Die sechs mystischen Punkte

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2022)

Eine kurze Erklärung der folgenden sechs mystischen Punkte:

1. Vom Blut und Wasser der Seele.
2. Von der Gnadenwahl, vom Guten und Bösen.
3. Von der Sünde, was Sünde sei, und wie es Sünde sei.
4. Wie Christus das Reich seinem Vater überantworten wird.
5. Von der Magie, was Magie und was der magische Grund ist.
6. Vom Mysterium, und was es ist.

Geschrieben im Jahr 1620.

1. Vom Blut und Wasser der Seele

1.1. Alles was substantiell und greifbar ist, das ist in dieser Welt: Wenn aber die Seele in dieser Welt keine Substanz oder Wesen ist, dann ist auch ihr Blut und Wasser keine Substanz oder Wesen in dieser Welt.

1.2. Wohl ist die Seele mit ihrem Blut und Wasser im äußeren Blut und Wasser, aber ihre Substanz ist magisch. Denn die Seele ist auch ein magisches Feuer, und ihre Bildung oder Gestaltung wird im Licht (in der Kraft ihres Feuers und Lichtes) aus dem magischen Feuer ausgeboren, und ist doch ein wahrhaftiges Bild in Fleisch und Blut, aber sie ist im Ursprung davon.

1.3. Gleichwie Gottes Weisheit Wesen bekommt, und die Weisheit doch kein Wesen ist, so bekommt auch die Seele mit ihrer Bildung Wesen. Und die Seele ist doch nur ein magisches Feuer, aber ihre Nahrung ist von ihrem Wesen.

1.4. Gleichwie ein Feuer Wesen haben muß, wenn es brennen soll, so hat auch das magische Feuer der Seele Fleisch, Blut und Wasser. Denn es wäre kein Blut, wenn nicht die Tinktur vom Feuer und Licht im Wasser wäre, welche der Weisheit Sein (Ens) oder Leben ist, die in sich alle Gestaltungen der Natur hat und das andere magische Feuer ist.

1.5. Denn sie (die göttliche Tinktur oder Weisheit) gibt alle Farben, und aus ihrer Gestaltung geht die göttliche Kraft in das sanfte Wesen des Lichtes aus, das heißt, nach des Lichtes Eigenschaft. Und nach des Feuers Eigenschaft ist sie eine Schärfe der Verwandlung. Sie kann alle Dinge in ihren höchsten Grad führen, obwohl sie kein lebhafter Geist ist, sondern das höchste Sein (Ens).

1.6. So ist sie auch ein solches Sein im Wasser und führt die Eigenschaft des Feuers und Lichtes mit allen Kräften der Natur dahinein, darin sie dann das Wasser in Blut verwandelt. Solches tut sie im äußeren und inneren Wasser, also im äußeren und inneren Blut.

1.7. Das innere Blut der göttlichen Wesenheit ist auch magisch, denn die Magie macht es zur Substanz. Es ist geistiges Blut, welches das äußere Wesen nicht erregen kann, als nur durch Imagination. Die innere Imagination führt den äußeren Willen in das innere Blut, und davon verdirbt das Blut und Fleisch der göttlichen Wesenheit, und so wird das edle Bildnis im Gleichnis Gottes verdunkelt.

1.8. Der Seele Fleisch und Blut ist im höchsten Mysterium, denn es ist göttliche Wesenheit. Und wenn das äußere Fleisch und Blut stirbt, dann fällt es dem äußeren Mysterium anheim, und das äußere Mysterium fällt dem inneren anheim.

1.9. Und so hat ein jedes magische Feuer seine Klarheit und Finsternis in sich, um welches willen ein letztendlicher Scheidetag aufgestellt ist, wenn alles durch ein Feuer gehen und probiert werden soll, welches dessen fähig sein wird oder nicht. Dann geht ein jedes Ding in seine eigene Magie, und es ist danach, wie es seit Ewigkeit war.

