Zweite Schutzschrift gegen Balthasar Tilke

einem Schlesischen von Adel und dessen angeklebte Zettelchen über einige Punkte, die im Buch „Von der Menschwerdung Jesu Christi“ angefochten wurden. Sie handeln vom ewigen Vorsatz und der Gnadenwahl Gottes, wie auch von der Menschwerdung und Person Christi und von Maria der Jungfrau.

Geschrieben im Jahr 1621 (deutsche Überarbeitung 2022)

(Ab der Ausgabe von 1715 folgt hier zunächst der Sendbrief an Herrn Johann Daniel Koschowitz, Dr. med. und Practicus zu Striegau in Schlesien, der auch unter den Sendbriefen Nr. 19 zu finden ist.)

Sendbrief an Johann Daniel Koschowitz, 3.7.1621

19.1. Ehrbarer, ehrenfester, hochgelehrter Herr und geliebter Bruder im Leben Jesu Christi! Neben dem Wunsch von unserem Immanuel, seiner Gnade, Liebe und Barmherzigkeit sowie aller zeitlichen Leibeswohlfahrt, soll ich dem Herrn nicht verbergen, daß ich das Buch mit den Zetteln (von Balthasar Tilke) gelesen und den Gegensatz an Verstand, Begriff und Meinung in der Liebe und Gottesfurcht betrachtet und gut genug verstanden habe, in welcher Erkenntnis dieser Mensch laufe und wie er meine Schriften noch nicht im geringsten verstanden hat.

19.2. Auch jammert mich dieser Mensch gar sehr, daß er sich in eine solche Gruft mit der Gnadenwahl Gottes vertieft hat, daraus er gewiß nicht entkommen kann, er lerne denn das Zentrum aller Wesen erkennen. Auch geht er jämmerlich irre wegen Christi Menschheit und seiner Mutter Maria, so daß seine Meinung unserem christlichen Glauben, auf dem unser wiedergebrachtes Heil steht, ganz zuwider ist.

19.3. Ich wünsche aber von Herzen, daß der Mensch sehend werden möge, denn er ist ein Eiferer, und so würde doch sein Eifer nützlich sein. Allein dieser Weg, den er jetzt geht, ist nur eine offene Tür zu aller Leichtfertigkeit und Verzweiflung, und dazu wird schwere Rechenschaft gehören, die Menschen so in Verzweiflung und Leichtfertigkeit hineinzuführen.

19.4. Ich wünschte, daß ihm geraten werden könnte, so daß er sehend würde, damit er doch das freundliche Liebe-Herz Jesu Christi erkennen kann, das sich in unserer Menschheit offenbart hat, um uns arme verlorene Menschen zu suchen und selig zu machen. Denn solcher leichtfertige Spott, den er gegen seinen Bruder treibt, ist gar kein christlicher Weg. Er wird nicht Zion erbauen, sondern zerstören. Will er unter dem Schall der siebenten Posaune mit ergriffen und ein Erstling sein, dann muß er von allem Spott, Zank und Verachtung abgehen und nur das brüderliche Liebe-Herz suchen, sonst ist alles Babel und Fabel, Streiten und Zanken und kann nimmer an das Ziel unserer Ruhe in Christus kommen.

19.5. Ich habe es ihm und den anderen Lesern meiner Schriften ein wenig entworfen, um dem nachzudenken, weil ich sehe, daß nicht allein mein Gegensatz, sondern auch andere, meistenteils von hohem Stand, mit solchem Wahn wegen der Gnadenwahl Gottes bekümmert sind, ob vielleicht manchem der beschwerte Irrtum aus dem Gemüt gebracht werden könnte.

19.6. Ich bin aber bedacht, ein ganzes Buch darüber zu schreiben („Von der Gnadenwahl“, 1623), sofern ich vernehmen werde, daß man mir nicht so heftig widerstreben wird, ohne Erkenntnis, wessen Geistes Kind ich sei.

19.7. Solches zu bedenken, stelle ich Euch als gelehrte und erfahrene Leute anheim und bitte, es nur recht zu betrachten, woher mir meine Erkenntnis und Wissenschaft kommen kann. Denn ihr seht und wißt, daß ich es nie gelernt habe, viel weniger zuvor bedacht oder verstanden wie es die Art der albernen einfältigen Laien ist. Ich habe es auch so nie gesucht oder etwas im geringsten davon verstanden. Es ist mir aber aus Gnade des Höchsten gegeben worden, in dem ich sein liebes Herz gesucht habe, um mich darin vor dem grausamen Zorn Gottes und der Feindschaft des Teufels zu verbergen.

19.8. Darum ermahne und bitte ich Euch in der Liebe Christi, dem nachzusinnen und es recht gegen den Geist der Heiligen Schrift zu halten und mit einem rechten christlichen Gemüt recht auf die Probe zu stellen. Dann werden Euch die Augen aufgetan, daß ihr es sehen und erkennen werdet.

19.9. Wiewohl ich an der Person des Herrn gar nicht zweifle, den ich für einen gar frommen Liebhaber Gottes und der Wahrheit ansehe, und hoffe auch, mein Gemüt welches in Liebe trefflich sehr zum Herrn geneigt ist, werde mich nicht betrogen haben.

19.10. Denn ich sehe es wohl und habe solches auch in meinem Gebet zu Gott getragen, daß dem Herrn noch das schöne Kränzlein der göttlichen Ehre in der Erkenntnis der Weisheit aufgesetzt werden könne, so daß er weder meine noch andere Schriften zur Erkenntnis Gottes bedürfen wird, sondern den Herrn in sich selbst erkennen, wie es mir auch geschehen ist, daraus ich schreibe und sonst nichts anderes dazu brauche. Denn es steht geschrieben: »Sie sollen alle von Gott gelehrt sein und den Herrn erkennen. (Joh. 6.45)« »Ich will meinen Geist über alles Fleisch ausgießen.« Oder: »Ihre Söhne und ihre Töchter sollen weissagen, und ihre Jünglinge sollen Gesichte (Visionen) haben. (Apg. 2.17)«

19.11. Warum will man das dann verspotten, wenn Gott seinen Geist über so einen einfältigen Mann ausgießt, daß er über aller Menschen Verstand schreiben muß, höher als der Grund dieser Welt ist?

19.12. Lieber Herr, es geschieht aus Gottes Liebe zu Euch, damit ihr doch Grund und Wurzel eures Schulen-Streits sehen mögt. Denn viele haben gesucht, aber nicht am rechten (richtigen) Ziel. Davon ist ihnen der Streit geworden, welcher die Welt erfüllt und fast alle brüderliche Liebe zerstört hat.

19.13. Darum ruft Euch Gott mit einer höheren Stimme, daß ihr doch seht, woher alles Böse und Gute entsteht und komme, damit ihr vom Streit ablassen und Ihn am höchsten erkennen sollt, welches von der Welt her verborgen war und nur den Kindern der Heiligen offenbart wird.

19.14. Weil mir aber bewußt ist, wie der Herr sein Herz zur Weisheit neigt, so rede ich zu ihm kühnlich und hoffe, er werde es in rechter Liebe annehmen und recht erkennen, wie es gemeint ist.

19.15. Ich wünschte, daß ich ihm den halben Geist meiner Erkenntnis geben könnte, dann bedürfte er keines Schreibens mehr, wiewohl ich ihn für weise halte. So wollte ich Euch aber noch um eines mit diesem Schreiben brüderlich ersuchen, ehe der rauhe Winter der Trübsal kommt, welcher auf der Bahn ist.

19.16. Wenn dem Herrn meine Schriften belieben, dann bitte ich ihn, sie nur fleißig zu lesen und vor allen Dingen sich auf das Zentrum aller Wesen zu richten, dann werden ihm die drei Prinzipien gar leicht sein. Ich weiß und bin gewiß, wenn der Herr das Zentrum im Geist ergreift, dann wird er eine solche Freude darüber haben, die aller Welt Freude übertrifft, denn der edle Stein der Weisen liegt darin. Er gibt die Gewißheit aller Dinge. Er erlöst den Menschen von allem Kummer im Religionsstreit und eröffnet ihm seine höchste Heimlichkeit, die in ihm selbst liegt. Sein Werk, zu dem er von der Natur erkoren ist, bringt er zur höchsten Vollkommenheit und kann allen Dingen ins Herz sehen. Kann das nicht ein Kleinod über alle Köstlichkeit der Welt sein?

19.17. Und wenn dem Herrn in meinen Schriften etwas begegnet, das unverstanden und zu hoch sein sollte, bitte ich nur anzumerken und mir schriftlich zu schicken, dann will ich es kindischer geben. Weil ich aber ein feines und hohes Verständnis dafür beim Herrn bemerkt habe, so ermahne und bitte ich in rechter Meinung, die vor Gott gestellt wird, man wolle doch auch in ein solches Leben treten und in dieser Erkenntnis leben und wandeln, damit wir in Zion als berufene Erstlinge im Herrn befunden werden.

19.18. Denn es eröffnet sich eine Zeit, die wunderlich ist, wie in meinen Schriften genug angedeutet wurde. Sie kommt gewiß, und darum ist Ernst zu gebrauchen nötig.

19.19. Dem Herrn N. zu N., wenn die Herren in eine Konversation kämen, bitte ich aus des Herrn Gaben zu berichten, denn er ist eifrig und ein großer Sucher. Gott gebe ihm, daß er es finde! Bitte auch das inliegende Schreiben an ihn bei nächster Gelegenheit ihm zu senden, daran ihm und mir ein Wohlgefallen geschieht, auch dem edlen Herrn N. dies mit zu übersenden oder auch mit zu N. zu schicken, daß er es hinbefördere.

19.20. Wegen des giftigen Pasquilles (von Balthasar Tilke gegen die Aurora) des unverständigen Eiferers habe ich 23 Bögen zur Antwort gegeben („Erste Schutzbrief gegen Balthasar Tilke“), aber die Antwort bis heute aufgeschoben, um den Menschen nicht zu beschämen. Ich hoffe, er werde vielleicht durch guter Leute Unterweisung sehend werden. Ich habe sie auch noch verboten, weiterzugeben, ob es möglich sein wollte, daß er von seiner Bosheit abließe. Denn sonst, wenn die Antwort an den Tag kommen soll, wird er schlechteren Ruhm davon bekommen, wie er wohl erhofft. Ich gebe dieweil dies wenige, um es zu erwägen.

19.21. Genügt es ihm nicht, so in brüderlicher Liebe zu handeln, dann sei er sich gewiß, daß dort, wo Gottes Liebe ist, auch sein Zorn ist, so daß ihm solches gewiesen werden möchte, daß er sich dessen schämen und wünschen würde, er hätte es nie angefangen. Will er aber zufrieden sein, dann mag die Antwort am bekannten Ort ruhen. Er mag es sicher glauben, daß ich weiter sehe als er versteht.

19.22. Allein um der Nachsicht und göttlicher Ehre willen habe ich bewußter Person freundlich geantwortet, denn mir liegt mehr an Gottes Kindern als an Rechtfertigung. Denn für die Wahrheit und Christi Ehre leide ich gern Schmach, denn es ist das Kenn-Zeichen Christi. Das sage ich dem Herrn freundlich und empfehle ihn samt allen, die Jesus liebhaben, in die Gnade Jesu Christi. J.B.

Anno 1621, den 3. Juli.

Warnung an seine Mitbrüder

Der offene Brunnquell im Herzen Jesu Christi sei unsere Erquickung und Leben und führe uns in seinem Licht in eine brüderliche Liebe und kindliche Einigung, damit wir in seiner Kraft einhergehen und uns in ihm erkennen und lieben können.

Liebe Herren und Brüder in Christus!

1. In was für einer gefährlichen Herberge wir in diesem irdischen Hüttental in Fleisch und Blut im Reich der Sterne und Elemente und im Gegensatz des Teufels gefangenliegen und auf was für gefährlichen Wegen wir vom Teufel in Gelüsten des Fleisches und Blutes zu wandeln pflegen (es sei denn, daß der helle Morgenstern des Herzens Jesu Christi in uns aufgehe), ist nicht genug zu bereden oder zu beschreiben.

2. Wie doch die Welt so ganz vom Weg des göttlichen Lichtes abweicht und im Finsteren tappend geht, sich auch nicht helfen lassen will, sondern Gottes Boten nur verhöhnt und verspottet, die ihr oft von Gott aus seiner Liebe gesandt werden, um sie des widergöttlichen Weges zu verwarnen. Solches sehen und erkennen wir leider allzuviel, wie sich der eigene Verstand vom Gestirn und den Elementen gegen den offenen Brunnen der Liebe im Herzen Jesu Christi setzt und legt und das alles verspottet, was ihm Gott zur Warnung und Lehre vorstellt, gleichwie es zur Zeit Christi und seiner Apostel geschah, als die verstandeskluge Schule nicht nur über die Einfalt der Personen spottete, die das Reich Gottes lehrten, sondern auch alle Wunder verachtete und allein ihren gleisnerischen Verstand für wahr und richtig hielt.

3. Und wie es zur Zeit Noahs vor der Sündflut war, so auch zu Sodom und Gomorrha, in der Zeit der Zerstörung des jüdischen Volks und auch bei den Heiden, ehe Israel aus Ägypten in ihr Land geführt wurde und sie daraus vertrieben und getötet wurden, so ist es auch in dieser jetzigen Zeit, da alles im Streit und Widerwillen lebt und wie unsinnig gegen Gott und den Weg der Gerechtigkeit wütet und tobt, aber immer schreit: „Hier ist die Kirche Christi! Flieht von jenem, denn er ist unsinnig und vom Teufel!“

4. Und doch lebt der eine Teil so gottlos wie der andere. Sie führen den Namen Gottes zum Schein und Schwur in ihrem Mund, aber ihr Herz steckt voller Galle, Gift und Bitterkeit. Keine Gottesfurcht ist in ihren Herzen, und ihr Mund ist voll Fluchens und spöttischer und höhnischer Lästerung. Keine Begierde zur Liebe und Eintracht ist in ihren Herzen, sondern Stolz, Geiz und Leichtfertigkeit, um sich auch immerzu über Gottes Kinder zu erheben und ihren Weg, den sie im Licht Gottes wandeln, zu verdecken und auszutilgen, damit ihre Lehre und Leben nicht erkannt werde und der Teufel Großfürst im menschlichen Leben, Willen und Regiment bleibe. So lästern und schänden sie die Kinder Gottes und halten sie für Narren, damit sie verdeckt bleiben.

5. Und was noch schrecklicher ist, so muß ihnen die göttliche Allmacht eine Decke ihrer Schalkheit sein, damit sie sich verdecken und Gottes Willen dahinein mengen, als ob nichts ohne Gottes Willen geschähe und alles nur Gottes Vorsatz sei, der seit Ewigkeit in sich beschlossen habe, was in der Zeit offenbar werden solle, sei es Gutes oder Böses.

6. Darin sie doch nichts weder von Gott noch seinem Willen oder Wesen verstehen. Sie sind so blind daran wie ein Blindgeborner an der Beschaulichkeit dieser Welt, wie sich solches klar an diesen (von Balthasar Tilke) angeklebten Zetteln am Büchlein „Von der Menschwerdung Christi“ und auch an seinem vorigen Pasquill gegen das Buch „Morgenröte“ eröffnet und darstellt, wie der arme verwirrte Mensch so unbesonnen läuft und dagegen wütet, aber dafür doch gar keinen Grund und Verstand hat, so daß mich seine große Unwissenheit sogleich jammert und ich großes Mitleid mit ihm tragen muß. Und ich wünschte von Herzen, daß ihm doch Gott sein Herz aufschließen möchte, daß er doch zuerst sehen und erkennen könne, bevor er richte.

7. Denn der arme blinde Mensch verwirft manches in meinem Buch und setzt dann ein solches an die Stelle, was meine Meinung in der Erkenntnis wäre, dessen ich mich sehr verwundere, wie er so ein eifriger Saulus ist und über das Gesetz Gottes eifert und davon doch so gar keinen Begriff im Licht Gottes hat. Ich wünschte von Herzen, daß ihn doch auch das Licht Gottes wie Saulus bei Damaskus erleuchtete, so daß er ein Paulus würde, während er so eifert. Dann könnte doch sein Eifer menschlichem Heil nützlich sein.

8. Aber so lange er auf dem Weg ist, den Tempel Christi zu lästern, zu schmähen und zu verfolgen und damit in Blindheit zu rasen, wie Saulus tat, so wird er nichts ausrichten, als nur gegen Gott zu seinem größten Unheil zu wüten, und wird den Menschen, den er zu belehren gedenkt, nur verwirren und tiefer in die Finsternis führen.

9. Denn er hat solche Meinungen im Verstand gefaßt, welche wohl viel besser wären, er hätte sie niemals aufs Papier gebracht. Ich war dessen oft sehr erschrocken, daß der Satan den eigenen (gegensätzlichen) Verstand ohne göttliches (ganzheitliches) Licht in einen solchen Kerker wirft und mit einem solchen Strick umfängt, daraus nur sehr schwer zu entkommen ist, was ohne göttliches Licht gar nicht geschehen kann.

10. Weil mir auch bewußt ist, daß nicht allein er, sondern auch andere mit dem Vorsatz und der Wahl Gottes so bekümmert sind und sich die Allmacht Gottes auf eine Weise vorbilden, darin sie ohne Vernunft ganz verwirrt gehen und nichts von Gottes Willen zum Guten und Bösen erkennen, viel weniger, daß sie wissen, was Gott sei, so daß daraus abscheuliche Meinungen geschlossen werden. Und weil auch dieser Mann in solchem verwirrten Verstand so unverschämt meine Schriften, die in vielem einen tieferen Grund haben, als er jemals versteht, zu tadeln und herabzusetzen vermeint, so soll ihm das ein wenig bewiesen werden, ob vielleicht er oder ein anderer dadurch in Gott sehend werden könne.

11. Nicht mit der Meinung, jemanden zu verachten, sondern zur Unterweisung aus meinem Pfund, das mir von Gott gegeben ist. Denn man weiß wohl, daß ich kein Doktor von der Schule dieser Welt bin. Wäre mir es nicht gegeben, dann verstünde ich es nicht.

12. Obwohl ich es nicht so hoch gesucht habe, wurde mir es ohne meinen Willen gegeben. Ich suchte allein den Brunnquell Christi und verstand nichts vom Mysterium, was das wäre. Nun ist mir aber vergönnt worden, das Wesen aller Wesen zu sehen, an welchem ich ohne Gottes Licht wohl blind sein würde.

13. Weil aber dieser Mensch mit seinem Zettel-Anhängen an meine Schriften vom Mysterium des Wesens aller Wesen so gar nichts versteht, viel weniger die Prinzipien oder das Zentrum im Prinzip, aber sich untersteht, meine Schriften zu tadeln, und das mit fremdem Verstand ganz gegen meine Meinung, und mir meinen Sinn in einen fremden, ganz närrischen Verstand verkehrt, nur um seinen Tand unter solchem Schein hervorzubringen, welcher doch weder mit den Gründen der Heiligen Schrift noch vor dem Licht der Natur besteht, so werde ich gleichsam genötigt, seinen Kot von meinem Sinn und Begriff abzuwischen.

14. Und weil er es so künstlich anfängt und die Schrift bei den Haaren heranzieht, damit sie ihm dienen muß, wie er es haben will und der Grund und Eckstein bleibe wo er will, ob nun in den herangezogenen Sprüchen ein solcher Verstand sei oder nicht, nur damit er Schrift und Buchstaben führe und Worte mit Worten wechsle und seine irrige Meinung mit solchem Schein ummantle, wenn er nur die Schrift heranführt, und weil ich auch oft in meinen Schriften nicht eben von solchem Stoff handle, wie er mit der Schrift bescheinen möchte, sondern einen weit anderen Sinn führe, und er mir meinen Sinn ganz widerwärtig heranzieht und nur verdächtig machen will, so will ich ihm ein wenig und nur summarisch auf seine angeklebten Zettel antworten, nicht um mit ihm zu streiten, sondern denen zum Nachdenken, die meine Schriften lesen.

