limo), aus dem der äußere Leib geschaffen ist.

81. Denn ein jedes Ding bekommt seinen rechten (wirklichen) Namen aus seiner Essenz nach seinem Geist. Gleichwie uns der hochteure Name „Jesus Christus“ zweierlei Verstand gibt: Im Namen „Jesus“ wird in der höchsten Zunge die Bewegung des göttlichen Zentrums verstanden, als eine ausgehende Lust, die Niedrigkeit in der Demut, im ausgehenden Freudenreich und in der Majestät ausführend.

82. Und im Namen „Christus“ wird eine Eingehung der Liebe in den Zorn verstanden, eine Zerbrechung oder Tötung der Grimmigkeit und eine ganzheitliche Verwandlung mit Ausführung des Freudenreichs, darin wir dann verstehen, daß Gott seinem Grimm als dem ersten Prinzip mit dem zweiten als mit seiner Liebe selbst widerstanden habe und selbst den grimmigen Tod zerbrach, welches allein der Seelengeist erkennt, wenn er das himmlische Mysterium erreicht.

83. Darum sollen wir eben zusehen und den hochteuren Namen Gottes nicht mißbrauchen, und nur den einen Christen nennen, der ein Christ ist, nämlich den inneren Menschen aus Christus. Der äußerliche sündhafte behält zu Recht den Namen aus seiner Mutter, in welcher er lebt, weil Gott Adam sowohl einen äußerlichen Namen nach dem äußeren Menschen als auch dem inneren einen Namen nach dem inneren Menschen gegeben hat. Wie wollen wir dann höher fahren als wir im Grunde sind?

84. Wenn nun der Autor von sich selber sagt „Ich, das lebendige Wort Gottes in diesem meinem heiligen Fleisch und Gebein, sage dies oder tue dies“, dann wird der teure Name Gottes mißbraucht. Denn wenn der Geist des Menschen zum Propheten und Mund Gottes auserkoren ist, dann spricht er nur „So spricht der Herr!“, wie auch alle Propheten so gesprochen haben. Denn er tut es nicht aus sich selber, aus seinem Fleisch und Gebein, sondern der Herr offenbart seinen Willen durch ihn, und er ist nur ein Werkzeug dazu.

85. Er ist nicht in Fleisch und Knochen der Herr, sondern im Leben Christi ein fruchtbares und demütiges Zweiglein, das selber nichts will noch tut, und auch nichts begehrt als die Essenz seiner Mutter, und die Mutter mag ihm tun, was sie will. Die Mutter will nur demütige Kinder haben, die an ihrer Brust liegen, von ihrer Kraft trinken und in ihrem Willen leben, so daß sie sich in ihnen erfreue. Denn ihre Frucht wächst auf ihren Zweiglein, welches der Zunge Lob in Gottes Wundertat ist.

86. Es soll nicht den Verstand haben, als wollte ich einen christlichen Geist verachten, sondern ich lehre im Geist Christi in ihm, dieweil ich von der Wurzel reden soll und dies mein gegebenes Amt ist, damit wir uns in Christus in Einem Baum in der Erkenntnis erbauen, und bitte es recht zu verstehen. Denn mit einer Engelszunge mit des Heiligen Geistes Mund zu reden, ist etwas sehr Großes, und darin reite keiner unbewaffnet: Wenn ihm der Geist Gottes nicht Zunge, Herz und Geist bewaffnet und Gewißheit gibt, dann sage er ja nicht: „Der Herr spricht!“

87. Denn wenn das Feuer des Heiligen Geistes oft aus dem inneren, als aus Gottes Wesen, durch den äußeren scheint, dann wird das äußere Mysterium entzündet und hoch-freudenreich und beginnt, in der Erkenntnis des Lichtes mit Zungen aus dem Mysterium zu sprechen. Aber der Wille-Geist soll sich wohl beschauen, damit sich der äußere Geist nicht zu hoch führe und aus sich selber mit Zungen im Namen des Herrn rede. Denn der äußere Geist triumphiert, wenn er einen Anblick bekommt, als wäre er im inneren, und fährt dann oft so freudenreich auf, aber gern mischt sich der äußere Verstandes-Geist vom Gestirn mit ein.

