De Signatura Rerum

(Text von Jacob Böhme 1622, deutsche Überarbeitung 2022)

11. Kapitel - Vom Prozeß Christi in Leiden, Tod und Auferstehung

Vom Prozeß Christi in seinem Leiden, Tod und Auferstehen, vom Wunder des sechsten Reichs in der Mutter aller Wesen, wie das Consummatum („Es ist vollbracht!“) vollendet worden ist, und wie es im philosophischen Werk in der Gleichheit zum Ziel läuft.

11.1. Wir sollten wissen und betrachten, daß das Wesen dieser Welt zusammen mit dem Menschen in zwei (grundlegenden gegensätzlichen) Eigenschaften steht, nämlich im Feuer und im Licht, das heißt, im Zorn und in der Liebe. So ist nun das Feuer zweierlei und auch das Licht zweierlei, nämlich ein kaltes Feuer von der Verdichtung und ein hitziges Feuer vom Rad des Mercurius im Sulphur, sowie auch ein kaltes Licht vom kalten Feuer und ein wärmendes Licht vom hitzigen Feuer.

11.2. Das kalte Licht ist falsch, und das hitzige ist gut (bezüglich der weltlichen Gegensätze von Gut und Böse). Nicht, daß es in seiner Eigenschaft falsch sei, sondern nur in der Verdichtung im kalten Sulphur wird es in der Schärfe des Grimms eine falsche Begierde, nämlich eine falsche Liebe, welche gegen die Sanftmut läuft, denn ihre Begierde ist Saturn und Mars, und sie führt ihre Sonne im Mars aus, das heißt, ihren Schein des Lebens. Aber das wärmende Licht, welches auch seine Feuersschärfe in der Verdichtung im Sulphur vom Mars empfängt, führt seine Begierde wieder in die Freiheit, nämlich durch das Sterben im Feuer und durch die Angst hindurch, und es gibt sich im Sterben des Feuers ganz frei dahin und verläßt die Eigenschaft des Grimms. Dann ist eine allgemeine Wonne und nichts Eigenes mehr, gleichwie die Sonne ihren Schein allgemein gibt.

11.3. Der Sonne Schein ist weder hitzig noch kalt. Nur der Mercurius im Geist der großen Welt macht in der Eigenschaft von Mars und Saturn eine Hitze darin. Denn die Sonne zündet deren Begierde an, davon sie so hungrig, begierig und qualifizierend werden, so daß dann ein Feuer im Licht gespürt wird, welche Hitze keine Selbsteigenschaft des Lichtes ist, sondern der Seele der großen Welt. Und die schärft auch das wonnesame Licht im Glanz so sehr, daß es dem Auge unerträglich wird.

11.4. Und so ist uns hoch zu erkennen, daß damit eine andere Feuerbegierde, welche nicht dem äußeren Leben im Mercurius ähnlich ist, im strengen Grimm der äußeren Natur herrschen wollte, so daß es ein Widerwille gegen das strenge, kalte, bittere und feurige Regiment und Leben sein würde, und daß sich ihr Grimm erheben würde, um davon gern frei sein zu wollen. Wie es dann auch geschehen ist, als sich die göttliche Liebebegierde mit ihrer großen Sanftmut unter der falschen, kalten, strengen und überheblich stolzen Feuerbegierde der Saturnalisten, Marsialisten und besonders der falschen Merkurialisten offenbart hat. Das war ein großer Gegensatz und Widerwille, daß da die Liebe im Tod des Giftes herrschen und innewohnen wollte, und das konnten noch wollten sie nicht leiden, denn der Himmel war in die Hölle gekommen und wollte die Hölle mit der Liebe überwinden und ihr die Macht nehmen, wie dann solches in Christi Person zu sehen war: Er liebte sie und würde ihnen alles Gute tun und sie von ihren Plagen heilen. Aber daß er nicht aus ihrer grimmigen Macht entsprungen war und sprach „Er wäre von oben hergekommen, und wäre Gottes Sohn.“, das schmeckte der kalten und hitzigen Feuersmacht nicht, als er mit der Liebe über sie herrschen wollte.

11.5. Ebenso geht es auch im philosophischen Werk zu: Wenn die grimmigen Gestaltungen der Irdischkeit, als der äußere Saturn, Mars und Merkur, den himmlischen Ritter mit der jungfräulichen Eigenschaft unter sich sehen und fühlen, daß er eine andere Begierde hat als sie, dann erzürnen sie sich in sich selber. Denn wenn die Liebebegierde den Feuerschreck anblickt, dann erweckt sie ihren Feuerschreck, und dann geht der Grimm aus der Ängstlichkeit in die Liebe ein, davon in der Liebe ein Todesschreck entsteht. Weil aber kein Tod darin sein kann, so entsinkt die Liebe im Feuerschreck und gibt sich in ihrer Begierde aus und läßt ihr Wesen in ihrer Begierde nach ihrer Eigenschaft im Todesschreck stehen. Das ist dem Tod ein Gift und der Hölle eine Pestilenz, und durch eine solche Eigenschaft wurde dem Tod in der Menschheit seine Macht genommen. Denn für Christus, als er im Schreck des Todes sein himmlisches Blut vergossen hatte und im Tod ließ, mußte der Grimm Gottes das himmlische Liebewesen in sich behalten. Hier wurde nun die Feuerbegierde in der entzündeten Menschheit in eine Liebebegierde verwandelt, und aus der Todesangst eine Freude und Stärke der göttlichen Kraft geboren.

11.6. Damit ich es aber dem Liebhaber gründlich verständig machen könne, wie es mit Christus zugegangen war und wie es in gleicher Weise im philosophischen Werk zugeht: Es ist ganz ein (und derselbe) Prozeß. Christus hat den Grimm des Todes in menschlicher Eigenschaft überwunden, und in menschlicher Eigenschaft den Zorn des Vaters in eine Liebe verwandelt. So hat auch der Philosoph einen solchen Willen. Er will die grimmige Erde zum Himmel machen und den giftigen Mercurius in Liebe verwandeln. So erkenne er uns recht, wir wollen hier nicht parabolisch (gleichnishaft) schreiben, sondern ganz sonnenklar:

11.7. Gott wollte die Menschheit, nachdem sie irdisch wurde und in der Eigenschaft der Liebe den giftigen Mercurius erweckte, welcher die Liebe verschlungen und in sich verwandelt hatte, wieder in göttlich-himmlische Eigenschaft verwandeln, und aus der menschlichen Erde einen Himmel machen, aus den vier Elementen nur eines in Einer Begierde, und den Grimm Gottes in menschlicher Eigenschaft in Liebe verwandeln.

11.8. Nun war sein Zorn eine Macht von Feuer und Grimm, und er war im Menschen entbrannt. Dem nun zu widerstehen und in eine Liebe zu verwandeln, mußte Ernst sein. Die Liebe mußte in den Zorn eingehen und sich ganz dem Grimm hineinergeben. Es reichte nicht, daß Gott im Himmel blieb und die Menschheit nur mit der Liebe anblickte. Es konnte nicht sein, daß damit Zorn und Grimm ihre Gewalt sinken lassen und sich in die Liebe hineinergeben würden, gleichwie das Feuer vom Licht nicht besser wird, sondern seinen Grimm für sich behält. Wenn aber ein sanftes Wesen in das Feuer fährt, wie das Wasser, dann erstirbt das Feuer.

11.9. So mußte himmlisch-göttliche Wesenheit, das heißt, himmlisches Wasser, das die Tinktur vom Feuer und Licht in Blut verwandelt, in das grimmige Feuer Gottes eingehen und des Feuers Speise werden, damit das Feuer Gottes aus einer anderen Essenz brennt. Denn (irdisches) Wasser hätte es nicht getan, weil das Feuer nicht in diesem Wasser brennt. Aber die sanfte ölige Eigenschaft vom Feuer und Licht im Wesen göttlicher Sanftmut in der Liebebegierde, die vollbrachte es.

11.10. Das menschliche Feuerleben steht im Blut, und darin herrscht der Grimm Gottes: Nun mußte ein anderes Blut, welches aus Gottes Liebe-Wesen geboren war, in das zornige menschliche Blut eingehen, und sie mußten miteinander in den Tod des Grimms eingehen, und der Grimm Gottes mußte im göttlichen Blut ertrinken. Darum mußte die äußere Menschheit in Christus sterben, damit sie nicht mehr in der Eigenschaft des Grimms lebte, sondern daß allein der Mercurius des himmlischen Blutes lebte, nämlich das sprechende Wort in der äußeren Menschheit, und in eigener göttlicher Gewalt in der äußeren und inneren Menschheit regierte, so daß die Ichheit in der Menschheit aufhörte und der Geist Gottes Alles in Allem sei, und die Ichheit nur sein Werkzeug ist, mit dem er macht, was er will, und auch die Selbheit nur Gottes Werkzeug und ganz in der Gelassenheit sei. Denn Gott hatte den Menschen nicht zum eigenen Herrn, sondern zu seinem Diener geschaffen: Er wollte Engel im Gehorsam haben, und keine Teufel in eigener Feuersmacht.

