Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

55. Kapitel - Wie Isaak unwissend Jakob segnete

Wie Isaak, als er alt war und sterben sollte, unwissend Jakob an Esaus statt segnete, und was darunter zu verstehen sei. (1.Mose 27)

Die Pforte des großen Geheimnisses der ganzen Bibel

55.1. Wenn der Verstand diese Historie des 27. Kapitels der Genesis liest, dann hat er zweierlei Gedanken darüber: Einer ist, als ob Rebekka Jakob mehr als Esau geliebt habe und ihn deswegen mit List dahin brachte, den Segen seines Vaters zu bekommen. Zum anderen denkt er ja, daß es eine Schickung von Gott gewesen sei, daß Esau des Segens nicht wert gewesen war und Esau ganz verdammt sein soll, darauf er dann die Vorherbestimmungslehre gesetzt hat, aber im Ganzen nichts von dieser wunderlichen Darstellung versteht.

55.2. Wenn wir nun diese Darstellung recht verstehen und deuten wollen, dann müssen wir den Erzvater Isaak an die Stätte des göttlichen Vaters in der Bildung setzen, welcher allein segnen kann und welcher auch Isaak in Abrahams Samen gesegnet hat, so daß Isaak wieder seinen Samen in der Bundeslinie segnen sollte.

55.3. Und Esau setzen wir an die Stelle des verdorbenen Adams, als an das Reich der verdorbenen Natur in menschlicher Eigenschaft, das im Zorn Gottes ergriffen ist.

55.4. Und Jakob setzen wir in die neue Wiedergeburt in die Menschheit Christi, welche Gott der Vater anstatt des verdorbenen Adams gesegnet hat, weil er eine neue Wiedergeburt aus unserer Menschheit in dieser Linie herausführte.

55.5. Und wir sehen hier, wie Adam den Segen und die göttliche Salbung verscherzt und verloren hat, und wie er im irdischen Bild von Gott verworfen sei, und auf welche Weise er sein Recht der göttlichen Salbung verloren habe, wie hier Esau die Erstgeburt und auch den Segen. Zur inneren geistigen Darstellung steht geschrieben:

55.6. »Isaak war alt und erwartete das Sterben, und er rief seinen erstgeborenen Sohn Esau, um ihn mit dem Segen Abrahams zu segnen, und hieß ihn ein Wildbret fangen und zurichten, wie er es gern esse, auf daß sich seine Seele erquicke und den Segen des Herrn in ihm erhebe, um Esau zu segnen. Und Esau ging hin, um zu tun, was sein Vater haben wollte, damit er ihn segne.« Das heißt in der inneren Bedeutung der Darstellung so viel wie:

55.7. Als Isaak jetzt sterben sollte, da bewegte sich der Segen in der Eigenschaft des göttlichen Vaters in ihm und wollte seinen natürlichen Samen der adamischen Natur segnen, nämlich das Reich der Natur in Esau. Denn Isaak lüsterte nach Wildbret, als nach dem Reich der Natur in tierischer Eigenschaft, nämlich nach dem verdorbenen adamischen Menschen nach der ersten Schöpfung.

55.8. Denn des Vaters Segen wollte auf Adam dringen, an dessen Stelle Esau stand. Aber das himmlische Sein war im ersten (erstgeborenen) Adam verloschen, und darum konnte dem natürlichen Menschen mit einem Segen allein nicht mehr geraten werden, sondern es mußte ein anderer Ernst sein. Der Segen mußte im Reich der Natur ein Wesen wie ein Mensch werden. Doch dessen war das Reich der Natur in seiner eigenen Kraft und Macht nicht fähig, wie hier Esau in seinem Reich der Natur des Vaters Segen nicht fähig war.