88. Darum ist es etwas sehr Subtiles, mit dem äußeren Mund aus göttlichen Zungen zu reden. Der Heilige Geist muß auf den Fittichen des Windes fahren und den Verstand richten, damit es das Gemüt erfährt, denn im Gemüt muß Gewißheit sein.

89. Der Prophet, der da spricht, ist nicht die Gewißheit, denn er spricht aus zwei Zungen, nämlich aus der Verwirrung der menschlichen Bosheit und straft dieselbe, und spricht auch aus der Liebe aus Christi Menschheit und weist den rechten Weg.

90. Nun aber steht die Gewißheit im Gemüt, das mit dem Heiligen Geist angezündet und erfüllt sein muß. Dann spricht der Mund des Herrn durch den äußeren Mund, nicht als sein eigenes Wort, sondern als Gottes Wort. Das edle Bild allein steht im Inneren wie zitternd vor dem Angesicht und der großen Macht des Herrn.

91. Es macht wohl keine Worte im Namen des Herrn, wenn sie der Geist Gottes nicht formt, und so soll es handeln wie ein Kind im Gehorsam. Und wenn der Herr auch Feuer vom Himmel fallenließe, wie bei Elia, so kann es sich nicht enthalten, denn es soll und muß das Werk des Herrn mit Eifer verrichten.

92. Darum sage ich in guter Treue aus meinen Gaben, daß sich ein Mensch wohl in acht nehmen soll, wenn er mit dem Mund des Herrn reden soll oder will. Denn wenn einer sagen will „Ich, das lebendige Wort Gottes, rede und tu dies!“, dann muß der Wille des Herrn darin sein, und der Geist Gottes muß Zunge, Herz und Gemüt waffnen und selbst mit darauf fahren, sonst ist es nicht das Wort des Herrn, sondern des äußeren Menschen.

93. Was der Autor ferner von der ganz-fleischlichen Christenheit redet, welche nicht mehr als nur den Namen im Mund führt, darin Herz und Gemüt nur als Spötter des Namens Christi vor Gott erkannt werden, verhält sich freilich so, und er hat in seiner Erkenntnis wohl recht davon geschrieben.

94. Sie (die Christenheit) hat jetzt den Mantel Christi mit seinem Leiden, Tod und Sterben sowie mit der Genugtuung entlehnt und geborgt und hat das antichristliche Hurenkind darunter verborgen, und deckt dem überheblichen stolzen Menschen der Falschheit den Purpurmantel Christi um und reitet damit in Babel auf dem greulichen und schändlichen Tier, wie in der Offenbarung des Johannes.

95. Sie kitzelt sich mit Christi Leiden und Genugtuung, aber will nicht in Christi Leiden, Sterben, Tod und Auferstehen eingehen und aus Christi Geist geboren werden, denn es soll nur das Hurenkind getröstet sein.

96. Oh, wie wird manchem der Mantel Christi, mit dem er den Menschen der Falschheit verdeckt, zum höllischen Feuer geraten! Es heißt wahrlich nicht nur zu trösten, sondern »ihr müßt von neuem aus dem Wasser und Heiligen Geist geboren werden, sonst sollt ihr das Reich Gottes nicht schauen«, sagt der Mund Christus.

97. Der Wille muß aus dem Trug und der Falschheit umgewandt sein in die Gerechtigkeit und Wahrheit, wenn er im Grund der Wahrheit ein Christ heißen will, und soll nicht nur im Mund, sondern in der Tat ein Christ sein.

98. Wer aber nur Christus im Mund führt und nicht aus Christi Willen und Geist geboren ist, der ist der Antichrist und rühmt sich zu Unrecht einen Christen. Wenn er nicht gegen den Willen des Fleisches kämpft und diesen immerfort tötet, dann ist das Leben Christi nicht in ihm, sondern der Wille der äußeren Welt und des Teufels im Zorn Gottes ist in ihm. Denn Christus sprach: »Wer nicht zur Tür in den Schafstall eingeht, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und Mörder, und nur gekommen, daß er raube und stehle. Und die Schafe folgen ihm nicht, denn sie kennen seine Stimme nicht. Er ist nur ein Mietling, dem die Schafe nicht eigen sind. (Joh. 10, 1)« Er sucht nur die Wolle.

