De Signatura Rerum

(Text von Jacob Böhme 1622, deutsche Überarbeitung 2022)

2. Kapitel - Von Widerwärtigkeit und Streit im Wesen aller Wesen

2.1. Wenn nun der Gestaltungen so mancherlei und vielerlei sind, weil jede einen anderen Willen aus seiner Eigenschaft hervorbringt, so verstehen wir hierin die Widerwärtigkeit (bzw. Gegensätzlichkeit) und den Streit im Wesen aller Wesen, wie jeweils eines das andere anfeindet, vergiftet und tötet, das heißt, seine Essenz und den Geist der Essenz überwindet und in eine andere Gestaltung hineinführt, davon Krankheit und Wehtun entspringen, wenn eine Essenz die andere zerbricht.

2.2. Und dann verstehen wir darin auch die Arznei, wie eines das andere heilt und zur Gesundheit bringt. Und wenn dies nicht wäre, dann wäre keine Natur, sondern eine ewige Stille und kein Wille, denn der Widerwille macht die Beweglichkeit und den Ursprung des Suchens, so daß die widerwärtige Qual die Ruhe sucht, und sich im Suchen nur selber erhebt und noch mehr entzündet.

2.3. Und so ist uns zu verstehen, wie der Arzt in der Gleichheit (bzw. im Ausgleich) eines jeden Dinges steht: Denn in der Gleichheit steht die Erfüllung des Willens, als seine höchste Freude. Denn ein jedes Ding begehrt einen Willen seines Gleichen, und mit dem Widerwillen wird es gekränkt. Wenn es aber einen Willen seines Gleichen bekommt, dann erfreut es sich in der Gleichheit und versinkt darin in die Ruhe, und so wird aus der Feindschaft eine Freude.

2.4. Denn die ewige Natur hat nichts, als nur eine Gleichheit aus sich mit ihrer Begierde geboren. Und wenn nicht eine immerwährende Vermischung (Aufwühlung bzw. Verwirrung) wäre, dann wäre in der Natur ein ewiger Frieden, aber so würde die Natur nicht offenbar. Doch im Streit wird sie offenbar, so daß sich ein jedes Ding erhebt und aus dem Streit in die stille Ruhe fliehen will, und damit nur aus sich selber in ein anderes läuft und den Streit dadurch nur erweckt.

2.5. So finden wir klar im Licht der Natur, daß der (geistigen) Widerwärtigkeit nicht besser geraten werden kann und keinen höheren Arzt hat als die Freiheit, das heißt, das Licht der Natur als des Geistes Begierde. Und dann finden wir, daß der (körperlichen) Essenz nicht besser geraten werden kann als mit der Gleichheit, denn die Essenz ist ein Wesen, und ihre Begierde steht nach Wesen. So begehrt ein jeder Geschmack nur Seinesgleichen, und wenn er diesen bekommt, dann wird sein Hunger erfüllt und gestillt, und er hört auf zu hungern und erfreut sich in sich selbst, denn der Hunger der Widerwärtigkeit hört auf zu qualifizieren.

2.6. Wenn nun das menschliche Leben in drei Prinzipien steht, als in dreierlei Essenz, und auch einen dreifachen Geist aus der Eigenschaft jeder Essenz hat, nämlich Erstens nach der ewigen Natur entsprechend der Eigenschaft des Feuers (der Energie), zum Zweiten nach dem ewigen Licht (des Bewußtseins) entsprechend der Eigenschaft göttlicher Wesenheit, und zum Dritten nach der Eigenschaft der äußeren Welt, so ist uns die Eigenschaft dieses dreifachen Geistes und auch der dreifachen Essenz sowie des Willens zu betrachten, wie sich ein jeder Geist samt seiner Essenz in Streit und Krankheit hineinführt und was seine Kur und Arznei sei:

