Von sechs theosophischen Punkten

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

9. Kapitel - Der sechste Punkt

Der sechste Punkt (der sechs theosophischen Punkte)

Vom Leben der Finsternis, in dem die Teufel wohnen, und was das für eine Geburt und Qual hat.

9.1. Das Leben der Finsternis ist allem Leben des Lichtes zuwider, denn die Finsternis gibt grimmige und feindliche Essenz, aber das Leben des Lichtes gibt Liebe-Essenz.

9.2. In der Finsternis ist in der Essenz nur ein ständiges Stechen und Brechen, weil eine jede Gestaltung der Essenz die andere anfeindet, wie ein widerwärtiges (gegensätzlich-feindliches) Wesen. Eine jede Gestalt verleugnet (bzw. betrügt) sich selber, und jeweils eine sagt zur anderen, sie sei böse und ihr widerwärtig, sie sei eine Ursache ihrer Unruhe und Grimmigkeit. Eine jede denkt in sich: „Wäre nur die andere Gestalt nicht, dann hättest du Ruhe!“ Dabei ist doch eine jede bösartig und falsch. Daher kommt es, daß alles, was aus der finsteren grimmigen Eigenschaft geboren wird, lügenhaft ist und immer die anderen Gestalten anlügt, daß sie bösartig sind. Dabei ist sie doch selber eine Ursache dafür, denn mit ihrer giftigen Infizierung macht sie die anderen böse.

9.3. So sind sie alle, und Lügen ist ihre Wahrheit. Wenn sie Lügen reden, dann reden sie von ihren eigenen Gestaltungen und Eigenschaften, und entsprechend sind auch ihre Kreaturen. Darum sagte Christus: »Der Teufel ist ein Lügner und Mörder von Anfang an. (Joh. 8.44)« Denn eine jede Gestalt begehrt die andere zu ermorden, und es ist doch kein Morden, sondern je größer der Streit ist, desto größer wird ihr Mord-Leben.

9.4. Darum wird es „ein ewiger Tod und Feindschaft“ genannt, weil nur Widerwärtigkeit entsteht. Denn es gibt nichts, das den Streit aufheben könnte, weil es nichts gibt, was eine (in sich selbst) einige Gestaltung bändigen könnte. Je mehr abgewehrt würde, je größer würde die Grimmigkeit. Gleich einem Feuer, das man schürt, so daß es nur noch mehr brennt.

9.5. So kann das grimmige Reich durch nichts gelöscht werden, als nur vom Licht Gottes. Davon wird es ganz sanft, lieblich und freudenreich. Doch das kann auch nicht sein, denn wenn das finstere Reich mit dem Licht entzündet (und erleuchtet) werden könnte, dann hätte das Licht keine Wurzel zu seiner Natur und Eigenschaft. So könnte kein Feuer geboren werden, und so wäre auch kein Licht, auch keine Allmacht, sondern alles ein Nichts.

9.6. Darum muß das grimmige Reich sein, denn es ist eine Ursache der Feuer- und Lichtwelt, und so ist alles göttlich. Aber es wird nicht alles als göttlich erkannt oder benannt, weil die finstere Welt eine andere Eigenschaft hat. Entsprechend ist auch die Lichtwelt eine Ursache des Grimms und Schreckens der finsteren Eigenschaft, denn die Finsternis erschrickt vor dem Licht und steht im ewigen Schreck, allein darum, weil die Lichtwelt in ihr wohnt. Deshalb erzittert sie ewig vor dem Licht und kann es doch nicht fangen, sondern ist damit nur eine Ursache des Lebens und der Beweglichkeit. Und so muß alles zu Gottes Herrlichkeit dienen.

9.7. Das Leben der Finsternis hat vielerlei Gestalten und ist nicht von einerlei Eigenschaft, wie wir solches auch an den Kreaturen dieser Welt erkennen, wo eine jeweils bösartiger als die andere ist, auch in anderer Qual-Qualität steht als die andere, welche aber immer noch alle in der Sonne Kraft und Licht leben, dadurch sie besänftigt werden.