2. Von der Gnadenwahl, vom Guten und Bösen

2.1. Gott ist seit Ewigkeit Alles allein. Sein Wesen teilt sich in drei ewige Unterschiede: Einer ist die Feuer-Welt, der zweite die Finster-Welt, und der dritte die Licht-Welt. Und es ist doch nur Ein Wesen ineinander, aber keines ist das andere.

2.2. Die drei Unterschiede sind gleich ewig und ungemessen und in keine Zeit noch Stätte eingeschlossen. Ein jeder Unterschied schließt sich in sich selbst in ein Wesen, und nach seiner „Eigenschaft“ ist auch seine Qual (bzw. Qualität), und in seiner Qual ist auch seine Begierde als das Zentrum der Natur.

2.3. Und die Begierde ist sein Machen, denn sie macht Wesen, wo keins ist, und solches in der Essenz der Begierde, nach der Begierde Eigenschaft, und es ist doch alles zusammen nur eine Magie oder ein Hunger nach Wesen.

2.4. Eine jede Gestalt macht Wesen in ihrer Begierde, und eine jede Gestalt führt sich aus dem Spiegel ihres Glanzes heraus und hat ihr Sehen in ihrem eigenen Spiegel. Und ihr Sehen ist einem anderen Spiegel eine Finsternis, denn ihre Gestalt ist einem anderen Auge (aus einer anderen Welt) verborgen. Aber im Fühlen ist ein Unterschied (bzw. eine Unterscheidung möglich).

2.5. Denn eine jede Gestalt nimmt ihr Fühlen vom Ursprung der ersten drei Gestaltungen in der Natur, nämlich von Herb, Bitter und Angst. Doch in diesen dreien ist noch kein Leid (gegensätzliches Fühlen) in sich selber, aber das Feuer (als vierte Gestaltung) macht das Leid in ihnen, und das Licht (der Liebe als sechste Gestaltung) wandelt es wieder in Sanftmut.

2.6. Das rechte (wirkliche) Leben steht im Feuer, und dort ist der Drehpunkt (Angel) zu Licht oder Finsternis. Der Drehpunkt ist die Begierde, denn womit sich diese füllt, dessen Feuer ist die Begierde, und dessen Licht scheint aus dem Feuer. Dieses Licht (des Bewußtseins) ist das Sehen der Gestalt und deren Leben, und das eingeführte Wesen in die Begierde ist das Feuerholz, daraus das Feuer brennt, sei es herb oder sanft, und das ist auch sein Himmel- oder Höllenreich.

2.7. So ist das menschliche Leben der Drehpunkt zwischen Licht und Finsternis: Welchem es sich hineineignet, in demselben brennt es. Gibt es sich in die Begierde der Essenz, dann brennt es in der Angst im Finsternis-Feuer.

2.8. Gibt es sich aber in ein Nichts, dann ist es begierdelos und fällt dem Licht-Feuer anheim. Dann kann es in keiner Qual (bzw. Qualität) brennen, denn es führt kein Wesen in sein Feuer, daraus ein Feuer brennen kann. Und wenn keine Qual in ihm ist, dann kann auch das Leben keine Qual fangen, denn es ist keine in ihm. Damit ist es der ersten (ursprünglichen) Magie anheimgefallen, und die ist Gott in seiner Dreiheit.

2.9. Wenn das Leben geboren ist, dann hat es alle drei Welten in sich. Und welcher Welt sich das Leben hineineignet, von derselben wird es gehalten und in demselben Feuer entzündet.

2.10. Doch wenn sich das Leben entzündet, dann wird es von allen drei Welten gezogen, und die stehen in der Erregung in der Essenz, als im ersten angezündeten Feuer. Und welche Essenz das Leben in seine Begierde einlädt und empfängt, dessen Feuer brennt.

2.11. Ist die erste Essenz gut, darin sich das Leben anzündet, dann ist auch das Feuer lieblich und gut. Ist sie aber bösartig und finster aus grimmiger Eigenschaft, dann ist es auch ein Grimm-Feuer und hat wiederum solche Begierde entsprechend der Eigenschaft des Feuers.

