Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

77. Kapitel - Weitere Erklärungen zum Testament Jakobs

Weitere Erklärung des Testaments Jakobs von den anderen acht Söhnen, wie beides, das jüdische Regiment oder Reich auf Erden und auch die Christenheit darunter vorgebildet sei, und wie es mit ihnen gehen würde. (1.Mose 49.13-33)

77.1. Bei den ersten drei Söhnen Jakobs wird in der Darstellung das Reich der verdorbenen Natur als der adamische Mensch vorgebildet, was er sei. Und bei Juda wird Christus vorgebildet, welcher kommen sollte, um den adamischen Menschen in sein Reich zu bringen. Aber bei den anderen acht Söhnen Jakobs wird nun die Darstellung der weltlichen Ämter und Stände vorgebildet, wie der adamische Mensch das Oberregiment führen würde, und wie auch immerzu die innere Bildung vom Reich Christi dabeistehen würde.

77.2. Denn hier wird in der äußeren Darstellung erstlich vorgebildet, wo ein jeder Stamm seine Wohnung haben und was sein Amt in Israel sein werde. Aber daneben steht immer auch die Bildung, wie der äußere und innere Mensch beieinanderstehen, wie das Reich der Natur und das Reich der Gnade beieinander wohnen und auch wie sich die sieben Eigenschaften der Natur im Zorn Gottes nach dem ersten Prinzip auswickeln und in die Bildung zu göttlicher Beschaulichkeit hineinführen werden. Darauf möge der Leser achthaben, denn wir wollen die innere und äußere Darstellung erklären.

V. Das Testament für Sebulon

77.3. »Sebulon wird am Gestade (bzw. Ufer) des Meeres wohnen, und am Gestade der Schiffe, und reichen bis Sidon.« Dies ist erstlich die äußere Darstellung, wo dieser Stamm im gelobten Land wohnen werde. Aber der Geist hat auch seine innere Bedeutung, auf die er sieht.

77.4. Denn Sebulon heißt in der Natursprache sinngemäß eine Lust, die zu Gott geht und bei dem Guten wohnt, und deutet hier an, wie der adamische Mensch nahe bei Gott wohnen würde, und wie er von der göttlichen Beiwohnung Lust und Erquickung haben werde. Denn Jakob zeugte Sebulon mit Lea, welche ihm sonst unwert war, weil sie einfältig und nicht so schön wie Rahel erschien. Aber diese Lea führte ihre Hoffnung zu Gott, daß er sie segnen wollte, damit sie fruchtbar würde und ihrem Mann Jakob Kinder gebäre.

77.5. Als sie nun Sebulon gebar, sprach sie: „Gott hat mich wohl beraten, das heißt, ich habe meine Begierde zu ihm gewandt und er hat sie mir erfüllt. Nun wohnt sein Wille bei meinem (damit nannte sie ihn „Beiwohnung“), das heißt, Gott wohnt bei mir, und nun wird auch mein Mann in Liebe bei mir wohnen.“ Und das deutet an, wie dennoch die Gnade Gottes in seinem Erbarmen bei den armen, adamischen, verdorbenen Fleischeskindern wohnen werde und sie in ihrem Elend nicht verläßt.

77.6. Mehr noch sieht es auf den Bund, daß die Kinder des Bundes in ihrer adamischen Natur auch nur eine nahe Beiwohnung in der Hoffnung sein werden, so daß der äußere Mensch das Reich Christi nicht ergreifen könne, sondern eine nahe Beiwohnung sein wird, wo Christus im inneren Grund wohnt, als in der geistigen Welt, und Adam in dieser Zeit, und doch eine Beiwohnung sein würde.

77.7. Denn wie der Geist mit Juda auf Christus im Fleisch gewiesen hat, so verweist er nun hier darauf, daß unser äußerer Mensch nicht Christus sein werde, sondern eine Beiwohnung Christi. Christus würde den inneren Grund besitzen, wie er auch sagt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.« Darum soll der äußere tödliche (bzw. sterbliche) Mensch nicht von sich sagen: „Ich bin Christus!“ Er ist eine Beiwohnung Christi, gleichwie die äußere Welt nur eine Beiwohnung des Reichs Christi ist. Denn Christus ist die innere geistige Welt, die in der äußeren sichtbaren Welt verborgen ist, wie der Tag in der Nacht verborgen ist, und doch eines beim anderen wohnt.

VI. Das Testament für Isaschar

77.8. »Isaschar wird ein knochiger Esel sein und sich zwischen den Grenzen lagern. Und er sah die Ruhe, daß sie gut ist, und das Land, daß es lieblich ist. Da hat er seine Schultern geneigt, um zu tragen, und ist ein fronpflichtiger Knecht geworden.« In diesem Testament für Isaschar deutet der Geist auch zuerst auf die äußere Darstellung dieses Stammes, wo sie wohnen sollten, nämlich mitten im Land in guter Ruhe, und werden doch fronpflichtig sein. Aber die mächtigere Darstellung sieht auf den innerlichen Grund, als auf die menschliche Natur.

77.9. Denn als Lea diesen Isaschar gebar, sprach sie: »Gott hat mich belohnt, weil ich meinem Mann meine Magd gegeben habe.“ Und sie nannte ihn Isaschar, als einen göttlichen Lohn oder eine Gegengabe. Denn sie hatte Rahel den Liebesapfel ihres Sohnes Ruben gegeben (siehe 1.Mose 30.14), so daß sie Jakob diese Nacht bei ihr schlafen ließ, davon sie mit diesem Sohn schwanger wurde, und so nannte sie ihn eine Gegengabe Gottes.

77.10. Aber der Geist sagt in dieser Darstellung: »Er wird ein knochiger Esel sein und sich zwischen den Grenzen lagern.« Welches äußerlich mit ihrer Wohnstätte wohl so war, aber in der inneren Bedeutung spricht er: Der Mensch, der von Gott erbeten ist, ist wohl eine Gabe und Lohn, aber seine adamische Natur ist doch ein knochiger Lastenesel, der den adamischen Sack trägt. Doch er wohnt mit seinem Gemüt zwischen den Grenzen, als zwischen dem Reich Gottes und dieser Welt. Sein Gemüt dringt in die Grenze Gottes, und der Leib wohnt in der Welt.