15. Denn ein wahrer Christ hat mit niemandem Streit um die Religion. Wer um Worte streitet und seine Brüder verachtet, der ist blind und hat den Glauben nicht.

16. Denn Glauben ist kein historischer Wahn, sondern ein rechtes (wahrhaftes) Leben. Dazu muß der Geist Gottes im Zentrum durch das Prinzip der Seele geboren werden und im Mysterium des Gemüts aufgehen und darin regieren und leuchten. Er muß des Menschen Wille und Tun werden. Ja, er muß sein innerliches Leben und seine Vernunft sein, und der Mensch muß in ihm gelassen sein, anders ist kein rechter Glaube oder göttliche Vernunft im Menschen, sondern nur Fabel und Babel, Zanken und Streiten, sich um die Hülse reißen und den Kern nicht genießen.

17. So sage ich nun: Ist Gottes Geist in meinem Spötter (Tilke), warum ist er dann ein Spötter und Streitsüchtiger? Hat er den Glauben, warum verachtet er dann Christi Kinder und Glieder, denen ihr Christentum ein Ernst ist? Christus sprach: »Liebt einander! Daran wird man erkennen, daß ihr meine Jünger seid. (Joh. 13.35)« Oder: »Habt ihr nicht die zu richten, die drinnen sind? Gott aber wird richten, die draußen sind. (1.Kor. 5.12)« Ist er im Geist Christi: Warum verachtet er den Geist Christi? Oder ist Christus mit ihm selbst uneins geworden?

18. Ach, ihr lieben Herren und Brüder! Nehmt doch in acht und seht die Heilige Schrift im Geist Christi recht an, dann werdet ihr finden, daß ein rechter Christ mit niemandem Streit hat. Denn sein Wandel ist im Himmel (wie St. Paulus sagt Phil. 3.20), von wo er immerfort den Heiland Christi erwartet, daß Gottes Reich in ihm zukomme und Gottes Wille in ihm geschehe. »Christus ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Luk. 19.10)« Was könnte denn der Geist Christi im bekehrten Menschen anderes wollen?

Eine Ermahnung, und was das erste Prinzip oder die finstere Welt sei:

19. Ihr lieben Herren und Brüder in Christus! Ich sage in gutem Willen und Treue wie ich Gnade im Geist Christi erlangt habe, daß in keiner Verachtung und spöttischer Verhöhnung ein göttlicher Geist wohnt. Geht nur ab davon und tretet den Streit im Gemüt zu Boden, haltet ihn für Kot!

20. Und sucht das Leben Gottes in Christus mit Ernst. Wenn ihr das erlangt, dann bedürft ihr keinen anderen Lehrmeister. Der Geist Gottes wird euch wohl lehren, leiten und führen. Ja, in euch wird er leben, denn es steht geschrieben: »Sie werden von Gott gelehrt sein. (Joh. 6.45)« Und Christus sagte: »Der Heilige Geist wird es von dem Meinen nehmen und euch in euch verkündigen. (Joh. 16.14)«

21. Alles äußerliche Lehren haftet nicht im Menschen, es sei denn, der Mensch werfe seinen begehrenden Willen dahinein. Wie will es dann im Spötter (Tilke) haften, der einen neidigen Gegensatz gegen den Geist Christi führt?

22. Liebe Herren und Brüder! Seht doch und denkt ihm nach, was der arme blinde Mensch in seinem überheblichen Stolz vorhat! Er tadelt das, davon er nichts weiß, und dessen er auch keinen Begriff hat. Welches mich sehr jammert, daß der Mensch so ohne Grund läuft.

23. Er fängt zu tadeln an, was ich vom großen Mysterium der ewigen Natur geschrieben habe, daraus das dritte Prinzip, als die äußere Welt mit den Sternen und Elementen geboren und geschaffen worden ist, und gibt doch auch nichts an den Tag, damit man sehe, daß er etwas vom Grund und Zentrum verstehe. Er sagt: „Das Wort und die Weisheit Christus sei das Mysterium, als der ausgegossene Glanz seiner Herrlichkeit, in welchem alles geschaffen ist.“ Wer ist es nun, der mit ihm darüber streitet, daß alle Dinge von Gott durch seine Weisheit geschaffen sind? Ich habe es in allen meinen Schriften beschrieben, und damit bedürfte es der Erklärung gar nicht.

24. Es ist nur die Frage, woraus er es erschaffen habe? Will er sagen, daß das Böse sowie Erde und Steine und auch alle giftigen Kreaturen, besonders die Sünde, aus dem ausgegossenen Glanz Gottes aus seiner Weisheit geboren sei, dann redet er wie der Blinde von der Farbe, die er noch nie gesehen hat.

25. Daß er aber solche traurige und elende Meinung führt, sieht man genug an dem, wie er vom Willen und der Wahl Gottes schreibt und damit alles in Gottes Vorsatz schiebt und die Heilige Schrift an den Haaren herbeizieht, ganz gegen die Meinung der Schrift. Wenn doch der verwirrte Mensch so weit kommen könnte, daß er das Zentrum der ewigen Natur und aller Wesen zuvor erkennen lernte, ehe er vom großen Mysterium aller Wesen redet und den tadelte, dem es von Gott offenbart worden ist!

26. Wenn er nun so schreibt, es sei alles im großen Mysterium der Weisheit Gottes gewesen, dann muß er ja unterscheiden zwischen dem Wort der Liebe, dem ewigen Namen Gottes, und dann dem Zorn und Grimm Gottes, in dem er sich ein verzehrendes Feuer nennt.

27. Will er sagen, daß das verzehrende Feuer Gottes Weisheit und Liebe sei, dann würde er sagen, die Hölle sei der Himmel, und der Himmel, darin Gottes Majestät leuchtet, sei die Finsternis, wenn er mir nicht zulassen will, daß das Zentrum zum Feuer Gottes eine ewige Finsternis sei, darin sich der Teufel vertiefte, als er Gottes Sanftmut verachtete.

28. Wenn nun diese äußere Welt mit allen Wesen allein aus dem Wort der Liebe, aus dem Heiligen Namen Gottes, aus der Weisheit geboren worden ist, warum heißt sie dann Gut und Böse und dazu ein Jammertal voller Angst und Mühe? Warum verflucht sie dann Gott wegen der Sünde?

29. Ist sie das Mysterium der Weisheit: Warum ist sie dann ohne göttliche Vernunft? Ist sie das aber nicht, wie er es auch nicht statuiert, dann frage ich, was das für ein Mysterium sei, daraus sie geschaffen wurde, so daß sie gut und böse ist? Ob es ein anfängliches Mysterium sei oder ein ewiges? Dieweil der blinde Mensch nichts von der ewigen Natur wissen will und die klare Gottheit nicht vom Grimm Gottes und der ewigen Natur unterscheiden will, obwohl er doch dessen ein rechtes Gleichnis am Feuer und Licht hat, und dann aus dem, daraus das Feuer brennt, sehend wäre.

30. Will er mir nicht zulassen, daß vor den Zeiten dieser Welt ein Mysterium in der ewigen Natur gewesen sei, in welchem Mysterium die ewige Natur seit Ewigkeit und in Ewigkeit immerfort entsteht, darin Gottes Zorn und Grimm seit Ewigkeit geboren werde, darin die grimmige, herbe und strenge Eigenschaft Finsternis und Dunst (Gestieb) geboren habe, und da es doch keinem Dunst gleich gewesen war, sondern der grimmige Geist solche Eigenschaft gehabt hatte, darin alles Böse sowie die strenge Erde verstanden wird: So sage er mir, woraus dasselbe herkommen sei, und sage mir ferner, wie ein Leben ohne des Feuers Eigenschaft bestehen könne, und woraus des Feuers Eigenschaft entsteht?

31. Weise er mir doch ein anderes Zentrum, als ich es in den drei Prinzipien sowie im Buch „Vom dreifachen Leben des Menschen“ und noch viel tiefer und gründlicher im Büchlein „Von den sechs (theosophischen) Punkten“ des großen Mysteriums des Wesens aller Wesen gezeigt habe, von den drei Welten, wie sie ineinander stehen als Eine, wie sie sich ewig vertragen und eine jede der anderen Ursache sei, daß also in dem großen Mysterium nichts Böses und ohne eine Ursache ist.

32. Komme er zuerst in diese Schule und lerne das ABC, ehe er sich Magister nennt! Es gilt nicht, auf fremden Füßen zu gehen, wenn einer vom Mysterium reden will, oder sich mit fremden Meistern zu schmücken, sondern selbst erkennen und selbst den Geist zur Erkenntnis haben, oder das Mysterium unbesudelt lassen und die davon reden und schreiben lassen, denen es Gott geoffenbart hat.

33. Das Gewäsch, das er mit dem Heranziehen der Heiligen Schrift treibt, nimmt meinem Sinn und Verstand gar nichts. Die Kinder Gottes reden in ihrem Begriff und ihren Gaben, nicht aus dem Mund anderer, sondern aus ihrem. Und auch ich rede nicht aus anderem Mund, sondern aus meinem: Aber wir reden alle aus Einem Geist, ein jeder aus seiner Gabe. Was geht das den Unwissenden an, dem das Mysterium von Gott nicht anvertraut ist? Was darf er uns alle tadeln, bevor er einen von uns recht versteht?

34. Er lerne zuerst das Zentrum der ewigen Natur erkennen, und wie man die klare (reine) Gottheit von der Natur unterscheidet, und lerne, wie sich die Gottheit durch die Natur offenbart, und lerne, was Gottes Weisheit sei, wie sie das ausgesprochene Wesen der Gottheit ist, was das göttliche Leben und dann der Natur Leben sei, was also ein Prinzip ist! Ehe er klügelt, lerne er zuerst, daß die Tinktur ewig und das Element himmlisch ist, was also Paradies und Himmel sind, und was Böses und Gutes sei. Gehe er zuerst in die Pfingstschule, damit er diesen Geist erreiche, in dem allein die (ganzheitlich sehende) Vernunft ist.

35. Aber er muß zuvor ein Narr und dann ein Nichts in dieser Welt werden, will er den Geist des Mysteriums erreichen, so daß Gott sein Wollen und Tun wird. Dann komme er, und dann will ich mit ihm vom Mysterium reden. Anders lasse er mir meinen Begriff unbefleckt.

36. Ist er ein Christ, dann lebe er in der Liebe für einen Christen und freue sich der Gaben, die uns Gott untereinander gibt. Was prahlt und lästert er so viel? Das beweist nur einen stolzen Menschen. Handle er demütig, dann will ich ihm demütig entgegnen. Erkennt er etwas nach seinen Gaben, dann danke er Gott und verachte nicht das, was Gott einem anderen gibt. Mag er es nicht lesen, dann lasse er es demjenigen stehen, den Gott dazu berufen hat und dem er es offenbaren will.

37. Ist das nicht ein wunderliches Ding, daß er die drei Prinzipien tadeln will und erkennt doch nicht, aus welchem Zentrum und Begriff der Geist redet? Er will das erste Prinzip mit dem Feuer anfangen: Wo bleibt dann das Zentrum, daraus das Feuer entsteht?

38. Sage er mir, wie sich das ewige Nichts seit Ewigkeit und in Ewigkeit in ein ewiges Zentrum hineinführt, und wie sich die ewige Natur seit Ewigkeit immerfort gebäre, dadurch der ewige Wille, der Gott genannt wird, seit Ewigkeit offenbar ist?

39. Mit dieser seiner halbstummen Beschreibung wird er mich nicht dahin führen, aber in meinem Buch von den „Sechs (theosophischen) Punkten“ wird er es wohl finden. Lese er diese! Was gilt's? Er wird sehend, wenn er es recht suchen und anfangen wird.

40. Wenn ich von drei Prinzipien schreibe, dann verstehe ich drei Welten: Nämlich die erste mit dem Zentrum zur Natur, die finstere Welt, in welcher das Feuer oder die Schärfe der strengen Macht seit Ewigkeit entsteht, die Gestaltung zum Feuerleben, in welcher Eigenschaft Gottes Grimm und Zorn sowie das höllische Feuer verstanden wird, davon das Naturleben entsteht, welches nicht Gott heißt, obwohl es Gottes ist, aber diesen Namen und die göttliche Qualität in seiner eigenen Essenz nicht erreicht. Wie solches St. Johannes bezeugt, wenn er sagt: »Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. (Joh. 1.5)« Und wie sich dieses auch an der äußeren Welt beweist, wie das Licht in der Finsternis leuchtet.

41. Ist nun das Feuer das erste Prinzip, wie er sagt, so sage er mir, ob die Finsternis aus dem Feuer komme, oder ob das Feuer Finsternis mache? Oder was das sei, das Finsternis mache, und was das Feuer mache, daraus das Licht aus der Finsternis scheint? Auch wie sich das alles seit Ewigkeit und in Ewigkeit so gebäre?

42. Ich denke hier wird mein Zettelmacher wohl stumm bleiben. Er muß wohl davon schweigen, er gehe denn mit mir in die Schule. Aber er soll zuerst das Röcklein des überheblichen Stolzes ausziehen, sonst nimmt ihn dieser Schulmeister nicht an. Denn er will Kinder zu Schülern haben, die auf ihn sehen und vertrauen, keine Herren.

43. Wenn ich von drei Prinzipien schreibe, dann schreibe ich von drei Welten mit drei ewigen Anfängen, und wie sich diese gebären.

44. Ich verstehe unter den drei Prinzipien nicht das Chaos, das Auge der Äther (Räume des Bewußtseins), welches ohne Grund und Stätte in sich selbst wohnt. Sondern ich verstehe, wie sich das Auge der Äther durch und mit den Prinzipien offenbart und in Kraft, Macht, Glanz und Herrlichkeit hineinführt, nämlich mit Begierde und Lust, weil in der Begierde die erste Einschließung geschieht, welches eine Finsternis ist. Und darin ist die Begierde das erste Zentrum zur Natur, die sich dann in Qual-Quellen, Empfindlichkeit und Findlichkeit bis in das Feuer als in die vierte Gestaltung hineinführt, wie in unseren Büchern „Die drei Prinzipien“ oder „Vom dreifachen Leben“ oder im anderen Buch „Von der Menschwerdung Christi, von Christi Leiden und Sterben“ und noch höher in den „Sechs (theosophischen) Punkten“ genug beschrieben wurde, dahin ich den Leser verweise, weil es in diesem Teil, den der blinde Mensch anficht, nicht ausgeführt worden ist.

45. Wenn nun das Feuer Gottes, welches den Glanz der Majestät gebiert, das erste Prinzip ist, aber in der Finsternis Qual und Leid und dazu das strenge Leben geboren wird, und auch das Feuer selbst aus der Finsternis entsteht, als aus der Schärfe mit dem Anblick der Freiheit in der Lust aus dem Chaos, dann sage mir nun, mein Gegensatz: Ob die finstere Welt ein Prinzip sei? Also ob er oder ich im Mysterium blind ist?

46. Ich weiß auch wohl, daß das Feuer ein Quell und Geist allen Lebens ist. Ich sage aber, daß des Feuers Wurzel finster ist, und daß die finstere Welt nicht Gott heißt. Denn sie ist eine feindliche Qual-Quelle in sich selbst, eine Ursache der Natur.

47. Wohl ist sie Gottes, und Gott, der sich durch die finstere Welt mit dem Feuer im Licht der Majestät offenbart, ist ihr Herr, denn sie wird in der Begierde des Chaos aus dem Abgrund im Nichts geboren und in der Begierde in die Finsternis hineingeführt. Aber die Lust des Chaos zur Offenbarung nimmt nur so seine Schärfe und Feuermacht an sich, aber führt sich durch das Sterben im Feuer, darin die Finsternis stirbt, das heißt, die finstere Wesenheit, durch das Feuer wieder im Licht heraus und macht ein anderes (zweites) Prinzip mit anderer Qualität, nämlich Freude, Sanftmut und Liebebegierde.

48. So bleibt der finstere Quellgeist in sich eine Angstqual und ein Leiden, und heißt Gottes Zorn und Grimm. Und das angezündete Feuer in der vierten Gestaltung am Zentrum heißt ein verzehrendes Feuer, davon sich Gott einen zornigen, eifrigen und grimmigen Gott nennt.

49. Und wir verstehen hier den Tod und das Sterben, dazu Gottes heiliges Reich und auch sein Reich des Zorns oder der Hölle. Denn die Finsternis ist die ewige Hölle oder Höhle, dahinein sich Luzifer vertiefte, und dahinein die gottlose Seele geht, und der Grimm zum Feuerleben ist das rechte (wirkliche) höllische Feuer darin. Und es ist doch kein fernes Wesen von Gott, sondern nur durch ein Prinzip abgeschieden.

50. Wie wir dessen ein Gleichnis am Feuer und Licht sehen, darin die finstere Materie im Feuer stirbt und aus dem Abgestorbenen das Licht erscheint, das im Feuer wohnt, aber das Feuer ergreift es nicht.

51. Auch ist das Licht nicht des Feuers Essenz, Qual und Leid, denn das Licht gibt Sanftmut und liebliches Wesen, nämlich aus dem abgestorbenen, zuvor finster gewesenen Wesen, ein Wasser: Und hierin liegt das Mysterium Magnum (das große Geheimnis). Mein lieber Zettelanhänger: »Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan!«

52. Euer Wähnen ist ein toter Verstand am Mysterium. Seid ihr von Gott gelehrt, dann geht mit mir in das Zentrum, dann will ich es euch an allen Dingen in dieser Welt, ja an euch selbst beweisen. Ich will nichts ausgenommen haben, darin ich euch nicht ein Gleichnis der drei Prinzipien zeigen kann. Steht ab von eurer Lästerung, und werdet ein Kind der Weisen, dann soll es euch gewiesen werden. Aber die Perle werfe ich nicht unter eure Füße, das wißt, weder euch noch sonst einem.

53. Ich habe meine Wissenschaft nicht von Wahn oder Meinungen, wie ihr. Sondern ich habe eine lebendige Wissenschaft in der Beschaulichkeit und Empfindlichkeit. Ich brauche keinen Doktor von der Schule dieser Welt dazu, denn von ihnen habe ich es nicht gelernt, sondern von Gottes Geist. Darum fürchte ich mich nicht vor eurem Prahlen und Spotten.

Von einem rechten Christen und von der göttlichen Weisheit der ewigen Jungfrau, welche keine Gebärerin ist.

54. Liebe Herren und Brüder in Christus, seid doch Schüler der Weisheit Gottes! Sage doch keiner von sich selber, er verstehe es. Wir selber wissen nichts von Gott, was Gott ist. Gottes Geist muß in uns das Wissen werden, sonst ist unser Wissen nur Babel, eine Immer-Verwirrung, ein Immer-Lehren und nichts vom Grund im Zentrum Verstehen.

55. Was wäre es, wenn ich viel von der Weisheit aus der Schrift redete und lernte sogar die Bibel auswendig, aber verstünde nicht, was die Weisen geredet haben, auch aus welchem Geist der Erkenntnis. Wenn ich nicht auch denselben Geist habe, den sie hatten, wie will ich sie dann verstehen?

56. Zu solcher Erkenntnis gehört kein Wähnen und zu seinem Vorsatz einen Haufen Sprüche zusammenzutragen, denn das hat kein Heiliger oder Weiser getan, sondern ein lebendiger Geist aus Gott, der das Mysterium schauen und in lebendiger Erkenntnis einhergehen kann.

57. Gottes Geist muß im Verstand sein, wenn der Verstand Gott schauen will. Es gehört ein demütig gelassenes Herz dazu, kein Spötter im Verstand, darin sich der Verstand erleuchtet zu sein rühmt. Das ist nichts anderes, als eine siderische (äußerliche) Erleuchtung, um so scharfsinnig zu sein.

