De Signatura Rerum (Von der Geburt und Bezeichnung aller Wesen)

(Text von Jacob Böhme 1622, deutsche Überarbeitung 2022 zum 400sten Jahrestag)

Wie alle Wesen aus einem Einigen (ganzheitlichen) Mysterium entstehen, und wie sich dieses Mysterium von Ewigkeit immer in sich selber gebiert, und wie das Gute in das Böse und das Böse in das Gute verwandelt wird. Und wie die äußere Kur des Leibes durch seine Gleichheit geführt werden müsse, und was jedes Dinges Anfang, auch Zerbrechung und Heilung sei. Dabei gleichnisweise der Stein der Weisen zur zeitlichen Kur zusammen mit dem Eckstein der Weisheit Christus zur ewigen Kur der neuen Wiedergeburt eingeführt wird.

Eine sehr tiefe Pforte der ewigen und auch anfänglichen äußerlichen Natur und ihrer Gestaltungen.

Geschrieben im Jahr 1622 im Februar.

Vorrede des Autors an den weisheitsliebenden Leser

1. Dem Menschen, den Gott in sein Bild und Gleichnis geschaffen hat, ist in all seiner Übung, die er treibt, nicht nützlicher, als daß er sich stets betrachte, (1.) was er sei, (2.) wovon ihm Gutes und Böses herkomme und (3.) wie er sich in Böses und Gutes hineinführt. In welcher Betrachtung er auch (4.) die Kur für Leib und Seele finden und erlernen kann, und (5.) wie er sich dazu schicken soll, daß das Heil in Leib und Seele hineingeführt und eröffnet werden könne. Auch lernt er (6.) in solcher Betrachtung seinen Schöpfer kennen, und ihm werden (7.) die Geheimnisse der großen Wunder Gottes bekannt und offenbar, welches nicht allein eine Erkenntnis der großen Wunder Gottes im Menschen erweckt, sondern auch (8.) eine herzliche Begierde und Zuflucht zur Liebe und Gnade Gottes, in welcher Begierde (9.) das Bild Gottes in sich selbst durch Gottes Willen-Geist, der in der Begierde zu Gott selbst fährt, in ihm selbst offenbar wird, so wie sich Gott in seiner ewigen Begierde mit dem Wesen, das in der Begierde entsteht, mit seinem Geist selbst offenbart hat.

2. Als nun Gott den Menschen in ein Gleichnis nach sich selbst aus seinem ewigen und zeitlichen Wesen geschaffen und ihn zum Herrn und Regenten seiner Schöpfung geordnet hat, und auch alles unter seine Füße getan, so ist dies nicht mit dem Ziel geschehen, daß er wie ein unvernünftiges Tier sei, sondern er soll die Wunder Gottes in seiner Schöpfung und den großen Gott in seinem dreifaltigen einigen Wesen wahrhaft erkennen lernen, damit er wisse, wie er sein Leben halten und vor Gott in diesem ihm anbefohlenen Amt auf Erden führen soll, damit er das zeitliche und ewige Heil und die Erbschaft erlangen kann, dazu ihn Gott geschaffen hat.

3. Aus solcher Betrachtung habe ich mir nun vorgenommen, diese Geheimnisse aufzuschreiben, die der Geist Gottes dem Menschen offenbart, der sich mit wahrhaftem Ernst dahinein begibt, und ihn gleichsam wie in ein Liebesspiel seiner Wunder hineinführt. Damit sei dem liebhabenden gottesfürchtigen Leser und Sucher der Weisheit Gottes Ursache gegeben, ob er dadurch in Bewegung oder Begierde als in einen Hunger nach dem edlen Perlein, welches köstlicher ist als die äußere Welt, gebracht werden könne, dadurch (1.) die Wunder Gottes in uns offenbart, (2.) sein heiliger Name in uns und von uns gepriesen und erkannt und (3.) des Satans Reich auch so offenbart und gehindert werden könnte, damit doch der Mensch (4.) Gottes Willen für ihn erkennen lernt und auch vom unnützen Streit, davon die brüderliche Uneinigkeit entsteht, abgeht und dadurch der Liebewille Gottes für uns, der so nur in Streit gezogen wird, erkannt werde, und daß auch offenbar werde, daß dieser Streit etwas Nichtiges und Hochschädliches ist und nicht in Gottes, sondern des Teufels Willen und Begierde entsteht, davon sich das edle Bild Gottes zu Recht abkehrt, um in die wahre Erkenntnis Gottes, seines Willens und Wesens einzugehen.

4. Wenn nun auch der Verstand nur ruft „Schrift und Buchstaben her!“, so ist doch der äußere Buchstabe allein nicht genug zur Erkenntnis, obwohl er der Anleiter des Grundes ist. Denn der lebendige Buchstabe, der Gottes selbständig ausgesprochenes Wort und Wesen ist, muß auch in der Leiterin des ausgesprochenen Wortes im Menschen selbst eröffnet und gelesen werden, in welchem der Heilige Geist der Leser und Offenbarer selbst ist. Deswegen ist es mein Vorhaben, den wahren Grund aller Wesen nach meiner Erkenntnis und Gabe, wie es der Geist der Vernunft in mir selbst eröffnet hat, in Eigenschaften aufzuschreiben und für eine kurze Erinnerung und Übung zu erhalten, damit, wenn es jemandem gelüstet nachzuforschen, derjenige solchen Nutzen in sich selbst finde und erfahre.

5. Es ist aber nicht meine Meinung, den Menschen in unverständige unnütze Kunst hineinzuführen, zu der er von Gott weder berufen noch begabt ist, weil ich sie auch selbst nicht in der Praxis führe und betreibe, sondern nur die Möglichkeit aller Dinge nebst der Praxis der neuen Geburt erkläre und den von Gott dazu Begabten zu den äußeren Dingen Anleitung gebe, weil doch nun die Zeit der Eröffnung aller Heimlichkeiten naht und anbricht.

6. Würde sich aber jemand auf einen (übermütigen) Vorwitz begeben und selbst ins Unheil gehen, ehe er dazu geschickt wurde und den wahren Verstand nebst göttlichem Willen erreicht hätte, der gebe sich selbst die Schuld, daß er unserem treuen Rat, der hierin begriffen ist, nicht folgen wollte. Hiermit empfehlen wir uns dem göttlichen Licht, Segen und Schutz, mich aber dem Leser in seine Gunst und Liebe! Gegeben im Monat Februar Anno 1622.


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