77.11. So muß das Gemüt wie ein knochiger dienstbarer Esel sein. Und wenn es auch in einer guten Ruhe und Wohnung an der Grenze Gottes sitzt, so muß es doch die Last der Sünden und des Todes im irdischen Sack tragen. Und es gibt kein Abkaufen mit dem Liebesapfel vor dem Tod des irdischen Menschen. Auch hilft kein Erbitten von Gott, daß dadurch der knochige Esel zur göttlichen Freiheit kommen könnte, denn er muß ein Esel bleiben, bis ihn Christus in sich selbst in die ewige Ruhe hineinführt. Der adamische Schaden ist zu groß, und der Esel muß den Sack im Tod Christi lassen, denn anders wird er ihn nicht los.

77.12. Er stellt aber auch die Ursachen dazu vor, warum er ein knochiger Esel bleiben muß, denn er spricht: »Er sah die Ruhe, daß sie gut ist, und das Land, daß es lieblich ist.« Das heißt, daß das Gemüt noch immerfort in der Fleischeslust ruhen wollen würde und begehren, die irdische Lust zu pflegen, weshalb das Gemüt ein dienstbarer Esel und Knecht von Gottes Zorn sein muß. Und er unterscheidet so den natürlichen adamischen Menschen vom Bundessamen, als von der Person Christi, daß der natürliche adamische Mensch in seiner angeborenen Natur nur dieser Esel mit dem Sack sei, bis Christus sein Reich in ihm besitzt. Da hilft weder Bund noch Bitten, Adam bleibt in dieser Welt ein Esel, bis der Sack weg ist. Dann heißt er ein neues Kind in Christus, welches neue Kind in dieser Zeit der innerlichste Grund ist. Aber der knochige Esel ist des neuen Kindes Werkzeug, mit dem der Sack getragen wird, denn die Dienstbarkeit des göttlichen Zorns währt so lange, wie der Sack vorhanden ist.

VII. Das Testament für Dan

77.13. »Dan wird Richter sein in seinem Volk wie nur irgendein Stamm in Israel. Dan wird eine Schlange werden auf dem Weg, und eine Otter auf dem Pfad, und das Pferd in die Fersen beißen, daß sein Reiter zurückfalle. Herr, ich warte auf dein Heil!« Dies ist eine gewaltige Darstellung von der äußerlichen Macht der menschlichen Ämter im Reich dieser Welt, und ist so mächtig vorgestellt, daß es schrecklich zu lesen ist, wenn man es recht ansieht, und steht doch vor Gott in eigener Darstellung so: Der Geist spricht: »Dan wird Richter sein in seinem Volk wie nur irgendein Stamm in Israel.« Die Bedeutung versteht so:

77.14. Dan steht als Bildung aller äußerlichen Amtsverwalter von höchster Macht bis zum Regiment des menschlichen eigenen Lebens. So spricht der Geist von ihm, er wird in eigener Macht wie ein besonderer Mensch unter den anderen Menschen sein, doch vor Gott wird er in seiner Natur nicht größer geachtet als ein Knecht, denn er dient Gott in seinem Amt, wie jeder andere Knecht seinem Herrn. Denn das Amt gehört Gott, darin er als ein Richter sitzt. Das Amt ist die Macht, und er selbst ist vor Gott wie jeder andere Mensch.

77.15. Aber der Geist spricht: »Dan wird eine Schlange werden auf dem Weg, und eine Otter auf dem Pfad.« Das heißt, diese Richter in Gottes Ämtern werden aus ihrer Macht ein Gift ziehen, nämlich den eigenen Willen, und von sich sagen: „Mein ist die Macht! Ich bin das Amt!“ Das heißt „auf dem Weg“, denn der Weg, den sie gehen sollen, ist Gottes, als die wahre Gerechtigkeit. Doch Dan spricht: „Land, Stadt, Dorf, Gut und Geld sind mein! Es ist mein eigen, und ich will es zu meinem Nutzen und eigener Ehre gebrauchen, um in diesem Amt zu leben, wie ich will.“

77.16. Und diese Ichheit ist die Schlange und giftige Otter auf dem Pfad, denn sie geht nur schädliche Schritte auf dem Pfad der Gerechtigkeit. Sie macht die Gerechtigkeit zur Meinheit, um das zu tun, was sie will. Sie spricht: „Ich bin Herr! Stadt, Land, Dorf und Gewalt sind mein. Ich kann mit den Leuten tun, was ich will, denn sie sind mein.“ Und so saugt er aus Gottes Richteramt nur Gift, quält dadurch die Armen und sticht mit diesem Gift auf dem Weg des Amtes um sich, wie eine Otter und Schlange.

77.17. Denn der Geist spricht: »Er wird dem Pferd in die Fersen beißen, daß sein Reiter zurückfalle.« Das heißt, er wird das Pferd als das Amt, auf dem er reitet, in die Ferse, als in die Gerechtigkeit beißen, so daß die Gerechtigkeit als der Reiter Gottes, den er führen soll, zurückfalle, und er selber als ein Reiter Gottes anstatt der Gerechtigkeit regieren könne. Darauf spricht der Reiter der Gerechtigkeit in seinem Amt: »Herr, ich warte auf dein Heil!« Das heißt, bis du den rechten Reiter Christus sendest, der wieder über diese Otter und Schlange reiten soll.

