Von der Menschwerdung Jesu Christi

Der aufgeklärte moderne Mensch wird sich wohl fragen: „Was interessiert mich diese alte Geschichte von Jesus Christus?!“ Nun, um diese äußerliche Geschichte geht es hier im Text nur wenig, sondern vor allem um den inneren Christus, oder moderner gesagt, um das Christus-Bewußtsein, also ein ganzheitliches Bewußtsein, das weit über die engen Grenzen unseres gewöhnlichen Denkens und des kleinen Körperbewußtseins hinausgeht. Heutzutage würde man besser von einer „höheren Vernunft“ sprechen, und daran mangelt es ja offensichtlich in unserer modernen Welt am meisten. Deshalb benötigten wir nun nach „der Menschwerdung von Wissenschaft und Technik“ auch ganz dringend „die Menschwerdung der Vernunft“, ansonsten droht unsere moderne Sonne der Aufklärung trotz aller großen Hoffnungen in einer geistigen Dunkelheit voller Gier, Egoismus, Unersättlichkeit und Wahnsinn zu versinken. In diesem Sinne kann uns dieser Text viel sagen…

Ach, Blindheit, daß wir uns nicht erkennen! Oh du edler Mensch, wenn du dich erkenntest, wer du bist, wie würdest du dich freuen! Wie würdest du dem finsteren Teufel Urlaub geben, welcher Tag und Nacht dahin trachtet, daß er unser Gemüt irdisch mache, damit wir unser wahres Vaterland nicht erkennen, aus dem wir herausgegangen sind. Oh elender verdorbener Verstand, erkenntest du nur ein Fünkchen von deiner ursprünglichen Herrlichkeit, wie würdest du dich danach sehnen! (§1.6.5.)

Inhaltsverzeichnis - »Von der Menschwerdung Jesu Christi« (1620)

Erster Teil - Wie das ewige Wort Mensch wurde
•• 1. Kapitel - Vom Ursprung des ewigen göttlichen Wesens
•• 2. Kapitel - Die Offenbarung der Gottheit
•• 3. Kapitel - Die Pforte der Schöpfung des Menschen
•• 4. Kapitel - Vom paradiesischen Wesen und Regiment
•• 5. Kapitel - Vom kläglichen und elenden Fall des Menschen
•• 6. Kapitel - Von Adams Schlaf und der Schöpfung der Frau
•• 7. Kapitel - Vom verheißenen Weibes-Samen und Schlangentreter
•• 8. Kapitel - Von der Jungfrau Maria und der Menschwerdung Jesu Christi
•• 9. Kapitel - Von Marias Jungfrauenschaft
•• 10. Kapitel - Von der Geburt Jesu Christi, des Sohns Gottes
•• 11. Kapitel - Vom Nutzen der Menschwerdung Gottes und Geburt Christi
•• 12. Kapitel - Von der reinen Jungfrauenschaft
•• 13. Kapitel - Vom zweifachen Menschen, dem alten und neuen Adam
•• 14. Kapitel - Von der neuen Wiedergeburt
Zweiter Teil - Christi Leiden, Sterben, Tod und Auferstehung
•• 1. Kapitel - Vom Ursprung des Lebens aus dem Feuer
•• 2. Kapitel - Die wahre hochteure Pforte der Heiligen Dreifaltigkeit
•• 3. Kapitel - Wie Gott ohne das Prinzip des Feuers nicht offenbar wäre
•• 4. Kapitel - Vom Prinzip und Ursprung der feurigen Welt
•• 5. Kapitel - Vom Prinzip in sich selbst, und was es sei
•• 6. Kapitel - Von unserem Tod und warum wir sterben müssen
•• 7. Kapitel - Vom geistigen Sehen
•• 8. Kapitel - Die Pilgerstraße aus dem Tod ins Leben
•• 9. Kapitel - Weiter zum dritten Aufruf
•• 10. Kapitel - Vom Ebenbild Gottes als Mensch
Dritter Teil - Der Baum des christlichen Glaubens
•• 1. Kapitel - Was Glaube ist und wie er ein Geist mit Gott sei
•• 2. Kapitel - Vom Ursprung des Glaubens
•• 3. Kapitel - Von der Eigenschaft des Glaubens
•• 4. Kapitel - Das Werk des Glaubens
•• 5. Kapitel - Warum die Gottlosen sich nicht bekehren
•• 6. Kapitel - Was Lust und Glaube vermögen
•• 7. Kapitel - Das Ziel der Schöpfung und der Baum des Glaubens
•• 8. Kapitel - Wie Gott Sünde vergibt und man ein Kind Gottes wird

Download als E-Book: AZW für Amazon-Kindle / EPUP für alle anderen EBook-Reader / PDF

