Von sechs theosophischen Punkten

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

5. Kapitel - Der vierte Punkt

Der vierte Punkt (der sechs theosophischen Punkte)

Wie der heilige und gute Baum des ewigen Lebens aus allen Gewächsen der drei Prinzipien aus und durchwachse, aber von keinem ergriffen werden kann.

5.1. Ein Ding, das in sich selbst wohnt, kann von nichts erfaßt werden, denn es wohnt im Nichts. Es ist nichts vor ihm, das es ergreifen kann, und ist auch von dem frei, was außerhalb von ihm ist.

5.2. So geben wir euch von der göttlichen Kraft und ihrem Licht zu verstehen, denn diese wohnt in sich selbst, ist in nichts eingefaßt, und nichts berührt sie, außer deren Eigenschaft. Sie ist überall in der Natur, doch berührt sie die Natur nicht (das heißt, die äußere Natur der Welt). Sie scheint darin wie die Sonne in den Elementen, denn die Sonne scheint in das Wasser, in das Feuer und auch durch die Luft und wird doch von keinem ergriffen noch gehalten. Sie gibt allen Wesen Kraft und macht die essentiellen Geister lieblich und freudenreich. Sie zieht mit ihrer Kraft die Essenz aus der Erde, und nicht allein die Essenz, sondern auch das Wesen der Essenzen, das aus der Essenz einen Leib ergibt.

5.3. Was nun die Sonne im dritten Prinzip bewirkt, in dem sie alle feindliche Essenz und Qual in Sanftmut verwandelt, das bewirkt Gottes Licht in den Gestaltungen der ewigen Natur.

5.4. Es scheint in die Gestalten und auch aus den Gestalten, das heißt, es zündet die Gestaltungen der Natur an, so daß sie alle des Lichtes Willen bekommen, und sich dem Licht aneignen und sich ihm ganz ergeben. Das heißt, sie entsinken ihrer eigenen Essenz und ihres Werdens als hätten sie keine Macht mehr in sich, und begehren allein des Lichtes Kraft und Macht. So nimmt das Licht ihre Kraft und Macht in sich, und scheint aus derselben Kraft. Damit kommen alle Gestaltungen der Natur zum Licht, und das Licht ist mit der Natur ein Wille, und das Licht bleibt Herr.

5.5. Denn wenn die Willen in den strengen Gestaltungen der Natur Herr sein wollen, dann ist eine Trennung und eine ewige Feindschaft, denn eine Gestaltung feindet immer die andere an, eine jede erhebt sich, und davon kommt die Widerwärtigkeit (bzw. Gegensätzlichkeit), daß eine Kreatur so böse, zornig und feindlich wird, daß oft das Leben in sich selber streitig ist.

5.6. Und wie wir nun erkennen, daß das Licht dem strengen Leben der Natur und den Eigenschaften der Essenzen zu Hilfe kommt, damit ein fröhliches Leben entsteht und es sich entsprechend im Licht verändert, so erkennen wir auch, daß das Leben der finsteren Grimmigkeit ein Feind des Lichtes ist, denn es kann das Licht nicht fangen. Das ewige Licht scheint durch die Finsternis, und die Finsternis kann es nicht ergreifen, denn die Vielfalt der Willen in der finsteren Natur sind alle im Tod eingeschlossen, das Licht scheint nicht in ihnen, sondern durch sie hindurch, und sie können das Licht weder sehen noch begreifen. So verstehen und erkennen wir, daß zwar das Licht in der finsteren Welt ist, aber es erfüllt die Finsternis nicht, und darum bleiben die Essenzen der finsteren Welt ein feindliches Gift und ein Tod, weil sich die Essenzen innerlich selber anfeinden.

5.7. Und so sind drei Prinzipien ineinander, und keines begreift das andere. Und so kann das ewige Licht von nichts ergriffen werden, es falle denn in den Tod und gebe seine eigene Essenz freiwillig dem Feuer der Natur, und gehe mit seinem essentiellen Willen aus sich selber heraus in das Licht und gebe sich dem Licht ganz hin und begehre nichts zu wollen oder zu tun, sondern ergebe seinen Willen dem Licht, so daß das Licht sein Wollen sei.

5.8. Dann fängt ihn das Licht, und er auch das Licht. Und so ist der bösartige Wille dem Licht ergeben, und das Licht gibt seine Kraft in die Bosheit und macht aus der Bosheit einen freundlichen guten Willen, der nur ein Liebe-Begehren ist, denn die Sanftmut des Lichtes hat sich dem feindlichen Willen ganz einverleibt.

5.9. So geschieht jetzt Gottes Wille, und das Böse wird ins Gute verwandelt, Gottes Liebe scheint aus seinem Zorn und Grimm, und in Gottes ewiger Natur wird kein Grimm mehr erkannt. So können wir nun verstehen, wie das ewige Licht als der ewige Kraftbaum durch alle drei Prinzipien scheint, ohne davon ergriffen zu werden. Denn so lange ein Wesen außerhalb von Gottes Willen ist (d.h. dem sanften Lichtwillen), solange ist es eigen, wohnt in sich selber und begreift nichts von Gott. Wenn es sich aber in Gott hineineignet und seinen eigenen Willen zerbricht und fallenläßt, dann ist es ein Geist in und mit Gott, und Gott scheint aus diesem Wesen.