11.11. Und als sich nun seine Liebe in den Tod begeben wollte, um dem Tod die Macht zu nehmen, da wurden die zwei Welten, als des Vaters Feuerwelt mit der äußeren sichtbaren Welt und dann die göttliche Liebe-Welt mit göttlich-himmlischer Wesenheit, das heißt, das Fleisch und Blut des verdorbenen Menschen zusammen mit dem himmlischen Fleisch und Blut, in eine Person formiert: Gott wurde Mensch, und der machte den Menschen zu Gott. Des Weibes Samen der himmlischen Jungfrauenschaft, welcher in Adam verblich, und der Samen des verdorbenen Menschen im Zorn, als Marias Samen, wurden in Eine Person formiert, und die war Christus. Und des Weibes Samen der göttlichen Jungfrau, das heißt, die himmlische Wesenheit, sollte der Schlange, das heißt, dem Grimm Gottes im verdorbenen Menschen, den Kopf zertreten, denn der Kopf ist die Macht des göttlichen Zorns. Und der göttliche Mensch, das heißt, die göttliche Eigenschaft, sollte die irdische in sich verwandeln und die Erde zum Himmel machen. (1.Mose 3.15)

11.12. Als nun die Person so geboren war, stand der Himmel in der Erde des Menschen. Nun hatte es aber die Menschwerdung damit nicht allein getan: Es mußte noch ein anderer Ernst sein, denn nur weil Christus auf Erden ging, war die Menschheit aus Marias Eigenschaft noch nicht allmächtig, sondern die Menschheit aus Gott. Sie waren in zwei Prinzipien gegeneinandergesetzt, aber nicht (gegenseitig) verschlossen, sondern alle beide waren ineinander offenbar: Die Liebe gegen den Zorn, und der Zorn gegen die Liebe.

11.13. Nun galt es, miteinander zu ringen, und daraus kam auch die Versuchung Christi. Und als die göttliche Welt siegte, da kamen danach die großen Wunder durch die äußere menschliche Welt.

11.14. Aber das alles konnte es noch nicht vollbringen: Es mußte ein größerer Ernst sein. Die menschliche Eigenschaft, als das ausgesprochene Wort, war in ihrer Selbheit (bzw. Ichheit) noch im bewegten Zorn rege, und so mußte der menschliche Sulphur in einen himmlischen verwandelt werden, als in den himmlischen Teil. Davor entsetzte sich die menschliche Selbheit (das Selbersein), nämlich der ausgesprochene Mercurius, als am Ölberg die himmlische Welt in der Liebe mit dem Zorn in der menschlichen Welt der Selbheit rang, so daß die Person Christi blutigen Schweiß schwitzte. Da erzitterte eines vor dem anderen, die Liebe vor dem rauhen Tod, dahinein sie sich mit der göttlichen Wesenheit ganz ergeben sollte und mußte, um den Zorn in sich verschlingen zu lassen. Und der Zorn erzitterte vor seinem Tod, darin er in der Liebe seine Macht verlieren sollte.

11.15. So sprach die ganze Person Christi: »Vater, ist es möglich, dann gehe dieser Kelch von mir. Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! (Matth. 26.39)« Damit sprach die Liebe-Welt in Christus: „Kann es nicht sein, ohne den Kelch deines Zornes in mich zu trinken, dann geschehe dein Wille.“ Und der Zorn sprach: „Ist es möglich, dann gehe dieser Kelch der Liebe von mir, damit ich im Grimm des Menschen wegen seines Ungehorsams quelle.“ Wie auch Gott zu Moses sprach, der im Geist Christi als Christi Vorbild vor Gott stand: »Laß mich, damit ich dieses ungehorsame Volk auffresse. (2.Mose 32.10)«

11.16. Aber der Name Jesus, welcher sich im Paradies mit der Verheißung vom Weibes-Samen in das Ziel des menschlichen und göttlichen Bundes einverleibt hatte, der wollte ihn nicht lassen, denn die Demut namens Jesus stellte sich allezeit in den Grimm des Vaters seiner Feuereigenschaft, so daß sein Feuer den halbgiftigen Mercurius im Menschen nicht anzünden könne, als nur zu Zeiten, wenn Israel im Grimm und Ungehorsam ging, wie bei Korah, Dathan und Abiram (4.Mose 16) oder bei Elia zu sehen ist (2.Kön. 1).

11.17. So auch hier am Ölberg: Der Zorn wollte im Menschen in der Feuersmacht leben, aber der Name Jesus stellte sich in den Zorn hinein, und so war hier weiter kein Rat, als daß sich der Name Jesus in göttlicher Liebe und himmlischer Wesenheit dem Zorn ganz zu verschlingen gab. Der Sohn mußte und wurde dem zornigen Vater gehorsam, bis in den Tod des Kreuzes, sagt die Schrift. Die Liebe, Demut und Sanftmut ließ sich vom Zorn verspotten, anspucken und annehmen, und die Juden mußten das Reich Gottes vollstrecken, denn durch des Menschen Selbsttun war die Sünde begangen worden, und durch des Menschen Selbsttun mußten der Tod und die Sünde getilgt werden.

11.18. Adam hatte seinen Willen in das Gift des äußerlichen Mercurius hineingeführt, und so mußte auch Christus als die Liebe seinen Willen in den giftigen Mercurius hineinergeben. Adam aß vom bösen Baum, und Christus mußte vom Zorn Gottes essen. Und wie es innerlich im Geist zuging, so auch äußerlich im Fleisch.

11.19. Und ebenso geht es auch im philosophischen Werk: Der Merkur (Mercurius) bedeutet in diesem den Pharisäer, der das liebe Kind nicht dulden will, wenn er es sieht, und das gibt ihm ein Zittern und Ängstigen. So erzittert auch die Venus vor dem Gift des zornigen Mercurius, denn sie stehen ineinander, als würde ihnen der Schweiß fließen, wie es der Künstler sehen wird.

11.20. Und der Mars spricht: „Ich bin der Feuerherr im Körper, der Saturn ist meine Macht, und der Mercurius ist mein Leben. Ich will diese Liebe nicht, und will sie in meinem Grimm verschlingen.“ Der bedeutet den Teufel im Zorn Gottes. Und weil er das nicht tun kann, so erweckt er den Saturn als die Verdichtung, was die weltliche Obrigkeit bedeutet, und greift damit nach der Venus, die er aber auch nicht in sich haben kann, denn sie ist ihm ein Gift zum Tod.

11.21. Dies kann der Mercurius noch viel weniger leiden, denn die Liebe nähme ihm das Regiment. Wie auch die Hohepriester dachten, Christus würde ihr Regiment aufheben, weil er sagte, er wäre Gottes Sohn.

11.22. So wird dem Mercurius vor dem Venus-Kind bange, denn die Venus hat sich jetzt ganz entblößt und freigegeben. Sie mögen nun machen, was sie wollen, sie will dem Drachen in den Rachen fahren, er soll ihn nur aufsperren. Und das versteht der Mars im Mercurius nicht, sondern sie nehmen das schöne Kind, schießen ihren Giftstrahl darauf und binden es mit Saturns Macht in ihren bösen Stricken, wie es der Künstler sehen wird, wie sie die Farbe der Venus umgeben.

11.23. Mars führt es zuerst in den Mercurius, weil er das Leben ist, als vor den Hohepriester, und der soll das schöne Kind examinieren und prüfen. Aber er ist ihm gram und mag ihm nicht in das Herz greifen (bzw. sehen) nach seinem Liebewillen, und so beurteilt er es nur äußerlich, daß es nicht von seiner Eigenschaft ist, sondern mit solcher Gestaltung dasteht, wie der Mercurius, aber eine andere Kraft, Tugend und Willen hat.

11.24. Weil aber im Kind der Venus ein anderer Mercurius in seiner Liebe lebt, so kann er es nicht ermorden, sondern führt es in den Saturn, wie die Juden Christus von Kaiphas zu Pilatus, der den Saturn bedeutet, und der nimmt das Kind auch an. Weil er aber ein Herr der Verdichtung als der Finsternis ist, so fragt er nicht nach der Eigenschaft des Kindes, sondern nur nach dem Regiment. Er greift das Kind mit der finsteren Verdichtung an und zieht ihm das schöne Venuskleid aus. Und als solches Luna (die Mondin) mit dem weißen Glanz der Sonne sieht, da verbirgt sie sich, wie die Jünger Christi flohen und die gemeine Menge von Christus, welche sich hoch vermaßen, in Kreuz und Verfolgung bei ihm zu stehen. Aber im Ernst flohen sie, denn Luna ist unbeständig, weil sie nicht das Herz der Sonne in der Liebeflamme hat. Und Saturn mit seiner stachligen Verdichtung zieht den Sulphur über das Kind, als die Mutter aller Wesen mit ihrem purpurfarbenen Kleid ihrer Selbsteigenschaft, darin der Grimm des Mars zur Herberge liegt.