77.18. »Als Rahel dem Jakob kein Kind gebären konnte, entrüstete sie sich gegen Jakob und sprach zu ihm: „Schaffe mir Kinder! Wenn nicht, dann sterbe ich.“ Jakob aber wurde zornig auf Rahel und sprach: „Ich bin doch nicht Gott, der dir deines Leibes Frucht nicht geben will.“ Aber sie sprach: „Siehe, da ist meine Magd Bilha! Lege dich zu ihr, daß sie auf meinem Schoß gebäre und ich doch durch sie erbaut werde.“ Und so gab sie ihm Bilha, ihre Magd, zur Frau, und Jakob legte sich zu ihr. So wurde Bilha schwanger und gebar Jakob einen Sohn. Darauf sprach Rahel: „Gott hat meine Sache gerichtet, meine Stimme erhört und mir einen Sohn gegeben.“ Darum nannte sie ihn Dan. (1.Mose 30.2)«

77.19. Dies ist nun die gewaltige Darstellung im Testament Jakobs, als er von Dan so schrecklich weissagte, daß er eine Schlange werden würde. Und er deutet damit in Wirklichkeit den eigenen Willen des Menschen an, der sich von Gott nicht richten und führen lassen will und immerzu gegen Gott murrt, wie Rahel gegen Jakob murrte, weil es ihr nicht so ging, wie sie wollte, und Jakob drohte, er sollte ihr Kinder schaffen oder sie wollte sterben, darüber Jakob erzürnte.

77.20. So stellt nun der Geist diese Bildung mit Bilha dar, Rahels Magd, die sie Jakob zur Frau gab und diesen Dan gebar, der ein Richter und Schlichter des Zorns und Streits zwischen Jakob und Rahel sein sollte, weil der eigene Wille Rahels mit Gewalt Kinder haben wollte.

77.21. Und er stellt uns damit vor, daß das weltliche Richteramt von Gottes Magd, das heißt, vom Reich der Natur, seinen Ursprung habe, so daß Gott den Menschen unter kein Richteramt geschaffen habe. Sondern der eigene, murrende, widerspenstige Wille des Menschen, der Gott nicht gehorsam sein will und sich seinen Geist nicht richten und führen lassen will, der hat es verursacht, daß Dan, als die Macht zu richten, auf dem Schoß von Rahel als in der Freiheit der Natur geboren worden ist.

77.22. Darum fällt der Geist im Bund mit Jakob so ein strenges Urteil darüber und spricht: „Dieser Dan, das heißt, dieses Richteramt wird zur Otter und Schlange auf dem Weg der Gerechtigkeit werden und das Recht als sein Pferd in die Fersen beißen, so daß sein Reiter als die Gerechtigkeit zu Boden falle. Und dann müsse die Natur auf Gottes Heil warten, als auf das Recht Christi durch die Liebe, weil dann Dans Amt aufhören soll.

77.23. Welches dir, oh Babel, wohl zu bedenken wäre, wenn du dich Christi rühmst, ob auch dein Heil in dir sei, daß du dich selbst richtest und keine Richter haben mußt, die deine Ungerechtigkeit richten müssen, in welcher du kein Christ bist, weil du stets nur mit Rahel murrst und deinen eigenen Willen suchst. Darum muß dich auch die Otter und Schlange von Dan wohl stechen, denn deine Bosheit verursacht es, als dein eigener Mutwille. Darum hat dich auch Gott unter den gefallenen Reiter Dan gegeben, daß du so leibeigen und wie ein gezähmtes Roß einhergehen mußt, so daß dich die Schlange mit ihrem Giftstachel sticht, nämlich mit der Gewalt der selbergenommenen Eigenheit.

77.24. Aber daß der Reiter Dan zurückfallen muß, deutet an, daß dieser Dan mit seinem Amt im Gewissen der Christen zurückfallen soll, wenn sich diese zu Christus wenden und Buße tun. Denn in der Buße hört Dans Regiment auf, und der Reiter von Gottes Zorn fällt zurück. So ist auch ein jeder Christ schuldig, von Herzen alles zu vergeben, wenn die Buße und die Erkenntnis der Sünden kommen, und das Richteramt ist das Sündenamt, das das Rechte vom Unrechten scheidet und allezeit über das Falsche geht. Aber die Schlange beißt oft das Pferd in die Fersen, in Form von Gunst, Hoheit, Geschenken und Gaben, denn diese machen Dan zur Otter und Schlange.

77.25. Und wir sehen aber klar, daß Dan, als das Richteramt bei Israel, im Murren und Widerwillen seinen Ursprung hat und Dan nur ein Schlichter des Streites ist und nicht, wie er meint, ein eigener Herr seines Amtes, sondern ein Schiedsrichter, wie Rahel sagte: »Gott hat meine Sache gerichtet.« Nämlich mit diesem Dan, dem Sohn ihrer Magd, und nicht mit ihrem eigenen Sohn, um anzudeuten, daß ein Kind Gottes keines Richters bedarf, denn es richtet sich selbst und leidet mit Geduld.

VIII. Das Testament für Gad

77.26. »Gad gerüstet, wird das Heer führen und wieder herumführen. (nach Luther 1545)« Diese Darstellung sagt hier nicht, daß die Kinder Gad nur Heerführer sein sollen, wie auch Dans Kinder nicht nur Richter sind, sondern sie stellt ein geistiges Bild dar, das auch bei Lea zu sehen ist, welche ebenfalls ihre Magd an Jakob gab, als sie zu gebären aufhörte, und so eilen wollte und es Rahel zuvortun. Denn Gad wurde von Silpa geboren und sollte Dan zuvorkommen, denn sie sprach: „Rüstig! („Gad!“) Wende dich ihm voran und wieder herum zu mir!“ Und deutet die menschliche Vorsichtigkeit an, als die Listigkeit und falsche Klugheit, die mit aller List dem Recht und der Gerechtigkeit zuvorkommen würde und sich über alle Wahrheit und Recht schwingen will.

77.27. Denn Gad und Dan sind beide von den Mägden, und sind in der Darstellung wie ein Streit, denn Rahel und Lea wollten je eine der anderen zuvorkommen, und darum war ihr Weg ein blanker Gegensatz. So steht auch diese Darstellung: Wenn Dan richten will, dann kommt Gad mit seiner listigen Geschwindigkeit und entwischt ihm aus seinem Amt mit scheinheiligen Reden, auch mit Lügen und Verdrehen, denn er dreht alle Wahrheit wieder herum und setzt seine geschwinde List in das Recht der Wahrheit, und so wird dann der Richter blind vor seiner Geschwindigkeit.

