De Signatura Rerum

(Text von Jacob Böhme 1622, deutsche Überarbeitung 2022)

5. Kapitel - Vom Sterben und der Auferstehung des Leibes

Vom Sulphur-Sterben und wie der gestorbene Leib wieder lebendig und in seine erste Herrlichkeit gesetzt wird.

5.1. Alles Leben und Bewegen mit Verstand und Sinnen in den lebendigen und wachsenden Dingen steht ursprünglich im Sulphur (dem „Seelenkörper“), als in der Naturbegierde und in der Freiheit der Lustbegierde.

5.2. In der Naturbegierde entsteht mit dem Einschließen der Tod, und in der Freiheitsbegierde entsteht mit dem Aufschließen das Leben, denn die Freiheitsbegierde tingiert (heilt) die Begierde der finsteren Natur, so daß die grimmige Natur ihr eigenes Recht fallenläßt und sich der Freiheitsbegierde ergibt. So wächst das Leben im Tod. Aber ohne Licht ist kein Leben: Wenn das Licht in der Essenz des Sulphurs erlischt, dann ist es ein ewiger Tod, denn niemand kann etwas lebendig machen, es sei denn, Gott bewegt sich in der Lustbegierde in diesem Tod. Denn der Tod kann kein Leben in sich nehmen, es sei denn, in der Begierde zur Natur, in der das Einschließen als der Tod geboren wird, offenbart sich die erste Begierde der freien Lust.

5.3. Darum, als der Mensch im Sulphur abstarb, konnte ihn niemand wieder lebendig machen, es sei denn, er würde in seinem „Phur“ wieder in die freie Lust als die Begierde zum ewigen Leben gehen, als in die Geburt der Natur der menschlichen Eigenschaft, und den eingeschlossenen Tod als das Zentrum der Natur bewegen und sich selbst wieder in das Zentrum hineingeben, nämlich in die seelische Eigenschaft und in die Wesenheit oder Leiblichkeit der Seele. Das ist so geschehen:

5.4. Wir wissen, daß der rechte Sulphur eine Gebärung aller Geistigkeit und Leiblichkeit ist. Und soweit es sein erster Ursprung ist, darin er himmlisch wirkt, so ist er die Gebärung des Wesens aller Wesen, denn alles liegt in dieser Geburt, was die Ewigkeit und Zeit in sich ist, hat und vermag. Nun ist es aber nach dem Reich dieser Welt auch irdisch geworden, als eine Bildung des Ewigen, denn darin steht die Zeit und Kreatur von Allem, was sichtbar und was unsichtbar ist.

5.5. So ist der Mensch mit allem Leben nach dem Reich dieser Welt aus dem äußeren Sulphur erschaffen und geboren worden, der Mensch aus dem Inneren und Äußeren, und die äußere Kreatur allein aus dem Äußeren, denn der Mensch ist Gottes Bild und Gleichnis, und die anderen Kreaturen sind ein (äußerliches) Gleichnis nach der Bildung in der innerlichen Gebärung in Gottes Weisheit, nämlich im ausgesprochenen oder ausgeborenen himmlischen Wesen nach beiden ewigen Prinzipien (von Finsternis und Licht).

5.6. Nun war aber der Mensch gut und ganz vollkommen nach und aus allen drei Welten erschaffen, als ein Bild der Gottheit, in dem Gott wohnt, und war eben das Wesen selbst, das Gott nach der Ewigkeit und nach der Zeit in allen drei Welten ist, aber als ein Geschöpf mit Anfang entsprechend der Schöpfung, und dieses starb nach dem himmlischen und göttlichen Wesen durch seine eigene Lust. Denn die innere Lust, welche im Zentrum als im Feuer geboren wurde (darin das Leben in der göttlichen Wesenheit stand, das heißt, welches das Wesen der göttlichen Sanftmut anzündete, darin das Freudenreich oder die Engelsgestalt steht), die wandte sich von der inneren Lust der Freiheit und Ewigkeit in die Zeit als in die Ausgeburt, in die Planeten-Eigenschaften, und aus dem reinen göttlichen Element in die vier Elemente. So behielt die innere göttliche Wesenheit oder innere Leiblichkeit keinen Führer des Lebens mehr, und das war das Sterben, denn das Seelenfeuer aus des Vaters Eigenschaft wandte sich von der Eigenschaft des Sohnes ab, in dem allein das göttliche Leben steht.

5.7. So blieb die Eigenschaft der Seele mit ihrem Willen nur allein im äußeren Sulphur, und der innere verblich und blieb in der ewigen Unbeweglichkeit stehen, wie in einem ewigen Nichts, darin kein Hervorbringen mehr war.