11.25. Wenn das nun der Mars als des Teufels Gesinde und der Mercurius als der eigenwillig überhebliche Stolz des Lebens sehen, daß die Venus ihr königliches Kleid anhat, das heißt, des Saturns und Mercurius Purpurkleid in der Sonnen-Farbe mit dem feurigen Mars gemischt, und in der Sulphur-Farbe des Mercurius im Blitz wie ein Glanz geziert wird, dann wird die Materie entsprechend der Farbe der Venus-Eigenschaft sichtbar. Darauf sollte der Künstler achthaben, denn er wird es klar so sehen, wie gesagt.

11.26. Wenn das Mars und Mercurius sowie Luna sehen, dann schreien sie: „Kreuzigung! Hinweg! Es ist ein falscher König in unserem Kleid! Er ist nur ein Mensch, wie wir es sind, und er will Gott sein!“ Das heißt, sie führen ihre giftige Begierde durch das purpurfarbene Kleid auf das Kind, und so wird der Künstler sehen, daß das Kind an seiner eigenen Gestalt aussehen wird, als wäre es voller Striemen von den giftigen Strahlen von Mercurius und Mars, welche sie dem Kind durch die Verdichtung Saturns antun, gleichwie Pilatus Jesus geißelte. Auch die stachlige Dornenkrone wird der Künstler ganz scharf mit seinen Spitzen auf der Eigenschaft des Kindes sehen. Und so wird er auch sehen, wie sich die Venus nicht regt, sondern nur stillsteht und es mit sich machen läßt.

11.27. Versteht es recht, wie Adam eine kalte falsche Liebe an sich genommen hat und damit vor Gott glänzte, als wäre er in eigener Macht und Willen und dennoch Gottes Kind, mit dem er doch nur Gottes spottete, denn so erscheint die Liebebegierde, wenn sie in der Verdichtung des Todes gefangen wird. So mußte nun Christus als der zweite Adam alles das auf sich nehmen und in denselben Spott eingehen, sich mit einem Purpurkleid wie einen König dieser Welt bekleiden und darin verspotten lassen, denn Adam hatte das Purpurkleid der äußeren Welt und eigenen Macht im Glanz der Ichheit angezogen. Jetzt wurde es hier vor Gottes Zorn zur Schau getragen, und das weiße Kleid, das Herodes Christus zum Spott anzog, ist und bedeutet die kalte falsche Liebe, als ein Kleid der Falschheit, darin der Mensch glänzt, als wäre er ein Engel: Er zieht also Christi Purpurmantel mit einem weißen Röcklein über sich und verdeckt sich mit Christi reinem schneeweißen Kleid, als mit seinem Leiden und Tod, aber behält den Mann der Falschheit, als die falsche Liebe, unter der Decke zur Herberge.

11.28. Jetzt mußte Christus dieselbe Bildung darstellen, denn an seinem Leib wurde es dargestellt. Denn er sollte den Mann der Falschheit überwinden und töten, der in menschlicher Eigenschaft verinnerlicht lag. So stellte ihn Gott gänzlich vor: Christus mußte sich als einen solchen schelten lassen, wie Adam war, und der Unschuldige mußte die Schuld auf sich nehmen.

11.29. So geht es auch im philosophischen Werk zu, wenn der Fluch von Gottes Zorn, welcher in der Erde ist, in die Liebe verwandelt werden soll: Weil Mercurius das Kind der Liebe vor den Saturn stellt, und Saturn es nicht prüfen kann noch mag, so zieht er ihm das purpurfarbene Kleid an, mit den Striemen unter dem Kleid, und schickt es vor den Glanz der Sonne, der im Mars blickt (bzw. reflektiert). So zieht ihm die Sonne ihre weiße Farbe an, als die lunarische, und so vergeht die Purpurfarbe und das Kind steht in lunarischer einfältiger weißer Farbe, ganz unachtbar ohne Glanz. Denn die Sonne wollte gern sehen, daß dieses Kind ihre goldene Farbe sehen ließe, weil sie merkt, es sei eine sonnige Kraft im Kind, und so gibt sie dem Kind die weiße Farbe aus der Eigenschaft der ewigen Freiheit, und das Kind soll die Kraft vom Zentrum des Feuers, als die göttliche Macht, welche im Feuer rege wird, dahinein geben. Dann wäre es der Sonne ähnlich und wäre ein Herr über den Sulphur von Mars und Mercurius, aber nur ein Herr der Wesen der äußeren Welt, ein Regent im Grimm, wie die Sonne ein solcher ist.

11.30. Aber Christus sprach zu Pilatus: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. (Joh. 18.36)« Und er wollte Herodes in diesem weißen Kleid, als er ihm das anzog, sowie im Purpurkleid nichts antworten, denn das Purpurkleid wie auch das weiße Kleid war alles falsch und ihm nur zum Spott angezogen, weil es Adam angezogen hatte und darin in Falschheit glänzte. So mochte Christus darin vor Herodes kein Zeichen tun, auch wenn er dessen begehrte. Es wurde damit nur die Schande des Menschen, der ein Bild Gottes war und sich zu einem falschen König machte, vor Gottes Angesicht gestellt, gleichwie der arme Sünder seine Greuel vor Gott beichtet und darstellt, wenn er zur Abstinenz greift.

11.31. So stellte Christus seinem Vater die Greuel des Menschen in diesem falschen Kleid vor, stand vor ihm wie ein Spott und beichtete seinem Vater des Menschen Sünde stellvertretend für alle Menschen. Und als ihn sein Vater in diesem Kleid durch seine Imagination erblickte, wollte er dieses Kleid nicht, und darum mußte es ihm Pilatus wieder ausziehen. Und er stellte ihn in seiner eigenen Gestalt vor die Juden, aber sie schrieen: „Nur hinweg, hinweg! Er gehört in den Tod! (Joh. 19.15)“ Denn so wollte es sein Vater haben, daß er sich in dessen Grimm in den Tod hineingebe und diesen ertränkte. Und Pilatus verurteilte ihn zum Tode, denn er wollte ihn nicht als einen König anerkennen.

11.32. So geht es auch im philosophischen Werk zu: Der Saturn mag das Kind nicht annehmen, denn es entspricht nicht seiner Eigenschaft. Und so wollen es Mars und Mercurius auch nicht in ihrer Eigenschaft haben. Was tun sie aber? Das Kind ist unter ihnen, und sie wären es gern los, doch können es nicht. So ergrimmen sie sich, wie die Juden gegen Christus, und nehmen das Kind in ihre Fassung, nämlich in ihre falsche, giftige und zornige Begierde, und wollen es ermorden, und stechen mit ihren scharfen Feuer- and Giftstrahlen durch die Materie des Kindes, nämlich mit drei scharfen Nägeln: Der erste ist der Saturn, als die Verdichtung der finsteren Welt, und deutet den Grimm in der finsteren Welt an. Der zweite ist der Mars, der den Teufel als der Schlange Eigenschaft in Gottes Zorn andeutet. Und der dritte ist Mercurius, und der deutet das falsche Leben an, wie der Grimm Gottes im ausgesprochenen Wort in menschlicher Eigenschaft entzündet worden ist. Diese drei Nägel stechen sie durch die Eigenschaft des Kindes.

11.33. So gibt sich Venus als das Wesen der Liebe ganz in die drei Mörder hinein, und gibt ihr Jupiter-Leben ganz von sich, als stürbe sie, und das Mercurius-Leben menschlicher Eigenschaft, das heißt, des Kindes Kraft, fällt auch ganz in die drei Mörder im Haus seiner Mutter, als in das leibliche Wesen, darin der Jüngling seine Jungfrau einnahm und darin Gott Mensch wurde.

11.34. So ergibt sich nun der himmlische Leib und auch der irdische in die drei Mörder hinein, und so erscheint das Bild von Johannes und Maria neben dem Kreuz als eine Darstellung, denn des Jünglings Leben hat sich aufgegeben, wie auch das jungfräuliche im Jüngling. So teilen sich die zwei Eigenschaften, als die göttliche und menschliche, in Gestalt ihrer jeweiligen Kraft, welches der Künstler, wenn er Augen dazu hat, sehen kann, soweit der Verstand reicht.