2.12. Denn eine jede Imagination begehrt nur ein Wesen ihresgleichen, worin sie entstanden ist.

2.13. Das Leben des Menschen gleicht in dieser Zeit einem Rad, darin bald das Unterste zum Obersten wird, und es entzündet sich an allem Wesen und besudelt sich mit allem Wesen. Aber sein Bad (der Reinigung) ist in der Bewegung des Herzens Gottes als ein Wasser der Sanftmut, aus der es (besänftigendes) Wesen in sein Feuer-Leben hineinführen kann. Die Wahl Gottes steht also nicht in der ersten Essenz (als Vorherbestimmung).

2.14. Denn die erste Essenz ist nur das Mysterium zum Leben, und so gehört eigentlich das erste Leben mit der Anzündung in sein Mysterium, daraus es gekommen ist. Sei es eine ganz grimmige Essenz oder eine vermischte oder eine Lichts-Essenz nach der Licht-Welt.

2.15. Aus welcher Eigenschaft das Leben entsteht, aus derselben brennt auch das Licht seines Lebens, und dieses Leben hat keine Wahl, denn es geht kein Gericht über dieses, weil es in seinem eigenen Ursprung steht und sein Gericht in sich selbst führt. Es scheidet sich selbst von aller anderen Qual (bzw. Qualität), denn es brennt nur in seiner eigenen Qual, in seinem eigenen magischen Feuer.

2.16. Die Wahl geht über das Eingeladene, ob es in das Licht oder in die Finsternis gehört. Denn je nachdem es eine Eigenschaft hat, entsprechend ist auch der Wille seines Lebens. Es wird also erkannt, ob es der grimmigen Essenz oder der Liebe Essenz gehört. Und so lange es in einem Feuer brennt, ist es vom anderen verlassen, und so geht die Wahl dieses Feuers, darin es brennt, über dieses Leben. Denn das will es haben, weil es seine Eigenschaft ist.

2.17. Aber wenn sich der Wille dieses Feuers (als der bewegliche Drehpunkt) in ein anderes Feuer schwingt und darin entzündet, dann kann er das ganze Leben mit diesem Feuer entzünden, wenn er in diesem Feuer bleibt.

2.18. Damit wird das Leben neu geboren, entweder zur Finster-Welt oder zur Licht-Welt, je nachdem, worin sich der Wille angezündet hat. Und daraus kommt eine andere Wahl, und das ist die Ursache, warum Gott lehren läßt, und auch der Teufel: Ein jeder will, daß sich des Lebens Wille in sein Feuer schwinge und entzünde, denn dann fängt ein Mysterium das andere.

3. Von der Sünde, was Sünde sei, und wie es Sünde sei

3.1. Ein Ding das Eins ist, hat weder Gebot noch Gesetze. Wenn es sich aber mit einem anderen mischt, dann sind zwei Wesen in einem, und damit gibt es auch zwei Willen, davon einer gegen den anderen läuft, und hier entsteht Feindschaft.

3.2. So ist uns die Feindschaft gegen Gott zu betrachten: Gott ist Einig und Gut, ohne alle Qual, und wenn auch alle Qual in Ihm ist, dann ist sie doch nicht offenbar. Denn das Gute hat das Böse oder Widerwärtige in sich verschlungen und hält es im Guten im Zwang und gleichsam wie gefangen, darin das Böse eine Ursache des Lebens und Lichtes sein muß, aber nicht offenbar ist. Sondern das Gute stirbt dem Bösen (zur Ausgeglichenheit) ab, damit es im Bösen ohne Qual oder Empfindung in sich selbst wohnen kann.

3.3. So ist die Liebe und die Feindschaft nur ein einiges Ding, aber ein jedes wohnt in sich selbst, und das macht zwei Dinge. Und der Tod ist zwischen ihnen das Scheideziel, und es ist doch kein Tod, ohne daß das Gute dem Bösen abstirbt, wie das Licht der Qual (bzw. Qualität) des Feuers abgestorben ist und das Feuer nicht mehr fühlt.