55.9. Denn das Reich menschlicher Natur war so vergiftet, daß es zerbrechen mußte, und darum wandte sich der Segen des göttlichen Vaters in die weibliche Tinktur, als in die adamische weibliche Tinktur, das heißt, die Tinktur des Lichtes. Denn die feurige Tinktur in Adam war im Grimm aufgewacht, nämlich im Reich der Finsternis, und hat ein irdisches Bild gemacht und hierin das himmlische verschlungen und getötet. Diesem himmlischen verblichenen Bild wollte der Segen zu Hilfe kommen, damit es im Segen wieder lebendig würde und das Reich der Natur, mit dem es verleibt war, segnete, tingierte (heilte) und neu gebäre.

55.10. Weil nun in Abraham und Isaak in ihrem Samen zwei Linien ausgingen, nämlich in Ismael und Esau das wirklich verdorbene adamische Bild, und in Isaak und Jakob die Bundeslinie in der geschenkten Gnade, so wandte sich der Segen des göttlichen Vaters, der in Isaak offenbar geworden war, auf Jakob, als auf die Linie Christi, den Gott gesalbt hatte, daß er wiederrum den erstgeborenen Esau als den ersten adamischen verdorbenen Menschen salben (und heilen) sollte. Denn der erste hatte seine Erstgeburt, die aus dem göttlichen Wort in der Schöpfung geschehen war, verloren und konnte nicht mehr aus seinem Zentrum gesegnet werden.

55.11. Denn der seelische Wille war vom ewigen Wort göttlicher Heiligkeit abgebrochen und hatte sich in das Zentrum des ersten Prinzips, als in den Grimm der ewigen Natur, in die Unterschiedlichkeit des sprechenden Wortes hineingewandt, als in die Widerwärtigkeit des Streites, daher auch Isaak den Esau mit dem Wort des Streites segnete, als er im Segen zu ihm sprach: »Von deinem Schwert wirst du dich ernähren und die Last deines Bruders von deinem Hals reißen.« Um anzudeuten, daß nun die verdorbene Natur in ihm ein Knecht von Gottes Zorn sei und den Streit, den Adam in den Lebenseigenschaften erweckt hatte, führen und desselben Diener sein würde.

55.12. Daß aber Isaak solches nicht verstand und Esau aus dem Segen des Bundes segnen und das Zepter in Zion geben wollte, daran sehen wir, daß Isaak und alle heiligen Kinder Gottes (auch wenn sie in der Bundeslinie aus der neuen Geburt geboren sind und darin stehen) den innerlichen Grund ihres Wesens, darin das Reich Gottes in der Kraft wirkt und steht, nach dem seelischen Verstand in eigener Macht nicht ergreifen oder verstehen, noch damit in eigenem Willen etwas tun können. Sondern Gott wendet diesen innerlichen Grund der Stätte Gottes, wohin er will, und so muß ihm die Seele nachsehen, was er tut, wie hier Isaak nachsehen mußte, wen der Herr durch ihn gesegnet hatte.

55.13. Denn Isaak sagte zu Esau, er sollte ihm ein Essen machen, wie er es gern aß, dann wollte ihn seine Seele segnen. Nun stand aber dieser Segen in der Bundeslinie, in welcher Christus entsprießen sollte, und nicht in der Seele Macht, sondern in Gottes Macht. Denn die Seelen Isaaks und aller Kinder Adams waren noch immer mit der seelischen Wurzel am Band des Zorns Gottes, welchen Zorn diese innerliche einverleibte Gnadenlinie im Tod Christi zerbrechen sollte und in die Bundeslinie ganz einverleiben und einigen.

55.14. Darum sollte nicht der seelische Wille in Isaak den Segen dieser Bundeslinie fortpflanzen und dem Reich der seelischen Natur (als dem erstgeborenen Esau und ersten Adam) geben, denn diese Seele war eine Ursache des Verderbens. Nicht die Feuerstinktur hatte die Gewalt der neuen Kraft empfangen, denn ihre Macht sollte gebrochen werden, nämlich ihr stolzer Luzifer, der sie selber ist, sondern des Lichtes Tinktur, die in Adam verblich, als die Feuersmacht finstere Irdischkeit hineinführte, welche aber in dieser Bundeslinie in der Kraft des eingesprochenen, verheißenen und einverleibten Gnadenwortes wieder grünte, diese hatte die Gewalt und die Kraft des Segens.