5.10. Und so verstehen wir auch, warum die boshafte Seele wie auch der Teufel Gott nicht sieht und erkennt, weil sich ihr Wille nicht in Gott hineineignen will, denn er will selber Herr sein. So bleibt er außerhalb von Gott, nur in sich selber, und Gott bleibt auch in sich selber, und so wohnt eines im anderen, aber weiß nichts vom anderen, denn eines kehrt dem anderen den Rücken zu und sieht nicht des anderen Angesicht.

5.11. So weiß die Lichtwelt nichts von den Teufeln, und die Teufel wissen nichts von der Lichtwelt, als nur dies, daß sie einmal darin gewesen waren. Das bilden sie sich noch ein, wie einer, der in der Imagination steht, obwohl sich doch die Lichtwelt nicht mehr in ihre Imagination hinein ergibt, und sie auch nicht danach imaginieren, denn es erschreckt sie und sie schämen sich auch davor.

5.12. So ist uns auch von der äußeren Welt zu verstehen, daß Gottes Licht durch und durch scheint, aber nur von dem ergriffen wird, was sich da hinein eignet. Deshalb ist diese äußere Welt an Gott wie stumm und ohne Verstand, und so bleibt sie in ihrem eigenen Willen und führt ihren eigenen Geist in sich, obwohl ihr Gott einen Naturgott gegeben hat, nämlich die Sonne, in die alle Wesen, die in dieser Welt sind, ihren Willen und ihre Begierde werfen sollen. Und wer das nicht tut, der bleibt in sich selber eine große Bosheit und ist seine eigene Feindschaft.

5.13. Und darum wird diese Welt als ein eigenes Prinzip erkannt, weil sie einen eigenen Naturgott hat. Auf diese Weise kann man es vergleichen, nämlich wie die Sonne, und doch scheint in Wahrheit das Licht der Gottheit durch alles durch und durch. Denn das Licht der Sonne nimmt die Essenz vom Feuer Gottes, und das Feuer Gottes vom Licht Gottes. Dann gibt das Licht der Sonne diese Kraft den Elementen, diese geben sie den Kreaturen wie auch den Gewächsen der Erde. Und alles was von guter Eigenschaft ist, empfängt auf diese Weise Gottes Kraft durch den Spiegel der Weisheit zu einem Anblick (bzw. Bewußtsein), davon es sein Wachsen und Leben hat.

5.14. Denn Gott steht allen Wesen gegenwärtig, aber nicht jedes Wesen empfängt ihn in seiner Essenz, sondern wie im Spiegel des Anblicks in der Sonne Kraft. Denn die Sonne rührt aus der achten Zahl her (jenseits der sieben natürlichen Gestaltungen). Ihre Wurzel, aus der sie ihren Schein empfängt, ist das ewige Feuer, aber ihr Körper steht in dieser Welt. Ihr Begehren ist ganz in diese Welt gerichtet, und darum scheint sie in dieser Welt, aber ihre erste Wurzel sieht in die erste Welt, in das Feuer Gottes. Diese Welt gibt ihrem Begehren ein Wesen, und sie gibt dem Wesen ihre Kraft, und erfüllt so alle Wesen dieser Welt, gleichwie Gottes Licht die göttliche Lichtwelt. Und wenn Gottes Feuer nicht mehr brennen würde, dann müßte die Sonne und auch die göttliche Lichtwelt erlöschen. Denn Gottes Feuer gibt diesen beiden ihre Essenz und ist ein Prinzip der beiden. Und wenn die finstere Welt nicht wäre, dann wären auch diese beiden nicht, denn die finstere Welt gibt die Ursache zu Gottes Feuer.

5.15. Also müssen auch die drei Welten ineinander sein, denn es kann nichts ohne Grund bestehen. So ist die finstere Welt der Grund der Natur, und der ewige unergründliche Wille, der „Vater“ heißt, ist der Grund der finsteren Welt, wie vorn erklärt wurde, und die Lichtwelt ist in der finsteren verborgen, und auch die finstere Welt in der Lichtwelt.

5.16. So kann man verstehen, daß diese Welt im Zorn Gottes wie im Tod eingeschlossen ist, denn der Zorn wirkt im Wesen dieser Welt. Wäre das nicht so, dann könnte wohl das Wesen dieser Welt Gottes Licht fangen.

5.17. Aber so empfängt diese Welt mit der Sonnenkraft nur einen Glanz von Gott. Denn die Sonne ist nicht Gottes Licht, denn sie scheint nicht ganz in göttlicher Essenz, sondern in elementarischer Essenz. Ihre Wurzel ist zwar das Feuer Gottes, aber sie wird vom Wesen dieser Welt erfüllt, denn sie ist begehrend wie eine magische Sucht und empfängt in ihrer Imagination und Sucht die Kraft der Sterne und Elemente, und aus dieser Kraft scheint sie auch.

5.18. Obwohl das Feuer Gottes ihre Wurzel ist, so gehört sie doch nicht zu Gottes Reich. Und damit versteht man auch, wie der Teufel die ärmste Kreatur ist. Denn er kann nicht ein Laubblättlein bewegen, wenn nicht der Zorn darin ist (bzw. wirkt), und dann bewegt er es nach der Eigenschaft des Zorns. Denn das Licht und die Kraft dieser Welt sind ihm zuwider, weil er mit seinem Willen nicht in die Eigenschaft des Lichtes gehen kann. So steht er in seiner Bildung und Eigenschaft mit dem Rücken zum Licht der Sonne. Darum ist ihm das Sonnenlicht nichts nütze, und alles was in der Kraft der Sonne wächst und sich der Sonne hinein eignet, das feindet er an, denn sein Wille geht nicht gern hinein.


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