3.4. So ist uns nun im menschlichen Leben auch die Sünde zu ergründen: Denn das Leben ist einig und gut. Wenn aber eine andere Qual (bzw. Qualität) als das Gute darin ist, dann ist es eine Feindschaft gegen Gott, denn Gott wohnt im höchsten Leben des Menschen.

3.5. So kann aber nun kein Ungründliches in einem Gründlichen (bzw. Grundloses in einem Grundhaften) wohnen. Denn sobald das rechte (wirkliche) Leben Qual in sich erweckt, dann ist es dem Ungrund nicht mehr gleich, darin keine Qual ist, und damit trennt sich eins vom anderen.

3.6. Denn das Gute oder Licht ist wie ein Nichts. Wenn aber Etwas dahinein kommt, dann ist dieses Etwas ein anderes als das Nichts, denn das Etwas wohnt in sich in einer Qual. Denn wo Etwas ist, da muß eine Qual sein, die das Etwas macht und hält.

3.7. So ist uns von Liebe und Feindschaft zu betrachten: Die Liebe hat nur eine Qual (bzw. Qualität) und einen Willen, denn sie begehrt nur ihresgleichen und nicht Vieles. Denn das Gute ist nur Eines, aber die Qual ist Vieles. Und ein menschlicher Wille, der Vieles begehrt, der führt in sich die Qual der Vielheit in das Eine (darin Gott wohnt).

3.8. Denn das Etwas ist finster und verfinstert das Licht des Lebens. Aber das Eine ist Licht, denn es liebt sich selbst, und da ist kein Begehren nach mehr.

3.9. Also muß des Lebens Wille in das Eine (als in das Gute) gerichtet sein, dann bleibt es in einer Qual. Wenn es aber in eine andere Qual imaginiert, dann schwängert es sich mit dem Ding, darnach es gelüstet.

3.10. Und wenn dann dieses Ding ohne ewigen Grund in einer zerbrechlichen Wurzel ist, dann sucht es eine Wurzel zu seiner Erhaltung, daß es bleiben kann. Denn alles Leben steht im magischen Feuer, und so muß ein jedes Feuer Wesen haben, darin es brennt.

3.11. Deshalb muß sich dieses Ding ein Wesen nach seiner Begierde machen, damit sein Feuer Nahrung hat. So kann nun keine Feuer-Qual im freien Feuer bestehen, denn es erreicht dieses auch nicht, weil es nur ein Einiges ist.

3.12. Alles, was in Gott bestehen soll, das muß seines Willens ledig sein. Es darf kein eigenes Feuer in sich brennen haben, sondern Gottes Feuer muß sein Feuer sein. Sein Wille muß in Gott geeinigt sein, so daß Gott und des Menschen Wille und Geist nur Eines ist.

3.13. Denn was Eines ist, das feindet sich nicht an, denn es hat nur Einen Willen. Wohin er dann geht oder was er tut, das ist Eins mit ihm.

3.14. Denn Ein Wille hat auch nur Eine Imagination. So macht oder begehrt doch die Imagination nur dasjenige, was ihr gleicht. Dies ist uns auch vom Widerwillen zu verstehen.

3.15. Gott wohnt in Allem, und nichts begreift Ihn, es sei denn, es ist Eins mit ihm. Wenn es aber aus dem Einen ausgeht, dann geht es aus Gott in sich selber, und ist ein anderes als Gott, das sich selber abtrennt. Damit entsteht das Gesetz, daß es wieder aus sich selber in das Eine ausgehen muß, oder vom Einen getrennt bleibt.

3.16. Also ist erkenntlich, was Sünde sei, oder wie es Sünde sei: Wenn sich nämlich der menschliche Wille von Gott in ein Eigenes abtrennt, sein eigenes Feuer erweckt und in eigener Qual (Quelle bzw. Qualität) brennt. Dann ist dieses eigene Feuer des göttlichen Feuers nicht fähig.

