Das Mysterium Magnum

(Text von Jacob Böhme 1623, deutsche Überarbeitung 2022)

7. Kapitel - Heilige Dreifaltigkeit und göttliches Wesen

Von der Heiligen Dreifaltigkeit und göttlichem Wesen.

7.1. Die ewige und auch zeitliche Natur wird vor allem durch die finstere und Feuerwelt verstanden, und zwar in den ersten vier Gestaltungen: 1) In der herben Begierde, 2) im Bitter-Stachlig, 3) in der Angst oder Empfindlichkeit, und 4) im Feuer, davon in der Anzündung im Schreck die Unterscheidung ausgeht. Die Kräfte aber, sowohl in der inneren als auch äußeren Welt, werden alle im Licht oder Liebefeuer verstanden, nämlich in der Liebebegierde.

7.2. Denn ihr erster Grund ist das ewige Wort, als das Eine, darin alles liegt. Der zweite Grund ist die freie Lust des Wortes, als die Weisheit, darin alle Farben der einigen Kraft im Willen der Gottheit offenbar sind. Der dritte Grund ist die Liebebegierde, darin sich die freie Lust mit ihren Farben und Tugenden der Kräfte durch die Natur geschärft und durch die Anzündung des Feuers in ein geistiges Regiment hineingeführt hat, welche sich im Licht mit den Kräften in ein ewiges Freudenreich ausführt.

7.3. Der vierte Grund ist der ölige, indem sich die freie Lust in der feurigen Liebebegierde in der Sanftmut als in ihrer eigenen Gestalt zusammen mit dem Glanz und der Essenz des Feuers und Lichtes faßt und in das erste Wesen hineinführt. Und diese Kraft vom Feuer und Licht in der Sanftmut der freien Lust in der öligen Eigenschaft ist die wahre und heilige Tinktur.

7.4. Der fünfte Grund ist der wäßrige von der Abtötung im Feuer, darin das erste geistige Wesen aus der herben, strengen und finsteren Begierde im Feuer verzehrt worden ist. So geht nun aus der Verzehrung des Feuers ein geistiges Wesen aus, das im öligen (brennbaren) Grund ist, nämlich ein wäßriges Wesen aus der Tödlichkeit, das dem Feuergeist seinen Grimm nimmt, so daß er sich in seinen grimmigen Eigenschaften im öligen Grund nicht mehr entzünden kann. Deshalb muß das Feuer durch den Tod brennen und nur noch ein Licht sein, ansonsten würde der ölige Grund entzündet. Und dafür muß das Feuer in seiner Verzehrung das Wasser als seinen eigenen Tod gebären, und muß es doch auch wieder zu seinem Leben haben, sonst könnte weder das Feuer noch das Licht bestehen. Und so ist es ein ewiges Gebären, Verzehren, Nehmen und Wiederverzehren, und doch auch ein ewiges Geben, und dafür gibt es keinen Anfang noch ein Ende.

7.5. So verstehen wir nun, was Gott und sein Wesen ist. Wir Christen sagen: „Gott sei dreifaltig, aber einig im Wesen.“ Daß aber allgemein gesagt wird, Gott sei dreifaltig in drei Personen, das wird von den Unverständigen schlecht verstanden, und teilweise wohl auch von den Gelehrten. Denn Gott ist keine Person als nur in Christus, sondern er ist die ewig-gebärende Kraft und das Reich samt allen Wesen. Alles nimmt seinen Ursprung von ihm.

7.6. Daß aber von Gott gesagt wird, er sei Vater, Sohn und Heiliger Geist, das ist zwar richtig gesagt, aber man muß es erklären, ansonsten begreift es das unerleuchtete Gemüt nicht: Der Vater ist erstlich der Wille des Ungrundes. Er ist jenseits aller Natur oder Anfänge der Wille zum Etwas, der sich in eine Lust zu seiner Selbstoffenbarung faßt.

7.7. Und die Lust ist die gefaßte Kraft des Willens oder Vaters, und diese ist sein Sohn, Herz und Sitz, der erste ewige Anfang im Willen. Und darum wird er ein Sohn genannt, weil er im Willen einen ewigen Anfang nimmt, nämlich mit der Selbstfassung des Willens.

7.8. So spricht sich nun der Wille durch das Fassen aus sich aus, als ein Aushauchen oder eine Offenbarung. Und dieses Ausgehen vom Willen im Sprechen oder Hauchen ist der Geist der Gottheit oder die dritte Person, wie es die Alten erklärt haben.

7.9. Und das Ausgehauchte ist die Weisheit, als die Kraft der Farben und Tugenden des Willens, welche er in ein Lebenszentrum oder Herz zu seiner Wohnung ewig faßt, und aus der Fassung, als aus seiner ewigen Form, ewig wieder ausspricht, und doch auch ewig wieder ins Zentrum seines Herzens faßt.