2.7. Wir verstehen, daß ohne die Natur eine ewige Stille und Ruhe ist, nämlich das Nichts. Und dann verstehen wir, daß in diesem ewigen Nichts ein ewiger Wille entsteht, um das Nichts in Etwas hineinzuführen, damit sich der Wille finde, fühle und schaue, denn im Nichts wäre sich der Wille nicht offenbar. So erkennen wir aber, daß sich der Wille selber sucht und in sich selber findet, und sein Suchen ist eine Begierde, und sein Finden ist das (greifbare) Wesen der Begierde, darin sich der Wille findet. Er findet aber nichts als nur die Eigenschaft des Hungers, welche er selber ist. Und die zieht er in sich, das heißt, er zieht sich selber in sich und findet sich selber in sich, und sein Insichziehen erzeugt in ihm eine Beschattung oder Finsternis, welche in der Freiheit als im Nichts nicht ist. Denn der Freiheit Wille beschattet sich nun selber mit dem (greifbaren) Wesen der Begierde, denn diese Begierde macht Wesen, und nicht der Wille.

2.8. So muß nun der Wille mit seiner Begierde im Finstern stehen, und so ist das seine Widerwertigkeit, die ihm in sich selber einen anderen Willen schöpft, um von der Finsternis wieder in die Freiheit auszugehen, nämlich in das Nichts, und kann doch außerhalb von sich die Freiheit nicht erreichen, denn die Begierde geht aus sich heraus und macht Qual und Finsternis. So muß der Wille (das heißt, der andere geschöpfte Wille) in sich gehen, und das ist doch kein Abtrennen, denn in sich vor der Begierde ist die Freiheit als das Nichts. So mag aber auch der Wille nicht ein Nichts sein, denn er begehrt, sich in dem Nichts zu offenbaren, und es kann doch auch keine Offenbarung geschehen, als nur durch das Wesen der Begierde. Und je mehr also der wiedergefaßte Wille die Offenbarung begehrt, desto mehr und strenger zieht die Begierde in sich und macht in sich drei (grundlegende) Gestaltungen:

2.9. Nämlich das Begehren, das ist das Herbe und gibt Härtigkeit, denn es ist ein Einschließen, davon Kälte entsteht. Und das Ziehen macht Stachel oder Regung in der Härtigkeit, eine Anfeindung gegen die herbe, an sich gezogene Härtigkeit. Das Ziehen ist also die zweite Gestaltung und eine Ursache des Bewegens und Lebens, und regt sich in der Herbigkeit und Härtigkeit, welches die Härtigkeit als das Einschließen nicht dulden mag und deswegen noch viel heftiger an sich zieht, um den Stachel abzuhalten, und doch wird der Stachel dadurch nur stärker. So will der Stachel über sich und quericht, und kann das doch nicht vollbringen, denn die Herbigkeit als die Begierde hält ihn. So steht er gleich einem Dreieck oder Kreuz-Rad, das (weil er nicht von der Stätte weichen kann) drehend wird, davon die Vermischung (bzw. Verwirrung) in der Begierde entsteht, als die Essenz oder die Vielfalt der Begierde, denn das Drehen macht immerfort eine Verwirrung und Zerbrechung, davon die Angst als das Weh (bzw. Leiden) entsteht, und das ist die dritte Gestaltung.

2.10. Weil aber die Begierde als die Herbigkeit dadurch nur strenger wird (denn von der Regung entsteht der Grimm und die Natur als das Bewegen), so wird der erste Wille zur Begierde ganz streng und ein Hunger, denn er ist in einem harten, stachligen und dürren Wesen und kann davon auch nicht entfliehen, denn so findet er sich jetzt aus dem Nichts in Etwas, und das Etwas ist doch sein Widerwille, denn es ist eine Unruhe, während der freie Wille eine Stille ist.