3.17. Denn alles, wohinein der Wille geht und es zu eigen haben will, das ist ein Fremdes im einigen Willen Gottes. Denn Gott gehört alles, und dem eigenen Willen des Menschen gehört nichts. Wenn er aber in Gott ist, dann ist auch alles sein.

3.18. So erkennen wir, daß die Begierde Sünde ist, denn sie gelüstet aus Einem in Vieles und führt Vieles in Eines (in der „Vielheit“). Sie will besitzen, und soll doch willenlos sein. Denn mit der Begierde wird Wesen gesucht, und im Wesen zündet die Begierde das Feuer an.

3.19. So brennt nun ein jedes Feuer aus der Eigenschaft seines Wesens, und damit ist die Trennung und Feindschaft geboren. Denn Christus sagt: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. (Luk. 11.23)« Denn er sammelt ohne Christus, und was nicht in ihm ist, das ist ohne Gott.

3.20. So sehen wir auch, daß der Geiz Sünde ist, denn er ist eine Begierde ohne Gott, und wir sehen auch, daß der überhebliche Stolz Sünde ist, denn er will ein Eigenes sein und trennt sich von Gott als vom Einen ab.

3.21. Denn was in Gott sein will, das muß in ihm in seinem Willen wandeln. Und wenn wir dann in Gott nur Einer mit vielen Gliedern sind, dann ist es ja gegen Gott, wenn sich ein Glied dem anderen entzieht und aus sich selber einen Herrn macht, wie es der überhebliche Stolz tut. Er will ein Herr sein, auch wenn Gott allein Herr ist. So sind jetzt zwei Herren, und so scheidet sich einer vom anderen.

3.22. Darum ist alles Sünde und Widerwille, was die Begierde zu eigen besitzt, sei es Speise oder Trank. Wenn der Wille dahinein imaginiert, dann füllt er sich mit demselben und entzündet dessen Feuer. Und so brennt dann ein anderes (zweites) Feuer im ersten, und so entstehen Widerwille und Verirrung.

3.23. Darum muß ein neuer Wille aus dem Widerwillen wachsen, der sich wieder in die einige Einigung hinein ergibt, und der Widerwille muß zerbrochen und abgetötet werden.

3.24. Und hier ist uns das Wort Gottes zu betrachten, das Mensch wurde. Wenn der Mensch seine Begierde dahinein setzt, dann geht er aus der Qual und aus seinem eigenen Feuer heraus und wird im Wort neu geboren. Dann wohnt der herausgegangene Wille in Gott, und der erstere in der Begierde in der Irdischkeit und Vielheit.

3.25. Deshalb muß die Vielheit mit dem Leib zerbrechen und dem herausgehenden Willen absterben, und dann wird der herausgehende Wille als eine neue Geburt erkannt. Denn er nimmt im Einen wieder Alles in sich, aber nicht mit eigener Begierde, sondern mit einiger Liebe, welche in Gott geeinigt ist, so daß Gott Alles in Allem ist und sein Wille aller Dinge Wille, denn in Gott besteht ein ewiger Wille.

3.26. So finden wir, daß das Böse dem Guten zum Leben dienen muß, wenn nur der Wille aus dem Bösen wieder aus sich herausgeht in das Gute, denn der Grimm muß das Feuer des Lebens sein.

3.27. Aber des Lebens Wille muß im Kampf gegen sich selber gerichtet sein. Denn er muß dem Grimm entfliehen und ihn nicht wollen. Er darf auch die Begierde nicht wollen, die doch sein Feuer will und auch haben muß. Und darum heißt es: Im Willen neu geboren werden.

3.28. Ein jeder Willen-Geist, der in der Begierde seines Lebensfeuers bleibt (wie im Grimm des Holzes zum Feuer) oder dahineingeht und das Irdische besitzt, der ist solange von Gott getrennt, wie er das Fremde (als das Irdische) besitzt.