99. Will einer Christi Schafhirte sein, dann darf er kein Fremdling sein, sondern muß aus Christus geboren sein. Er muß in Christus sein, damit er Christi Stimme in sich habe, sonst kann er Christi Schafe nicht auf grüner Aue weiden. Was ist ein Wolf im Schafstall nütze, der nur den Raub meint? Er verwüstet nur den Schafstall. Warum drängt sich denn ein Fremdling zum Hirten ein, der nicht vom Erzhirten Christus berufen ist? Was lehrt er denn lange den Geist dieser Welt im Menschen, der bereits in ihm ist?

100. Will er das innere, im Tod verschlossene Glöcklein läuten, dann muß er eben denselben Klöppel haben, der den Tod zerbricht, damit das tote Glöcklein erklinge. Denn der göttliche Klang wurde in Adam im Tod verschlossen. Will ihn nun einer erwecken, dann muß er denselben Klang lebendig in sich haben. Er muß aus Christi Geist und Stimme reden, oder sein Lehren ist nur ein Spiegelfechten vor einem toten Ding, und er ist nur ein Bauchdiener aus Gewohnheit und dem Tempel Christi nichts nütze. Denn er ist selbst nicht darin: Wie will er dann andere hineinführen?

101. Der Heilige Geist mischt sich nicht in die Stimme des Gottlosen, und das Wort des Gottlosen ist nicht Gottes Wort. Darum ist es nur Betrug und aus Kunst predigen. Die Kunst ist aus dem Gestirn geboren und weckt keinen auf, der im Tod verschlossen liegt. Es muß ein rechter Hammer sein, der das tote Glöcklein läuten will.

102. So ist es hoch zu beklagen, daß die Menschen mit den Maulaffen so prangen und sie wie Götter ehren. Sie wollen gute Christen sein, doch nennen sich nach einem Wolf und streiten und zanken noch um ihn. Sie verwüsten sogar ihr Land und ihre Leute und verderben sich Leib und Seele um eines Wolfes willen.

103. Oh du werte Christenheit in Blindheit, sei doch sehend! Wie bist du geblendet! Du läßt dir Schellen in deinen Ohren klingen, nur daß du in Adams Schlaf in der Sündenwelt beim Teufel sein kannst und sicher im bösartigen Fleisch schlafen. Aber es wird dich ein harter Donner aufwecken, denn du bist allzu fest eingeschlafen, und es will doch kein Aufwachen sein. Gott rufe, wie er wolle, so schläft Adam der alte Mensch in seiner Wollust.

104. Wie auch der Autor erklärt, daß diese fleischliche Babel fallen werde und ein Quell in Zion aus dem wahren Jerusalem aufgehen wird. Dem ist so, und die Zeit ist schon geboren, daß zerbreche, was von selber ohne göttliche Ordnung gewachsen ist. Denn es hat sein Alter und das Ziel erreicht. Der Anfang hat das Ende gefunden, und das Mittel soll offenbar werden. Dagegen hilft kein Streiten oder Abwehren. Wenn aber das Kind der Sünde und des Verderbens so dagegen wütet, dann muß es sich in seinem Wüten selber zerbrechen.

105. Wollte es aber in den Anfang eintreten, dann bliebe es bestehen, und es erschiene nur sein Wunder. Weil es aber in Stolz, Geiz, Neid und allerlei Bosheit und Schalkheit gewachsen ist: Wozu nützt dann das böse Tier? Es taugt nicht zum Opfer Gottes, und so will es sich auch nicht bekehren, so daß es ein menschliches Herz bekäme.

106. Darum läßt Gott verkündigen, daß seine Kinder aus diesem Tier herausgehen sollen. Denn der Herr wird die Erde erschrecken und Babel umstürzen, und aus Zion wird ein Fluß fließen, mit dem die durstige Seele erquickt werde, denn der Arme soll erquickt werden und auf seiner Weide essen.

107. Der Treiber wird zerbrechen, und so wirst du dich doch eine kleine Weile freuen. Denn du bist von Jugend an arg und suchst nur das Ziel im Wunder. Wie dein Anfang war, so ist auch dein Ende: Wer blind ist, wird das nicht sehen, sondern schlafen, bis der Tag anbricht.

108. Christus sprach: »Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinst du, daß er auf Erden Glauben finden werde? (Luk. 18.8)« Darum ist die Zeit des Endes eine böse Grundsuppe und wird nicht allein Zion sein, sondern nur in den geheiligten Kindern Christi. Denn der Anfang und das Ende sind einander stracks gleich.