77.28. Dieses deutet der Geist gewaltig auf Israel, wie sie untereinander leben würden, und wie nur die eigene Gewalt mit Dan und die Geschwindigkeit mit Gad die Welt regieren würden. Aber sie sind beide nur Kinder der Mägde und nicht der Freien, und ihre Ämter sollen ein Ende nehmen.

IX. Das Testament für Asser

77.29. »Asser bekommt sein fettes Brot, und er wird den Königen zu Gefallen handeln.« Als Silpa, Leas Magd, Gad geboren hatte, als den rüstigen, listigen und allezeit auf allerlei listige Anschläge gegen das Recht von Dan Gerüsteten, danach, spricht Moses, gebar sie Jakob den anderen Sohn. Da sprach Lea: »Wohl mir, denn mich werden die Töchter seligpreisen!« Und sie nannte ihn „Asser“, und Jakob sprach im Testament: „Asser bekommt sein fettes Brot, und er wird den Königen zu Gefallen leben.“ Hier nimmt Jakob, als der Geist im Bund, diese zwei Brüder fast in einem Bild: Denn Gad hat die Geschwindigkeit, und Asser nimmt sein fettes Brot vom König, und Lea sagt bei seiner Geburt: »Mich werden die Töchter seligpreisen.«

77.30. Hier wird nun dargestellt, was das für eine Deutung sei: Gad richtet seinen Weg mit List aus, und Asser mit Heuchelei bei den Königen und Mächtigen, davon er fette Tage und Wollust bekommt. Das sind diejenigen, welche in den Ämtern sitzen und richten sollen, denn sie tun alles den Herren und Königen zu Gefallen, damit sie von ihnen gelobt werden und ihr fettes Brot davon haben. So deutet der Geist bei diesen drei Söhnen gewaltig, was für Leute die Welt regieren würden, nämlich mit Dan die Schlange, als der eigene Wille, mit Gad die List und der Betrug, und mit Asser die falsche Heuchelei, welche allezeit bei den Königen sitzt und für ihr fettes Brot dient und nur nach Lob und Ehren von Menschen trachtet.

77.31. Darum sagt der Geist: »Asser bekommt sein fettes Brot.« Wem bekommt das fette Brot? Den geschwinden und listigen Köpfen, welche den Heuchlern ihre Sachen ins Recht setzen. Der Heuchler sitzt beim König und lobt ihn in seiner Eigenheit und sagt: „Tue was du willst, es ist alles gut!“ Und wenn es der König gern im Schein des Rechts haben wollte, so daß es auch gelobt werde, dann kommt Gad mit seinem geschwinden, listigen und herumgedrehten Recht und setzt dem König seinen eigenen Willen in das Naturrecht, so daß es Recht zu sein scheint, und dem gibt Asser das fette Brot des Königs. So leben sie alle drei in der Schlange und beißen das Pferd (der Gerechtigkeit) in die Ferse, und sind alle drei Kinder der Mägde, nämlich Diener des eigenen Willens.

77.32. Dan ist der Oberamtsverwalter, Gad ist sein Rat im Gericht, wie die Juristen sind, und Asser sind seine edlen Räte. Diese hat der Geist in ihrem Testament mit den Dingen versehen, die sie danach treiben würden, denn der Testator sagte nicht: „Ihr sollt solche sein“, sondern „ihr werdet solche werden“, und zeigt trefflich, wie das Regiment auf Erden im eigenen Willen der menschlichen Natur werden würde.

X. Das Testament für Naphthali

77.33. »Naphthali ist ein schneller Hirsch und gibt schöne Reden.« Naphthali ist der andere Sohn von Bilha, Rahels Magd, den sie nach Dan gebar, und ist ein rechter Bruder Dans. Dieser Bruder Naphthali ist nun bei dem Richter und König und deutet die irdische Weisheit vom Gestirn an, die mit zierlich schönen Reden das Richteramt schmückt, so daß Dan, Gad und Asser weise und verständige Herren genannt werden.

77.34. Aber auch er kommt nur vom Streit zwischen Rahel und Jakob. Denn Rahel sprach, als er von ihrer Magd Bilha geboren wurde: »Gott hat es gewendet mit mir und meiner Schwester, und ich werde es ihr zuvortun. (1.Mose 30.8)« Das deutet in dieser Darstellung an, daß diese weisen Reden des Naphthali in diesem Richteramt alle Sachen biegen und wenden können, so daß der eigene Wille ein Richter aller Sachen bleiben würde, daß also niemand gegen diese vier Regenten, der Söhne der Mägde, etwas aufbringen könne, sondern sie würden in Israel das Regiment haben und die Welt regieren und es allen Menschen zuvortun (bzw. aufzwingen).

77.35. Aber sie sind alle vier nur Söhne der Mägde. Und Sara sprach zu Abraham: »Stoß den Sohn der Magd hinaus, denn er soll mit meinem Sohn Isaak nicht erben!« Und Gott ließ sich das gefallen und befahl Abraham, das zu tun, um anzudeuten, daß diese Ämter das Reich Christi nicht erben noch besitzen sollen, sondern ihre Beendigung finden. Denn wenn Christus, als der Sohn der Freien, das Reich einnehmen würde, dann würden alle diese Stände ausgestoßen werden und er allein in seinen Kindern und Gliedern regieren.

77.36. In diesem Spiegel besiehe dich nun, du kluge, hochweise und verständige Welt in deiner Klugheit, Beredsamkeit, Kunst, Macht und Ehre, und siehe, worin du sitzt und wem du dienst! Beschaue dein fettes Brot oder das Lob der Könige, denen du dienst, und was du tust und vorhast, und wie du in deiner Bildung vor Gott und dem Reich Christi stehst! Deine Redekunst gilt vor Gott nichts, deine Klugheit und Listigkeit auch nicht. Wirst du nicht wahrhaft raten und die Wahrheit sagen und tun und deinen Oberherrn recht weisen und führen, dann hilfst du deinem Oberen, diese Otter und Schlange im Testament des Dan zu gebären, und bist selber nur diese Otter und Schlange, die das Recht und Gericht in die Ferse beißt. Dann wirst du auch der Schlange Ende und Lohn im höllischen Feuer dafür bekommen.

