Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

21. Kapitel - Vom Ursprung des tierischen Menschen

Vom Verdichten und Ursprung des tierischen Menschen, vom Anfang und Grund seiner Krankheit und Sterblichkeit. (1.Mose 3.7)

21.1. Als Adam und Eva so tierisch wurden, wich der Heilige Geist aus dem Teil des himmlischen Samens, denn der Anteil der himmlischen Eigenschaft an der Seele verblich, darin das göttliche Licht schien und die göttliche Kraft der heiligen Tinktur wohnte.

21.2. Versteht, die Kraft des Lichtes wich von ihm ins Zentrum, auf Art wie ein scheinendes Licht, das aus einer Kerze brennt, verlischt, und vom Licht nur der Feuerquell bleibt. So blieb auch von der Eigenschaft der Seele nur der magische Feuerquell als das Zentrum der ewigen Natur, die Feuerwelt und Finsternis.

21.3. Und am äußeren Teil der Seele blieb der Luftgeist mit seinem Gestirn, darin das Licht der äußeren Natur schien, dessen sich nun die Feuerseele behelfen mußte. Denn das Schöpfen war im Grimm Gottes in der feurigen Eigenschaft der Seele sowie auch im Regiment des Leibes ergrimmt und in einen feurigen Hunger hineingegangen, nämlich im erwachten Schreck des göttlichen Zorns in der Essenz von Leib und Seele, und verdichtete sich mit hartem Anziehen in der Essenz des Wesens, im Stoff des Leibes, davon das Fleisch grob, hart und derb wurde.

21.4. Denn im Schreck des Grimms wachten alle Eigenschaften aller Gestirne nach den Eigenschaften aller Kreaturen in der Essenz auf, davon die Feindlichkeit und Widerwärtigkeit in der Essenz des Leibes und der Seele entstanden, so daß nun eine Eigenschaft gegen die andere steht, ein Geschmack gegen den anderen, denn alles fiel aus der Ausgeglichenheit, und davon entstand ihnen das Wehtun und die Krankheit.

21.5. Denn wenn die widerwertige Essenz ineinander eingeht, dann bewirkt es eine Feindschaft, ein Überwältigen und ein ineinander (gegenseitiges) Zerbrechen. Eine Eigenschaft zerbricht die andere und kränkt die andere, davon das Sterben und Leibeszerbrechen entstanden ist.

21.6. Denn was nicht in der Ausgeglichenheit (Temperanz) steht, das kann nicht ewig bestehen. Nur was ausgeglichen ist, hat keinen Zerbrecher, denn alle Eigenschaften lieben einander, und in der Liebe ist des Lebens Wachstum und Erhaltung.

21.7. So ist uns hier gründlich zu verstehen, wie die groben Eigenschaften im Grimm des Schöpfens in der Essenz des Leibes die himmlische Wesenheit im Sulphur („Seelenkörper“) verdunkelt und ganz eingeschlossen haben, so daß der himmlische Mensch nicht mehr erkannt wurde, gleichwie das Blei den Goldgeist in sich verschlungen hält, so daß man ihn nicht erkennt.

21.8. Denn die Begierde, als die erste Gestaltung der Natur, welche das Schöpfen ist, hat im Menschen wie auch in den Metallen den himmlischen Teil mit der Grobheit verschlungen, wie dann auch in allen Kräutern und allen anderen Früchten. Alles Kräftige vom Wesen der heiligen Welt liegt nun im Grimm und Fluch Gottes in der finsteren Welt Eigenschaft in der Erde verschlossen und grünt durch die Macht der Sonne und durch das Licht der äußeren Natur in der Essenz durch den Fluch und Grimm aus, welches Ausgrünen eine Kraft und Heilung der feindlichen Essenz in den lebendigen Körpern gibt. Davon entstand der Arzt, der die Tugend sucht und erkennen lernt, um der widerwärtigen Essenz im Körper zu entgegnen, welches doch auch nur lau und ein Fünklein davon ist, wenn er nicht vorher die wilde Grobheit aus der finsteren Welt Eigenschaft von seiner Kur scheiden kann (ähnlich wie heute noch homöopathische Heilmittel hergestellt werden, und vermutlich noch geistiger gemeint).

21.9. Denn wenn die gefangene Essenz von der himmlischen Welt Eigenschaft vom Fluch und Grimm der Natur erlöst wird, dann steht sie in der Ausgeglichenheit. Und wenn sie dann in einen lebendigen Körper kommt, dann erweckt sie auch das verschlossene Leben vom Wesen der himmlischen Welt, soweit dasselbe noch im Körper liegt, und vertreibt den Grimm, davon die Krankheit zerbricht und die Essenz in die Ausgeglichenheit eingeht.

21.10. Daß dem gewiß so sei, sehen wir an Adam und Eva, als der Grimm in der Essenz in ihnen aufwachte und das Schöpfen die tierischen Eigenschaften verdichtete und in der Essenz formte. Denn als solches die Seele erkannte, als das Bild Gottes, da schämte sie sich der tierischen Ungestalt, daß sie in einem tierischen Gefäß war, wie in einem anderen Prinzip.