3.29. So erkennt man auch, wie ein Überfluß an Speise und Trank Sünde bewirkt: Denn der reine Wille, der vom Lebensfeuer ausgeht, wird in der Begierde ertränkt und gefangen, so daß er im Kampf zu ohnmächtig wird. Denn die Qual des Feuers (als der Begierde) hält ihn gefangen und füllt ihn mit Sucht, so daß dieser Wille in die Begierde imaginiert.

3.30. So ist dieser Wille in Speise und Trank mit dieser Begierde irdisch und von Gott getrennt. Aber der Wille, der dem irdischen Feuer entrinnt, der brennt im inneren Feuer und ist göttlich (ganzheitlich).

3.31. Doch dieser Wille, der von der irdischen Begierde flieht, entsteht nicht aus dem irdischen Feuer. Nein! Er ist der Feuer-Wille der Seele, der mit der irdischen Begierde gefangen und bedeckt wurde, und der will nicht in der irdischen Begierde bleiben, sondern in seine Einssein in Gott, daraus er anfangs entsprungen war.

3.32. Wird er aber in der irdischen Begierde gefangengehalten, dann ist er im Tod verschlossen und leidet Qual. So ist die Sünde zu verstehen.

4. Wie Christus das Reich seinem Vater überantworten wird

4.1. In der Schöpfung der Welt und aller Wesen bewegte sich der Vater nach seiner Eigenschaft als Zentrum der Natur mit der Finster- und Feuer-Welt, und die blieb in der Bewegung und im Regiment bis sich dann der Vater nach seinem Herzen (der Licht-Welt) bewegte und Gott Mensch wurde. Damit überwand die Liebe des Lichtes die grimmige Eigenschaft des Vaters, und so regierte der Vater im Sohn mit der Liebe.

4.2. Dazu hatte der Sohn das Regiment in denen, die Gott anhingen, und so zog der Heilige Geist (der vom Vater und Sohn ausgeht) die Menschen im Licht der Liebe durch den Sohn zu Gott dem Vater.

4.3. Aber schließlich bewegt sich der Heilige Geist in der Eigenschaft des Vaters und auch des Sohnes, und beide Eigenschaften werden zugleich (zum Ausgleich) rege. So eröffnet sich der Geist des Vaters im Feuer und Licht, wie auch im Grimm der finsteren Welt, und in allem fällt das Regiment dem Vater anheim. Denn der Heilige Geist soll ewig regieren und ein ewiger Eröffner in der Licht- und auch in der Finster-Welt sein.

4.4. Denn die zwei Welten werden stillstehen, und der Heilige Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht, führt ewig das Regiment in den zwei Welten, entsprechend der Qualität und Eigenschaft jeder Welt.

4.5. Er allein wird der Eröffner der Wunder sein, und so gehört dem Vater (der Alles ist) das ewige Regiment, das er mit dem Geist führt, vom Sohn überantwortet.

5. Von der Magie, was Magie und was der magische Grund ist

5.1. Magie ist die (Gebär-) Mutter der Ewigkeit, des Wesens aller Wesen, denn sie macht sich selbst und wird in der Begierde verstanden.

5.2. Sie ist in sich selbst nichts als ein Wille, und dieser Wille ist das große Mysterium aller Wunder und Heimlichkeit, aber führt sich durch die Imagination des begierigen Hungers in ein Wesen.

5.3. So ist sie der Ursprung der Natur: Ihre Begierde macht eine Einbildung, doch diese Einbildung ist nur der Wille zur Begierde. Die Begierde aber macht im Willen ein solches Wesen, wie der Wille in sich selber ist.

5.4. Die rechte (eigentliche) Magie ist also kein Wesen, sondern der begehrende Geist des Wesens. Sie ist eine nichtsubstantielle Matrix (Gebärmutter), und offenbart sich aber im Wesen.

5.5. Magie ist Geist, und das Wesen ist ihr Leib, und doch sind alle beide nur Eines, gleichwie Leib und Seele nur eine Person sind.

5.6. Magie ist die größte Heimlichkeit, denn sie ist über der Natur, aber macht die Natur nach der Gestalt ihres Willens. Sie ist das Mysterium der Dreizahl, das heißt, der Wille in der Begierde zum Herzen Gottes.