9.8. Sollte aber diese erlöschen, dann würde die Tiefe (des Luftraums) grimmig und stachlig, und dann würde man bald die Eigenschaft der finsteren Welt sehen, weil alle Kreaturen so giftig und bösartig werden würden.

9.9. Denn alles Leben steht im Gift, und das Licht allein widersteht dem Gift, und ist doch auch eine Ursache, daß das Gift lebt und nicht verschmachtet (bzw. vergeht).

9.10. Darum ist uns zu erkennen, daß das Leben der Finsternis nur ein verschmachtendes Gift ist, gleich einer sterbenden Qual, und es ist doch kein Sterben da, denn die Lichtwelt tritt dem Spiegel der Finsternis entgegen, davon die Finsternis ewig im Schreck steht.

9.11. Das finstere Leben gleicht einem Schreck, weil der Blitz mit dem Schreck immer aufsteigt, als wollte er vom Leben entweichen und darüber hinausfahren, und daher kommt der überhebliche Stolz, so daß der Teufel immer über Gott sein will. Das ist seine Eigenschaft, und so ist die Bildung seines Lebens, und er kann nicht anders handeln. Gleichwie ein Gift wütet und sticht, als wollte es aus dem Glied (des ganzen Körpers) ausreißen.

9.12. So besteht das Leben der Finsternis in sich selbst. Die giftigen Essenzen machen ein solches Gemüt, und aus dem Gemüt kommt ein solcher Willen-Geist. Darin ist eine solche Eigenschaft, die vor allem in sieben Gestaltungen nach dem Zentrum der Natur mit seinem Prinzip steht. Und wie das Leben der Freude in sieben Gestaltungen nach der Natur im Rechten steht, so auch das Leben der Traurigkeit: Denn was im Licht Freude gibt, das gibt in der Finsternis Traurigkeit.

9.13. Doch man sollte auch nicht denken, daß das Leben der Finsternis so in ein Elend versinkt, daß es sich vergessen würde, als trauerte es. Es ist kein Trauern, sondern was bei uns auf Erden nach dieser Eigenschaft Trauern ist, das ist in der Finsternis Macht und Freude, nämlich nach der Eigenschaft der Finsternis. Denn die Traurigkeit ist etwas, das im Tod versinkt. Nun ist aber der Tod und das Sterben für die Finsternis das Leben, gleichwie die Angst das Leben des Giftes ist, und je größer die Angst im Gift wird, je stärker wird das Gift-Leben, wie solches am äußerlichen Gift-Leben zu ersinnen ist.

9.14. So können wir vom Teufel nicht sagen, daß er in Traurigkeit säße, als verzage er. Es ist kein Verzagen in ihm, sondern ein stetiger Wille, die Gift-Qual immer mehr anzuzünden, damit sein Grimm immer größer werde, denn das ist seine Stärke, woraus er seinen Willen schöpft, um über die Throne zu fahren und sie anzuzünden. Er will in der Gift-Qual ein mächtiger Herr sein, denn sie ist sein starkes und großes Leben. Dagegen ist ihm das Licht ein Elend und Verzagen, das ihm die Pracht legt (bzw. vermindert), so daß er davor erschrickt, denn das ist sein wirkliches Gift, das ihn quält. Weil er das Licht verlassen hat, darum steht es ihm nun entgegen, und dessen schämt er sich sehr, daß er so ein mißgestalteter Engel in fremder Bildung ist. Er wäre wohl mit der grimmigen Qual-Qualität zufrieden, wäre ihm nur das Licht nicht so nah. Darum ist die Schande in ihm so groß, daß er sich entschließt, seinen giftigen Qual-Quell immer mehr zu entzünden, damit seine Bildung immer greulicher wird und niemals die göttliche Bildung an ihm erkannt werde. Darum trachtet er nur danach, wie er gegen Gott wüten und toben kann, als wäre er etwas Fremdes oder eine fremde Macht, als hätte er ein fremdes Reich, obwohl er doch ganz arm und nicht einmal das finstere Reich sein ist, sondern er ist nur ein Gefangener darin. Es ist Gottes Abgrund, und er ist hier nur eine Kreatur. Aber darin will er Herr sein, und ist doch nur ein Gaukler mit der Grimmigkeit, obwohl er handeln muß, wie die Eigenschaft der Qualität wirkt, und auch ein Wunder vor der strengen Macht der Ewigkeit ist. Es ist wie ein Spiel, mit dem die strenge Macht ihr Hervorbringen hat, damit unterschieden werde, was Böse oder Gut, Freude oder Leid sei, und daß die Kreaturen in der Lichtwelt Ursache haben, sich zu demütigen. Obwohl Gott keinen Teufel geschaffen hat, auch nicht den Luzifer zur finsteren Welt. Es geschah nur durch die Feindschaft von Luzifer, daß er ein Engel gewesen und ihm das Licht so nahe war, aber er ein Abtrünniger geworden ist.

