Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

49. Kapitel - Der Tod Saras und das Erbbegräbnis

Vom Tod Saras und dem Erbbegräbnis Abrahams, was damit angedeutet und zu verstehen sei. (1.Mose 23)

49.1. Der Geist in Moses hat sich die ganze Bildung des Menschen bei Abraham vorgestellt, was sein Zustand in dieser Welt sein würde und was danach mit ihm sei. Denn wie er zuerst vom Anfang, als vom Stamm des menschlichen Baumes gesprochen hat, woher er entsprossen war, so zeigt er danach seine Äste und Zweige neben seiner Kraft und Tugend auf und erklärt, wie dieser Baum in seiner Kraft und Essenz verdorben worden war, und wie Gott die höchste Tinktur darauf gewandt habe, ihn wieder zu tingieren (bzw. zu heilen) und zu erneuern, und wie dem Gift in der Essenz dieses Baumes widerstanden wurde.

49.2. Hier deutet er nun ganz wunderlich an, wie dieser Baum in der verdorbenen Eigenschaft in einem fremden Acker stand und sich mit der Wurzel in einer fremden Eigenheit eingewurzelt hatte, darin die Wurzel nicht daheim gewesen war, und wie die Wurzel des Menschenbaumes den fremden Acker samt der eingeführten fremden Essenz verlassen und sich ganz frei aus ihrem Lebenswillen und ihrer Begierde ausgeben müsse.

49.3. Auch wird dabei angedeutet, wie die Stätte, daher die menschliche Wurzel entsprossen war, zwischen der heiligen geistigen Welt und dieser verdorbenen Welt sei, wie des Menschen Eigentum (daher er entsprossen ist) in einer zweifachen Höhle als in zwei Prinzipien steht, wie er in dieser zweifachen Höhle wieder begraben werden müsse, gleichwie ein Korn im Acker gesät wird, und wie diese zweifache Höhle des Menschen Eigentum sei, dessen Wesens er selber essentiell ist.

49.4. Dieser Darstellung sehen wir hier bei Abraham. Denn als er in dieser äußeren Welt wandelte, sollte er auf Erden kein eigenes Land besitzen, sondern zog von einem Ort zum anderen und war überall fremd. Als aber seine Sara starb, wollte er ein Erbbegräbnis (in einer erblichen Grabstätte im Familienbesitz) für seine Frau und auch für sich und seine Kinder haben. Dazu wollte er es nicht umsonst haben, sondern kaufen, welches alles eine ganz wunderliche Vorstellung ist und nicht nur eine bloße Geschichte, wie es die Juden gehalten haben, weil ihnen die Decke Moses vor den Augen hing. Deshalb wollen wir auch die innere Bildung neben die äußere stellen und sehen, was der Geist in Moses hier andeutet.

49.5. Moses sagt, Sara sei zu Hebron in der Hauptstadt im Land Kanaan gestorben. Die Geschichte mag nun so sein, aber darunter hat der Geist seine Bildung, denn er sieht auf das Zentrum, wo der Tod der Heiligen sei, und wo der wirkliche Mensch absterben müsse, nämlich in der Hauptstadt Hebron, das heißt, im geformten Wort, wo er die Ichheit und Eigenlust in das geformte Wort der Eigenschaft seines Lebens hineingeführt hat und sich in ein eigenes Regiment geführt, wie in eine Hauptstadt, wo der eigene Wille sich eine Stadt des Eigentums in das geformte Wort eingebildet und wie ein eigenes Land erbaut hat, weil er meint, er sei ein Gott oder etwas Eigenes, so daß er tue was und wie er wolle. So muß dieser eigene Wille in der Hauptstadt, als im geformten Wesen des Wortes, in seinem Zentrum sterben, nämlich in der Stadt seiner Eigenheit.

49.6. Und diese Stadt Hebron liegt gegenüber Mamre, als zwischen der ewigen und zeitlichen Natur, wo die zweifache Höhle ist, als Gottes und der Natur Reich, denn in diese zweifache Höhle wollte Abraham seine Sara begraben und die Höhle zum Eigentum haben.

49.7. Das heißt so viel wie: Wenn die Kinder der Heiligen in Hebron, als in der Stadt menschlicher Eigenheit, des eigenen äußeren und natürlichen Lebens der Ichheit absterben, dann will das wahre gelassene Leben nicht mehr in einem fremden Acker oder in fremder Essenz stehen, sondern in seiner eigenen, daraus es ursprünglich entstanden ist. Weil es aber diesen Lebensacker in Adam verloren hat und sich in einen fremden Acker einwurzelte, nämlich in den Schlangen-Acker der Falschheit, so kann sich das Leben den ersten wahren Acker nicht aus Recht wiedernehmen, sondern muß ihn kaufen. Das ist auch die Bedeutung, daß ihn Christus mit seinem Blut aus himmlischer Wesenheit als eine heilige Tinktur gekauft hat, nämlich von der ewigen Natur, darin Gottes Zorn als Grimm im Zentrum der Natur offenbar geworden war und diesen Acker in menschlicher Eigenschaft in sich als sein Eigentum verschlungen hatte. Denn aus dem Zentrum der Natur ist das Wort menschlicher Eigenschaft in eine Formung gegangen, und das hatten die Kinder der Ichheit besessen. Darum sagt der Geist, die Kinder von Het (die Hetiter) hätten den Acker zum Eigentum gehabt.