55.15. Des Weibes Samen, als des Lichtes Tinktur und Kraft, sollte der feurigen Schlange den Kopf zertreten und der Seele ihre feurige Macht in ein sanftes Liebefeuer verwandeln. Der feurige Seelenwille sollte und mußte ganz transmutiert (bzw. umgekehrt) und in Sanftmut gewandelt werden.

55.16. Weil dann diese verblichene Tinktur des Lichtes von Adam in die Frau, als in Eva, gebracht wurde, welche, als sie in Adam war, sein schöner paradiesischer Rosengarten der eigenen Liebe war, darin sich Gott offenbarte, und jetzt beim Segen Isaaks in der Bildung der Widergeburt stand, deshalb mußte auch seine Frau, als die gesegnete Rebekka, als eine kommen, welche auch in der Bundeslinie stand, und die wahre Bildung Christi als Jakob an die Stätte des Segens stellen, um anzudeuten, daß Christus in dieser Bundeslinie im Weibes-Samen (als in der Tinktur des Lichtes und Wassers) offenbar werden und der Seele Natur aus des Lichtes Kraft annehmen sollte, auf daß er über die Feuersnatur der Seele herrschen und sie in des Lichts Kraft wandeln könne.

55.17. So war nun an dieser Stelle Rebekka, Isaaks Frau, ein Bild der Jungfrau Maria, welche Christus, als den Gesegneten Gottes hervorbrachte, der Esau und alle anderen adamischen Kinder segnen sollte. Und er war so vom Herrn beschaffen, daß er Rebekka entsprechend führte, so daß sie erkannte, daß der Segen als das Zepter Israels in Jakob ruhte.

55.18. Denn weil das Zepter in Zion im Weibes-Samen lag, als in der Jungfrauschaft, so wurde auch hier nun dieses Zepter im Weibes-Samen rege, so daß eine Frau die Bundeslinie zur Stätte des Segens des göttlichen Vaters (der in Isaak war) darstellen mußte, und mußte des Mannes seelischen natürlichen Feuerwillen hintergehen und Knecht der Wunder Gottes sein, um zu sehen, was Gott mit ihm getan hatte.

55.19. Daß es aber wie eine Listigkeit und Betrug erscheint, daß Rebekka Jakob angerichtet (bzw. angestiftet) und Esau den Segen entwendet hat, als hätte sie Jakob lieber gehabt als Esau, darin hat der Verstand blinde Augen. Denn durch des Teufels List kam der Fluch in die Welt, und durch die göttliche List in der Liebe kam die Zerbrechung des Todes und der Hölle wieder in die Seele: Die göttliche List tötete des Teufels List.

55.20. Versteht es aber richtig! Eine jede List entsteht aus der Lust. Des Teufels List entstand aus falscher Lust, und so kam auch Gottes Lust wieder in des Weibes Samen (in welche himmlische Matrix der Teufel seine Lust eingeschmeichelt hatte) und zerbrach des Teufels Lust.

55.21. Aus Gott kam es, daß Jakob den Segen bekam, ganz gegen das Meinen und Wollen des Verstandes. Denn er stand in der Bildung Christi, und Esau stand in der Bildung des verdorbenen Adams.

55.22. Darum war Esau ganz rauh auf der Haut. Das deutet die monströse tierische Eigenschaft an, welche Adam im Fall durch die Lust erweckt hatte. Denn als sich die Lust Adams in ein (greifbares) Wesen hineinführte, da wurde das Fleisch grob und tierisch, und so verschlang das tierische in sich das himmlische und der Tod wurde im Fleisch offenbar. Und so sehen wir auch hier in dieser Darstellung klar das Bild, wie es gehen sollte.

