Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

9. Kapitel - Vom Fall Luzifers mit seinen Legionen

9.1. Wenn uns auch der eigene Verstand hier tadeln will und sagen „Wir sind doch nicht dabeigewesen, als dies geschehen war!“, so behaupten wir hier auf magische Art nach Recht der Ewigkeit, daß wir wahrhaftig dabeigewesen waren und dies gesehen haben. Aber Ich, der ich ein „Ich“ bin, habe es nicht gesehen, denn ich war noch keine Kreatur. Doch Wir haben es in der Essenz der Seele gesehen, welche Gott dem Adam einblies.

9.2. Wenn nun Gott in dieser Essenz wohnt und seit Ewigkeit gewohnt hat, und sich in seinem Spiegel offenbart und durch die seelische Essenz in den Anfang aller Wesen zurücksieht, was hat mich dann der Verstand zu tadeln, nur weil er daran blind ist? Ich will den Verstand warnen, daß er doch einmal im Spiegel der Vernunft sehen und betrachten möge, was er sei, und vom Bau des tollen Babels (der Gedankengebäude) ablassen, denn das wird Zeit.

9.3. Der Fall Luzifers ist nicht aus Gottes Vorsatz oder Verordnung geschehen. In Gottes Grimm nach der Eigenschaft der finsteren Welt ist dieser Fall wohl erkannt worden, wie er geschehen könnte oder würde, aber in Gottes Heiligkeit, als im Licht, ist keine solche Begierde in solcher Eigenschaft offenbar, sonst müßte der heilige Gott in seiner Liebe eine teuflische oder höllisch grimmige Begierde haben, welches gar nicht ist. Aber im Zentrum der ewigen Natur, als in den Gestaltungen zum Feuer, ist wohl eine solche Eigenschaft in der finsteren Verdichtung.

9.4. Ein jeder guter Engel hat das Zentrum in sich, und ist jeweils etwa in einem Grad im Zentrum in kreatürlicher Eigenschaft offenbar. Und welche Eigenschaft in der Kreatur die größte ist, nach derselben ist auch sein Amt und Regiment.

9.5. Waren doch die Engel, welche aus den Graden des Zentrums geschaffen wurden, allesamt in das Licht geschaffen, und das Licht war in allen offenbar, und sie hatten den freien Willen aus dem offenbarten Willen des Willens Gottes.

9.6. Und Luzifer wäre wohl ein Engel geblieben, hätte ihn nicht sein eigener Wille in die Feuersmacht hineingeführt, um in der Finsternis und im Licht in starker Feuersmacht als ein eigener Gott über und in allen herrschen zu wollen. Dann wäre er in der Harmonie Gottes geblieben, dahinein ihn Gott geschaffen hatte.

9.7. Da spricht der Verstand: „Er konnte nicht.“ Dann sage mir, wer zwang ihn? War er doch der schönste Fürst im Himmel. Und hätte er seinen Willen in Gottes Sanftmut hineingeführt, dann hätte er gekonnt. Weil er aber nicht wollte, so konnte er nicht. Denn seine eigene Begierde ging ins Zentrum, und er wollte selber Gott sein. Er ging mit dem Willen in die Ichheit, und in der Ichheit ist das Zentrum der Natur als die Eigenschaften, und darin wollte sein Wille Herr im Haus sein.

9.8. Aber Gott hatte ihn in seine Harmonie geschaffen, weil er mit seinem Liebegeist in ihm spielen wollte, nämlich auf seinem Saitenspiel seines geoffenbarten und geformten Wortes, aber das wollte der eigene Wille nicht.

9.9. Da fragt der Verstand: „Wie kam das? Wußte er denn nichts von Gottes Gericht und dem Fall?“ Ja, er wußte es wohl, aber er hatte den Fall nicht in der Empfindlichkeit, sondern nur als eine Wissenschaft. Die feurige Lust, welche in ihm stark war, reizte ihn, denn sie wollte gern in der Essenz des Grimms (in der Feuerwurzel) offenbar sein. Die Finsternis wollte auch gern kreatürlich sein, und diese zog ihren Spielmann der großen Feuerskraft, den Luzifer, und zwar nicht außerhalb von sich, sondern in der Eigenschaft und im Willen seiner selbst-feurigen und finsteren Essenz. So entstand der Fall in der Kreatur, und nicht außerhalb der Kreatur, in gleicher Weise wie auch in Adam. Und der eigene Wille war der Anfang des überheblichen Stolzes.