58. Ist einer ein Kind Gottes, dann suche er die Brüder in der Liebe Gottes, und dann kann ich ihm trauen. Solange er aber ein Spötter ist, hat er des Teufels Larvenkappe aufgesetzt und geht im überheblichen Stolz einher. Er ist kein Christ, sondern ein Mund-Christ mit verwirrtem Babel, wie alle Schmäh- und Zank-Bücher ein solches Babel sind.

59. Es weise einer dem anderen den Weg Gottes in der Liebe, Demut und Gottesfurcht, wie es den Kindern Gottes gebührt. Dann wird solche Verachtung in der Welt nicht entstehen, dadurch der einfältige Laie verführt wird und ganz unwissend über die Sache in Lästerung und Verachtung gegen seinen Bruder gerät, der nicht seiner Meinung oder seines Religions-Namens ist. Denn in der Religion, die ohne Gottes Geist und Kraft nur ein Tand und Wahn ist, ist doch einer so blind wie der andere.

60. Denn die wahre Religion steht nicht allein in äußerlichen Worten im Schein, sondern in lebendiger und tätiger Kraft, so daß einer das, was er weiß, auch vom Grund des Herzens in der Liebe für den anderen zu vollbringen begehrt.

61. In das Tun muß es kommen, oder es ist nur ein gefärbter Glaube, eine historische Babel. Wo Gottes Geist nicht ist, da ist kein Glaube, auch kein Christ. Wo er aber ist, da wirkt er nur Werke der Liebe, lehrt und straft sanftmütig und ist nicht aufgeblasen und spöttisch, wie mein Gegensetzer.

62. Er will vom Grund der göttlichen Weisheit schreiben und meine Erklärung verspotten, darin ich aus dem Zentrum sprach, und sich mit den herangezogenen Sprüchen der Heiligen Schrift beschönigen. Und er verachtet es, da ich geschrieben habe, die Weisheit sei eine Jungfrau ohne Gebären. Sie sei keine Gebärerin, sondern Gottes Geist sei ihr Leben und Gebären, und der offenbare in ihr die göttlichen Wunder. Und will ein Besseres an diese Stelle setzen.

63. Er spricht „die Weisheit leite und gebäre“ und zieht einen Haufen Sprüche zum Beweis heran. Wer ist nun hier, der mit ihm uneins ist? Ich nicht, denn ich sage es auch so. Und so schreibt er nur meine Worte, aber versteht meinen Sinn nicht, denn er ist mit sich selbst uneins. Ich rede aus dem Zentrum, und er vom Wesen des Gebärens.

64. Ich erkenne, daß die Weisheit nicht das Zentrum oder der Eröffner ist, sondern Gottes Geist. Ich erkenne es so, um im Gleichnis zu reden, wie sich die Seele im Leib durch des Fleisches Essenz offenbart, und das Fleisch die Macht nicht hätte, wenn nicht ein lebendiger Geist darin wäre. So ist auch Gottes Weisheit das ausgesprochene Wesen, dadurch sich die Kraft und der Geist Gottes in Gestaltungen, das heißt, in göttlichen Gestaltungen und Formungen in Wundern offenbart.

65. Sie gebiert, aber ist nicht das göttliche Prinzip oder das Zentrum der Gebärerin, sondern die Mutter, darin der Vater wirkt.

66. Und darum nenne ich sie eine Jungfrau, weil sie die Zucht und Reinheit Gottes ist, und keine Begierde hinter ihr zum Feuer führt, sondern ihre Lust geht vor ihr mit der Offenbarung der Gottheit.

67. Sie könnte nichts gebären, wenn nicht der Geist Gottes in ihr wirkte, und darum ist sie keine Gebärerin, sondern der Spiegel der Gottheit. Der Geist Gottes gebiert in ihr, denn er ist ihr Leben, und sie ist sein Kasten oder Leib, und so ist sie des Heiligen Geistes Leiblichkeit. In ihr liegen die Farben und Tugenden, denn sie ist das ausgesprochene Wesen, das der Vater aus dem Chaos, das heißt, aus sich selbst, jenseits und vor der Natur im Nichts faßt. Und er führt es mit der Begierde zur Natur durch die ewige Natur, durch das erste Prinzip und durch das Feuer seiner Macht im anderen (zweiten) Prinzip in der göttlichen Kraft im Licht der Majestät heraus.

68. Sie ist das, was der Vater seit Ewigkeit und in Ewigkeit immer wieder faßt und was der Vater, der ein Feuer und Licht ist, in sein Feuerleben zum Zentrum seines Herzens hineinführt.

69. Sie ist die höchste Wesenheit der Gottheit, und ohne sie wäre Gott nicht offenbar, sondern wäre nur ein Wille. Aber durch die Weisheit führt er sich in Wesen, so daß er sich selbst offenbar ist.

70. Und ich nenne sie darum eine Jungfrau, weil sie in der Ehe Gottes ist, so daß sie ohne ein Feuerleben gebiert. Denn in ihr offenbart sich das Licht oder das wahre göttliche Leben. So ist sie eine Jungfrau der Zucht und Reinheit Gottes, und ist doch in der Ehe mit Gott.

71. Oh du kluge Schule vom Gestirn, verstündest du hier den Grund, dann bedürftest du keine Bücher mehr. Denn hierin liegt alles, und der Stein der Weisen liegt an diesem Ort. Aber zieh zuerst dein rauhes Röcklein aus, dann siehst du es!

Vom dritten Prinzip: Wer die Braut Gottes sei, und wie der Geist Gottes kein Prinzip und auch ein Prinzip ist.

72. Wenn ich nun vom dritten Prinzip rede, dann verstehe ich die äußere Welt. Dazu spricht mein Gegensatz, Gott hat sie durch seine Weisheit gemacht, und beweist es mit der Heiligen Schrift. Und ich sage auch so, aber fahre nicht so stumm, sondern sage, woraus. Denn Gott hat mir das Wissen gegeben. Aber nicht ich, der ich das Ich bin, weiß es, sondern Gott weiß es in mir.

73. Die Weisheit ist seine Braut, und so sind die Kinder Christi in Christus in der Weisheit auch Gottes Braut. Wenn nun Christi Geist in Christi Kindern wohnt, und Christi Kinder Reben am Weinstock Christi sind und mit ihm Ein Leib und auch Ein Geist sind: Wem gehört nun das Wissen? Ist es mein oder Gottes? Sollte ich dann nicht im Geist Christi wissen, woraus diese Welt geschaffen ist, wenn derselbe in mir wohnt, der sie geschaffen hat? Sollte Er es nicht wissen?

74. So leide (bzw. entbehre) ich nun und will nichts wissen, der ich das Ich bin als ein Teil von der äußeren Welt, damit Er in mir wisse, was Er wolle. Ich bin also nicht die Gebärerin im Wissen, sondern mein Geist ist sein Weib, in der Er das Wissen gebiert (bzw. „erzeugt“), nach dem Maß wie er will.

75. Gleichwie die ewige Weisheit Gottes Leib ist, und er gebiert darin, was er will. Wenn er nun gebiert, dann tue nicht ich es, sondern er in mir. Ich bin wie tot im Gebären der hohen Weisheit, und er ist mein Leben: Habe ich es doch weder gesucht noch gelernt. Er neigt sich zu meiner Ichheit, und meine Ichheit neigt sich in ihn.

76. So bin ich nun tot und verstehe nichts, aber Er ist mein Verstand. Und so sage ich: Ich lebe in Gott, und Gott in mir, und so lehre und schreibe ich von ihm, liebe Brüder, und sonst weiß ich nichts.

77. Vertragt mir doch meine Torheit ein wenig, daß ich es euch sage, nicht mir zum Ruhm, sondern euch zur Lehre und Weisheit, daß ihr es wißt. Auch wenn ihr spottet und schmäht und mich verhöhnt: Ich soll es euch nicht verbergen, und meine es herzlich.

78. Ich habe von drei Prinzipien geschrieben, welche in mir erkannt wurden, aber schwächlich, gleich einem Schüler, der zur Schule geht, so ist es mir gegangen.

79. Mein Gegensatz schreibt von vieren, und nimmt den Geist Gottes auch als ein Prinzip nach seiner Meinung. Obwohl ich um dasselbige in seiner Meinung keinen Streit führe: Er mag sich auch zehn Prinzipien machen, denn die Weisheit hat weder Ziel noch Grund, aber er versteht weder meine noch seine Meinung.

80. Sage mir, wie ist der Heilige Geist ein Prinzip, oder was versteht er mit dem Prinzip? Will er die klare Gottheit zu einem Prinzip machen, die ewig ohne Grund und Anfang ist, die in nichts wohnt, auch nichts besitzt als nur sich selbst? Ich kann hier also nicht von Prinzipien reden, sondern ich rede von drei Welten, in und mit welchen sich die unbegreifliche Gottheit offenbart.

81. Eine mit der gewirkten Kraft in der Begierde zur ewigen Natur, als mit dem Geist der finsteren Qual-Qualität, durch welche sich der Wille der stillen Ewigkeit schärft, aber im Feuer durch das Licht herausführt und die Schärfe so ewig nur in sich selbst bleibt, und so aber im stillen Willen der Sanftmut nur eine Ursache in der Schärfe zum Freudenreich nehme, doch nicht essentiell mit dem Geist in der grimmigen Schärfe bleibe oder stehe. Sondern die Wurzel ist eine Finsternis, und der Geist geht aus dem Chaos durch die Wurzel, als durch das Feuer in des Vaters Eigenschaft, durch das andere (zweite) Zentrum der Liebe und des Freudenreichs im Licht aus.

83. So ist nun dieser Geist, der das Leben allen Wesens in jedem Wesen ist, nach seiner Eigenschaft kein Prinzip, sondern nach der ewigen Natur der Grimmigkeit ist er ein Prinzip.

84. Entsprechend besteht auch das andere (zweite) Prinzip mit der göttlichen Welt, darin sich die göttliche Kraft im Glanz der Majestät ausgießt, welches zu Recht für alle drei Personen der Gottheit gerechnet wird.

85. Aber das dritte Prinzip muß man im Feuer verstehen, darin das Sterben ist, und aus dem Sterben ein anderes Leben entsteht, wie aus dem Feuer ein Licht, obwohl da doch kein Sterben ist, sondern eine verzehrende Qual, und aus der Qual-Quelle der hochtriumphierende Geist entsteht. Darin sich dann Gottes Liebe- und Zornwille in zwei Welten scheidet, nämlich in Licht und Finsternis. Und so heißt er „Gott“ nach dem Licht und nach der ausgegossenen Kraft seiner Weisheit.

86. Aber der ewige göttliche Ursprung ist nicht in der ewigen Natur. Der Wille zur Natur ist eher, und dieser Wille ist das Chaos, darin alles liegt, und der Geist entsteht daraus und offenbart sich mit Finsternis und Licht. Darum nenne ich den Geist Gottes nicht ein Prinzip, denn er ist ohne jeden Anfang, aber mit den ewigen Anfängen wird Gott in der Dreifaltigkeit offenbar, wiewohl im Chaos auch die Dreiheit ist, wie im Buch der „Sechs (theosophischen) Punkte“ ausgeführt wurde.

Warum die äußere Welt ein eigenes Prinzip ist: Ihr Modell ist ewig.

87. Wenn ich nun vom dritten Prinzip schreibe, dann sage ich auch, daß Gott alle Dinge durch seine Weisheit erschaffen habe. Aber nicht aus dem Geist, der Gott genannt wird, ist diese Welt erschaffen, denn sie heißt „Gut und Böse“ und ist eine Mordgrube des Teufels.

88. Auch ist sie nicht aus der göttlichen Weisheit geboren, sondern durch die Weisheit. Denn die Weisheit ist nicht die Materie zu dieser Welt, sonst müßte ein Stein Gottes Weisheit heißen und die Sünde auch. Sondern sie ist aus den zwei ewigen Prinzipien, von beider Welt Wesenheit, als aus beiden Begierden geboren.

89. Gott der Vater, der alles ist, hat sich mit der Schöpfung dieser Welt bewegt, das heißt, in den Gestaltungen beider Welten, beider Naturen, und hat Engel geschaffen, das heißt, aus dem Geist der ewigen Naturen.

90. Denn soll ein Geist im Freudenreich bestehen, dann muß er das Zentrum in sich haben, daraus die Freude entsteht, als das Zentrum zur finsteren Welt, welches die scharfe Macht ist. Sonst wäre er eine Stille ohne Bewegung.

91. Darum, als Luzifer das Licht verachtete, blieb er im Teil der Finsternis, denn sein Wille ging vom Licht heraus und wollte in der Feuersmacht herrschen, dadurch er Gott nach des Feuers Eigenschaft erzürnte, das heißt, im Prinzip, in des Feuers Eigenschaft.

92. Also, sage ich, ist die äußere Welt ein Prinzip, so daß sie ein eigenes Leben hat, aus beiden inneren geistigen Welten geboren, als eine Offenbarung des ersten und zweiten Prinzips, ein Modell oder Gleichnis der ewigen Natur, gefaßt in der Begierde der ewigen Natur, geoffenbart mit einem Anfang und eingeschlossen in eine Zeit, welche mit dem Ende wieder in die Ewigkeit geht.

93. Solches Modell der Zeit stand in Gottes Weisheit, welches die Weisheit durch zwei geistige Welten mit der Bewegung des ewigen Vaters offenbart hat. Und das Offenbarte kommt aus beiden ewigen Prinzipien, nämlich aus der Licht- und finsteren Welt. Und so schwebt das Licht in der Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht.

94. Und hierin liegt der Zug zum Guten und Bösen und heißt jetzt, wie die Schrift zum Willen des Menschen sagt: »Welchem ihr euch zu Knechten in Gehorsam begebt, entweder dem Licht Gottes oder der Finsternis im Zorn Gottes, dessen Knechte seid ihr. (Röm. 6.16)« Und dahinein geht ihr, dem seid ihr gehorsam, und davon werdet ihr gezogen und geführt, auch zu Kindern erwählt. Es ist beides Gottes, aber nur das Licht wird „Gott“ oder „gut“ (bzw. „Gutheit“) genannt.

Wie die Seele aus allen drei Welten ist, von ihrer Macht und freien Willen, vom Zug des Vaters, und was es heißt, über allen Verstand zu glauben.

95. Mein Gegensatz schreibt: Die Seele des Menschen sei aus dem Mund Gottes dem Menschen eingeblasen. Darin habe ich auch keinen Streit mit ihm, und er bedürfte keiner Glossen (Anmerkungen). Ich rede aber nicht blind, wie er. Ich erkläre aus dem ganzen Mund Gottes, aus dem ganzen Zentrum, aus dem Willen zur ewigen Natur, das heißt, aus dem Chaos und aus der ewigen Natur, aus den zwei ewigen Prinzipien, aus Finsternis, Feuer und Licht, ein ganzheitliches Bild und Gleichnis der ganzen Gottheit des Wesens aller Wesen.

96. Und sage, daß sich der Geist Gottes selbst nach der Eigenschaft aller drei Welten eingeblasen habe, denn er ist das Leben und der Geist allen Wesens, in jedem Wesen nach seiner Eigenschaft.

97. Denn vor den Zeiten dieser Welt war nichts, kein Leben außer ihm, und es ist auch noch kein Leben außer ihm. Aber es heißt, wie die Schrift sagt: »Bei den Heiligen bist du heilig, und bei den Verkehrten bist du verkehrt. (Psalm 18.26)«

98. In den Heiligen ist er das göttliche Freudenreich und das göttliche Leben, aber bei denen, die ihren Willen in Gottes Zorn, in die Finsternis wenden, ist er Gottes Zorngeist.

99. Ist doch Gott selbst alles, denn von ihm ist alles hergekommen. Was streiten wir dann lange und viel um Gott? Laßt uns nach dem Besten streben, nach der Liebe: Dann werden wir Kinder der Liebe Gottes.

100. Warum wollt ihr dem Menschen den freien Willen Gottes absprechen? Ist doch seine Seele aus der höchsten Allmacht Gottes geschaffen und hat göttliche Macht, wenn sie in die Liebe Gottes eingeht. Wie uns Christus lehrte, daß wir nicht allein solche Wunder tun würden, wie er mit dem Feigenbaum tat, sondern viel größere: Wenn wir nur Glauben hätten, dann könnten wir mit einem Wort einen Berg ins Meer stürzen. (Matth. 21.21)

101. Hat er uns doch zugesagt den Glauben zu geben, denn er sprach: »Mein Vater will den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Luk. 11.13)« Sein Wort muß wahr sein, und alles, was dagegen spricht, Lüge sein. Dazu sagte er, er wäre gekommen, den Sünder zur Buße zu rufen, nicht den Gerechten. (Luk. 5.32)

102. Was macht ihr dann für eine närrische Wahl über den Menschen und nehmt ihm den freien Willen? Hat der arme Sünder keinen freien Willen, so daß er kommen kann: Warum ruft sie dann Christus alle zu sich? (Matth. 11.28)

103. Ihr sprecht mit der Schrift: »Es kann niemand zu ihm kommen, es ziehe ihn denn der Vater.« Ja recht, das sage ich auch so: Es liegt nicht an unserem Wollen, Laufen oder Rennen, sondern an Gottes Erbarmen. Er zieht, wen er will, und verstockt, wen er will: Das ist alles richtig, aber ihr seid blind daran und versteht es nicht richtig.

104. Wenn es am Menschen liegen würde, dann stünde die Seligkeit in des Menschen Macht, durch eigenen Wahn selig zu werden, wie er wollte, auch wenn er der alte, bösartige und in Adam abgestorbene Mensch bliebe.

105. Darum, weil wir in Adam (der göttlichen Wesenheit) abstarben, hatten wir das eigene Recht verloren, und es lag nun an Gottes Erbarmen. Und so hieß es alsobald: »Ihr müßt wieder aus Gott geboren werden, wenn ihr Gott schauen wollt. (Joh. 3.5)« »Ihr müßt umkehren und wie die Kinder werden, anders sollt ihr das Himmelreich nicht schauen.«

106. So haben wir nun am Himmelreich nach dem Fall keine Gewalt, damit etwas zu tun. Wenn wir aber den Geist Christi schöpfen, der uns aus Gnade in unsere Seele wieder geboren hat, dann leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich. (Matth. 11.12)

107. Aber es ist nicht unser Vermögen, daß wir es an uns reißen, sondern das Vermögen ist Gottes, der es durch Christus wieder in uns hineingeführt hat. Wir können es nicht mit Gewalt und eigenem Recht nehmen, sondern aus Gnade wird es uns als Geschenk angeboten.

108. So liegt es nun nicht an dem, daß wir in eigenem Verstand danach laufen und es nehmen wollen, sondern an dem liegt es, daß wir uns in den Schoß als in die Menschwerdung Christi, als in den Leib unserer neuen Mutter, wieder hineingeben, nämlich in eine neue Menschwerdung, so daß wir mit unserem Willen im Gehorsam Christi Wille werden, daß wir in einem Nichts bloß nur zu einem Schein oder Samen des Willens werden, daß Christus unser Wille werde und seine Menschwerdung unsere Menschwerdung, seine neue Geburt aus Gott und Mensch unsere neue Geburt aus Gott und Mensch, seine Abtötung des Zorns Gottes im Zentrum der Seele unsere Abtötung, seine Auferstehung unsere Auferstehung, und sein ewig-göttliches Leben unser ewig-göttliches Leben. Dann heißt es: »Wer zu mir kommt, also in meine Menschwerdung, das heißt, in mich, den werde ich nicht hinausstoßen. (Joh. 6.37)« Oder: »Meine Schäflein sind in meinen Händen, niemand kann sie mir entreißen. Und der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles. Ich und der Vater sind Eins. (Joh. 10.28)«

109. Liebe Brüder und Freunde, versteht doch nur den Zug des Vaters recht! Es soll nicht verstanden werden, daß Gott einen verstocke, der sich von den Sünden zu bekehren begehrt, sondern den, der es nicht begehrt. Das Begehren steht in unserem Willen, aber das Bekehren steht in Gottes Erbarmen.