55.23. Isaak wollte den tierischen Menschen an Esau segnen, aber das wollte Gott nicht, denn der göttliche Segen gehörte Christus. So konnte der verdorbene Adam auch des Segens Gottes nicht fähig werden, es nehme denn Christus diese rauhe Tierhaut, welche Adam anzog, auf sich. Wie hier Jakob auch nicht gesegnet werden konnte, ohne in dieser rauhen tierischen Haut zu stehen.

55.24. Gott der Vater stellte sich unser Elend in seinem Bund in Christus in unserer armen angenommenen Menschheit vor: Denn Christus sollte in unsere Menschheit eingehen und in unserer rauhen Gestalt wandeln und unseren Tod der tierischen Eigenschaft zerbrechen, wie geschrieben steht: »Er nahm alle unsere Krankheit auf sich und lud sich unsere Schmerzen auf. (Jes. 53.4)«

55.25. Denn wie Isaak seinen Sohn Jakob in der rauhen Haut begreift und fühlt, ob es sein erstgeborener Sohn war, dem der Segen gehörte, so griff auch Gott der Vater in die Essenz seines Sohnes Christi und fühlte, ob die Menschheit Christi das erste, in Adam geschaffene Bild wäre, davon ihm die Angst am Ölberg entstand, so daß er blutigen Schweiß schwitzte. Und davon sprach Jesaias: »Er lud sich unsere Schmerzen auf.«

55.26. Und wie Isaak nur äußerlich Esaus Haut an Jakob fand und innerlich Jakobs Stimme hörte, und ihn doch an Esaus statt segnete, als wäre es Esau, so fand auch Gott der Vater an Christus unsere rauhe menschliche Eigenschaft, aber hörte innerlich, daß Gottes Stimme in ihm schallte, so daß das göttliche himmlische Sein innerlich unter unserer angenommenen Menschheit war. Darum ruhte auch seine Stimme am Jordan in der Taufe über ihm, als er unsere Menschheit segnete, indem er sprach: »Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören. (Matth. 3.17)«

55.27. So hörte wohl auch Isaak Jakobs Stimme unter der rauhen Haut und verstand, daß es nicht Esau war. Aber der Geist in seinem Segen drang doch auf ihn, denn er prüfte in ihm den einverleibten Grund des Bundes, als die Linie der neuen Menschheit. Denn er sprach: »Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.« In welchem der Geist andeutet, daß in Jakob und allen Kindern Gottes im Fleisch und Blut eben auch nur der erste, verdorbene und tierische adamische Mensch mit seiner rauhen Haut sei, welches Gott nicht ansieht, wenn nur die göttliche Stimme im inneren Seelenmenschen wohnt, die mit Gott Ein Geist ist.

55.28. Und dann sehen wir auch in dieser Darstellung, daß unsere Tierhaut im Fleisch und Blut, damit wir so prangen, vor Gott nur ein Trug sei, gleichwie Jakob in diesem Tierfell vor seinem Vater wie ein Betrüger stand und seinen Vater mit der Tierhaut blenden wollte. So tritt auch der irdische Mensch in seiner tierischen Eigenschaft vor Gott und begehrt Gottes Segen, aber es kann ihm nicht widerfahren, er habe denn Jakobs bzw. Christi Stimme unter dieser Tierhaut in sich.

55.29. Denn gleichwie Jakob unter dieser Tierhaut glatt und rein war, so müssen auch wir in unserem innerlichen Grund unter der Tierhaut glatt und rein sein, wenn wir wollen, daß Gottes Segen über uns ruhen soll. Denn wir sehen in dieser Darstellung sehr wohl, daß der Segen nicht auf Esau ruhen wollte, der von Natur aus eine rauhe Tierhaut in seiner Essenz hatte, auch wenn er der Erstgeborene war, dem der Segen erblich gehörte. Denn der erste Mensch war in seiner Natur verdorben und hatte das Erbe Gottes verloren. Der Segen samt der kindlichen Erbschaft ruhte nur allein auf dem anderen neuen Adam.