109. Die Wunder mit der hohen Zunge waren im Anfang offenbar, und so wurde die Signatur hoch erkannt, und das kommt am Ende wieder. Aber wir verstehen dabei auch eine gute und böse Zeit, darin die Tore aller Prinzipien offenstehen sollen, wie wir dies im Anfang auch bei Kain und Abel sehen. Darum sehe ein jeder zu, was er rede, lehre und schreibe, denn durch die höchste Zunge wird alles geprüft werden.

110. Wenn wir aber vom Tempel Christi reden und vom Fluß aus Zion, dann meinen wir keinen Ort in einem Land, denn der Tempel Christi ist überall. Wir verstehen es unter allen Zungen und Sprachen, auch wenn an einem Ort die Zungen höher als am anderen geführt werden, alles nach den Eigenschaften der Völker, je nachdem der Geist im Menschen ist.

111. Denn der Tempel Christi ist in uns, und wir müssen Christus in uns lehren hören. Lehrt Christus nicht in uns, dann ist das äußere Mundgeschrei vergebens in die Luft geredet.

112. Darum denke niemand, es werde so zugehen, daß Menschen kommen werden, die den Heiligen Geist mit Gewalt in die Menschen lehren oder hineinzwingen. Nein, es heißt: »Heute, wenn ihr des Herrn Stimme hört, dann verstockt eure Ohren und Herzen nicht! (Hebr. 3.7)« Wartet nicht auf eine andere Zeit, denn das ist die Zeit eurer Heimsuchung.

113. Richtet eure Ohren und Herzen in den Tempel Christi in euch. Werft euren Greuel und falschen Willen von euch ab und führt euren Willen ernsthaft durch Christus in den Vater, und nehmt euch vor, nicht mehr in die Bosheit als in Stolz, Geiz, Neid, Zorn und Falschheit einzugehen! Laßt ab vom Hohen dieser Welt und demütigt euch in die Hand des Herrn und in die Liebe für die Bedürftigen.

114. Achtet euch gleich der schlichten Einfalt in Christus! Und eure Kunst achtet für nichts, denn sie führt von Christus nur ab! Begehrt nicht immer mehr zu wissen, als nur das, was der Heilige Geist in Christus in euch wissen will, damit dieser allein euer Wissen und Wollen sei.

115. Denn der Quell in Zion wird durch kein Forschen aus dem Verstand gefunden: Nicht von außen wird Zion zum Ersten geboren, sondern von innen. Wir müssen uns selbst in uns suchen und finden. Niemand sollte einer anderen Stätte nachlaufen, von der er meint, daß der Geist kräftiger sein werde, sondern in ihm selbst ist die Pforte der heiligen Gottheit.

116. Er muß nur in sich selbst eingehen und den Heiligen Geist in sich suchen und anrufen. Denn in ihm selbst ist die Stätte, wo Gott in seinem Himmel wohnt und den Willen der Seele mit ihrer Begierde einnimmt.

117. Wohin will sich die Seele lange schwingen? Ist sie doch selbst der Quell der Ewigkeit. In ihr besteht das Prinzip zur Lichtwelt und zur finsteren Welt, denn sie ist alle drei Welten.

118. Es geht nur darum: Wie sie sich in Adam mit der Imagination in die irdische Welt (welche in der finsteren Welt essentiell besteht) hineingeführt hat, wo ihr dann die Allmacht und Vermögenheit gebrochen und in den Tod verschlossen wurde, so daß sie sich nun im Geist Christi, der diesen Tod in ihr zersprengt hat, wieder in das Licht und die Allmacht hineinwinde, so muß sie wieder in das Haus Gottes in sich gehen.

119. Darum heißt es Neugeborenwerden, einen neuen Sohn aus dem alten aus sich selbst gebären, nicht eine neue Seele, sondern ein neues Bildnis aus der Seele in der Kraft des Heiligen Geistes, einen Zweig aus seiner eigenen Essenz in Christi Geist ausgrünend und im Licht der Gottheit instehend, nicht anscheinend, sondern aus sich selbst leuchtend.

120. Dieses neue Bildnis ist der feurigen Seele Speise und Feuerholz zu ihrem Brennen. Die Seele ißt die Liebe-Essenz des Bildnisses und ergibt aus der Verzehrung als aus dem grimmigen Sterben das hohe Licht, und im Licht durch das Feuer aus der Begierde der Liebe und aus der Begierde des Feuers die hohe edle Tinktur des heiligen Lebens mit der Kraft der Farben und Tugend.