5.7. Sie ist die Formung in der göttlichen Weisheit, als eine Begierde in der Dreizahl, in der sich das ewige Wunder der Dreizahl mit der Natur zu offenbaren begehrt. So ist sie die Begierde, die sich in die finstere Natur hineinführt, und durch die Natur in das Feuer, und durch das Feuer im Streben des Grimms in das Licht zur Majestät.

5.8. Sie ist also keine Majestät, sondern die Begierde in der Majestät. Sie ist die Begierde der göttlichen Kraft, nicht die Kraft selbst, sondern der Hunger oder das Begehren in der Kraft. Sie ist nicht die Allmacht, sondern die Führerin in der Kraft und Macht. Und das Herz Gottes ist die Kraft, und der Heilige Geist ist die Eröffnung der Kraft.

5.9. Aber die Magie ist die Begierde in der Kraft und auch im führenden Geist, denn sie hat das Schöpfen (Fiat) in sich. Was der Willen-Geist in ihr eröffnet, das führt sie in ein Wesen durch die Herbigkeit, die das Schöpfen ist, alles nach dem Modell des Willens. Wie es der Wille in der Weisheit modelt, so nimmt es die begehrende Magie ein, denn sie hat in ihrer Eigenschaft die Imagination als eine Lust.

5.10. Die Imagination ist sanft und weich und gleicht dem Wasser, aber die Begierde ist rauh und dürr wie ein Hunger, und sie macht das Weiche hart und findet sich in allen Dingen, denn sie ist das größte Wesen in der Gottheit: Sie führt den Abgrund in Grund, und das Nichts in Etwas.

5.11. In der Magie liegen also alle Gestaltungen des Wesens aller Wesen. Sie ist eine Mutter in allen drei Welten, und macht ein jedes Ding nach dem Modell ihres Willens. Sie ist nicht die Vernunft, sondern sie ist eine Macherin nach der Vernunft und läßt sich zum Guten oder Bösen gebrauchen.

5.12. Alles, was der Wille in der Klugheit modelt, so daß auch der Wille der Vernunft dahinein geht, das macht die Magie in ein Wesen. Sie dient auch den Gottliebenden in Gottes Wesen, denn sie macht in der Vernunft göttliches Wesen und nimmt es aus der Imagination, nämlich aus der Sanftmut des Lichtes.

5.13. Sie ist es, die göttliches Fleisch macht, und die Vernunft ist aus der Weisheit, denn sie ist ein (ganzheitliches) Erkennen der Farben, Kräfte und Tugenden. Die Vernunft führt den rechten wahren Geist mit einem Zügel, denn der Geist ist fliegend, und die Vernunft ist sein Feuer.

5.14. Nicht ist der Geist weichend, daß er von der Vernunft abwiche, sondern er ist der Wille der Vernunft, aber die Sinne (und Gedanken) sind in der Vernunft ausfliegend und abweichend.

5.15. Denn die Sinne sind der Blitz (des Bewußtseins) aus dem Feuergeist und führen im Licht die Flammen der Majestät. Und in der Finsternis führen sie den Blitz des Schreckens, als einen grimmigen Blitz vom Feuer.

5.16. Die Sinne sind ein so subtiler Geist, daß sie in alle Wesen eingehen und alle Wesen in sich einladen. Aber die Vernunft probiert alles in ihrem Feuer, verwirft das Böse und behält das Gute. Und dann nimmt es die Magie in ihre Mutter und bringt es in ein Wesen.

5.17. Magie ist die Mutter zur Natur, und die Vernunft ist die Mutter aus der Natur. Die Magie führt in ein grimmiges Feuer, und die Vernunft führt ihre eigene Mutter als die Magie aus dem grimmigen Feuer in ihr eigenes Feuer.

5.18. Denn die Vernunft ist das Kraftfeuer, und die Magie das Brennende, und ist doch nicht als ein Feuer zu verstehen, sondern die Macht oder Mutter zum Feuer. Das Feuer heißt Prinzip, und die Magie Begierde.