55.30. Mehr noch deutet diese Darstellung an, daß der neue Mensch in Christus dem Teufel, sowie dem Menschen der Bosheit, sein Zepter der Gewalt nehmen und in diesem Segen über ihn in der Kraft herrschen würde, wie Jakob über seine Feinde zum Herrn gesetzt wurde. Diese Darstellung deutet ganz auf Christus.

55.31. Denn gleichwie Jakob eine fremde Gestalt annahm und in fremder Kleidung vor seinen Vater trat und den Segen von ihm begehrte und auch erlangte, so nahm auch Christus, als das ewige Wort, eine fremde Gestalt als unsere Menschheit an sich und brachte diese vor seinen Vater, damit er sie segnete.

55.32. Und wie Isaak seinen Sohn Jakob mit dem Tau des Himmels und der Fettigkeit der Erde sowie mit Korn und Wein segnete, so segnete auch Gott der Vater unsere Menschheit in Christus, denn unsere Menschheit war auch aus dem Stoff der Erde in ihrem Ursprung, und war vom Tau des Himmels, von Korn und Wein genährt und aufgezogen. Das segnete Gott zur neuen Geburt und Auferstehung der Toten, auf das künftige Leben.

55.33. Und wie Isaak in diesem Segen Jakob zum Herrn über seine Brüder der natürlichen Eigenschaft setzte, so hat auch Gott die neue Geburt im Segen Christi zum Herrn über die adamische Natur im Fleisch und Blut gesetzt, so daß der neue Mensch, aus Gottes Segen geboren, über alle Glieder seines natürlichen Leibes herrschen soll, und daß sie dem neuen Menschen untertan sein sollen.

55.34. Und wie Isaak den Fluch dazwischensetzte, daß, wer Jakob fluchte, der sollte verflucht sein, und wer ihn segnete, der sollte auch gesegnet sein, so hat auch Gott den Fluch auf das verdorbene adamische Reich gesetzt, daß, wer nicht im Segen Christi befunden würde, der müsse ewig im Fluch Gottes sein. Wer aber sein Gemüt und Willen in diesen Segen Jakobs bzw. Christi hineinführen würde, der sollte ewig im Segen sein.

55.35. Ferner sehen wir in diesem Bild, wie es den Kindern Gottes geht. Denn als Isaak Jakob gesegnet hatte, kam Esau mit seinem Wildbret, und davor entsetzte sich sein Vater Isaak und rief: „Wie, wer bist du?“ Und er erschrak davor, daß er Jakob unwissend gesegnet hatte, welches ein Bild ist, wie der adamische Mensch so gar nichts von Gottes Wegen versteht, und wie ihn Gott nach dem inneren Grund öfters so wunderlich führt, daß, wenn er auch auf dem Weg Gottes geführt wird, dann sieht er doch mehr den äußeren Verstand an und stößt sich oft an äußerlich verständlichen Dingen zeitlicher Ordnung und Güter, und läßt sich eine Furcht ankommen, und will einfach nur, daß der Wille seines Verstandes geschehe. Wie sich hier Isaak entsetzte, daß ihm sein Verstandeswille gebrochen worden war.

55.36. Und wir erkennen darin das Elend der Unwissenheit der Kinder Gottes, wie der Verstand in sein eigenes Regiment geht und sich nicht Gott ganz überlassen will, und sich entsetzt, wenn es anders geht, als er sich eingebildet hat.

55.37. Und dann sehen wir, wie schließlich Gott mit seinem Licht in der Vernunft hervorbricht und dem Menschen seinen Weg zeigt, damit er sich befriedigt, wie hier Isaak, als er sagte: »Dieser Jakob ist gesegnet, und er wird auch wohl gesegnet bleiben.« Denn er erkannte nun Gottes Willen.