2.11. Das ist nun der Ursprung der Feindschaft, so daß die Natur gegen den freien Willen läuft und sich ein Ding in sich selber anfeindet. Und man versteht hier das Zentrum der Natur mit drei Gestaltungen: Im Ursprung, als im ersten Prinzip, ist es Geist, im zweiten ist es Liebe, und im dritten Prinzip ist es (greifbares) Wesen, und so heißen die drei Gestaltungen im dritten Prinzip Sulphur, Mercurius und Sal (Schwefel, Quecksilber und Salz). Dies versteht so:

2.12. „Sul“ ist (nach der Natursprache) im ersten Prinzip der freie Wille oder die Lust im Nichts zu Etwas, denn es ist in der Freiheit jenseits der Natur. „Phur“ ist die Begierde der freien Lust und macht in sich in dem „Phur“ als in der Begierde ein Wesen. Und dieses Wesen wird streng (verdichtet) wegen des Anziehens und führt in sich die drei Gestaltungen hinein, wie oben erklärt, und weiter fort in die vierte Gestaltung, als dem Feuer. Im „Phur“ wird der Ursprung der ewigen und auch der äußerlichen Natur verstanden, denn die Härtigkeit ist eine Mutter der (trennenden) Schärfe aller Wesen und ein Behälter alles Wesens. Aus dem „Sul“, der Lust der Freiheit, wird die finstere Angst ein scheinendes Licht, und im dritten Prinzip, als im äußeren Reich, ist das „Sul“ das Öl der Natur, darin das Leben brennt und alles wächst.

2.13. Nun ist aber das „Phur“ als die Begierde nicht vom „Sul“ getrennt, denn es ist ein Wort („Sulphur“) und im Ursprung auch ein Wesen, aber unterscheidet sich selber in zwei Eigenschaften, nämlich in Freude und Leid, in Licht und Finsternis, denn es macht zwei Welten, als eine finstere Feuerwelt in der Strengheit, und eine lichtvolle Feuerwelt in der Lust der Freiheit, denn die Lust der Freiheit ist die einige Ursache, daß das Feuer scheint. Denn das ursprüngliche Feuer ist finster und schwarz, aber im Feuerschein kann im Ursprung die Gottheit erkannt werden, und in der Verfinsterung, als in der Angstqual, der Ursprung der Natur. Und so verstehen wir ferner den Arzt darin:

2.14. Denn die Qual-Qualität ist der Arzt der freien Lust, als der stillen Ewigkeit, denn die Stille findet sich darin im Leben. Sie führt sich durch die Angstqual in der Begierde in das Leben, als in das Freudenreich, so daß nämlich das Nichts ein ewiges Leben geworden ist, das sich gefunden hat, welches in der Stille nicht sein kann.

2.15. Zum anderen finden wir, wie das „Sul“, das heißt, die Lust der Freiheit, der Arzt der Begierde als der ängstlichen Natur sei. Denn der Glanz der Freiheit vom angezündeten Feuer aus der Natur leuchtet wieder in der finsteren Angst und erfüllt die Angst mit der Freiheit, davon der Grimm erlischt und das drehende Rad stillsteht, und anstatt des Drehens ein Schall (des reflektierenden Lebens) in der Essenz wird.

2.16. Dies ist nun die Gestaltung des Geistlebens und des essentiellen Lebens. „Sul“ ist der Ursprung des Freudenlebens, und „Phur“ ist der Ursprung des essentiellen Lebens. Die Lust ist vor und jenseits der Natur, welche das wahre „Sul“ (bzw. die Seele) ist, und der Geist wird in der Natur offenbar, nämlich durch die Qual-Qualität, und solches in zweierlei Gestalt: Nach der Lust der Freiheit in einer Freude durch die Qual-Qualität, und nach der Lust der Angstbegierde durch herb, stachlig und feindlich-bitter vom Stachel und entsprechend der Angst des Rades ganz mörderisch und feindselig. So wohnt eine jede Eigenschaft in sich selbst, und sind doch ineinander. Hierin wird Gottes Liebe und Zorn verstanden, denn sie wohnen ineinander, aber keines begreift das andere, und doch ist eins des anderen Arzt, das heißt, durch die Imagination, denn das Ewige ist magisch.