11.35. Und in diesem, wenn sich der Saturn mit seiner Verdichtung und finsteren Schärfe, der Mars mit seinem Grimm und der Mercurius mit seinem Giftleben in die Venus-Eigenschaft hineindrängen, dann drängt sich der Grimm in die Liebe hinein, und die Liebe in den Grimm, essentiell vermischt als inqualierend.

11.36. Jetzt erschrickt der grimmige Tod vor der Liebe, daß er so im Sterben in Machtlosigkeit fällt, denn er verliert seine Macht des Grimmes, und auch die Liebe ist und steht im Qual-Quell des Grimms im Todesschreck wie machtlos und gibt sich ganz in den Todesschreck aus. Damit fließt das himmlische Wesen als das himmlische Blut von ihr in die Eigenschaft des dritten Prinzips, als in des Jünglings Eigenschaft.

11.37. Hier gibt die Jungfrau dem Jüngling ihr Perlein zum Eigentum, und so werden Gott und Mensch Eins. Denn das Blut der Jungfrau aus göttlicher Wesenheit ertränkt hier mit dem Wesen ihrer Liebe das Blut des Jünglings, als die Ichheit, und die drei Mörder geben ihr Leben im Blut der Jungfrau auf. So gehen das Glühen (bzw. rote Leben) vom Feuer und das weiße vom Leben des Ritters miteinander auf, nämlich aus dem Grimm geht das Leben auf, und aus der Liebe die Sanftmut. Und beide, das Leben des Zorns und das Leben der Liebe, steigen miteinander als ein einiges Leben auf, denn im Tod werden sie Eins. Und der Tod erstirbt in der Liebe und wird in der Liebe zum Leben des göttlichen Freudenreichs, denn es ist kein Sterben, sondern ein freies Ergeben seiner Kraft, Macht und des Willens, eine Verwandlung (Auflösung oder Rückverwandlung). Das Blut der Jungfrau verwandelt das Menschliche, an Gott Gestorbene, in ein Himmlisches. Des Jünglings Leben stirbt, und das Leben der Gottheit bleibt beständig, denn es steht in seiner Eigenschaft im Nichts.

11.38. Und hier, du lieber Sucher: Wenn du das rosinfarbige (vermutlich rosenrote- oder scharlachrote) Blut des Jünglings aus dem Tod mit dem weißen Glühen der Jungfrau aufgehen siehst, dann wisse, daß du das Geheimnis (Arcanum) der ganzen Welt hast, und einen Schatz in diesem Jammertal, der mit keinem Gold zu bezahlen ist. Den nimm und erachte ihn herrlicher als den, der vom Tod wiederauferstehen wird. Bist du aus Gott geboren, dann wirst du mich verstehen, was ich meine.

11.39. Denn das ist das Bild Christi, wie Christus die Sünde und den entzündeten Zorn Gottes in menschlicher Eigenschaft ertränkt hat. Es ist nicht allein ein Opfer, sonst hätte es Moses vollendet, und es ist nicht ein bloßes Wortvergeben, wie es Babel lehrt: Nein, nein, der menschliche Wille muß aus allen Kräften in diesen Tod, in dieses Blut, als in die höchste Tinktur eingehen. Der Purpurmantel, den Christus tragen mußte, konnte es nicht tun, und das weiße heuchlerische pharisäische Pfaffenröcklein auch nicht. Es hilft kein Kitzeln noch Heucheln, weder Trösten noch gute Worte vor Gott geben, der Schalk muß in Christi Blut sterben, im Blut der Jungfrau muß er ertränkt werden, denn des Weibes Samen muß der Schlange den Kopf zertreten. Der Wille muß ganz aus seiner Ichheit ausgehen und wie ein unverständiges Kind werden, und ganz in Gottes Erbarmen in das jungfräuliche Blut Christi eingehen, damit die Sünde und der vergiftete Mercurius in seinem Mars ertrinke und der weiße Löwe aufgehe. Denn der Löwe, der jetzt in weißer Farbe aus dem Rosinrot erscheint, das ist der Mercurius des Lebens, als das ausgesprochene Wort und die Seele, die zuvor in ihrer Ichheit ein grimmiger Teufel im Zorn Gottes regierend war, nämlich in den drei Gestaltungen der Giftqual, als im Saturn, Mars und Merkur. Jetzt ist sie der weiße (bzw. weißgewordene) rosinfarbene Löwe aus dem Haus von David und Israel, im Bund der Verheißung erfüllt. Das erkenne!

11.40. Damit wir aber dem Liebhaber genugtun, wollen wir ihm vollends den Grund zeigen, bis zur Auferstehung Christi: Als die Juden Jesus ans Kreuz gehängt hatten, so daß er sein menschliches und himmlisch-göttliches Blut vergossen und darin die Verwirrung im Menschlichen ertränkt hatte, da sprach Jesus: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (Luk. 23.34)«

11.41. Denn als Jesus in der Menschheit den Tod zerbrach und die Ichheit wegnahm, warf er die menschliche Eigenschaft nicht hinweg, darin der Tod und Zorn Gottes war, sondern er nahm sie erst recht an, das heißt, er nahm erst recht das äußere Reich in das innere herein. Denn das äußere Reich ist ein Wunder, das aus der ewigen Weisheit im sprechenden Wort geboren und in eine Form gesprochen wurde, als eine Offenbarung der Gottheit in Liebe und Zorn, im Guten und Bösen.

11.42. So wollte Jesus nicht, daß das äußere Bild der Wunder in der Gleichheit Gottes verginge, sondern der Grimm, der im Menschen die Liebe überwältigt hatte, der sollte vergeben werden, das heißt, er sollte in das Nichts als in die Freiheit gegeben werden, damit er in seiner Selbsteigenschaft nicht offenbar wäre. Er sollte Knecht werden und nur eine Ursache der feurigen Liebe im Freudenreich: Am Menschen sollte nichts vergehen, denn Gott hat ihn in sein Bild geschaffen.

11.43. So soll der Philosoph erkennen: Wenn die drei Mörder als Saturn, Mars und Mercurius im rosinfarbenen (scharlachroten) Blut des Löwen ertrinken, dann vergehen sie nicht, sondern ihnen wird vergeben, das heißt, ihr Grimm wird in eine Liebebegierde verwandelt, nämlich aus der Venus in die Sonne. Wenn die Feuerbegierde in die Wasserbegierde eingeht, dann wird aus und in dem Wasser ein Schein als ein (ganzheitlicher) Glanz, denn die Venus ist weiß und die Feuerbegierde ist rot. Jetzt verwandelt es sich in eine Farbe, und das ist Gelb, nämlich weiß und rot in einer Farbe zugleich. Das ist die majestätische, denn wenn Mercurius in die Kraft der Freude verwandelt wird, dann beginnt die Multiplikation (der Liebe): Er verwandelt seine Mutter, darin er im Tod verschlossen lag, in die Sonne. Er macht das Irdische alles himmlisch, in eine Eigenschaft, wie die Jungfrau war, denn hier verliert auch die Jungfrau ihren Namen, weil sie ihre Liebe und Perle dem Ritter gegeben hat. Der heißt nun hier der „Weiße Löwe“, wie die Schrift vom Löwen aus dem Haus von Israel und David spricht (Offb. 5.5), der dem Teufel sein Reich zerbrechen und die Hölle zerstören sollte, das heißt, den Zorn Gottes zerbrechen und in Liebe verwandeln.

11.44. Dieser Ritter oder Löwe ist weder Mann noch Frau, sondern beides. Denn die Tinktur von Feuer und Licht muß in eine kommen, als des Wesens, welches Venus ist, und des Geistes, welcher Mars im Mercurius ist. Des Vaters Liebe und Zorn muß nur Ein Ding sein, und so heißt dieses Ding das Freudenreich. Denn so lange es zertrennt ist, ist in diesem Ding nur Angst und Qual sowie eitle Begierde. Wenn es aber in einem (ganzheitlichen) Willen brennt, dann ist es ein Freudenausgehen aus sich selber, und diese ausgehende Eigenschaft heißt der „Heilige Geist“, als das Leben der Gottheit. So wißt, warum das Blut der Jungfrau und des Jünglings miteinander vergossen werden mußte, damit der Feuerlöwe stürbe, welcher in menschlicher Eigenschaft offenbar geworden war, und daß die Liebe der Jungfrau in ihrem Liebeblut seinen Grimm in ihre Eigenschaft verwandelte und sie vom Jüngling die Seele bekäme. Denn in Adam verblich die Jungfrau, weil die Seele aus ihrem Liebewillen aus der Gelassenheit heraus in ein Eigenes ging und Gott ungehorsam wurde.