110. Nun hat Er aber dem begehrenden Willen das Erbarmen aus Gnade zugesagt. Denn er spricht: »Wendet euch zu mir, dann will ich mich zu euch wenden. (Sach. 1.3)« Oder: »Klopfet an, so wird euch aufgetan! Suchet, so werdet ihr finden, bittet, so werdet ihr empfangen! Welcher Sohn ist es, der den Vater um ein Ei bittet, der ihm einen Skorpion biete? Könnt ihr, die ihr arm seid, euren Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird mein himmlischer Vater seinen Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. (Matth. 7.7)«

111. Wolltest du nun sagen, Gott verstocke dir dein Herz und Willen, daß du nicht bitten kannst? Beweise das aus der Schrift! Oder wolltest du sagen, du kannst nicht glauben: Das ist auch nicht wahr.

112. Kannst du nicht glauben, dann gib alle deine Sinne in die Menschwerdung Christi hinein, in seinen Geist, und sei in ihm wie tot. So laß ihn in dir glauben, wie er will. Was bekümmerst du dich lange um starken Glauben, der Berge umstürzt? Es steht nicht in deiner Gewalt, solches zu glauben.

113. Bekümmere dich nur um einen wahrhaft ernsten Willen: Gehe aus der Sünde heraus und kämpfe täglich ohne Unterlaß gegen die Sünde in Fleisch und Blut. Begehre sie nicht mehr und werde ihr Feind, mache Feindschaft mit ihr, laß Gott mit dir machen und in dir glauben, wie stark er will. Hänge du an Gott und ringe mit ihm, wie Jakob die ganze Nacht, welcher sprach: »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. (1.Mose 32.26)« Und David sagte: »Wenn es auch den Tag bis in die Nacht und wieder bis zum Morgen währte: So soll doch mein Herz nicht verzagen.«

114. Das heißt über allen Verstand zu glauben, wenn das Herz keinen Trost empfängt und doch an Gott hängt und im Willen sagt: „Herr, ich lasse nicht von dir. Wirf mich in den Himmel oder in die Hölle, so lasse ich dich doch nicht. Denn du bist mein, und ich bin dein: Ich will in dir nichts sein, mache aus mir, was du willst!“

115. Liebe Brüder, erkennt es wohl. Dieser Sturm der Gewalt zerbricht letztendlich Hölle und Himmel, davon mein Gegensatz, wie ich verstehe, in seinen gar traurigen Schriften gar nichts weiß.

116. Er sagt: „Der Mensch soll stillstehen, was Gott mit ihm tue. Er werfe ihn in Himmel oder Hölle, der Mensch könne das nicht verwehren. Denn es sei in Gottes Vorsatz und Rat beschlossen, wo er einen jeden hinwerfen wolle.“ Ach, des ganz jämmerlichen Ortes und elenden Glaubens! Erbarme es doch Gott, daß wir uns so blenden lassen.

117. Wenn wir nicht zu Gott kommen können: Warum gebietet er uns dann zu kommen? Spricht doch Christus, er sei in diese Welt gekommen, um die armen Sünder zu suchen und selig zu machen. (Luk. 5.32) Oder, er sei gekommen, zu suchen was verloren ist, also den armen verdammten Sünder, den Gottes Zorn schon in die Finsternis gezogen und fest eingeschlossen und zum Kind der Finsternis erwählt hat. Für den ist Christus gekommen, um ihn zu suchen und selig zu machen, und nicht für den Gerechten, der bereits fromm ist. Seht doch den Vater des verlorenen Sohnes an: Was tat er mit dem Sauhirten, der sein himmlisches Gut mit des Teufels Säuen verpraßt hatte? (Luk. 15.11)

Vom groben Irrtum Balthasar Tilkes, und vom Samen Adams, auf den er seine Wahl baut.

118. Mein Gegensatz will zweierlei Samen in Adam machen, daraus natürlich zweierlei Menschen vom Mutterleib her geboren werden: Einer aus des Weibes Samen, und der andere aus der Schlange Samen. Und darum liebe Gott den einen und verlasse oder verstocke den anderen. Und er will es mit Kain und Abel, wie auch mit Jakob und Esau beweisen. Darauf baut er die Gnadenwahl.

119. Ich aber sage euch, liebe Brüder, wenn er in dieser Zeit, während er solche Lästerung gegen Gott und das menschliche Geschlecht geschrieben hat, geschlafen hätte, wie selig wäre ihm die Zeit! Doch so macht er aus dem Bild Gottes zweierlei Bildnis, aus einem Samen zwei Samen, und den einen Teil schreibt er dem Teufel zu, als der Schlange, und den anderen dem Weibes-Samen.

120. Ich will ihn aber gefragt haben, ob Kain und Abel sowie Jakob und Esau nicht beide vom Samen des Vaters und der Mutter empfangen wurden? Ob zu der Zeit, da Kain empfangen worden ist, in demselben Samen in Adam und Eva, daraus er empfangen wurde, eine bloße teuflische Essenz gewesen sei, wie er vorgibt? Dann müßte ja der Teufel diesen Samen in Adam und Eva bewirkt haben, daraufhin ihn Gott vorsätzlich verstoßen hat. Oder er sage mir doch nur, wer diesen Schlangen-Samen, davon er spricht, in Adam und Eva gewirkt habe, dieweil er ihn nicht gut und böse nach den zwei inneren Welten seinlassen will und so einen völligen Unterschied macht.

121. Oh du ganz blinder, jämmerlicher und elender Verstand, laß dir doch raten! Steht doch die Gnadentür jetzt weit offen. Verführe doch die Kinder Gottes nicht so, die Christus mit seinem teuren Blut erkauft hat, der da spricht: »Kommt alle zu mir, die ihr mit Sünden beladen und beschwert seid! (Matth. 11.28)« Erkenne doch das Zentrum, den Grund des Willens Gottes, und sehe auf das Zentrum!

122. Johannes sagt: »Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. (Joh. 1, 5)« Versteht ihr das nicht? Als Adam in seiner Unschuld war, schien ihm auch sein Licht in der Finsternis, doch die Finsternis ergriff sein Licht nicht. Als er aber nach der Finsternis imaginierte, das heißt, nach Gut und Böse, da löschte ihm das Böse sein Licht, und die Finsternis wurde in ihm offenbar. Da starb er der göttlichen Wesenheit ab, das heißt, des göttlichen Leibes oder himmlischen Fleisches, und wachte in der Wesenheit des äußeren Geistes und des äußern elementischen Fleisches auf und bekam tierische Eigenschaft.

123. Auch wachte in derselben tierischen Eigenschaft der Geist oder die Qual-Quelle der Finsternis mit auf, als das erste Prinzip in Gottes Zorn. So starb er der englischen Welt ab, als dem Paradies, und wachte in der äußeren Welt auf, welche durch die zwei inneren geistigen Welten gut und böse ist.

124. Die finstere Welt sollte am Menschen nicht offenbar sein. Denn das Licht, das heißt, das göttliche Licht, schien in Adam in der Finsternis, und die Finsternis, als das erste Prinzip, konnte das Licht nicht ergreifen. Als aber Adams Imagination dahinein ging, ergriff die Finsternis das Licht, und so wurden alle drei Prinzipien in Adam rege und offenbar.

125. Denn Adam wollte wie Gott sein und Gutes und Böses wissen, welches ihnen Gott verbot, sie sollten nicht von Gut und Böse essen, sonst würden sie sterben. Aber der Teufel beredete sie, sie würden davon klug werden. Ja wohl, so klug, daß sie die äußere tierische Eigenschaft erkannten, welche an ihnen offenbar wurde als ihnen die Augen durch ihre Imagination und ihr irdisches Essen aufgetan wurden, so daß sich die arme Seele schämte und immer noch schämt, daß sie die tierische Eigenschaft sieht.

126. Der äußere Leib an Adam war wohl auch vor dem Fall da, aber der Seele nicht offenbar, gleichwie jetzt das Himmelreich in uns ist, aber der Seele in ihrem ausgewandten Teil in dieser Welt nicht offenbar. So lebt jetzt in dieser Zeit auch ein Kind Christi mit der neuen Geburt im Himmel, und das Auge der umgewandten Seele sieht das nicht, aber das Auge in Christus sieht es.

Warum Gott Kain und Esau gehaßt und Abel und Jacob geliebt hat, und welche die verlorenen Sünder sind, für die Christus gekommen ist.

127. Also, liebe Brüder, erkennt es doch nur recht! Kain war nicht aus völlig teuflischer Essenz aus dem Samen der Schlange gezeugt, sondern aus der Essenz aller drei Prinzipien, aller drei Welten. Denn wie Adam nach seinem Fall war, so war auch sein Samen.

128. Aber dies wißt: Als Adam fiel, da kamen die drei Prinzipien in Adam miteinander in Streit, nämlich erstens Gottes Zornreich, zweitens Gottes Liebereich und drittens das Reich dieser Welt. Kain wurde im Zornreich ergriffen, Abel im Reich der Liebe, und so sprach Gott recht bei Jakob: »Jakob habe ich geliebt, und Esau gehaßt. (Röm. 9.13)« Also auch bei Kain und Abel, denn Kain hat das Zornreich als das erste Prinzip in der Essenz im Samen des Mutterleibs im Ringen ergriffen, und Abel Gottes Liebe als das zweite Prinzip: Nun war Kain bösartig, und Abel fromm.

129. So seht doch, liebe Brüder! Als Kain und Abel opferten, da roch Gott, das heißt, Gottes Liebe und Sanftmut als das zweite Prinzip das Opfer Abels, aber das von Kain wollte Gott nicht annehmen. Da ergrimmte Kain über seinen Bruder Abel. Und darin seht ihr den Streit zwischen den zwei ewigen Prinzipien, zwischen Liebe und Zorn, in den beiden Brüdern im Menschen, wie auch das finstere grimmige Reich im Menschen offenbar geworden ist. So sprach Gott zu Kain: »Was ergrimmst du? Ist es nicht so: Wenn du fromm bist, bist du angenehm. Wenn aber nicht, dann ruht die Sünde vor der Tür. Aber herrsche über sie, und laß ihr nicht die Gewalt! (1.Mose 4.6)«

130. Hier erkennt es doch! Gott sprach: »Herrsche über die Sünde! Laß ihr keine Gewalt!« Wäre nun Kain von einer völlig teuflischen Essenz gewesen und von Gott verstoßen, dann hätte Gott nicht zu ihm gesagt: »Herrsche über die Sünde, laß ihr nicht die Gewalt!“ Wäre in Kain nichts gewesen, damit er über das Böse hätte herrschen können, dann hätte es ihn Gott nicht geboten. Auch wenn der Zorn in ihm mächtiger war als in Abel, so war er darum nicht völlig aus der Essenz des Zorns gezeugt, sondern aus Dreien in Eins. Erkennt es recht! Christus ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, wie er selbst sagt (Luk. 5.32), nicht um des Gerechten willen.

131. Wer sind nun die Verlorenen? Kain, Ismael, Esau und alle armen im Zorn Gottes ergriffenen Sünder, die vom Mutterleib her verloren waren, um deren willen Er ein Mensch geworden ist und sie alle zu sich ruft. Sie sollen kommen, wer da will: Sie sollen suchen, bitten und anklopfen, und Er will ihnen den Heiligen Geist geben. (Luk. 11.13) Und wenn sie kommen, dann ist die Freude über einen einzigen verlorenen und im Zorn Gottes ergriffenen Menschen vor den Engeln Gottes im Himmel größer als über neunundneunzig Abels oder Jakobs, die der Buße nicht bedürfen (Luk. 15.7), welche im ringenden Rad, im Zentrum der drei Prinzipien, in der Liebe ergriffen wurden.

132. Jakob hat Gott geliebt, das heißt, er wurde im Mutterleib in Gottes Liebe ergriffen, welche mitwirkte, und Esau wurde gehaßt, denn der Zorn hatte ihn ergriffen. Nun ist aber dieses Hassen nicht so zu verstehen, als wenn Gott den verlorenen Sünder nicht wollte. Ja, um der Sünder willen ist Gott Mensch geworden und gekommen, um den armen Sünder zur Buße und zur neuen Wiedergeburt aus dem Zorn in die Liebe zu rufen.

133. Und Christus sagt: »Du hast nicht gewollt, Jerusalem! Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Gluckhenne ihre Küchlein unter ihre Flügel, doch du hast nicht gewollt. (Matth. 23.37)« Oder: »Wie gern wollte ich die besten Trauben essen, aber ich bin wie ein Weingärtner, der da nachliest. (Mich. 7.1)«

Was die Verstockung sei, und wie die Liebe Gottes den Sünder warnt. Auch wie die Liebe Gottes allmächtig zum Erhalten ist, aber auch sein Zorn allmächtig zum Verderben.

134. Nun spricht der Verstand: „Was ist dann das Nicht-Wollen, während Gott den verlorenen Sünder ruft und ihn in Christus haben und neugebären will? Ist es die Verstockung des Vaters?“ Ja recht, seines Zorns Verstockung ist es, und des Teufels Wille. Das heißt, es ist der Wille der finsteren Welt, die den Menschen verstockt, aber sie kann das nicht zum Tod tun, sondern als eine finstere Nacht.

135. Was tut aber Gottes Liebe als das zweite Prinzip dazu? Die klagt gar oft im Herzen, wenn der Mensch die Sünde begeht, und spricht: „Tue es nicht! Gottes Zorn wird in dir ergrimmen. Fürchte Gottes Gericht!“ Und warnt den Menschen vor gottlosen Wegen. Folgt ihr nun der freie Wille und kehrt um, dann heißt es: Dem Frommen, das heißt, weil er fromm wird, muß das Licht in der Finsternis aufgehen. Dann beginnt das Licht mitten in der finsteren Nacht zu scheinen. (Psalm 112.4)

136. Sprichst du aber: „Er kann sich nicht bekehren, es ist nicht möglich.“ Dann redest du in Gottes Macht hinein und gegen alles, was Christus sagt: »Er sei um des verlorenen Menschen willen gekommen, daß er ihn suchen und selig machen wolle. (Luk. 5.32)« Sollte denn Gottes Zorn größer sein als seine Liebe? Hat doch Christus den harten finsteren Tod und grimmigen Zorn Gottes zerbrochen, der uns im Zentrum der Seele am Band der finsteren Welt als des ersten Prinzips gefangenhielt, und den Tod an der Seele am Kreuz schaugetragen, so daß die Schrift im Geist Christi sagt: »Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Der Strick ist entzwei, und wir sind frei, singt die Kirche Christi.«

137. Ich will euch, liebe Brüder, fragen, was alles Lehren und Predigen nütze sei, wenn Gott dem Menschen sein Herz verstockt, wie mein Gegensatz sagt, so daß er es nicht verstehen und annehmen kann? Was muß man dem Gerechten predigen, der ohnedies läuft? Sprach doch Christus, er sei wegen den armen verlorenen Sündern gekommen und nicht wegen den Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. Seht ihr nicht, daß Christus die Teufel aus denen austrieb, die schon vom Teufel besessen waren, und nahm sie zu Kindern an? Wie auch aus Maria Magdalena, der großen Hure? (Luk. 3.2)

138. Wenn die Schrift sagt »Er verstockt, wen er will. (Röm. 9.18)«, dann ist der freche Sünder gemeint, der auf Gnade sündigt und unter einem gleisnerischen Schein Gott nur spottet, ihm mit dem Mund heuchelt und sein Geist nur Falschheit meint. Dem entzieht er sich vollends und läßt ihn dahinheucheln. Wer kann dem auch helfen, der sich seinen eigenen Willen zum Helfer einsetzt? Soll ihm geholfen werden, dann muß er aus seinem Eigenwillen herausgehen und in Gott gelassen sein.

139. So sprichst du: „Gott ist allmächtig. Kann er nicht mit dem Willen des Menschen tun, was er will? Er ist es, der in allem mächtig ist: Wer will ihn richten?“ Wie die Schrift sagt, und es mein Gegensatz mächtig so treibt.

140. Höre, mein Gegensatz, du bist noch viel zu jung dazu. Lerne zuerst, was Gott sei, und was sein Wille im Bösen und Guten sei. Es läßt sich damit wohl im Verstand eine Kette schließen. Weißt du aber auch, daß der Himmel gegen die Hölle ist, und die Hölle gegen den Himmel, der Zorn gegen die Liebe, und die Finsternis gegen das Licht? Was meinst du hier von Gott? Wenn ich auf eure Weise reden soll, daß Gott in allem allmächtig ist, wie es auch wahr ist, so muß ich sagen, daß Gott Alles ist. Er ist Gott, er ist Himmel und Hölle, und ist auch die äußere Welt, denn von ihm und in ihm entsteht alles. Was mache ich aber mit einer solchen Rede, die keine Religion ist? Eine solche Religion nahm der Teufel in sich und wollte in allem offenbar sein und in allem mächtig.

141. Denn du sprichst: „So ist Gott mit sich uneinig, weil er Böses und Gutes ist.“ Oh du lieber Verstand, lerne das Zentrum hier, oder bleibe daheim mit Lehren und Schreiben! Siehe, ich sage dir ein solches: Wenn keine Angst wäre, dann wäre kein Feuer, und wenn kein Feuer wäre, dann wäre kein Licht, und wenn kein Licht wäre, dann wäre weder Natur noch Wesen, und dann wäre Gott sich selbst nicht offenbar. Was wäre dann? Ein Nichts! Wenn du auf das Zentrum kommen wirst, dann wirst du das sehen. Mit diesem gar hohen Artikel weise ich den Leser in das Buch von den „Sechs (theosophischen) Punkten“ der drei Welten. Dort wird er sehen, was Gott ist, was sein Wille und die Allmacht sind und was „Gott“ heißt.

142. Denn wenn sein Zorn allmächtig zum Verderben ist, dann ist seine Liebe auch allmächtig zum Erhalten. Wenn diese Gegensätzlichkeit nicht wäre, dann wäre kein Leben, und es wäre kein Gutes und auch kein Böses. Nun ist aber das Wesen aller Wesen offenbar, damit darin erscheine, was gut oder böse sei. Denn wäre kein Grimm, dann wäre kein Bewegen. Und so ist das Wesen aller Wesen ein stetes Wirken, Begehren und Erfüllen. Das Feuer begehrt das Licht, damit es Sanftmut und Wesen zu seinem Brennen oder Leben bekomme, und das Licht begehrt das Feuer, sonst wäre kein Licht, und es hätte auch weder Kraft noch Leben. Und sie alle beide begehren die finstere Angst, sonst hätten Feuer und Licht keine Wurzel, und alles wäre ein Nichts.

143. So sage ich euch nun: Gottes Liebe ist so groß wie sein Zorn, sein Feuer ist so groß wie sein Licht, und seine Finsternis ist so groß wie der anderen eines. Es ist alles gleich ewig, ohne Anfang, und beginnt seit Ewigkeit mit der Finsternis, und führt sich seit Ewigkeit durch die Finsternis in der Qual-Qualität bis in das Feuer. Und im Aufgang des Feuers ist der ewige Tod, darin sich Finsternis und Licht scheiden. Jedes ist ein Prinzip in sich selber: Die Finsternis besitzt sich selber, das Feuer besitzt sich selber, und das Licht besitzt sich auch selber. Eines wohnt im anderen, vom anderen unergriffen. Es ist aber auch in Ewigkeit keine Zerteilung. Doch die in der Finsternis wohnen, sehen das Licht nicht, und die im Licht wohnen, sehen keine Finsternis.