121. In welcher Kraft das Zentrum des Freudenreichs der Lichtwelt steht, als das Herz der Gottheit, aus welchem der Heilige Geist ausgeht. Denn des Feuers Zentrum der Seele und dann des Lichtes Zentrum im Bildnis der Seele sind es, aus welchen der Geist Gottes geboren wird.

122. Der Geist Gottes fährt nicht von außen in die Seele, sondern eröffnet sich durch das Seelenfeuer und durch das Lichtfeuer des Bildnisses in sich selbst, denn er ist des heiligen Menschen Eigentum.

123. Wenn der Mensch in ernste Buße eingeht und sich einen ernsten Willen faßt, in die Barmherzigkeit Gottes in sich selbst einzugehen und allen falschen Willen von sich wirft, dann wird das Korn gesät, daraus die edle Blume in der Heiligen Dreifaltigkeit wächst, das heißt, der Seelenwille wird damit aus der finsteren Welt in die Lichtwelt hineingewandt.

124. Und wenn dann die Seele in die Lichtwelt in das Zentrum der Gottheit imaginiert, wie sie zuvor in diese Welt imaginiert hat, dann wird sie in sich selbst in ihrer Imagination oder Begierde des Heilandes schwanger, und aus dieser Schwängerung wird Gott immer und in alle Ewigkeit geboren.

125. So wird der wahre neue Mensch Gottes Speise, und Gott wird des Menschen Speise, und so sind wir in Gott und Gott ist in uns, und wir wirken mit und in Gott, und sind seine wahren Kinder in ihm.

126. Und dieses hätten wir nicht vermocht, nachdem Adam sein Seelenfeuer in die Grimmigkeit und sein edles Bild aus der Seele in den Tod hineingeführt hatte, wenn nicht Gottes Herz wieder in das im Tod verschlossene Bildnis der Seele eingegangen wäre und sich selbst in den Grimm des Seelenfeuers hineingegeben hätte, und damit wieder göttliche Wesenheit in das Bildnis, das heißt, in die Essenz Marias zum Bildnis, eingeführt hätte.

127. Erkennt! Die heilige Tinktur ging mit der göttlichen Wesenheit in Gottes Geist in der Wesenheit mit auf, und das heilige Blut, welches die Tinktur in menschlicher Eigenschaft zu Blut macht, ging mit in die Verwirrung der Seele ein, als das äußere Leben am Kreuz zerbrach. Damit wurde mit Gottes Liebe und Sanftmut die Grimmigkeit des Todes zerbrochen und in ein Freudenleben verwandelt, und so wurde der Tod zur Schau getragen, denn in der strengen grimmigen Essenz der Seele wurde wieder göttliche Liebe geboren. Und das ist unsere neue Wiedergeburt in Christus, dahinein die Begierde unserer Seele eingehen muß, wenn sie Gott schauen und in Christus aus Gott geboren werden will.

128. Christus ist der neue Stamm, und wir grünen als Äste in ihm aus. Wir müssen in Gott geboren werden und müssen wiederum auch selbst in uns Gott gebären, wollen wir Äste am Baum sein. Denn auf den Ästen, welche wir sind, wächst die heilige Frucht, die Gottes Geist in uns ißt, nämlich das Lob Gottes.

129. Liebe Brüder, scherzt nicht darüber oder haltet es nicht für Phantasie: Es ist in der Heiligen Dreifaltigkeit (Ternario Sancto) im reinen Fluß aus Zion erkannt worden. Es warte niemand auf eine goldene Zeit, da der Heilige Geist aus dem äußeren Mund dem Verstockten, der nur in Fleischeslust leben will, in seinen tierischen Willen hineinschreien wird! Nein, das geschieht nicht!

130. Wer den Heiligen Geist aus dem Mund eines anderen lehren hören will, der muß zuvor seinen Willen in den Heiligen Geist hineinführen, und dann predigt ihm der Heilige Geist aus dem Mund des anderen in ihm.

131. Die Zeit ist schon da, daß Henoch lehrt und Noah die Sündflut ankündigt. Es ist weiter kein anderes Merkzeichen, als das Zeichen Elias: Was gafft die Welt noch lange und läßt sich vergebens die Ohren (mit Verstandeswissen) vom Gestirn füllen? Es ist alles umsonst!