2.17. Die zweite Gestaltung in der Natur ist in der Ewigkeit das Rad mit den stachligen und bitteren Essenzen, denn dort entsteht die Essenz, das heißt, mit der Verwirrung, denn das Nichts ist still und ohne Bewegung, aber die Verwirrung macht das Nichts beweglich. Im dritten Prinzip aber, als im Reich in der Essenz und Qual-Qualität der äußeren Welt, heißt diese Gestaltung Mercurius, die feindlich und giftig ist. Sie ist die Ursache des Lebens und Regens, auch die Ursache der Sinne, weil sich da ein Blick in der Unendlichkeit schöpfen und dann auch hinein vertiefen kann, so daß aus einem Einigen die unergründliche und unzählbare Vielfalt entsteht.

2.18. Diese Gestaltung ist die Unruhe, aber auch der Sucher der Ruhe, und mit ihrem Suchen schafft sie Unruhe und macht sich selbst zu ihrem eigenen Feind. Ihre Arznei ist zweierlei, denn ihre Begierde ist auch zweierlei, nämlich nach der Lust der Freiheit, nach der Stille und Sanftheit, und dann auch im Hunger nach dem Aufsteigen der Unruhe und des sich selbst Findens. Die Wurzel begehrt mit dem ersten Willen nur Freude, und kann diese auch nicht anders erreichen als durch die feindliche Qual-Qualität. Denn im stillen Nichts kann keine Freude entstehen. Sie kann nur durch Bewegung und Erhebung entstehen, so daß sich das Nichts findet.

2.19. So begehrt nun das Gefundene wieder in den Willen des stillen Nichts, daß es darin Freude und Ruhe habe, und das Nichts ist seine Arznei, denn des Suchers oder Finders Arznei ist der Grimm oder das Gift, und das ist sein gefundenes Leben, wie wir dafür ein Beispiel an der giftigen Galle haben, aus der im Leben Freude und Leid entstehen. Darin verstehen wir also zweierlei Willen, nämlich einen zum grimmigen Feuer und ängstlichen Qualleben, zum Ursprung der Natur, und einen zum Lichtleben, als zur Freude der Natur: Dies alles nimmt auf diese Weise seinen Ursprung aus dem ewigen Nichts.

2.20. Der Arzt des ersten Willens ist die Lust der Freiheit, und wenn er die erlangt, dann schafft er das Freudenreich in sich. Und der Arzt und Helfer des anderen Willens, als dem Willen der Natur, ist der Grimm in der hungrigen Begierde. Und hierin versteht man Gottes Liebe und Zorn, und wie in jedem Leben Böses und Gutes im Zentrum ist, und wie keine Freude ohne Leiden entstehen kann, und wie eins des anderen Arzt sei.

2.21. Und wir verstehen hier auch den dritten Willen, der aus diesen beiden, aus solcher Essenz wie aus seiner Mutter, seinen Ursprung nimmt, nämlich den Geist, der diese beiden Eigenschaften in sich hat und ein Sohn der Eigenschaften ist, und auch ein Herr derselben, denn in ihm steht die Macht und er kann erwecken, welche Eigenschaft er will. Die Eigenschaften stehen in der (körperlichen) Essenz und sind gleichsam ein zugerichtetes Leben oder wie ein Instrument mit vielen Stimmen (bzw. Saiten), die stillstehen. Und er, der Geist, als der Ausgang, ist das wahre Leben und kann das Instrument anschlagen, wie er will, im Bösen oder Guten, nach Liebe oder Zorn. Und wie er schlägt und wie das Instrument lautet, so wird es von seinem Gegenhall angenommen, nämlich von der Gleichheit:

2.22. Wird die Stimme der Liebe als eine Begierde der Freiheit angeschlagen, dann wird der Hall von dieser Freiheit und Liebeslust eingenommen, denn das ist ihr Geschmack, und das ist der Begierde ihres Willens ähnlich. Eine gleiche Lust fängt die andere. Ähnlich sind auch Feindschaft und Widerwillen: Wird das Instrument nach der Begierde zur Natur angeschlagen, als in Grimm, Zorn und bitterer Falschheit, dann nimmt es auch derselbe Gegenhall mit grimmiger Begierde ein, denn es entspricht seiner Eigenschaft und ist eine Erfüllung seines Hungers. Darin verstehen wir nun die Begierde der lichten und auch der finsteren Welt mit zweierlei Qualitäten und Eigenschaften:

2.23. Die Begierde der Freiheit ist sanft und licht und wird „Gott“ genannt. Und die Begierde zur Natur macht sich in sich finster, dürre, hungrig und grimmig, und wird „Gottes Zorn“ genannt. Diese Finsterwelt als das erste Prinzip und die Lichtwelt als das zweite Prinzip sind aber keine abgetrennten Wesen, sondern eines hält das andere in sich verschlossen, und eines ist des anderen Anfang und Ursache, wie auch Heilung und Arznei. Welches erweckt wird, das bekommt das Regiment und offenbart sich im Äußeren mit seinem Charakter, und macht eine Gestaltung nach seinem Willen im Äußeren nach sich, wie man solches an einem erzürnten Menschen oder Tier sieht: Obwohl der äußere Mensch oder das Tier nicht die innere Welt ist, so hat doch die äußere Natur eben dieselbe Gestaltung, denn sie entsteht von der inneren und steht auf der inneren Wurzel.

2.24. Die dritte Gestaltung ist die Ängstlichkeit, die in der Natur von der ersten und zweiten entsteht und der ersten und zweiten Behälter oder Erhalter ist. Sie ist in sich das scharfe (trennende) Schöpfen, und die andere Gestaltung hat das Verbum (bzw. Sprechen), als die Eigenschaft zum Wort (der Schöpfung bzw. „Information“). Und sie steht in drei Eigenschaften und macht aus sich mit den drein die vierte, als das Feuer. In der Ausgeburt, als im dritten Prinzip, wird sie Sal oder Salz genannt, nach ihrer Materie, aber in ihrem Geist hat sie viele Gestalten, denn sie ist die Feuerwurzel, die große Angst. Sie entsteht zwischen und aus der Herbigkeit und Bitterkeit im strengen Ansichziehen und ist die Wesenheit des Angezogenen, als die Leiblichkeit oder Begreiflichkeit. Vom Sulphur ist sie schweflig, und vom Mercurius (Quecksilber) ein Blitz. Sie ist in sich selber schmerzlich wie eine Schärfe des Sterbens, und das vom scharfen Anziehen der Herbigkeit.

2.25. Sie hat zweierlei Feuer in sich, nämlich ein kaltes und ein hitziges: Das kalte entsteht von der Herbigkeit, vom scharfen Anziehen, und ist ein finsteres schwarzes Feuer. Und das hitzige entsteht vom Stachel des Treibers in der Angst, in der Begierde nach der Freiheit, und die Freiheit ist auch seine Anzündung. Und für das kalte Feuer ist der wütende Stachel seine Erweckung.

2.26. Diese drei Gestaltungen (bzw. Grundqualitäten) sind ineinander wie eine, und sind auch nur eine, aber teilen sich durch den Ursprung in viele Gestaltungen, und haben doch nur Eine Mutter, nämlich den begehrenden Willen zur Offenbarung, und der heißt auch der Vater der Natur und des Wesens aller Wesen.