7.10. So ist die Fassung des Willens als ein Vater seit Ewigkeit in Ewigkeit, denn dieser faßt sein sprechendes Wort seit Ewigkeit in Ewigkeit und spricht es seit Ewigkeit in Ewigkeit aus. Das Sprechen ist der Mund zur Offenbarung des Willens, und das Ausgehen vom Sprechen oder Gebären ist der Geist des geformten Wortes, und das Ausgesprochene sind Kraft, Farben und Tugend der Gottheit als die Weisheit.

7.11. Darin gibt es noch keinem Grund zu sagen, daß Gott aus drei Personen bestehe, sondern er ist dreifaltig in seiner ewigen Gebärung. Er gebiert sich in der Dreifaltigkeit, aber in dieser ewigen Gebärung ist doch nur ein einziges Wesen und eine einzige Gebärung zu verstehen, weder Vater, Sohn noch Geist, sondern das einige und ewige Leben oder Gut.

7.12. Und diese Dreiheit wird richtigerweise erst in seiner ewigen Offenbarung verstanden, wenn er sich durch die ewige Natur durch das Feuer im Licht offenbart.

7.13. Dort versteht man drei Eigenschaften in einem einzigen Wesen, nämlich den Vater mit der Feuerwelt, den Sohn mit der Liebebegierde im Licht als mit der Lichtwelt oder der großen Sanftheit im Feuer, und den Heiligen Geist mit dem webenden Leben in der Tinktur, im öligen und wäßrigen Leben und Regiment, der im Feuer und Licht offenbar wird, wie in einer großen feurigen Licht- und Liebeflamme, entsprechend der Eigenschaft der freien Lust, als nach der göttlichen Eigenschaft. Und zum Zweiten in einer grimmigen leidvollen Qual-Eigenschaft entsprechend der finsteren Feuerwelt, und doch ist es nur der eine Geist: Im Licht ist er die Liebefeuerflamme, und im anzündlichen Feuer in der Natur ist er ein verzehrendes Feuer, nach welchem sich Gott ein „verzehrendes Feuer“ nennt. Und in der finsteren grimmigen Qual ist er ein zorniger Eiferer, in welcher Eigenschaft die Geister der finsteren Welt stehen.

7.14. Der Vater wird nur im Sohn ein „heiliger Gott“ genannt (das heißt, in der Kraft des Lichtes im göttlichen Freudenreich, als in der großen Sanftmut und Liebe), denn das ist seine wahre Offenbarung, darin er „Gott“ heißt. Im Feuer heißt er ein „zorniger Gott“, aber im Licht oder Liebefeuer heißt er der „heilige Gott“, und in der finsteren Natur heißt er nicht „Gott“.

7.15. Man muß den Unterschied erfassen, denn jede Welt hat sein Prinzip und auch Regiment. Es kommt wohl alles aus einem einzigen Ursprung, aber es scheidet sich in zweierlei Qualität, wie wir dafür an Feuer und Licht ein Gleichnis sehen, da das Feuer leidlich und verzehrend ist, und das Licht sanft und gebend, und doch wäre eines ohne das andere nicht.

7.16. Das Feuer nimmt seinen Ursprung in der Natur, das Licht aber aus der freien Lust, als aus den Kräften der Gottheit. Und nur darum führt sich der Wille Gottes in ein Feuer hinein, daß er das Licht und die Kräfte offenbare und in (greifbare) Wesen hineinführe.

7.17. Wenn ich aber hier nur von den Gestaltungen der Natur geschrieben habe, dann soll darunter nicht verstanden werden, daß die Gottheit in Ziel und Maß stehen würde. Denn seine Weisheit und Kraft in göttlicher Eigenschaft sind ohne Ziel und Maß, unzählig und unaussprechlich. Und darum schreibe ich nur von den Eigenschaften, wie sich Gott durch die innere und äußere Welt offenbart hat, und welches die wesentlichsten Gestaltungen seiner Offenbarung sind.

7.18. Denn diese sieben Eigenschaften findet man in allen Dingen, und wer dies leugnet, hat keine Vernunft. Und diese sieben Eigenschaften ergeben in der inneren Welt das heilige Element, als das heilige natürliche Leben und Weben. Aber in dieser äußeren Welt scheidet sich das einige Element in vier offenbare Eigenschaften, nämlich in vier Elemente, obwohl es doch auch nur ein einiges ist, das sich aber in vier Quellbrunnen teilt, als in Feuer, Luft, Wasser und Erde.

7.19. Aus dem Feuer entsteht die Luft, aus der Luft das Wasser, und aus dem Wasser die Erde oder ein Wesen, das irdisch ist. Und doch sind sie nur eine Offenbarung des inneren einigen Elementes, und vor dem Inneren wie ein entzündeter Rauch oder Dunst. So ist auch das ganze Gestirn nichts anderes als ausgehauchte Kräfte aus der inneren feurigen Finster- und Lichtwelt, aus dem großen Gemüt göttlicher Offenbarung, und es ist nur ein ausgeformtes Modell, darin sich das große Gemüt göttlicher Offenbarung in einer Zeit schaut und mit sich selber spielt.


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