11.45. Hier nimmt die Jungfrau die Seele wieder in sich ein und gibt ihr ihren Perlenkranz wie einem Ritter, und nennt sich in seinem Namen einen „Weißen Löwen“ oder „Ritter“. Oh ihr Menschenkinder, erkennt es doch und macht die Pforten der Welt in eurem Herzen auf! Öffnet sie weit, damit der König der Ehre einziehe, der große Held im Kampf, der dem Tod seine Macht genommen, die Hölle im Zorn Gottes zerbrochen hat und aus der Welt das Paradies machte.

11.46. Oh ihr weisen Sucher, wie öffnet euch der Herr seine Fenster! Warum schlaft ihr in der Begierde der Vielfalt, die im Grimm multipliziert wird? Geht doch nur in die göttliche Gelassenheit ein, dann kann euch zuteil werden, was der Himmel vermag. Wenn ihr von eurer Ichheit ausgeht, dann soll euch die Erde zum Himmel werden. Das sagt der Geist der Wunder, aber in eurem gottlosen Wesen sollt ihr es nicht erreichen.

11.47. Als Jesus durch sein Blutvergießen den Grimm Gottes im Menschen in die Liebe gegeben hat, so daß der Vater die Liebe in menschlicher Eigenschaft in den Grimm einnahm, da schieden sich das Reich des Teufels im Grimm und das Reich der Liebe voneinander. Sie wurden getrennt, und diese Bildung hing neben Jesus am Kreuz: Der gottlose Spötter zur Linken, der Jesus verspottete und seines Blutvergießens nicht fähig war, und der zur Rechten, der von seinen Sünden zu Jesus umkehrte und sprach: »Herr, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.« Und dem Jesus antwortete: »Wahrlich, du wirst heute bei mir im Paradies sein. (Luk. 23.39)«

11.48. So ist es uns recht zu betrachten: Wenn der Grimm Gottes im Blut Christi ertränkt wird, so daß er seine Macht in Liebe verwandelt, dann ist das Paradies wieder offenbar. Denn als Jesus das menschliche Blut, das in Sünde verdorben war, mit dem jungfräulichen Blut in der Liebe tingierte, da nahm die Jungfrau die Mannheit, als die Ichheit, in ihre jungfräuliche Liebe ein: Das war das Paradies und eine Hütte Gottes bei und in dem Menschen, so daß Gott in der Menschheit wohnt und Alles in Allem in ihm ist.

11.49. So geht es auch im philosophischen Werk: Wenn Mars und Mercurius nach der Eigenschaft der finsteren Saturn-Verdichtung absterben, dann nimmt sie Venus in ihr Liebesblut ein und gibt ihre Liebe in die giftige Feuerbegierde. Sie gibt sich dem Mars-Feuer im Mercurius ganz hinein, ganz zum Eigentum. Weil aber Mars und Mercurius in der Liebe nach der Macht des Feuergiftes machtlos werden, so verwandeln sich Liebe und Zorn in ein Wesen, in eine Begierde: Und hier, wenn das Feuer, als die Feuerbegierde, seine Begierde in die Liebe gibt, dann spricht die Liebe: „Du wirst heute mit mir aus deiner Feuersangst im Paradies in Freude sein, das heißt, du sollst in mich verwandelt werden.“

11.50. Und hier bekommt die Venus die Seele im philosophischen Werk, so daß Mars und Mercurius ihre Seele werden, und der Streit hört auf, denn die Feindschaft ist niedergelegt. So besteht das Kind im Feuer ohne zu wanken, denn der Mars tut ihm nichts mehr, noch Mercurius oder Saturn, denn sie sind im Kind am Ende (bzw. Ziel) der Natur, wo keine Verwirrung mehr ist.

11.51. Der Mercurius ist im Saturn ganz rein und hat kein Gift mehr, davon er im Wasser, als im Salz des Saturn, irgendwelchen Ruß machen könnte. Das soll der Philosoph wohl erkennen, wie auch der Theologe, daß im Paradies ein vollkommenes Leben ohne Wanken, auch ohne jede falsche und bösartige Begierde sei, und ein immerwährender Tag, weil der Paradiesmensch so hell wie ein durchsichtiges Glas ist, in dem die göttliche Sonne durch und durch scheint, gleichwie das Gold durch und durch rein und ohne Makel ist.

11.52. Und als Jesus wußte, daß alles vollendet wurde, da sah er unter dem Kreuz seine Mutter und seinen Jünger Johannes stehen, und sprach zu seiner Mutter: »Frau, siehe, das ist dein Sohn!« Und zum Jünger: »Siehe, das ist deine Mutter!« Und daraufhin nahm sie der Jünger zu sich. (Joh. 19.26)

11.53. Das ist das schöne Bild, wie Christus diese Welt verlassen habe, nämlich die menschliche Ichheit, und wiederum zum Vater eingegangen sei. Denn er sah seine Mutter nach dieser Welt und seinen Jünger als seinen Vetter nach der äußeren Menschheit bezüglich seiner Mutter, und sagte doch zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn! Ich bin nicht mehr dein Sohn nach meiner äußeren Menschheit, denn sie ist in Gottes Sohn verwandelt worden, und ist nicht mehr in der Welt, sondern sie lebt Gott. Weil du aber noch in der Welt sein sollst, so nimm Johannes, der noch nicht verwandelt ist, zum Pfleger an.“ „Und du, Johannes, nimm diese Mutter an!“ Und der Jünger nahm sie daraufhin zu sich.

11.54. Das ist das Bild der christlichen Kirche auf Erden: Weil wir armen Evakinder nicht sogleich gänzlich nach dem äußeren Menschen verwandelt werden, sondern auch in den Tod und die Verwesung müssen, so daß der Grimm im Fleisch verwese und der Geist in Christi Tod ruhe, bis zur allgemeinen Auferstehung und Verwandlung des äußeren Menschen, in welcher die Erde des Menschen in den Himmel verwandelt werden und das Bild der Wunder darin erscheinen soll.

11.55. Deshalb befahl er seinem Jünger, sich seiner Mutter anzunehmen. Seine Mutter ist die christliche Kirche auf Erden, darin die Kinder Gottes nach dem Geist geboren werden. Die soll er pflegen, leiten und führen, bis daß die Zahl der Menschheit aus dem Fleisch vollendet werde. Dann soll der geistige Leib beginnen und in Christi Tod, in seinem Eingehen in den Zorn, darin er den Zorn in die Liebe verwandelt hat, geprüft werden, und das Reich mit der Qual-Quelle der Finsternis soll von ihm geschieden werden.

11.56. Aber während dieser Zeit, obwohl der Geist in göttlicher Kraft verwandelt und innerlich mit der jungfräulichen Taufe getauft wird und das Bild Christi im Inneren anzieht, als den Venus-Leib in der Liebe, ist doch (der alte) Adam dessen nicht fähig, bis er auch in die Verwandlung Christi eingeht, welches im Sterben geschieht. So soll unterdessen Johannes, als der Lehrer Christi an Christi Statt, sich der äußeren Mutter nach dem äußeren Menschen annehmen und die Schäflein Christi mit Christi Geist weiden und lehren.

11.57. Und er weist uns fein, wie der äußere Mensch nicht Gottes Mutter sei, denn Christus scheidet sich von seiner äußeren Mutter und gab sie Johannes. Er hatte die ewige Natur ausgezogen, als den Vater der ewigen Geburt. Darum tun jene Unrecht, welche die äußerliche Mutter Christi als Mutter Gottes ehren und anbeten.

11.58. Die ganze wahre Christenheit ist Christi Mutter, die Christus in sich gebiert. Und Johannes, als die Diener Christi, sind ihre Pflegamme, die sich der Mutter Christi annehmen, wie es Johannes tat. Er nahm sich der Mutter Christi sogleich an und pflegte sie als ihr Sohn, nicht als ihr Herr, denn Christus sprach auch zu ihm: »Siehe, das ist deine Mutter!« So sollen es alle Jünger und Lehrer Christi tun und sich der armen Christenheit als Söhne mit großer Demut vor der Mutter annehmen, und ihr mit Ernst und Fleiß dienen, sie fein züchtig und demütig pflegen und mit Christi Geist weiden und trösten.

11.59. Nicht, wie es die Pfaffen zu Babel tun, welche als die fetten reichen Herren über sie reiten und Herren über die Mutter sein wollen, und nur Ehre und fette Bäuche in der Wollust suchen und im Zank leben. Sie alle miteinander, welchen Namen sie auch immer tragen, sind alle keine Johanniter, sondern die giftigen Mercurius-Pharisäer, in denen nur Angst, Marter und Qual ist, darin immer eine Eigenschaft die andere quält und anfeindet und für falsch hält, obwohl sie doch alle nur aus einer Wurzel sind und alle einen Willen haben, nur daß eine Farbe nicht wie die andere glänzt.