9.15. Ansonsten ist kein Leid in den Kreaturen, die in der finsteren Welt geschaffen worden sind, denn sie bestehen aus der grimmigen Eigenschaft und wissen nichts vom Licht. Die Grimmigkeit ist ihre Stärke und Macht, und Feindlichkeit ist ihr Wollen und Leben. Je böser und feindlicher eine Kreatur in der finsteren Welt ist, desto größer ist ihre Macht. Gleichwie die mächtigen Tyrannen dieser Welt ihre Macht oft in Bosheit sehen lassen, damit man sie fürchten muß, oder wie sich die zahmen Tiere vor den bösartigen und grimmigen fürchten, so besteht auch die Eigenschaft in der finsteren Welt.

9.16. Wenn wir diese Eigenschaft der finsteren Welt richtig betrachten wollen, dann sehen wir nur die Bosheit und den überheblichen Stolz dieser Welt. Und das ist wirklich ein Abbild, denn Bosheit, Falschheit, Stolz und Geiz haben alle ihre Wurzel in der finsteren Welt. Das ist die Eigenschaft der finsteren Welt, ob sie nun im Menschen oder in den Tieren erkannt wird.

9.17. Denn diese Welt steht auf dem Grund der finsteren Welt, und die finstere Welt gibt dieser Welt Essenz, Willen und Eigenschaft. Und wäre nicht das Gute mit hineingeschaffen, dann wäre kein anderes Tun oder Wollen in dieser Welt als in der finsteren Welt. Aber die göttliche Kraft und das Licht der Sonne verhindern das, wie unter den Menschen und Tieren zu sehen ist, wo ein Beißen, Feinden, Schlagen und stolzer Eigenwille ist, weil ein jedes über das andere herrschen will und versucht, das andere zu erwürgen und zu fressen, um sich selber zu erheben, und alles andere mit List, Grimm, Bosheit und Falschheit unterzutreten, um sich allein zum Herrn zu machen.

9.18. So hat auch die finstere Welt ihre Eigenschaft. Was alle boshaften Menschen in dieser Welt in ihrer Bosheit und Falschheit tun, das tun auch die Teufel in der finsteren Welt, und was die giftigen Würmer und Tiere in ihrer Bosheit tun, das tun auch die anderen Kreaturen in der finsteren Welt. Obwohl sie dort ohne einen Leib sind, so haben sie doch solche Eigenschaft in ihrem geistigen Leib, den sie auch besitzen, aber nach der Art des Geistes, wie die Teufel ihn haben.

9.19. Der finsteren Welt Geburt, Wesen, Essenz und Regiment stehen vor allem nur in den ersten vier Gestaltungen der Natur, und zwar in der Angstqual in einem sehr starken und mächtigen Regiment, weil in der Essenz alles wie lautbar (laut lärmend) ist. Denn die grimmige Macht ist hier ein Feind der Sanftmut, und so streitet jedes gegen das andere.