2.27. Nun ist uns der Hunger der Ängstlichkeit oder des Salzgeistes zu betrachten, und dann auch seine Sättigung oder Erfüllung: Die Angst hat in sich zwei Willen, nämlich vom Ursprung des ersten Willens aus der Freiheit zur Offenbarung seiner selbst, welcher der erste Wille zur Natur ist. Und der zweite wiedergefaßte Wille ist der Sohn des ersten, der aus der Offenbarung wieder in sich in die Freiheit geht, denn er ist in der Natur ein ewiges Leben geworden, und besitzt doch die Natur nicht essentiell (bzw. körperlich), sondern wohnt in sich und geht nur scheinbar durch die Natur. Doch der erste Wille geht aus sich heraus, denn er ist die Begierde der Offenbarung. Er sucht sich aus sich heraus, aber faßt die Begierde in sich, denn er begehrt, das Innere aus sich herauszuführen, und so hat er zwei Eigenschaften.

2.28. Mit dem in sich Suchen macht er das Zentrum der Natur, denn es gleicht einem Gift, ein Wille der schrecklichen Erhebung, gleich einem Blitz und Donnerschlag, denn diese Begierde begehrt nur Angst und schrecklich zu sein, um sich in sich zu finden, aus dem Nichts in Etwas. Und die andere Gestaltung geht wie ein Schreck oder geborener Hall aus sich, denn es ist nicht des ersten Willens Begierde, im schrecklichen Tod zu bleiben, sondern sich nur so aus dem Nichts herauszuführen und sich selber zu finden.

2.29. Und wir verstehen mit dem Zentrum in sich, mit der erhebenden Grimmigkeit und mit dem grimmigen Willen zur Natur die finstere Welt, und mit dem Ausgang aus sich zur Offenbarung die äußere Welt, und mit dem zweiten Willen aus dem ersten, der wieder in die Freiheit eingeht, die Lichtwelt, das Freudenreich oder die wahre Gottheit.

2.30. Die Begierde der finsteren Welt begehrt nach der Offenbarung als nach der äußeren Welt, um diese Wesenheit in sich zu ziehen und den grimmigen Hunger damit zu stillen. Und die Begierde der äußeren Welt begehrt nach der Essenz oder dem Leben, das aus Leid und Angst entsteht. Ihre Begierde an sich ist das Wunder der Ewigkeit, ein Mysterium oder Spiegel, oder das Gefundene des ersten Willens zur Natur.

2.31. Diese Begierde der äußeren Welt ist Sulphur, Mercurius und Sal (Schwefel, Quecksilber und Salz). Denn ein solches Wesen ist es in sich, wie ein Hunger nach sich selber, und ist auch sein eigenes Erfüllen. Denn Sul begehrt Phur, und Phur begehrt Mercurius, und diese beiden begehren Sal, denn das Salz (der körperlichen Kristallisation) ist ihr Sohn, den sie in ihrer Begierde ausbrüten, und er wird danach ihr Wohnhaus und auch Speise. So begehrt eine jede Begierde nur die Wesenheit des Salzes nach dessen Eigenschaft, denn das Salz ist vielerlei: Ein Teil ist die Schärfe der Kälte, ein Teil die Schärfe der Hitze, ein Teil ist Schwefel und ein Teil Salpeter (Salniter) vom Mercurius. Diese Eigenschaften sind wohl ineinander wie eine, aber sie unterscheiden sich doch eine jede in sich selber wohnend, denn sie sind von unterschiedlicher Essenz. Und wenn eine in die andere eingeht, dann ist es Feindschaft und ein Schreck, wie wir dies am Donner und Wetterleuchten verstehen:

2.32. Denn das geschieht, wenn sich die große Angst, als die Mutter aller Salze, das heißt, die dritte Gestaltung der Natur verdichtet, und das geschieht vom Anblick der Sonne, so daß sie die hitzige Feuersgestaltung erweckt. Dann ist sie durchdringend wie die Eigenschaft des Feuers, und wenn sie den Salpeter erreicht (der ein Grundstoff des Schwarz- oder Schießpulvers ist), dann zündet sie sich an, und der Salpeter ist in sich der große Schreck im Mercurius, als der Blitz oder Stachel, der in die Kälte fährt, nämlich in die kalte Schärfe des Salzgeistes. Diese Kälte erschrickt so sehr vor dem Blitz des Feuers und rafft sich augenblicklich in sich, davon ein Donnerkeil, Schauer oder Blitz wird, der im Schreck schlägt, und der Schreck fährt unter sich (bzw. herab), denn er ist schwer von der Kälte. Und der Salpeter-Geist ist leicht vom Feuer, der führt den Donner oder Hall quericht, wie man das im Gewitter und Donner hört.

2.33. Bald darauf geht der Wind oder der Geist aus allen vier Gestaltungen gegeneinander (die drei Grundqualitäten und das Feuer als vierte Gestaltung), denn sie sind alle vier im durchdringenden Schreck angezündet, und so folgt darauf Hagel und Regen. Der Hagel rafft sich in der Kälte zusammen, in der Eigenschaft des kalten Salz-Geistes (der Kristallisation), denn der Grimm zieht an sich und macht das Wasser zu Eis. Und das Wasser entsteht von der Sanftmut, als von der Begierde des Lichtes, denn es ist der Sanftmut Wesenheit, das der kalte Salz-Geist zusammenzieht, so daß es tropfend wird und auf die Erde fällt. Denn vor der Zusammenziehung ist es nur wie ein Nebel, Rauch oder Dampf.

2.34. So sehen wir diesen Grund eigentlich am Donner und Wetterleuchten, denn der Blitz oder das himmlische Blitzen kommt allezeit vorher, denn das ist der angezündete Salpeter. Darauf folgt der Donnerschlag im Schreck der Kälte, wie ihr dann seht: Sobald ein Donnerschlag geschieht, dann ist die herbe Kammer geöffnet und ein kühler Wind geht, und oft gar zwirbelnd und drehend, denn die Gestaltungen der Natur sind erweckt und erscheinen wie ein drehendes Rad, und so führen sie auch ihren Geist, den Wind.

(Die drei grundlegenden Gestaltungen der Natur, die im Text erklärt wurden, könnte man in folgender Tabelle zusammenfassen:)

Die drei natürlichen Gestaltungen oder Grundqualitäten

 

Geistige Entwicklung

Körperliche Entstehung

Arzt / Arznei

1.

Begehren / Herb
Anziehend

Sulphur - Schwefel
Kälte / Verhärtung

Lust / Freiheit
Hunger

2.

Bitter-Stachel
Kreuz-Rad

Mercurius - Quecksilber
Bewegung / Leben

Stille / Sanftheit
Selbstfindung

3.

Angst / Feuerwurzel
Kristallisation

Sal - Salz
Körperlichkeit / Leiden

Qual / Nichts
Gleichheit

(Die Vorstellung von drei grundsätzlichen Kräften oder Qualitäten als Ursache für die Bewegung der Schöpfung ist eine uralte Vorstellung vieler philosophischer Schulen. Denn zwei gegensätzliche Kräfte würden nur sinnlos hin- und herschwingen. Dazu dient dann eine dritte Kraft für eine Ausrichtung, so daß symbolisch ein Dreieck entsteht, in dem die drei Kräfte wechselwirken. Ähnliche Dreiecks-Systeme sind zum Beispiel: )

Drei Seelenkräfte
des Mittelalters

Drei Geistesgifte
im Buddhismus

Drei Gunas
der Veden

Drei Doshas
im Ayurveda

Drei Veränderungen
von Aristoteles

Intellectus
Vernunft

Begierde

Rajas
Leidenschaft

Vata
Wind

Substrat

Memoria
Gedächtnis

Haß

Sattwa
Güte

Pita
Galle

Ausgangszustand

Voluntas
Wille

Unwissenheit

Tamas
Trägheit

Kapha
Schleim

Zielzustand


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