11.60. Denn der Saturn ist nicht wie Jupiter, und Jupiter ist nicht wie Mars, und Mars (als der Feuergeist) ist nicht wie das Licht der Sonne, und die Sonne ist nicht wie die Venus mit ihrem sanften Wasserquell, und die Venus ist nicht wie Mercurius mit seinem Schall, denn sie ist sanft und still, aber Mercurius lautet und schallt. Und Mercurius ist auch nicht wie der Mond, der als ein einfältiger Leib all den anderen den Leib zur Offenbarung gibt. So ist jeweils einer anders als der andere, und sie haben nicht Eine Eigenschaft und Willen, aber sind im Zentrum des Wesens, als im Mond und Saturn, in der Eigenschaft von Leib und Seele alle wie ein Gebäck (bzw. eine Masse).

11.61. So sind auch die parteiischen Merkurialiten und Baals-Diener (bzw. Götzendiener) in diesen Eigenschaften getrennt, denn sie sind die Pharisäer (Schriftgelehrten), die Jesus in seinen Gliedern verurteilen und verdammen. Sie zanken alle nur um die Kirche, aber die arme verlassene Mutter Christi will keiner pflegen. Sie sind wie unsinnig im Mars- und Merkur-Zank und keine Johanniter, denn sie gehen nicht in Christi Geist durch die Tür Christi in den Schafstall hinein. Sie sind wie Wölfe, Löwen und Bären, auch Füchse oder flüchtige Hasen, die da von der Mutter fliehen und sie verlassen.

11.62. Ihr Herkommen ist aus Babel, wo man zankt, jammert und sich um die Buchstaben beißt. Ein jeder will Herr über die Buchstaben sein und sie setzen, wie er will, nur ihm zu Ehren und zur Wollust dieser Welt. Sie betrachten nicht, daß die Mutter eine Witwe ist und daß sie von Christus zu ihrem Pfleger bestimmt wurden, wie Johannes.

11.63. Oh du werte Mutter der Christenheit, laß diese Wölfe, Bären und Löwen unter ihrem Hasen-Banner hinlaufen. Nimm dich, dieser bösartigen Tiere nicht mehr an, sondern nimm Johannes an, den Jünger Christi, der dir die Liebe und Demut lehrt. Oh du werte Mutter, bist du doch nur Eine, warum läßt du dich von den Löwen zerreißen und zerstückeln? Christus ist dein Mann, und sie alle sind Fremdlinge, es sei denn, sie gehen in deiner kindlichen Liebe einher, demütigen sich unter die Mutter und pflegen sie als Diener, sonst sind sie alle Wölfe, Bären und reißende Löwen, auch wenn es viele Tausend wären. So ist doch keiner besser als der andere, es sei denn, er geht in der Linie von Johannes einher, der sich Christi Mutter annahm und die Mutter ernsthaft im Geist Christi pflegte. Wenn er den nicht hat, dann ist er nicht von Christus zum Pfleger der Mutter berufen, sondern ist ein Merkurialist, ein Pharisäer, welche Christus „Ottergezücht und Schlangenbrut“ nannte, die Jesus in seinen Gliedern kreuzigen.

11.64. So soll uns auch der Philosoph bei der Mutter Christi erkennen, die er Johannes zu pflegen befahl. Er muß auch ein Johanniter werden und wissen, daß er mit der Mutter umgeht und daß sein Werk in dieser Welt nicht ganz himmlisch wird. Er wird also damit nicht das Paradies offenbaren, so daß Gott von Angesicht zu Angesicht in seinem Werk erscheint und offenbar wird. Nein, er bleibt in der Mutter, aber er erreicht das Universale (Ganzheitliche) in der Mutter, denn auch die Mutter Christi erreichte es. Denn es wurde zu ihr gesagt: »Du bist die Gesegnete unter allen Frauen.«

11.65. So kommt auch der Philosoph in diesem Jammertal bis zu dieser Segnung, so daß er seinen verdorbenen Leib segnen kann, das heißt, tingieren und von der Krankheit befreien, bis auf sein Ziel seiner höchsten Konstellation nach Saturn. Darum soll er sich vor dem Geiz hüten, denn sonst führt er die Verwirrung hinein.

11.66. Mit dem Bild von Johannes und Christi Mutter soll er erkennen, daß das Reich Gottes und das Reich dieser Welt in seinem Werk zweierlei sind, und daß das Reich Gottes in der Mutter verschlossen liegt, nämlich in seinem Werk. Und dieses soll er pflegen und damit ein Diener sein, nicht ein Herr der Mutter, sondern ein Almosengeber und kein Schatzsammler und Geizhals. So soll es auch keiner erlangen, noch unseren Sinn verstehen, der nicht ein Pfleger der Mutter sein will. Der Höchste hat ein Schloß der Torheit vor die Vernunft gelegt, so daß er blind sei, bis er des (törichten) Suchens müde wird. Das sage ich mit Grund der Wahrheit.

11.67. Als Jesus seine Mutter dem Johannes anbefohlen hatte, wandte er seine Begierde wieder in die Mutter menschlicher Eigenschaft und sprach: »Mich dürstet.« Ihn dürstete nach den Gliedern menschlicher Eigenschaft und er begehrte das menschliche Heil als die Gesundheit seiner Glieder, das heißt, seiner Kinder, die in ihm geboren werden sollten. Doch die Juden gaben seiner Menschheit Galle und Essig zu trinken (Joh. 19.28). Und als er das kostete, wollte er es nicht trinken.

11.68. Hier steht abermals das äußere Bild, wie es im Inneren zugegangen war: Den Namen „Jesus“, als die Liebe Gottes, die in die Menschheit eingegangen war und sich einvermählt hatte, den dürstete in der Liebebegierde nach (bzw. aufgrund) der verdorbenen Menschheit, und er wollte gern das reine Wasser der Menschheit in sich schmecken, aber der grimmige Zorn Gottes, der in menschlicher Eigenschaft entbrannt war, gab sich mit der menschlichen Eigenschaft in den Durst der Liebebegierde hinein. Und als ihn die Liebebegierde kostete, wollte sie ihn nicht trinken, sondern entsank in ihm, wie ganz gelassen oder frei ergeben, und eineignete sich ganz essentiell in den Zorn Gottes, als ein voller Gehorsam und ganz eigentümlich frei ergeben.

11.69. Das war nun ein Schreck des Grimms, daß die Liebe in ihn kam, davon die Erde erzitterte und die Felsen zersprangen, denn der Tod erschrak so vor dem Leben. Und hier schied sich die Eigenschaft des erweckten Grimms in das Zentrum ab, als in das erste Prinzip, in die Feuerwurzel hinein. Und aus dem Zentrum menschlicher Eigenschaft kam nun der Hunger zur Wiedergeburt auf. Aus dem Hunger zum Tod wurde ein Hunger zum Leben, denn die Liebe tingierte den Zorn, so daß aus der Feuerbegierde zur finsteren Verdichtung eine Begierde des Lebens wurde.

11.70. Hier versteht es recht! Gott der Vater, der sein liebes Herz in die Menschheit hineingegeben hatte, um ihnen zu helfen, den dürstete nach der Menschheit, als nach seinem Herzen oder Wort der Kraft. Und die Gottheit in der Menschheit, als das Herz des Vaters, dürstete nach dem Vater, und die Liebe oder Lichtessenz dürstete nach der Essenz des Feuers. Denn in Adam war die Feuer- oder Seelenessenz aus der Liebe Wesenheit, darin das Paradies stand, in ein Eigenes ausgegangen und Gott ungehorsam geworden. Deswegen erstarben Essenz und Wesen des Lichtes und der Liebe am Grünen, das heißt, am vegetativen Leben oder himmlischen Grünen und Fühlen der Paradiesqualität, und es wachte in der irdischen Welt auf.

11.71. Hier führte der Vater die Seele, welche in seinen Grimm eingegangen war und sich in seinem Zorn offenbart hatte, wieder in die Liebe, als in das verblichene Paradiesbild hinein. Und hier erzitterte die finstere Welt in Todesschrecken vor dem Feuerschreck, welcher in der Liebe im Tod aufging, als ein Freudenschreck, der in die verstorbenen Leiber der Hoffer Israels (die auf den Messias hofften) als ein Hall der Kraft Gottes einging und sie vom Tod auferweckte.

11.72. Dieser Schreck zerriß den Vorhang im Tempel, als die Decke von Moses, welche vor dem klaren Angesicht Gottes hing, so daß der Mensch Gott nicht sehen konnte. Und deswegen ihm mit einem Opfer und Vorbild dieses letztendlichen Anblicks, in dem sich Gott in der Menschheit offenbarte, gedient werden mußte. Doch dieser Schreck zerbrach das Vorbild im Opfer und offenbarte das klare Angesicht Gottes und vereinigte die menschliche Zeit mit der Ewigkeit.