5.8. So lebte der Mensch mit seinem äußeren Leib nur allein in der Zeit, und das edle Gold der himmlischen Leiblichkeit, das den äußeren Leib tingieren sollte, war verblichen. Und so blieb der äußere Leib nur im Leben der Naturbegierde stehen, nämlich in der Feuereigenschaft der Seele, das heißt, in Gestalt und Eigenschaft des Mars, als im Grimm Gottes, der im Sulphur der Grimm als die Eigenschaft des göttlichen Zorns und der finsteren Welt ist. Weil aber der äußere Leib aus der Zeit geschaffen war, so bekam auch zugleich die Zeit als das Gestirn mit den Elementen das Regiment in ihm, denn die göttliche Eigenschaft als die Begierde der Gottheit, welche die Zeit regiert und tingiert, so daß ein heiliges Leben in der zeitlichen Kreatur war, die war verblichen und seine eigene Liebe in göttlicher Begierde wurde zu Wasser. So herrschte das Feuer in einem Wasser und war an Gottes Willen und Begierde blind und tot, und so mußte sich die Seele mit dem Sonnenlicht behelfen.

5.9. Weil nun die Zeit Anfang und Ende hat und sich der Wille mit der Begierde dem zeitlichen Führer ergab, so zerbricht auch das Regiment der Zeit ihren gemachten Geist, und so stirbt und vergeht auch der Leib. Und das ist es, was Gott zu Adam sagte, er sollte nicht vom Baum oder Gewächs der Erkenntnis von Gut und Böse essen, von beiden Eigenschaften, oder er würde sterben, wie auch geschah. Er starb im Sulphur, nämlich das „Sul“ am Reich Gottes, als die Lust der Freiheit Gottes, aus welcher das göttliche Licht scheint und in welcher die göttliche Liebe als das Liebefeuer brennt.

5.10. Nun war ihm doch kein Rat, es sei denn, Gottes Begierde ginge wieder in den abgestorbenen Sulphur, das heißt, in sein totes „Sul“, als in die gestorbene Wesenheit hinein und zündete diese mit dem Liebefeuer wieder an, welches in Christus geschah. Und hier stand der himmlische Leib, darin Gottes Licht scheint, wieder auf. Sollte dies aber geschehen, dann mußte die Liebebegierde wieder in die Begierde des entzündeten Zorns eingehen und den Zorn mit der Liebe löschen und überwinden: Das göttliche Wasser mußte wieder in das brennende Seelenfeuer eingehen und den grimmigen Tod im herben Schöpfen löschen, nämlich in der Begierde zur Natur, so daß sich die Liebebegierde in der Seele wieder anzündete, welche nach Gott begehrte.

5.11. Denn des Menschen Seligkeit steht darin, daß er in sich eine wahrhafte Begierde nach Gott habe. Denn aus der Begierde quillt die Liebe aus. Das heißt, wenn die Begierde Gottes Sanftmut in sich empfängt, dann versinkt die Begierde in der Sanftmut in sich und wird wesentlich, und das ist dann die himmlische oder göttliche Wesenheit oder Leiblichkeit. Und darin steht der Seelengeist (welcher im Zorn wie im Tod verschlossen lag) in der Liebe Gottes wieder auf, denn die Liebe tingiert (heilt durch Tinktur) den Tod und die Finsternis, so daß er des Glanzes der göttlichen Sonne wieder fähig ist.

5.12. Wie das nun im Menschen geschieht, so ähnlich ist auch die Verwandlung der Metalle. Der Sulphur liegt im Saturn verschlossen, wie im Tod, aber es ist doch kein Tod, sondern ein vegetatives (unbewußtes) Leben, denn der äußere Merkur (Mercurius) ist das Leben darin.

5.13. Soll nun der metallische Leib zur höchsten Vollkommenheit kommen, dann muß er dem äußeren Führer als den Elementen absterben und wieder in einen solchen Sulphur treten, wie er war, als er noch nicht die vier Elemente an sich hatte, sondern nur im (ganzheitlichen) Element in Einem lag.

