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(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)
Wie Abraham eine weitere Frau nahm, mit der er noch sechs Söhne zeugte, denen er Geschenke gab. Wie er alle seine Güter seinem Sohn Isaak gegeben hatte, und die anderen noch zu seinen Lebzeiten von sich ziehen ließ, und wie er gestorben war, und was darunter zu verstehen sei. (1.Mose 25.1-10)
51.1. Moses spricht: »Abraham nahm wieder eine Frau, die hieß Ketura und gebar ihm Simran, Jokschan, Medan, Midian, Jischbak und Schuach, von denen sechs Geschlechter entstanden.« Mit Sara zeugte Abraham nur einen Sohn, von dem die ganze Geschichte deutet. Aber mit Ketura zeugt er sechs Söhne, davon nichts Besonderes als nur ihr Geschlecht berichtet wird. Dies versteht man im Inneren so: Abraham mußte mit seiner Sara zuvor alt werden, ehe er Isaak zeugte, um anzudeuten, daß Christus im Alter der Welt im Fleisch offenbar werden sollte.
51.2. Isaak wurde aus Abrahams Natur und aus dem Wesen des Glaubens gezeugt, und zwar in einer alten, fast wie abgestorbenen Matrix nach menschlicher Natur empfangen, damit Gottes Sein den Vorrang habe. Als aber Sara starb, nahm sich Abraham die Ketura und zeugte bald sechs Söhne mit ihr. Ketura spricht in ihrem Namen das Zentrum der Natur aus. Wenn man die sinnlichen unverdichteten Geister der Buchstaben in dieses Wort „Ketura“ formt, dann versteht man, daß Ketura eine geformte Matrix der Natur sei, um anzudeuten, daß Abraham, nachdem er das Vorbild Christi im Wesen des Glaubens gezeugt hatte, nun sein eigenes Bildnis nach Adams Natur aus den sechs Eigenschaften des natürlichen Geistlebens zeugen sollte, um auch sein eigenes natürliches Bildnis darzustellen. Entsprechend mußte er auch ein solches Gefäß dazu haben.
51.3. Sara durfte nur einen einzigen Sohn gebären, um anzudeuten, daß das Reich der Menschen nur Einem gegeben sei, und daß sie alle unter diesen Einzigen (ganzheitlichen Menschen) gehörten und in ihm dieser Einzige werden sollten, wie die Äste an einem einzigen Baum, der Christus in allen sein sollte.
51.4. Aber hier zeugte Abraham nun mit Ketura sechs Söhne nach den sechs Eigenschaften der geformten Natur der Wirkung der sechs Tagwerke. Und Isaak, das heißt, Christus, ist der siebente als der Ruhetag oder Sabbat, dahinein die sechs Söhne in die Ruhe eingehen sollten, gleichwie die sechs Tage der Schöpfung, das heißt, die sechs Eigenschaften des Zentrums der Natur, als das wirkende Geistleben im siebenten Tag ruhen. So stellte auch der Geist Gottes die Geschichte in Abraham dar.
51.5. Und so haben wie hier eine sehr schöne Darstellung gegen die Verstandesweisen, die sagen: „Wer nicht von Natur aus im Wesen des Glaubens geboren sei, der sei verstockt und könne nicht zur Kindschaft Gottes kommen. Denn er werde nicht von Gott gezogen, so daß er zur neuen Geburt kommen könne.“ Diese Darstellung schlägt ihren Tand (Unsinn) zu Boden und weist den wahren Grund, und stellt erstlich Isaak als Christus dar und zeigt an, wie ihm allein das Reich Gottes erblich und eigen sei, und daß es kein Mensch mehr zum Naturrecht haben könne. Und sie zeigt auch, wie wir mit Adam allesamt davon ausgestoßen worden sind und dasselbe verloren haben, wie die Kinder der Ketura alle von Abrahams Gütern ausgestoßen wurden und diese allein Isaak erbte.
51.6. Und es stellt daneben auch dar, wie Adams Kinder aus Abraham geboren worden sind, und wie er ihnen von seinem Gut Geschenke gegeben habe. Das deutet an, wie Adams natürlichen Kindern aus des göttlichen Vaters und Christi Gütern Geschenke gegeben werden, wie ihnen auch Abrahams Güter aus Gnade als Geschenk gegeben wurden.