132. Wer da mit Zion eingehen und Gott in Jerusalem loben will, der hat jetzt die angenehme Zeit. Der Schall der siebenten Posaune ist schon erschollen, und das Brünnlein Israels ist offen. Es denke nur niemand, der Posaunenschall wird von diesem oder jenem Ort kommen. Denn wie der Blitz aufgeht und bis zum Niedergang scheint, so ist vom Anfang bis zum Ende die Zukunft des Menschensohns.

133. Es warte nur niemand auf den äußeren Propheten, denn er erscheint innerlich im Geist. Der äußere Mensch wird ihn nicht erkennen, denn er steht in der Kronenzahl und predigt im Mysterium, und dort ist er schon erkannt und gefunden worden. Wer diesen zu sehen begehrt, der suche ihn in sich, und lasse das Babel fahren, dann wird er ihn finden.

134. Der wahre Weg ins ewige Leben ist im Menschen selbst, denn er hat den Willen der Seele in die äußere Welt hineingeführt, und den muß er wieder in sich hinein, in die innerliche Welt führen, denn das Paradies muß im Menschen grünen.

135. Aber er hat einen gefährlichen und sauren Weg zu gehen. Denn der umgewandte Wille muß wieder in sich eingehen und durch das Reich der Sterne und Elemente durchbrechen. Oh, wie sehr wird er darin gehalten! Es muß ein großer Ernst sein, und keine Heuchelei, um mit dem Willen im Sternenreich zu bleiben.

136. Der Wille muß die äußere Welt verlassen, und kann es doch auch nicht ganz, denn er muß den äußeren Leib ernähren. Oh, wie schwer geht das am Anfang zu, wenn das verlassen werden soll, was dem äußeren Menschen so lieb ist, darin seine Freude und Herrlichkeit steht! Wie hält doch der äußere Mensch dem Seelengeist entgegen!

137. Gar mancher Krieg und Sturm muß hier gehalten werden! Wie geschäftig ist der Teufel, und hält der armen Seele die Schönheit und Herrlichkeit dieser Welt vor, all den Reichtum und die Wollust des Fleisches!

138. Es fällt nicht so schnell von ihm ab. Der äußere Wille muß mit einem harten Kampf zerbrochen werden, und er stirbt doch nicht, sondern wird in das Gefängnis des eingewandten Willens geschlossen und muß Knecht werden, bis zur Zerbrechung des äußeren Lebens.

139. Darum sage ich mit Grund, daß alles, was aus dem Geist der äußeren Welt von Gott gelehrt und im äußeren Geist gehört wird, nicht Gottes Wort ist, sondern Babel, nur eine Verwirrung, ein Jammern, Heulen und Schreien, und niemand hört es, als nur der Geist der äußeren Welt. Es ist nur eine antichristliche Gleißnerei und Scheinheuchelei.

140. Ein Schalk geht in die äußere Kirche, ein Schalk bleibt darin sitzen, und ein Schalk geht wieder heraus und ist ein Heuchler, der vor Gott gute Worte gibt und sich äußerlich mit Christi Genugtuung tröstet oder kitzelt, aber in sich der alte Mensch bleibt.

141. Er meint, Gott vergebe die Sünde, wie einem Mörder aus Gunst das Leben geschenkt wird, obwohl doch das Gewissen den Mörder immerzu anklagt, daß er der Tat und Strafe schuldig sei. Oh nein, so geht es nicht! Christus sprach: »Es sei denn, daß ihr umkehrt und wie die Kinder werdet, sonst sollt ihr das Himmelreich nicht schauen. (Matth. 18.3)« Es hilft vor Gott kein Wortvergeben, sondern es heißt, wie Christus zu denen sprach, die sich zu ihm wandten: »Dein Glaube hat dir geholfen.«

142. Denn Christi Geist ging in den Glauben des Patienten ein, und der Glaube des Kranken in Christi Geist. So war die Kur da, und sonst wäre keine Heilung geschehen.