55.38. Ferner sehen wir in dieser Historie, wie Esau so kläglich vor seinem Vater um den Segen weinte und zu seinem Vater sprach: »Segne auch mich, mein Vater! Hast du denn nur einen Segen? Hast du mir keinen Segen vorbehalten?« Aber sein Vater antwortete: »Ich habe ihn zum Herrn über dich gesetzt, und alle seine Brüder habe ich ihm zu Knechten gemacht, und mit Korn und Wein habe ich ihn versehen. Was soll ich nun dir noch tun?« Dies deutet das Reich Christi an, wie ihn Gott zum Herrn über das Reich der Natur gemacht hat, wie auch Christus sagte: »Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden von meinem Vater gegeben worden.«

55.39. Mehr noch deutet es an, wie die verdorbene adamische Natur in Esau und allen Menschen dieses Segens nicht teilhaftig werden kann, es sein denn, sie sterbe zuvor ihres eigenen Rechts und Willens ab. Gleichwie Esau von seinem Vater nicht mit dem heiligen Segen gesegnet werden konnte, denn er war das Bild des verdorbenen Adams nach dem Reich der Natur. So kann auch die irdische Natur des Heiligen Geistes in ihrer Essenz nicht fähig werden, davon Paulus sagt: »Fleisch und Blut sollen Gottes Reich nicht erben. (1.Kor. 15.50Es falle denn in die Erde und gehe wieder in den Leib seiner ersten Mutter, wie ein Korn, und übergebe seine Natur der ersten Mutter.

55.40. Und dann sehen wir hier, wie Isaak seinem Sohn Esau einen zeitlichen Segen gibt und ihm nur andeutet, wie der natürliche Mensch vom Geist dieser Welt, als vom Spiritus Mundi geführt werde. Denn zu Jakob sagte er: »Gott gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fettigkeit der Erde, und Korn und Wein in Fülle.« Aber zu Esau sagte er nur: »Siehe da, du wirst eine fette Wohnung auf Erden haben, und vom Tau des Himmels von oben her (nach Luther 1545). Von deinem Schwert wirst du dich ernähren und deinem Bruder dienen. Und es wird geschehen, daß du auch ein Herr sein und sein Joch von deinem Hals reißen wirft.«

55.41. Und er deutet damit an, in was für ein Regiment der äußere natürliche Mensch geführt, getrieben und genährt wird, und was seine Begierde und Tun seien, nämlich daß er in seinem Gemüt nur ein Räuber, Mörder und bösartiges Tier ist, so daß er nur begehrt, mit Gewalt und Morden alles unter sich zu ziehen.

55.42. Denn Isaak sagt nicht „du sollst dich von deinem Schwert ernähren“, sondern „du wirst es tun“, denn Gottes Grimm im Reich der verdorbenen Natur mit des Teufels Willen wird dich dazu bewegen, daß du die Fettigkeit der Erde an dich ziehen und von oben herab vom Gestirn regiert und getrieben werden wirst, und du wirst in natürlicher Kraft die Kinder Gottes, welche in Gottes Kraft herrschen, von dir wegtreiben. Das heißt, »das Joch von deinem Hals reißen«. Denn wenn sie der Heilige Geist durch die Kinder Gottes wegen ihrer Tyrannei straft, dann morden und töten sie diese, und reißen das Schwert des Heiligen Geistes von ihrem Hals, wie hier Isaak sagt: „Du wirst es tun.“

55.43. Wie es dann auch Esau bald tat und Jakob töten wollte, so daß Jakob in Gottes Segen vor ihm fliehen mußte. Damit hatte er sich die Last des Heiligen Geistes von seinem Hals gerissen. Und so ist dieses Andeuten oder Weissagen des Erzvaters Isaaks eine Darstellung, wie die Esauiten und Tyrannen als fleischliche Brüder der Christen unter den Christen wohnen würden und nach brüderlicher Art von einerlei Eltern geboren werden, wie Esau und Jakob, aber sie doch nur mit Schwert und Plagen verfolgen und von sich stoßen würden. Trotzdem wollen sie als Christen stehen und den Segen Gottes begehren, wie Esau stand und um den Segen weinte. Doch ging es ihm nicht um das Reich Gottes, sondern daß er ein Herr auf Erden über seine Brüder und andere Menschen sein könne und Reichtum und Bauchfülle haben möge.