5.19. Durch Magie wird alles vollbracht, Gutes und Böses. Ihre eigene Wirkung ist wie Zauberei (Nigromantia), aber teilt sich in alle Eigenschaften aus. Im Guten ist sie gut, und im Bösen ist sie böse. Den Kindern Gottes dient sie zu Gottes Reich, und den Zauberern zum Reich des Teufels. Denn die Vernunft kann aus ihr machen, was sie will, denn sie ist ohne Vernunft und begreift doch alles, weil sie der Begriff aller Dinge ist.

5.20. Man kann ihre Tiefe nicht aussprechen, denn sie ist seit Ewigkeit ein Grund und Halter aller Dinge. Sie ist ein Meister der Philosophie und auch eine Mutter derselben.

5.21. Aber die Philosophie wird von der Magie als ihre Mutter nach ihrem Gefallen geführt. Gleichwie die göttliche Kraft als das Wort (oder Herz Gottes) den strengen Vater in die Sanftmut führt, so führt auch die Philosophie (als die „Liebe zur Weisheit“ oder Vernunft) ihre Mutter in eine sanfte göttliche Qualität.

5.22. Magie ist auch das Buch aller Schüler: Alles, was lernen will, muß erst in der Magie lernen, sei es eine hohe oder niedere Kunst. Sogar der Bauer auf dem Acker muß in die magische Schule gehen, will er seinen Acker bestellen.

5.23. Magie ist auch die beste Theologie, denn in ihr wird der wahre Glaube gegründet und gefunden. Und der ist ein Narr, der sie beschimpft, denn er kennt sie nicht und lästert Gott und sich selber, und ist mehr ein Gaukler, als ein verständiger Theologe.

5.24. Gleich einem, der vor einem Spiegel fechtet und nicht weiß, was der Kampf ist, denn er kämpft nur äußerlich. So sieht auch der ungerechte Theologe die Magie durch einen Spiegelglanz an und versteht nichts von ihrer Kraft. Denn sie ist göttlich, und er ungöttlich und wohl auch teuflisch, nach der Eigenschaft von jedem Prinzip. In Summe: Magie ist das Tun (bzw. Wirken) im Willen-Geist.

6. Vom Mysterium, und was es sei

6.1. Das Mysterium ist nichts anderes als der magische Wille, der noch in der Begierde steckt und sich im Spiegel der Weisheit bilden kann, wie er will. Und wie er sich in der Tinktur (im „Urmeer“ oder „Meer der Ursachen“) bildet, so wird er in der Magie ergriffen und in ein Wesen gebracht.

6.2. Denn das Mysterium Magnum (das große bzw. ganzheitliche Geheimnis) ist nichts als die Verborgenheit der Gottheit mit dem Wesen aller Wesen, daraus jeweils ein Mysterium nach dem anderen kommt. Und jedes Mysterium ist des anderen Spiegel und Vorbild, und das ist das große Wunder der Ewigkeit, darin alles eingeschlossen ist und seit Ewigkeit im Spiegel der Weisheit gesehen wurde. Und so geschieht nichts, das nicht seit Ewigkeit im Spiegel der Weisheit erkannt worden wäre.

6.3. Ihr müßt es aber nach den Eigenschaften des Spiegels verstehen, nach allen Gestaltungen der Natur sowie nach Licht und Finsternis, nach der Begreiflichkeit und Unbegreiflichkeit, nach Liebe und Zorn oder nach Feuer und Licht, wie an anderen Stellen erklärt wurde.

6.4. Der Magier hat in diesem Mysterium die Macht, nach seinem Willen zu handeln, und kann machen, was er will.

6.5. Aber er muß in diesem Wesen gewappnet sein, darin er etwas machen will, oder wird als ein Fremdling ausgestoßen und den Geistern desselben in ihre Gewalt gegeben, um mit ihm nach ihrer Begierde zu verfahren, darüber hier wegen der Verwirrung nichts mehr zu erklären ist.

E N D E


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