49.8. Und das deutet an, daß Gottes Kinder das Naturrecht an diesem Acker des geformten Lebens oder Wortes ganz verlassen mußten, denn sie hatten das Naturrecht daran verloren, aber können es sich nun in Christus wieder vom Vater der Natur kaufen. Sie können Christus zum Lösegeld nehmen und dem Vater vierhundert Schekel (ca. 6 kg) Silber dafür geben. Denn das sind die vier Zentren in der Eigenschaft des geistigen Leibes, die in der heiligen Tinktur geboren werden, als in Christi Eigenschaft.

49.9. Der erste Schekel ist das wahre magische Feuer, der zweite ist das Licht oder die Liebebegierde, der dritte ist der heilige Schall der geistigen Zunge, und der vierte ist das gefaßte Sein aus den anderen Eigenschaften, darin das heilige Leben gefaßt und in einem (ganzheitlichen) Wesen steht. Dies ist das reine Silber, das ohne Makel ist, darunter der Geist in Moses deutet, und das Abraham in Christus den Kindern von Het, als dem Efron, das heißt, dem Vater oder des Vaters Eigenschaft, für seine zweifache Höhle gegeben hat, nämlich für das Zentrum der Natur des Vaters nach der Ewigkeit und für das Zentrum der zeitlichen Natur, in welchen beiden sich die göttliche Lust aus der Eigenschaft beider Zentren in ein Sein und in die Kreatur der Menschheit hineingeführt hatte. Aber diese Kreatur hatte sich vom Ganzen abgebrochen und war in ein Eigenes gegangen, und so sollte sie wieder in das Ganze eingewurzelt werden, und mußte deswegen mit dem allerheiligsten Wesen tingiert (geheilt) und eingepfropft werden, welches der Geist Moses hier mit dem reinen Silber vergleicht und so ganz heimlich in der Darstellung andeutet.

49.10. Denn als Abraham auf Erden wandelte, begehrte er keinen Acker zum Eigentum zu kaufen. Als er nun aber seine Sara begraben sollte, wollte er das Begräbnis erblich und eigen haben und verneigte sich noch vor den Kindern des Landes und bat sie darum. Doch sie wollten ihm den Acker schenken, und verneigten sich vor ihm. Hier hat nun der Geist Moses seine Bildung darunter, denn er hatte sich den Menschen ganzheitlich vorgestellt, und deswegen spielt er in dem Prozeß mit der Darstellung, wie sich die Kinder, die Christus angehören, vor Gott dem Vater, aus dem alle Wesen entstehen, verneigen sollen und müssen, damit er ihnen die zweifache Höhle, als das Reich der Natur und das Reich der Gnade, in Christi Blut verkaufen wolle. Denn das nimmt der Vater mit den vier Zentren der Demut und Liebegeburt als Bezahlung an.

49.11. Und daß es die Kinder von Het durch Efron dem Abraham schenken wollten, und doch schließlich auf Abrahams Begehren auch das Geld dafür nahmen, deutet an, daß uns zwar Gott der Vater das Gnadenreich geschenkt hat, denn er schenkt es Christus seinem Sohn in unserer Menschheit, aber Christus wollte es zum Naturrecht haben. Darum bot er seinem Vater seine Demut an, daß er doch seine Bezahlung, als seine menschliche Eigenschaft von ihm dafür nehme, wie hier Abraham in Christi Bildung tat. Auch wenn er den Acker hätte nehmen können, so wollte er doch nicht, denn die zweifache Höhle sollte nicht genommen, sondern teuer mit dem alleredelsten Wesen bezahlt werden. Gott nahm das Pfand oder Lösegeld von Christus für seine zweifache Höhle zur Bezahlung, und darum mußte Abraham in Christi Bildung stehen, denn in die zweifache Höhle, als in die ewige und zeitliche Natur des geformten und verdichteten Wortes, muß der Leib eingegraben werden, wenn er in der Bewegung und der Stimme desselben Wortes wieder auferstehen und in dem einen (ganzheitlich) gehabten Bild bestehen soll.

49.12. Denn Moses sagt, Hebron lag im Land Kanaan, das Gott Abraham verheißen habe, zu gehen. Und er versteht mit Kanaan die heilige kristalline (bzw. durchsichtige) Welt oder Erde, als die Stadt Gottes, die künftig offenbar werden soll, darin Hebron als die Hauptstadt des Landes liegt. Damit wird äußerlich diese äußere Welt mit ihrer Bildung dargestellt, und innerlich das heilige ewige Land Kanaan.