55.44. So ist dieser Esau in seinem Segen eine wirkliche Darstellung des Antichrists, welcher sich Gott mit den Lippen naht und sich in einen äußerlichen Scheindienst Christi begibt, als tue er es für Gott. Auch steht und prangt er mit Scheinheiligkeit, und stellt sich andächtig, damit er von Menschen geehrt und sein Gott Mäusim (die „Ich-Festung“) fett werde. Und er weint auch vor Bosheit, wenn man ihm nicht tun möchte, was er haben will, und wenn er den Bauchsegen nicht bekommen kann, wieviel sein Gott Mäusim verlangt. Und wer ihn antastet und vom Segen Gottes spricht, den will er töten, und er mag auch keinen Diener Christi unter sich dulden.

55.45. Der Verstand meint, weil Isaak zu Esau sagte »Du wirst dich von deinem Schwert ernähren!«, so habe es ihm Gott befohlen, und stützt sich darauf. Es ist aber ein anderes: Gott will keinen Krieg, sondern das Reich der Natur in Gottes Zorn will ihn, der einzig und allein aus dem Reich der Natur geboren ist und auch darin lebt.

55.46. Darum sagte Isaak: „Du wirst es tun.“ Als wollte er sagen, du wirst durch deinen Zorn dem Zorn Gottes dienen, und wirst ein Herr im Reich der Natur in dieser Welt sein, wie sich die Reichen in Gewalt und Macht hineinführen, aber sie tun es durch das Reich der Natur im Grimm.

55.47. Und wir sehen weiter, wie Esau seinem Bruder Jakob um des Segens willen gram gewesen war, dessen er doch nach dem Reich der Natur gar nicht fähig war, um anzudeuten, wie die wahren Kinder Christi um dieses Segens willen von den Kindern im Reich der Natur angefeindet, verfolgt und getötet werden würden. Und die Ursache dafür ist, daß das Reich der Gnade über das Reich der Natur herrschen und dasselbe am Ende der Tage zerbrechen und in seine Gewalt wandeln soll. Und darum ist der Streit zwischen den beiden Reichen.

55.48. Denn die Kinder Christi müssen in dieser Zeit nach dem äußeren Menschen im Reich der verdorbenen menschlichen Natur leben, nämlich im Reich der Esauiten, und sind doch nach dem Geist nur fremde Gäste darin, wie auch Christus sagte: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. (Joh. 18.36)« Darum sind ihnen die Kinder dieser Welt gram und verfolgen sie, wie Esau seinen Bruder Jakob.

55.49. Denn wo das Reich Christi zu grünen beginnt, da beginnt alsbald das Reich des Teufels zu zürnen, und zwar darum, weil ihm das Reich Christi die Gewalt und den fürstlichen Thron nehmen und zerbrechen will und soll. Daher kommt der Streit zwischen Jakobs und Esaus Kindern in dieser Welt.

55.50. Denn sobald Jakob den Segen empfing, faßte sich Esau in seinem Gemüt den Vorsatz, Jakob zu ermorden, welches eine Darstellung Christi ist, wie ihn der Zorn Gottes in diesem Segen unserer angenommenen Menschheit nach dem Reich der Natur ermorden sollte, und wie die Kinder Christi nach diesem Naturreich im Zorn Gottes gemordet werden würden und ihr Blut in diesem Mordgeist vergießen, so daß damit Gottes Zorn getilgt und in Liebe verwandelt würde.


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