143. Das sieht man auch am Pfingsttag, als die Menschen St. Petrus zuhörten. In jenen, deren Wille in sich selbst gerichtet stand und das Reich Gottes begehrte, in denen schallte der Geist Christi aus dem Mund von Petrus. Aber jenen, deren Wille in diese Welt gerichtet stand, denen ging der Geist vorüber und sie sprachen: »Die Männer sind betrunken, daß sie so reden. (Apg. 2.12)«

144. So geht es auch jetzt noch, wenn der Geist Christi spricht, und der äußere Verstand sagt: „Diese Männer sind verrückt und Schwärmer!“ Deren Wille aber in sich gewandt steht, in die Begierde nach Gottes Reich, die hören den Geist Christi sprechen.

145. Darum wird allen gesagt, denen es ins Herz dringt, daß sie ja beständig bleiben und dem goldenen Fluß, der aus Zion quillt, entgegengehen. Sie werden das Perlein finden, denn es ist geboren. Es vergaffe sich niemand an Zeit und Person, denn der Geist Christi ist es, der da spricht.

146. Und so schreibt der Autor aus der Braut Christi zwar recht vom Geist Christi aus dem neuen Menschen, aber den alten sterblichen vom Geist dieser verdorbenen und verfluchten Welt sollte er vom neuen unterscheiden lernen, und nicht das sterbliche verdorbene Fleisch und Gebein als Christi Fleisch betrachten.

147. Er sollte auch Christi Fleisch nicht in den vier Elementen und im Geist der äußeren Welt suchen, sondern in deren Wurzel, nämlich im heiligen Element, das ein Prinzip tiefer als diese Welt ist und nicht abwesend vom äußeren Leib.

148. Auch nicht den alten Menschen in den neuen verwandeln, sondern wie das Gold im groben Stein aus dem Stein wächst, dazu die Sonne eine Ursache der Tinktur ist und der grobe Stein eine Ursache des Leibes. Und doch soll für den neuen Leib im alten in seinem Prinzip keine Stätte oder Raum verstanden werden, denn er steht eine Geburt tiefer in sich.

149. Wie wir daran erkennen, daß Gott in dieser Welt ist, aber die Welt kennt und sieht ihn nicht, denn er wohnt eine Geburt tiefer im Zentrum, als diese äußere Welt ist. Er erfüllt alles in dieser Welt, aber nichts begreift oder sieht ihn, denn er wohnt nicht in der Welt, sondern in sich selbst. So auch der neue Mensch, und doch ist keine Abtrennung voneinander.

150. Gleichwie im Feuer und Licht ein Unterschied ist, dadurch das Feuer das Licht nicht ergreifen kann, und doch wird das Licht aus dem Feuer geboren. So wird auch durch die Eingehung des Geistes Christi der neue Mensch aus dem alten geboren, gleichwie die Sonne im Stein eine Tinktur des Goldes macht.

151. Wenn also der Autor schreibt, der alte Mensch falle in der Buße ganz hinweg und ersterbe ganz im Tod Christi, dann irrt er. Denn Christus ist nicht um des alten Menschen willen gekommen, und ist auch nicht im alten, befleckten und sündhaften Fleisch Mensch geworden, sondern in der Essenz des Bildnisses, so daß ein neuer Mensch aus dem alten geboren werden soll, und dieser im alten wohne, aber nicht im dritten Prinzip, in dieser äußeren Welt, sondern im zweiten, im Himmel, in Gott, und Gott in ihm.

152. Darum sollte er nicht schreiben: „Ich bin Christus, das lebendige Wort in diesem meinem sichtbaren Fleisch und Gebein.“ Das gibt ihm keiner zu, der aus Christus geboren ist. Denn der äußere Mensch ist in Sünde empfangen und geboren worden. Er ist nicht Christus, aber der innere ist in Christus ein Glied an Christi Leib und in der Essenz Christi.

153. Und daß er meint, die Natur falle ganz und gar vom Menschen, wenn die neue Geburt aufgeht, das ist auch nicht so, und er versteht darin noch nichts von der ewigen Natur. Es fällt keine Natur von ihm, denn das Leben steht in der Natur: Das Seelenleben in der ewigen Natur, und das Leben des äußeren Geistes in den Sternen und Elementen.