XI. Das Testament für Josef

77.37. »Josef wird wachsen, er wird wachsen wie an einer Quelle! Die Töchter treten einher im Regiment (nach Luther 1545). Und obwohl ihn die Schützen erzürnen und gegen ihn kämpfen und ihn verfolgen, so bleiben doch sein Bogen fest und seine Arme und Hände stark, durch den Mächtigen in Jakob. Aus ihm sind Hirten und Felsen in Israel gekommen. Vom Gott deines Vaters ist dir geholfen, und vom Allmächtigen bist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen aus der Tiefe, die unten liegt, und mit Segen an Brüsten und Bäuchen (bzw. Mutterleibern). Die Segnungen deines Vaters waren stärker als die Segen meiner Vorväter, nach Wunsch der Hohen in der Welt, und sollen auf das Haupt Josefs kommen und auf den Scheitel der Geweihten unter seinen Brüdern.«

77.38. In diesem Testament für Josef stellt nun der Geist im Bund mit Jakob die Bildung dar, was ein wahrhaft göttlicher Regent sei, in dem der Geist Gottes regiert, der nicht der Sohn einer Magd ist, sondern der Freien, welcher in seinem Amt Gott und seinen Brüdern dient, der aus der Wahrheit und Gerechtigkeit regiert, die Ohrenjucker und Heuchler nicht um sich duldet und der keinen eigenen Nutzen und Ehren sucht, sondern Gottes Ehre und seiner Brüder Nutzen. Einen solchen hat der Geist mit Josef trefflich dargestellt.

77.39. Denn Josef war kein eingedrungener Regent, sondern ein zurecht berufener, nicht um List und kluger Rede willen, so daß er das Rößlein am Schwanz herumdrehen und die Einfalt bereden würde, als sei es der Kopf, so daß die Heuchler solcher Regenten sprechen „Ja, es ist der Kopf!“, nur damit sie ihr fettes Brot am Hof essen können. Er saß nicht mit geschickten scharfen Reden im Richteramt, sondern mit göttlicher Vernunft. Wenn er hätte heucheln und buhlen wollen, dann hätte er wohl bei Potiphar ein Regent sein können. Aber das sollte nicht sein, denn in ihm stand die Bildung eines wahren Christenmenschen, wie derselbe sein Leben und auch sein Amt regieren würde, und wie der gute Quellbrunnen Christus durch ihn ausquellen und durch ihn richten und regieren würde.

77.40. Denn Jakob begann das Testament und sprach: »Josef wird wachsen, er wird wachsen wie an einer Quelle!« Das heißt, seine Weisheit wird in Gottes Kraft wachsen und aus ihm ausquellen, so daß er weisen Rat finden wird. Und: »Die Töchter treten einher im Regiment.« Das heißt, seine weisen Worte und Ratschläge kommen daher, wie eine schöne Tochter in ihrer jungfräulichen Zucht und Jugend.

77.41. Und: »Und obwohl ihn die Schützen erzürnen und gegen ihn kämpfen und ihn verfolgen, so bleiben doch sein Bogen fest und seine Arme und Hände stark, durch den Mächtigen in Jakob.« Das heißt, obwohl ihn der Teufel mit seiner Rotte angreift und verachtet, weil er keine eigene Ehre und Nutzen sucht, und durch falsche Leute seine Pfeile auf ihn schießt, die ihm Lügen unter dem Schein der Wahrheit beibringen, so bleibt doch seine Weisheit unter göttlichem Arm und sein Wille zur Gerechtigkeit wie ein fester Bogen stehen, durch die Beiwohnung des mächtigen Gottes.

77.42. Und: »Aus ihm sind Hirten und Felsen in Israel gekommen.« Das heißt, aus ihm, aus seiner Weisheit kommen andere weise, gerechte und vernünftige Regenten, als treue Räte, welche neben ihm Hirten und Säulen im Regiment sind. Denn man sagt, wie der Fürst ist, so sind auch seine Räte. Wenn die Räte sehen, daß der Fürst die Gerechtigkeit liebt und ihm mit Heuchelei nicht gedient ist, so daß bei ihm nur fromme, wahrhafte und vernünftige weise Leute gelten, dann befleißigen sie sich auch der Weisheit und Gerechtigkeit, damit sie ihm darin gefallen, und so hat das Land gute Hirten.

77.43. Und: »Vom Gott deines Vaters ist dir geholfen, und vom Allmächtigen bist du gesegnet.« Das heißt, vom Gott Abrahams, der Abraham half, hast du Weisheit und Vernunft bekommen, und diese hilft dir gegen deine Feinde und gegen ihre Pfeile. Und »vom Allmächtigen bist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen aus der Tiefe, die unten liegt, und mit Segen an Brüsten und Bäuchen (bzw. Mutterleibern).« Das heißt, von der Warte des Herrn sollst du Gut, Ehre und Nahrung empfangen, und der wird dich an Leib und Seele, an Hab und Gut und auf all deinen Wegen segnen und dir genug geben, so daß du die List und den Betrug mit verkehrtem Recht nicht brauchen wirst. Du wirst nichts aus Eigenheit sagen müssen, und wirst doch viel und genug haben.

77.44. Denn ein Gottesfürchtiger, der die Eigenheit verläßt, der bekommt im Reich Christi alles dafür, denn der Himmel und die Welt sind sein. Dagegen muß sich der Gottlose mit einem Stück behelfen, das er doch nur durch List gestohlen hat und mit Betrug an sich brachte, und nichts davon mitnimmt als nur die Hölle und seine falsche Ungerechtigkeit, wie auch den Fluch armer Leute, die er auf Erden gemartert hat. Denn sie haben ihm mit ihrem Fluch das höllische Feuer angezündet, und das nimmt er mit.

77.45. Und: »Die Segnungen deines Vaters waren stärker als die Segen meiner Vorväter, nach Wunsch der Hohen in der Welt, und sollen auf das Haupt Josefs kommen und auf den Scheitel der Geweihten unter seinen Brüdern.« Das heißt, Jakobs Segnungen waren darum stärker als die seiner Vorväter, weil in ihm das Sein des Glaubens ausgegrünt und in viele Äste und Zweige gekommen war. Denn die Frucht zeigte sich mehr als bei Abraham und Isaak. Denn Abraham zeugte nur einen Zweig aus der Bundesline, als den Isaak. Und so zeugte auch Isaak nur einen Zweig aus der Bundesline, als den Jakob. Dahin sah der Geist, denn weil Jakob zwölf Söhne gezeugt hatte, die allesamt in der Wurzel der Bundesline standen und daraus als Zweige wuchsen (in Juda aber stand der Stamm), so sagte er, seine Segnungen wären stärker, wie ein Baum, der vom Stamm in die Äste gewachsen ist.

77.46. Daß er aber sagt »nach Wunsch der Hohen (bzw. Hochbeseelten) in der Welt«, darunter deutet er die Glückseligkeit des gebenedeiten Segens an. Denn wie sich die Reichen der Welt nur Hoheit und Güter wünschen, so empfangen diese im Segen Gottes zeitliche und ewige Güter. Diese sollen durch den Segen Jakobs »auf das Haupt Josefs« kommen, das heißt, auf seine Kinder, so daß sie in diesem Gewächs gute Früchte tragen sollen. Denn das Haupt (bzw. Hauptsächliche) deutet die Blüten und Früchte dieses Baumes an.

77.47. Und: »und auf den Scheitel der Geweihten unter seinen Brüdern.« Das heißt, der Segen soll nicht nur aus der Bundeslinie ausdringen, so daß diese unter Jakobs Kindern allein im Stamm Juda im Segen stünde, sondern auf die Scheitel der Geweihten (bzw. deren Vernunft), als auf den Grund der natürlichen Wurzel des adamischen Baums in ihnen allen, so daß sie allesamt wie Ein fruchtbarer Baum sein sollen. Aber von ihren Ständen und weltlichen Ämtern, darin sie künftig bösartig leben würden, stellte er die Bildung bei Dan und den vier Brüdern von den beiden Mägden der Frauen Jakobs dar, wie schließlich die Schlange das Regiment in der adamischen Natur führen würde, wie ihre Nachkommen in den Ämtern leben würden und was für eine Welt daraus entstehen wird, wie solches bei den Juden und den Christen ergangen ist.

XII. Das Testament für Benjamin

77.48. »Benjamin ist ein reißender Wolf. Des Morgens wird er Raub fressen, aber des Abends wird er den Raub austeilen.« Benjamin ist Josefs leiblicher Bruder gewesen, und der Geist sagt doch von ihm, er sei ein reißender Wolf, der des Morgens Raub fressen werde. In diesem Testament Benjamins ist die allerheimlichste Bildung der ganzen Schrift, und ist doch in ihrem Bild in der Auswicklung im Werk die alleroffenbarste Bildung, welche so klar in der Erfüllung (der „Wirklichkeit“) steht, daß man es mit leiblichen Augen sieht und doch auch mit dem Verstand ganz blind daran ist.

77.49. Diese Bildung ist erfüllt, ist noch im Werk und soll auch noch erfüllt werden. Sie ist so heimlich und doch so offenbar wie der Sonnenschein am Tag und wird doch nicht verstanden. Aber den Magiern und Weisen ist sie bekannt, welche zwar viel davon geschrieben, aber sie noch niemals recht ausgewickelt haben, weil die Zeit des Abends, wenn der Raub Benjamins ausgeteilt werden soll, noch fern gewesen war, aber nun nahekommt. So sollen wir etwas davon entwerfen und den Unseren den Sinn zum Nachzudenken geben, und doch auch den Unweisen stumm bleiben, weil sie in Finsternis sitzen und ihren Rachen nur nach Raub aufsperren.

77.50. Die zwei Brüder Josef und Benjamin sind das Bild der Christenheit und eines Christenmenschen, der in seiner Bildung zweifach steht, als der adamische Mensch, welcher in seiner Natur Benjamin ist, und als Josef, der den neuen Menschen aus dem Bund in Christi Geist andeutet. So wird dargestellt, wie Christus den adamischen Menschen an sich genommen habe, daß dieser Mensch halb adamisch und halb himmlisch sei und doch ganz in einer Person dastehe, welche nicht getrennt werden kann.

77.51. So stellt er in diesem Bild auch die Christenheit vor, wie sie Christus annehmen und Christen werden, daß in ihnen Christus und auch der böse Wolf Adam regieren würde. Das heißt, wenn sie den Glauben annehmen würden, dann würden sie so gierig und eifrig sein wie ein Wolf, und würden die Heiden mit Gewalt an sich ziehen, und würden sie aber auch fressen. Das heißt, wenn man nicht überall gleicher Meinung mit ihnen wäre, dann würden sie beginnen, die anderen Meinungen zu verdammen und auch mit Krieg und Schwert zu verfolgen. Wie ein zorniger Löwe oder Wolf beißt und auffrißt, so würden sie im Eifer mit Bann und Schwert um sich fressen, und das nicht darum, weil sie in Christi Geist so eifern würden, sondern aus dem Wolf des bösen Adams, der sich in geistlichen und weltlichen Ständen allezeit über den Geist Christi schwingen würde.

77.52. So würde ihr Geist nur aus dem fressenden Wolf kommen, mit dem man mehr um zeitliche Güter und um fette Tage und weltliche Ehren unter Christi Namen eifern würde, als um Liebe, Wahrheit und Seligkeit. Sie würden nicht in Christi Liebekraft eifern, sondern in der Kraft des fressenden Wolfs. Auch würden sie sich im Eifer ihrer Gewohnheiten, darin sie doch nur vor Gott heucheln, gegenseitig wie geizige Wölfe auffressen. Und so würde äußerlich der Wolf regieren, aber innerlich würde in den wahren Kindern doch Christus regieren: Äußerlich Benjamin, als der natürliche Adam, welcher zwar auch ein Christ ist, aber erst nach seiner Auferstehung, wenn er den Wolf loshat, und innerlich Josef, der unter dem Wolf verborgen ist.

77.53. So deutet nun der Geist Jakobs im Bund Gottes auf die Zeit, wie es gehen würde: In der ersten Christenheit würden sie eifern und nach Gott in Christi Geist hungern, und sich doch verbergen und vor den Feinden verkriechen müssen, wie ein Wolf, dem man wie einem Feind nachtrachtet.

77.54. Wenn sie aber groß werden und Königreiche besitzen würden, das heißt, wenn Christi Name unter die Gewalt des Dan kommt, so daß aus der christlichen Freiheit Gesetze und Ordnungen werden und ihre Orden unter weltliche Gewalt und Herrschaft kommen, dann würde diese Christenheit ein Wolf werden, der nicht mehr in der Liebe Christi richten und fahren würde, sondern, wer ihre Bauchorden nicht alle gutheißt, den würden sie mit Bann, Schwert, Feuer und Rache fressen. Und sie würden um Christi Namen und um ihre Aufsätze Kriege anrichten und die Völker mit Gewalt zum Bekenntnis Christi zwingen, und wie ein Wolf um sich fressen und immerfort nach Raub jagen, und doch meistenteils nur das Gut und die Macht fremder Völker meinen (und begehren).

77.55. So würde dieser Wolf Benjamin des Morgens, als in seinem Aufgang, Raub fressen, und gegen Abend würde er diesen gefressenen Raub wieder austeilen. Das heißt, zum Ende der Welt hin, wenn sich Josefs Regiment wieder emporschwingen wird, so daß Christus ganz offenbar werden und dieser Wolf aufhören wird, dann wird Benjamin als die heilige wahre Christenheit den Raub Christi austeilen, den Christus dem Tod und der Hölle abgerungen hat.

77.56. Dieses Austeilen soll noch kommen, ist schon gekommen und ist doch nicht da, obwohl es wahrhaftig da ist. Und daran ist die ganze Welt blind, außer den Kindern des großen Geheimnisses. Die Zeit ist und ist nicht, und ist doch wahrhaftig, daß dieser Raub Christi und auch des Wolfes Raub durch Josefs Hand in Benjamins Hand gegeben und ausgeteilt werden soll.

77.57. Das laß dir, oh Babel, ein Wunder sein und doch auch kein Wunder, denn du hast nichts und siehst nichts, darüber du dich wundern könntest. Gleichwie ein junges Bäumlein aus einem Samen wächst und ein großer Baum wird, der viele schöne Früchte bringt, so daß man sich über das Samenkorn wundern könnte, wie ein so köstlicher Baum und so viele gute Früchte in einem einzigen Samenkorn verborgen gewesen waren, die man darin nicht erkannt noch gesehen hat. Aber darüber wundert man sich nicht (weil man eine Wissenschaft davon hat, daß es möglich ist, daß aus dem Korn ein Baum werden kann), denn man sieht nicht, wie das zugeht oder wo die große Kraft gewesen ist. So sieht man jetzt auch wohl das Samenkorn zum Baum, aber der Verstand verachtet es und glaubt nicht, daß ein solcher Baum darin liege, davon so viele gute Früchte kommen sollen, daß dadurch Benjamins Reich am Ende der Zeit eine Austeilung des Raubs genannt werden soll.

77.58. Aber Josef muß zuvor ein Regent in Ägypten werden, dann kommt Benjamin zu ihm, und dann gibt ihm Josef fünf Feierkleider und fünfmal mehr Speise von seinem Tisch als den andern. Wenn die Hungersnot das Land verschmachtet und die Seele Jakobs hungert, dann wisse, daß dadurch Gott Israel nach Ägypten als in die Buße kehren will. So ist es dann die Zeit der Versuchung, und Benjamin führt sein Raubschwert im Mund. Aber Josefs Angesicht schlägt ihn, so daß er in ein großes Erschrecken und Fürchten des Todes kommt, weil der silberne Becher Josefs in seinem Sack gefunden wurde, dessen er sich schämt und das Raubschwert samt den Wolfszähnen von sich fallenläßt. Dann offenbart sich Josef ihm und all seinen Brüdern, und davon wird eine solche Freude, daß der Wolf Benjamin ein Lamm wird und seine Wolle geduldig von sich gibt. Dies ist das Ziel der Rede.

77.59. So ist dieses Testament Jakobs eine Darstellung der ganzen Zeit der Welt von Adam bis ans Ende, und davon wollen wir nun eine kurze Zusammenfassung entwerfen, zum Nachsinnen für den Leser, dem diese Geschichten bekannt sind:

77.60. I. Weil Ruben der erste war, ist er an dieser Stelle in das Bild der ersten Welt gesetzt, die im Naturrecht ohne Gesetz lebte, die das Priestertum und Königreich im Naturrecht hatte und im obersten Opfer und in der größten Herrschaft sein sollte. Aber er fuhr leicht dahin wie Wasser und wurde verstoßen.

77.61. II. Simeon beginnt unter Noah nach der Sündflut und hielt Levi bei sich, das war Sem. Aber das Schwert Hams und Japhets war Simeon. So gingen zwei in einem Wesen, nämlich das geistige und das fleischliche Wollen, bis zu Moses, denn da schied sich das Weltliche und das Geistige in zwei Stände.

77.62. III. Levi beginnt unter Moses, welcher mit dem Priestertum das Schwert von Simeon und Levi im Gesetz führte und sehr scharf damit schnitt.

77.63. IV. Juda beginnt unter den Propheten und offenbart sich mit Christi Menschwerdung, als dieses Zepter anfing.

77.64. V. Sebulon mit seiner Beiwohnung setzte sich in die Mitte, als in das Reich Christi hinein. Das war der Anfang der Christenheit, und die wohnte am Ufer des Meeres, nämlich bei den Heiden, und sie saßen doch gut, denn es war eine neue Liebe.