Was Gott sei, und wie ohne die Finsternis alles ein Licht sein sollte. Und auf welche Weise der Mensch Macht hat, aus dem Bösen ins Gute und aus dem Guten ins Böse zu gehen.

144. Da spricht der Verstand: „Was ist denn Gott, oder welches ist Gott, wenn gesagt wird, Gott verstocke das Gemüt des Menschen?“ Siehe, er ist alles, aber allein das Licht heißt „Gott“. Denn im Licht ist Kraft, Liebe und sanftes Wesen, und im Feuer ist Stärke, Macht und Leben.

145. Da fragst du: „Dann ist die Finsternis eine Ursache der Gottheit?“ Nein, aber Gott wäre nicht offenbar, und es wäre keine Natur noch Kreatur ohne die Finsternis, auch weder Dickes noch Dünnes, weder Farben noch Tugend.

146. Gott ist wohl jenseits der Natur, aber ohne Offenbarung in einigerlei (formloser) Gestalt. Durch die ewige Natur offenbart er sich in der Dreiheit, und mit der Weisheit in Wunder, und mit der äußeren Natur offenbart er die geistigen Welten, nämlich mit der Zeit die Ewigkeit. Darum gehört die Zeit mit ihren Wundern in die Ewigkeit. Aber was aus der Zeit seinen Anfang hat, das vergeht mit der Zeit und sein Schatten bleibt in der Bildung nach der Eigenschaft der beiden ewigen Welten, wie es vor den Zeiten der Welt war.

147. So erkennt nun! Gottes Zorn macht das finstere Gemüt voll, und Gottes Liebe macht das Licht-Gemüt voll: »Denn wer da hat, dem wird gegeben.«

148. Nun steht aber alles im Streit: Das Licht gegen die Finsternis, das Leben gegen den Tod, und der Tod gegen das Leben.

149. Nun ist aber der Mensch aus dem großen Wesen aller Wesen, und in ihm ist der Streit. Wenn er nun in der Bosheit gefangen ist, dann kann er dem großen Übel nicht entfliehen, er falle denn in den Tod, das heißt, in das Nichts. Dann ist er von der Verwirrung (Turba) frei und fällt in Gottes Erbarmen, denn sein Wille geht wieder in das, aus dem er seit Ewigkeit entstanden ist, in der Schöpfung des Ersten, nämlich in die Vorhersehung in Jesus Christus, ehe der Welt Grund gelegt wurde. Dort ist er am Ziel und wiederum in das Schöpfen gefallen, und so empfängt ihn Christus.

150. »Denn die Menschen waren dein, sagt Christus, und du, Vater, hast sie mir gegeben, und ich gebe ihnen das ewige Leben. Vater, ich will, daß sie sind, wo ich bin. (Joh. 17.6)«

151. Wer aber in seinem Eigenen bleibt, wie er zu dieser Welt geboren ist, der bleibt in dem, wie er im ringenden Rad im Zentrum des Lebens Aufgang ergriffen wurde. Nun steht es ihm doch frei, aus dem Guten in das Böse zu gehen, oder aus dem Bösen in das Gute.

152. Nicht, daß er die Macht habe, sich zum Kind und Erben zu machen. Das geschieht aus Gnade. Der Macher aber steht für ihn bereit und wartet seiner alle Stunden zum Bösen und zum Guten: Die Hölle begehrt ihn, und der Himmel begehrt ihn. So stehen beide Begierden die ganze Zeit seines Lebens vor ihm und in ihm offen. Und so hat er Hölle und Himmel in sich. Fährt er mit dem Willen ohne Gott in Verstand, Fleisch und Blut, dann ist er auf dem Grund der Hölle, und die wird in ihm offenbar, wenn ihm das Sonnenlicht verlischt. Schwingt er sich aber ohne jeden fleischlichen (bzw. materialistischen) Verstand in die Gelassenheit in Gott, dann ist er im Himmel. Am Willen liegt alles: Wo der Wille hinwill, dahin müssen Leib und Wesen nachfolgen, und dieser ist im Menschen frei.

153. Hat der Mensch Macht, sich mit seinem Willen in Gottes Zorn zu schwingen, wie mein Gegensatz bekennt, warum nicht auch in Gottes Liebe? Aber sich selber zum Kind machen, das kann er nicht. Er geht nur mit dem Willen in die Matrix (Gebärmutter) ein, und so ergreift ihn das göttliche Schöpfen und macht ihn. So kann er sich auch selber nicht zum Teufel machen: Das macht das höllische Schöpfen nach der Eigenschaft der finsteren Welt, wenn er nur seinen Willen dahinein ergibt.

Wie Balthasar Tilke des Teufels Advokat ist. Wie der Teufel keinen mehr mit der Verzweiflung befällt als eben die Kinder Gottes, und vom festen Vertrauen der Gläubigen.

154. Mein Gegensatz sagt, die Seele sei aus dem Mund Gottes, und das ist wahr. Ist sie aber aus dem Mund Gottes, dann ist sie aus göttlicher Allmacht gekommen: Warum nimmt er ihr dann den freien Willen? Sie hat im Bösen und Guten freien Willen. Aber er spricht eben so, als wenn ich sagte: „Ich kann nichts Gutes denken. Ich kann nimmermehr einen guten Willen in mir schöpfen, um etwas Gutes zu wollen.“

155. Aber die Schrift straft ihn und sagt: „Sage nicht in deinem Herzen: Wenn ich sündige, dann hat es Gott getan.“ Denn der 5te Psalm sagt: »Du bist kein Gott, dem gottloses Wesen gefällt. (Psalm 5.5)« Und in (Hes. 33.11): »So wahr ich lebe, ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe.«

156. Aber er behauptet, Gott verstocke ihn aus seinem Vorsatz, so daß er sich nicht bekehren könne. Wer sollte nun recht haben, der Prophet oder mein Gegensatz? Die Schrift antwortet: »Es sei vielmehr so, daß Gott wahrhaftig ist, und alle Menschen lügenhaftig. (Röm. 3.4)«

157. Mein Gegensatz schreibt klar und gibt zu verstehen, daß Gott den Fall Adams gewollt hat, und Gott hätte die magische paradiesische Geburt nicht gefallen, sonst wäre Gottes Majestät nicht offenbar geworden. Wenn das wahr ist, dann war Gott ungerecht als er Adam verbot, von Gut und Böse zu essen. Warum wollte mich dann Gott um dessentwillen richten und mir als Sünde anrechnen, wenn ich das tue, was er haben wollte?

158. Aber ich sage, der Teufel wollte es haben, daß der Mensch sündigte und die Irdischkeit an ihm offenbar wurde, dessen er sich schämte. Und mein Gegensatz gibt damit dem Teufel einen rechten Advokaten, welches mich sehr jammert, daß der Mensch eben des Teufels Wort und Willen redet und dem Menschen so einen Strick der Verzweiflung an den Hals wirft. Er gibt es so zu verstehen, daß der Mensch nicht selig werden könne, auch wenn er gern wollte, er sei denn dazu erwählt: Das ist gewiß des Teufels Lehre und Wort.

159. Wo will der Angefochtene bleiben, wenn ihm der Teufel zusetzt und spricht: „Verzage, du bist nicht von Gott erwählt!“ Der kann nach seiner Lehre nur verzagen und sagen: „Ich kann nichts dafür: Will mich Gott nicht haben, dann magst du mich hinnehmen.“

160. Er ist doch so heilig und kitzelt auch etliche Gleißner und sagt im Pasquill, es sei den Kindern Gottes ein großer Trost, wenn sie an sich finden, daß sie erwählte Kinder Gottes sind. Oh, wie viele Gleißner wollten gern unter solchem Mantel liegen, wenn (bzw. wo) die Sünde schläft!

161. Ach, elende Lehre! Oh Mensch, öffne die Augen und hüte dich. Die Kirche Christi singt: „Wo er am besten damit ist, dort will er es nicht entdecken.“

162. Wem setzt der Teufel mit der Verzweiflung mehr zu, als eben diesen Kindern Gottes, damit sie sich nicht offenbar werden? Und Gott verbirgt sich oft, so daß sie ängstlich zu Gott rufen, denn so wächst der große Perlenbaum.

163. Er stellt sich oft gegen seine Kinder fremd, so daß sie sich wohl oft mit keinem Trost erholen können, wie bei dem kananäischen Weiblein, als er sie mit einer Hündin verglich, nur damit der Glaube und Ernst im Sturm größer werde (Matth. 15.21). So läßt er das Herz wohl zappeln, damit der Ernst groß werde.

164. Wenn nun dem Menschen solche Zweifel befielen, dann müßte er mit diesem Menschen verzagen. Es steht aber geschrieben: »Gott will, daß allen Menschen geholfen werde. (1.Tim. 2.4)« Welches ist denn nun wahr? Eure stümperhafte Wahl, oder Christi Verheißung?

165. Der Apostel sagt, und es ist ein teures wertes Wort, daß Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um alle armen Sünder selig zu machen. (1.Tim. 1.15) Wer hat denn nun recht? Ich will bei den Worten meines Heilandes bleiben, und will glauben, daß mich nichts, sei es Hohes oder Tiefes, weder Gewalt noch Fürstentum, weder Hunger, Blöße, Rache, Gefährlichkeit und auch keine Kreatur von der Liebe Gottes reißen könne, die da in Jesus Christus ist. (Röm. 8.38)

166. Wenn auch alle Menschen sprächen „Du bist verdammt!“, und auch mein Herz solches sagte, dann will ich es nicht glauben, sondern mich in Christi Leiden und Tod hineinergeben. Der Tod Christi mache aus mir, was er will. Soll ich jemals im Tod sein, dann will ich in seinem Tod sein und in keinem anderen. Weil aber sein Tod ein ewiges Leben geworden ist, werde ich in ihm wohl bleiben. Es erwähle mich, wer da will, so erwähle ich mir meinen Heiland Christus: Mein Wille soll in ihm bleiben. Mache die Welt in Gottes Zorn mit dem äußeren Leib, was sie will: Wenn ich ihn habe, dann frage ich nicht nach Papst, Türken, Kaiser, Teufel, Hölle oder Himmel, denn er ist mein Himmel. Ich will tot und ein Nichts sein, damit er in mir lebe, und ich in ihm. Und wenn mir auch Leib und Seele zerbrächen, so will ich nicht von ihm lassen. Was soll mir dann die Wahl?

167. Ich habe mir meinen Heiland Jesus Christus erwählt, und er hat mich erwählt, schon bevor ich wurde. Anderes glaube ich nicht, es schreibe oder lehre, wer da will. Wer es mit mir wagen will, der wird es erfahren. Ich bin dessen gewiß, daß es der wahre Weg ist. Darum rede und schreibe ich davon, denn es ist mein Zeitvertreib, und ich freue mich, daß ich bald dahin kommen soll und vom Gegensatz des Zorns Gottes erlöst werde.

168. Darum sage ich das meinen Brüdern, was mir der Herr in mir gesagt hat. Wer da mitwill, der komme! Wer nicht will, und viel auf Auserwählung sehen und warten will, bis ihn Gottes Geist überfällt und zieht, der bleibe da, bis es geschieht. Will er nicht mit Gott in seinem Weinberg wirken und arbeiten, dann hat er auch keinen Lohn zu erwarten. Ich weiß aus seiner Beschreibung nichts zu schöpfen, das mich erfreut, sondern nur Traurigkeit und Herzeleid, Verzweifeln und Verzagen.

Wie dem Glauben nichts unmöglich ist. Was der Zug Gottes sei, und warum der Gottlose nicht gezogen werde.

169. Mein Gegensatz spottet und spricht: „Hat denn Gott nichts Beständiges erschaffen können?“ Er vergleicht Gott und uns Menschen wie einen Töpfer und den Ton zueinander. Höre, Gegensatz, warum sagst du dann, die Seele sei aus Gottes Mund? Wie reimt sich das mit dem Ton und Töpfer? Welcher Mensch wollte um eines Topfes willen ein Topf werden? Wäre es überhaupt möglich? Ist denn Gott wegen einer Handvoll Erde Mensch geworden? Nein, es ist ein anderer Topf, darin Gott Mensch wurde. Es war auch ein anderer Topf, der im Paradies zerbrach. Siehe die dürre Rute Aarons an, welche grünte und Mandeln trug. Frage sie, was sie bedeute, sie wird es dir sagen. (4.Mose 17.8)

170. Mein lieber Spötter, du verstehst noch nichts davon, worin Gott Mensch geworden ist, viel weniger vom Geschöpf Gottes, von der Möglichkeit und Unmöglichkeit. Du sagst nur „Gott, Gott!“ und weißt nicht, was Gott ist, willst es auch nicht wissen. Du sagst nur, ein Mensch könne sich in Gott nichts nehmen, wenn es ihm nicht gegeben werde.

171. Ich weiß auch wohl, daß ich es in eigener Macht nicht tun kann. Aber der Glaube kann es tun. Er kann es nehmen, auch wo nichts ist. Wenn ich meinen Willen in Gottes Willen ergebe, dann glaubt Gott in meinem Willen, und dann kann ich es nehmen, denn dem Glauben ist nichts unmöglich. Ich kann mir die Menschwerdung Christi nehmen, wenn mein Wille will, aber nicht ich kann es, sondern Gottes Wille in meinem.

172. Mein Wille und Gottes Wille müssen Eins sein. Denn mein Heiland hat es mir zugesagt: »Er will den Heiligen Geist in meinen Willen geben, wenn ich nur darum bitte. (Luk. 11.13)« Sollte es denn nicht wahr sein? Wollte mir mein Gegensatz auch das Bitten versagen? Ich kann ja bitten, und das kann niemand leugnen.

173. Nun hat mir Christus Erhörung zugesagt: Empfinde ich es nicht gleich in der Kraft, wenn ich bete, dann glaube ich doch, daß mir Gott seinen Geist gegeben hat. Und wenn mein Herz und alle Welt lauter „Nein“ sprächen, so lasse ich mir Christi Wort gewisser sein, als alles Babeln und Fabeln.

174. Bin ich doch der verdorrte Stab Aarons, denn in mir liegt die Verdorrung durch Adam. Wenn nun Christus seinen Saft wieder in mein verdorrtes Fleisch und in meine finstere Seele hineingeführt hat, soll ich es nicht annehmen? Soll ich erst auf das Ziehen warten?

175. Ich weiß, daß ich keinen guten Gedanken in mir haben kann, er sei denn von Gott. Wenn ich also gern selig werden will, dann weiß ich, daß dieser Wille Gottes Zug ist. Was soll ich dann lange auf ein anderes Ziehen warten? Wenn mich der Herr in mir ruft und gebietet, mich zu ihm zu wenden, ist das nicht gezogen? Welcher Mensch kann aber sagen, daß er nicht so gezogen werde? Wohl keiner! Gott zieht einen jeden.

176. Doch der bösartige Mensch will nicht folgen. Er tritt auf einen disputierlichen Weg und sucht Ausflüchte und spricht, er sei heilig, aber sein Herz ist ein Dieb und geiziger Mörder, dazu ein stolzer Teufel. Er heuchelt sich nur unter Christi Purpurmantel und kitzelt sich mit Christi Leiden und Tod, aber will nicht dahineingehen und mit Christus der Sünde absterben und ihr Feind werden. Er will nur auf Rosen in fetten Tagen gehen und des Armen Schweiß mit Hochmut essen. Denn er sagt: „Gott zieht mich nicht!“ Ja, du willst nicht, und darum verstockt er dich, und sein Zorn zieht dich und der Teufel, dem du dienst.

177. Soll dich Gott ziehen, dann wirf das Falsche von dir weg, und stelle dich, als solltest du vor den Feind ziehen, wo es Leib und Leben gilt. Zieht dich der Zorn und hält dich, dann wehre dich nur, und du wirst bald einen bekommen, der dir helfen wird.

178. Spricht der Zorn im Gewissen: „Du bist mein! Du kannst nicht selig werden.“ Dann sprich dagegen: „So nehme ich nur Christi Tod mit mir: Mach es mit mir, wie du willst!“ Ergreife diesen und wickle dich dahinein (wie ein kleines Kind in Windeln). Laß Gottes Zorn und alle Teufel über dich herrauschen und sagen und klagen, was sie wollen. Aus diesen Windeln reißt dich keine Wahl, sei sie von Gott, Teufel oder Menschen.

179. Aber der leckerhafte Weg, den man jetzt geht, auf dem man den alten bösen Schalk, Mörder und überheblich stolzen und geizigen babylonischen Antichrist mit Christi Leiden und Tod nur kitzelt und tröstet - er soll nur harren und sich wohl mästen, denn Christus habe bezahlt, und wenn er unter Christi Blutfahne gezeichnet und auserwählt ist, dann könne er nicht verdammt werden - ist ganz falsch, mörderisch und ungerecht.

180. Willst du ein Christ sein, dann mußt du seinem Bild ähnlich werden, in seine Fußstapfen treten und mit ihm Verfolgung, Schmach und Spott erleiden, den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit lieben und das tun, was dich Christus gelehrt hat, und nicht mit Heuchelei den einen doppelt oder vierfach ausnehmen und dem anderen ein Almosenbrot geben. Nein, es muß Ernst sein. Alles, was du hast, sollst du nicht achten, als wäre es dein, sondern denken, daß du nur ein Diener darüber bist und darin deinem Herrn im Himmel dienst. Du sollst es anlegen nach seinem Befehl.

181. Nicht den Armen aussaugen und einem Bettler einen Teil davon abgeben und sagen: „Ich diene ja dem Armen!“ Laß ihnen zuerst ihren Schweiß, oder du wirst in allen deinen Gottesdiensten verflucht und von Gott zurückgehalten.

182. Diene Gott mit Mund und Herz, wandle im Licht, laß dir der Welt Spott das Malzeichen Christi sein, arbeite, wache und bete, stehe immer in Sorge vor dem Teufel und rüste dich stets gegen ihn und denke, daß du hier ein Pilger bist, und arbeite treulich in Christi Weinberg im Reich Gottes. Alle deine Arbeit folgt dir nach, denn Christus sprach: »Mein Vater wirkt, und ich wirke auch. (Joh. 5.17)« So mußt auch du als eine Rebe am Weinstock wirken und Frucht tragen.

183. Denn ein Christ ist ein Ast am großen Baum Jesu Christi: Wird er nicht wirken und Frucht tragen, dann soll er abgehauen werden, damit er andere Äste nicht behindere. Das heißt, er muß gar verdorren und verstockt werden am Leben Christi, und den will Gott verstocken. Da heißt es: »Ich verstocke, wen ich will.« Nämlich einen Ast, der keine Frucht bringen will. Dem will Gott nicht Christi Saft geben. Es heißt nicht, Gott will mich nicht: Du willst ihn nicht, und so seid ihr geschieden.

184. Sagst du: „Gott kann aus mir machen, was er will, denn er ist allmächtig.“ Ja, er macht aus dir, was du willst, denn seine Liebe ist allmächtig, und auch sein Zorn. Was dich bekommt, das hält dich. »Der Gottlose ist Gott ein guter Geruch zum Tod, und der Heilige zum ewigen heiligen Leben.« Wie du wächst, so bist du. Welchen Saft du in dich ziehst, solche Frucht trägst du.

185. Was beschuldigst du Gott? Gott, soweit er „Gott“ heißt, kann nichts Böses wollen. Denn er ist gut, und es ist kein böser Wille in ihm. Aber nach seinem Zorn begehrt er ein Holz in sein Feuer, das dem Feuer ähnlich ist.

186. Darum sagt der Apostel zu Recht: »Wem ihr euch zu Knechten in Gehorsam begebt, dessen Knechte seid ihr, entweder Gottes Liebe oder Zorn. (Röm. 9.16)« Hier spricht der Apostel von des Menschen Wahl, daß sich der Mensch selbst hineingebe und hineingeben könne. Auch wenn er sich wohl selber nichts nehmen kann, so gibt ihm doch Gott das Nehmen, denn er hat es ihm in Christus verheißen.