9.20. Denn sonst, wenn nur eines sein würde, dann müßte auch nur einerlei Qual-Qualität sein, und so wäre auch nur einerlei Wille und die ewigen Wunder könnten nicht offenbar werden. Aber die mancherlei Qual-Qualitäten machen die ewigen Wunder offenbar. Denn die Ewigkeit könnte nicht anders offenbar werden und zu einem (greifbaren) Wesen kommen, als durch die Entzündung, wie im strengen und herben Anziehen, darin die finstere Welt besteht und darin die Feuerwelt entsteht, sowie auch die Lichtwelt. Es ist alles nur ein einziges Wesen, aber unterscheidet sich selbst in drei Eigenschaften der Qual-Qualitäten. Dabei ist keine Eigenschaft von der anderen abgetrennt, sondern eine jede gibt die andere, wie am Feuer und Licht sowie an der Substanz zu sehen ist, durch die das Feuer brennt.

9.21. Und so ist dem Menschen nicht Not, noch tiefer zu forschen, denn er ist selbst das Wesen aller Wesen. Allein darum ist ihm Not zu forschen, wie er wieder in seine ewige Ordnung und Qualität eingehen und sich wieder gebären könne, weil er sich in seiner Schöpfung aus seiner innerlich bestehenden Ordnung abgewandt und eine andere Qual-Qualität in sich hineingeführt und erweckt hat. Und auch, wie er die grimmige Qual, die an ihm rege wurde, wieder löschen könne, weil nun alles in ihm rege ist und ihn zieht, sowohl Böses als auch Gutes. So soll er lernen, wie er dem Grimm widerstehen und im Qual-Quell des Lichtes und der Liebe in Sanftmut wandeln (bzw. leben) kann.

9.22. Sonst hat der Mensch kein Gesetz, wenn er sich nicht in der Eigenschaft der finsteren Welt entzündet und nach dieser Eigenschaft wandelt, denn sonst wäre ihm alles frei. Was immer er in der Sanftmut und Liebe tut, das ist ihm frei, und es ist sein eigenes Wesen, das an niemandes Namen oder Wähnen liegt (bzw. gebunden ist).

9.23. Denn alles, was aus einer Wurzel gewachsen ist, das ist und gehört zu dem Baum und ist einerlei Frucht, es sei denn, daß er ich selber verdirbt und diese Essenz verwandelt.

9.24. Solange ein Ding in der Essenz bleibt, aus der es entstanden ist, solange hat es kein Gesetz. Wenn es aber daraus in eine andere Qual-Qualität entweicht, dann hängt ihm die erste Qual-Qualität an und liegt mit der anderen im Streit. Dadurch wird es vom Gesetz verfolgt, daß es wieder in das eingehe, was es im Ursprung war, und wieder Eins sei, nicht Zwei. Denn ein Ding soll nur ein Regiment führen, und nicht zwei. Der Mensch war in das Regiment der Liebe und Sanftmut in Gottes Wesen geschaffen, und darin sollte er bleiben.

9.25. Weil er sich aber noch ein (zweites) Regiment erweckt hat, nämlich den Grimm, so steht er jetzt im Streit und hat Gesetze, damit er den Grimm töte und verlasse und wieder in einem Regiment sei. Denn wenn beide Regimente in ihm mächtig geworden sind und die Liebe vom grimmigen Regiment überwältigt wurde, dann muß er im Wesen ganz zerbrechen und wieder aus der ersten Wurzel neugeboren werden. Darum hat er in diesem zweifachen Wesen Gesetze, wie er sich gebärden und einen Willen-Geist zum ewigen Regiment gebären soll.

9.26. Dies alles steht nun in seiner Macht, und er kann den Grimm-Geist gebären oder den Liebe-Geist, und entsprechend wird entschieden, wohin und in welche Welt er gehört. Denn damit entscheidet er sich selber.

9.27. Und das Gesetz über ihn währt solange er in diesem Lebensacker steht. Erst wenn sich das Unkraut von diesem Acker des Leibes scheidet, dann ist er wieder in einem Regiment, und da soll er ewig bleiben. Denn danach ist nichts mehr, was ihm ein Gesetz gibt, denn alles ist ganz einig in seinem Willen, entweder Böses oder Gutes zu tun.