9.10. Fragst du: „Was verursachte dies in ihm selber?“ Seine große Schönheit, und daß sich der freie Wille im Feuerspiegel besah, was er wäre. Dieser Glanz machte ihn beweglich, so daß er sich nach den Eigenschaften des Zentrums bewegte, welche sogleich zu qualifizieren begannen. Denn die herbe strenge Begierde, als die erste Gestaltung oder Eigenschaft, verdichtete sich und erweckte den Stachel und die Angstbegierde. So überschattete dieser schöne Stern sein Licht und machte sein Wesen ganz herb, rauh und streng. Und so wurde seine Sanftmut und wahre englische Eigenschaft in ein ganz strenges, rauhes und finsteres Wesen verwandelt. Da war es geschehen um den schönen Morgenstern, und wie er es tat, so taten es auch seine Legionen. Das ist sein Fall.

9.11. Er sollte in der heiligen Kraft Gottes gelassen sein und hören, was der Herr durch seinen Geist in ihm redete und spielte. Aber das wollte der eigene Wille nicht. So muß er nun im Finsteren spielen. Und er will auch immer noch nicht, weil er jetzt nach dem Fall nicht mehr wollen kann. Denn seine Sanftmut, daraus das Liebe-Wollen entsteht, ist verschlossen und in ein Nichts eingegangen, nämlich wieder in ihren Ursprung.

9.12. Nun steht nur noch die Kreatur aus dem Zentrum, als aus der ewigen Natur da. Die freie Lust aus Gottes Weisheit ist von ihm gewichen, das heißt, sie hat sich in ihm verborgen und läßt den grimmigen Feuerwillen bestehen. Wie es auch Adam geschah, als er nach Gutem und Bösem imaginierte, so daß auch in seiner Essenz die freie Lust der Wesen der heiligen Welt verblich.

9.13. Das war eben das Sterben, davon ihm Gott sagte, er würde desselben Tages sterben, wenn er vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen würde. So auch in Luzifer: Er starb an der heiligen göttlichen Welt, und wachte in der grimmigen Welt von Gottes Zorn auf.

9.14. Fragst du: „Warum hielt ihn Gott nicht, und zog ihn von der bösen Neigung ab?“ Lieber, sage mir, womit? Sollte er diesem Feuerquell noch mehr Liebe und Sanftmut zuführen? Dann wäre sein prächtiges Licht in ihm noch mehr offenbar geworden, und der Spiegel eigener Erkenntnis desto größer, und der feurige Eigenwille noch stärker.

9.15. Sein hohes Licht und seine eigenwillige Erkenntnis waren doch die Ursache seines Falls. Sollte er ihn dann mit Strafe erziehen wollen? War es doch sein Vorsatz, den magischen Grund wie ein Künstler zu regieren. Es ging ihm doch um die Kunst, so daß er mit dem Zentrum der Verwandlung der Eigenschaften spielen und darin sein wollte, und auch alles tun, was er allein wollte. Hätte er dieses nicht erkannt, dann wäre er ein Engel in der Demut geblieben.

9.16. Darum sind die Kinder der Finsternis, sowie auch die Kinder dieser Welt, klüger als die Kinder des Lichtes, wie die Schrift sagt. Fragst du: „Warum?“ Sie haben die magische Wurzel des Ursprungs aller Wesen in sich offenbar. Dieses begehrte eben auch Adam, dazu sie der Teufel überredete, sie würden klüger sein und ihre Augen würden aufgetan und werden wie Gott selber.