187. Die Lehre meines Gegensatzes ist durchaus nichts anderes, als mache Gott einen guten Baum und dann sei er es. Das heißt, er mache einen Christen und dann sei er es. Als müßte der Mensch nichts dazu tun, als müßte er nicht dazu wirken und arbeiten, daß er ein guter Baum werde.

188. Ach, erbarme es doch Gott! Warum hat uns denn Gott Gesetze und Lehre gegeben und gesagt „Du sollst das und jenes nicht tun!“, wenn er das Böse haben will? Wie gar schändlich irrt doch der Mensch, wie leichtfertig macht er den Menschen! Liebe Brüder, besinnt euch nur ob der abscheulichen Lehre! Wie rafft er doch die Sprüche der Schrift zum falschen Gottesdienst zusammen, nur damit er beweise, daß Gott Gutes und Böses in uns wirke.

189. Was braucht es einen Beweis? Ich sage auch so, daß Gottes Liebe Gutes, das heißt, Frucht zum ewigen Leben in uns wirke, und sein Zorn, wenn wir uns ihm ergeben, wirke Böses, nämlich die Frucht zum Tod und zur Verdammnis. Was hilft ihm das, daß er die Menschen auf einen leichtfertigen Weg führt? Er sage ihnen lieber, daß sie Buße tun sollen, wie Gott im Propheten spricht: »Heute, wenn ihr des Herrn Stimme hört, dann verstockt eure Herzen nicht! (Psalm 95.8) Laßt mein Wort in eure Herzen und Ohren eingehen!«

190. Aber er sagt, es könne nicht hinein, denn Gott mache einen guten oder einen bösen Baum. Das dient gut zu aller Leichtfertigkeit und Gottlosigkeit und endlich zur Verzweiflung. Und das ist das Ende seiner Lehre, mehr und besseres werdet ihr in seiner Gnadenwahl nicht finden.

191. Und ich sage mit Grund, und es ist die teure Wahrheit: Wenn eine solche Lehre angenommen werden wird, dann wird die Welt vollends eine Mordgrube des Teufels werden. Dann würde ein jeder sagen: „Wie kann ich etwas anderes tun, als mich Gott treibt?! Will mich Gott zum Kind haben, dann wird er mich wohl lehren und führen. Bin ich aber nicht erwählt, was soll ich dann lange den Frommen hold sein? Ich will tun, wie der Teufel, und sie anfeinden, in dessen Reich ich gehöre: Ich will stehlen, rauben, morden und den Einfältigen betrügen, damit ich mächtig und wollüstig sei. Es wird doch nichts anderes daraus. Weil mich Gott nicht ziehen will, so muß ich ja dem Gott Luzifer dienen. Will mich aber Gott haben, dann wird er mich wohl davon abziehen, daß ich es nicht tue.“

192. Ach, sündige böse Art! Tue es nicht! Gott hat es verboten! Es nehme ein jeder seine Seligkeit wohl in acht und fürchte den Herrn mit Zittern. Kein Mensch verzweifle und sage: „Es ist ein fester Beschluß über mich: Ich kann nicht selig werden!“ denn solche Gedanken haben die Teufel und die Verdammten in der Hölle. Und wenn ich wüßte, daß nur sieben Menschen in unserer Stadt erwählt wären, oder kaum zwei, wollte ich dann nicht verzweifeln, oder glauben, ich sei einer von ihnen?

193. Mein Gegensatz, besinnt euch doch um eurer Seele Seligkeit willen, wenn ihr vor Gottes Gericht erscheinen werdet und Christus zu den Gottlosen sagen wird, die in solcher Lehre verzagt oder leichtfertig geworden sind: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten! Ich bin hungrig, durstig, krank, nackt und gefangen gewesen, aber ihr habt mir nicht gedient.“ Und sie werden sagen: „Herr, du hast uns nicht zu Kindern erwählt und gezogen.“ Dann wird er sagen: „Habe ich nicht alle meine Güte vor euch hergehen lassen, euch mein Wort lehren lassen, euch treulich gerufen und vor dem falschen Weg gewarnt?“ Und sie werden sagen: „Wir sind so belehrt worden: Du habest den einen vorsätzlich zur Kindschaft erwählt und den anderen verstockt. Wenn das in deinem Wort steht: Warum willst du uns dann beschuldigen? Wir haben nichts Gutes tun können.“

194. Mein Gegensatz, ich erinnere euch hiermit: Bedenkt euch doch, was wollt ihr antworten, daß ihr ein solches bewirkt habt? Ihr macht Gottes Zorn, den Gott durch seine Liebe in der Menschenseele mit dem Blut seines Sohnes ersäuft hat, wieder zum Wähler und gebt ihm das Schwert in die Hand.

195. War doch der Zorn in Adam bereits vor dem Fall, aber nicht offenbar, und der Gott der Liebe hat sein Herz darangewandt, daß er denselben in der menschlichen Seele wieder verriegle, so daß wir zu ihm laufen sollen, als zu einem offenen Heil- und Gnadenbrunnen.

196. Ich will euch gefragt haben: Wenn Adam in seiner Unschuld geblieben wäre, wo wäre dann eure ewige Wahl geblieben, wenn er Kinder in das Paradies gezeugt hätte? Wenn ihr nun eure ewige Wahl über die Menschen erhalten wollt, dann müßt ihr ja sagen, auch der Fall des Menschen geschah aus Gottes Vorsatz.

197. Was ist es aber, daß Gott sprach »Du sollst nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen.“, wenn er das haben wollte, und hat es auch verboten? Dann wäre Gott ungerecht und man dürfte kein Gebot halten, wie er in Moses geboten hat. Denn er wollte es ja haben, daß der Mensch sündigte, nur damit er Ursache hätte, ihn zu bestrafen. So wäre im Verstand zu schließen.

198. Lieber, beschaut eure Glossen! Ich will brüderlich und kindlich mit euch reden. Tut nur eure krummen spöttischen Hörner weg und laßt uns miteinander als Brüder und Glieder handeln. Mit Spotten können wir nichts Gutes ausrichten. Wir verwirren damit nur die Menschen der Welt, vor allem die einfältigen.

199. Habt ihr Christi Geist, wie ihr euch dünken laßt, dann entgegnet mir und meinen Brüdern doch in der sanften Liebe und Demut Jesu Christi. Weist mir doch eure Liebe im Geist Christi, der in großer Demut zu uns armen verlorenen Eva-Kindern gekommen ist, um zu suchen und selig zu machen, was verloren war. Seid ihr desselben Geistes Kind, dann seid es doch treulich mit Sanftmut, Liebe und Freundlichkeit, mit züchtigen Reden, und werft die Hörner des Spottes weg, damit ich euch erkennen kann, daß ihr mein Bruder seid. Dann will ich euch lieben, und Gott wird euch mehr Gaben geben als mir. Wenn nicht, dann will ich mich doch in der Schwachheit mit euch in dem erfreuen, was Gott gibt.

200. Seid doch nicht so wild gegenüber der teuren Offenbarung, die uns Gott zuletzt gönnt! Lest sie doch zuvor recht, denn sie hat einen gar edlen hochteuren Ursprung und Anfang, welcher über allen Verstand reicht, ja über die äußere Welt und über das Licht der äußeren Natur. Warum wütet ihr gegen den Höchsten?

201. Ich ermahne euch christlich: Seht zu, was ihr tut, daß euch nicht der Zorn des Herrn ergreife und Gott euch fluche. Ich sage euch, ich will unschuldig sein an eurer Seele, wenn ihr das erweckt.

202. Seht, was beim Elia (2.Kön. 1) oder auch Korah, Dathan und Abiram in der Wüste geschah (4.Mose 16). Ich sage euch, soweit mir im Herrn erkannt ist, es würde euch und anderen so ergehen, denn es ist jetzt eine wunderliche Zeit, was nicht allen bewußt und erkannt ist. Der Herr hat seinen Eifer-Geist gesandt, und so steht eine wunderliche Zeit vor der Tür. Das werdet ihr erfahren, wenn ihr lebt.

203. Mein Freund, ihr redet auf Menschenweise und schreibt von Gottes ewigem Vorsatz und seiner Wahl. Doch es läßt sich so nicht beschreiben.

204. Wenn die Schrift von Gottes ewigem Vorsatz spricht, dann spricht sie nicht von einem lange zuvor gewesenen Vorsatz, denn in Gott ist kein Anfang, sondern ein ewiger Anfang, darin der Anfang und das Ende Eins sind, das Erste immer das Letzte, und das Letzte immer das Erste. Was Gott seit Ewigkeit angefangen hat vorzusehen, das fängt er noch heute alle Stunden an vorzusehen.

205. Ich kann also mit Grund sagen: Wenn ich im Mutterleib in seinem Zorn vorgesehen und ergriffen wäre, dann hätte mich Gott seit Ewigkeit in seinem Zorn vorgesehen und ergriffen, und ich wäre seit Ewigkeit in seinem Zorn erwählt.

206. Wenn ich mich aber in die Buße umwende, daß mich Gottes Liebe ergriffe, dann wäre ich auch seit Ewigkeit aus dem Zorn in die Liebe vorgesehen. Denn in Gott ist alles ewig: Auch was sich heute im Ewigen zu verändern beginnt, das ist von Ewigkeit zu Ewigkeit in der Ewigkeit.

207. Der Geist in der Schrift hat eine andere Art zu sprechen. Wißt ihr, was in der Schrift geschrieben steht, darin der Herr sagt: »Plötzlich rede ich gegen ein Volk, daß ich verderben will, weil es bösartig ist. Und wenn es sich bekehrt, dann reut mich das Übel, das ich ihnen zu tun gedachte. (Jer. 18.7)«

208. Seht Ninive an, da werdet ihr sehen, ob nicht Gott seinen Willen um der Menschen Willen ändere. (Joh. 4.10) Und der Apostel sagt, daß auch der Geist Gottes dem Menschen, das heißt, dem heiligen Menschen, untertan sei. (1.Kor. 14.32)

209. Seine Wahl und Anfang ist alle Stunden, und seine ewige Geburt ist auch alle Stunden. Vor und in ihm ist alles neu und alt, denn der Gott, der uns in Christus vor der Welt Grund erwählt hat, der erwählt noch alle Stunden seine Kinder, die zu ihm kommen: Es geht nur um eine Umkehr des Willens.

210. Und wenn geschrieben steht, es liegt nicht an jemandes Wollen (Röm. 9.16), das bezieht sich nur auf den, der zwar Gott begehrt, aber nicht aus seinem sündhaften Willen herausgehen will. Er will zwar selig sein, aber behält die Sünde. Darum liegt es nicht an seinem Willen, sondern an dem, daß der Mensch aus der Sünde herausgehe in Gottes Gnade. Dann liegt es am Erbarmen, und das tut Gott gern, denn er hat es zugesagt.

211. Es liegt also nicht am Menschen, sich selber selig zu machen, sondern an der Gnade, welche uns Gott in seinem Sohn geschenkt hat. Denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, wie die Schrift sagt. Seine Wahl und Ausgang sind von Ewigkeit, und auch sein Erbarmen ist seit Ewigkeit in Ewigkeit, denn in ihm ist alles ewig.

212. Darum muß man die Schrift mit solchen Ausdrücken besser betrachten, denn sie redet oft aus dem ewigen Mund, der sich alle Stunden anfängt.

213. Denn wenn die Schrift sagt »Er verstockt ihr Herz, daß sie nicht glauben und selig werden. (Röm. 9.18)«, dann spricht sie von jenen, welche aus ihrem eigenen Vermögen in ihrem bösartigen Willen und Leben selig werden wollen. Die läßt er in ihrem Vorsatz gehen, denn sie wollen es tun.

214. Wie auch Adam tat, denn er wollte nicht in Gott als ein Kind gelassen sein, sondern ein Eigenes sein und Böses und Gutes wissen und erkennen, und in allen drei Prinzipien leben. Denn er ging von Gottes Willen ab in seinen eigenen ihm vorgesetzten. Und so ließ ihn Gott, und darin fiel er nieder und schlief.

215. Und weil er von der verbotenen Frucht aß, so erwählte ihn Gottes Zorn zur Verdammnis des Todes, und Gottes Liebe sprach dem entgegen: »Des Weibes Same soll der Schlange den Kopf zertreten. (1.Mose 3.15)« Das war auch eine ewige Wahl, und war doch auch eine anfängliche zeitliche Wahl. Denn wie kann eine Wahl über ein Ding ergehen, dazu es noch keine Wurzel gibt?

216. Gottes Zorn hat sich seit Ewigkeit immerfort und auch heute noch erwählt, eine Finsternis zu sein, damit Gottes Liebe und Licht im Zorn offenbar werde.

217. Was nun aus dem Ewigen ist, wie die Seele des Menschen, die hat auch freien Willen, sich im Licht zu offenbaren oder in der Finsternis. Sie hat Licht und Finsternis nicht in der Gewalt, sondern sie hat die Macht im Guten oder Bösen, das heißt, in der Kraft des Lichtes und der Finsternis zu wirken, und in welcher sie wirkt, die offenbart sich in ihr.

218. Die Macht ist Gottes, und sie ist sein Kind, ein Ast am Baum, aus Gottes Mund ausgegangen, aus Liebe und Zorn. Das alles liegt in ihr und ist ihr Eigentum.

219. Wer will ihr (der Seele) den freien Willen nehmen, wenn sie ein Ast am innerlichen Baum ist und Liebe und Zorn in sich hat? Oder ist es nicht wahr? Auch mein Gegensatz spricht so, daß der Zorn vor dem Fall in Adam verborgen lag und sich erst mit dem Fall geoffenbart habe.

220. Aber er macht mir zwei wunderliche Anfänge im Samen Adams, nämlich einen mit Gott und den anderen mit der Schlange. Das ist ein großer Irrtum, denn es sind nicht zweierlei Samen, sondern nur einer, aber zweierlei Regiment liegen in diesem Samen, nämlich Gottes Liebe und Zorn, und es ist nur ein einiger Samen.

221. Nämlich ein Teil göttlicher Wesenheit vom heiligen und reinen Element, in welchem das Paradies und der Himmel liegen sowie die Tinktur vom Feuer und Licht. Dieser Samen verblich in Adam als er fiel und Gott sagte: »Welchen Tages du von diesem Baum ißt, sollst du sterben.«

222. Und der andere Samen, das heißt, der Geist, ist das Zentrum der ewigen Natur, als der finsteren Welt, nach welcher sich Gott einen zornigen Gott nennt. Dieser war, solange das Licht in der göttlichen paradiesischen Wesenheit schien, nicht rege und offenbar, aber im Fall wurde er offenbar.

223. Nun war Adam aber auch in das Regiment und in den Geist der äußeren Welt geschlossen, und das mußte in seiner Unschuld hinterhergehen, denn Gottes Reich regierte in ihm. Als er aber fiel, wurde es auch in ihm offenbar und mächtig, und sogleich fielen Hitze und Kälte auf ihn, daß er sich kleiden mußte, und er fiel durch die Macht der äußeren Welt in die Zerbrechlichkeit (bzw. Vergänglichkeit) seines Leibes.

224. Was sollte nun in Adam für ein Samen geboren werden, daraus Kain und Abel empfangen würden? Eben ein solcher, wie Adam nach dem Fall war, nämlich gut und böse nach der äußeren Welt, und nach der Zornwelt ganz böse.

225. So war nun das Reich Gottes, das heißt, die himmlische Wesenheit, in ihm verblichen, denn die Finsternis hatte das Licht in ihm eingenommen, wie ihr dessen ein Bild am dürren Stab Aarons habt, der wieder grünte. So grünte auch die verblichene Wesenheit im Geist Christi als Gott in dieser verblichenen Wesenheit Mensch wurde.

226. Nun, mein Gegensatz, kommt mit eurer Wahl hierher auf die Schule. Jetzt weist mir die Gnadenwahl, und auch ich will sie euch in göttlicher Erkenntnis weisen, denn mir ist gegeben, so scharf zu sehen, wie einer erforschen kann. Erkennt dies:

227. Als nun dieses edle Bild verblichen war, was tat nun Gott damit? Ließ er es hinfallen und im Tod bleiben? Nein, hier tat sich sogleich die Tür seiner Barmherzigkeit auf und sprach: »Des Weibes Samen soll der Schlange den Kopf zertreten.«

228. Damit hat sich der teure Name Jesus in den verblichenen Samen einverleibt, und so war auch das Ziel in diesen verblichenen Samen gesteckt worden, welches mit der Offenbarung im Leib und Samen der Jungfrau Maria als ein fortgepflanzter Samen stand. Denn wenn das nicht wäre, dann wären alle vor Christi Geburt verloren.

229. Denn die hochedle Jungfrau der Weisheit Gottes ist unsterblich, welche Adam in seinen himmlischen eingeblasenen Geist mit anvermählt wurde, und diese trat im Lebenslicht dem Menschen Adam und Eva entgegen und warnte sie vor widergöttlichen Wegen und wies durch den prophetischen Geist immer auf das Ziel des Bundes, daß sie sich mit dem teuren Namen Jesus mit Wort und Kraft der wahren Gottheit wieder in der Menschenseele eröffnen wollte.

Wie Christus aus keinem fremden Samen, sondern aus Maria Mensch geworden ist.

230. Nun, mein Gegensatz, jetzt sagt mir hier: Was ist des Weibes Samen, darauf ihr eure Wahl setzt? Ihr sagt, die Kinder Gottes müssen aus des Weibes Samen geboren werden, wie der Tau aus der Morgenröte, und verwerft Adams und Evas Samen und macht einen fremden Samen, und Gott sprach doch: »Durch des Weibes Samen soll der Schlange der Kopf zertreten werden.« Wer ist das Weib? Ist es Eva? Nein, das wollt ihr nicht. Warum? Ihr könntet sonst eure Gnadenwahl nicht ummanteln.

231. Nun wohlan! Seid ihr gelehrt, wie ihr auch mächtig mit den Sprüchen der Heiligen Schrift umgeht, um eure Sache zu bescheinigen, dann beweist das aus der Schrift, daß Gott ein fremdes Weib gemeint hat. Ihr sagt, Maria sei nicht aus uns Menschen, sondern sei eine Jungfrau von Ewigkeit: Das sollt und müßt ihr beweisen, oder es soll weder Glauben noch Stätte haben.

232. Ich aber will mit starken Argumenten dartun, daß das Wort der Verheißung auf des Weibes Samen geht, als auf Eva und Adam: Jedoch auf des Weibes Samen, das heißt, auf die Matrix, welche von Adam genommen und daraus das Weib geschaffen wurde, aus und in welcher sich Adam selbst geschwängert hätte, wenn er bestanden hätte und sich nicht überwältigen lassen.

233. Denn das Weib Eva wäre das fortgepflanzte Kind geworden. Aber so wollte es nicht sein, und darum wurde sie aus Adams Essenz und Gebein genommen und wurde zu seiner Gehilfin gemacht, so daß nun die Fortpflanzung durch zwei geschehen mußte.

234. Wäre nun Maria, Christi Mutter, nicht von uns Menschen, dann wäre auch Christus nicht des Menschen Sohn, wie er sich so oft selbst nennt. Wo bleibt dann meine arme Seele, die im finsteren Kerker gefangenliegt, wo sie Gott wiedergebären wollte, wie den Tau aus der Morgenröte? Wie konnte er das wohl ohne Menschwerdung tun?

235. Und wäre Maria kein Mensch von uns: Was wäre mir dann der fremde Christus nütze? Dann wäre es auch nicht wahr, daß das Wort Fleisch geworden ist. Oder aber, wie könnte ich in Christi Leiden, Sterben und Tod eingehen, wenn es nicht in mir geschehen wäre?

236. So aber kann ich mit Wahrheit sagen, wie der Apostel sagt, daß ich glaube, ich sei mit Christus gekreuzigt und gestorben, stehe in und mit ihm auf und trage sein Bild an mir.

237. Dazu spricht mein Gegensatz: „Dann wäre Christus in einem sündhaften Samen empfangen, wenn Eva das Weib der Verheißung gewesen wäre.“ Nein, das sage ich nicht.

238. Christus, als das lebendige Wort, ist nicht durch Mannessamen geboren, sondern im verschlossenen Samen des himmlischen Anteils, der in Eva verblich, wie die dürre Rute Aarons andeutet. Er wurde wieder des abgestorbenen Teils Saft und Leben: Denn die Sünde fiel nicht auf den himmlischen Anteil, sondern dieser erstarb (d.h. das Wesen und nicht Gottes Geist, der im Bunde ruht) bis zum Ziel des Bundes in Maria.

239. Der Zorn Gottes offenbarte sich im irdischen Teil als ein Leben, und das himmlische verblich, wie Gott sagte: »Welchen Tages du davon ißt, stirbst du.«

240. Er meinte damit nicht allein den irdischen Tod, denn Adam lebte 930 Jahre, bevor er starb. Aber Gott sagte: »Welchen Tages du ißt, stirbst du.« Das heißt, am Himmelreich und lebst in der irdischen Welt, wie es geschah.

241. Ich sage also nicht, daß Gott in Evas irdischer Essenz Mensch geworden ist, sonst hätte er einen Vater haben müssen. Doch so ist er selbst der Vater.

242. Versteht es recht! Der Engel sprach zu Maria: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. (Luk. 1.35)« Darin steckt der Zweck, denn der Engel sprach: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des höchsten wird dich überschatten.« Versteht ihr dies nicht? Der Heilige Geist sollte das verschlossene Zentrum im Bund in dem abgestorbenen Samen eröffnen, und das Wort Gottes wollte sich mit lebendiger himmlischer Wesenheit in die im Tod verschlossene Wesenheit hineingeben und ein Fleisch werden. Der Heilige Geist wirkte anstatt eines Mannes. Er brachte die himmlische Tinktur vom Feuerglanz des Vaters und vom Lichtglanz des ewigen Sohnes und war in der Tinktur das Leben und Bewegen.

Was für Essenz das Wort annahm, darin Gott und Mensch eine einige Person wurden.

243. Nun versteht mich doch teuer, denn ich rede im Schauen und nicht im Wähnen: In Adam, als ihm Gott die Seele einblies, war die Seele vom Glanz des Vater-Feuers mitsamt dem Zentrum zum Feuer und dann auch vom Glanz des Lichtes mit göttlicher Wesenheit umgeben und in Gottes Wesenheit schwebend.

244. Dann verlosch aber das Licht im Fall, und nur das Feuer mit dem Zentrum zum Feuer blieb. Das war nun die verdorrte und verdorbene Seele, wie der dürre Stab Aarons andeutet, auch die alte verschlossene Sara, Abrahams Weib, und die alte, in der Matrix abgestorbene Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer.

245. Die Seele von Adam wurde also verdorrt fortgepflanzt, ausgenommen einige Heilige im Bund, in denen sich der Heilige Geist im Bund bewegte, wie bei der alten Elisabeth zu sehen war, daß das Kind im Bund im Mutterleib (als der Heilige Geist den Geist des Kindes bewegte, als Maria zu ihr kam) vor Freude im Geist des Messias hüpfte, als der es anblickte, und die beiden Mütter weissagten. (Luk. 1.41)

246. Dieser verdorrten Seelenessenz (d.h. des Weibes Anteil, nicht des Mannes, wiewohl des Mannes Teil auch im Samen des Weibes liegt, aber zu schwach wegen des Feuers) nahm jetzt das Wort aus der verstorbenen Wesenheit die lebendige, mit dem Heiligen Geist eröffnete und eingeführte (Wesenheit) an sich, und so wurden Gott und Mensch Eine Person.

247. Nun versteht mich aber recht! Mein Gegensatz will es nicht leiden, daß ich sage, Christus sei eine Kreatur. Und es ist doch wahr, soweit es die Seele betrifft. Und auch nach dem äußeren Reich als das dritte Prinzip ist er eine Kreatur, denn das Äußere hängt am Inneren, sonst wäre Christus nicht in dieser Welt gewesen, wenn er das äußere Reich nicht an sich gehabt hätte, aber ohne Unreinheit in der Gleichheit der Gottheit.

248. Er ist eine Kreatur gewesen, und ist es ewig, das heißt, nach der Seele und nach der in Adam abgestorbenen Wesenheit, die er mit Einführung der göttlichen lebendigen Wesenheit und mit dem Wort und Geist Gottes lebendig machte. Und damit ist er nach dem dritten Prinzip eine Kreatur, ein König und Hohepriester der Menschen.

249. Was aber das ewige Wort mit der göttlichen Wesenheit anbelangt, die nun in die im Tod eingeschlossene Wesenheit eingeführt wurde, ist Christus keine Kreatur, sondern der Erstgeborene im Vater seit Ewigkeit.

250. Das heißt, in der Kreatur ist die neue eingeführte Wesenheit als Christi himmlisches Fleisch kreatürlich, aber jenseits der Kreatur unkreatürlich. Denn diese Wesenheit ist das wahre göttliche Prinzip. Sie ist so groß wie Gottes Majestät an allen Enden im zweiten Prinzip alles erfüllend, und ist die in der körperlichen Kreatur und jenseits der Kreatur ganz einige, ungetrennte und ganzheitliche Kraft, Macht und Herrlichkeit, das Paradies und reine Element, darin Gottes ewige Weisheit wohnt.

251. Gleichwie die Sonne in die ganze Welt leuchtet. Und wenn nun in der Tiefe (des Raumes) nicht auch ein solches Wesen wie die Sonne wäre, dann empfinge es nicht den Sonnenglanz. Und so ist Christi Leiblichkeit die Fülle des Himmels, in der Person kreatürlich und jenseits der Kreatur lebendig, in Einem Geist und Kraft, nicht zwei.

Wie Maria keine fremde Jungfrau, sondern Joachims und Annas Tochter war.

252. Mein lieber Gegensatz, ihr wollt eine fremde Jungfrau haben und verachtet meine gar hohe, von Gott gegebene Erkenntnis. Ist Maria (wie man doch ihr Geschlecht in der Bibel genug findet) eine fremde himmlische Jungfrau gewesen und stand dazu in Gottes Weisheit und war seit Ewigkeit dazu auserkoren: Wie kam es dann, als der Engel zu ihr kam und ihr die Botschaft brachte, daß sie schwanger werden und einen Sohn gebären sollte, daß sie fragte: „Wie soll das zugehen, zumal ich von keinem Mann weiß?“ Hat es denn die ewige Weisheit nicht gewußt, wie es zugehen sollte?

253. Ich halte dafür, mein lieber Gegensatz, ihr werdet sie als Tochter von Joachim und Anna bleibenlassen müssen, wie es die Heilige Schrift beschreibt. Sonst wird unsere Seligkeit auf der Schippe und im Zweifel stehen.

254. Ich frage euch im Ernst: Seid ihr Gottes Kind, dann sagt mir, wie oder wo Christus den Tod zerbrochen hat, und wohin er in die Hölle gefahren ist, wie die Kirche lehrt? Sagt es mir, wenn er nicht unsere Seele angenommen hat!

255. Euer Schwatzwerk mit dem Opfer befriedigt mich nicht. Ich will von euch wissen, wie der Tod in der Seele zerbrochen worden sei. Hier hilft weder Bund noch Verheißung. Hätten es Opfer tun können, dann wäre es bei den Juden geschehen. Aber es mußte wohl mit wahrhaft himmlischem Menschenblut geschehen.

256. Nun will ich wissen, ob es in meiner Seele geschehen sei, ob mein Willen-Geist eine offene Pforte zu Gott mit Christi Tod erlangt habe, so daß ich sagen darf: „Abba, mein lieber Vater!“ Oder nicht? Das sagt mir, oder laßt meine Schriften unbekleistert.

257. Ich habe meine Erkenntnis von Gott und nicht von euren Tand-Schulen, in denen ihr um Worte streitet und wie Hunde um Knochen beißt. Geht mit mir ins Zentrum, dann seid ihr von Gott gelehrt. Ich will es euch in der ganzen Welt an allen Wesen, Kreaturen und Geschöpfen weisen und euch lebendig vor die Augen stellen, wie im Tod das größte Geheimnis ist.

258. Ist nun meine Seele nicht mit im Tod Christi gewesen, weil sie im Vater seit Ewigkeit in göttlicher Essenz war, dann habe ich auch keinen Anteil an Christi Tod.

259. Ich weiß, daß das teure himmlische Blut von Jesus Christus, das aus göttlicher Wesenheit im verdorrten Samen des Bildes zu Blut wurde, durch die Macht der himmlischen Tinktur das Feuer angezündet hat, welches in der seelischen Essenz finster war, so daß dieses Seelenfeuer in derselben Stunde angefangen hat, in weiser heller majestätischer Kraft, Licht und Glanz zu brennen.

260. Damit war Gottes Zorn in der seelischen Essenz verloschen und zur Liebe gemacht worden, und das hieß Christi Höllenfahrt, als Gottes Liebe in der Kraft des lebendigen Wortes in der himmlischen Wesenheit mit Christi Blut in das Zentrum der Seele als in des Vaters Zorn einfuhr und diesen mit Sanftmut überwand und löschte.

261. Das war das Rauchloch, darin der Teufel und der Schlangensamen regierten. Jetzt wurde diese Hölle gestürmt und dem Teufel sein Reich in der Seele genommen.

262. Und nun hieß es: »Gleichwie die Sünde von einem auf alle kam und von einem auf alle drang, so kam auch die Gnade und das ewige Leben von einem auf alle und drang auf alle. (Röm. 5.18)« Wer sich dessen nun nicht annehmen will, sondern auf eine besondere Wahl warten, der bleibe da: Kann er doch kommen oder nicht. Das heißt: »Wir haben euch gepfiffen, aber ihr habt nicht getanzt, wir haben euch gerufen, aber ihr seid nicht zu uns gekommen. (Luk. 7.32)«

Wie die neue Geburt in uns geschehe, und was an uns auferstehen wird?

263. Mein lieber Bruder, sagt mir doch, wenn ihr von Gott geboren und erleuchtet seid, wie ihr meint: Wie geschieht die neue Geburt in uns? Ist sie einfahrend oder ausgebärend? Geschieht sie nicht in uns in unserer Seele? Es muß ja Christus in uns offenbar werden, auf Art wie in Maria.

264. Was meint ihr dann mit der neuen Kreatur? Versteht ihr auch eine neue Seele? Oder die alte, die ihr von Vater und Mutter geerbt habt? Oder, was haltet ihr von der Auferstehung der Toten? Was muß an uns auferstehen? Denn die Seele stirbt nicht, und so stirbt auch Christus in uns nicht. Denn er ist einmal der Sünde für und in uns gestorben. Was steht dann auf? Der irdische Leib als das bösartige vom Teufel infizierte Fleisch voll Sünde und Laster? Das ist es doch nicht, das in Gott leben soll. Denn Christus sprach: »Fleisch und Blut können das Himmelreich nicht erben.«

265. Nun, was ist es dann? So kann die neue, aus dem Himmels-Tau geborene Kreatur, wie ihr sagt, auch nicht auferstehen, denn sie stirbt nicht. Christi Leben ist ihr Leben. Ihr wollt den ersten Adam ganz wegwerfen: Was bleibt euch dann? Seid ihr gelehrt, dann sagt es mir, und geigt nicht auf meiner Geige. Ihr wollt, daß Christus nicht Adams Fleisch angenommen habe. Doch so kann Adam nicht auferstehen.

266. Mein Freund, ich ermahne euch in der Liebe Christi, seid nicht eher gegensätzlich, bis ihr das Zentrum aller Wesen mit den drei Prinzipien erkennt. Denn die Kraft der Auferstehung geschieht nach dem dritten Prinzip. Es soll nichts von Adam vergehen, als nur die Grobheit der tierischen Eigenschaft und die Sünden, welche nach dem Zorn des ersten Prinzips gewirkt werden.

267. Das Mysterium als die Quint-Essenz soll auferstehen. Denn Christi Fleisch, sofern und in wem es lebendig geworden ist, stirbt nicht mehr. In wem der verschlossene himmlische Anteil in der Kraft des Wortes, das Mensch wurde, lebendig geworden ist, das stirbt nicht. Es war in Adam gestorben, und so bedarf es nun keiner (weiteren) Auferstehung.

268. Auch folgen uns unsere Werke nicht in diesem nach, sondern in dem, das da ein Gleichnis der inneren Welt ist, nämlich im äußeren Mysterium. Wenn nun Christus dasselbe nicht von uns Menschen an sich genommen hat: Wie wird es dann auferstehen?

269. Ich sage: Christus hat die ganze Menschheit von uns an seine himmlische angenommen, nicht nur die tierische Eigenschaft und Sünde, sondern er hat die Sünde der Welt als ein Selbstschuldiger auf sich genommen und den Tod in unserer Seele und Fleisch erwürgt, denn anders war dem Menschen kein Rat (und keine Hilfe). Es mußte ein starker Held in die menschliche Eigenschaft kommen, den Tod erwürgen, die Sünde zerbrechen und seine Liebe in uns einführen.

270. Nun glaube ich, daß ich in seinem und meinem Fleisch auferstehen werde und ewig in ihm leben, sein Leben für meines, seinen Geist für meinen, und alles was ich bin für seines, er Gott und ich Mensch und in ihm Gott und Mensch und er in mir Gott und Mensch.

271. Das kann mir niemand aus meinem Herzen reißen, dann ich habe es erkannt, nicht ich, sondern Christus in mir. Es mag darum fabeln und babeln, wer da will. Ich brauche keine Auserwählung dazu. Mein Heiland Christus hat mich in meiner Seele, Geist und Fleisch in sich erwählt. Darin bin ich freudig und getrost, und lasse ketzern und schwätzen, wer da will. Ich habe mir wie Maria den besten Teil erwählt und will dieweil zu den Füßen meines Herrn Jesu Christi sitzen, bis alle Schwätzer und Gnadenwähler ausgeschwätzt haben.

272. Sie sagen: „Wir können nicht!“ Und das ist ihr Mutwille. Ich sage: Wenn ich nicht kann, dann kann Christus in mir, und sage mit Jakob: »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! (1.Mose 32.26)« Und sollten mir Leib und Seele zerbrechen, so lasse ich dich nicht. Wirf mich in Himmel oder Hölle, so bin ich in dir, und du in mir. Du bist mein, und ich bin dein, uns soll der Feind nicht scheiden.

Wie Maria Evas Tochter gewesen war, und wie Christus eine menschliche Seele gebar: Das Ewige ist unsterblich.

273. Mein Gegensatz hat so ein wunderliches Scherzgespräch von Maria: Er will aus der Schrift beweisen, daß sie von Ewigkeit gewesen ist, und zieht einen ganzen Haufen Sprüche der Schrift heran, welche ihm doch alle zuwider sind. Denn diese Sprüche reden alle von der Jungfrau der göttlichen Weisheit. Wer ist es nun, der mit ihm streitet, daß Christus in dieser Jungfrauenschaft Mensch geworden sei? Ich nicht! Ich habe durchaus auch so geschrieben. Ich erkenne aber auch, daß diese Jungfrau im Ziel des Bundes gewesen ist, in welcher Gott Mensch wurde.

274. Aber Maria war von Eva, sonst hätte Christus nicht unsere menschliche Seele angenommen. Wie er (B. Tilke) es dann auch stark leugnet, er habe keine Seele von uns angenommen. Doch eine fremde hilft mir nichts, denn in einer fremden ist er nicht mein Bruder.

275. Ist seine Seele keine Kreatur, sondern Gott selbst, dann ist sie nicht aus uns. Warum befahl er sie dann in seinem Tod seinem Vater in die Hände und sagte am Ölberg: »Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. (Matth. 26.38)« Kann auch Gott betrübt werden? Ich glaube, er wird es eine menschliche Seele seinlassen müssen, wenn er vor der Heiligen Schrift und der Wahrheit bestehen will, so daß Christus unser Bruder bleibe, wie er nach seiner Auferstehung sagte: »Geh hin und sage meinen Brüdern, ich fahre auf zu meinem Gott und zu eurem Gott. (Joh. 20.17)« Wie sonst konnte Christus sagen »Ich fahre auf zu meinem Gott«, wenn er keine Kreatur wäre? Gott bedarf kein Auffahren ohne Kreatur.

276. Lieber, was mag wohl seine Versuchung in der Wüste gewesen sein? Was ist an ihm versucht worden, seine Gottheit oder seine Seele? Lieber, sagt es mir doch: Versucht sich denn Gott selbst? Oder ging es um die Menschheit? Ich vermute, man wird hier stillschweigen wollen. Lies mein Buch „Vom dreifachen Leben“, darin wirst du allen Grund haben, mehr als einer fragen kann, davon ich hier schweige.

277. Er schreibt, Christi Seele sei aus dem Wort und der Weisheit geflossen. Dann wäre Christus ganz fremd und nicht mein Bruder, wie er sagt. Sollen sie Brüder sein, dann müssen sie aus einem Leib kommen. Dann hätte Christus nicht recht gesprochen, wenn diese Meinung gelten soll.

278. Gott verhieß Abraham, daß in seinem, das heißt, in Abrahams Samen, alle Völker gesegnet werden sollten. Er (Tilke) spricht aber: Nein, sondern in Abrahams verheißenem Samen. Aber Gott sagte nicht „in dem Samen, den ich dir verheiße“ oder „in meinem Samen“, sondern „in deinem Samen“.

279. Ach, wie schrecklich ist es, daß man die Schrift so verkehren darf! Liebe Herren, wo wollt ihr hinaus? Wie wollt ihr vor Gott bestehen? Habt ihr nicht den Geist der wahren Erkenntnis aus Gott, was macht ihr dann Glossen über die Schrift? Was ist euer Tand nütze, daß ihr Worte mit Worten wechselt und die Schrift verbittert? Laßt sie nur unerklärt stehen, wenn ihr dazu von Gott nicht berufen seid. Was macht ihr lange viel Irrtum? Laßt die Erklärung der höchsten Zunge in jedem Menschen.

280. Was gaukelt ihr so viel mit dem Heiligen Geist? Seid ihr mehr wissend als er? Ja wohl, überheblich stolze, eigenehrige, eigennützige und mutwillige Kinder seid ihr! Ihr lauft, und niemand hat euch gerufen. Laßt euch zuerst rufen und von Gottes Licht erleuchten, ehe ihr lauft.

281. Aus solcher Verbitterung ist von der Welt her nichts als Streit, Krieg und Empörung entstanden, und Babel ist eine ungewisse Leiterin, voll Greuel und Stolz, um sich sehen zu lassen, daß man studiert und viel gelesen hat. Doch der Heilige Geist braucht in den Kindern, die er beruft, nur ein Buch mit drei Blättern (für die drei Prinzipien), darin sie allein studieren müssen. Sie bedürfen ihrer nicht mehr, und sie sind ihnen auch nichts nütze.

282. Mein Gegensatz will nicht leiden, daß die Jungfrau Maria aus Adam sei. Wenn das wahr ist, so hat sie auch keine Seele, oder eine fremde. Denn sie sprach ja bei der alten Elisabeth: »Meine Seele erhebt den Herrn.« Und Simeon sagte zu ihr: »Es wird ein Schwert durch deine Seele dringen. (Luk. 2.35)« Wäre sie nur die Jungfrau der Weisheit Gottes, wie er schreibt, dann könnte kein Schwert durch ihre Seele dringen, denn diese ist Gott selbst, das heißt, sein ausgesprochenes Wesen.

