Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

8. Kapitel - Erschaffung der Engel und ihr Regiment

Von der Erschaffung der Engel und ihrem Regiment.

8.1. Die Erschaffung der Engel hat einen Anfang, aber die Kräfte, daraus sie erschaffen wurden, haben niemals einen Anfang gehabt, sondern stehen mit in der Geburt des ewigen Anfangs. Nicht, daß sie die Heilige Dreifaltigkeit oder in derselben sind, sondern sie sind aus dem geoffenbarten Wort, aus der ewigen, finsteren Feuer- und Lichtnatur, von der Begierde göttlicher Offenbarung gefaßt und in kreatürliche Bilder hineingeführt worden.

8.2. Gott, der ein (ganzheitlicher) Geist ist, hat sich durch und aus seiner Offenbarung in unterschiedliche Geister hineingeführt, welche die Stimmen seiner ewig gebärenden Harmonie in seinem geoffenbarten Wort seines großen Freudenreichs sind. Sie sind Gottes Instrumente, auf denen der Geist Gottes in seinem Freudenreich spielt. Sie sind Feuer- und Lichtflammen, aber in einem lebendigen und vernünftigen Regiment.

8.3. Denn in ihnen sind die Kräfte der Gottheit, die auch im Menschen sind, wie St. Johannes sagt: »Das Leben der Menschen war im Wort. (Joh. 1.4)« So ist auch das Leben der Engel im Wort seit Ewigkeit gewesen, denn in Matth. 22.30 steht: »In der Auferstehung sind sie gleich den Engeln Gottes.« Und damit sind die Menschen gemeint.

8.4. Und wie wir mit der göttlichen Offenbarung durch die ewige Natur die Hauptgestaltungen verstehen, so sind uns auch die Fürstenengel mit vielen Legionen zu verstehen, besonders aber mit drei Hierarchien nach den Eigenschaften der Heiligen Dreifaltigkeit und den drei Prinzipien, wie das alles unleugbar ist.

8.5. Nämlich erstens wird eine Hierarchie nach der finsteren Welt mit dem Königreich Luzifers verstanden, welcher sich selber dahinein vertieft hat. Die zweite wird mit der lichtfeurigen Liebewelt verstanden, und die dritte mit dem Mysterium der äußeren Welt, in der sich die innere offenbart hat.

8.6. Jede Hierarchie hat ihr fürstliches Regiment der Ordnung, nämlich in der finsteren Welt in Gottes Grimm, in der heiligen Welt in Gottes Liebe, und in der äußeren Welt in Gottes großen Wundern nach Liebe und Zorn.

8.7. Die in der finsteren Welt tragen die Namen des großen Zorns Gottes nach den Eigenschaften der ewigen Natur im Grimm. Und die im Licht tragen die Namen des heiligen Gottes, als der göttlichen Kräfte. Und die in der Schöpfung der Wunder der äußeren Welt tragen die Namen der geoffenbarten Kräfte der äußeren Welt, als der Planeten, Sterne und vier Elemente.

8.8. Die in der finsteren Welt herrschen in der Natur des offenbarten Grimms, als in den Eigenschaften von Gottes Zorn und haben ihre fürstlichen Regimenter darin. Und die in der heiligen Welt regieren in den Kräften der triumphierenden Welt, als im großen heiligen Freudenreich und in den Wundern der heiligen Weisheit. Und die in der äußeren Welt herrschen über die Kräfte der Sterne und vier Elemente und haben auch ihr fürstliches Regiment über die Welt und ihre Königreiche und Fürstentümer zum Schutz des Verderbers (bzw. vor dem Verderber) im Grimm.

8.9. Jedes Land hat seinen fürstlichen Schutzengel samt seinen Legionen. So gibt es auch Engel über die vier Elemente, über das Feuer und die Luft, wie auch über das Wasser und die Erde, und das sind allzumal nur dienstbare Geister des großen Gottes, ausgesandt zum Dienst derer, welche die Seligkeit ererben sollen (Hebr. 1.14). Wie auch geschrieben steht: »Der Engel des Herrn lagert sich um jene her, die Ihn fürchten. (Psalm 34.8)« Denn sie sind Gottes Amtsleute und Diener in seinem Regiment, welche beweglich sind.

8.10. Denn Gott bewegt sich nicht jedesmal, als nur in sich selbst. Weil aber seine Offenbarung der ewigen und äußeren Natur im Streit steht, so stehen auch die Geister der finsteren Welt gegen die Geister der heiligen Welt, besonders aber gegen die Menschen, die in Gut und Böse offenbar stehen. So hat Gott eines gegen das andere gesetzt, damit seine Herrlichkeit offenbar werde, sowohl in seiner Liebe als auch in seinem Zorn.