77.65. VI. Isaschar ist die Zeit, da sich die Christenheit in die Ruhe, nämlich in Macht und Herrschaften einsetzte, und doch immerfort die Last der Heiden tragen und fronpflichtig sein mußte, wie ein knochiger Esel zur Last. Aber sie trugen noch das Kreuz Christi und waren noch Christi Bild ähnlich, etwa im dreihundertsten Jahr nach Christus.

77.66. VII. Mit Dan begann das gewaltige Reich der Christenheit, als sie sich Könige, Päpste, große Bischöfe und gewaltige Kirchen und Stifter zuordneten: Da wurden die Otter und die Schlange auf dem Weg Christi in menschlicher Ehre in Christi Reich geboren, als man begann, um der Kirche Pracht, Ansehen und Herrlichkeit zu disputieren und Menschen in Christi Reich und Ämter zu erhöhen, sie an Christi Statt zu setzen und an Christi Stelle zu ehren. So wurde Christus niedergedrückt, und die Otter und Schlange setzte sich in Christi Richteramt. Denn da wurde der Heilige Geist verworfen, und die Konzilien wurden an seine Stelle gesetzt, und damit war der Antichrist geboren. So sprach zu jener Zeit der Geist Christi: „Herr, ich warte nun auf dein Heil, denn hier muß nun mein Name eine Decke für den Antichrist sein, bis du mich unter Josefs Zeit wieder auflösen (bzw. enthüllen) wirst.“ In dieser Zeit wurde der Wahrheit gewaltig in die Fersen gebissen, so daß der Reiter in Christi Geist zurückfallen mußte.

77.67. VIII. Mit Gad, welcher der Heerführer sein sollte, beginnt die Zeit der hohen Schulen bei den Christen, irgendwann vor 800 Jahren (um 800 nach Christi), als man den Antichrist mit Kraft und Heeresmacht gerüstet auf Christi Thron setzte und mit Schwätzen, Disputieren und Herumdrehen verteidigte, so daß man den Schwanz zum Kopf machte und die Kraft Christi in Menschensatzungen hineinzwang und damit aus Christi Reich ein weltliches Reich machte.

77.68. IX. Mit Asser beginnt die Zeit, da man dem Antichrist als König zu Gefallen lebte, der wie ein Gott auf Erden wurde. Da kamen von den hohen Schulen die Heuchler, welche diesem König für fettes Brot als um gute Ämter, Präbenden (Schenkungen) und Bischofstümer heuchelten und seine Sache lobten und ihm alles zu Gefallen taten und Christus mit dem Antichristen auf ein weiches Kissen setzten und so das Bild der Apokalypse anbeteten, etwa vor 600 Jahren und näher (ab 1000 nach Christi).

77.69. X. Mit Naphthali beginnt die Zeit der großen Wunder, als man mit hohen Reden und tiefsinnigen Gedanken vom Rat Gottes umging, weil die Leute gesehen hatten, daß dieser auf Christi Thron nicht Christus in der Kraft ist. So hat man tiefsinnig versucht, daß man ihm mit schönen ansehnlichen Schlußreden einen Mantel umdecken könne. Da kam die scharfe Logik auf, mit der man disputierte. Eine Partei sagte, sie wäre Christus in Kraft und Gewalt, die andere sprach dagegen, weil sich diese Partei seines Anhangs mit hohem Schein in das Blut Christi einsetzte und alle Gewalt zulegte und heilige Reden daraus machte. So stellte sich der Geist Christi im innerlichen Grund dagegen und sagte, das wäre der Antichrist. Diese Zeit währte bis zu unserer Zeit, in der wir leben.

77.70. XI. Mit Josef beginnt die Zeit, da Christus wieder offenbar wird, als er die Schlange und Otter von Dan mit dem antichristlichen Thron mit aller Macht und Eigenheit des Reichs Christi auf Erden mit seinem Antlitz erschreckt und zu Boden wirft, so daß sich Josefs Brüder ihrer großen Untreue schämen müssen, die sie an Josef getan haben, indem sie ihn in die Grube warfen und dazu für Geld verkauften. Hier werden alle List, Heuchelei und falscher Trug offenbar und durch das gegenwärtige Antlitz von Josef zu Boden geworfen. Und das ist die Zeit, von der gesagt wird: „Babylon ist gefallen, sie ist gefallen und eine Behausung aller Teufel und aller greulichen Tiere und Vögel geworden!“ Und hier wächst Josef in seiner Kraft, und seine Töchter treten im Schmuck einher, und sein Segen beginnt.

77.71. XII. Mit Benjamin beginnt die Zeit des Abends unter Josefs Zeit, denn dann soll er den Raub der ersten Christenheit wieder austeilen. Er gehört damit in die erste und letzte Zeit, vor allem in die erste Zeit Josefs, als sich Christus zu offenbaren beginnt. So ist er erstlich hurtig wie ein Wolf gewesen und hat weidlich um sich gefressen, als er begann, den Antichrist zu beißen und zu fressen. Aber er war diesmal noch ein Wolf. Wenn aber Josefs Angesicht bloß wird, dann schämt er sich auch als ein Wolf, der gefangen ist, und beginnt ein Lamm zu werden und seine fette Wolle zu geben.

77.72. Dies ist also das Testament Jakobs in seiner wahren Bildung, die der Geist auf die Zeiten gedeutet hat. Und der Geist Moses spricht: »Als Jakob alle diese Reden vollendet hatte, tat er seine Füße auf dem Bett zusammen und verschied.« Um anzudeuten: Wenn diese, seine Weissagungen alle erfüllt sein würden, dann würde Gott die ausgewickelte Natur im Streit der Zeit wieder in sich rufen und zusammen in die Ausgeglichenheit ziehen. Dann würde diese Zeit ein Ende haben und der Streit (der Gegensätze) aufhören. Dies haben wir dem Liebhaber der Wahrheit ein wenig entwerfen wollen. Er wolle diesem im Geist Gottes, der alle Dinge bis in die Tiefe der Gottheit erforscht, weiter nachforschen, dann wird er unseren Grund in der Wahrheit sehen.


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