21.11. Denn der äußere Teil der Seele, als der Luftgeist mit seinem Gestirn, wachte auf und bekam das Regiment. Wie nun vor Augen steht, daß beim meisten Teil der Menschen der äußere Anteil der Seele das Regiment über den ganzen Leib führt, so daß der tierische Mensch nur nach der Wollust dieser Welt trachtet, als nach äußerlichen Ehren, Macht und Schönheit, nach Fressen und Saufen wie das Tier, und so mit dem Tier stolziert wie mit einem Gott, obwohl es doch nur ein zerbrechlich bösartiges Tier ist, in dem der wahre Mensch ohne Leben verschlossen liegt.

21.12. So kann dieses grobe Tier das Reich Gottes nicht besitzen und hat keinen Nutzen (Joh. 6.63), sondern der verborgene Mensch, der in diesem Tier verschlossen liegt, wie das Gold im groben Stein, welchem das grobe Tier fast keine Ehre tut, außer daß es ihm ein wenig heuchelt und ihn tröstet, sich aber wie ein stolzer Pfau an dessen statt erhebt und sein Tier wohl schmückt und mästet, so daß der Teufel ein Reitpferd hat, um Gott zu spotten. Und so reitet er damit in der Eitelkeit im Reich von Gottes Zorn wie auf einer falschen Hure, welche in eigener Gewalt und Klugheit zu leben begehrt.

21.13. Denn ein solches hat die List der Schlange in Eva erweckt, in ihrer aufgewachten tierischen monströsen Eigenschaft, daß nun fast ein jeder Mensch ein Tier im Leib trägt, welches die arme gefangene Seele beschwert, davon sie sich auch monströs macht und am Tier vergafft, und sich in eine solche tierische Bildung hineinführt, welche, so lange sie dieses Bild als Bildung in sich hat, das Reich Gottes weder schauen noch fühlen kann. Sie muß wieder in Engelsform verwandelt werden, oder ihr ist kein Rat (und keine Hilfe). Darum sagt Christus: »Es sei denn, daß ihr neugeboren werdet, anders könnt ihr das Reich Gottes nicht sehen.«

21.14. Der verschlossene Leib des himmlischen Teils muß im Wasser des Himmels, als im Wasser des reinen Elements, in der Matrix des Wassers und im Geist Christi aus himmlischer Essenz wiedergeboren werden, damit der heilige Teil der Seele von der englischen Welt wieder lebendig werde und in seinem verblichenen und wieder neugeborenen Leib in göttlicher himmlischer Essenz lebe und wirke, und sie ihre Speise darin von göttlicher Kraft vom anderen (zweiten) Prinzip empfange. Sonst ist das Bild, das Gott in Adam erschuf, des Reichs Gottes nicht fähig, und kann es auch ohne dem nicht besitzen. Da hilft kein scheinheiliges Glänzen, Heucheln, Kitzeln oder Trösten, es muß geboren oder verloren sein, denn der Perlenbaum ist in Adam und Eva verdorrt. Er muß wieder göttliche Essenz bekommen und dem Tier absterben, oder kann nicht grünen und Frucht tragen, davon die Seele ißt.

21.15. Als nun Adam und Eva in der tierischen Eigenschaft aufgewacht waren, da stand das Tier nackt und bloß, denn zuvor hatte das Himmelsbild den äußeren Menschen ganz durchdrungen und mit göttlicher Kraft bekleidet, und das Tier war nicht offenbar. Denn diese Eigenschaft lag in der Ausgeglichenheit verborgen, wie es auch ohne Kreatur ist. Als aber jetzt das Bild aus der himmlischen Essenz verblich, da wurde das Tier als die tierische Eigenschaft offenbar. So stand nun die arme Seele aus dem ersten Prinzip von diesem Tier umhüllt da, ganz nackt und bloß.

21.16. Wäre aber das Tier bereits im Anfang des Menschen offenbar gewesen, dann hätte es auch sein Kleid aus seiner Essenz mitgebracht, wie andere Tiere. Aber der Mensch war nicht in das tierische Leben geschaffen. Und obwohl es Gott erkannte, daß es so gehen würde, dazu er ihm auch mancherlei Tiere zu seiner Speise und Kleidung geschaffen hatte, so hat er den Menschen trotzdem in das wahre Bild Gottes aus himmlischer Essenz geschöpft, damit er dasselbe Bild, wenn es fiele, durch eine neue Bewegung und Wiedergeburt wieder in seinen Stand bringen könne, wie in Christus geschehen ist.

21.17. So greift nun unser Schreiben allein danach, das Bild Gottes zu erforschen, wie das erschaffen und verdorben wurde und wie es wieder in seinen ersten (ursprünglichen) Stand kommen soll, um die neue Wiedergeburt aus Christus richtig zu verstehen und den inneren und äußeren Menschen zu erkennen, was der sterbliche und der unsterbliche sei, und wie er sterblich wurde, auch was ihm zu tun sei, daß er wieder in seinen ersten Stand komme.


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