8.11. Denn wie wir Menschen auf Erden Regimenter haben, so haben auch die Oberen unter dem Gestirn ihre Regimenter, sowie auch die Öligen im Luftelement. Die ganze Tiefe zwischen den Sternen und der Erde ist voll und nicht leer. Ein jedes Regiment hat sein eigenes Prinzip, welches uns Menschen zum Teil lächerlich (bzw. unglaublich) vorkommt, weil wir es mit unseren Augen nicht sehen. Doch wir bedenken dabei nicht, daß unsere Augen nicht ihre Essenz und Eigenschaft haben, so daß wir es nicht sehen noch begreifen können. Denn wir leben nicht in ihrem Prinzip, und darum können wir sie nicht sehen.

8.12. Gleichwie in der göttlichen Offenbarung der göttlichen Kräfte jeweils ein Grad aus dem anderen ausgeht, bis zur alleräußersten Offenbarung, so sind uns auch die Engel oder Geister zu verstehen. Sie sind nicht alle heilig, welche in den Elementen wohnen. Denn wie der Grimm der ewigen Natur in der finsteren Welt offenbar ist, so auch in der äußeren Welt, in seiner Eigenschaft.

8.13. Auch sind die Geister der äußeren Welt nicht alle von einem ewigen Anfang, sondern teils nur aus dem (zeitlichen) Anfang, so daß sie natürlich im Geist der äußeren Welt ihren Ursprung nehmen und auch durch die Natur vergehen. Und so bleibt nur ihr Schatten, wie bei allen anderen Tieren auf Erden.

8.14. Was nicht das heilige Element oder die ewige Feuerwelt erreicht, das ist ohne ein ewiges Leben, denn es entsteht aus der Zeit. Und was nun aus der Zeit entsteht, das wird auch von der Zeit verzehrt, es habe denn ein Ewiges im Zeitlichen, damit das Ewige das Zeitliche erhalte.

8.15. Denn das Ewige wohnt nicht in der Zeit, und wenn es auch das Wesen der Zeit an sich hat, so wohnt doch das Ewige im Ewigen in sich selbst, und das Zeitliche im Zeitlichen. In gleicher Weise ist es auch mit der Seele und dem Leib des Menschen zu verstehen, da die Seele aus dem Ewigen und der äußere Leib aus der Zeit ist. Obwohl doch im Leib der Zeit auch ein Ewiges ist, aber das ist in Adam am ewigen Licht verblichen, welches durch Christus wiedergeboren werden soll.

8.16. Wir sollten auch von den heiligen Engeln nicht verstehen, daß sie allein über dem Gestirn jenseits dieser Welt wohnen, wie der Verstand erdichtet, der nichts von Gott versteht. Wohl wohnen sie jenseits dieser Welt Regiment und Qual, aber auch am Ort dieser Welt, weil in der Ewigkeit kein Ort ist. So ist ihnen der Ort dieser Welt und auch der Ort jenseits dieser Welt alles Eins.

8.17. Denn nur der Anfang der Qual, als der vier Elemente mit dem Gestirn, macht diesen Ort, aber im Inneren ist kein Ort, sondern alles ganzheitlich. Und was über den Sternen jenseits dieser Welt ist, das ist auch im Inneren jenseits der vier Elemente im Ort dieser Welt, sonst wäre Gott zertrennt.

8.18. So ist auch die englische Welt im Reich oder Ort dieser Welt innerlich, und ihre Qual im Abgrund ist die große Finsternis, wo die Teufel ihr Regiment haben, welcher auch in keinem Ort eingeschlossen ist. Denn auch ihr Ort ist die Ewigkeit, wo kein Grund ist. Allein ihrer Welt Wesen und Eigenschaft ist der Grund ihrer Wohnung, gleichwie die Wohnung unserer äußerlichen Menschheit die vier Elemente sind. Entsprechend haben sie in der Finsternis auch ein Element nach der finsteren Welt Eigenschaft, denn sonst wäre Gott in seinem Grimm auch zertrennt. Denn wo ich sagen kann „Hier ist Gott in seiner Liebe!“, eben da kann ich auch sagen: „Hier ist Gott in seinem Zorn!“ Nur ein Prinzip unterscheidet das.

8.19. Gleichwie wir Menschen mit unseren Augen die Engel und Teufel nicht sehen, obwohl sie doch um und bei uns sind. Denn die Ursache liegt darin, daß sie nicht in unserer Welt Qualität und Regiment wohnen. So haben sie auch die Eigenschaft der äußeren Welt nicht an sich, sondern ein jeder Geist hat die Eigenschaft seiner Welt an sich, in welcher er wohnt.

8.20. Der Anfang der Qualität jeder Welt ist auch das Scheideziel, so daß einer den anderen nicht sieht. Denn die Teufel sind in der himmlischen Qualität ein Nichts, weil sie diese Qualität nicht in sich haben. Und wenn sie diese auch haben, so ist sie ihnen wie in einem Tod verschlossen. Ähnlich wie ein glühendes Eisen: Solange es glüht, ist es Feuer, und wenn das Feuer erlischt, dann ist es ein finsteres Eisen. In gleicher Weise können wir auch die Geister verstehen.

8.21. Entsprechend sind auch die Engel in der Finsternis ein Nichts. Sie sind zwar darin, aber man sieht sie nicht und fühlt sie auch nicht. Was den Teufeln ein Leid ist, das ist den Engeln in ihrer Qualität eine Freude, und so auch, was den Teufeln wohlgefällt, das wollen die Engel nicht. So ist eine große Kluft zwischen ihnen, und das ist eine ganze Geburt.

8.22. Denn was könnte sonst das Licht von der Finsternis scheiden, als nur eine Geburt des Sehens oder Scheins? »Das Licht wohnt in der Finsternis, und die Finsternis ergreift es nicht. (Joh. 1.5)« Gleichwie das Licht der äußeren Sonne in der Finsternis dieser Welt wohnt und scheint, und die Finsternis ergreift es nicht. Wenn aber das Sonnenlicht weicht, dann ist die Finsternis offenbar. Und hier ist keine andere Kluft zwischen ihnen, als nur eine Geburt.

8.23. So ist uns auch vom ewigen Licht Gottes zu verstehen, und von der ewigen Finsternis des göttlichen Zorns. Es ist alles nur ein einiger Grund, und das ist der offenbarte Gott. Es scheidet sich aber in abteilige Prinzipien und Eigenschaften, denn auch die Schrift sagt: »Der Heilige ist Gott ein guter Geruch zum Leben.« Das heißt, zum heiligen göttlichen Leben als in der Kraft des Lichtes. »Und der Gottlose ist Gott ein guter Geruch zum Tod. (2.Kor. 2.15)« Und das ist in seinem Grimm, als in der finsteren Welt Essenz Qualität und Regiment.

8.24. Denn der Gott der heiligen Welt und der Gott der finsteren Welt sind nicht zwei Götter, sondern es ist ein einiger Gott, der selber alles Wesen ist. Er ist Böses und Gutes, Himmel und Hölle, Licht und Finsternis, Ewigkeit und Zeit, Anfang und Ende, und wo seine Liebe in einem Wesen verborgen ist, allda ist sein Zorn offenbar. Und in manchem Wesen sind Liebe und Zorn in gleichem Maß und Gewicht, wie uns vom Wesen dieser äußeren Welt so zu verstehen ist.

8.25. Nun heißt er aber allein nach seinem Licht in seiner Liebe „ein Gott“, und nicht nach der Finsternis, auch nicht nach der äußeren Welt. Wenn er auch alles selber ist, so muß man aber die Grade betrachten, wie die auseinandergehen. Denn ich kann weder vom Himmel noch von der Finsternis oder der äußeren Welt sagen, daß sie Gott wären. Es ist keines Gott, sondern ein geformtes und ausgesprochenes Wesen von Gott, ein Spiegel des Geistes, welcher „Gott“ heißt, damit sich der Geist offenbart und in seiner Lust vor sich selbst mit dieser Offenbarung spielt, nämlich mit seinem gemachten Wesen. Und doch ist das Wesen nicht vom Geist Gottes abgetrennt, aber trotzdem ergreift auch das Wesen die Gottheit nicht.

8.26. Gleichwie Leib und Seele Eins sind, und doch auch keines das andere ist, oder wie Feuer und Wasser oder Luft und Erde aus einem Ursprung sind, und doch ist keines das andere, aber sie sind miteinander verbunden, und eines wäre ohne das andere nicht. So ist uns auch vom göttlichen Wesen und dann von der göttlichen Kraft zu verstehen.

8.27. Die Kraft im Licht ist Gottes Liebefeuer, und die Kraft in der Finsternis ist Gottes Zornfeuer, und doch ist es nur ein einziges Feuer, das sich aber in zwei Prinzipien teilt, damit eines im anderen offenbar werde. Denn die Flamme des Zorns ist die Offenbarung der großen Liebe, und in der Finsternis wird das Licht erkannt, sonst wäre es sich nicht offenbar.

8.28. So ist uns zu verstehen, daß die bösen und guten Engel nahe beieinander wohnen, und doch ist es die größte unermeßliche Ferne. Denn der Himmel ist in der Hölle, und die Hölle ist im Himmel, und doch ist keines dem anderen offenbar. Und wenn der Teufel viele hunderttausend Meilen führe und in den Himmel hineinfahren wollte, damit er ihn sehen könnte, so wäre er doch immer nur in der Hölle und sähe ihn nicht. So sehen auch die Engel die Finsternis nicht, denn ihr Sehen ist ein reines Licht göttlicher Kraft. Und das Sehen der Teufel ist nur Finsternis von Gottes Zorn. So ist es auch mit den Heiligen, und in gegensätzlicher Weise mit den gottlosen Menschen zu verstehen. Und weil wir in Adam das göttliche Sehen verloren hatten, als Adam aus göttlicher Kraft sah, so sprach Christus: »Ihr müßt von neuem geboren werden, anders könnt ihr das Reich Gottes nicht sehen. (Joh. 3.3)«

8.29. So ist uns die englische Schöpfung im Geistfeuer zu verstehen, darin sich der Wille des Ungrundes in einen Grund hineinführt und mit der Feuergeburt das ewigsprechende Wort oder Leben offenbart, und zwar mit dem ersten Prinzip, so daß das geistige Regiment durch die Feuergeburt offenbar wird. In diesem geistigen Feuer entstehen alle Engel, nämlich aus den Gestaltungen zum Feuerquell. Denn aus dem Feuer selbst kann nichts geschaffen werden, denn es ist kein Wesen. Aber aus den Eigenschaften zum Feuer kann eine Kreatur in der Begierde durch das Schöpfungswort ergriffen und in eine kreatürliche Form und Eigenschaft hineingeführt werden.

8.30. Darum gibt es viele und mancherlei Engel in vielen unterschiedlichen Ämtern. Und wie es drei Gestaltungen zum Feuerquell gibt, so auch drei Hierarchien mit ihren fürstlichen Regimentern, und auch drei Welten ineinander wie eine, welche drei Prinzipien oder Anfänge haben. Denn eine jede Eigenschaft der ewigen Natur hat ihren Grad, weil sie im Feuerblitz auseinandergehen, und aus diesen Graden ist der Unterschied der Geister erschaffen worden.

8.31. Und so ist uns die Schöpfung der Engel und aller anderen Geister nicht anders zu verstehen, als daß sich der unergründliche Gott in seinen geoffenbarten Eigenschaften aus diesen Eigenschaften in lebendige Kreaturen hineingeführt hat, mit welchen er die Grade besetzt, und damit in den Eigenschaften spielt. Sie sind wie seine Saiten im allwesenden sprechenden Wort, und sind allesamt in die große Harmonie seines ewigsprechenden Wortes gerichtet, so daß in allen Graden und Eigenschaften die Stimme des unerforschlichen Gottes offenbar und erkannt werde. Und so sind sie alle zum Lob Gottes erschaffen.

8.32. Denn alles, was lebt, das lebt im sprechenden Wort: Die Engel im ewigen Sprechen, und die Geister der Zeit im Wiederaussprechen aus den Formungen der Zeit, aus dem Hall der Zeit, und die Engel aus dem Hall der Ewigkeit, nämlich aus der Stimme des geoffenbarten Wortes von Gott.

8.33. Darum tragen sie die Namen der unterschiedlichen Grade in der geoffenbarten Stimme Gottes, und ein Grad ist jeweils heiliger in der Kraft als der andere. Darum sind auch die Engel in ihren Chören in der Kraft der göttlichen Macht unterschieden, und einer hat ein viel heiligeres Amt zu verrichten als der andere. Wie wir dessen ein Beispiel an den Priestern des Alten Testaments in ihren Ordnungen haben, die auf eine englische Art eingerichtet wurden.

8.34. Obwohl irdisch, so war doch eben ein solch englischer Verstand darunter verborgen, den sich Gott auf den zukünftigen Jesus in menschlicher Eigenschaft vorstellte, und im Vorbild so mit Israel auf das zukünftige Ewige (gerichtet) spielte, welches Jesus aus Jehova wiederbrachte und in menschliche Eigenschaft hineinführte, was der irdische Verstand weder begriffen noch verstanden hat. Aber nunmehr, weil die Zeit geboren ist und der Anfang das Ende wiedergefunden hat, soll es zu einem Zeugnis aller Völker offenbar sein. Das deutet der (sehende) Geist der Wunder.


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