51.7. Denn Abraham stieß seine natürlichen Kinder nicht ohne Geschenk von sich aus, und so stieß auch Gott Adam nicht ohne sein Geschenk aus dem Paradies. Er schenkte ihm vorher den Schlangentreter im Wort des Bundes, und danach stieß er Adam aus der kindlichen Erbschaft des Naturrechts, und nahm ihn aber in der Schenkung wieder an. Wie auch hier Abraham seine Kinder nicht von der Kindschaft verwarf, sondern vom Naturrecht seiner Güter, aber in der Kindschaft waren sie ihm lieb. Darum schenkte er ihnen von seinen Gütern und deutet damit an, daß zwar das Himmelreich allein Christus als dem wahren Isaak gehöre, aber wie er Adam den Bund aus Gnade schenkte und wie Abraham den Kindern der Nebenfrauen aus Isaaks Recht Geschenke gab, so gibt noch heute Gott der Vater den natürlichen Kindern Adams und Abrahams den Bund und das Erbe Christi als ein Geschenk.
51.8. Und wie Abrahams natürliche Kinder nicht vom Bund enterbt waren, sondern nur von seinen Gütern, so ist auch kein Mensch vom Bund Gottes enterbt, der in Adam und Abraham geschlossen wurde. Ein Jeder empfängt den geschenkten Bund im Mutterleib, darin er die Macht hat, in seinem geschenkten Bund in Christi Güter einzukehren.
51.9. Aber die Güter hat er nicht aus Naturrecht, um sie in eigenem Willen zu nehmen, sondern als ein Geschenk. Er soll und muß sich in den Bund als ein Diener ergeben, seinen natürlichen Willen in den Bund geben, den Willen zum Naturrecht verlassen und des Bundes Eigentum werden, so daß er nicht mehr seinen eigenen natürlichen Willen in den Bund und das Geschenk hineinführe, sondern seinen Willen dem Bund ergebe. Dann steht das Geschenk anstatt des eigenen Willens, und die Natur Adams lebt im Geschenk und genießt gleichwohl die Erbschaft, aber nicht im eigenen Willen, sondern in der wahren Gelassenheit, darin der Wille des Bundes des Menschen Wille wird.
51.10. Denn der Wille des Bundes erbt die Kindschaft im Naturrecht, aber der Wille der natürlichen Ichheit ist davon ausgestoßen. Der muß der Eigenheit absterben, und wenn das geschieht, dann steht er im Bund in Christus auf und besitzt das Geschenk im Gnadenrecht. Christus hat sich im Bund in Adams Geschenk in der menschlichen Natur offenbart und ist des Bundes Leben und Willen geworden und hat diesen erfüllt.
51.11. Nun liegt aber dieser geschenkte Bund, den Gott Adam schenkte, in allen Menschen. Denn wie sich die Sünde von einem auf alle vererbte, so auch der Bund und das Gnadengeschenk von einem auf alle. Ein jeder Mensch hat Christus in sich, aber der eigene Wille ergreift ihn nicht, sondern er kreuzigt ihn, und will nicht der Ichheit absterben, so daß er in Christi Tod einginge und im Bund im Willen Christi auferstünde.
51.12. Der eigene Wille will nur ein angenommenes Gnadenkind sein, und er ist doch vor Gottes Angesicht verstoßen, gleichwie Abraham seine natürlichen Kinder von seinen Gütern ausstieß und sie enterbte, und die Güter allein Isaak gab. So gehört auch das Reich allein dem Willen des Bundes.
51.13. Welcher zwar in allen Menschen liegt, aber kein Mensch kann das Reich Gottes empfangen oder schauen, er werde denn des Bundes Kind, so daß er den natürlichen ausgegangenen Willen verlasse und den Willen Christi im Bund anziehe, damit sein Wille im Bund in Christus neugeboren werde. Dann ist er eine Rebe am Weinstock Christi und empfängt Christi Geist, Willen und Leben und wird nach dem Bund Christus. So wohnt dann Christus in Adam, und Adam in Christus, und das ist es, was der Geist Moses in dieser Darstellung vorgezeichnet hat.