11.73. Alles, was die Juden Jesus äußerlich antaten, das war ein Vorbild des Inneren, wie es zwischen Gott und der Menschheit, als zwischen der Ewigkeit und der Zeit zuginge.

11.74. Die Juden gaben Jesus in seinem Durst Galle und Essig: Diese beiden Eigenschaften sind der Mercurius im Sulphur des Saturns, als in der Verdichtung, und das ist eben das Bild der Seelen-Eigenschaft, was sie in sich allein ohne der anderen Liebe-Gestaltung ist.

11.75. Gott gab diese Eigenschaft der Seele wieder in seine Liebe, den Tod in das Leben, und das verblichene Liebewesen, welches das Wort Gottes in Marias Essenz und Samen an sich genommen und in der Eigenschaft des Zorns lebendig gemacht hat, in die Seelenessenz als in das Zentrum der feurig-finsteren Welt hinein, davon die seelische Feuer- und Finsterwelt ein hoch freudenreiches Paradiesleben wurde. Und hier spottete der Ritter des Todes und der Hölle, nämlich der finsteren Welt in der Seele, und sprach: „Tod, wo ist nun dein Stachel im Menschen? Hölle, wo ist nun dein Sieg im Grimm der Giftqual im ausgesprochenen Wort oder Mercurius? Es ist alles tot. Tod, ich bin dir ein Tod. Hölle, ich bin dir ein Überwinder. Du mußt mir dienen zum Freudenreich. Du sollst mein Knecht und Diener zum Freudenreich sein. Du sollst mit deinem Grimm die Flamme der Liebe anzünden und eine Ursache des Grünens im Paradies sein.“

11.76. Ingleichen geben wir dem Philosophen unseren Sinn und tiefen Grund in der Natur, der das verblichene Wesen der Erde, welches im Tod als im Fluch Gottes verschlossen liegt, suchen und offenbaren will: Es hängt auch ihm die Decke von Moses davor, und es gehört ein Ernst dazu, daß der Vorhang zerreißt, so daß er das Angesicht der Natur sehe. Anders ist er nicht geschickt dazu.

11.77. Und wie es in der Menschheit Christi zwischen Gottes Liebe und Zorn zugegangen war und die zwei in Eines verwandelt wurden, so auch in seinem Werk der Natur: Der giftige Mercurius im Sulphur von Mars und Saturn gibt sein Mond-Menstruum (bzw. Monatsblut) als das größte Gift der finsteren Qual-Quelle in die Eigenschaft der Venus. Und weil die Venus nach dem Feuer der Liebe dürstet, so gibt Mercurius sein Gift in den Durst der Venus, und ihr Durst gibt sich ganz dem Gift hinein, als stürbe sie. Damit gibt sie ihr begehrendes Leben ganz auf, und davon entsteht die große Finsternis im philosophischen Werk, so daß die Materie so schwarz wie ein Rabe wird. Denn die Venus hat ihr Leben übergeben, davon der Glanz entsteht. Wie auch bei Christus zu sehen ist, daß die Sonne ihren Schein verloren hatte und gegen den allgemeinen Lauf der Natur eine große Finsternis geworden war (Luk. 23.45).

11.78. Denn als sich die innere Sonne in den Zorn hineinergab, als in die Finsternis Gottes, da konnte die äußere Sonne nicht mehr scheinen, welche ihre Kraft und Glanz von der inneren wie ein Spiegelbild der inneren empfängt. Denn ihre Wurzel, durch die sie scheint, war in die Finsternis im Reich dieser Welt eingegangen und wollte die Finsternis im Fluch Gottes zum Licht machen, nämlich das Reich dieser Welt wieder zum Paradies.

11.79. Also mußte auch die Sonne der äußeren Welt, welche eine Bildung der inneren allwesenden Sonne ist, mit ihrem Glanz in der Finsternis stillstehen, von der sechsten bis in die neunte Stunde, denn das war auch die Zeit Adams im Schlaf, als er mit der Begierde in das Zentrum der ewigen Natur eingegangen war, als in die Geburt, darin sich Liebe und Zorn in zwei Zentren scheiden, und er das kalte und hitzige Feuer probieren wollte, welches ihn fing und in ihm qualifizierte.

11.80. Hier waren es drei Stunden nach der (göttlichen) Dreizahl, und im Grab drei Tage nach der Zeit, als nach der Menschheit. Und als Adam in Gottes Bild stand und weder Mann noch Frau war, sondern beides, da stand er 40 Tage im Paradies ohne zu wanken, und als er dann fiel, stand er bis zum dritten Tag 40 Stunden im Schlaf, bis Gott für ihn die Frau aus ihm machte oder baute.

11.81. So mußte auch Israel am Berg Sinai 40 Tage versucht werden, ob sie im Gehorsam Gottes unter Wunder und Taten leben wollten. Und als es nicht sein konnte, da gab ihnen Gott das Gesetz seines Bundes als einen Spiegel dessen, was im Bund verhießen worden war. Dann kam auch die Versuchung des Leibes 40 Jahre über sie, daß der Leib Manna essen mußte, ob dem Menschen noch zu raten sei. Und als auch der Leib nicht bestehen konnte, so führte sie Josua mit dem Bund des Spiegels durch das Wasser, und dann mußte Israel den Bund im Spiegel bis zur letztendlichen Erfüllung mit ihren Opfern pflegen, bis die Zeit der Wiederbringung kam: Dann stand der Ritter des Streits 40 Tage in der Wüste in der Versuchung und bestand den ersten Stand Adams im Paradies. Und die drei Stunden am Kreuz der Finsternis sind die drei Stunden der Versuchung Christi, als ihn der Teufel versuchte.

11.82. Wiederum sind die 40 Stunden im Grab Christi die 40 Tage Adams im Paradies, und die 40 Tage von Moses auf dem Berg, die 40 Jahre in der Wüste und die 40 Tage nach der Auferstehung vor der Himmelfahrt sind eben dasselbe (bezüglich der Ewigkeit). Als jetzt der Ritter Adams Stand bestanden hatte, da wurde die Seele in menschlicher Eigenschaft auch 40 Tage versucht, ob sie nun vom Wort Gottes essen und in ganz gelassenem Gehorsam im Willen Gottes leben wollte, um ein wahres Gleichnis und Ebenbild der göttlichen Kraft in der unergründlichen Ewigkeit nach der Dreiheit der Gottheit zu sein.

11.83. Ingleichen soll auch der Philosoph erkennen, daß auch das Wesen der Zeit in solcher (relativen) Eigenschaft steht. Denn der Mensch ist aus dem Wesen der Zeit in ein Bild geschaffen worden, als ein Auszug aller Wesen, ein ganzheitliches Bild und Gleichnis nach der Zeit und Ewigkeit, und in der Zeit und Ewigkeit herrschend und stehend als ein Werkzeug des großen unendlichen Gottes, mit dem er durch und mit seinem Geist macht, was er will.

11.84. So ist nun der Mensch das Werkzeug Gottes, mit dem er seine Verborgenheit offenbart, sowohl in seiner selbst-menschlichen Eigenschaft im Wesen und Bild Gottes als auch durch den Menschen, als mit dem Werkzeug in der Mutter aller Wesen, im Mysterium Magnum (dem großen ganzheitlichen Geheimnis) und in der Seele der großen Welt.

11.85. Der Mensch hat die Macht, sofern er als ein Werkzeug Gottes im Gehorsam Gottes geht, wie ihn sein Geist führt, daß er die Erde, die im Fluch Gottes steht, in die Segnung hineinführen kann, und aus der Todesangst kann r das höchste Freudenreich in der äußeren Mutter der Gebärerin machen. Aber er selber tut es nicht, nur sein Wille arbeitet mit der Vernunft darin und fügt nur die Verdichtungen (Compacta) zusammen, die zusammengehören. Wie da (zum Beispiel) Tod und Leben gegeneinanderstehen, die soll er zusammensetzen und in gleicher Art und Weise in Eines bringen, wie Gott die Zeit und Ewigkeit durch und in dem Menschen Christus vereinigt hat, und durch ihn alle, die ihren Willen dahinein ergeben.