9.28. Aber in diesem äußeren Leben steht der Mensch im Streit, denn es ruhen zwei Regimenter in ihm, und auch zweierlei Qual und Gesetze. 1.) Das göttliche, zur Liebe und Gerechtigkeit. 2.) Das grimmige, im Aufsteigen des überheblichen Stolzes in der Macht des Feuers im strengen, herben und höllischen Geiz, Neid, Zorn und Bosheit. Und in welches sich der Geist hineineignet, in diesem Regiment ist er. Das andere hängt ihm an und schilt ihn unter den Augen als einen Meineidigen und Abtrünnigen, zieht ihn aber doch und will ihn haben. So steckt das Leben zwischen beiden in der Presse und ist mit sich selber uneinig.

9.29. Wenn es sich aber verläuft und dem Grimm ganz anheimgibt, dann zerstört der Grimm die erste Bildung nach Gott. Das vermag er aber nicht gänzlich, weil ihm das die göttliche Kraft verwehrt. Deshalb will der Grimm den ganzen Menschen stürzen, und so wird mancher Mensch durch diese Angst in Verzweiflung gestürzt, so daß er sich selber den Tod antut.

9.30. Dadurch fällt die Seele mit ihrer Bildung der grimmigen und finsteren Welt anheim, und so wird die Bildung in eine höllische Bildung gebracht, in eine Gestaltung seiner hier besessenen Eigenschaft. Denn so ist es auch den Teufeln ergangen, welche ihre erste Bildung verloren haben.

9.31. Entsprechend hat nun ein jeder Teufel eine Bildung nach seiner Eigenschaft, nach der Bildung des Grimms und nach seiner Qual, wie da schreckliche Würmer oder andere bösartige Tiere werden, und solches hat auch die verlorene Seele zu erwarten.

9.32. Der äußere Verstand meint zwar, die Hölle sei fern von uns, aber sie ist uns nah, und ein jeder trägt sie in sich. Es sei denn, daß er das höllische Gift mit Gottes Kraft tötet und wie ein neuer Zweig daraus ausgrünt, den die höllische Qual nicht ergreifen oder bewegen kann.

9.33. Und obwohl es so ist, daß der Hölle Grimm an einem Ort mehr erkannt wird als am anderen, so geht doch alles nach dem höllischen Regiment, wobei nur das Oberregiment an unterschiedlichen Orten im Reich dieser Welt unterschiedlich mächtig ist. Alles nach der ersten Anzündung des Königs Luzifer, wie an manchen Orten der Erde sowie in der Tiefe (des Luftraums) zwischen den Sternen und der Erde die höllische Eigenschaft vor anderen Orten gespürt wird, wo der innerliche Grimm bis ins äußere Prinzip reicht, wo dann unterschiedliche Regimenter der Teufel und auch sonstige höllische Eigenschaften sind, und wo sich der Grimm Gottes so heftig entzündet hat und nun bis zum Gericht Gottes brennt.

9.34. So trägt ein jeder Mensch in dieser Welt Himmel und Hölle in sich, und welche Eigenschaft er erweckt, diese brennt in ihm und dessen Feuer ist die Seele fähig. Und wenn der Leib abstirbt, dann darf die Seele nirgendwo hinfahren, sondern wird dem höllischen Regiment unterworfen, dessen Eigenschaft sie ist. Dieselben Teufel, die ihrer Eigenschaft entsprechen, warten auf sie und nehmen sie in ihr Regiment bis zum Gericht Gottes. Und obwohl sie an keinen Ort gebunden ist, gehört sie doch in das entsprechende Regiment, und diese Qual hat sie überall, und wo sie dann immer hinfährt, so ist sie im selbigen Regiment und Qual. Denn der Abgrund hat keine Stätte, weder Zeit noch Raum. Wie es vor den Zeiten der Welt war, als keine Stätte war, so ist und bleibt es ewig im Abgrund.