Jacob Böhme, Von der Menschwerdung Jesu Christi, 1660

In diesem Titelbild der Amsterdamer Ausgabe von 1660 sieht man oben die Überschriften der drei Teile dieses Werks und im Zentrum den „Baum des Glaubens“, dessen Krone in das lichtvolle Paradies der Engel wächst, das vom Licht „JESUS“ erfüllt ist. Neben dem Stamm befindet sich unsere dunkle gegensätzliche Welt mit Abraham, der bereit ist, seinen Sohn zu opfern, und rechts davon Christus, die Vernunft oder der Mensch selbst, der am Kreuz dieser Welt gebunden ist. Die Wurzel des Baums steht in einem Spruchband mit drei Bibelsprüchen:

»Hier ist Geduld der Heiligen; hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus. (Offb. 14.12)«
»Also werden nun, die des Glaubens sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham. (Gal. 3.9)«
»Von diesem zeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen. (Apg. 10.43)«

Jacob Böhme, Von der Menschwerdung Jesu Christi, 1682

Dies ist das Titelbild der Amsterdamer Ausgabe von 1682 zum ersten Teil der „Menschwerdung Jesu Christi“. Im Zentrum sieht man die Jungfrau mit der zwölffachen Sternenkrone auf dem Mond stehen, wie auch Böhme dieses Gleichnis aus der Offenbarung Kap.12 unter §1.13.4 benutzt. Ihr Körper oder Mutterleib ist unsere Welt mit den mystischen Augen des Bewußtseins, die sich wie in einem ewigen Spiegel im Kreis der Natur selbst betrachten. Die sieben Feuer spielen vermutlich auf die sieben Gestaltungen der Natur an. Und im Zentrum erscheint das Christus-Kind mit dem Heiligen Geist, das von der göttlichen Jungfrau der Weisheit in uns als ein göttliches bzw. ganzheitliches Bewußtsein geboren werden soll. Die Haltung deutet die Kreuzigung und Demut an, und das nach unten gerichtete Dreieck könnte ein Symbol für das ewige Wasser des Lebens sein, das mit Liebe und Sanftmut das grimmige Feuer der Natur löschen soll. Und am unteren Rand könnte man noch das erste Prinzip der Dunkelheit sehen, den Vater, der alles trägt.

Jacob Böhme, Vom Leiden und Sterben Jesu Christi, 1682

Dies ist das Titelbild der Amsterdamer Ausgabe von 1682 zum zweiten Teil „Vom Leiden und Sterben Jesu Christi“. Oben sieht man das Opferlamm Christi, wie es sich binden und opfern läßt, um uns mit seinem Blut zu erlösen. Dazu wird der Bibelspruch angeführt:

»Und wißt, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen. (1.Petr. 1.18-20)«

Das Blut fließt aus der Lichtwelt in unsere irdische Welt von Licht und Finsternis, in der man das Kreuz-Symbol ♁ der Erde sieht. In diesem Blut Christi kann man auch das lebendige Wasser des ewigen Lebens erkennen, das sozusagen unsere Angst vor dem Tod in sich ertränkt und auflöst. Praktisch ist es ein höheres Bewußtsein, das unser ichhaftes Körperbewußtsein weit übersteigt und erlöst, ein ganzheitliches bzw. göttliches Bewußtsein, und davon handelt auch dieser Text.

Jacob Böhme, Der Baum des Glaubens, 1682

Dies ist das Titelbild der Amsterdamer Ausgabe von 1682 zum dritten Teil „Der Baum des christlichen Glaubens“. Die Wurzel und den Stamm des Baumes sieht man in unserer äußerlichen „Sternenregion“, wo auch die irdische Sonne scheint. Aber er wächst und grünt durch das reinigende Feuer-Auge des Bewußtseins in das „Paradies“, ein himmlisches Reich des Licht-Lebens, wo „JESUS“ im Zentrum die Quelle des reinen Lichtes ist, also ein reines, freies und ganzheitliches Bewußtsein. Und im Hintergrund steht die „Finstere Welt“, das ungestaltete Meer der Ursachen bzw. Möglichkeiten, sowie ein Kreuzsymbol, dessen obere Hälfte hell und licht ist. Die untere Hälfte ist dunkel, aber endet in einem mächtigen Anker, der uns an Christus erinnert, der in dieser Welt geboren wurde, um uns von dieser geistigen Verdunklung zu erlösen und ins Licht zu führen. So sieht man in diesem Bild auch gut den Unterschied zwischen dem Glauben, der uns in ein reines Licht führt, und dem gedanklich-gegensätzlichen „Verstand“, der uns in diese Schattenwelt von hell und dunkel an unsere „Standpunkte“ bindet.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Menschwerdung Jesu Christi, Jacob Böhme, 1660
Von der Menschwerdung Jesu Christi, Jacob Böhme, 1682
Theosophia Revelata, Band 1, Jakob Böhme, 1715
Theosophia Revelata, Band 4, Jacob Böhme, 1730
Jakob Bohmes Sämtliche Werke, Band 6, Johann Umbrosius Barth, 1846

Veröffentlichung: 12.09.2022