51.14. Daß aber Abraham die Kinder seiner adamischen Natur mit den Geschenken von sich aus seinem Haus ziehen ließ und nicht bei sich als Hausgenossen behielt, deutet an, daß zwar der äußerliche Mensch in dieser Zeit im Willen der Ichheit auf Erden leben werde und diesen Willen nach dem irdischen Menschen nicht ganz ablegen könne, aber dieser irdische Eigenwille sei von Gottes Heiligkeit, als vom Himmelreich, ausgestoßen.
51.15. Obwohl das Geschenk des Bundes in ihm verborgen liegt, so sei doch der äußere irdische Mensch vom Paradies und Bund Gottes ausgestoßen und soll das Himmelreich nicht erben (1.Kor. 15.50). Sondern allein der, welcher aus dem Geschenk des Bundes geboren werde, nicht Adam, sondern Christus in seinen Gliedern, nicht das Sein der Schlange und der eigene, abtrünnige, ismaelische, spöttische und falsche Wille, sondern der Wille des Bundes in Ismaels Beschneidung, mit welcher der Spötter vom Bund abgeschnitten wird, so daß dann Ismael Isaaks Bruder ist.
51.16. Der eigene, selbergemachte, grobe und irdische Adam, der sich durch seine Lust zu einem Tier gemacht hat und des Teufels Begierde und Willen in das eingeführte Tier hereinnahm, der kann nicht im Bild Christi sein oder bleiben. Er ist ausgestoßen und wandelt in der Welt Eitelkeit und Eigenlust. Auch ist er des Geschenks im Bund nicht fähig.
51.17. Aber der wahre adamische Mensch, den Gott aus der Matrix der Erde machte, daraus auch die Erde entstand, in dem steht der Bund und das Geschenk, gleichwie eine Tinktur im groben Blei, welche die Grobheit des Bleis als den groben Saturn in seiner eigenen Begierde in sich verschlingt und den Saturn-Willen tötet und seinen eigenen (d.h. der Tinktur Willen und Eigenheit) im Blei emporführt, dadurch das Blei in Gold verwandelt wird.
51.18. So versteht auch in gleicher Weise: Der grobe und saturnische Eigenwille aus der finsteren Welt Eigenschaft im Menschen kann nicht in Gottes Haus wohnen, denn er ist draußen in der verdorbenen Welt. Gott hat ihn aus dem Paradies ausgestoßen, wie Abraham seine natürlichen adamischen Kinder aus Isaaks Gütern ausstieß. So geht es auch unserem irdischen Menschen nach seiner angenommenen Grobheit und Eigenheit, der zum Himmelreich nichts nütze ist. Er ist nur das Beil, mit dem der Zimmermann in dieser Zeit hauen kann. Doch im Himmel benötigt er dieses Beil nicht, denn er muß sich dort kein Haus zur Eigenheit bauen, sondern Christus, als das geformte Wort Gottes, ist sein Haus.
51.19. Und wie Abraham seine Kinder von den Nebenfrauen mit Geschenken aus seinem Haus stieß, so wurde auch der adamische Mensch von Gott gestoßen, den Christus, als des Vaters Geschenk, wieder in sich annahm. Denn als Christus wieder in unsere Menschheit kam, ließ ihn Gott ans Kreuz hängen und töten, nahm ihn aber in seinem Geschenk wieder an und setzte ihn zur Rechten der Kraft Gottes im Himmel und unsere Menschheit mit und in ihm. Aber der menschliche Eigenwille mußte am Kreuz sterben.
51.20. So deutet auch der Geist Moses hier in der Darstellung mit Abraham und seinen Naturkindern an, daß der äußere natürliche Mensch nicht im Sein Christi wohnen sollte, denn er wurde in Adam aus dem Paradies ausgestoßen. So könne er auch nach seiner tierischen Eigenheit nicht in Isaaks Güter als im Sein des Glaubens in Christus eingenommen werden. Und obgleich Christus als des Vaters Geschenk im inneren wahren Menschen wohnt, den Gott in Adam erschuf, so soll doch das grobe Tier, als die Irdischkeit und Eitelkeit, von Christus auf allen Wegen ausgestoßen sein. Ja, ein jeder Mensch, der ein Christ sein will, soll den irdischen Willen, den es nach Eitelkeit und eigener Lust gelüstet, von sich ausstoßen.
51.21. Gleichwie Abraham in dieser Darstellung seine Kinder nicht schonte und sie ausstieß, so soll auch ein Christ seine Kinder der eigenen Lust und Begierde und alles, was dem anhängt, nicht schonen, sondern mit der Vernunft aus dem wahren Tempel Christi als aus Gottes Geschenk täglich und stündlich ausstoßen und den alten Adam kreuzigen. Wenn das nicht geschieht, dann kreuzigt sonst der alte eigenwillige Adam Christus in sich, so daß Christus am Kreuz hängen muß und getötet wird.
51.22. Auch bedeutet diese Darstellung von Abraham mit dem Ausstoßen seiner Naturkinder, daß Christus als der wahre Isaak ins Fleisch kam, nämlich in die Menschheit. Und da wurden Abrahams natürliche Kinder, als die Juden, unter dem Reich Christi von den natürlichen Gütern, als von aller Herrschaft, von Land und Königreich ausgestoßen, und so hörte ihre Herrschaft auf. Denn die Herrschaft gehört nun Christus, als der Christenheit, denn Christus brachte ein ewiges Königreich mit, und die Güter waren alle sein, in gleicher Weise wie sie Isaak gehörten.
51.23. Auch wenn sie diese nicht alle beherrschen, gleichwie Isaak nur das beherrschte, was ihm sein Vater hinterließ. Und die natürlichen Kinder Abrahams von Ketura wurden danach Heiden und beherrschten zwar die äußeren Güter als Kinder der äußeren Natur, aber dennoch mußten diese Kinder Abrahams, die im Bund unter der Beschneidung waren, als Christus sich offenbarte, ausgestoßen werden, um anzudeuten, daß auch an den Kindern des Bundes der irdische Mensch von Gott verstoßen werden muß, nämlich die Ichheit im Schlangenwesen.
51.24. So wurde mit Abraham und seinem Sohn Isaak die Bildung des Reichs Christi dargestellt. Als aber Christus ins Fleisch kam, da nahm Gott die Bildung weg, und nahm den äußerlichen Kindern Isaaks die äußeren Güter des Landes Kanaan, um anzudeuten, daß nun das heilige Land Kanaan offenbar geworden sei und Isaaks Kinder das wahre verheißene Erbe in Christus einnehmen sollen, und nicht mehr die äußerliche Bildung, sondern das Wesen der Bildung, als das Vollkommene. Sie sollen nun die äußeren Güter samt ihrer Bildung verlassen und Christus im Fleisch anziehen.
51.25. Daß sich aber die Juden, als Isaaks und Abrahams Kinder, als die Kinder in Christi Bildung, nicht alle zu Christus gewandt haben, als er sich im Fleisch offenbarte, hat diese Bedeutung: Gott gab ihnen das Gesetz der Natur, darin im Gesetz äußerlich das Regiment der Natur verstanden wurde und innerlich Christus, als den Bund und das verheißene Geschenk Gottes im Paradies, so daß das Gesetz der Natur Christi Hausgenosse werden sollte, und daß der wahre Mensch unter dem Gesetz der Natur in Vernünftigkeit leben möge, aber seine eigene Natur in das Haus von Christus hineinführen soll. So mußte die Bildung des Gesetzes bei etlichen Kindern Abrahams, als bei etlichen Juden bleiben, um anzudeuten, daß das Gesetz Christi Hausgenosse sei.
51.26. Versteht, daß die Natur des Menschen bleiben soll und nicht ganz von Gott verstoßen ist, daß also kein ganz fremder neuer Mensch aus dem Alten entstehen sollte, sondern aus Adams Natur und Eigenschaft und aus Gott in Christi Natur und Eigenschaft, so daß der Mensch ein Adam-Christus sei, und Christus ein Christus-Adam, ein Menschgott und ein Gottmensch. Und darum ist die Bildung bei den Juden geblieben, und aus diesen Ursachen sind sie nicht alle zu Christus bekehrt worden, damit die Natur ihre Bildung und ihr Recht behielte, denn sie soll ihre Kinder unter dem Gesetz, als die Bildung Christi, Gott dem Vater in Christus überantworten. Aber ihre Bildung wird im Feuer Gottes geprüft werden, auf daß erkannt wird, wer ein wahres Kind des natürlichen Gesetzes in der Bildung Christi gewesen ist, das heißt, wer im Geist im Gesetz aus der Bildung Christi geboren wurde oder nicht.