154. Die ewige Natur hält die sieben Geister oder Gestaltungen der Gottheit in sich, davon die heilige göttliche Welt und auch diese äußere Welt entsteht. Sie geht in Ewigkeit nicht vom Menschen, sonst wäre der Mensch ein Nichts. Denn aus der Natur ist das Mysterium der Ewigkeit offenbar, und auch das göttliche Wesen, wie in meinem Buch „Von sechs Punkten“ ausgeführt wurde. Die Natur ist nicht um der Sünde willen in den Menschen gekommen: Warum soll sie dann um der Wiedergeburt willen hinfallen?

155. Im Sterben fällt die äußere Natur von der Seelennatur. Aber sie tritt nur in das äußere Mysterium bis zum Tag des Gerichtes, und dann werden alle ihre hier gemachten Wunder und Werke darin erscheinen. Wenn der Geist Gottes das Mysterium dieser Welt bewegen wird, dann wird alles offenbar, und die Verwirrung (Turba) wird vom Guten geschieden und der finsteren Welt gegeben werden, und das Mysterium dem neuen Menschen, der nur heilig und ohne Makel ist.

156. Und das ist die Auferstehung des Fleisches. Nicht die Hülse, als das tierische Fleisch, ist es, das da aufersteht, sondern das Leben im äußeren Mysterium mit den Wundern. Das soll im heiligen Element eingefaßt und mit dem Leib Christi des neuen Menschen vereinigt sein und in Ewigkeit mit seinen Wundern an ihm bestehen.

157. Aber nicht in irdischer Essenz, sondern als ein Schatten oder eine Bildung. Denn um des göttlichen Lebens willen ist dieses, unser (eigenes) Leben gleichsam wie tot geachtet. Denn so war Adam auch vor seiner Eva und vor der Imagination, und in der Imagination wurde das äußere Leben offenbar und das himmlische starb.

158. Solches habe ich euch, liebe Herren und Brüder, auf euer mir zugeschicktes Büchlein nicht verbergen sollen, und auch dem Autor desselben, denn das erfordert mein Gewissen im Herrn. Nicht mit der Meinung, dem Autor sein Büchlein und den hohen Geist niederzudrücken oder zu verwerfen, sondern in Liebe zu ihm wollte ich meine Gaben und Erkenntnis in seine geben, wie ein Glied dem anderen, damit wir uns in Christus als Glieder in Einem Leib erbauen und erkennen.

159. Denn ich erkenne des Autors Geist sehr wohl, und es ist mir lieb, ihn anzusprechen, weil er um des Namens Christi willen, wie ihr sagt, viel erlitten hat, und er sein Leben gern in Christi Fußstapfen hineingeführt. So erkenne ich ihn als einen rechten wahren Christen.

160. Aber dessen soll er sich nicht schämen, sondern sich selbst besser erkennen lernen und auch im Geist in der Braut Christi mehr lernen. Denn Christus sprach: »Suchet, so werdet ihr finden! (Matth. 7.7)« Die Weisheit hat weder Zahl noch Ende.

161. Ich sage von mir nichts anderes, als daß ich erst ein ABC-Schüler geworden bin, und will herzlich gern in der Braut Christi vom Geist Christi in meinen Brüdern und Gliedern suchen, mich in ihnen und sie in mir.

162. Ich messe mir noch keine vollkommene Erkenntnis zu, denn was vollkommen ist, das ist nicht in meinem Verstand, sondern im Geist Christi in meinen Brüdern offenbar. Ich bin in mir wie ein Nichts, damit ich in der Erkenntnis in meinem Bruder und seinem Geist etwas erfunden und erkannt werde, und daß Gott in Christus in uns Alles sei, sowohl Vernunft und Verstand als auch das Wollen und Tun.

163. Darum ermahne ich euch, solches nicht anders als christlich und brüderlich zu verstehen. Denn ich bin kein Herr eures Geistes und Erkennens, sondern euer Gehilfe im Herrn. Damit des Autors Lauf nicht umsonst sei und der Name Christi in seinen Gliedern geschändet werde, wie es Babel getan hat, habe ich diese wenigen Erklärungen und Erläuterungen geschrieben, um uns in unserer Erkenntnis im Herrn zu erfreuen. Noch mehr ist im Buch „Vom dreifachen Leben“ und in den drei Büchern „Von der Menschwerdung Christi“ zu finden. Damit empfehle ich euch alle in die Liebe Jesu Christi.

Gegeben am Sonntag, Quasimodogeniti, Anno 1621 („Wie neugeborene Kinder“, Sonntag nach Ostern, 18.4.1621).


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