5.14. Nun kann ihn aber niemand in einen solchen Leib bringen, als der, der ihn geboren hat: Der ihn den vier Elementen gegeben hat, nur der kann ihn wieder nehmen. Der ihn zum Ersten körperlich gemacht hat, der muß ihn wieder in sich verschlingen und in sich in einen anderen Leib verwandeln. Das heißt, der Sulphur, der den Mercurius als seinen Werkmeister in sich hat, der muß ihn dem finsteren Saturn im Schöpfen wieder aus seinem Bauch nehmen und in sein eigenes Feuer hineinführen, und mit seinem eigenen Feuer die vier Elemente von ihm scheiden und in Eines setzen, gleichwie Gott am Jüngsten Tage in seinem eigenen Feuer das Wesen der vier Elemente vom reinen Element in der Anzündung scheiden wird, auf daß die ewige Leiblichkeit im reinen Element beginne. Und wie sich im Sterben des Menschen die vier Elemente vom wahren Menschen (der das Element Gottes ist) scheiden und der himmlische Leib in sich allein bleibt, so geht es auch in der Verwandlung der Metalle zu.

Der Prozeß

5.15. Der Leib liegt im Saturn in einer unachtbaren (unscheinbaren) Gestalt verschlossen, nicht ganz in Saturns Eigenschaft, aber in dunkler Farbe, gezeichnet mit dem Mercurius von seinem Vater und mit der Sonne seiner Mutter, und mit dem Saturn bekleidet und mit dem Mars-Leben offenbar. Aber seine Mutter wird an ihm von außen nicht erkannt, man erzürne denn seinen Werkmeister mit seiner eigenen Bosheit, welches man doch auch nicht tun kann, man nehme denn eine fremde (Bosheit) dazu, dadurch seine eigene erzürnt wird. Wenn dann sein Zorn ergrimmt, wird er so hungrig und durstig und kann doch in sich kein Labsal finden, und dann greift er seinen Werkmeister an, der ihn gemacht hat, und kämpft gegen seinen Schöpfer, wie der irdische bösartige Mensch gegen Gott. Und zwar so lange bis er sich selber frißt und verzehrt, wie ein feuriges Gift den Leib verzehrt, es sei denn, man kommt ihm zu Hilfe und stillt seinen Hunger: Doch diesen schrecklichen Hunger kann niemand stillen, als Gott selbst, der ihn gemacht hat. Und wenn der ihm nicht zur rechten Zeit zu Hilfe kommt, dann verzehrt der Hunger im Grimm den Leib und setzt ihn in die ewige Finsternis.

5.16. Denn dieser Hunger begehrt nichts als nur Gottes Barmherzigkeit, damit er aus der Angst der Hölle erlöst werden könne. Nun kann er aber diese in sich selber nicht erreichen, denn er ist im Zorn Gottes eingeschlossen. Und so ist auch seine liebe Mutter, die ihn am Anfang säugte, im Tod eingeschlossen. Wenn ihm aber Gott seine Gnade erzeigt und ihm wieder von seiner Liebe gibt, dann erschrickt der Zorn vor der Liebe und wird ein Schreck großer Freude, weil er wieder die Süßigkeit seiner lieben Mutter kostet. Dann erkennt er sich, daß er so böse gewesen ist und bereut seine Bosheit, und er will sich belehren und den alten Adam töten und von sich werfen. Alsobald nimmt ihn der Künstler mitsamt dem alten Adam vom fremden Zorn weg und legt ihn in ein sanftes Bett, denn der alte Adam ist krank und will sterben. So kommt sein eigener Werkmeister im alten Adam mit der Liebe Gottes (welche den Zorn zerbrach) über ihn her und will ein junges Kind machen, und freut sich über das Kind. Damit wird der alte Adam krank und schwach, ganz finster und schwarz, und stirbt, und so gehen die vier Elemente mit ihren Farben von ihm aus, und so läßt ihn der Werkmeister immer hinfahren und arbeitet immer an dem neuen Leib, der da vom Tod auferstehen soll. Aber niemand sieht seine Arbeit, denn er arbeitet im Finstern.

5.17. Der Künstler aber nimmt sich der Arbeit nicht an, sondern gibt nur dem Werkmeister seine eigene Speise, bis er sieht, daß sich das vegetative (unbewußte) Leben im finsteren Tod mit neuer Farbe aus der schwarzen erzeugt, und dann ist der neue Mensch fertig. So kommt der Künstler, bringt die Seele und gibt diese dem Werkmeister: Davon erschrickt der Werkmeister, weil ein anderes Leben in ihn kommt, und flößt die Seele dem neuen Leib ein und geht in sich in den Zorn, und so steht der neue Mensch in großer Kraft und Herrlichkeit aus dem Tod auf und zertritt der alten Schlange im Zorn Gottes den Kopf, und geht durch den Zorn, und der Zorn kann ihm nichts tun.

Bist du dahinein geboren,
Dann hast du dein Werk auserkoren.


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