9.35. Und obwohl das Reich dieser Welt dem Luzifer zum Königreich gegeben wurde, weil er darin geschaffen war, so ist er doch nun von Ort und Stätte ausgestoßen worden und wohnt im Abgrund, wo er ewig keinen Ort der englischen Reiche erlangen kann. So ist er in seinem Reich im Abgrund eingeschlossen, wo er nun als ein Gefangener ewigen Spott ertragen muß, in gleicher Weise, wie man einen Übeltäter behandelt, den man von allen Wesen dieser Welt getrennt in ein finsteres Loch sperrt, wo er alle Freude und Wollust dieser Welt entbehren und den Spott seines Verbrechens ertragen muß.

9.36. Entsprechend geht es auch den Teufeln und allen verdammten Seelen, die im finsteren Kerker gefangenliegen, und sie begehren auch nicht heraus, wegen des großen Spotts ihrer greulichen Gestalt und Bildung. Und wo sie dann immer auch hinfahren, so genießen sie doch ewig kein Gutes, denn das ist bei ihnen keine Erquickung, sondern sie liegen in der Hölle wie die Toten oder wie ewig Verhungerte, Verschmachtete und Verdurstete, und sind nur eine bösartige Gift-Qual, denn alles ist ihnen widerwärtig. Und sie haben nur einen Durst nach Angst und Bosheit, denn das fressen sie ewig in sich und gebären Gotteslästerung über sich selber (zum Gericht). Je greulicher sie ihre Bildung machen können, desto lieber ist das ihnen, in gleicher Weise wie die Narrenmenschen, die auf Erden immer gern die größten Narren sein wollen, sich scheußlich darstellen und ihre Freude daran haben. Entsprechend wirken sie auch ewig in der Hölle, denn dazu fangen sie das Spiel hier auf Erden an. Gleichwie der Tyrann seine Freude daran hat, wenn er die Menschen quälen kann und deren Arbeitsschweiß in närrischer seltsamer Kleidung und Gebärde verpraßt und sich närrisch darstellt, so wirken auch die Teufel in der Hölle. Und so ist die Üppigkeit dieser Welt in seltsamer Tracht ein rechtes (wirkliches) Abbild der höllischen Welt.

9.37. All die seltsamen Kleider und Frisuren, die sich der überheblich stolze Mensch ausdenkt und damit seinen närrischen Menschen bekleidet, weil er von den wahren Kindern Gottes unterschieden sein will, das sind Abbilder der höllischen Welt. Denn all sein Schmücken, Glänzen und Prangen, mit denen er sich der Demut entzieht, ist alles ein höllischer Spiegel. Denn der überhebliche Stolz des Teufels will niemandem gleich sein, und so unterscheidet er sich in dieser Welt (und will immer etwas Besonderes sein). Aber der blinde Mensch versteht das nicht, wie ihn der Teufel narrt und betrügt und nur, um Gott zu spotten, seine überheblich stolze Larve vorbildet, so daß der arme Mensch handelt, wie er handelt, und doch glaubt, er sei damit schön und besser als andere Menschen, obwohl wir doch alle aus einem Leib und Geist entstehen und herkommen. Doch vor Gott und seinen Engeln wird er damit nur als eine Teufelslarve erkannt und ist vor dem Himmel ein Greuel. Gleichwie ein Narr gegen die Weisheit nur ein Greuel ist, so ist auch der lügenhafte überhebliche Stolz ein Greuel vor Gott und seinen Engeln, vor der edlen Bildung. Doch noch hängt ihm die Welt an, und damit verdeutlicht er das verdorbene Bild der Irdischkeit.

9.38. Denn wer einen überheblich stolzen Menschen sieht, der sieht den schweren Fall von Adam und ein Abbild der höllischen Welt, einen halben Teufel und halben Menschen, zu dem der Teufel einen stetigen Zutritt hat. Denn er ist dessen Knecht in dieser Welt, weil der Teufel sein Werk mit ihm treibt. Aber das erkennt der arme Mensch nicht und begibt sich so in den Dienst des Teufels zu seinem ewigen Spott. Er meint, damit sei er schön und ansehnlich, aber ist damit nur wie ein Narr vor Gott, der fremde Kleidung trägt und tierische Gestalt annimmt.


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