51.27. Nicht der Mund-Titel macht einen Juden, der in der Bildung und im Gesetz geboren wurde, sondern wer aus der Verheißung im Glauben Abrahams geboren wird. Denn wer in Christi Bildung als im Gesetz mit Mund und Herzen lebt, den hat das Gesetz Gottes in Christi Bildung eingefaßt und wird ihn in die Erfüllung der Bildung hineinführen.
51.28. Denn es liegt nicht allein am Wissen des Menschen, so daß er wisse, daß sich Christus in das Gesetz gegeben habe und die Erfüllung im Gesetz sei, wie sich der Mund-Christ rühmt, sondern es liegt an göttlicher Ordnung, an Gottes Erbarmen. Wer ein wahrhafter Jude gewesen ist und Abrahams Glauben im Gesetz angezogen hat, der hat das Sein Christi angezogen, das Abraham empfing. Dieses Sein des Glaubens hat die Menschheit Christi erfüllt und ist sich selbst verborgen, was es ist, denn es wirkt im Amt der Natur im Gesetz Gottes, das Christus in sich eingenommen und erfüllt hat. So dient es Gott im Amt der Natur, und das Amt der Natur dient Christus, denn es ist Christi Eigentum geworden.
51.29. »Denn ihm ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben worden. (Matth. 28.18)« Unter welcher Gewalt auch das Amt der Natur im Gesetz steht. Denn Gott im Geist Christi ist es selber, der das Gesetz und das Amt der Natur, um recht zu tun, samt der Bildung vom Reich Christi mit dem Glaubens-Wesen an Abraham und Moses gab, und ist es auch selber, der den Glauben und das Gesetz erfüllte.
51.30. So wirkt der Jude in seinem Glauben in Christi Amtmann, als im Gesetz, damit Christus in der Natur regiert, und hat Christus im Bund und im Glaubens-Wesen in Christi Bildung angezogen, die Christus erfüllt hat.
51.31. Und der Christ, der Christus im Fleisch bekennt, wirkt in seinem Glauben im Fleisch Christi und hat das Gesetz der Natur als Gottes Amtmann, um recht zu tun, in seinem Glauben. Denn Christus herrscht mit dem Gesetz Gottes (welches er erfüllt und zum Knecht gemacht hat) in seinen Kindern und tötet das Gesetz der Sünde durch die Erfüllung seiner Liebe in seinem Blut und Tod, sowohl in denen, die im Regiment seines Gesetzes leben, als auch in denen, die im Regiment seiner Überwindung leben, nämlich die Christen.
51.32. Denn der Glaube, der im Gesetz durch die Bildung im Bund zu Gott dringt, der dringt in Abrahams Glaubens-Wesen, aus dem Christus geboren wurde, zu Gott. Der aber in der Erfüllung zu Gott dringt, der dringt in der Menschheit Christi, als in seinem ganzen Prozeß seines Leidens, Todes und Auferstehung zu Gott.
51.33. Ein Christ ist Christus in der inneren Menschheit, und ein Jude ist Christus in der Bildung und im Amtmann seines Gesetzes, nämlich nach der Natur. Nun ist aber doch Adam in seiner Natur und Christus in der göttlichen Natur nur Eine Person geworden, nur ein einziger Baum. Wer ist nun hier, der da richtet?
51.34. St. Paulus spricht: »Es ist kein Ansehen der Person vor Gott. Alle, die ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verlorengehen. Und alle, die unter dem Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz verurteilt werden. Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz hören, sondern die das Gesetz tun, werden gerecht sein. Denn wenn die Heiden, die das Gesetz nicht haben, trotzdem von Natur aus tun, was das Gesetz fordert, dann sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst das Gesetz. Sie beweisen damit, daß des Gesetzes Werk in ihr Herz geschrieben ist. Zumal ihr Gewissen sie überzeugt, und dazu auch die Gedanken, die sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen. (Röm. 2.11-15)« Und das heißt:
51.35. Wenn die Heiden Christus ergreifen, dann ergreifen sie das Gesetz der Natur, um recht zu tun, denn Christus ist des Gesetzes Anfang und Erfüllung. Die Juden aber haben das Gesetz. Wer nun übertritt und sündigt (als der Jude im Gesetz der Natur oder der Heide, der sich zu Christus bekennt, am Gesetz der Erfüllung), der soll jeweils in seinem Gesetz bestraft werden, nämlich der Jude im Gesetz Gottes des Vaters in Christus, und der Christ im Gesetz des Evangeliums, als im Gesetz der Erfüllung.
51.36. Und hier ist kein Ansehen des Namens, so daß einer sagt „Ich bin ein Jude!“, und der andere: „Ich bin ein Christ!“ Der Name macht keinen Unterschied in der Kindschaft Gottes, sondern der Geist im Herzen, um recht zu tun und Gott gehorsam zu sein. Sie alle kommen in der Gnade unter dem Gehorsam Christi zu Gott, der Jude und Christ.
51.37. Denn ohne Christus ist weder Gesetz noch Evangelium. Christus ist die Gerechtigkeit, die im Gesetz vor Gott gilt, und so hat auch der Mensch ohne Christus keinen Gott. Er laufe nun im Gesetz oder Evangelium, wenn er in der Begierde läuft, Gott gehorsam zu sein, dann läuft er im Gesetz der Erfüllung. Denn Christus ist der einzige Gehorsam, der vor Gott gilt, in beiden, im Gesetz und Evangelium. Alle Menschen, die sich in den Gehorsam Gottes ergeben, werden in Christi Gehorsam, als in der Erfüllung des Gehorsams, auch angenommen, der Jude und der Christ, sowie auch der Heide, der weder das Gesetz noch das Evangelium hat.
51.38. Denn wenn der Heide begehrt, dem einigen Gott gehorsam zu sein, und erkennt ihn aber nicht nach dem Wesen seiner Offenbarung, dringt aber in das Gehorsam Gottes, dann ist er sich selber ein Gesetz und bezeugt im Werk, daß Gott sein Gesetz in ihn geschrieben hat, das er in seinem Sohn erfüllt hat, wie Paulus sagt (Röm. 2.14). Denn wer das Gesetz und Evangelium weiß (durch Wissen kennt), der weiß es als eine Gabe des Gebers, der ihm das Wissen gegeben hat. Wer es aber nicht weiß, und doch die Kraft des Gesetzes und Evangeliums begehrt, in dem weiß Gott in Christus, was er will.
51.39. Denn die Gnade liegt nicht allein im Wissen, daß einer die Gnade in Christus weiß, sondern im Eindringen in die Gnade und an Gottes Erbarmen. Einer dringt im Gesetz in das Erbarmen, der andere im Evangelium, der dritte ohne Gesetz und ohne das Wissen des Evangeliums, und wer davon keines hat, hängt aber an der Gnade Gottes, und die wird ihm im Verdienst Christi geschenkt, ohne all sein Wissen.
51.40. Gleichwie der Ast am Baum nicht weiß, woher ihm der Stamm den Saft und die Kraft hereinführt, aber er sehnt sich nach der Kraft der Wurzel und zieht den Saft mit seiner Begierde in sich. In gleicher Weise sehnt sich mancher unwissende Mensch nach seiner ewigen Mutter, aus der er mit Adam entstanden ist, und kommt in seiner Unwissenheit wieder in das Gnadengeschenk, das Gott Adam in seinem Fall schenkte. Denn der Bund und die Gnade vererbt sich von Adam auf alle, wie sich auch die Sünde von einem auf alle vererbt. Wer also die Gnade des einigen Gottes begehrt, der erlangt sie in Christus, der die Gnade selbst ist.
51.41. Die Juden wollen die äußere Menschheit Christi nicht glauben, und verleugnen sie. Die Christen glauben zwar daran, aber beflecken sie mit gottlosem Wandel. Und so ist vor Gott einer wie der andere, ausgenommen die Kinder des Glaubens unter den Juden und Christen, deren beflecktes Kleid im Blut Christi gewaschen wird.
51.42. Nicht bestätigen wir hiermit den Unglauben der Juden und Heiden, so daß sie in der Blindheit bleiben sollen, denn die Zeit ihrer Heimsuchung ist geboren, daß sie sehend werden. Sondern wir decken hiermit den falschen Antichrist bei den Juden und Christen auf, indem sich ein jeder seines Namens rühmt und den anderen verdammt: Der Jude im Gesetz, der Christ im Evangelium und der Heide in seinem Aberglauben.
51.43. Ein jeder will in seiner Wissenschaft Gottes Kind sein. Aber der Ungehorsam und Unglaube ist doch bei einem Volk so groß wie beim anderen, und sie sind in ihrer Wissenschaft nur eine Bildung vor Gott, und keiner wird allein durch das Wissen selig. Denn daß ich für wahr halte, daß Christus geboren, für mich gestorben und vom Tod auferstanden sei, macht mich nicht zum Kind Gottes. Der Teufel weiß das auch, es nützt ihm aber nichts. Ich muß Christus in der Glaubensbegierde anziehen und in seinen Gehorsam, in seine Menschwerdung, sein Leiden und seinen Tod eingehen, und in ihm auferstehen und den Gehorsam Christi anziehen: Dann bin ich ein Christ und nicht eher.
51.44. Das Richten und Verdammen ohne Gottes Befehl ist nur der Antichrist bei den Juden und bei den Christen. Ohne Gottes Erbarmen kommt niemand zur Kindschaft. Wir müssen alle durch das Erbarmen Gottes eingehen, der Jude und der Christ, der Wissende und der Nichtwissende. Unser Wissen soll in der Liebe Christi völlig (ganzheitlich) werden, so daß wir einander lieben, sonst hat das Wissen keinen (wahren) Nutzen. Wenn ich mein Wissen nicht mit der Begierde in der Liebe Gottes, mit der er uns in Christus geliebt hat, hineinführe und meinen Nächsten in der Liebe Gottes in Christus mit der Liebe liebe, mit der uns Gott allgemein liebt und geliebt hat als wir seine Feinde waren, dann habe ich noch nicht Gottes Liebe in mir wohnen.
51.45. Aber wie kann jemand lieben, der seinen Bruder wegen der Wissenschaft verachtet, obwohl uns doch Gott liebte, als wir noch nichts von seiner Liebe wußten? Hat ein Mensch nicht dieselbe Liebe Gottes in sich, mit der uns Gott liebte, als wir ihn nicht kannten? Was rühmt er sich dann lange der Kindschaft Gottes? Ist er Gottes Kind, dann hat er auch die freie Liebe Gottes, mit der Gott alle Dinge liebt. Hat er die nicht, dann ist er der Kindschaft noch nicht fähig. Wenn nun einer seinen Bruder verachtet und verdammt, der noch nicht die Wissenschaft hat, wie kann er sich dann der Liebe Gottes rühmen, mit der Gott seine Feinde in Christus liebte, und mit der Christus für seine Feinde bat?
51.46. Oh du falsche kalte Liebe der Titelchristenheit! Wie schilt sich die ewige Wahrheit in dein Gewissen, weil du nur am Wissen hängst und um die Wissenschaft zankst, aber die Liebe nicht hast. Du richtest dich in deinem Richten nur selber, wie jeweils ein Haufen den anderen richtet, und sie sind doch vor Gott nichts anderes als die natürlichen Kinder Abrahams von Ketura, von denen je einer dem anderen die Schuld gab, daß sie der Vater vom Erbe ausgestoßen hatte, und nicht sehen konnten, was die Schuld war, nämlich die bösartig verdorbene Natur, die kein Erbe war.
51.47. In gleicher Weise ist auch euer Richten kein Erbe der Güter Christi, denn es wird von der Erbschaft ganz ausgestoßen, sowohl das Richten der Juden als auch der Christen, wie auch der Türken. All euer Zanken ist nichts anderes als der Spötter Ismael, der Christus in seinen Gliedern spottet. Ihr alle mißbraucht den Namen Gottes mit eurem Richten und verdammt die mancherlei Gaben des Geistes Gottes unter euch, und richtet nur in der Ichheit und nicht nach der Liebe Christi.
51.48. Euer Richten ist nur ein Schaden der Welt, mit dem ihr die Unwissenden irremacht und zur Lästerung führt. Ihr lehrt ihnen das Verdammen, denn das wahre Wissen im Geist Gottes habt ihr selber nicht. Ihr lehrt euch selber nicht, und wollt doch andere lehren und richten, und seid in diesem Lauf allesamt nur die ausgestoßenen Kinder der Ketura, zankt und beißt euch um Abrahams bzw. Christi Güter, und habt sie doch nicht. Denn hättet ihr diese, dann hättet ihr die Liebe Christi, welche die wahren Güter sind.
51.49. Kein Wissen ohne die Liebe Christi ist etwas zur Kindschaft nütze. Es ist nur Babel und Fabel, lehren und selber nichts tun, als nur den Abgott Mäusim (die „Ich-Festung“) in sich selber ehren. Das Wissen der hohen Schulen und das Wissen des Teufels ohne den Geist Christi in der Liebe bringen beide nur Streit und Verderben.
51.50. Hätte der Teufel nicht in der Ichheit gewußt, dann wäre er ein Engel. Hätte Adam nicht das Ich-Wissen ohne Gottes Liebe begehrt, dann wäre er im Paradies geblieben. Und wüßten die hohen Schulen nicht das scharfe Disputieren, dann blieben sie in der Einfalt Christi und hätten nicht die ganze Welt mit ihrem Zanken in Meinungen geführt, dadurch man ganz von der Erkenntnis Gottes in Meinungen und in Richten hineingegangen ist, so daß jetzt nichts als Verdammen in der Christenheit ist und alle Liebe und Wahrheit verloschen sind, weil man die Seligkeit in die Meinungen gefaßt hat und den Meister an den Knecht gebunden, daß also der Antichrist über Christus herrscht, darunter er doch nichts, als nur seinen Luzifer und Gott Mäusim des Bauches ehrt und meint, wie vor Augen steht.
51.51. Nachdem nun Abraham die Kinder der Nebenfrauen alle aus seinen Gütern mit Geschenken gegen den Morgen von sich gelassen hatte, wie Moses sagt »Sie wären gegen Aufgang (nach Osten) ins Morgenland gezogen.«, das heißt, in das Regiment der Natur, wo sich das Wesen anfängt. Danach war Abraham in einem ruhigen Alter gestorben, als er alt und lebenssatt war, und wurde auch in die zweifache Höhle gegenüber Mamre neben seiner Sara begraben. Die innere Bedeutung versteht so:
51.52. »Abrahams natürliche Kinder von den Nebenfrauen zogen gegen Morgen.« Damit deutet der Geist auf die Bildung des ganzen Menschen. Wenn sich Christus im Menschen offenbart und seine Güter besessen hat, wie hier Isaak, dann geht die Natur wieder in den Anfang, als in des Vaters Eigenschaft, und wirkt nach der Seele im ersten und dritten Prinzip. Und Christus sitzt in der Mitte, als im zweiten Prinzip, und beherrscht dasjenige, was die Natur in des Vaters Eigenschaft in göttlicher Weisheit formt und bildet.
51.53. Darum sagt hier Moses, sie waren gegen Morgen gezogen, und deutet heimlich in seiner Darstellung auf des Menschen Eigenschaft, wie die Natur den Morgen, als den Anfang des Regimentes besitzt, wie dann auch Christus sagte, er wäre wie ein Weingärtner, der da nachlese. Im Reich Gottes ist die Natur Christi Knecht, aber im Reich der Natur der Ichheit hat sich Christus mit seiner Demut zum Knecht und Gehilfen hineingegeben und dient dem Vater in seiner natürlichen Offenbarung, und liest immerfort hinterher, was der Vater durch die Natur formt, denn das führt die Weisheit in ihren Schatz.
51.54. Darum sagt St. Paulus, daß der Geist Gottes auch den Kindern untertan sei und mit ihnen in die Erforschung bis in die Tiefe der Gottheit eingehe (1.Kor. 2.10). Und wenn es so weit kommt, dann ist der Mensch in einem ruhigen Alter. Wenn alles in ihm in seiner Ordnung ist, wie die Natur am Morgen, in des Vaters Eigenschaft, und Christus am Abend, in der Demut, dann hat der Mensch das äußerliche, bösartige und sündhafte Leben gar satt. Er sehnt sich immerfort mit seinem Wesen in die zweifache Höhle einzugehen, nämlich in die ewige Mutter, wie oben erklärt wurde.
51.55. Und wenn er seine Lebensgestaltungen in die göttliche Ordnung gebracht hat, wie hier Abraham alles in eine Ordnung gebracht hatte, dann ergibt er sich ganz und gar in einem Wesen in die ewige Gebärerin, und mit seinem eigenen Willen in den Tod und das Sterben, und ist des Lebens der Ichheit ganz überdrüssig und müde, und ruht so in seinem Gott.