283. Ich sage auch wohl, daß die Jungfrauenschaft Gottes als die Weisheit in Maria durch die Erweckung Gottes offenbar geworden sei. Als Gott das Ziel des Bundes offenbarte, welches in ihr steckte, da wurde sie hoch über alle Frauen gesegnet, denn Gott war in ihr und in ihrem Samen offenbar. Ihre in Adam abgestorbene Wesenheit, als der himmlische Anteil, grünte wieder. Aber ihr äußerer Leib war von dieser Welt, denn das sehen wir an all ihrem Leben und Wandel, an Essen und Trinken, an Schlafen und Wachen oder an ihrem Kummer, als sie ihr Kind Jesus verloren hatte, während sie im zwölften Jahr von Jesus im Tempel opferte.

284. Wenn sie nun allein Gottes Weisheit war und kein Mensch, warum wußte sie dann nicht auch alles, wie Jesus ihr Sohn, wenn doch in Gottes Weisheit alle Wissenschaft seit Ewigkeit und in Ewigkeit liegt? Und wenn sie sich auch in die Niedrigkeit hineingegeben hätte, wie mein Gegensatz sagt, das hebt ihre Wissenschaft nicht auf. Das hob doch auch die Weisheit in ihrem Sohn nicht auf: Warum dann in seiner Mutter? Hat sie nicht Joachims Fleisch gehabt und Annas, ihrer Mutter? Warum hat sie dann an den Brüsten ihrer Mutter gesaugt und die Essenz dieser Welt begehrt und irdische Speise natürlich gegessen? Was für einen Leib hat sie denn mit der irdischen Speise ernährt? Ißt denn die göttliche Jungfrauenschaft irdische Speise?

285. Ich halte dafür, mein Gegensatz wird irren, und es wird in Maria gewiß zweierlei Jungfrauenschaft verstanden, nämlich eine aus Gott und eine aus Eva. Das weiß und glaube ich, daß der äußeren die innere verborgen gewesen sei und allein in Gott offenbar, gleichwie auch in uns der neue Mensch dem irdischen verborgen ist.

286. Denn nichts kann in der äußeren Welt offenbar werden, es nehme denn der äußeren Welt Wesen an sich. So ist doch die äußere Welt sowie der äußere Mensch durch Gottes Weisheit geboren. Und das reine Mysterium der äußeren Welt, das im unreinen verborgen liegt, steht in der Wurzel der inneren Welt und gehört dahinein.

287. Darum soll der äußerliche Mensch mit seinem Mysterium des dritten Prinzips am Jüngsten Tag auferstehen und in das Innere eingehen, so daß das Innere herausgewandt stehe, und das Äußere hinein: Dann ist Gott Alles in Allem.

288. Ich weiß nicht, was das für eine Vernunft gäbe, wenn ich wie mein Gegensatz sagte, Christus hätte nicht unsere Menschheit angenommen. Hätte Gott den Menschen durch die Weisheit allein tingieren (mit Tinktur heilen) wollen, dann hätte es doch wohl ohne Menschwerdung geschehen können.

289. Und wenn Christus keine Kreatur ist: Warum ist er dann in kreatürlicher Gestalt gegangen und ist mit Leid als eine Kreatur am Kreuz gestorben? Kann denn auch die Gottheit leiden und sterben? Davon weiß ich noch nichts, daß das sterben könne, was seit Ewigkeit ohne Anfang gewesen ist. Wäre es möglich gewesen, zu sterben, dann wären auch Luzifers und Adams Seele gestorben.

290. Nun stirbt aber nur das, was aus der Zeit geboren wurde, nämlich der äußere Mensch aus dem dritten Prinzip, damit aus dem zeitlichen Tod die Ewigkeit ausgrüne und die Zeit als eine zeitliche Bildung wieder in die Ewigkeit hineingewandt und geführt werde.

291. Denn darum kam Christus in unser äußerliches und innerliches Mysterium, damit er unser zeitliches Mysterium in die Ewigkeit hineinführe, daß er den Menschen wieder in und mit sich in die Gestaltung umkehrte, die Adam in der Schöpfung war, als er nicht wußte, was böse und gut wäre.

Vom vergeblichen Streit um die Wissenschaft. Wenn wir in uns selbst lesen, dann lesen wir im Buch Gottes: Kein Wissen macht uns selig.

292. Meine lieben Brüder in Christus! Vernehmt es doch und seid Christi Glieder! Seid doch Äste am Baum Christi! Seht doch die Epistel von St. Paulus fleißig an, wie wir in Christi Leiden und Tod eingehen müssen und dem alten irdischen Menschen absterben und in eine wahrhafte Liebe treten.

293. Wahrhaftig und gewiß: In Streit und Verachtung ist nicht Christi Geist, sondern nur ein bemalter Spiegel ohne Leben und Erkenntnis. Bedenkt doch, daß wir Äste an einem Baum sind, und der ist Christus, und Gott ist Christi Baum.

294. Was streiten wir lange um das Wissen? Ist doch das Wissen nicht allein der Weg zur Seligkeit. Der Teufel weiß mehr als wir, aber was hilft es ihm? Nichts! Denn daß ich viel weiß, gibt mir keine Freude. Daß ich aber meinen Heiland Jesus Christus liebhabe und ihn immer begehre, das gibt mir Freude, denn das Begehren ist ein Nehmen.

295. Ich weiß nichts, begehre auch nichts zu wissen, habe auch niemals irgendwelche Wissenschaft gesucht, denn ich bin in der Wissenschaft ein Kind und ein Nichts, und will auch gerne nichts wissen, damit ich im Wissen tot und ein Nichts sei, so daß Gott im Geist Christi mein Wissen, Wollen und Tun sei, damit ich in seinem Wissen und Wollen laufe. Und nicht eben ich, sondern er, so daß ich nur ein Werkzeug sei und er die Hand und Arbeit.

296. Was wollt ihr lang mit mir streiten? Ich weiß nichts von eurem Wissen, habe es auch nie gelernt. Forscht doch selbst in jenem, in dem das Wissen ist und worin ich weiß. Weil ich doch im Wissen tot bin um dessentwillen, der in mir wissen will.

297. Ich trage in meinem Wissen nicht erst Buchstaben aus vielen Büchern zusammen, sondern ich habe den Buchstaben in mir. Liegt doch Himmel und Erde mit allem Wesen sowie Gott selbst im Menschen. Soll er denn in diesem Buch nicht lesen dürfen, das er selbst ist?

298. Wenn ich auch kein anderes Buch hätte, als nur mein Buch, das ich selbst bin, dann habe ich Bücher genug: Liegt doch die ganze Bibel in mir. Wenn ich Christi Geist habe, was bedarf ich dann noch mehr Bücher? Soll ich gegen das streiten, was außerhalb von mir ist, bevor ich kennenlerne, was in mir ist?

299. Wenn ich mich selbst lese, dann lese ich in Gottes Buch, und ihr, meine Brüder, seid alle meine Buchstaben, die ich in mir lese. Denn mein Gemüt und Wille findet euch in mir. So wünsche ich von Herzen, daß ihr mich auch findet.

300. Ich ermahne euch als Kinder und Brüder aus meinem treuen Mund, daß ihr vom Streit abgeht und das Bruder-ABC in euch lest. Denn es ist alles nichtig und vor Gott untüchtig, was ihr um die Buchstaben streitet. Sie stehen doch in allen Menschen. Der Bauer ist so gelehrt und dem Reich Gottes so nahe wie der Doktor, wenn er das Bruder-ABC in sich liest.

301. Keine Wissenschaft macht euch selig, sondern daß ihr in das Wissen eingeht und der Wissenschaft Täter seid und werdet: Nicht überheblich stolze, eigenehrige, störrige, wilde und dürre Zweige, sondern lebendige im Baum Gottes, wo ein Zweig dem anderen Saft und Leben gibt.

302. Ach, wie klagt doch die Mutter über viele von euch, daß ihr dürre abtrünnige Zweige seid! Es wird euch gesagt, daß die verdorrten Zweige abgehauen werden, denn der Baum soll sich verjüngen und seine erste Gestalt darstellen. Denn das Ende gehört in den Anfang.

303. Werdet ihr dies alles verachten, was euch jetzt gesagt wird, und euch nicht in euch wenden und euer eigenes Buch lesen lernen, dann wird euch eine Axt vom Aufgang und Mitternacht abhauen, daß ihr nimmer sagen werdet, ich lese in fremden Büchern und weide mich in fremdem Gras.

304. Gott hat sein Herz mit seinem Leben in uns gesandt, darin alles geschrieben steht. Wer dieses Buch in sich liest, der ist gelehrt genug. Das andere ist Babel und Fabel, daß einer im Buchstaben außerhalb von sich gelehrt sein will, ehe er sein eigenes Buch lesen kann. Lese er zuerst seines, dann wird er in seinem eigenen alles finden, was die Kinder Gottes geschrieben haben.

305. Denn wir Menschen haben allesamt nur ein einiges Buch, das zu Gott weist, und das haben wir gemeinsam. Ein jeder hat es in sich, und das ist der teure Name Gottes. Seine Buchstaben sind die Flammen der Liebe, die er aus seinem Herzen im teuren Namen Jesu in uns offenbart hat. Lest nur diese einigen Buchstaben in eurem Herzen und Gemüt, dann habt ihr Bücher genug. Alle Schriften der Kinder Gottes weisen euch dahin, in das einige Buch, denn darin liegen alle Schätze der Weisheit. Seht nun zu, daß ihr im Leben und Geist Christi neugeboren werdet, dann habt ihr alles, was Gott ist und vermag.

306. Aber ihr seid trunken und geht irre, sucht den Schlüssel zum Buch und streitet um den Schlüssel. Ein jeder spricht: „Ich habe den Schlüssel!“ Und keiner will sein eigenes Lebensbuch aufschließen. Es hätte ein jeder den Schlüssel zu Gott in sich, wenn er ihn nur am rechten Ort suchte. Aber ihr wollt lieber streiten, als den Schlüssel in euch zu suchen. Darum seid ihr alle blind, die ihr streitet. Ihr geht nur wie vor einem Spiegel suchen. Warum geht ihr nicht ins Zentrum? Denn mit solchem Suchen findet ihr den Schlüssel nicht, mögt ihr gelehrt sein wie ihr wollt: Das hilft nichts.

307. Denn es liegt nicht an Kunst und Verstand, sondern an einem ernsten vorgesetzten Willen, um von sich selber abzugehen und alle eigene Wissenschaft zu verlassen und sich mit bußfertigem demütigem Begehren in Gottes Wissen hineinzuwerfen, und alles eigene Wissen zu verlassen und nur Gottes Wissen zu begehren, doch mit der Gestalt, daß er in euch wisse, was er wolle. Dann werdet ihr göttliches Wissen anziehen und den Schlüssel finden, um den ihr streitet.

Abschließende Botschaft, und wie sich die Völker gegenseitig auffressen werden, wenn sie nicht vom Streit ablassen.

308. Meine lieben Brüder! Feindet mich doch wegen meiner Wissenschaft nicht an, denn ich, der ich der Ich bin, habe es zuvor nicht gewußt, daß ich euch geschrieben habe. Ich vermeinte, ich schriebe es allein mir. Doch es ist ohne mein Wissen so geraten. Ich sage es euch in guter Absicht: Ist es nicht eure Gabe, es zu verstehen, dann laßt es mir stehen. Denn ich verstehe es wohl, was ich geschrieben habe.

309. Kann es einer verstehen und gefällt es ihm, dann will ich es ihm gern gönnen. Wenn aber nicht, und er es nicht begehrt, weil er es nicht versteht, dann vergreife er sich nur nicht mit Schmähen und Lästern gegen Gott oder es wird ein Ernst danach folgen, davon ihr nichts wissen wollt noch könnt in solchem Lauf. Vergönnt mir doch, daß ich in dem arbeite, dahinein ich gesetzt wurde.

310. Spricht doch auch mein Gegensatz, wir können ohne Gott nichts Gutes denken noch wollen, auch von Gott nichts wissen, ohne ihn. Und auch ich sage euch, daß ich ohne Gott nichts von Gott weiß: Mein Wissen ist in ihm und steht in seiner Macht.

311. Warum feindet er mich dann an, wenn Gott in mir weiß und ich euch den Weg zu ihm offenbaren soll? Ich bin doch Nichts, und er ist Alles. Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer es aber nicht kann, der lasse es stehen. Mit solchen Einwürfen werdet ihr meine Schriften weder ergründen noch verstehen.

312. Ich sehe euren Geist viel besser als ihr versteht und was ihr für Gegeneinwürfe macht. Ich kann aber nicht finden, daß mein Gegensatz etwas Gründliches in meinem Begriff versteht, sondern es ist alles nur wilde und hart-neidige Eigenschaft, ganz spöttisch, so daß mich sein Elend mehr jammert, daß er so blind daran ist, als das ich begierig wäre, ihm zu antworten.

313. Ich ermahne euch alle, die ihr dies lest und hört, verstopft doch nicht eure Herzen! Seht doch die Zeit an und denkt ihr nach! Seht doch, in welcher Zeit wir und unsere Väter gelebt haben, nämlich nur in Zank und Streit. Ist der Mensch mit seiner Welt vom Streiten jemals frömmer geworden? Niemals, sondern nur heilloser und üppiger, verächtlicher und spöttischer!

314. Er ist auch mit der Offenbarung des heiligen Evangeliums in seinem Leben nur ärger geworden. Weil man gestritten hat, und so hat ein Bruder den anderen verachtet, verfolgt und gehaßt. Was habt ihr jetzt für Früchte des Evangeliums? Muß nicht der teure Name Gottes jetzt eine Decke für die Schalkheit der Menschen sein?

315. Sind nicht die Christen, die sich heute so nennen, und die Türken, Juden und Heiden einander im Leben alle gleich? Was hilft euch der Name Christi, wenn ihr doch heidnisch lebt? Meint ihr, daß es genug sei, daß Christus für die Sünde gestorben ist? Daß ihr euch nur mit Christi Tod kitzeln und trösten braucht und den falschen Menschen anbehalten könnt, der nur überheblich stolz und streitsüchtig ist?

316. Könnt ihr nicht prüfen, was bald darauf folgen wird? Nämlich daß sie vor Gott auch gleich gerechnet werden, wenn sie alle im Leben und Willen gleich sind, und daß, wenn man nur streitet und Streit sucht, es zu einer solchen Vermischung im Streit kommen muß, daß ein Volk das andere auffrißt.

317. Denn Gott zieht seine Hand von diesen Völkern. Weil sie sich ihren Geist nicht strafen lassen wollen, hat der Zorn sein Schwert der Begierde gefaßt und treibt mächtig im Gemüt der Menschen, damit ein Volk das andere verderbe und auffresse. Was unsere Väter mit Verachtung und Spotten eingebrockt haben, das werden ihre Kinder mit Schwertern und Schlägen aufessen (bzw. auslöffeln).

318. Und das verhängt Gott darum, weil man seinen heiligen Namen nur zum Schwur führt und mißbraucht, in der Erkenntnis seines Namens und Willens nur eigenwillig ist und seinen Namen nur zur Schmach gebraucht, so daß ein Bruder den anderen um der Erkenntnis seines Namens willen verachtet, obwohl er ihn doch in seiner Erkenntnis in der Liebe suchen sollte und ihm mit heiligem Leben vorangehen.

319. Was sind die sogenannten Christen jetzt besser als die Türken und Heiden, wenn sie nur türkisch und sogar noch mehr als türkisch und heidnisch leben? Wo ist die christliche und evangelische Frucht?

320. Ein Jeder spricht, es wird gut werden, wenn nur dieses (äußerliche) Übel verginge! Ich aber sage euch in wahrer Erkenntnis, daß es nicht gut wird, sondern nur ärger. Es kehre denn ein jeder in sich selbst um und wende sein Herz und Gemüt zur Liebe und Einträchtigkeit, sonst wird ein Volk das andere fressen, und die Länder werden sich verzehren, verwüsten und zerstören, und es wird eine solche leichtfertige bösartige Welt werden, daß sie nicht wert sein werden, Menschen zu heißen.

321. Und solches werden sie sich untereinander selber antun, und es wird eine gemeine Vermischung der Völker im Streit sein, und kein Teil ist besser, bis der Zorn Gottes seinen Grimm erfüllt und sich die Völker in das höchste Verderben und Elend hineinführen. Dann wirst du dich doch sehen und kennenlernen, was du in deinem überheblichen Stolz gewesen bist, wenn du nackt bist und den Herrn in deinem Elend suchen wirst, und sehen, welches Übels du dir getan hast.

322. Darum, meine lieben Brüder, sucht doch nur das Perlein, alle, die ihr gedenkt dem Zorn Gottes zu entfliehen! So sehe man nicht auf das Leben des anderen, sondern auf seines. Denn es heißt nicht, immer mehr zu disputieren, sondern Umkehren oder Verderben.

323. Die Zeit von Disput und Geschwätz ist vorbei, ihr kommt durch Disputieren nicht weiter. Aber mit der neuen Wiedergeburt im Geist Christi werdet ihr das Perlein erreichen und überkommen, so daß ihr nimmermehr streiten müßt.

324. Das lasse sich nur ein jeder Ernst sein, suche sich selbst in sich und sehe, was er sei, und bedenke, wie er seinen Bruder in der Liebe suchen will. Er gehe nur von Geiz und Stolz ab, lasse sich an Hülle und Fülle begnügen und setze sein Vertrauen in Gott, der Regen und Segen gibt.

325. Wir nehmen doch nichts von dieser Welt mit. Was streiten wir dann um das Vergängliche und verscherzen damit das Unvergängliche? Es muß doch zu dem Ziel kommen, oder wird noch böser werden. Und welches Volk nicht in dieses Ziel eingehen will, das muß ganz ausgezehrt und gefressen werden. Das deutet der (sehende) Geist der Wunder.

326. Solches habe ich euch, liebe Herren und Brüder in Christus, die ihr meine Schriften lest und für euch gebraucht, in Betrachtung meines Gegensatzes nicht verbergen wollen. Und ich ermahne euch brüderlich, wie auch meinen Gegensatz, daß ihr die Heilige Schrift gegen meine Schriften halten wollt, aber in der Schrift nichts anderes suchen, als das väterliche Liebesherz Jesu Christi. Dann werdet ihr wohl finden, aus welchem Geist ich geschrieben habe.

327. Wer das aber nicht tun will, der lasse mir meine Schriften in Ruhe, denn ich habe ihm nichts geschrieben. Ich habe sie allein für mich geschrieben, ohne Bedacht, wie es damit gehen sollte. Ich weiß auch nicht, wie es zugeht, daß sie so laufen. Denn ich bin niemandem damit nachgelaufen, und verwundere mich neben euch, was der Höchste tut.

328. Erkennt es doch und werdet sehend, denn der Tag bricht an! Werdet ihr meine Schriften recht verstehen lernen, dann werdet ihr von allem Streit erlöst und euch selbst kennenlernen. Jedoch vermag es eben nicht der Buchstabe, sondern allein der lebendige Geist Christi. Und dieser Weg ist euch treulich gewiesen.

329. Nun tut, was ihr wollt, die Einernte ist nah, daß ein jeder genießen wird, was er in seiner Scheune angesammelt hat. Damit rede ich von ganzem Herzen, ohne Scherz, in der mir von Gott gegebenen Erkenntnis, und empfehle mich in eure brüderliche Liebe im teuren Namen Jesu Christi. - Gegeben am 3. Juli 1621.

Jauchzet dem Herrn, alle Länder, und lobet ihn, alle Völker, denn sein Name geht über alle Berge und Hügel. Er schießt auf wie ein Reiser und geht in großen Wundern: Wer will das verwehren? Hallelujah.


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