11.86. Er wird alles das in seinem Werk sehen, was Gott mit der Menschheit getan hat, als er sie wieder in das Universale (bzw. Ganzheitliche) brachte, nämlich in das Paradies: Er wird sehen, wie der Grimm die schöne Venus in sein stachliges dorniges Wesen verschlingen wird, und wie sich die Venus ganz hineinergibt, und auch wie der Grimm in der Venus abstirbt und ganz finster und schwarz wird, wie eine Kohle. Denn hier liegen der Tod und das Leben beieinander wie im Tod, als im Gehorsam Gottes. Sie halten ihm beide still und lassen den Geist Gottes nun aus und mit sich machen, was er will. Und der führt es wieder in den ewigen Willen Gottes hinein, dazu er es am Anfang geschaffen hatte. So steht das Wesen wieder am Anfang in der Ordnung, wie es Gott erschuf, denn allein im Schöpfungswort als im göttlichen Machen und in seiner Verdichtung muß es stehen, bis zum Scheidetag Gottes, wenn Gott die Zeit wieder in die Ewigkeit verwandeln wird.

11.87. Als Jesus den Kelch getrunken hatte und im Äußeren den Essig mit Galle vermischt und im Inneren in der Liebe Eigenschaft, als in der Jungfrau, den grimmigen Zorn Gottes schmeckte, da sprach der ganze Mensch Christus: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Matth. 27.46)« Denn Gottes sprechendes Wort stand jetzt in menschlicher Eigenschaft still, und so schrie die neugeborene Wesenheit, die in Adam abgestorben und in Christus wieder lebendig geworden war, mitsamt der Seele: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Denn der Zorn Gottes war durch die Eigenschaft der Seele in das Bild der göttlichen Wesenheit eingegangen und hatte das Bild Gottes in sich verschlungen. Jetzt schrie das Bild in der Kreatur der Seele: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?!« Denn das menschliche Bild, das in Adam verblich und in Christi Menschwerdung wieder lebendig wurde, sollte dem Grimm Gottes in der Feuerseele den Kopf zertreten und seine Feuersmacht in Sonne verwandeln. So verließ es nun das sprechende Wort Gottes, und so fiel es in den Grimm seiner Seele hinein, wo es Gottes Zorn fühlte. Denn das sprechende Wort führte es so durch den Zorn in den Tod, und aus dem Sterben in das Sonnen-Leben (d.h. in die ewige Sonne). Wie die Kerze im Feuer abstirbt, und aus diesem Sterben das Licht und die Kraft als das große unfühlende (unsensible) Leben ausgeht, so sollte und mußte aus Christi Sterben und aus seinem Tod die ewige göttliche Sonne in menschlicher Eigenschaft aufgehen.

11.88. Aber die Ichheit menschlicher Eigenschaft, als der eigene Wille der Seele, um in der Feuersmacht zu leben, der mußte hier nun sterben und im Bild der Liebe ertrinken. Und das Bild der Liebe mußte sich auch in den Grimm des Sterbens hineinergeben, damit alles in den Tod fiele und in Gottes Willen und Erbarmen durch den Tod mit der Paradiesqualität in der Gelassenheit aufginge, so daß Gottes Geist allein Alles in Allem sei. Das Auge der Hölle mußte durch die Liebe sehen, gleichwie das Licht aus dem Feuer scheint und das Feuer aus der Finsternis seinen Ursprung aus der ewigen Begierde nimmt.

11.89. Und wie Adam das Ebenbild Gottes in eine finstere Todesgestaltung verwandelte, so verwandelte Gott das Ebenbild aus dem Tod durch seinen Feuergrimm wieder in das Licht. Er zog das Ebenbild wieder aus dem Tod, wie eine Blume aus der wilden Erde wächst.

11.90. So wird auch im philosophischen Werk die Venus verlassen, wenn sie von den drei grimmigen Eigenschaften im Grimm in sich eingenommen wird. Denn ihr Grimm, als der Tod, verschlingt ihr Leben, und davon verliert sie die Farbe, aber wird auch den drei Gestaltungen im Grimm ein Tod, denn sie ertränkt mit der Liebe den Tod, und so wird das Leben dem grimmigen Tod ein Tod. So liegen nun beide im Willen der ewigen Natur, als im Schöpfungswort, das nun mit ihnen den göttlichen Weg herausgeht, in gleicher Art, wie es im Anfang der Schöpfung in das Wesen hineingegangen war.

11.91. Denn im Anfang war das Paradies als das Universale offenbar, und die Liebe schien durch den Tod oder Zorn. Und so muß es wieder werden, daß die Venus das Auge oder Sehen im Grimm werde, und dann wird aus dem Saturn, Mars und Merkur ein Jupiter, Mars wird zur Sonne, und der Saturn zum Mond. Dann leuchtet der Mars mit der Sonne aus dem Saturn in Luna aus dem Auge der Venus, und alle sieben sind nur Einer. Damit hat der Streit ein Ende, und alles ist vollbracht, bis zur Auferstehung des Lebens.

11.92. Und nachdem Jesus den Kelch getrunken hatte und sagte: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?«, da sprach er: »Es ist volbracht! (Joh. 19.30)« Das heißt, das Werk menschlicher Erlösung. Und er sprach weiter »Vater, ich befehle dir meinen Geist in deine Hände.«, neigte sein Haupt und verschied. Hier hat sich nun das ganze Leben Christi in die Begierde des Vaters hineinergeben, als in den Willen der ewigen Natur, und den Willen seiner Ichheit, als den kreatürlichen Glanz, wieder in das Zentrum hineinergeben, als in die erste Mutter, daraus die seelische Kreatur geboren wurde, nämlich in das große Mysterium der Ewigkeit. Der Wille der Ichheit mußte ganz am Ende (bzw. Ziel) der Natur wieder eintreten, so daß die Ichheit ganz absterbe, damit Gottes ewiger Wille und Geist in der Menschheit Alles in Allem allein sei und tue, und die Kreatur danach nur sein Werkzeug sei, darin er allein tue, was er wolle.

11.93. So hat Gott der Vater unsere Ichheit in Christi Tod und Eingehen wieder in seinen Willen eingenommen. Und damit solches sein konnte, tingierte er zuvor die Menschheit mit der Gottheit, so daß ihm die Menschheit in seiner Kraft ein lieblicher Geruch und Opfer sei, denn zuvor stand der Tod im Weg.

11.94. Hier zerbrach die Liebe den Tod, und schloß das feste Siegel auf, so daß der Wille wieder in das eingehen konnte, was er vor der Kreatur gewesen war.

11.95. Und so müssen wir ihm auf seiner eröffneten Straße alle nachfolgen: Keiner kann Gott schauen, wenn nicht Gott zuvor Mensch in ihm wurde, welches in der Glaubensbegierde geschieht. Und dann muß der verdorbene Wille, der im Tod und Zorn Gottes begriffen ist, in irdischer Essenz blüht und die Frucht zum Tod bringt, ganz absterben und in die freie Gelassenheit in Gottes Willen und Erbarmen hineinfallen.

11.96. Dann ist der eigene Wille mit und in Christus am Ende der Natur im großen Mysterium Gottes, nämlich in Gottes Händen. Denn Gottes Hände sind die ewige Begierde oder der ewige Wille, der unwandelbar ist. So stirbt der Wille der kreatürlichen Selbheit (bzw. Ichheit), und er geht ganz in das Nichts, damit er nicht mehr sich, sondern Gott lebe.

11.97. So geht es auch im philosophischen Werk: Denn der Künstler hat zuvor große Wunder gesehen, die der kreatürliche und natürliche Wille in der Venus-Kraft gewirkt hat, als er vermeinte, er wäre nahe dran. Doch so stirbt ihm zuerst die Natur in seinem Werk und wird ihm zur finsteren Nacht. Denn es müssen sich die Eigenschaften und Mächte aller Gestaltungen aus ihrem Zentrum ausgeben und am Ende (bzw. Ziel) der Natur fallen. So gibt sich alles frei, wie ein totes Wesen, und es ist kein Verbringen mehr da, denn alles verteilt sich in der Krone in der Tausend-Zahl (der Einheit in der Vielfalt).

11.98. So ist es dann wieder im Mysterium, am Ende der Natur, wie es war, bevor es in das Geschöpf eintrat. Das heißt, die essentielle Begierde, als der ausgesprochene Mercurius, der muß so wieder an das Ende seiner Selbheit kommen und sich in das sprechende Wort ergeben.

11.99. Und das leibliche Wesen bleibt im Zentrum der vier Elemente bis zum Gericht Gottes bestehen, welches nun während des Sterbens im Zentrum der Sonne steht, als in der Verdichtung von Venus und Mercurius, welche Verdichtung im Tod ganz in Eines fällt, als in einer Kraft Jupiters (der ganzheitlichen Vernunft), nämlich in das Zentrum der Freiheit.

11.100. Denn hier verlischt die Begierde nach Kälte und Hitze, all der irdische Wille mit der Begierde nach Eigenschaften stirbt, und dann ist kein Hunger mehr nach irdischer oder Todeseigenschaft.


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