9.17. Um dieser Narretei willen hat sich König Luzifer erhoben, weil er ein eigener Herr und Künstler gleich dem Schöpfer sein wollte. Das Wasser der Sanftmut wäre gut für seinen Feuerwillen gewesen, aber er wollte nicht. Darum müssen Gottes Kinder die Allereinfältigsten sein, wie Jesaias von Christus weissagte: »Wer ist so einfältig als mein Knecht, der Gerechte, der viele zur Gerechtigkeit bekehrt, nämlich zum Weg der Demut.«

9.18. Alle Engel leben in der Demut und sind im Geist Gottes gelassen, und sind im ewigsprechenden Wort Gottes, wie ein wohlgestimmtes Instrument in der Harmonie des Himmelreichs, dessen Werkmeister und Regent (bzw. Dirigent) der Heilige Geist ist.

9.19. Der Teufel aber hat sich ein Kitzelspiel gleich den Narren zugerichtet, darin er mit seiner Verwandlung Possen treiben und sich närrisch gebärden kann, in seltsame Figuren hineinführen und des Bildes der englischen Einfalt und des Gehorsams spotten. Und darum ging es ihm eben auch, daß er aus der Harmonie der englischen Chöre ausging. Denn die Schrift sagt, er sei von Anfang an ein Mörder und Lügner gewesen. Seine Possen sind nur fremde Figuren und Lügen, die Gott in ihm nicht in Formen eingeführt hat. Er aber führt sie in sich in Formen ein, und weil es gegen seine Schöpfung läuft, so sind es Lügen und Greuel.

9.20. Er ist ein Engel gewesen, aber hat seine Engelsgestalt und den Gehorsam verleugnet und ist in die Possengreuel eingegangen. Er hat die feindliche Gestalt und Eigenschaft der finsteren Welt im Zentrum in sich erweckt, daraus der Grimm und die Bosheit quellen. Er saß in himmlischem Pomp und Herrlichkeit, aber führte seine feindliche Begierde in das Wesen, wie in einen Wasserquell, und spie Feindschaft aus sich aus.

9.21. Seine Eigenschaften waren Schlangenstiche, welche er aus sich ausführte. Als sich Gottes Liebe ihm entzog, da bildete er sein Bildnis nach der Eigenschaft der grimmigen Gestaltung, wie da bösartige Tiere und Würmer sind, auch in Schlangengestalt, und infizierte und erweckte im ausgehauchten Wesen in der Gebärung der ewigen Natur den Salpeter vom Zentrum der Natur, daraus der Streit entstand, so daß der Großfürst Michael mit ihm stritt und ihn nicht mehr im Himmel unter der Gemeinschaft der heiligen Engel dulden wollte.

9.22. Deshalb bewegte sich der Wille des Ungrundes, nämlich des ewigen Vaters, und verschlang ihn als einen Meineidigen im Grimm in die ewige Finsternis, als in ein anderes Prinzip. Der Himmel spie ihn aus sich aus, und er fiel in die Finsternis wie ein Blitz und verlor die Stätte Gottes im Himmelreich, in der heiligen Kraft, und alle seine Diener mit ihm. Dort hat er nun die Mutter zu seiner Gaukelei, und da mag er sich Possen spielen.

9.23. Dazu können wir noch erkennen, daß er im Reich dieser Welt seinen königlichen Sitz gehabt hat. Darum nennt ihn Christus auch einen Fürsten dieser Welt (Joh. 16.11), nämlich im Reich der Finsternis, im Grimm im Ort dieser Welt.

9.24. Aber sein königlicher Thron ist ihm genommen worden, und darauf sitzt jetzt in der Eigenschaft der himmlischen Welt im Reich dieser Welt ein anderer, und er wird ihn nie mehr wiederbekommen.

9.25. Auch ist ihm an diesem Ort in den Elementen ein anderer König eingesetzt worden, alsbald in der Erschaffung der Sterne und vier Elemente, welchen wir wohl andeuten könnten, doch jetzt zu Recht noch stumm bleiben, wegen der falschen Magie und auch anderer Abgötterei. Darum wollen wir dies hier verschweigen, und doch den Unseren genug verständlich sein.


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