49.13. Auch sehen wir klar, worauf der Geist Moses in seiner Darstellung deutet. Denn erstlich stellt er mit Isaak die Bildung Christi mit seinem Opfer und Tod dar. Und gleich darauf stellt er hier auch des Menschen eigenen Tod und Sterben dar, und wo der Mensch sterben müsse, nämlich in seiner Stadt Hebron, seiner menschlichen Ichheit, und wohin er begraben werden müsse, nämlich in die zweifache Höhle, als in Gottes und dieser Welt Reich. Und es heißt darum eine zweifache Höhle, weil es zweierlei Wohnungen sind, wie zweierlei Lebensbegriffe in zwei Prinzipien, daraus der Mensch entstanden war. Wenn er aber in den Willen seiner Ichheit in der Schlangenbegierde begraben wird, dann begreift er diese zweifache Höhle nicht. Auch wenn er darin wäre, so lebt er doch nur in der abtrünnigen Essenz, in der Eigenheit des Teufels, als im eingeführten Schlangenwesen in der Eigenschaft der finsteren Welt, welche in der Ichheit des Schlangenwesens offenbar und im Regiment ist.

49.14. Und in dieser Darstellung ist dies das beste Stück, daß der Geist Moses das zweifache Leben andeutet, wie diese Welt ein zweifaches Leben und Wesen sei, welches er mit der zweifachen Höhle darstellt, darin Abraham sein Begräbnis haben wollte, um anzudeuten, daß seine zweifache Menschheit, nämlich eine aus göttlichem Wesen aus der Ewigkeit und himmlischem geistigen Wesen und die andere aus der Zeit als aus dem Wesen dieser Welt, in ein ewiges Begräbnis eingegraben werden sollte. Denn das Wesen des zweifachen Leibes sollte in seiner ursprünglichen Mutter verinnerlicht liegen und den eigenen Willen in diesem ewigen Grab im Tod lassen, damit allein der Geist Gottes im Geist der Kreatur, als in der Seele, lebe, regiere und wolle, und das Leben des Menschen nur sein Werkzeug sei, damit er tue, wie und was er wolle.

49.15. Denn so sollte es sein, daß der menschliche Wille wieder in den einigen Willen der Gottheit und Ewigkeit hineingeführt würde. Denn er war im Anfang, als Gott die Seele in das Fleisch einblies, im ewigen lebendigen Wort gewesen, und Gottes Geist hatte ihn in ein Ebenbild der Gottheit formiert, nämlich in eine kreatürliche Seele. Doch diese Seele hatte sich vom einigen ewigen Wort Gottes in eine Eigenheit abgewandt, um im Bösen und Guten offenbar zu sein und in der Ungleichheit (der Welt der Gegensätze) zu regieren.

49.16. Diese Ungleichheit sollte nun wieder in die Gleichheit begraben werden, nämlich in das Wesen, daraus Seele und Leib entstanden waren, und zwar ein jedes Wesen der Eigenschaft in seine Mutter. Und die Mutter ist eine zweifache Höhle, als das innere geistige und göttliche Reich und das äußere sichtbare empfindliche und greifbare Reich der äußeren Welt, und dahinein wollte Abraham sein Begräbnis haben.

49.17. Denn das äußere Reich bleibt ewig, denn es ist aus dem ewigen wie ein Modell oder sichtbares Bild des inneren geistigen Reiches. Aber das Regiment mit Sternen und vier Elementen bleibt in solcher Eigenheit nicht ewig, sondern nur als ein (ganzheitliches und heiliges) Element, darin die vier verstanden werden, aber in harmonischer Ausgeglichenheit, im Gleichgewicht und in einem einigen Liebewillen, darin nicht mehr die aufsteigende wallende Macht der zerteilten Bildung die vier Elemente regiert, sondern die sanfte stille Demut in einem lieblichen wonnesamen Sausen.

49.18. Die verdichtete Eigenschaft des Wortes in der Seele der äußeren Welt, als in der Eigenheit des dritten Prinzips, hört dann auf, denn der äußere Geist der Welt wird in den inneren verwandelt, so daß der innere durch den äußeren alles regiere und führe, welches jetzt die große Beweglichkeit der entzündeten Macht der finsteren Welt aufhält und in ihrem Regiment führt, in welcher Welt der Teufel ein innerlich fliegender Fürst ist, alles zur Unterschiedlichkeit, damit die Eigenschaften der drei Prinzipien ein jedes in sich selber kreatürlich würden. Zu welchem Ende (bzw. Ziel) sich die Ewigkeit in ein Schöpfen oder Begehren zur Formung des Wesens als Mysterium Magnum (großes bzw. ganzheitliches Geheimnis) hineingeführt hat, so daß eines im anderen offenbar würde, das Böse im Guten und das Gute im Bösen, und ein jedes Ding seinen Besitz bekommt.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter