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Von Professor Dr. Dr. Richard Jecht. (deutsche Überarbeitung 2022)
„Es ist jetzt eine andere Zeit: man glaubt nicht mehr so schnell, was ein jeder sagt, sondern will Beweise haben. (Jakob Böhme, Apologie gegen Gregor Richter, §67)“
Es ist neuerdings ausgesprochen, daß Jakob Böhmes äußeres Leben keinen bestimmten Einfluß auf seine innere Gestaltung gehabt habe. Von anderer Seite aber ist auch gleichzeitig betont, daß er ebensowenig wie andere originale Menschen „zeitlos“ dastehe. Und in der Tat kann nicht bestritten werden, daß Umgebung und Zeitverhältnisse auf ihn gewirkt haben. Daß Jakob Böhme aus dem abgelegenen Bauerndorf Alt-Seidenberg seinen Weg als Schuhmacher nach der Stadt Görlitz an der großen Handelsstraße fand, daß er, fern der humanistischen Bildung, wesentlich aus sich heraus sich bildete, daß er lebhaften Verkehr mit gelehrten paracelsistisch gebildeten Ärzten und tief empfindenden reichen und einflußreichen Adligen pflegte, das und anderes ist für seine geistige Entwicklung bedeutsam gewesen. So ist auch er in Wahrheit ein Kind seiner Zeit, und seine Gedanken, so eigenartig sie sind, hängen doch durch viele Fäden mit seiner Zeit zusammen, etwa in demselben Sinne, wie sein großer Zeitgenosse Shakespeare von dem Hintergrund seines heimatlichen Landes sich abhebt. Die beiden Männer weisen überhaupt in ihren Schicksalen manches Gemeinsame auf. Beide haben in ihrem beruflichen Leben eine Stellung eingenommen, die zu ihrer geistesgeschichtlichen Entwicklung in einem merkwürdigen Mißverhältnis steht. Kein Wunder, daß an der Persönlichkeit und der Urheberschaft des englischen Schauspielers und des Görlitzer Schumachers Zweifel laut geworden sind. Um so wichtiger und reizvoller ist es, den Lebensschicksalen dieser beiden einzigartigen Männer nachzugehen.
Eine Hauptquelle für Jakob Böhmes Leben sind seine Schriften. Nun stellen freilich Mystiker und Theosophen ihre Person fast ganz hinter ihr Leben zurück, aber hier und dort finden sich doch Andeutungen, und ferner gibt es von unserem Philosophen eine ganze Reihe Briefe, die solcherlei Nachrichten in reicher Fülle aufweisen. Ferner haben sich von Zeitgenossen und Anhängern des Meisters, so von den Görlitzern Dr. Tobias Kober, Michael Curtius, Johannes Rothe und dem Schlesier Abraham von Franckenberg Lebensnachrichten über ihn erhalten. Auch die gleichzeitigen Gegner und ebenso die Annalisten, die Gefallen daran fanden, Neues und Merkwürdiges aufzuzeichnen, liefern Bausteine. Sehr wichtig sind auch die Bekundungen der damaligen Ratsbehörde und der Schusterinnung. Zwei Anhänger Böhmes, Dr. Christian Weisner in Breslau und der Görlitzer Ratsherr Ehrenfried Hegenicht, haben, freilich erst 1651 und 1669, vornehmlich mündliche Berichte zusammengefaßt. Die drei großen Böhme-Ausgaben von 1682, 1715 und 1730 brachten nicht allein diese Berichte im Druck, sondern lieferten auch sonst, was den Herausgebern noch bekannt wurde…
Seit 66 Jahren hat, soviel auch über die Philosophie Böhmes geforscht und geschrieben wurde, die Quellenforschung über seine Lebensumstände fast ganz geruht. Es ist daher heute, im 300. Jahr seines Todes, eine Pflicht vornehmlich auch der Görlitzer Geschichtsforschung, die äußeren Schicksale des größten Bürgers der Stadt von neuem einer Untersuchung zu unterziehen, die alten Ergebnisse kritisch zu überprüfen und die neuen der Öffentlichkeit vorzulegen. Zu statten kommt dabei, daß das Görlitzer Ratsarchiv seit einem Menschenalter geordnet und leicht benutzbar ist. Die Arbeit will eine historisch-philologische und keineswegs eine philosophische sein.
Es ist ja allgemein bekannt, daß Jakob Böhme erst seit 1610 das frühere Haus am Ostausgang der Altstadtbrücke in Görlitz besaß. Sicher ist ferner, daß er 1699 Görlitzer Bürger wurde und sich seinen Hausstand gründete. Da erhebt sich nun die Frage, wo in der Stadt hat er seit 1899 bis 1610 seine Wohnung gehabt? Nun haben wir in dem reichen Görlitzer Ratsarchive in den Geschoß- und Steuerbüchern ein Verzeichnis sämtlicher Hausbesitzer, geordnet nach ihren Wohnsitzen, und ihre Durchmusterung aus der Zeit unmittelbar nach 1599 ergab die Tatsache, daß in den Vorstadtlisten sich auf Blatt 416 der Name Jakob Böhme findet. Freilich wird man wieder dadurch irre, daß ebenso schon Blatt 30d auch ein Jakob Böhme als Hausbesitzer eingeschrieben ist. Doch gibt u.a. den sicheren Entscheid, daß unser Jakob Böhme als Schuster und Besitzer einer Schuhbank pro scampno (für eine (Schuh-) bank) Geschoß (Steuer) zahlt, der andere Jakob Böhme aber, der nach sonstigen Quellen ein Rotgerber war und am 2. Juni 1618 starb, nur Haus- und Herdgeschoß entrichtet. Bei einer Umschau in den sonstigen Quellen des Ratsarchivs kam auch die Kaufurkunde unseres Böhme zum Vorschein. Im Kaufbuch 1598 ff. steht Bl.77: „Paul Adam hat erblich, recht und redlich, ganz frei und unbeschwert mit alle dem, was erd-, nied- und nagelfest, verkauft sein Haus vor dem Neißtor auf dem Töpferberg zwischen Moises Wieles und Paul Hillebrands Häusern gelegen, Jakob Behmen und ihm das gegeben für 300 Mark, zu zahlen bar auf künftig Mertini 150 Mark und den Rest jährlich auf Weihenachten mit 25 Marken zu verrichten, auf Weihnachten über ein Jahr damit anzufangen und also fort, solange das Geld währt, bei demselben Hause, tamquam omni jure perscto. Actu coram senatu 21. Augusti 1599.“ Nach 9 Jahren, am 26. Juli 1608, veräußerte nun Böhme dieses Haus „auf der Rabengassen zwischen Paul Hildebrandes und Moises Kiesewetters Häusern gelegen“ für 330 Mark an Zacharias Kieslingen. Diesmal wird das Haus nach der westlichen Hauptfront als gelegen auf der Rabengasse bezeichnet. Die andere kennzeichnende Lage, „auf dem Töpferberge“ vom Jahre 1599 ist mir nicht wieder vorgekommen, wohl aber „auf dem Neustädtel“ (so 1757-1764), zum deutlichen Beweise, daß der Name Neustädtel für den älteren Töpferberg eingetreten ist. Ich verfolgte nun in den Steuer- und Geschoßbüchern auf Blatt 41b unter sorgfältiger Berücksichtigung der beiden nachbarlichen Häuser das Grundstück langsam bis zur Gegenwart. Danach ergaben sich als Besitzer nach Jakob Böhme und Zacharias Kießling: 1612 ff. George Richter, 1613 ff. Friedrich Hofmann, 1622 ff. Vlasius Kießling, 1658 ff. Melchior Beier, 1689 ff. Christoph Keßler, 1705 ff. Michael Fehder, 1725-1775 Johann George Brückner, Tuchmacher. 1740, wo ein Vordruck für die Geschoßbücher besteht, liest man das Haus auf Blatt 83. Bei dem Jahre 1775 ist daneben die Hypothekennummer 773 geschrieben, und damit ist das Haus als Prager Straße 12 sicher festgestellt. Nach 1775 besitzt es der Schwiegersohn Brückners. Christian Samuel Hüttig, dessen Witwe, geborene Brückner, es im August 1806 an Christian Gottlieb Altenberger (1777-1864), verkauft. In den Händen seiner Nachkommen ist das Haus bis jetzt geblieben. Heute besitzt es die Witwe des Korbmachers und Fischers Gustav Emil Altenberger.
Nach dem Vorgange aller in geschlossener Reihe stehenden Häuser der Stadt Görlitz hat das Haus, als es Böhme vor 325 Jahren bewohnte, dieselben Grenzen und Ausmessungen wie jetzt gehabt. Seine beiden Ausgänge westwärts nach der Prager Straße und ostwärts nach dem Neustädtel sind außerdem noch urkundlich verbrieft. Unversehrt ist es natürlich nicht geblieben. Einmal wird es in der Belagerung von 1641 gelitten haben, dann aber ist es am 30. April 1726 bei einer fürchterlichen Feuersbrunst beschädigt. Am meisten mag das Feuer den oberen Teil des Hauses ergriffen haben. Die Grundmauern und die Geschoßeinteilung sind sicher beim Neubau 1726 und ff. wieder benutzt worden. Von dieser Gestaltung des Hauses haben wir ein Bild aus dem Jahre 1866. Es ist deshalb wichtig, weil bei einer Erneuerung 1870/71 die Seite nach der Neiße andere Fenstergestaltung bekam. Das obere Geschoß, das früher aus einem einzigen Raum bestand, ist beim Umbau im Inneren ausgebaut worden.
Das Haus ist in der Überlieferung nicht als Jakob Böhmes Haus festgehalten worden, weil der Meister von 1610 bis 1624 ein anderes Haus besaß, in dem er seine Berühmtheit erlangte. Aber dieses zweite Haus ist verschwunden, und wir dürfen nicht vergessen, daß Böhme, bevor er 1612 seine Aurora schrieb, von den 12 Jahren, in denen er sich zur Klarheit über seine großartige Weltanschauung durchrang, 11 Jahre in dieser neu gefundenen Stätte wohnte. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß das alte Jakob Böhme-Haus in der Steuer mit 40 Schock, das neue dagegen mit 25 Schock bewertet wurde. Das zweite Haus ist also ursprünglich viel geringer an Steuerkraft eingeschätzt worden. Das Haus ist in dem Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz, in 3 Ansichten abgebildet.
Erstes Wohnhaus in Görlitz, Prager Str. 12, um 1860 (oben gerundete Fenster)
Aufgang zum Hinterhaus
Zwei Jahre, 1609 und 1610, vergingen, ehe Jakob Böhme wieder Hausbesitzer wurde. Daher kommt es auch, daß er in einer Liste von Innungsmeistern, die nicht Hausbesitzer waren, in diesem Zeitraume erscheint. Am 22. Juni 1610 erwarb er darauf ein neues Wohnhaus. Die Urkunde liest man in dem Kaufbuch von 1606 Bl. 260b. Sie lautet: „Valentin Lange hat erblich, recht und redlich, frei und unbeschwert verkauft sein Haus, zwischen dem Neißtor neben Zacharias Scholzes Haus gelegen, mit alle dem, was erd-, nied- und nagelfest, Jakob Behmen und ihm das gegeben für 375 Mark, zu bezahlen bar auf Michaelis 200 Mark und den Rest jährlich allewege auch auf Michaelis mit 25 Mark zu verreichen, auf Michaelis über ein Jahr damit anzufangen und also fort, solange das Geld währt, bei demselben Haus, tamquam omni jure peracto. Actum coram senatu 22. Juni 1610.“ Die 200 Mark zahlt Böhme am 13. November 1610, die letzte Teilzahlung am 27. April 1618. Kaum 5 Monate nach dem Tod Böhmes verkaufen die Erben das Haus laut folgender Urkunde: „George Steinkürchner in Vormundschaft Frau Catharinen Jacob Böhmes seligen Wittiben und Herr Martin Miller neben Hans Pradeln dem Jüngeren in Vormundschaft seiner unmündiger drei Söhne haben erblich, recht und redlich, frei und unbeschwert verkauft ihr und ihrer Mündel anererbtes väterliches Haus, zunähest am Neißtore und Daniel Kurtzes Haus gelegen, Martin Göttligen und ihm dasselbe gegeben um 425 Mark bares Geldes auf itzo Walpurgis zu bezahlen, bei demselben Hause, tamquam (omni jure peracto). Über dies hat ihr (sich) die Wittib bis auf künftig Michaelis freie Herberge ausgedingt. Actum coram senatu den 5. Aprilis anno 1625.“ Nach den Geschoßbüchern, die das Haus in den Listen der Vorstädte Bl. 43b und seit 1740 auf Bl. 87 bringen, sind die Besitzer nach Jakob Böhme und Martin Göttlig: 1628 ff. Simon Hofmann (Schwiegersohn Göttligs), 1635 ff. Hans Seiler, ein Schuster, der das Handwerk bei Jakob Böhme gelernt hatte, 1660 ff. Hans Göldener, 1686 ff. Eva Göldener, die Frau des Vorigen, 1692 bis 1717 Christoph Göldener, Sohn der Eva, 1717 ff. Michael Maukisch, 1727 ff. Caspar Liebelt, 1736 (vielleicht schon etwas früher) bis 1747 Johann Georg Knöfel, 1747 ff. Rosina Knöfelin, 1748 Anna Margareta Knöfelin, dann Johann Traugott Knöfel (Bäcker), 1788 ff. Christoph Pinger, dann Gottfried Pinger (Weißbäcker), 1814-1818 Johann Christoph Pinger, 1827 Anna Rosina Pinger, 1833 ff. Karl Friedrich Nordmann (Bäcker), 1859 ff. Ernst Gustav Hollstein (Bäcker), 1880 ff. Friedrich Emil Schulze (Bäcker), 1890 Waaren-Einkaufs-Verein, 1905 die Stadt Görlitz. Diese ließ das Haus, um Platz für den östlichen Ausgang der neuen Altstadtbrücke zu bekommen, niederreißen. Das Haus trug die Hypothekennummer 789 und zuletzt die Straßennummer Prager Straße 110 oder auch als Eckhaus Breslauer Straße 45. Um die Stelle, die jetzt offenes Straßengelände ist, der Nachwelt kenntlich zu machen, wäre es wohl angebracht gewesen, das Jakob Böhme-Denkmal, das gegenüber der Stadthalle ausgestellt wurde, auf den nahen Töpferberg zu setzen. Seit 1922 ist durch eine Tafel, die die zwei Amerikaner M. Richard A. Beale und Miss Contryman an der jetzigen Schule, früher der Wohnung der Hospitanten, anbringen ließen, der Platz des ehemaligen Hauses gekennzeichnet. Die Inschrift lautet: Lage von Jakob Böhmes Haus und Werkstatt 1610-1624.
Nach der Abbildung der Stadt Görlitz aus dem Jahre 1566, die zwei Görlitzer Künstler, der Goldschmied Joseph Metzker und der Formschneider Georg Scharffenbergk, fertigten, und nach dem Bild von Braun und Hogenberg von 1575, das auf der Vorlage von 1566 beruht, trug das Haus nach Norden hin einen hohen Giebel. Es lag mit einem westlich daran stoßenden Privathause, der Hospitalschmiede und dem Hospital zum heiligen Geist südlich am östlichen Ausgang der alten hölzernen Brücke, und zwar zwischen dem inneren und äußeren Neißetor (rechts der Neiße); ihm gegenüber stand ein Rondel (Brückenkopf) und die Dreiradenmühle. Die am Haus vorbeiführende Straße nach Schlesien war für einen Handwerker günstig, weshalb auch Schuhmacher und Bäcker dort mit Vorliebe ihren Sitz hatten. Schlimm erging es dem Gebäude im 30 jährigen Krieg während der Belagerung unserer Stadt im Jahre 1641 von Ende Juli bis Ende September. Es wurden nämlich damals zwar sonst die Vorstädte von dem Verteidiger der Stadt, dem Oberst Wancke, den Feinden überlassen, aber die Neißebrücke mitsamt dem Brückenkopf an der Dreiradenmühle hielt man gegen die angreifenden Kursachsen und Kaiserlichen. Und hier erhob sich ein erbitterter Kampf, der eingeleitet wurde vom Feuer schwerer Geschütze von der nahen östlichen Höhe. Anlauf auf Anlauf erfolgte, immer vergebens. Denn die tapfere schwedische Besatzung wurde fortdauernd verstärkt und ergänzt durch Truppen vom linken Neißeufer. Daß dabei das nahe Jakob Böhme Haus litt, ist sicher. Vielleicht hat gar Wancke, kurz bevor sich der Belagerungsring schloß, das Haus, wie so viele Gebäude der Vorstädte, um den Feinden die Stützpunkte zu nehmen, niederreißen oder verbrennen lassen. Denn auf der sehr lehrreichen Belagerungskarte, die durch den sächsischen Generalquartiermeister Melchior Schlohmachen schon 1641 hergestellt wurde, zeigt der Standort des Hauses und des nachbarlichen Gebäudes einen leeren Fleck oder doch nur ein kümmerliches Untergeschoß (Nebenkärtchen), und damit stimmt überein, daß noch im Jahre 1660, als am 20. Januar das Grundstück an Hans Göldner verkauft wurde, nicht von einem Haus, sondern von einer Baustelle die Rede ist. Der Besitzer Hans Göldner hat also 1660 oder in einem der folgenden Jahre das Haus ganz neu aufgebaut und dazu höchstens unbedeutende Überreste von dem alten Jakob Böhme-Haus verwerten können. Die neue Form zeigt sich auf dem Daniel Petzoldschen Stadtplan, der Großers Lausitzischen Merkwürdigkeiten (III, 68) beigegeben ist, und in den auf Petzold beruhenden Stadtbildern in den Ausgaben von 1715 und 1730 (mit Kreuz). Sie ist auch noch erhalten in dem Bild, das die Schützengilde 1776 ihrem Mitgliede Johann Traugott Knöffel als „Kleinod“ stiftete (jetzt im Museum). Nach 1776 ist der hohe Giebel und das hohe Dach durch ein barockes Mansardendach ersetzt worden und überhaupt viel an dem Haus geändert. Hatte es auch kaum noch etwas aus der Zeit Jakob Böhmes an sich, so war es doch schon durch die vielen Besuche von Verehrern des Meisters denkwürdig geworden. Das Haus barg auch zwei Fremdenbücher. Eins ging wohl in der Franzosenzeit 1806-1813 verloren, das andere besitzt das Museum. Außerdem fand sich dort noch eine Glasscheibe mit dem Bild des Heiligen Christophorus, wie er das Christuskindlein durch das Wasser trägt (jetzt auch im Museum). Ein Zusammenhang dieser Scheibe mit Jakob Böhme scheint deshalb zu bestehen, weil das Bild das Buch- und Druckzeichen einer Amsterdamer Verlagsbuchhandlung Chriftoffel Cunradus vor Henricus Betcius im Jahre 1677 war. Die Buchanstalt Betke und Nachfolger hat aber bis etwa 1700 wohl 25 Drucke Jakob Böhmes herausgegeben und hat ihre Vertreter des öfteren nach Görlitz geschickt, und diese werden die Fensterscheibe gestiftet haben.
Vom Sterbehaus Böhmes sowie von benachbarten alten Häusergruppen bringt das Bildwerk „Jakob Böhme und Görlitz“ Abbildungen:
Zweites Wohnhaus in Görlitz, Prager Str. 100 um 1776
Dasselbe Haus an der Neißebrücke, das auch sein Sterbehaus war, um 1820
Im Traubuch unter dem 10. Mai 1599 heißt es: „Jacob Bohem (getraut mit) Jungfrau Catharina Hanns Kuntzschmanns Tochter (und zahlte) 3 Kreuzer.“ Hans Kuntzschmann war, wie andere Quellen berichten, Fleischermeister. Sein Haus steht in den Geschoßlisten in der Stadt Blatt 14b, seit 1740 Blatt 28. Nach 1621 verschwindet Kuntzschmanns Name, und dafür tritt als Hausbesitzer Hans Mentler (Mänteler) ein, und dieser Name bleibt, zunächst wunderbar genug, bis 1827, also über 200 Jahre auf der Stelle haften, allerdings feit 1670 infolge eines Schreibfehlers in der Form Hans Wendler. Das kommt daher, weil, wahrscheinlich bei oder unmittelbar vor der Belagerung der Stadt 1641, das Haus abgebrochen oder angezündet wurde. Denn gerade diese Stelle, die Nordwestecke der eigentlichen Stadt, war den Feinden mit am meisten ausgesetzt, und hier tobte der Kampf aufs heftigste. Die Stätte wurde also Wüste, und ein Aufbau geschah erst nach 186 Jahren. Das wüste Grundstück wurde aber in den Geschoßbüchern weiter unter dem früheren Namen geführt. Schließlich zog es die Stadt ein und verkaufte es für einen ganzen Taler. Zusammen mit der nachbarlichen wüsten Stelle (unter dem Namen Hans Pate) wurde es dann 1827 als ein Haus aufgebaut. Es trägt die Nummer Jüdenring 10, Hypothekennummer 182f und später 2425. Gerade an dieser Stelle hat sich das Stadtbild sehr geändert. Die einst dem Haus vorliegenden Stadtmauern und Türme sind gänzlich verschwunden. Jakob Böhme würde sich an der Stelle, wo er im Mai 1599 Hochzeit feierte, nicht mehr zurechtfinden.
Der Name Böhme findet sich in Stadt und Land Oberlausitz sehr häufig. Um 1600 wechselt die Schreibart Böhm, Böhme, Bheme, Beme, Byme, Bohem, Böhmer, Bemann und ähnlich. Als ältester Vertreter des Namens in Alt-Seidenberg kommt am 23. Oktober 1416 ein Hans Behme vor. Dieser ist wahrscheinlich ein Urahn des Theosophen. Daß der Name Böhme darauf hinweise, daß der Ursprung der Familie nicht deutsch sei, wird bis in die Gegenwart behauptet, ist aber ganz irrtümlich. Denn man vergißt dabei, daß seit uralter Zeit, mindestens aber seit dem 13. Jahrhundert, in Böhmen neben den Tschechen eine in sich geschlossene rein deutsche Bewohnerschaft, namentlich in den gebirgigen Grenzgebieten lebte. Bald nach der Mitte des 16. Jahrhunderts können wir nun auf Grund der erhaltenen Schöppenbücher von Alt-Seidenberg die Geschlechtsfolge feststellen. Das taten schon J. G. Kloß um 1770 und Gustav Köhler um 1835. Von neuem unternahm, unabhängig von diesen beiden, die Arbeit Curt Adler und sicherte und ergänzte die früheren Ergebnisse. Über die Kinder des Theosophen ist von mir noch einmal der Quellenvorrat genau geprüft worden. Die Geschlechtstafel sieht danach so aus:
Daß der Jakob Böhme vom Jahre 1558 der Vater des Ambrosius oder, wie er mundartlich meist heißt, Bruse, gewesen ist, ist auch deshalb wahrscheinlich, weil Ambrosius einen seiner Söhne nach dem Großvater Jakob nennt, eine früher und noch heute gern gepflegte Gewohnheit. Jakob, der Vater des Theosophen, hatte nach den Quellen einen Vetter Fabian Böhme.
Von Jakob, dem ältesten Sohn und Kind unseres Philosophen, der nach seinem Vater Jakob genannt wurde, gibt es freilich im Görlitzer Kirchenbuch keine Geburts- (Tauf-) Urkunde, doch liest man daselbst unter Nr. 29 des Jahres 1600 unter dem 29. Januar: Joachim Beme ein Sohn Jakob. Die Paten: George Miller, Hans Heine, Jungfrau Elisabeth, Hanns Barthels Tochter. Es ist kein Zweifel, daß sich der Ädituus (Kirchendiener), dem die Eintragungen oblagen, bei der Anzeige des damals in Görlitz ganz unbekannten Vaters verhört hat und für Jakob den Namen Joachim eintrug. Denn der Hochzeitstag der Eltern, der 10. Mai 1599, stimmt mit dem Geburtstag des ersten Kindes Jakob vorzüglich überein. Dieser älteste Sohn Jakob weilte etwa Anfang Februar 1624 in Görlitz, denn damals nahm er mit seinen Eltern und seinem Bruder Tobias das Abendmahl bei dem Görlitzer Diakonus Andreas Helbig. Dann kam er zwischen dem 10. und 15. Mai 1624, als sich der Vater auf der Reise in Dresden befand, heim nach Görlitz und verweilte dort noch am 13. Juni. Der Vater bat ihn, doch seines kleinen Bruders Elias sich anzunehmen. Beim Tod des Vaters scheint Jakob nicht zugegen gewesen zu sein. Auch beim Verkauf des väterlichen Hauses am 5. April 1625 ist er nicht erwähnt, wohl aber am 10. Mai 1625 und am 13. Dezember 1628, wo er den Empfang seines Erbanteils aus dem Hause bestätigt. Er soll ein Goldschmied gewesen sein.
Die Geburt und Taufe des zweiten Sohnes Böhmes Michel ist unter dem 8. Januar 1602 so verzeichnet: Jakob Bheme ein Sohn Michel. Die Paten: George Steinkirche, Merten Getlinck, Frau Dorothea die Lenert Reslerin, das sind also, wie damals bei den meisten Kindern, drei Paten. Darunter ist George Steinkürchner am 5. April 1625 der Vormund der Witwe Böhmes, und Martin Getlick kauft das Böhmesche Haus. Beides ist deshalb wichtig, weil wir aus den engen Beziehungen der beiden zum Haus Böhme den sicheren Schluß machen können, daß Michel der Sohn des Schusters, und nicht des Gerbers Böhme ist. Michel ist sonst in den Quellen nur noch einmal erwähnt. Er wird also jung gestorben sein. Daß sein Tod in dem Kirchenbuch nicht zu finden ist, erscheint deshalb nicht auffällig, weil in diesen Zeiten, wo die Pest herrschte, die Leichen ohne Sang und Klang auf den Kirchhof befördert wurden und deshalb auch die Läute- und Begräbniskosten, die die Kirche einzog, wegfielen und der Ädituus sich zur Eintragung nicht verpflichtet glaubte.
Höchst anziehend ist die Nachricht der Görlitzer Gymnasialmatrikel, daß im März 1608 die beiden ältesten Söhne Jakob und Michel in einem Alter von 8 und 6 Jahren am Gregoriusfest teilnahmen und daß sie dabei unter den locupletiores (Reichen) aufgeführt werden, nicht unter den pauperes (Armen), natürlich auch nicht unter den equites (Rittern). Auf die lateinische Schule freilich hat Jakob, soweit wir wissen, die beiden nicht geschickt. Am Gregoriusfest teilzunehmen war, wie es scheint, ein Lieblingswunsch der heranwachsenden Jugend, und viele Eltern werden ihren lieben Kindern diese Freude gemacht haben.
Der folgende Sohn Tobias ist am 11. September 1603 getauft worden. Merten Klesel, Peter Langehans, Frau Catharina die Hanns Heslerin waren seine Paten. 1609 nahm er nach der Gymnasialmatrikel am Gregoriusfest teil, und er ist auch bis 1613 Schüler des Gymnasiums gewesen. Etwa Anfang Februar 1624 befand er sich in Görlitz (siehe oben). Mitte November 1624 war er beim Tod seines Vaters zugegen, überließ aber die Sorge für die Beerdigung den Freunden des Verblichenen. Beim Verkauf des Hauses am 5. April 1625 ist er nicht in Görlitz, dagegen erscheint er vor Gericht am 10. Mai und 22. August 1625, am 20. Mai 1626 und am 19. März 1630. Diese Urkunde von 1630 ist das Letzte, was wir in Görlitzer gleichzeitigen Archivalien über die Familie Böhme finden. Tobias soll das Handwerk seines Vaters getrieben haben.
Endlich der jüngste Sohn, Elias. Man hat bis jetzt angenommen, er sei am 24. Oktober 1606 geboren. Doch will hierzu nicht stimmen, daß ihn sein Vater am 23. Mai 1624 den kleinen Elias nennt und daß er damals bei dem Schuhmachermeister Hans Bürgers als Lehrjunge diente. Wohl aber paßt hierzu, wenn man für unseren Elias die Eintragung des Taufbuches vom 4. September 1611 in Anspruch nimmt: Jakob Böhme ein Sohn Elias. Die Paten: Friedrich Erosche, Peter Puschmann, Frau Anna Merten Rosinen. Elias starb in einem Alter von 14 Jahren 2 Monaten. Auch er ist nicht in die Begräbnisliste eingetragen, denn es raffte ihn jählings die Pest hin. Am 19. Februar 1626 wird er als jüngst verstorben bezeichnet. Nach einer gewiß richtigen chronikalischen Überlieferung starb er am 10. November 1625 bei Dr. Tobias Kober, Krebsgasse 3 (siehe unten S. 58).
Jakob Böhme hatte also urkundlich 4 Söhne, und damit stimmt auch Abraham von Franckenbergs Bericht §6 und der Lebenslauf Böhmes, der nach der Leichenrede verlesen wurde, überein. Ferner spricht Michael Curtz in seinem lateinischen Gedicht auf den Tod Böhmes von 3 Söhnen, die ihn überlebt hätten.
Töchter hat Jakob Böhme, wie man dies aus den Taufbüchern hat beweisen wollen, nicht gehabt. Sie oder ihre Ehemänner wären auch in den Urkunden über den Hauskauf und über die Zahlungen erwähnt. Die Töchter Anna, Martha, Elena gehören ebenso wie der ältere Elias dem Gerber Jakob Böhme an. Bei solchen Untersuchungen ist es ein rechter Übelstand, daß in den Taufbüchern die Bezeichnungen der Beschäftigungen der Väter fast durchaus fehlen.
Catharina, die Frau Jakob Böhmes, hat als Vater den Hans Kuntzschmann, als Mutter eine geborene Bartsch; deren Bruder hieß Elias Bartsch (der 3 Söhne hatte, Jeremias, Esaias und Joseph), und deren Schwester war Sara, die Frau Valentin Langes, von dem Böhme 1599 die Schuhbank und 1610 das Haus kaufte. Catharina mag etwa 45 Jahre alt geworden sein. Ihr Tod fällt zwischen den 25. April 1625, wo sie beim Verkauf ihres Hauses vor Gericht persönlich auftritt und sich in ihrem verkauften Haus noch den Sitz bis Michaelis 1625 ausmacht, und den 19. Februar 1626, wo von ihrer Hinterlassenschaft die Rede ist. Auf seinem Totenbett, so erzählt Kober in seinem Krankheitsbericht §5, hatte Jakob ihr gegenüber gesagt, sie würde nach ihm nicht lange sein. Die Ausgabe von 1715, Anhang Sp. 38, berichtet, daß sie 1626 in der Erntezeit in Dr. Kobers Haus an der Pest, wo sie Kranke pflegte, gestorben sei. Die Zeit ist nach den angeführten Urkunden und Eintragungen unrichtig, vielleicht ist die Erntezeit 1625 gemeint. Danach würde sie den Tod ihres jüngsten Sohnes nicht mehr erlebt haben.
Als treue, bescheidene und wirtschaftstüchtige Hausfrau sorgte sie sich stets für ihren Jakob. Als er in Dresden lange Zeit abwesend war, will sie ihm Sachen nachschicken (Sendbrief 61.12). Sie hatte natürlich, nachdem Jakob sein Schusterhandwerk aufgegeben hatte, eine schwere Stellung. Es kam Not ins Haus, und da ihr Mann meist zu Hause grübelte und seine zahlreichen Bücher schrieb, legte sie selbst einen Handel an. So war sie z.B., als ihr Mann am 7. November 1624 todkrank nach Hause kam, nicht daheim, sondern ihrer Nahrung halber nach Dresden und Bautzen verreist, ja im Oktober 1616 kam sie wegen ihres Handels mit 17 anderen Frauen in Widerstreit mit des Rates Ordnung (siehe unten S. 24). Sie konnte als bescheidenes Handwerkerkind ihres Mannes tiefen Gedanken und seiner Verinnerlichung mit Gott nicht folgen, wurde auch zaghaft, wenn die aufgeregte Masse ihr Haus bedrohte und sie und ihre Kinder auf der Straße nicht mehr sicher waren. Am 15. Mai 1624 schreibt Jakob von Dresden an Dr. Kober: „Bitte, sprecht mit meiner Frau und sagt ihr, daß sie sich in Geduld fasse und zufriedengebe und nicht so kleinmütig darüber werde, wie ich vernehme, daß sie es ist. Sie soll sich das für keine Schande zurechnen, denn wir werden um göttlicher Erkenntnis und Gabe um Christi unseres Erlösers willen verfolgt. Ich will sie und unsere Kinder, so Gott will, noch wohl versorgen. Sie gebe sich nur in Geduld und zufrieden und lasse sich von niemandem etwas einbilden… Es weiß niemand was Unehrliches von uns zu sagen, als nur ein einziger böser Mensch (Gregor Richter), der uns belügt und um Christi willen abgreift. (Sendschreiben 61.5)“ „Meine Frau muß deswegen keine Fensterläden machen lassen. Wenn sie diese einwerfen wollen, dann mögen sie es tun. Daran sieht man des Hohenpriesters Früchte. (Sendschreiben 64.12)“ Jakob schickte ihr damals, am 13. Juni 1624, 2 Reichstaler. „Wird ihr, schreibt er, etwas mangeln, weiß sie doch wohl, wo sie das haben kann. Der Schlüssel zum Tisch liegt im Stübel bei den Pfannen auf dem Brett.“
Jakob Böhme ist im Dorf Alt-Seidenberg, gelegen bei dem Städtchen Seidenberg, dicht an der böhmischen Grenze, 1575 geboren. Den Geburtstag wissen wir nicht, doch es wird bei seinem Tod Mitte November 1624 glaubhaft berichtet, daß sich sein ganzes Alter in die 49 Jahre erstreckte, instehende im 50. Demnach fällt sein Geburtstag in die ersten 10½ Monate des Jahres. Sein Geburtshaus war der Bauernhof seines Vaters, der nach den neuerlichen ganz sicheren Forschungen (s. oben S. 1 ff.) ehedem an der Stelle des jetzigen Hauses Niederdorf Nr. 73 stand. Eine (heutige) Abbildung dieses kleinen Wohnhauses bringt das Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Die Größe des ehemaligen Bauernhofes läßt sich noch jetzt an der Beschaffenheit des Bodens erkennen. Man hat angenommen, daß der Knabe die Stadtschule in Seidenberg, die damals unter dem Schulmeister (später war der Titel Rektor) Johann Leder stand, besucht habe. Das ist kaum richtig, denn Alt-Seidenberg hatte seit alter Zeit seine eigene Schule. Seit wann freilich, ist unbekannt. Da aber z.B. in dem nahen Küpper schon um 1430 eine Schule bestand und da die Schöppenbücher in Alt-Seidenberg zu Jakob Böhmes Zeiten eine gewandte Handschrift zeigen, die nach dem Vorgang in anderen Dörfern dem Schulmeister angehören dürfte, so können wir getrost auch für die Zeit von 1580-90 in Alt-Seidenberg eine Schule annehmen. Sie wird also unser Jakob besucht haben. Und es ist nach Beschaffenheit der Schöppenbücher anzunehmen, daß er sich mindestens im Schreiben und natürlich auch im Lesen eine gute Fertigkeit angeeignet hat. Da sein Vater im Dorf Gerichtsschöppe und an der Stadtkirche zu Seidenberg, wohin das Dorf eingepfarrt war, Kirchvater war, also in gehobener Stellung lebte, können wir auch schließen, daß er seinen Sohn möglichst zum Lernen angehalten hat. Natürlich wird der Knabe auch allsonntäglich mit dem Vater zum Gottesdienst in die nahe Seidenberger Kirche gewandert sein. Diese erfuhr 1590 eine große Erneuerung, bei der der ältere Jakob als Kirchvater stark beteiligt war, wie denn sein Name unter den anderen „tutores et nutrices ecclegiae“ an dem Schwibbogen der Kirche in einer lateinischen Inschrift der Nachwelt überliefert wurde. Die Kirche erhielt sich in dieser Gestalt 200 Jahre, und nach einer Zeichnung des trefflichen Johann Gottfried Schultz aus dem Jahre 1751 kennen wir auch ihr Äußeres. Siehe die Abbildung in dem Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz. Das väterliche Bauerngut umfaßte 16 Ruten, das dürfte auf eine Größe von 120-150 Morgen führen. Arm im eigentlichen Sinne war der Vater also kaum. Doch mochten bare Mittel bei den 8 Kindern karg sein.
Als der Knabe heranwuchs, half er, wie beim Bauer es Sitte, so gut es ging, in der Wirtschaft mit. Dabei hat er natürlich auch das Vieh gehütet. Daß er aber dabei, wie der theosophisch phantasierende v. Franckenberg angibt, bis auf die Landeskrone gekommen sei, wo er einen Schatz gesehen, ist ausgeschlossen. Weil nun der schwächliche Körper des Knaben nicht geeignet war, die schwere Arbeit eines Bauern zu verrichten, so ließ ihn sein Vater das Schusterhandwerk erlernen. Am natürlichsten ist es anzunehmen, daß er seine Lehrjahre in dem nahen Städtchen Seidenberg „ausgestanden“ hat. Nach den 3 Lehrjahren, die damals dafür wenigstens in Görlitz bestimmt waren, mußte er als Geselle 3 Jahre wandern. Von Einzelheiten in diesen 6 Jahren, die doch für unseres Jakobs geistige Entwickelung von großer Wichtigkeit gewesen sein müssen, wissen wir gar nichts, wenn wir nicht etwa den sagenhaften Bericht von Franckenberg, über den Verkauf von ein Paar Schuhen an einen feinen und ehrbaren Mann und dessen Ermahnung und Prophezeiung heranziehen wollen, und wenn wir nicht etwa demselben Bericht trauen wollen, daß Böhme einst auf seiner Wanderschaft von einem Meister verabschiedet wurde, weil er ihm Vorwürfe wegen seines weltlichen Lebens machte. Auch seinen ersten Erleuchtungszustand setzt derselbe Gewährsmann in diese Zeit. Vornehmlich erführen wir gern, wohin er gewandert und ob er da mit Leuten, die seiner Geistesart nahestanden, zusammengetroffen sei.
Wenn wir den Anfang seiner Lehrjahre in sein 14. Jahr setzen, so wäre er also mit 20 Jahren, d.h. 1595, fertig und geschickt zum Meister gewesen. Natürlich gelang es den wenigsten Gesellen, gleich in eine solche hochbegehrte Stelle einzurücken, am ehesten noch, wenn man eines Meisters Sohn war oder eines Schuhmachermeisters Tochter oder Witwe heiratete. Beides konnte unser Jakob nicht in die Waagschale werfen. Er hat sich dann auch bis Walpurgis 1599 gedulden müssen. Vielleicht hatte er in den unmittelbar vorhergehenden Jahren in Görlitz als Geselle gearbeitet und hat dabei seine Braut kennengelernt. Mit 1599 erhalten wir sichere Nachrichten. Damals wurde er Meister, Bürger und Ehemann. Die Trauungsurkunde vom 10. Mai ist oben S. 14 abgedruckt. Die Bürgerurkunde, niedergeschrieben vom berühmten Bartholomäus Scultetus, lautet: „1599: Jakob Behmer von Alt-Seydenberg, Schuster, hat auf seinen vorgelegten Geburts- und Losbrief (leider habe ich nach beiden Urkunden vergeblich gesucht) sein Bürgerrecht erworben S(enatus) c(onsulto) April 24, dedit 4 Schock.“ Die Beurkundung des Meisterrechts fehlt, weil die Görlitzer Schuhmacherlade Meisterbücher überhaupt nicht mehr birgt. Sie muß aber nach der damals in Görlitz geltenden Ordnung in der Walpurgissitzung des ehrbaren Handwerks erfolgt sein. Alle drei Beurkundungen stehen im engsten Zusammenhang: Jeder Innungsmeister mußte Bürgerrecht nehmen, und jeder neue ledige Schuhmachermeister mußte „inner einem halben Jahre sich verehelichen, welches da es nicht geschehe, er nachdem das Meisterrecht auf ein neues zu gewinnen schuldig sein soll“. Hausbesitzer wurde unser Jakob in demselben Jahre 1599 am 21. August. Schon am 24. April 1599 hatte er für 240 Mark auch eine Schuhbank von Valentin Lange erworben. Die Schuhbänke, des näheren 44 Verkaufsstellen für Schuhwerk, die ein Ausschlußrecht derart hatten, daß niemand sonst innerhalb des städtischen Bezirkes das Recht des Verkaufes haben sollte, lagen damals noch auf dem Untermarkt. Und unser Jakob wird die folgenden 14 Jahre daselbst vornehmlich an Markt- und Jahrmarktstagen den Handel mit seinen fertigen Waren getrieben haben. Die Ausgaben, die Jakob Böhme für sein Haus, seine Schuhbank, für seinen Hausstand und für seine Aufnahme in die Innung aufzuwenden hatte, reichen an die Summe heran, für die die Geschwister Böhme das väterliche Gut in Alt-Seidenberg 1563 und 1619 ihren Brüdern verkauften (600 Görlitzer Mark). (Die Görlitzer Mark betrug damals 18 Groschen 8 Pfg., das Schock 23 Groschen 4 Pfg., also ein knapper Taler). Wahrscheinlich hat ihm seine Frau Mittel in die Ehe gebracht, vielleicht hat er sich auch etwas als Geselle erspart. Der neue Meister rührte sich aber auch: „Meine Übung ist äußerlich ein gemein Handwerk gewesen, damit ich mich lange Zeit ehrlich genährt.“, schreibt er am 10. Dezember 1622.
Alle Quellen, auch die seiner Gegner, mit Ausnahme des böswilligen Gregor Richter, stimmen darin überein, daß unser Böhme äußerlich ein eingezogenes, nüchternes, mäßiges und von der Weltlust ganz entferntes Leben führte. Er war ein fleißiger Kirchengänger und aufmerksamer Zuhörer der Predigt. In seiner Innung war er eifrig tätig und vertrat ihren Vorteil. Während des unaufhörlichen Streites, den die Schuster und Gerber miteinander hatten, suchte er den Vorteil seines Handwerks zu fördern. Das bekam ihm aber am 24. Juli 1604 sehr übel, wo die Ratsprotokolle folgende Worte bringen: „Jakob Behme, der Schuster, wurde losgelassen mit diesem Beding, daß er andern Meistern nicht gerben, auch derhalben über 14 Tage 6 Schillinge (72 Groschen) Strafe auflegen soll.“ Ob aber eine andere Urkunde vom 29. April 1606 in den Ratsprotokollen auf ihn oder seinen Namensvetter, den Gerber, geht, läßt sich nicht entscheiden. Sie lautet: „Jacob Kißling und Jacob Böhm sind mit Gefängnis bestraft worden, dieweil sie dem Weißgerber Matz Röhricht für einen Schelmen gescholten. Weil er aber auch lite pendente unbilliges Kaufes sich unterstanden, soll er gleichfalls mit Gefängnis bestraft werden.“ Am 2. Mai werden die drei des Gefängnisses entledigt, sollen aber, wofür sie drei Bürgen zu stellen hatten, in 14 Tagen 6 Schillinge zahlen. Die Bürgen sind: Hans Löwe für Jakob Kießling und Jakob Böhme, Paul Hillebrand und Hans Seidel für Matz Röhricht. Als 1612 wieder einmal der Streit der Schuster und Gerber in Flammen stand und die Schuster zunächst unterlagen, dann aber am 25. August wieder obsiegten, war unser Jakob in der Sache stark beteiligt. Er hatte nämlich mit einem Mitmeister Hans Bürger 332 Leder in Löwenberg für die Innung aufgekauft. Diese mußten aber während des Streites den Gerbern überlassen werden, schließlich aber bekamen die Schuster sie doch zurück. Die Freude darüber drückt ein Protokoll aus, das vielleicht Jakob Böhme selber niederschrieb. Die Worte lauten: „Laus deo, laus deo, laus deo! Den 25. August half Gott der Herr, der rechte Augustus, daß die Rottgerber mit Schanden ihren hochweisen, übernatürlichen samt ihren Helfershelfern geschmiedeten, unauflöslichen, wie sie kundeten (prahlten), Abschied wieder einantworten mußten und den Meistern des ehrlichen Gewerbes der Schuhmacher ihre erkaufte Rauleder aus den Häusern in ihr Gerbhaus folgen lassen mußten; deren waren 332, so wir, die Schuhmacher, zu Lemberg bei einem Kauf- und Handelsmann kauften das Stück pro 2 Taler und 3 argent. Wurden geteilet und gezahlet. Gott sei ewig Lob! … Hans Bürger und Jakob Bem kauften solche Leder zu Lemberg, waren treffliche Leder, also daß wir, Gott Lob, den Schaden und Jammer vergessen konnten, den uns die Gerber gemacht hatten. Wurden gegerbet schön und gut und hernach geteilet, dafür wir Gott danken.“
Als Jakob Böhmes Frau mit 17 anderen Frauen von den Leinewebern wegen Garn-Handels angegeben (angezeigt) wurden, ist ihnen laut Ratsprotokoll am 8. Oktober 1616 das ernstlich untersagt und verboten, daß sie sich des Garnhandels gänzlich enthalten sollen bei unnachlässiger, schwerer Strafe eines ehrbaren Rates, welches sie alle und jede zu tun zugesagt. Unseren Jakob aber traf schon 14 Tage später, am 22. Oktober, nach derselben Quelle die Strafe: „Er soll inner 14 Tagen 10 Taler zur Strafe niederlegen, darum, daß er zuwider eines ehrbaren Rates Verbot mit Garn gehandelt, und soll das eingekaufte Garn auf öffentlichem Markt allhier feilhaben und nicht anderswo verwenden.“ Am Rand steht: „Dedit (Bezahlt) am 5. November.“ Es ist also dem Jakob Böhme der Garnhandel nicht durchweg verboten, sondern nur der Hausier- und Straßenhandel. War doch in Görlitz 1608 die Grundlage der Garnhandels-Politik dahin bestimmt: „Das Garn gehört dem freien Kaufmann zu, von dessen Verkauf sich jeder Einwohner der Stadt nähren kann.“
1610 ist Jakob verordneter Vormund für seine Schwägerin Rosine, Hans Kuntzschmanns Tochter. 1619 sorgte er getreulich für seines verstorbenen Bruders hinterlassenes Töchterlein und „läuft alle Wochen zu Dorf“. Am 25. Mai 1612 verbürgte er sich für einen schlechten bäuerlichen Haushalter aus Lauterbach. Jakobs Vermögensverhältnisse waren, solange er das Schusterhandwerk ordnungsgemäß betrieb, nicht schlecht. Dagegen spricht auch nicht, daß er am 19. November 1605 36 Mark auf ¼ jährliche Kündigung und am 13. November 1610 50 Mark auf 1 Jahr erborgt und dafür seine Schuhbank bzw. sein Haus zum Pfand setzt. Denn gerade 1610 braucht er wegen des Kaufes des neuen Hauses Geld. Auch muß man berücksichtigen, daß der Schuhmachermeister zu Zeiten plötzlich genötigt ist, Leder für viel Geld zu erkaufen, und dieses Geld erst später durch verkaufte Waren zurückerhält. Vielleicht hängt auch der Erwerb des neuen Hauses im Jahre 1610 mit dem Streben Jakob Böhmes, seine äußere wirtschaftliche Lage als Schuhmachermeister zu verbessern, zusammen. Denn dieses Haus lag am Zusammenstoß zweier Straßen. Jeder Verkehr, der von der Gegend rechts der Neiße nach Görlitz zu strebte und wieder dorthin ging, mußte an diesem Haus vorbei. So können wir wohl annehmen, daß das Handwerk die ersten 12 Jahre unseren Jakob reichlich genährt hat, wofür auch spricht, daß, wie erwähnt, zwei Söhne von ihm beim Gregoriusfest als bemittelt bezeichnet werden (siehe oben S. 17).
Leider können wir aus den vorliegenden Quellen seinen Vermögenszustand nicht zahlenmäßig angeben. Denn die Steuerbeträge der Geschoßbücher, d.h. die Abgaben an die Stadt, bestimmt nach Grundstücken, sind damals längst verharrscht und bleiben sich über die Jahrhunderte trotz des Wechsels der Besitzer und ihrer Vermögenslage gleich, und die Sitte, neben dem Besitz an Grund und Boden auch den an Hypotheken und Mobilien (barem Geld, Kleinodien, Ausstattungsstücken) zu verzeichnen, hatte leider damals aufgehört. Von seinem ersten Haus, Prager Straße 12, zahlte Jakob Böhme als Geschoß an die Stadt halbjährlich 11 Groschen, dazu noch einen Herdzins (Feuerstattzins, pro foco) von 3 Groschen, von seinem zweiten Hause (neben dem Hospital) 12 Groschen 2 Pfennige und Herdzins 3 Groschen. Für die Schuhbank gab er 8 Groschen. Als er vom Sommer 1608 bis zum Sommer 1610 kein Haus besaß und zur Miete im Hause Prager Straße 12 wohnen blieb, fiel natürlich die Haussteuer weg. Es trat dafür eine Tischsteuer (pro mensa) von 2 Groschen ein. Auch diese Tischsteuer ist für alle Mieter in der Stadt, reich oder arm, gleich und gibt so ebenfalls keinen Maßstab für das Vermögen. Es bestand in Görlitz noch eine zweite Abgabe, die eigentliche „Steuer“, die die Stadt für den Staat einzog. Hierzu war ebenfalls in alter Zeit der Grundbesitz abgeschabt. So das erste Wohnhaus Jakobs mit 40 Schock, das zweite mit 25 Schock (s. oben S. 11). Von diesem Wert erhob man nun jährlich ebenfalls 2 Summen, z.B. mußte 1601 Jakob Böhme zweimal je 33 Groschen 3 Pfennige, 1622 zweimal je 27 Groschen bezahlen.
Als unser Böhme 1610 sein neues Haus bezog, arbeitete er noch fleißig in seinem Handwerk und war noch ein eifriges Mitglied seiner Innung. Da aber begann er mit Anbruch des Jahres 1612 seine „Morgenröte im Aufgang“ niederzuschreiben. Natürlich wurde dadurch nach und nach seine Zeit für seine Schusterarbeit knapp, und sein innerer Trieb zu seinen philosophischen Gedanken überwog so, daß er des Handwerks, das ihn zu mechanischer Arbeit auf den Schustersessel zwang, unlustig wurde. Er ließ es schließlich ganz liegen, um Gott und den Brüdern in diesem (neuen) Berufe zu dienen. Zeugnis hierfür ist auch der Verkauf seiner Schuhbank am 12. März 1613: „Jakob Böhme hat erblich, recht und redlich, frei und unbeschwert verkauft seine Schuhbank George Süssenbachen und ihm solche gegeben um 470 Mark bares Geldes“ heißt es in der Urkunde. Die Bank hatte sich also in ihrem Wert seit 1599 beinah verdoppelt, auch ein Beweis, daß es unserem Böhme, so lange er sein Handwerk trieb, wirtschaftlich nicht schlecht ging. Um nun für sich und die Seinigen die immer mehr wachsenden Kosten für den Lebensunterhalt bestreiten zu können, verlegte sich Jakob Böhme zugleich mit seiner Frau auf den Handel. Zunächst Handel mit Garn, wie wir oben sahen. Der warf damals, da die Leinenweberei und der Leinwandhandel in Blüte stand, jedenfalls ein gut Stück Geld ab. Ferner wird erzählt, daß er wollene Handschuhe bei den Bauersleuten eingekauft und sie dann weiterverkauft habe. So sei er jährlich einmal nach Prag mit dieser Ware gezogen. Da finden wir ihn dann auch am 1. November 1619 7 Tage auf der Reise nach dieser Stadt, gerade zu der Zeit, als der neue böhmische König Friedrich von der Pfalz seinen Einzug hielt. Um selbige Zeit schrieb er seinem Freunde Christian Bernhard in Sagan, daß er recht schwer mit Reisen und anderen Geschäften beladen sei.
Solange die Zeiten ohne sonderliche Störung waren, mochte dieser Nahrungszweig sich lohnen. Aber es traten Stockungen ein, veranlaßt durch Mißwachs, Teuerung, Geldentwertung, Pest, und da gab es rechte Sorgen in dem Haus an der Neißebrücke. Karl von Ender auf Leopoldshain hatte ihm, wie es scheint, eine dauernde Unterstützung angeboten, aber diese hatte er, da es ihm um kein zeitlich Gut und Gaben zu tun sei, zurückgewiesen. Doch als die Lebensmittel immer mehr stiegen, trug er begreiflicherweise kein Bedenken, für sich und die Seinigen Erzeugnisse, die seinen begüterten Freunden auf ihren Feldern wuchsen, mit Dank anzunehmen. So schickte ihm Karl Ender am Schluß des Jahres 1619 einen Scheffel Korn, desgleichen im Mai 1620. Ferner sandte Jakob im Oktober 1621 drei leere Säcke an Rudolf von Gersdorff auf Weicha, nördlich Sagan, die er gefüllt mit Nahrungsmitteln über Sagan und Rauscha zurückzubefördern bat, ähnlich im November 1622. Es ist das in diesen Jahren eine ähnliche Zeit, wie wir sie 1923 erlebt haben, wo auch der bessere Bürgersmann schließlich ohne Bedenken und vielfach auch ohne Bezahlung von dem befreundeten Landmanne Erzeugnisse der Landwirtschaft entgegennahm. Ein andermal schickte wiederum Karl Ender unserem Jakob ein Schock Käse und ein Faß Rüben, andre 2 Schock Käse wurden mit 3 Mark, ein Scheffel Korn mit 10 Talern bezahlt, wobei es aber dem Empfänger nicht klar war, ob die Summe reiche. Einen zweiten Scheffel bat er sich noch aus. Im Sommer 1622 fand er in Augustin Köppe, dem von Fürstenauschen Verwalter in Lissa bei Penzig, der ebenso wie sein Herr ein „treues und recht eifriges Gemüt“ war, einen Helfer für des Leibes Unterhaltung und Notdurft, der ihm u.a. Fische zukommen ließ. Auch bares Geld ging ihm hin und wieder zu, wohl weniger als Geschenk, als zur Gegengabe für geliehene handschriftliche Werke oder sonstige Auskünfte über theosophische Fragen. Als ihm am 12. September 1620 sein „in Christo geliebter Bruder“ Christian Bernhard in Sagan ein Schreiben mit einem eingelegten Taler zugehen ließ, schrieb Böhme: „Ich tue mich des Talers bedanken: Gott wird solches vermöge seines Wortes reichlich wieder erstatten. Wiewohl die Gaben Gottes um kein Geld und Gut zu kaufen sind, befinde ich aber bei Euch einen ernsten Fleiß, indem Ihr der Studien der göttlichen Weisheit begierig seid und dasjenige, was mir Gott aus Gnade gegeben, selbst emsig nachzuschreiben einen Eifer bezeigt, und erkenne, daß es aus Dankbarkeit und Gehorsam gegen Gott geschehe, derowegen ich es auch willig angenommen.“ Auch eine Reisezehrung von je 1 Reichstaler nach Dresden, die er von Dr. Johann Hartig und Dr. Matthias Renisch in Zittau erhielt, nahm er gern entgegen. Ferner ist ihm eine Schachtel Konfekt willkommen. Einmal finde ich auch einen Hinweis, daß ihm von einem Herrn aus Zittau 6 Taler für die Erlaubnis, zwei seiner Bücher abzuschreiben, geboten sind.
Bis etwa 1612 ist Jakob Böhme kaum in Görlitzer Kreisen aufgefallen, wenigstens finden wir davon keine Spur. Grüblerische und in sich gekehrte Leute, vornehmlich unter den Schustern, gibt es und gab es ja immer. Ob er Umgang mit höherstehenden und geistig gebildeten Personen, die paracelsistische und crypto-calvinistische Neigungen hatten, schon damals gehabt hat, ist sehr zweifelhaft. Tobias Kober und Michel Curtius, beide geborene Görlitzer und später seine treuesten Anhänger, waren damals noch Knaben und haben ihre mystisch-theosophischen Ansichten erst von der Hochschule mitgebracht. Christian Knauthe (1706-1784) allerdings, jener vielschreibende Geschichtsforscher der Heimat, der seiner Sinnesart nach den Pietisten und Stillen im Lande zuneigte und sich auch zu einer gerechten Würdigung des Görlitzer Philosophen durchrang, berichtet, Jakob habe die „Conventikel des treuen Gottesknechtes“ Martin Möller, der von 1600-1606 Pastor Primarius in Görlitz war, besucht. Eine Quelle gibt er nicht an. Er wird, wie auch wir, seine Nachricht aus der Geistesrichtung der beiden geschlossen haben. Gesellschaftlichen Umgang hat Böhme in dieser Zeit nur mit Leuten seines Standes gesucht. Das läßt sich auch aus den Namen der Paten seiner Kinder erschließen, unter denen keiner gehobenen Standes ist.
Das Jahr 1612 bedeutet einen Wendepunkt im Leben unseres Philosophen, und man kann wohl auch sagen, einen wichtigen Zeitpunkt der deutschen Mystik: Böhme schrieb seine „Aurora“ nieder. Zwar hat er nach seiner eigenen Äußerung 12 Jahre mit dem Inhalt gerungen, zwar wird erzählt, er habe schon dreimal Visionen gehabt, aber es ist nun einmal so: Die Gedanken werden dann erst vollreif, wenn sie niedergeschrieben werden, und dann erst werden sie recht nutzbar für andere. Böhme trat mit der Abfassung seiner Aurora aus seinem engen handwerksmäßigen Kreis heraus und wurde mit Leuten bekannt, die ähnlichen theosophisch-mystischen Anschauungen huldigten, die ihm aber meist an Bildung der Zeit weit überlegen waren. Zwar muß sich Jakob schon früher mit theosophischen Schriften älterer Zeiten beschäftigt haben, jetzt aber bekam er persönliche Anregung ähnlich gesinnter Leute, und diese werden ihn auch auf bis dahin ihm unbekannte Schriften hingewiesen und sie ihm verschafft haben. Zugleich wurde sicherlich auch auf diese Weise die Darstellung seiner Gedanken klarer und die Kenntnis der theosophischen Terminologie gefördert. Vielleicht bringt dereinst ein sprachlicher Vergleich der Aurora mit den späteren Schriften ein dahin gehendes Ergebnis. Die wichtigste Bekanntschaft, wenigstens anfänglich, ist sicherlich die mit Karl Ender von Sercha auf Leopoldshain gewesen. Die Tatsache, daß er ihm seine Erstlingsschrift, soweit sie überhaupt fertig war, in den ersten Monaten des Jahres 1613 überließ, setzt doch schon einen längeren Umgang voraus. Der Weg von dem nahen Leopoldshain nach der Stadt Görlitz führte doch stets an Jakob Böhmes Haus vorbei, und dort wird sich der fein gebildete und weit gereifte Ender des öfteren eingefunden und mit dem schlichten und tiefdenkenden Schuster unterhalten haben. Als er nun seine Aurora kennenlernte, mag ihm wohl die Bedeutung Böhmes erst recht klargeworden sein. Er schrieb die Aurora ab, von der Abschrift entstanden dann in weiterer Reihe andere Abschriften, die fleißig begehrt und gelesen wurden. Dadurch wurde unser Böhme nicht allein in Görlitz und dessen Umgebung, sondern auch weiterhin bald bekannt. Während er früher in der Neißestadt für sich und höchstens für sein Handwerk und für die Seinigen lebte und unbemerkt und unbeachtet nur einer von vielen war, rückte er jetzt allmählich in den Bereich allgemeiner Beachtung.
Görlitz steckte damals noch vollständig in seinem Festungskleid. Auch die Vorstädte, die sogar mehr Bewohner als die Stadt hinter den Mauern hatten, waren ebenfalls durch Planken, Zäune und äußere Tore abgesperrt. Abbildungen der Stadt aus den Jahren 1566 und 1575 bringt das Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Ansicht von Görlitz von Osten (Nordseite) 1566
Ansicht von Görlitz von Osten (Südseite) 1566
Ansicht von Görlitz von Osten 1575
1568 betrug nach einer Zählung die Kopfanzahl der gesamten Stadt 10.200. Die folgenden Pestzeiten haben sie gemindert. Raffte doch diese schreckliche Gottesgeißel 1585/86 nicht weniger als 2.455 Personen, das waren 26% der Einwohner, die vorher aus 9.069 Köpfen bestanden, hinweg, so daß damals von 4 Personen immer eine starb. Die Pest, wenn auch nicht in diesem schrecklichen Ausmaß, wiederholte sich 1599, 1607, 1612-14. Dazu kamen schlimme teure Jahre, so 1616, wo der Scheffel Korn 7 Mark galt, ähnlich 1619. Die traurigste Zeit war wohl, wo die Kipper und Wipper ihr arges Spiel trieben und, ähnlich wie 1923, eine unheilvolle Verschlechterung der Münze und eine entsetzliche Teuerung und Mangel an Lebensmitteln eintrat, so daß am 17. Januar 1623 die Getreideausfuhr verboten wurde. Erst dadurch, daß Görlitz 1621-23 vollgewichtige Kupferpfennige, Kupferdreier und Dreikreuzer prägte, wurde es besser. 1620 gab es ferner seit dem 9. September auf 6½ Monate eine schlimme Einquartierung von Truppen, die der Markgraf Johann Georg von Jägerndorf gegen den anrückenden sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., den Verbündeten des Kaisers Ferdinand, aufgeboten hatte. Die meisten dieser 18.000 Mann betragenden Streitkräfte lagen in und um Görlitz verteilt. Da glich Görlitz einem großen Kriegslager, in dem alle Bande der sonst wohlgeordneten Stadtverwaltung sich lockerten, Krankheiten einrissen und der Lebensmittelmarkt arg gefährdet war. Die erfolgreiche Parteinahme des sächsischen Kurfürsten für Kaiser Ferdinand brachte es dahin, daß Kursachsen im Sommer 1623 in den vollen Pfandbesitz der Oberlausitz und der Stadt Görlitz kam — ein wichtiges Ereignis für die nächste Zeit, weil der Oberlausitz dadurch die Gegenreformation erspart wurde.
Auch schon in den ersten Jahren finden sich Spuren dieses Einflusses: Für das ferne Prag zog der nähere Hof zu Dresden kräftigere Fäden nach Görlitz. Was nun die wirtschaftliche Lage unserer Stadt angeht, so war sie trotz aller Störungen nicht schlecht. Zwar war bei dem Haupthandwerk, der Tuchmacherei, seit etwa 1550 ein wachsender Verfall eingetreten, aber bald nach 1600 begann ein langsamer Aufstieg. Dazu kam ein neuer, früher ganz bedeutungsloser Industriezweig, das Fertigen der Leinwand. 1550 gab es in Görlitz nur 2 oder 3, 1589 40,1600 60, 1608 106 und 1630 220-230 Berufsleineweber, die wiederum eine große Schar Gesellen und Lehrknechte beschäftigten und auch anderen Leuten die Möglichkeit zum Verdienen gaben. Freilich eins ist zu betonen, der Handel wurde nicht mehr wie früher von Görlitzer Großkapital befruchtet, sondern dasselbe floß von auswärts nach der Neißestadt, für das Tuch hauptsächlich aus Breslau, für die Leinwand vor allem aus Nürnberg durch das große Welthandelshaus Viatis-Peller. Immerhin verdienten die Vertreter dieser ausländischen Häuser — es waren dies meist Görlitzer Bürger — bei dieser Gestaltung des Handels bedeutend. Die größeren, prunkvollen Bauten, der Ausdruck der Behäbigkeit und des Schönheitssinnes des reichen Bürgertums, wie sie von 1526 bis etwa 1575 entstanden und welche unser Görlitz bis zur Jetztzeit so berühmt gemacht haben, setzten sich in unseren Zeiten nicht fort.
Der Rat, so sehr er auch seit 1547 in seiner Machtvollkommenheit als politische Behörde durch den „Pönfall" herabgedrückt war, hatte doch seine alte unumschränkte Macht über die Gemeinde behalten, ja, er hatte sie sogar seit Niederschlagung des großen Tuchmacherausstandes vom Jahre 1527 noch gesteigert. Er nahm Ordnung, Zucht und Sitte kraftvoll unter seine Aufsicht. Wer nicht gehorchte oder sich sonst Verfehlungen auch kleinerer Art zu Schulden kommenließ, mußte Strafsummen zahlen oder wanderte ins Gefängnis. Neu in sein Amtsbereich trat die Fürsorge für eine Bildungsstätte. Der Rat hatte 1565 fast auf neuer Grundlage das Gymnasium Augustum gegründet und ihm in dem alten Kloster eine geräumige neue Stätte des Wirkens bereitet. Die Mittel hierzu lieferten die alten Priesterzinsen, die aus den Fluten der Reformation herübergerettet waren. Neuzeitlich ist es, daß die Schule unabhängig von der Kirche, mit der sie doch seit uralter Zeit eng verbunden gewesen war, gemacht wird. Der Rat hatte ja auch, weil er fast nur aus Trägern der damaligen humanistischen Bildung bestand, Verständnis und Überblick über die Aufgaben dieser Bildungsstätte. Aus einer politisch-praktischen Körperschaft war im Wandel der Zeiten eine gelehrte praktische Ratsbehörde geworden. Der hochgemute ins Weite gehende Bürgersinn wich engen Gesichtspunkten, die sich nur durch eine etwas weltfremde Gelehrsamkeit eine Befriedigung zu verschaffen suchten. Man duckte sich und war zufrieden, wenn man in dem kleineren Bereich der Stadtverwaltung unbehelligt blieb. Solche aufrechte und zielbewußte Gestalten, wie die eines Frauenburg, Georg Emmerich und Johannes Haß, die sich dem Adel, der gerade zu Jakob Böhmes Zeit öfter den Frieden der Stadt störte, den landesherrlichen Beamten und selbst den Landesherren gewachsen fühlten, gab es nicht mehr. In den Jahren 1550 bis 1630 heben sich nur wenig charakteristische Personen des Ratskollegiums hervor. Mochte auch der gelehrte und fleißige Bartholomäus Scultetus eine geschlossene und weit berühmte Persönlichkeit darstellen, eine starke und staatsmännische Kraft war er nicht. Eine einzige Macht suchte mit mehr oder weniger Erfolg dem Rat ein Gegengewicht zu halten: die Kirche. Der Pastor Primarius wurde zwar vom Rat berufen, war er aber erst einmal in seine priesterliche Würde eingesetzt, so konnte er gar wohl seinen Einfluß auch gegen einen widerstrebenden Rat zur Geltung bringen. Denn die breite Masse des Volkes hatte er für sich, und sein Wort, auf der Kanzel ausgesprochen, fand allenthalben Gehör und Folgsamkeit.
Die humanistische Bildung, die wenigstens die oberen Kreise allenthalben durchsetzt hatte, hatte man sich in den Zeiten Luthers und Melanchthons in Wittenberg geholt. Dann trat Frankfurt a. O. an die Stelle, dessen Universität von 1506-1605 von nicht weniger als 252 Görlitzern besucht wurde. Erstaunlich ist die hohe formale Bildung, die man schon aus der Stadtschule erwarb und auf der Hochschule noch vertiefte. Es gibt wohl keine Zeit, wo so viele gelehrte und tadellose lateinische Gedichte geschrieben wurden. Aber das war meist nur eine äußerliche Fertigkeit, tiefere Gemüter fanden dabei keine Befriedigung, und sie versenkten sich über den Buchstaben und über das Wortgeklingel und die geschickte Wortfügung hinaus in die Heilige Schrift und in die Schriften und Worte innerlich veranlagter größerer Geister. Sie suchten dann wohl auch die Universität Basel auf, wo der Einfluß des Paracelsus die Gemüter gefangenhielt. Bezeichnend für die Zeit ist es, wie sich das bei dem großen Paracelsus zeigte, daß die Medizin sich mit den anderen Geisteswissenschaften eng verband, wie denn auch der geistreiche, auf den Höhen des Humanismus einherschreitende Görlitzer Rektor Kaspar Dornavius ursprünglich ein Arzt war. Die breite Masse des städtischen Volkes stand natürlich der humanistischen Geistesrichtung fremd gegenüber. Ihre Kenntnisse in Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen empfing sie in den sogenannten deutschen Schulen, deren Pflege gerade um 1600 und in den nächsten Jahrzehnten sich der Rat angelegentlichst annahm. Aus der Errungenschaft der Reformation hatte man die Beschäftigung mit der Bibel überkommen, und man hielt sich bei ihrer Auslegung an das, was der Geistliche auf der Kanzel predigte. Wenn jemand die Kirche und den Genuß der Sakramente außer acht ließ, so war er nicht bloß bei den Geistlichen, sondern auch bei den meisten Mitbürgern verdächtig. Für die Freuden des Lebens und der schönen Gotteswelt hatte die Reformation den Menschen wiedergewonnen. Auch dieser Zug trat in dem Vierteljahrhundert, da Jakob Böhme in Görlitz lebte, voll in Erscheinung. 1599 brachte der Höhepunkt der damaligen Volksbelustigung, der Görlitzer Kirmesmarkt, 172, 1600 gar 263 Spielleute nach der Stadt. Viel gejubelt wurde bei den damaligen Schützenfesten, wo man in prächtigem Aufzug die Blüte der Männer zum friedlichen Spiel mit den Schießwaffen aus der Stadt nach der Viehweide ausziehen sah. Nie hat Görlitz wohl ein lärmenderes und prächtigeres Fest gefeiert, als vom 4. - 16. September des Jahres 1616, wo zahllose geladene und ungeladene Gäste, arm und reich, zusammenströmten und die Genüsse und die Gastfreundschaft der Stadt in Anspruch nahmen.
Mitten in dieses Getriebe der Stadt war nun der tief veranlagte und grübelnde Schuster hineingestellt. Er hat zwar voll die Schäden der Zeit mit durchkostet, fand aber nicht in der Fröhlichkeit, der man sich bei ruhigen Zeiten hingab, ein Gegengewicht. An dem Aufstreben des Handels hatte er, solange er tätiges Mitglied der Schusterinnung war, wenig teil. Das Schusterhandwerk in Görlitz hatte doch nur örtlichen Absatz, der von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage nicht allzu sehr abhängig war. Später, als Böhme mit Garn und Schuhen handelte, mag sich das geändert haben. Der Stadtobrigkeit gegenüber fügte sich der bescheidene Mann in gebührender Hochachtung. Der humanistischen Richtung stand er fast fremd gegenüber. Seine Vorbildung und sein Stand erlaubten ihm in ihr Wesen keine Einsicht, und was er bei späteren Unterredungen mit humanistisch gebildeten Leuten hörte, stieß ihn meist ab. Zwar verachtete er die Gelehrsamkeit nicht, er schickte sogar einen seiner Söhne ein paar Jahre auf die gelehrte Schule (s. oben S. 18), doch warnt er vor Gefahren der gelehrten Laufbahn. Selbstbewußt stellt er ihr seine inneren Erlebnisse und sein hohes Talent entgegen. „Ich habe in einer Viertelstunde, so äußert er sich, mehr gesehen und gewußt, als wenn ich viel Jahre auf hohen Schulen gewesen wäre.“ Stand er auf diese Weise ziemlich allein, so schlug sich ihm doch eine Brücke zu etlichen tieferen Gemütern, die, gelehrt und ungelehrt, die Geheimnisse der Welt und der Gottheit aus der Bibel und aus mystischen Schriften zu ergründen suchten. Ihnen liebte er es, seine geistigen Erlebnisse mündlich und schriftlich mitzuteilen. Dabei aber hielt er rege Verbindung mit der Kirche aufrecht, er ist ein frommer Mann. Die Bibel, der Gottesdienst und die Sakramente erfüllen sein ganzes Wesen. Der milde und in praktischer Gottseligkeit hinlebende Primarius Martin Möller mochte seine ganze Hinneigung haben. Um so mehr war dessen Nachfolger, Gregor Richter, seinem Wesen fremd. Richter griff scharf in Böhmes Leben ein, deshalb muß auf ihn näher eingegangen werden.
Gregor Richter ist am 1. Februar alten Kalenders 1560 zu Görlitz geboren. Seine Mutter, Martin Buschmanns Tochter, starb schon 1561, wonach der Knabe — sein Vater Gregorius Richter zog wohl damals nach Ostritz als Klosterschmied — bei seinen Großeltern erzogen wurde. Er hat die neu gegründete Schule in Görlitz besucht und sich dort hervorragende Kenntnisse erworben, auch wurde er im August 1576 nach Breslau ebenfalls zur Schule geschickt, bei welchem Aufenthalt er bei seinem Wirt, einem Schmied, auch Schmiedearbeit geleistet haben soll. Schon im Sommer des folgenden Jahres ließ er sich in die Matrikel der Universität Frankfurt a.O. einschreiben. Da die Kosten für das Studium für ihn unerschwinglich waren, kam er nach einiger Zeit wieder nach Görlitz und unterrichtete die zwei Söhne Joachim Emmerichs (1517-1597), eines Enkels Wenzel Emmerichs, der ein Stiefbruder des bekannten Georg Emmerich war. Diese Stellung ist dann wohl für alle Zeit für Richter entscheidend gewesen. Denn Joachim Emmerich, der seit 1565 im Rat saß und ein einflußreicher Mann war, bahnte ihm seinen weiteren Lebensweg. 1583 ging er, 23-jährig, noch einmal als Begleiter eines Hyeronymus von Kalkreuth nach Frankfurt auf die Universität. Darauf erhielt er am 29. Oktober 1584 einen Ruf an das Görlitzer Gymnasium, wo er eine Vertrauensstellung bei dem berühmten Rektor Laurentius Ludovicus als Hauslehrer von dessen Kindern und Alumnen einnahm. 1587 wurde er in das Pfarramt Rauscha berufen, kehrte aber zum Schluß des Jahres 1590 in die Stellung des untersten Geistlichen nach seiner Vaterstadt zurück. Als solcher gehörte er zu den Abgeordneten, die 1592 von der Regierungsbehörde wegen des vermeintlichen Crypto-Calvinismus nach Bautzen berufen wurden. 1595 wurde er Archidiakonus, und am 29. Juli 1606 ernannte ihn der Görlitzer Rat zum Nachfolger des frommen Primarius Martin Möller. Bei seiner Bestallung wurde er ermahnt, kürzere Predigten zu halten, sich einer stärkeren und artikulierteren Aussprache zu befleißigen und die „Vorbitten“ besonders vor der Predigt zu mäßigen. Seine Wahl scheint also nicht glatt erfolgt zu sein. Auch im Oktober 1618 erregte er, wie es scheint, wegen einer Predigt Anstoß. Überhaupt brachte er nach der Sitte der Zeit alles auf die Kanzel was die Stadt bewegte und spielte sich dabei als Sittenrichter auf. Der Rektor Dornavius, den er beim Antritt seines Amtes in einem gut stilisierten lateinischen Gedicht um die Wende von 1608 begrüßt hatte, mußte auch bittere Worte von ihm hören, als er sich im Jahre 1612 wegen der Pest nach Sprottau flüchtete. Am 30. Juli 1623 predigte er vor dem Kurfürsten von Sachsen, der als „Kaiserlicher Kommissar“ die Oberlausitz einnahm, zur vollen Zufriedenheit. Am 1. Januar 1624 vergaß er in seinem Eifer, mit dem er für die Leute betete, „die ihm etwas verehrt haben“, den Kirchenzettel abzulesen. Richter war treu und fleißig in seinem Amt. Sein Lebenslauf erzählt, daß er während der 34 Jahre, die er Geistlicher in Görlitz war, nicht weniger als 5893 Predigten gehalten habe (also etwa alle 2 Tage eine Predigt), was einen späteren Oberlausitzer schöngeistigen Schriftsteller 1782 veranlaßte, eine fesselnde kleine Schrift zu schreiben. Ungezählt sind auch seine gewandten lateinischen Gedichte, die er bei jeder Gelegenheit anbrachte, von denen auch zahlreiche an verstreuten Orten gedruckt sind. Der hochveranlagte Mann besaß ein ungeheures Wissen, vornehmlich auf dem Gebiet der Theologie und Geschichte. Neben einer verdienstvollen Görlitzer Chronik in lateinischer Sprache schrieb er und ließ drucken „Axiomata historica ecclesiastica“ und „Axiomata oeconomica“, in denen er, einen allgemeinen Satz aus diesen Gebieten vorausschickend, zahlreiche Beispiel aus der heiligen und profanen Geschichte in lateinischer und manchmal auch in deutscher Sprache vorbrachte. Auch für Musik und gute Unterhaltung hatte er Sinn, wie er dann ein eifriges Mitglied des Convivium musicum gewesen ist, ja es scheint, als ob er selbst die Vertonung zu seinen Kirchenliedern gemacht habe.
Sein Testament vom 29. Juli 1624 atmet eine treue, liebevolle Sorge für die Seinigen, zeigt auch seine gute Vermögenslage, wie er denn auch nach den Geschoßbüchern auf der Reichenbacher Straße drei Gärten besaß. Wir erfahren auch seinen Familienstand: zwei Söhne und eine Tochter überlebten ihn. Der ältere Sohn Gottfried, geboren 1594, war lange Zeit in Görlitz öffentlicher Notar, der jüngere, Gregor, seit Januar 1619 unterster College am Gymnasium, dann Diakonus in Görlitz (geb. 1598, gest. 1633). Daraus geht hervor, daß es eine Fabel ist, ein Sohn sei Kaufmannsdiener in Thorn gewesen und habe im Gegensatz zu seinem Vater die Schriften Jakob Böhmes geliebt und gar einen Auszug aus seinen Werken zum Druck befördert. Ein Auszug ohne Jahr und Ort, die sogenannte Thorner Ausgabe besteht, aber daß sie Gottfried Richter herausgebracht habe, ist unmöglich. Die fanatischen Anhänger Jakob Böhmes wollten eben durch die Behauptung von der Autorschaft den Sohn als Böhmefreund gegen den Vater als Böhmefeind aufspielen. Der jüngere Sohn Gregorius hat allerdings in seinen Schriften eine Verwandtschaft mit den Gedanken des Theosophen.
Der Primarius Richter starb nach einer Krankheit von drei Wochen am 14. August neuen Kalenders 1624. Das Bild, das wir durch das Auftreten des Primarius und durch seine Schriften erhalten, ist das eines heißspornigen, fanatischen, orthodoxen lutherischen Geistlichen, der, stolz auf seine Rechtgläubigkeit und Gelehrsamkeit, sich hocherhaben über die gewöhnliche Masse fühlte und einen gewaltigen Einfluß auf seine Gemeinde ausübte. Solche Gestalten sind ja in diesen Zeiten nicht selten und lassen sich auch aus den unduldsamen theologischen Strömungen erklären. Was uns aber insbesondere gegen Richter einnehmen muß, ist die demagogische Hetze, die er verursachte, und die unleugbar wahrheitswidrigen Anschuldigungen gegen Böhme, vor allem aber der Umstand, daß er, wenn es sich um einen hochgestellten einflußreichen Gesinnungsgenossen des Görlitzer Theosophen handelte, ganz anders vorging:
Der einflußreichste Anhänger unseres Theosophen war der Oberlausitzer Edelmann Karl Ender von Sercha auf Leopoldshain. Schon immer der Schwenkfeldschen Lehre zuneigend, fühlte er, sobald er Jakob Böhme und seine Morgenröte kennenlernte, sich mit ganzem Herzen zu ihm hingezogen. Er war es, der durch Abschriften die Aurora verbreitete. Es waren natürlich auch die ganze Gesinnungsart, die Hinneigung und Verehrung des nahe wohnenden Leopoldshainer Dorfherrn zu dem grüblerischen, einfachen Schuhmacher in ganz Görlitz bekannt, als im Juli 1613 ein Ungewitter über Böhme hereinbrach. Trotzdem widmete der gleisnerische „Hohepriester“ im Mai des folgenden Jahres seine Appendix ad Regulas historicas dem Karl Ender und schrieb eine Vorrede, die an kriecherischer Schmeichelei nichts zu wünschen übrigläßt. Krampfhaft suchte er auch die kleinsten und unbedeutendsten Umstände hervor, aus denen er einen Schluß auf die gute und freundschaftliche Gesinnung Enders für seine Person machen konnte. „Unde, quaeso, congeriem beneficiorum tuorum exoriar? Ubi vero finiam. (Woher, ich bitte dich, soll die Anhäufung deiner Wohltaten kommen? Aber wo soll ich enden?)“ Ein Gericht Fische, das der wohlmeinende und vornehm denkende Mann ihm geschickt hatte, die Freundlichkeit, mit der er ihm als gebildeter Mann begegnet war, die Duldsamkeit, mit der er in den Anfangsmonaten 1614 den Angehörigen Richters im Pfarrhause zu Leopoldshain während der Pestzeit Aufenthalt gewährt hatte, werden herangezogen. Hat sich Richter durch die unerhörten Schmähungen auf der Kanzel und durch die giftigen Pasquille gegen Böhme für alle Zeit bloßgestellt, so wird das üble Bild noch vielmehr verstärkt durch diese Widmung seines Buches, die den reichen und vielgeltenden Gesinnungsgenossen des armen und ohnmächtigen Schuhmachers bis in den Himmel erhob.
Richter ist ferner schuld, daß die Stadt Görlitz in vielen Kreisen in Verruf kam. Auch erhoben sich allmählich Stimmen gegen Richters Auftreten. Es will freilich wenig besagen, wenn ein roher und ungebildeter Barbier den Primarius im September 1621 einen „alten sakramentischen Pfaffen“ schilt, wofür er ins finstre Gewölbe wandern muß, und wenn zwei Diener Caspars von Fürstenau gewaltig auf Richter vor aller Ohren schimpfen. Bezeichnender ist es, daß auch der Rat, dessen Vorgehen wesentlich durch den aufgehetzten Pöbel bestimmt wurde, unsicher und duldsamer gegenüber Böhme wurde. Ganz bedeutsam aber ist eine Äußerung des hochgebildeten Johann Emmerich, eines Urenkels Georg Emmerichs und eines Mannes, der von 1610 bis 1621 im Rat saß und selbst zweimal Bürgermeister war. Er schreibt:
Den Schuster hat Gregor Richter oft und viel geschmäht, welches aber der Schuster genugsam verantwortet hat. Es wäre besser gewesen, der Primarius hätte den Schuster zufriedengelassen, hat wenig Ehre erlangt usw. Wäre freilich viel besser gewesen, denn der gute Mann, der Schuster, von welchem ich niemals etwas Ungebührliches vernommen, würde nicht bedürft haben, um seinen ehrlichen Namen zu retten, eine Apologie gegen desselben Schmähkarten zu schreiben und dessen eigene Schande zu offenbaren. Aber der Primarius hat ihn durch das Mittel der Lästerzungen der Welt bekannt machen und dessen Ehre bei unparteiischen Gemütern mit seinem Nachteil befördern wollen. Wäre ein so duldsamer Primarius, wie Richters Vorgänger Martin Moller, an der Spitze des geistlichen Ministeriums gewesen, dann würde das Leben Jakob Böhmes nach Bekanntwerden seiner Schriften friedhafter gewesen sein. Freilich hätten wir auch von unserem Theosophen viel weniger erfahren, und so hat der Geist des Bösen, personifiziert in Gregor Richter, auch sein Gutes gehabt: Streit bringt Leid, er gibt aber auch einen Einblick in das Wesen der Streitenden.
Wohnung des Pastor Primarius
Nun wieder zu der Reihenfolge der Ereignisse: Karl Ender von Sercha hatte, wie erwähnt, eine Abschrift der Morgenröte genommen, und von dieser gelangten im Juli 1613 andere Abschriften in die Stadt und eine auch in die Hände des Primarius. Er hat wohl kaum das Buch gehörig durchgelesen, fand aber Stellen, die dem orthodoxen Glauben nicht zu entsprechen und die, weil sie von einem Schuster ausgingen, ganz unerhört und ketzerisch zu sein schienen. Die Einzelheiten seines Vorgehens sind nicht überliefert. Er wird sich an den damaligen Bürgermeister, den berühmten Bartholomäus Scultetus, und an andere Ratsmitglieder gewandt haben. Freitag, den 26. Juli, wurde die Sache vor dem Rat verhandelt. Den meisten Mitgliedern kam sie wohl überraschend. Einen sachgemäßen Vortrag über den Inhalt der Morgenröte vermochte niemand zu geben, und man mußte sich auf den Bericht Richters stützen. Über die Vorgänge schweigen zwar verwunderlicherweise die damaligen Ratsprotokolle, wir haben aber einen mindestens ebenso gewichtigen Bericht in den Diarien (Tagebüchern) Scultets. Er lautet: „1613, den 26. Juli, ward Jakob Böhme, ein Schuster zwischen den Toren hinter der Spitalschmiede zum Ablohnen (Bestrafen) auf das Rathaus gefordert und um seinen enthusiastischen Glauben gefragt, darüber in Stock eingesetzt und sobald durch Oswalden (der Familienname dieses Türstehers ist Krause) sein geschriebenes Buch in Quarto aus seinem Haus abgeholt, darauf er wieder aus dem Gefängnisse entlassen und ermahnt worden, von solchen Sachen abzustehen.“ Bei der Gewissenhaftigkeit, mit der Scultetus sein Tagebuch führte, ist der Inhalt dieser Niederschrift in jedem Stück sicher. Böhme selbst erzählt von der gewaltsamen Entreißung des Originals seiner Aurora und fügt 1620 hinzu, er habe sie in 3 Jahren nicht wieder gesehen, doch sie in der letzten Zeit schon viermal in Abschriften zu Augenschein in die Hände kommen. Den folgenden Sonntag, den 28. Juli, brächte der streitbare Primarius diesen Vorgang auf die Kanzel und hielt, da das Evangelium von den falschen Propheten war, eine scharfe Predigt gegen den Schuster. Weiter wurde Böhme den nächsten Dienstag, den 30. Juli, von den Prädikanten in des Primarius Wohnung vorgefordert und in seiner Konfession mit Ernst examiniert und mußte sich „erkennen“. So erzählen die Chroniken, sicher richtig. Aus einer Niederschrift Böhmes vom 3. April 1624 erfahren wir, daß ihm vom Primarius dabei auferlegt wurde, nicht mehr so zu schreiben, „welches ich ja bewilligt, den Weg Gottes aber, was er mit mir tun wollen, habe ich dazumal noch nicht verstanden. Hingegen hat mir der Herr Primarius samt den anderen Prädikanten zugesagt, hinfort auf der Kanzel zu schweigen, welches aber nicht geschehen ist (Sendschreiben 54.5)“. Über die Geistesart der damaligen Ratsmitglieder ist nichts bekannt, ich erspare mir deshalb ihre Namen. Nur über den derzeitigen Bürgermeister Scultet soll unten kurz gehandelt werden.
Nach diesem Zusammenstoß „verwog“ sich Böhme „nichts mehr zu schreiben, sondern als ein Gehorsamer Gott still zu halten und den Teufel mit seinem Spott so über sich hinrauschen zu lassen“. „Mein äußerer Mensch“, sagt er „wollte nicht mehr aufschreiben und meine Gaben waren eine Zeit vom Teufel und von der Welt verdeckt, auch war ich etwas blöde, zugleich war mir das Gnadenlicht auf eine ziemliche Zeit entzogen und glomm in mir als ein verborgenes Feuer, daß also nichts denn Angst in mir war, von außen Spott, von innen ein feuriger Trieb“. „Ich habe den Geist des Herrn hundertmal angefleht, wenn mein Wissen nicht zu seinen Ehren und meinen Brüdern zur Besserung dienen möchte, dann wollte er solches von mir nehmen und mich nur in seiner Liebe erhalten. Aber ich habe gefunden, daß ich mit meinem Flehen nur das Feuer in mir heftiger entzündet habe, und in solchem Entzünden und Erkenntnis habe ich meine Schriften gemacht.“ Zu neuem Schreiben ermunterten ihn auch seine Freunde, die die Aurora gelesen hatten: Er möchte doch sein Talent offenbaren. Vor allem „weckte“ ihn sein lieber Freund Bernhard in Sagan aus dem Schlaf. Auch Karl Ender und mehrere andere begannen persönlich und schriftlich in ihn zu dringen, weiter zu schreiben: „Denen ich anfänglich gesaget, ich dürfte es nicht tun, es sei mir vom Herrn Primarius verboten. Sie aber haben mir die Schrift mit ernstlichem Dräuen göttlicher Strafe vorgezogen (vorgehalten) und angezeigt, daß ein jeder bereit sein soll, seiner Gaben und Glaubens samt der Hoffnung Rechenschaft zu geben, und daß Gott das Pfund von mir nehmen würde und dem geben, der es anlegt; auch daß man Gott mehr, als Menschen gehorchen müsse. Darum wurde es mir ernst, sintemalen mir auch ein Funke von der edlen Perle gegeben worden ist und Christus uns treulich warnt, sie nicht unter die Bank zu stecken oder in die Erde zu vergraben.“
So fing dann Jakob im Jahre 1618 wieder mit Niederschriften seiner Gedanken an und hat das in erstaunlich fruchtbarer Weise bis 1624 fortgesetzt. Die Ruhepause von 1613-1618 kam dem Theosophen recht zu statten: Dr. Tobias Kober gründete im Jahre 1613 in Görlitz seinen Hausstand (s. unten S. 57f.). Er las sicher die Aurora und verkehrte sehr oft aufs vertrauteste mit dem Schuster an der Neißebrücke. Ähnlich auch Karl Ender von Sercha, der den einfachen Mann auch in seinem Schloß zu Leopoldshain als Gast sah. Von dem bekannten Arzt und Chymiker Dr. Balthasar Walther wissen wir, daß er 1599 in Görlitz war (s. unten S. 63): Später hat er sich drei Monate bei Jakob Böhme aufgehalten und vertraute Gespräche mit ihm gehabt. Wie weit unser Böhme in seinen theosophischen Ansichten durch diesen Umgang beeinflußt worden ist, ist hier nicht der Ort, zu untersuchen. Aus der Zeit dieses zweiten Niederschreibens sind uns nun eine ziemliche Anzahl (66) Briefe Böhmes erhalten, die für sein Leben, für die Entwickelung seiner theosophischen Gedanken, für seinen Verkehr mit Gleichgesinnten sehr wichtig sind. Leider ist seit ihrem Druck im 17. Jahrhundert nur noch ein kurzer unbedeutender Brief bekannt geworden, obwohl doch noch sehr viele vorhanden gewesen sein müssen. Diese Briefe stehen auch formell auf der Höhe der Zeit. Bedauerlicherweise ist uns kein einziges Schreiben an Böhme überkommen. Deren muß es doch eine ganze Anzahl gegeben haben, und man hätte meinen sollen, daß seine nächsten Freunde in Görlitz diesen Schatz behütet und aufbewahrt hätten. Vielleicht hängt ihr Verschwinden damit zusammen, daß der Meister Böhme alle anderen Geistesgenossen überstrahlte und man neben ihm alle anderen für geringfügig erachtete.
In den Jahren 1618-1624 hat unser Jakob meist an seinem Schreibtisch in seinem bescheidenen Häuslein an der Neißebrücke gesessen und seine tiefen Gedanken niedergeschrieben. Ganz erstaunlich ist die Anzahl und zum Teil auch der Umfang dessen, was er aus diese Weise schuf. „Das brennende Feuer treibet öfters zu geschwinde, dem muß die Hand und Feder nacheilen, denn es geht wie ein Platzregen, was es trifft, das trifft es. Wäre es möglich alles zu ergreifen und zu schreiben, so würde es wohl dreimal mehr und tiefer gegründet, aber es kann nicht sein… Es hat auch keine Zeit gehabt zu bedenken nach dem rechten Verständnis des Buchstabens, sondern alles nach dem Geist gerichtet, welcher öfter in Eile gegangen, daß dem Schreiber die Hände wegen der Ungewohnheit gezittert… Ich habe dem Geist immer nachgeschrieben, wie er es diktieret hat, und meinem Verstand keine Stätte gelassen, und erkenne es nicht als ein Werk meines Verstandes, welcher allzu schwach wäre, sondern es ist des Geistes Werk.“ Dieses Leben wurde ziemlich häufig unterbrochen durch einlaufende Briefe und deren Beantwortung, durch Besuche seiner Freunde aus der Stadt, der Umgebung und weiter Ferne, durch Reisen, die er auf Einladung gleichgesinnter Freunde unternahm.
So befand er sich öfter bei Karl Ender von Sercha in dem nahen Leopoldshain, wo er wohl auch einen Teil seines Werkes „De tribus principiis“ schrieb. Ostern 1622 oder nach einer anderen Datierung 1621 weilte er in Weichau nördlich Sagan bei Rudolf von Gersdorff, im Sommer 1621 in Schlesien, wohl in Striegau, wo eine Zusammenkunft ähnlich gesinnter Geister stattfand und es eine lebhafte Auseinandersetzung gab. Im Dezember 1621 nahm er sich fest vor, künftigen Frühling nach Schlesien zu reisen, ebenso um dieselbe Zeit des folgenden Jahres. Doch ist er, wenn ich die Quelle recht verstehe, schon in den Weihnachtstagen 1622 bei Dr. Friedrich Krause in Liegnitz, um von dort weiter nach dem Jauerschen und Striegauschen Gebiete zu gehen, wo er mit hochgelehrten und feinen Männern von Adel seine Meinung austauschte. Dabei wird vornehmlich ein gewisser Doktor Staritius erwähnt, der dem Jakob Böhme als gewandter Redner und als ein Kenner der lateinischen Zunge viel zu schaffen machte. 1624 weilte er vom 13. Februar bis etwa zum 25. März 6 Wochen lang in Schlesien. Vielleicht gehört in diese Zeit — wenn man überhaupt der Geschichte einen wirklichen Kern zuschreiben will — die Erzählung Abrahams von Franckenberg (§23), wie Böhme, als er sich mit verschiedenen anderen auf einem adligen Hofe aufgehalten habe, nach Seifersdorf, östlich Liegnitz, geladen sei, wie er auf dem Gang dorthin auf Anstiften eines Arztes in eine Pfütze geworfen worden und von einem anderen adligen Mann im Hause Davids v. Schweinitz übel belästigt sei. Böhme selbst erwähnt einen Aufenthalt bei Hans Siegismund Pausten. Seine Rückkehr erfolgte unmittelbar von dem Sitze Hans Siegismunds v. Schweinichen, wo er das „Gespräch einer erleuchteten und unerleuchteten Seele“ schrieb. Damals, bei der Rückkehr nach der Heimat, stand es auf des Schwertes Spitze, daß er nicht aus Görlitz ausgewiesen wurde. Am 9. oder 10. Mai reiste er nach Zittau, wo er bei seinem Anhänger Johannes Molinus mit Kaspar von Fürstenau, Johann Hartig und Matthias Renisch eine Zusammenkunft hatte. Am 15. Mai 1624 kam er von Zittau in Begleitung des Zittauer Arztes Melchior Berndt in Dresden an, wo er noch am 16. Juni weilte. Wann er zurückgekehrt ist, ist des genaueren unbekannt. Noch einmal trieb ihn die Unruhe in Görlitz und das Verlangen, seine Freunde zu sehen, aus der Heimatstadt nach Schlesien. Da der Aufenthalt daselbst „etliche Wochen“ dauerte und er am 7. November nach Görlitz zurückkehrte, mag er um die Mitte des Oktobers nach Schlesien abgereist sein. Er hielt sich dort bei seinem Verehrer Hans Siegismund v. Schweinichen auf. Von Frankenberg berichtet aus dieser Zeit, daß er ihn dort zum letzten Mal gesehen habe. Er habe erbauliche Gespräche von der hochseligen Erkenntnis Gottes und seines Sohnes sonderlich aus dem Licht der geheimen und offenbaren Natur gehalten und zugleich die „Drei Tafeln von göttlicher Offenbarung“ verfertigt. Von den 42 Wochen des Jahres 1624, die Böhme erlebte, hat er etwa 16 Wochen auswärts verbracht. Wenn auch zum Teil dieser lange Aufenthalt in der Fremde auf seinen und seiner Freunde Wunsch zurückzuführen ist, so ist doch daran hauptsächlich die unerhörte demagogische Hetze schuld, die Gregor Richter gegen den armen Schuster veranlaßte. Es ist daher kein Wunder, daß Jakob Böhme, zumal da ihm das vom Rat nahegelegt wurde, ernstlich daran dachte, seinen Wohnsitz von Görlitz zu verlegen. Der Tod hat ihn dessen enthoben.
Als Jakob Böhme im Jahre 1618 nach 6 Jahren wieder anfing, seine Gedanken niederzuschreiben, und ihm die Handschriften von Freunden förmlich aus der Hand gerissen und abgeschrieben wurden und davon wieder Nachschriften entstanden, hätte man doch meinen sollen, daß der streitsüchtige fanatische „Oberpriester“ wiederum den Rat vermocht hätte, ähnlich wie 1613 gegen ihn vorzugehen. Versucht wird es Gregor Richter schon haben, aber er fand wohl kräftigliche Gegenströmungen. Wir erfahren von solchen Machenschaften bis ins Frühjahr 1624 in den Quellen nichts. Nur eine Anekdote ohne Zeitangabe, die zum Teil auf einem wahren Vorfall beruhen mag, sonst aber mit Dichtwerk umrankt ist, erzählt uns im Jahre 1651 der Dr. med. Cornelius Weisner (oder Wiesner) aus Breslau. Sie mag hier erwähnt werden: Der Schwager Böhmes, ein junger Bäcker, habe einst vor Weihnachten, um Weizen für Striezel einzukaufen, von Gregor Richter einen Taler geborgt. Er habe ihm nach den Feiertagen das Geld samt einem Striezel in der Hoffnung wiedergebracht, daß Richter diesen für die 14 Tage Zins anrechne. Der geizige Mann sei aber damit nicht zufrieden gewesen und habe ihn wegen des nichtbezahlten Zinses mit Gottes Zorn und greulichem Fluch bedroht, wodurch der junge Mann erschreckt und in tiefe Schwermut geraten sei. Jakob Böhme habe sich seiner angenommen und sei selbst zum Priester gegangen und habe ihn mit aller Bescheidenheit gebeten, seinem Schwager nicht mehr zu zürnen. Er selbst wolle den schuldigen Zins zahlen. Darauf sei Richter wütend aufgefahren und habe ihn einen Zerrfleck (Lederflicker) gescholten, er möge sich packen. Dabei habe Richter schwülstig, breit und gemächlich in seinem Stuhl gesessen. Böhme sei demütig nach der Türe gegangen und habe ihm ein „Gott behüte Euch“ zugerufen. Da sei der aufgeregte Mann noch mehr ergrimmt und habe ihm mit den Worten: „Was sollst Du mir, gottloser Bube, noch viel gute Nacht sagen, was frage ich nach Deinem Segen“, einen Pantoffel nachgeworfen. Der liebe Mann aber, unerzürnt, habe ihm den Pantoffel zu seinem Fuß gestellt. Sonntags darauf habe Richter den Schuster heftig auf der Kanzel einen aufrührerischen und unruhigen, leichtfertigen Mann und Ketzer gescholten und den Magistrat vor der Gemeinde gegen ihn ermahnt, der die Prediger beunruhige, sie in ihren Häusern Überlaufe und Ketzerbücher schreibe, auf daß Gott nicht Ursache habe, über die Stadt zu zürnen und sie von der Erde verschlingen ließe. Nachdem die Kirchenbesucher sich verlaufen, habe Jakob Böhme den Aufgeregten auf dem Kirchhofe sänftiglich angeredet und ihn gefragt, was er ihm zu leide getan habe. Da habe der Priester im Beisein eines zweiten Geistlichen gegeifert und gerufen: „Hebe Dich, weg, Satan, in den Abgrund der Hölle!“ Noch einmal habe Jakob Böhme ihn über seinen Groll gegen ihn befragt. Da habe der Erboste durch seinen Diener nach den Stadtknechten oder Gerichtsdienern schicken wollen, dem der andere Geistliche widersprochen hatte. Folgenden Tages, am Montag, habe der Rat den Beschuldigten auf das Rathaus holen lassen und nichts Übles an ihm in Worten, Werken und Gebärden finden können, was zu strafen wäre, und schließlich beschlossen, zwei Ratsleute zu dem Prediger zu schicken, er möge vor den Rat kommen und seine Beschuldigungen vorbringen. Worauf er eifrig wurde und ausrichten lassen, was er auf ihrem Gericht- oder Rathaus zu tun habe. Was er zu sagen habe, das sage er an Gottes Statt von der Kanzel. Da sei sein Ratsstuhl. Man solle den leichtfertigen, losen, verwegenen Ketzer der Stadt verweisen. Der Rat unter dem Druck des eifernden Geistlichen und seines Einflusses als Kanzelredner habe eine Ausweisung Böhmes beschlossen, worauf die Böhme freundlich gesinnte Minderheit die Sitzung verlassen habe. Man habe nun durch die Gerichts- und Stadtdiener den unüberwiesenen, getreuen, frommen Bürger stracks zum Tore hinaus verweisen lassen, ohne ihm zu erlauben, noch einmal in sein Haus zu gehen und mit den Seinigen zu reden. Folgenden Morgen aber, als der ganze Rat wieder beisammen kam, sei man andern Sinnes geworden und habe den verjagten Mann feierlich wieder mit Ehren in die Stadt geführt: „Welches ein Wunder von Gott gewesen sei mitten unter des Teufels Akten und Dekreten.“
Diese Vorgänge, die sich doch wegen der Verweisung Böhmes aus der Stadt an die Ereignisse von Ende März 1624 anschließen müßten, tragen zumeist den Stempel der Unrichtigkeit an sich. Wir werden gleich sehen, daß der Druck zweier Schriften Böhmes die Veranlassung zum Eingreifen der Stadtregierung war. Nie und nimmer hätte den Rat ein persönlicher und zwar eigennützig persönlicher Streit zu seiner scharfen Maßnahme bestimmen können. Auch hätten solch ungewöhnliche Ausweisung und solch plötzliche Zurücknahme der Verordnung, die eine gar nicht zu rechtfertigende Untergrabung der Würde des Rats zur Folge gehabt hätte, sicherlich den zeitgenössischen Görlitzer Chronikenschreibern, die sich keinerlei Ereignisse von etwelchem Belang entgehen ließen, Veranlassung zur Aufzeichnung gegeben. Es hatte sich natürlich an den Zusammenprall Richters und Böhmes in dem engen Stadtkreise, aber auch bald darüber hinaus, mancherlei Gerede angeschlossen, das von Mund zu Mund gehend die seltsamsten Formen annahm und schließlich von Jakob Böhmes Freunden zu Gunsten des Meisters und zu Ungunsten des „hohen Priesters“ gestaltet wurde. Es ist ja möglich, daß Richter und der Bäcker zusammengerieten, möglich auch, daß Böhme vermittelte, aber der eigentliche Grund zu den bedeutsamen Ratsbeschlüssen ist das nicht gewesen. Sicher erscheint der Zwiespalt im Rat, das andere ist ein mythenhaftes Rankenwerk, das zu größerem Ruhme Böhmes erdichtet wurde.
Einen viel größeren Feuerbrand als 1613 wußte der eifernde „Hohepriester“ etwa am 20. März 1624 zu entfachen. Damals nämlich erschienen hinter dem Rücken und ohne Willen Jakob Böhmes bei dem Görlitzer Drucker Rhambau zwei seiner Schriften: „Von der wahren Buße (de poenitentia vera)“ und „Vom übersinnlichen Leben (de vita mentali)“, auch mit anderen später zusammengedruckten Schriften Christosophia oder Weg zu Christo genannt. Der Druck war veranlaßt durch Jakobs Anhänger, den schlesischen Adligen Hans Siegismund von Schweinichen. Sobald unser Richter ein Exemplar zu Gesicht bekam, lief er zu den vornehmsten Herren der Stadt und betrug sich wie ein Rasender und Toller, fluchte, schmähte, log und begehrte, sobald Böhme aus Schlesien heimkomme, solle man ihn ins Gefängnis setzen und von der Stadt wegjagen. Er legte auch ein Lügen- und Klageschreiben beim Rat ein und heizte dem Schuster die Hölle und richtete ihm das Bad zu. Der Rat kam infolgedessen Sonnabend, den 23. März, zusammen und faßte laut Protokoll folgenden Beschluß: „Wegen des hiesigen Schusters Jochen Böhmens genannt ist decidiret (entschieden), daß wegen vielfältig Klagens der bösen ärgerlichen Lehr halber möchte vor den Rat gefordert werden und ihm, seinen Stab ferner zu setzen, auferleget.“ Die Niederschrift ist sehr flüchtig und schwer lesbar. Der Vorname Jochen ist vom Schreiber später über die Zeile hinzugefügt. Drei Tage später, Dienstag den 26. März 1624, als der Rat sich zu gewöhnlichem Sitztag versammelte, findet sich im Memorial oder Ratsprotokoll folgende Niederschrift: „Jochen Böhme, der Schuster und verwirrte Enthusiast (oder Fantast) spricht, er habe das Buch zum ewigen Leben verfertigt, habe solches nicht drucken lassen, sondern es habe einer vom Adel, Hans Sigismund von Schweinhaus, drucken lassen. Ist vom Rate verwarnt worden, seinen Stab ferner zu setzen oder in Entstehung der Güte soll solches ihrer Kurfürstlichen Gnaden berichtet werden. Darauf er sich verlautet, er wolle sich ehesten Tages wegmachen.“ Wiederum ist die Schrift des Syndikus Krebs schwer leserlich. Auch ist der Inhalt nicht recht klar. Was soll es heißen „Ist verwarnet worden, seinen Stab ferner zu setzen.“? Jakob Böhme berichtet am 6. April an Johann Siegismunds von Schweinichen: „Nachdem aber schon fast die meisten Herren des Rates mein gedrucktes Büchlein gelesen und darin nichts Unchristliches gefunden hatten, und es von etlichen auch sehr geliebt wurde, auch neben vielen von der Bürgerschaft, so haben etliche solches Vorhaben und Begehren des Primarius für ungerecht erachtet. Es sei also keine rechtmäßige Ursache zu solcher Verfolgung an mir, und sie haben dagegen gesprochen und gesagt, daß doch diese Religion nichts Neues sei. Es sei eben der Grund der alten heiligen Väter, dergleichen Büchlein man mehr finden würde. Manche aber, besonders welche der Primarius eingenommen hatte, hatten es für gut erachtet, mich vor einen Ehrbaren Rat zu fordern und zu bedrohen, ich sollte zusehen, daß nicht etwa der Kaiser oder Kurfürst durch die Priester angestachelt würden und nach mir greifen ließen. Wie es dann auch so geschehen ist, und als ich vor den Rat kam, wurde mir solches gesagt, und sie rieten mir, mich etwas beiseite zu machen (bzw. zurückzuziehen), daß sie mit mir nicht noch Unruhe hätten. Überdies hatte ich meine Antwort schriftlich verfaßt und wollte sie übergeben (siehe nachfolgenden Sendbrief Nr. 54). Aber der Primarius hatte das verwehrt. Man sollte keine schriftliche Antwort von mir annehmen, denn er fürchtete wohl, er müßte wegen seiner Lügen antworten. So wurde sie vom Rat auch nicht angenommen, sondern ich wurde nur gewarnt, mich beiseite zu machen oder, wenn mich andere Leute gern bei sich hätten, mich zu ihnen zu begeben, daß sie doch Frieden hätten. Aber mir wurde kein Gebot gegeben. Auf dieses gab ich ihnen zur Antwort, weil man meine Antwort nicht lesen wollte, daß ich meine Unschuld einklagen möchte und auch unter keinem Schutz vor den Auflagen und ungerechten Schmähungen des Primarius genommen werden könnte. So müßte ich es Gott anbefehlen und sehen, wo mich Gott irgendwo zu frommen Leuten führen würde und mir schließlich ein solches bescheren, daß ich dem Primarius einmal aus den Augen käme. Welches ihnen lieb war, aber sie doch kein Gebot gaben, als sollte und müßte ich weg, sondern mich nur warnten. Damit ging ich vom Rat heim, als dann vor der Tür des Rates in der äußeren Stube etliche spitzige Spötter aus dem Anhang des Primarius standen, die vielleicht auch wohl von ihm gesandt wurden, und mich verspotteten. Und einer unter ihnen, ein loser Bube, beäugte mich vom Scheitel bis zu den Fußsohlen, von meinen Kleidern und Gaben, und griff den Geist Gottes so heftig an, spottete und sprach: Der Heilige Geist würde schließlich so gemein werden wie die Pelzflicker bei den Kürschnern. (Sendbrief 53.10-15)“ Diese Erzählung Böhmes läßt sich gar wohl mit den Worten des Ratsprotokolls vereinigen. Sicher ist, daß Jakob Böhme noch in Görlitz bis zum 9. oder 10. Mai blieb (s. oben S. 40). Auch die zweite Drohung, daß man sich an den Kurfürsten in der Sache wenden wolle, wurde nicht ausgeführt, denn es liegt vom 30. März 1624 Nr. 6 ein Ratsbeschluß vor, daß mit dem Schreiben an die Kurfürstliche Durchlaucht noch in Ruhe gestanden werden solle.
Gregor Richter war nun aber nicht bloß persönlich und durch eine beim Rat eingelegte Klageschrift gegen Böhme vorgegangen und hatte nicht nur den Liegnitzer Pastor Frisius vermocht, gegen den Schuster beim Görlitzer Rate Klage zu führen, sondern ließ auch eine giftige, von Schmähworten und sichtlichen Lügen strotzende Hetzschrift im Druck erscheinen. Sie umfaßt, in lateinischer Sprache geschrieben, außer allgemeinen Aussprüchen, wie sie sich in Richters Axiomata finden, drei Pamphlete: Das erste in Senaren (Trimeter), datiert vom 7., das zweite und dritte in Distichen, datiert vom 26. und 27. März, also herausgegeben zu der Zeit, als Böhme eben von Schlesien nach Görlitz zurückgekommen war. Das Ganze betitelt: Judicium Gregorii Richteri Gorlicii, ministri ecclesiae patriae primarii, de fanaticis sutoris enthusiastici libris, quorum tituli sunt 1. Morgenröthe im Auffgange, 2. Der Weg zu Christo, 3. Von wahrer Buße etc., ad avertendas sinistras de ministerio Gorlicensi suspiciones, Gorlicii Johannes Rhamba excudebat an. 1624. In dieser Schmähschrift heißt es: In jeder Zeile der Schriften Böhmes befinde sich eine Gotteslästerung. Alles rieche nach Schusterpech und Schusterschmiere. So pestbringend wie Böhmes Bücher fei nicht die Lehre des Arius gewesen. Ganz taktlos und eines christlichen Priesters unwürdig ist die Gegenüberstellung des Heilandes und des Schusters: Christus ist vom heiligen Geist mit Öl gesalbt, der Schuster vom Satan mit Kot; Christus geizt nicht nach Schätzen, königlichen Ehren und Titeln, der Schuster aber will König und Gott sein; Christus hat sein Leben nüchtern zugebracht und einen schlichten und gesundheitsbringenden Wein getrunken, Böhme ist meist trunken von ausländischem Wein und Branntwein. Und als dem Hohenpriester hinterbracht wurde, der Schuster müsse aus der Stadt, gibt er ihm einen „Nachklang oder Zehrpfennig“ auf den Weg: „Du gotteslästerliches Maul, mach dich eilends fort, wo deine Schriften geachtet werden. Daß dich nur nicht das Schicksal der Sphinx und des Ketzers und Lästerers Cerinthus trifft! Dein Dreck (stercora) hat unsere Stadt besudelt. So gehe denn fort auf Nimmerwiedersehen, nimm einen Schuh in die Hand, nicht die Feder (Calceus in manibus sit tibi, non calamus).“ Das alles durchsetzt mit Hetzworten und Drohungen gegen die Anhänger und Leser Böhmes.
Mit dieser unflätigen und giftigen Schrift schadete sich der „Hohepriester“ selbst. Er brächte auch die Stadt Görlitz in aller Leute Mund und zog ihren guten Ruf herunter. Es scheint zweifellos, daß gerade infolge der Hetzschrift der Rat Milde walten ließ und seinen strengen Beschluß vom 26. März nicht ausführte. Eine andere Kundgebung schrieb Gregor Richter in seine Görlitzer Chronik mit folgenden Worten nieder: „Sutor apud nos quidam permultos annos enthusiastam primarium egit et miras de deo et creatione, quod ille nempe ex mercurio et salepetra confectus esset et quae fuerunt alia, blasphemias hactenus et quidem impune sparsit et evomuit. Edidit etiam libellum enthusiasticum, qui ex officina Gorlicensi excusus prodiit, temerario ausu sine consensu magistratus et ministerii de via ad Christum abnegacione sui (et de) vera poenitentia, in quo plerasque veteres et damnatas haereses ab Orco revocavit. Cum autem hoc virus suum apud nos ut et in Silesia per duos nobiles longe lateque disseminasset et ministri Gorlicenses ut Lignicenses graviter in hunc impostorem inveherentur, tandem 26. Martii a senatu nostro jussus est ab urbe facessere, sed verendum, ne sit illud senatus consultum sine executione vel, ut dici solet, campana sine clepulo. Tam frigide scilicet gloria dei vindicatur et propugnatur nec observatur illud: glorificantem me glorificabo, 1. Samuelis 2 (30).“
Böhme selbst hat nun unmittelbar nach dem Angriff Gregor Richters selbst die Feder angesetzt und geantwortet, einmal in der „Schriftlichen Verantwortung an den Ehrbaren Rat zu Görlitz“ gegen des Primarius Lästerung, Lügen und Verfolgung über das gedruckte Büchlein von der Buße, geschrieben am 3. April 1624. Ruhig und besonnen schildert er den Sachverhalt, wie er dazu gekommen sei, nach dem Streit von 1613 wieder zu schreiben, und wie nicht er, sondern einer von Adel sein Büchlein habe drucken lassen. „Daß aber“, fährt er fort, „der Herr Primarius so heftig dagegen donnert und es zum Feuer verurteilt, auch meine Person so schmählich heranzieht und mir die ganze Gemeinde auf den Hals hetzt, sowie vorgibt, ich hätte die ganze Stadt Görlitz samt dem Fürstentum Liegnitz damit vergiftet und es verbreitet, und daß deswegen das große Klagen von den Priestern zu Liegnitz über mich erging, auch daß darum der Ehrbare Rat samt der Stadt Görlitz in Gefahr stünden: Darauf gebe ich zur Antwort, daß sich dies mitnichten so verhalte und daß mir solches aus bösartiger Neigung nur von Wenigen und vielleicht auch nur durch des Herrn Primarius eigene Anreizung zugerichtet wurde, damit er verhindert, daß meine Unschuld an den Tag kommen soll. (Sendbrief 54.11)“ Seine Schriften würden von vielen Prädikanten samt etlichen an den hohen Schulen geliebt, und zwar nicht bloß im Liegnitzschen, sondern auch in Dresden von manchen Herrn am Hofe und auch bei etlichen Reichsfürsten und Herren der Reichsstädte, wie er solches mit vielen Briefen zu beweisen hätte. „Der Herr Primarius möge nur im Beisein etlicher Herren des Rates meinen Irrtum erweisen, ich will mich herzlich gern weisen lassen. Ich bin kein Verächter der Kirche und der Sakramente, kein Ketzer, Schwärmer und Halunke, kein Säufer: Ich bitte, mich in gebührlichen Schutz zu nehmen. Beim Herrn Primarius dürfte man wohl öfters einen trunkenen Mann finden.“ — Es ist schon oben erwähnt, daß der Rat diese Verantwortung auf Betreiben Richters nicht annahm.
Längere und kräftigere Töne findet sodann Böhme in seiner Schutzrede gegen Gregor Richter, die er am 10. April 1624 beendete und allenthalben handschriftlich verbreiten ließ. In ihr geht er Zeile für Zeile die einzelnen Anschuldigungen seines böswilligen Angreifers durch. Hierbei zeigt sich, daß Jakob Böhme keineswegs bloß ein sanftmütiger Mann war, sondern auch verstand, eine scharfe Klinge gegen den Gegner zu führen. Stilistisch und inhaltlich ist die Schrift eine höchst bedeutsame Leistung, und sie verdient wohl einmal eine besondere wissenschaftliche Behandlung und eine Vergleichung mit den anderen Schriften. Manchen sanften und sich zurückhaltenden „Stillen im Lande“ mag sie wohl noch heute ein wenig scharf und bitter vorkommen. Mir steigt der Gedanke auf, daß sie und die Verantwortung dem Rat gegenüber vielleicht nicht ohne Beihilfe fremder Kräfte gefertigt seien. Die deutsche Übersetzung des Pamphlets muß unserem Jakob sowieso ein Gelehrter in die Hände gegeben haben.
Wie schon oben kurz erwähnt, hat sich Böhme vom 15. Mai bis über die Mitte Juni in Dresden ausgehalten. Schon vor Mitte März hatte er von dort eine Einladung bekommen. Er wohnte daselbst bei dem Verwalter des Laboratoriums im Schloß, dem Chymiker und Praktikus Benedikt Hinckelmann, der ihn mit Freuden aufnahm und ihm „Kost und Gelegenheit“ umsonst gewährte. Sein Wirt machte ihn nun mit hohen kurfürstlichen Beamten bekannt, die gern den längst allgemein berühmten Görlitzer Theosophen persönlich sprechen wollten. Am Pfingsttag, dem 26. Mai 1624, nachmittags, waren bei Hinckelmann hohe Offiziere und Beamte zu Gast, die drei Herren von Schwalbach, der Hausmarschall, der Stallmeister, der oberste Kämmerer und ein Rat. Sie waren um Böhmes willen gekommen, um sich mit ihm zu „vernehmen“, welches auch in Liebe und Gunst abgelaufen, und hörten mit Fleiß die Gespräche Böhmes, dessen gedrucktes Büchlein sie lasen und auch vor den Kurfürsten gebracht hatten, sagten ihm auch Beförderung zu. Donnerstag nach Pfingsten, den 30. Mai, ließ ihn nebst seinem Wirt der allvermögende sächsische Minister Joachim von Löß, kaiserlicher Majestät und kurfürstlicher Geheimer Rat und Reichsoffizier, auf sein Schloß Pillnitz in einer Kutsche abholen, „welchem Herrn die Sachen und Gaben hoch beliebten“. Auch er versprach seinen geneigten Willen und seine Beförderung beim Kurfürsten. Er wolle zusehen, daß Böhme etwa Unterhalt und Ruhe bekommen könnte, um sein Talent zu fördern. Böhme schmeichelte sich ferner der Zuneigung des Superintendenten Aegidius Strauch, der seine Bücher lese und liebe und, ebenso wie der berühmte Hofprediger Hoe von Hoenegg, die neue Geburt und den inneren Menschen selber lehre. Für den 16. Juni wünschte Strauch bei Böhmes Wirt eine Unterhaltung mit dem Theosophen in Anwesenheit etlicher Räte des Kurfürstens. Immer ist dabei nur von einem Gespräch, einer Unterredung oder einer Konversation die Rede, nie von einem Examen, das er vor einer Abordnung einer Behörde bestanden habe, wie das Wiesners Relation und Ehrenfried Hegenichts Bericht behaupten. Böhme erzählt noch, daß man seine Schriften in Dresden abschreibe und daß er sich in den Buchläden in Dresden theosophische Literatur angesehen habe, ferner, daß in Dresden der Abschluß eines Friedens mit Bethlehem Gabor festlich begangen worden sei. Ein Zusammentreffen mit dem Kurfürsten erreichte er nicht, denn derselbe verreiste mit einem Teil seines Hofstaates. Die Sendschreiben sind fast die einzige sichere Quelle für seinen Aufenthalt in Dresden. Was Hegenicht und gar Weisner, sowie eine Medaille von 1707 (s. unten S. 68) bringen, ist unbedeutend und sicherlich auch mystisch-theosophisch zugunsten Böhmes ausgeschmückt. Übrigens scheint auch Böhme durch die Bekanntschaft und die ihm entgegenkommende Freundlichkeit von Hochgestellten und Gesinnungsgenossen in Dresden die Beurteilung seiner Person in allzu günstigem Sinne aufgefaßt zu haben. Er hatte vielleicht kein rechtes Verständnis für die Hofluft, die ihn umwehte, und hielt für Wirklichkeit, was nur Ausdruck einer verfeinerten Lebensart und Hofsitte war. (Leider haben sich auch bei erneutem Suchen in Dresden über Böhmes Aufenthalt keine Quellen finden lasten.) Daß man in maßgebenden Dresdner Kirchen- und politischen Kreisen in der freundlichen Behandlung Böhmes eine Gelegenheit gesucht habe, um sich bei einflußreichen Oberlausitzern zu empfehlen, halte ich für ausgeschlossen. Eher wäre es möglich, daß man in ihm einen Alchimisten und Goldmacher sah, den man für Staatszwecke zu gebrauchen dachte.
Böhme ist, nachdem er etwa am 1. Juli nach Görlitz zurückgekehrt war, um den 15. Oktober abermals nach Schlesien gereist. Dort ergriff ihn ein hitziges Fieber, und schleunigst wurde er nach Hause geleitet. Sein Körper war überhaupt wenig widerstandsfähig, was sich schon äußerlich in seinem schlechten Aussehen zeigte. Die öfters eintretende Teuerung und Münzverschlechterung mögen in Verbindung mit seiner zuletzt verfallenen wirtschaftlichen Lage ihm nicht erlaubt haben, seinem Körper durch genügende, kräftige und stärkende Kost aufzuhelfen, zumal da seine Frau mit am Erwerbsleben in und außerhalb der Stadt Görlitz beteiligt war. Eine Krankheit, von der er durch die in Görlitz lagernden Soldaten (9. September bis 18. Oktober 1620) angesteckt wurde, hatte ihn schon 4 Jahre vor seinem Tod 6 Wochen lang auf das Krankenbett geworfen, doch erholte sich der erst 45 jährige Mann damals wieder, so daß er im Dezember 1622 und Oktober 1623 sich noch einer guten Gesundheit erfreute. Der Sturm, den er im Jahre 1624 auszuhalten hatte, und seine monatelangen Reisen mögen dann seine Kräfte erschüttert haben. Immerhin war er im Mai dieses Jahres noch mit seiner Gesundheit leidlich zufrieden. Ja, der Aufenthalt in Dresden hob seine Stimmung und förderte wohl auch dadurch seinen Gesundheitszustand. Dann aber kam bald der Zusammenbruch. Er befand sich schon vor der Reise nach Schlesien im August nicht mehr wohl, aber eigensinnig, wie er war, ließ er sich von seinem ärztlichen Berater und Freund Dr. Tobias Kober nicht davon abhalten.
Über die letzten 10 Tage Böhmes und über seine Beerdigung haben wir einen eingehenden Bericht des behandelnden Arztes Dr. Kober, den dieser am 21. November an Herrn von Schweinichen auf Schweinhaus schickte. Der Inhalt macht zwar einen durchaus zuverlässigen Eindruck, muß aber in einem Hauptstück gar sehr in scharfe Beurteilung genommen werden.
Böhme kam Donnerstag, den 7. November, sehr krank und schwach mit großer Geschwulst und Mattigkeit von Schweinhaus bei den Seinigen an. Kober überzeugte sich, daß er nicht mehr lange leben würde, und ließ einen zweiten Arzt, auch einen Anhänger des Theosophen, Melchior Bernt, von Zittau zur Begutachtung kommen. Der Krankheitsbefund war alvi fluxus (Durchfall), rugitus ventris (Kollern im Bauch), dolores lancinantes lateris sinistri (stechende Schmerzen in der linken Seite), excrescentia ventris et pedum (Geschwulst an Bauch und Füßen), angustia pectoris (Beengung der Brust, Atemnot), hianos (offenstehender Mund), siccitas (Trockenheit, trockene Zunge und Haut), consumptio summa tkoracis et faciei (hochgradiges Einfallen und Abmagerung der Brust und des Gesichts), urina ruffa circulo nigro, quae semper talis erat (roter Urin mit „dunklem, kreisförmigem Sediment“, wie er sich immer fand). An Medizin gab man dem Kranken nur Stärkungsmittel (confortantia), und man beklagte es, daß ihm, „da er kein sonderlich Fleisch genossen, der Ehymikus in Schweinhaus nicht Fleischdestillata und extracta auf den Weg gegeben“. Da keine Rettung mehr möglich war und der Kranke von Tag zu Tag schwächer wurde, rieten ihm Dr. Kober und der gegenwärtige Sprottauer Geisterseher und Prophet Christoph Kutter*, das Abendmahl zu nehmen, damit nicht etwa von Seiten der Geistlichkeit Schwierigkeiten bei seiner Beerdigung gemacht würden. (* Kutter oder Kotter, der im Jahre 1585 in Langenau bei Görlitz geboren war, hat verschiedene geisterseherische Geschichten verfaßt. Erhalten ist in Görlitz auf der Milichschen Bibliothek (Mspt. 4 Nr. 42) „Visiones et revelationes“. Vorn ist dem Werk ein Bild des Autors beigegeben.)
So erschien dann auf Verlangen der Archidiakonus Magister Elias Dietrich (Theodoricus) und reichte, nachdem er dem armen, schwachen Kranken eine große Reihe teilweise beängstigender und quälender Fragen über seinen Glauben vorgelegt hatte, ihm das Abendmahl (siehe Lebenslauf 1682 ab S. 99). Der Zustand wurde immer gefährlicher. Sonnabend, den 16. November, waren um ihn die Seinigen und Dr. Tobias Kober, Hans Rothe und Michael Kurtz versammelt. „Und als wir ihn gefragt, ob er gern sterben wollte, hat er geantwortet: „Ja, nach Gottes Willen.“ Darauf wir ihn Gott befohlen und gewünscht, daß wir ihn morgen, will‘s Gott, besser als jetzt fänden. Darauf er geantwortet: „Das helfe uns Gott, Amen.“ Hierauf wir ihn in dieser Welt weiter nicht gesehen haben. Als es nun nach Mitternacht Sonntags früh wurde, rief er seinen Sohn Tobias und fragte, ob er die schöne Musik hörte. Als der „nein“ sagte, spricht er, man solle die Tür öffnen, daß man den Gesang besser hören könne. Darnach fragte er, wieviel es geschlagen. Als man ihm mitteilte, es habe zwei geschlagen, sagt er, das sei noch nicht seine Zeit, nach drei Stunden sei seine Zeit. Unterdessen redete er diese Worte einmal: „Oh Du starker Gott Zebaoth, rette mich nach Deinem Willen.“ Und danach: „Oh du gekreuzigter Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner und nimm mich in Dein Reich.“ Als es dann 6 Uhr wurde, nimmt er Abschied von seiner Frau und den Söhnen, segnete sie und spricht darauf: „Nun fahre ich hin ins Paradies.“ Läßt sich von seinem Sohn herumwenden, seufzte tief und verschied so ganz sanft und still von dieser Welt.“
Nach dieser ergreifenden, zu Herzen gehenden Schilderung ist also Jakob Böhme am Sonntag, den 17. November neuen Kalenders, früh gestorben.
Und doch wird man an diesem Tage durch die anderen Quellen irre, denn
1. Es schreiben Catharine, die Witwe Jakob Böhmes, und die Ihrigen am Sonntag, den 17. November, an den Rat, ihr Mann sei „gestriges Tages“, also Sonnabend, den 16. November, mit Tode verblichen (siehe Lebenslauf 1682 Lit. D).
2. Es gibt ein Ratsprotokoll vom Sonnabend, dem 16. November, folgenden Lautes: Herr Magister Elias (Dietrich) ist wegen des Schusters Konfession vernommen worden, soll begraben werden mit einer Leichenpredigt, und genannter Herr Magister Elias soll sein (Böhmes) Bekenntnis schriftlich und aufs eheste einhändigen, soll auch die Leichenpredigt tun; ein ehrbarer Rat wird ihn vertreten (für ihn die Verantwortung übernehmen). Dieses Protokoll setzt das Ableben Jakob Böhmes am Sonnabend, dem 16. November, voraus.
3. Die Beerdigung Böhmes ist zuerst bestimmt auf Montag, den 18. November. Damit wäre, wenn man als Todestag Sonntag, den 17. November, annimmt, der damalige allgemeine Brauch hintenangesetzt, daß die Leiche am zweiten Tage nach dem Tod beigesetzt wurde. (So starb auch Gregor Richter am 14. August und wurde am 16. August beigesetzt. Die Beispiele ließen sich häufen.)
Die Punkte 1 und 2 sind meines Erachtens so unanfechtbar, daß ich, entgegen der bisher allgemeinen Ansicht, die als Todestag Sonntag, den 17. November, bezeichnet, Sonnabend, den 16. November, als Sterbetag annehme. Freilich, wie der Widerspruch mit dem Koberschen Bericht und dem Abkündigungszettel auszugleichen ist, darüber bin ich trotz alles Nachsinnens zu keiner Klarheit gekommen. (Der Abkündigungszettel ist als besondere sozusagen urkundliche Beilage einzig und allein in der Ausgabe von 1682 S.82 unter Lit. C gedruckt.) Es widerstrebt mir, etwa einen frommen Betrug der Nahestehenden anzunehmen, vielleicht in dem Sinne, daß man den heiligen Sonntag als letzten Tag des Vergötterten weiteren Kreisen verkündigte. Das wäre doch auch, da der Rat schon am 16. November, Sonnabend, den Tod erfuhr, ein Wagnis gewesen. Hat vielleicht später eine Korrektur im Koberschen Bericht und im Abkündigungszettel stattgefunden? Vergebens habe ich freilich nach Räten, bei denen etwa die Zusätze oder Verbesserungen angesetzt wären, gesucht. Jedenfalls hat sich schon nach wenigen Jahren der Tag des 17. November durchgesetzt. Denn schon Johann Emmerich (starb 1628) nennt diesen Tag.
Wir fahren in Kobers Bericht weiter fort: Kober nahm, wie Böhme dies gewünscht hatte, sich des Leichnams an. Er hoffte, daß die Geistlichkeit bei der Beerdigung keine Schwierigkeiten machen würde, da Jakob Böhme ja kommuniziert hatte. Aber der Primarius Nikolaus Thomas, an den man am Sonntag, dem 17. November, einen Dukaten schickte mit der Bitte, die Leichenpredigt am Montag zu halten, verweigerte die Annahme des Geldes mit den Worten: „Er täte ihm keine Leichenpredigt, es möchte tun, wer da wollte. Hätte auch verredet, mit ihm zu Grabe zu gehen, denn jedermann wüßte, mit welcher Schwärmerei er diese Stadt und andere Land und Leute befleckt hätte.“ Worauf noch am selben Tag (Sonntag) Michael Kurtz für die Hinterbliebenen eine Bittschrift an den Rar aufsetzte, daß er dafür sorge, die Leiche so bald als möglich zur Erde zu bringen, zumal er sehr verschwollen gewesen und nicht länger zu liegen tauge. Der Rat teilte nun wohl am Montag früh seinen Beschluß vom Sonnabend der Witwe mit, und diese ersuchte nun, hinweisend auf das Ratsdekret, den Primarius, den man nicht übergehen wollte, und den Archidiakonus wiederum um Begleitung und Leichenrede. Auch jetzt erfuhr die Frau eine Abweisung, und so verfaßte für sie sodann am Abend des 18. November der Böhme-Freund Hans Rothe einen neuen Antrag an den Rat, der Dienstag früh eine Maßregel zur Folge hatte, die eine unverdächtige Quelle — es sind nicht die Ratsprotokolle, sondern wahrscheinlich eine private Aufzeichnung eines Ratsmannes — in folgenden Worten wiedergibt: „Es ist Herr Johannes Salomo, Notarius, am 19. November anderweit zu dem Herrn Primario und den Diakonis abgefertigt worden, ihnen zu vermelden, daß sie den verstorbenen Jakob Böhme sine contrsclictione (widerspruchslos) begleiten und weder gemeiner Stadt noch ihnen selbst durch Verweigerung Unheil zuziehen sollten, zumal da der Herr Landvogt solches für gut angesehen und die Verweigerung höchst improbirt (ablehnt).“
Jetzt gehorchte der Archidiakonus Elias Dietrich, ließ sich aber vom Rat, wie es scheint, die beschlossene „Assekuration“ („man wolle ihn vertreten“) schriftlich einhändigen. Der Primarius aber schützte Krankheit vor. Der dritte Geistliche, der Diakonus Andreas Helwig, begab sich, um sich der Verpflichtung zu entziehen, aufs Land, wurde aber „durch das Ratsroß“ hereingeholt. Der unterste Geistliche, der jüngere Gregor Richter, Subdiakonus seit dem 28. August 1624, schloß sich ebenfalls dem Leichenbegängnis an. Inzwischen ließ Kober beim Totengräber das Grab bestellen und „das Volk, welches aufgeschrieben, zum Leichenbegängnis erbitten“. So wurde dann die Leiche am Dienstag, den 19. November, von den jungen Schuhmachern von dem Haus am äußeren Neißetor über die Neißebrücke, die Neißgasse herauf an den Hirschläuben vorbei durch die Peters-, Nikolai- und Bog-Gasse bis an das Friedhofstor, das damals südlich vom Südeingang zur Kirche lag — der Friedhof selbst war auch südlich der Kirche von einer Mauer umgeben — unter dem Geleite der Freunde Böhmes, auch der Schuster und Gerber und sonstiger Bekannter sowie der Schule unter zwei Pulsen (Glockengeläut) getragen. Am Kirchhofstor wichen die zwei Prädikanten, der Diakonus und Subdiakonus, aus dem Zuge aus, nur Magister Elias Dietrich ging mit in die Kirche. Dort wurde zunächst ein Gesang angestimmt, dann trat der Geistliche auf und entschuldigte sich, daß er die Leichenrede halte, er wolle lieber 20 Meilen davon sein. Aber der Rat habe ihn dazu gezwungen. Er verwahre sich, daß er solchem Irrtum, wie der Verstorbene, zugetan sei. Darauf hielt er die Rede über die Worte: „Allen Menschen ist gesetzt einmal zu sterben, danach das Gericht.“ Den Text, um den ihn die Angehörigen gebeten hatten: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens“, schob er beiseite. Die Leidtragenden hatten auch dem Geistlichen zur Kanzelabkündigung einen Zettel eingehändigt, worauf des Verblichenen Lebenslauf und sein gottseliges Ende (Bericht über die schöne Musik und die frommen Sprüche) enthalten waren. In der Kirche aber ließ Dietrich beim Ablesen des Zettels gerade diese ergreifende Schilderung der letzten Stunden Böhmes weg. Die eigentliche Predigt enthält nur Allgemeinheiten. Am Schluß aber kommt er auf Böhmes Beichte und Bekenntnis und Abendmahl zu sprechen.
Dietrich hat es keiner Partei, weder den Gegnern noch den Freunden Böhmes, recht gemacht. Seine Fragen an Böhme vor dem Abendmahl und sein Gebaren vor und bei der Beerdigung haben sofort einen Böhme-Freund, den Advokaten Hans Rothe, zu einer recht beachtenswerten tadelnden Anschrift an Dietrich veranlaßt. Das Verhalten der Görlitzer Geistlichkeit hätte es beinahe dahin gebracht, daß die Leiche in das nahe Leopoldshain gebracht wurde, wo damals Michael Ender von Sercha, Jakob Böhmes Freund, zu gebieten hatte.
Nicolaus Thomas, ein Exulant, stammend aus Schweidnitz, seit 1609 Pfarrer in Rauscha, seit dem 28. August 1624 (s. Ratsprotokolle) Nachfolger Gregor Richters, trat in Beurteilung Jakob Böhmes ganz in die Fußstapfen seines Vorgängers. Das beweist zugleich mit den erwähnten Vorgängen ein lateinisches Gedicht, das er zusammen mit der Leichenpredigt auf Gregor Richter drucken ließ.
Praecipue extremo sathanae de stercore natam
Haeresin egregie contudit ore, stylo,
Haeresin ex imis revocatam faucibus Orci,
Quae reicit verbum, quae negat esse deum.
Namque deum mundi factorem e sulphure factum
Esse metallari Mercurioque refert;
Deinde ministerio verbi vocique docentum
Et sacramentis pondus inesse negat,
Quippe supervacuum divum sine numine cultum,
Quem melius sutor possit obire, putat.
Sexcentas alias blasphemas transeo voces,
Quas vomuit plena fauce prophana cohors.
Hanc pestem ceu claustra Erebi ceu limen Averni
Odisti semper tu, reverende senex;
Et merito odisti. Quis enim non oderit illam,
Qui vere est verae religionis amans?
Ferner richtete er gleich nach der Beisetzung Jakob Böhmes an den Rat einen Brief, worin er, wie es scheint, seine Stellungnahme verteidigte. Der Ratsbeschluß darüber lautet: „23. November 1624. Aus des Herrn Primarii eingegebenes Schreiben ist er durch den Glöckner beschieden, ein ehrbarer Rat wäre anitzo schwach beisammen, soll hinkünftig communi consilio deliberiret (durch gemeinsamen Rechtsbeschluß entschieden) und danach nochmals beantwortet werden. In der Zwischenzeit aber soll er des Schusters Joachim Böhmes weder öffentlich noch privat wie auch gegen seine Herren Kollegen nicht gedenken.“ Wahrscheinlich hatte der Primarius dabei auch einen Zusammenstoß mit dem Archidiakonus Elias Dietrich, und dieser mußte den Vorwurf hören, daß er es bei der Leichenpredigt auf Böhme „nicht ärger gemacht habe“. Sicherlich hängt auch folgender Ratsbeschluß vom 10. Dezember 1624 mit der Sache zusammen: „Herr Salomon, Stadtschreiber, soll dem Ministerio Rats wegen das Invehiren auf der Kanzel verbieten, und soll finitis feriis mit dem ganzen Ministerio ernstliches Examen gehalten werden.“ Die Nachricht Christian Knauthes, daß der Rat nach der Beerdigung Böhmes dessen Söhnen angedeutet habe, keine verdächtigen Hausconvente zu hegen, sondern ein geruhiges und stilles Leben zu führen, paßt ganz gut in diesen Zusammenhang hinein. Elias Dietrich hatte, trotzdem uns sein Verhalten bei der Beichte und Beerdigung nicht gefallen will, doch immerhin eine etwas selbständige Stellung dem Primarius gegenüber eingenommen. Er hatte ja auch schon früher einen heftigen Zusammenstoß mit dem streitbaren Gregor Richter gehabt, derart, daß ein Einschreiten des Rates nötig war. Man liest darüber ein Ratsprotokoll unter dem 1. Juni 1624 Nr. 5: „Wegen Herrn Magister Eliae und des Primarii (Gregor Richters) Streit sollen in der Tresekammer nach der Vesper die Herren Bürgermeister nebst dem Syndiko dem Herrn Primario Vorhaltung tun.“
Leicht hatten es, wie aus den Ratsprotokollen der Zeit hervorgeht, die Stadtväter damals nicht. Und gerade die Sache Jakob Böhmes und die streitbare Geistlichkeit machten vor allem viel Sorge. Der stille Schuster war eine weitbekannte Persönlichkeit geworden, und sein Aufenthalt bei angesehenen schlesischen und lausitzischen einflußreichen Adligen und sein etwa 7-wöchiges Verweilen in Dresden und sein Verkehr dort mit Leuten, die dem kurfürstlichen Hof nahestanden, erforderten Rücksichtnahme. Auf der anderen Seite hatte man auf den Pöbel in Görlitz, den die Geistlichen aufgehetzt hatten, zu achten. Der Ruf der Stadt war in Gefahr. Daher ist auch in den Maßnahmen des Rates ein unsicheres Schwanken ersichtlich. Festumrissene Persönlichkeiten, die kraftvoll und unentwegt ihre Ziele verfolgten, gab es damals im Rat nicht. Die beiden regierenden Bürgermeister 1623-24 und 1624-25 waren Friedrich Schwetke und Wolfgang Stolberger, die kaum irgendwie hervortreten. Auffallend ist gerade in diesen Zeiten des beginnenden 30 jährigen Krieges, daß verschiedene Männer, die noch in Vollkraft ihres Wirkens standen, aus dem Rat schieden. Wir wissen nicht, ob das irgendwie mit der Böhme-Angelegenheit in Verbindung steht. Wir wissen auch nicht, welche Anhänger der Philosoph unter den Stadthäuptern hatte. Wahrscheinlich aber waren es eine ganze Reihe. Johann Emmerich, der dem stillen ruhigen Mann an der Neißebrücke zuneigte, hatte schon 1621 seine Stelle als Schöppe und Bürgermeister aufgekündigt. (Siehe oben Seite 35).
Die Stätte, wo unser berühmter Philosoph ruht, ist glücklicherweise seit 300 Jahren erhalten. Abbildungen des jetzigen Zustandes des Grabes enthält das Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Grab von 1869-1922
Auf Kobers Anregung schickten die schlesischen Anhänger, um das Grab zu bezeichnen und den Toten zu ehren, ein prächtiges in die Augen fallendes Grabkreuz, versehen mit allerhand theosophischen Bildern und frommen Sprüchen. Lange stand es nicht. Der Pöbel bewarf es mit Kot und zerstückte es. Nach einer anderen Überlieferung hat es sogar nur ein paar Stunden das Grab geziert und ist dann abgesägt und verschleppt worden. Im Jahre 1676 war die Ruhestätte einer Nachricht zufolge ohne besonderes Zeichen und bloß einige große Steinbrocken darauf, die der Totengräber dorthin gelegt hatte, um die Stelle den vielen Besuchern zeigen zu können. 1716 ragte ein schwarzgrauer Stein hervor, auch war ein rund gedrehtes hölzernes Säulchen eingesteckt. Gegen 1800 kam auf Veranlassung des Gründers der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften Dr. Karl Gottlob von Anton eine kleine Steinplatte mit Aufschrift auf die Stelle. Sie ist jetzt noch erhalten. Im September 1869 stellte die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften einen wuchtigen granitenen Gedenkstein dort auf, gleichsam als Vorfeier zu dem Fest, das sie 1875 zu dem 300 jährigen Geburtstag des großen Oberlausitzers abhielt. Endlich haben im Jahre 1922 die zwei Amerikaner Mr. Richard A. Beale und Miss Contryman die geweihte Stelle mit einer großen Granitplatte mit Aufschrift und mystischer Zeichnung überdecken und im Osten mit einer Sitzbank schmücken lassen. Seit alter Zeit ist die Stelle das Ziel vieler Fremden und Verehrer des Philosophus Teutonicus. Man nahm dann auch wohl ein Andenken (ein Häuflein Erde oder einen Grashalm) mit weg. Dorothea Sophia (1659-1725), geb. Gehler, die Frau des bekannten Bürgermeisters Samuel Knorr von Rosenroth (starb 1720), soll der Stelle göttliche Ehre erwiesen haben und deshalb mit der Kirche in Streit gekommen sein. Eine wunder- und rührsame Geschichte von Jakob Böhmes Grab ist 1837 abgedruckt (im Görlitzer Wegweiser Nr. 152).
Grab ab 1924
Ich gebe jetzt Lebensnachrichten über einige Anhänger Böhmes in Görlitz und Umgebung.
Dr. Tobias Kober war Böhmes liebster Freund und treusorgender Arzt, der vornehmlich auch ihm die Grabstelle verschaffte und bereitete. Entsprossen einer alten Görlitzer Familie, die bis gegen 1800 in Görlitz blühte, war er der Sohn Thomas Kobers und seiner Frau Helena Neumann und geboren am 15. Mai 1587. Sein Vater besaß 1606-1608 das jetzt der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gehörige Haus Neißestraße 30. Tobias besuchte das Görlitzer Gymnasium, wo er sich bis 1604 nachweisen läßt. 1612 promovierte er in Basel. Darauf kehrte er nach Görlitz zurück und heiratete am 22. April 1613 die Marie geb. Beier (1588-1640), die seit dem 9. Oktober 1606 als Frau eines Benedikt Schmied, Witwe geworden war und ihm das Haus Krebsgasse 3 (Hypothekennummer 295) zubrachte. Ein Bild der jetzigen Krebsgasse bringt das Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz. Tobias Kober übte in seiner Vaterstadt die ärztliche Praxis aus und ging mit Jakob Böhme freundschaftlich um. Als Paracelsist, so wird glaubhaft überliefert, übte er auf den grüblerischen Schuhmacher einen großen Einfluß aus. Er beschäftigte auch die Witwe Jakob Böhmes als Krankenwärterin (s. oben S. 19), nahm auch den jüngsten Sohn Böhmes, Elias, in sein Haus auf. Von dem großen Unglück, das über die Familie Kober grauenerregend Ende Oktober und im November 1625 hereinbrach, erzählen die Chroniken: Es stürben an der Pest Herrn Kobers zwei Söhne, einer früh, der andere abends, und sind am 31. Oktober beide miteinander zu Grabe getragen, und die Eltern durften nicht mit zu Grabe gehen. Den 10. November starb auch ein Knabe eines Schusters — gemeint ist Jakob Böhmes Sohn Elias (s. oben S. 18) — zwischen den Toren, so bei Dr. Kober war. Und als Dr. Kober merkte, daß die Seuche zunehmen wollte, zog er selbige Nacht mit Vergünstigung des Rates mit all den Seinigen auf die Viehweide ins Schützenhaus, ward auch überfallen und starb den 16. November. Darauf wurde er den 17. November zu Nacht auf den Frauenkirchhof von den Totengräbern hingetragen. Seine Frau starb im Juni 1640, 52 Jahre alt, und wurde neben ihm beigesetzt. Nach dem Testamentbuch 1619 Blatt 346b ff. war Tobias ein wohlhabender Mann.
Seine Frau Marie verheiratete sich zum dritten Mal gegen das Jahr 1630 mit Johann Rothe. Auch er ist ein Freund und Anhänger Jakob Böhmes. Vielleicht ist er der Johannes Rothe, der 1599 im Sommer in Leipzig immatrikuliert wurde. Er war Jurist und comes palatinus, wurde von dem berühmten Leipziger Medicus Michel als „sonderbarer Alchimist und Adeptus“ bezeichnet, schrieb Handschriften Böhmes ab, erwarb auch solche aus dem Nachlaß von Karl und Michael Ender. Gleich nach dem Tod Böhmes verfaßte er für die Erben ein Schreiben an den Rat und ein höchst fesselndes Sendschreiben an den Archidiakonus Magister Elias Dietrich. Er kannte Tauler und Johann Arndt, und durch ihn wird Jakob Böhme die Kenntnis mancher früheren Theosophen erhalten haben. Er starb 1640. Aus seinem oder seines gleichnamigen Sohnes Johann Rothe von Baumgarten auf Pfaffendorf an der Landeskrone (gestorben 1672) Nachlaß kamen dann viele Handschriften Böhmes nach Holland.
Michael Curtius wird in den letzten Tagen Böhmes von Dr. Tobias Kober gebeten, für den Todkranken mit zu sorgen, welcher sich ganz willig erboten und ihm Tag und Nacht mit Einhebung seines Leibes, mit Heben und Wenden treulich beigewohnt, so daß Böhme sagte: „Herr Michael tut mir viel Gutes, hilft mir Gott ein wenig auf, dann will ich ihn nicht lassen, sondern fördern, wo ich weiß und kann.“ Er findet bei Kober großes Lob, daß er die profectus sacros (Ergebung zum Heiligen) in kurzem durch göttliche Verleihung erlangt. Er liefe wohl eher durchs Feuer, ehe er die erkannte Wahrheit mit Heuchelei spicken würde. Michael Curtius war der Sohn des Ratsdieners Christoph Kurtze. Er nahm 1608 als pauper am Gregoriusfest des Gymnasiums teil, saß 1612 in Tertia, 1615 in Sekunda, 1620 in Prima. Im Sommer 1617, also eher als er zur Universität ging, wurde er in die Frankfurter Immatrikulationsliste eingetragen. Am 29. April 1621 erhielt er als abiturus ein Stipendium von 6 Talern, am 28. September 1621 eins von 10 Schock. Am Tage nach Jakob Böhmes Tod setzte er ein Schreiben für die Hinterbliebenen an den Rat auf. Er verfaßte auch ein „der Kunst nach gar nettes lateinisches Gedicht“ (Lebenslauf 1682 S. 97). Knauthe nennt ihn medicinae candidatus und practicus. Er habe sich am meisten mit bemüht, alle Schriften, so auch alle Papiere von Böhme aufzusuchen, zu sammeln und zu erhalten. Sein Symbol sei gewesen: Christus sanat verbis, medici vero herbis (Christus heilt mit Worten, aber Ärzte mit Kräutern). Sein Sohn, ein Buchbinder in Görlitz, habe diese Bohemistika geerbt und durch Hegenicht für viel Geld nach Holland gebracht und sei dadurch ein wohlhabender Mann geworden.
Martin Möller erhielt Ende Mai 1624 von Jakob Böhme einen Gruß aus Dresden. Unrichtig ist, daß er im Rat gesessen habe. Er ist vielleicht der Sohn des Primarius (1600-1606) Martin Möller und der spätere Prorektor und Rektor des Gymnasiums (starb 1649) und hat von seinem Vater her die Liebe zum inneren Christentum und damit die Neigung zu Jakob Böhme geerbt. Jedenfalls muß er nach dem Titel Herr, den ihm Jakob Böhme gibt, gehobenen Standes gewesen sein. Es gab damals auch neben anderen Martin Möller einen Administrator molarum (starb 1628).
Friedrich Rehnisch, Sohn eines Ratsdieners zu Görlitz, nahm 1601 am Gregoriusfest teil, saß 1613 in der Prima, 1614 wurde er in Leipzig immatrikuliert, 1619 am 9. November erhielt er vom Görlitzer Rat ein Stipendium von 10 Talern, 1622 trat er als unterster Collega am Gymnasium ein und starb am 8. Oktober 1632 an der Pest. Im April 1624 weilte er bei Hans Siegismund von Schweinichen auf Schweinhaus. Als Böhme nach Dresden ging, gab Rehnisch ihm ein Schreiben mit, das er befürwortend bei der Regierung einreichen möge.
Bartholomäus Scultetus (1540-1614) war Bürgermeister als Böhme wegen seiner Aurora im Juli 1613 zum Verhör auf das Rathaus geboten wurde. Über den Astronomen, Astrologen, Mathematiker, Kalenderschreiber, Kartographen und Geschichtsforscher Scultetus ist in den letzten Jahrzehnten viel und gründlich geforscht worden. Scultetus ist ein hausbackener, nüchterner Mann, welcher zunächst wenig Verwandtschaft mit dem Wesen Böhmes hat. Und doch gehört er hierher, weil seine Wissenschaft ihn zu Paracelsus hinzog und sich Böhme doch auch in vielen Stücken auf Paracelsus gründete. Wären die Kalendaria und Diaria (Tagebücher) Scultets aus den Jahren 1595 bis 1614 noch vollständig erhalten, so könnte es schon möglich sein, daß wir auch über Jakob Böhme noch Einzelheiten erfahren hätten. Scultet war 1612 und 1613 als 72 jähriger Mann wohl zu alt, um sich in die Geheimnisse der Aurora hineinzulesen, und als Verwaltungsmann dachte er nur daran, wie Böhmes angebliches Abweichen von der kirchlichen Lehre die Gemeinde in Gefahren stürzen könne. Was ich hier neu von Scultet in dieser Schrift geben kann, ist die Tatsache, daß er 1564-67 in Görlitz wichtige Handschriften des Paracelsus abschrieb. Das Manuskript ist in Görlitz auf der Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften erhalten und wird hier zum ersten Mal den vielen anderen Handschriften der hochverdienten Mannes beigefügt. Sudhoff, der Forscher über Paracelsus, hat die Handschrift zwar gekannt, konnte aber natürlich ihren Schreiber nicht festlegen, was von einem Forscher der Görlitzer Geschichte auf einen Blick hin in das Werk geschehen konnte. Scultet hat ja auch eine Abhandlung des gelehrten Arztes Paracelsus mit Hinzufügung eigener Bemerkungen 1575 bei Peter Perna in Basel herausgegeben, desgleichen 1579 die Tabula Paracelsi de peste. Auch die Kabbala studierte Scultet und hielt mit Anhängern des Paracelsus und mit Liebhabern von Geheimlehren schriftlich und mündlich lebhaften Verkehr. So lud ihn z.B. der Herzog August von Anhalt, der sich viel mit Alchemie beschäftigte, als er am 28. September 1611 auf seiner Reise nach Görlitz kam, zu Gaste ein.
Karl Ender von Sercha wohnte zu Leopoldshain, einem Dorf, eine Stunde östlich der Stadt Görlitz gelegen. Sein Vater Michael (starb 1592) hatte Sercha 1568 gekauft. Er besaß auch schon Leopoldshain. Während nun durch eine Tochter, verheiratet an Johann Glich von Milzitz, Sercha aus den Händen der Familie kam, fiel ganz Leopoldshain teils durch Erbschaft, teils durch Kauf an Karl Ender. Karl hatte das Görlitzer Gymnasium besucht — 1586 saß er in Tertia, 1595 in Prima — und die Universität Frankfurt seit 1595 und wahrscheinlich auch andere Hochschulen bezogen und war viel gereist. Dann nahm er in Leopoldshain seinen Sitz, wo er 1612 oder 1613 die Aurora abschrieb. Wie seine Vorfahren und Verwandten war er ein innerlich veranlagter, frommer, dabei freundlicher und fein gebildeter Mann und ein Freund der Wissenschaften. Hochangesehen, hatte er die Würde eines Rats Erzherzogs Maximilian zu Österreich. Beim Görlitzer Rat war er einflußreich derart, daß Böhme 1619 ihm zutraute, er könne wohl die Aurora aus dem Deposito auf dem Rathaus herausbringen. Er starb, nachdem er Leopoldshain zum Majorate gemacht hatte, daselbst am 11. Juli 1624. Er war wohl der erste vornehme Gönner Böhmes und früh mit ihm bekannt. Durch seine Abschrift verbreitete sich die Aurora allenthalben. Auch sonst besaß er wohl alle Werke Böhmes in Abschrift. Böhme weilte öfter bei ihm und fand von ihm Unterstützung.
Sein jüngerer Bruder, Michael Ender von Sercha (1590-1637) wurde Karls Besitznachfolger in Leopoldshain. Früher hielt er sich in Hirschberg und Liegnitz auf. Er ist ebenfalls ein treuer Anhänger Böhmes und für dessen Beziehungen nach Schlesien hinein deshalb wichtig, weil der Vater oder Bruder seiner Frau Catharina, geb. Koschwitz aus Striegau, Dr. Johann Daniel Koschwitz in Striegau war, an den Böhme das 15. und 19. Sendschreiben richtete. Michael Ender schrieb eigenhändig die „Signatura rerum“ Böhmes ab. Das Schloß Nieder-Leopoldshain, das die beiden Brüder Ender bewohnten, ist im wesentlichen von dem Vater Michael erbaut, mag aber noch ältere Bestandteile haben. Trotz aller baulichen Veränderungen zeigt es jetzt noch ein altes Gepräge. Eine Abbildung des jetzigen Schlosses bringt das Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Schloß Nieder-Leopoldshain 1924
Kaspar von Fürstenau, geboren 1572, gestorben 1649, Sohn des gleichnamigen Kaspar von Fürstenau (starb 1590), besuchte das Gymnasium zu Görlitz, wo er in Quarta, Sekunda (1590) und Prima nachweisbar ist, wurde 1592 in Leipzig immatrikuliert, studierte 1594 in Heidelberg, dann in Genf, machte große Reisen durch die Schweiz, Italien, Portugal und kehrte erst 1601 zurück. 1612 war er bei der Kaiserwahl in Frankfurt a. M. Er wurde Landesältester des Görlitzer Kreises und als solcher als Gesandter 1622 nach Wien geschickt. Seine Reisen setzte er auch in späteren Jahren fort. Er erbte Lissa, Zodel, einen Teil von Sohra, Klingewalde, erwarb Oberneundorf, Gruna, das (väterliche) Döbschütz, Biesig, Dittmannsdorf und war einer der reichsten Grundbesitzer damals in der Oberlausitz. Er neigte zur Chymie, wie sich dann noch bis ins 18. Jahrhundert von ihm ein Laboratorium in Döbschütz (genannt das Feuergewölbe) erhielt. Als Kaspar, wohl im Frühjahr 1623, mit Böhme und seinen Schriften bekannt wurde, „berührte ihn Gott mit einem mächtigen Strahl seiner Gnade und zerschellte ihm Seele und Geist“, ähnlich wie es früher dem schlesischen Adligen Johann Siegismund von Schweinichen erging. Damals veranlaßte er auch seinen Pastor in Zodel — es war Caspar Röthel — ein Werk Böhmes abzuschreiben. 1638 kam der candidatus medicinae Heinrich Prunius, der die Frankenbergsche Lebensbeschreibung Böhmes aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt hat, auf Caspars von Fürstenau Gut Lissa nördlich von Görlitz und hielt sich fast einen ganzen Winter hindurch bei guten Freunden auf, welche noch mit Jakob Böhme persönlich verkehrt hatten. Hier bekam er einen ziemlichen Teil der Schriften Böhmes in seine Hand. Der Verwalter des von Fürstenauschen Rittergutes Lissa, Augustin Köppe, gehörte ebenfalls zu Böhmes Freunden, las seine Schriften und schrieb sie ab. An Köppe schrieb Böhme die zwei Sendschreiben 65 und 66.
Johann Hartig (1573-1632), mit dem Jakob Böhme 1624 Anfang Mai eine Zusammenkunft in Zittau hatte, war ein Zittauer Kind, besuchte die Universität Basel, studierte Medizin und war fürstlich Anhalt-Liegnitz- und Briegscher Rat und Leibmedicus. Sein Schwiegervater war der Kaiserliche Leibarzt und Chemiker Johann Montanus in Striegau. Hartig ist der Stammvater der noch jetzt blühenden Grafen von Hartig.
Ehrenfried Hegenicht (1604-1680) aus Görlitz, ein hochgelehrter Mann und Mitglied des Rates, hat zwar Böhme nicht gekannt, weil er zu derselben Zeit, da Böhme mit Bücherschreiben zuerst ruchbar geworden, noch etwas jung, und als später der Theosoph zum Anfang der zwanziger Jahre bekannter wurde, meist abwesend von Görlitz war. Er ist aber im Jahr 1624 bald nach Böhmes Tode mit etlichen seiner (Böhmes) vornehmsten Freunde und Liebhaber, welche viel und lange Zeit mit ihm umgegangen waren, in Bekanntschaft geraten und schrieb daraufhin, freilich erst 1669, seinen wichtigen Bericht (siehe „E. Hegenicht: Über die Quelle von Wissen und Weisheit“). Er war ein in allen Wissenschaften wohl „versierter“ Mann, der als adliger Ephorus zwei- oder dreimal durch Preußen, Dänemark, Frankreich, Holland und Italien in den Jahren 1633-1658 reiste und auch den weltbekannten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus gefördert haben soll. Zurückgekehrt, wurde er 1658-1664 Ratsmann, 1665-1680 Schöppe, und 1677 Bürgermeister seiner Vaterstadt. Als Görlitzer Richter hat er 1675-1676 die Gerichtsverhandlungen mit selten schöner Hand niedergeschrieben (zu finden im Ratsarchiv). Sobald er einen festen Wohnsitz genommen hatte, heiratete er eine wohlhabende Witwe, die Frau Anna Christoff Scholzin, und erhielt durch sie einen Gast- und Brauhof auf dem Obermarkt, jetzt Obermarkt 23, Hypothekennummer 125. Das Haus kam nach dem Tod der Witwe Hegenichts an Carl Emmerich (†1718), eines Nachkommen des Stiefbruders Georg Emmerichs Namens Wenzel. Die Emmerichschen Erben verkauften es 1780 an Joh. Nicolaus Rau. 1803 sind Besitzer Joh. Christoph Kurtzes Erben, 1811 Johann Gottlieb Schönfelder, 1820 Abraham Knothe, 1833, wo es den Namen „Zur Stadt Berlin" trägt, Karl Immanuel Thieme, 1848 James Schmidt, 1869 Alfr. Theod. Schmidt, 1880 Hermann Strecke, 1919 R. Helbig. Hegenicht verkehrte und schrieb sich mit Abraham von Frankenberg und spielte in der Geschichte der Böhmschen Schriften eine Rolle.
Über den Schlesier Dr. Balthasar Walther kann ich etwas Neues bringen, was ich in den Görlitzer Archivalien gefunden habe. Viermal, so ist in dem Diariuni (Tagebuch) Scultets unter den betreffenden Tagen zu finden, war Walther 1587 und 1588 in Görlitz, nämlich am 19. Juli 1587 und am 19. Februar, 1. August und 26. Dezember 1588. Allemal kam er mit dem berühmten Scultetus zusammen. Dreimal heißt er Liegniciensis, so daß sich wohl als seine Geburtsstätte Liegnitz ergäbe. Allerdings stimmt damit nicht, wenn er — freilich ist dabei ein Namensvetter nicht ausgeschlossen — in der Frankfurter Universitätsmatrikel — 1580 als Fraustadensis bezeichnet ist. Frankenberg bezeichnet ihn in seinem Bericht (§17) als von Groß-Glogau. 1587 kam er durch Görlitz aus dem Herzogtum Anhalt. Seine viel erwähnte Reise nach dem Orient unternahm er 1597-1599. Denn in derselben Quelle des Diariums Scultets stand zu lesen: „Den 10. August 1599 kam Balthasar Walther, der seit 1597 von Polen aus durch die Wallachei, Griechenland, Asien, Syrien, Ägypten und das Mittelländische Meer gewandert, in der Schwiegermutter Badegärtlein und legte seine mitgebrachten Sachen aus. Ich (Scultet) empfing 1. ein Kreuz vom Ölbaum mit eingelegtem Heiligtum geschnitzt, 2. zwei Paternoster, eins de terra Adami de Damasco schwarz, das andere von Ölbaumholz ex monte Oliveti, 3. Johannisbrot aus der Wüste Bethabarae, 4. Samen der Baumwolle von der Insel Cypern.“ Am Michaelistag desselben Jahres widmete Balthasar Walther dem Scultet und einem anderen gelehrten und vornehmen Mitglied des Rates, dem Sebastian Hoffmann aus Hennersdorf, eine Lebensbeschreibung des wallachischen Fürsten Michael, die in lateinischer Sprache verfaßt, bei Rhambau in Görlitz erschienen ist. Es kann nach alledem gar nicht davon die Rede sein, daß Walther unmittelbar nach der Reise nach dem Orient, wo er die Geheimnisse der Philosophie und Klarheit über die tiefsten Probleme über Gott und die Welt suchte, mit Jakob Böhme bekannt geworden sei. Denn Böhme führte damals in seinem Häuslein an der Prager Straße ein ganz unbekanntes und stilles Leben. Später aber, nachdem Walther die Aurora gelesen — das können wir dem Frankenbergschen Bericht schon glauben — hat er bei dem Schuster in seinem neuen Haus an der Neißebrücke drei Monate gelebt und viele geheime und vertraute Gespräche mit ihm gepflogen. Auch ist er es gewesen, der unserem Böhme den ehrenden Beinamen „Philosophus Teutonicus“ gegeben hat. Wir erfahren ferner, daß Walther den Zolleinnehmer in Sagan, Christian Bernhard, den Böhme sehr schätzte, 1617 mit ihm bekannt gemacht hat, daß er ferner als Vorgänger Benedikt Hinckelmanns in Dresden als Hofchymiker gewirkt und sich in ähnlicher Weise beim Herzog August in Anhalt zu Plötzkau und beim Grafen von Gleichen bei Erfurt betätigt hat. Auch ein Aufenthalt in Lüneburg und Lübeck läßt sich erweisen. Der viel umhergetriebene, rastlose Mann, der überall als Anhänger des Paracelsus und als Arzt und schwärmerischer Theosoph Aufdeckung der tiefsten Geheimnisse suchte, ist schließlich in Paris gestorben. Er muß etwa 10 Jahre älter als Böhme gewesen sein.
Über die übrigen auswärtigen Anhänger und Bekannten Böhmes verweise ich auf andere Schriften.
Die handschriftliche Überlieferung der Werke Jakob Böhmes ist ganz eigenartig. Zu des Verfassers Lebzeiten wurde 1624 nur ein Büchlein gedruckt: „Der Weg zu Christo“ Und dieser Druck, weil hinter seinem Rücken durch Hans Siegismund von Schweinichen herausgegeben, ist vom Autor nicht überwacht. Trotzdem waren die Schriften Böhmes schon vorher durch Abschriften weit verbreitet. Sobald nämlich Böhme eines seiner Werke oder auch nur einen Teil davon fertig geschrieben hatte, begann eine Art Wettlauf, es zur Abschrift zu bekommen. In Görlitz schrieben fleißig ab Dr. Tobias Kober, Johann Rothe und Michael Kurtz. In Leopoldshain nahmen Karl von Ender, in Döbschütz oder Lissa Caspar von Fürstenau die Feder dazu selbst in die Hand oder ließen andere für sich abschreiben, ebenso Michael Ender. Zu Sagan war der Busenfreund Böhmes, Christian Bernhard, in Schweinhaus Herr Siegismund von Schweinichen und andere anderswo damit beschäftigt. Von diesen Abschriften nahm man nun wieder Abschriften und so fort, so daß in kurzem die nach Theosophie und Mystik sich sehnenden Geister in den Lausitzen, in Schlesien, in der Mark und Sachsen damit versehen waren. Auch im Norden Deutschlands verbreiteten sich die Handschriften. Schon die Aurora, deren Urschrift bis zum 26. November 1641 auf dem Rathaus zu Görlitz lag, war auf diese Weise sogar durch Gregor Richter, der damit Böhme als Antichrist und Ketzer erweisen wollte, bekannt geworden. Böhme sah die Aurora zwar während drei Jahre nicht mehr, dann aber kamen ihm nicht weniger als 4 Abschriften zu Gesicht, die man ihm zur Durchsicht mit der Frage, ob sie wortgetreu seien, zuschickte. Bevor also der fleißige Druck der Schriften Böhmes, vornehmlich in Holland, begann, gab es ungezählte handschriftliche Exemplare, die meisten natürlich in Görlitz und Niederschlesien. Als man nun in Holland daranging, in einer großartigen Druckarbeit, die in der schönen Ausgabe Gichtels 1682 ihren Höhepunkt fand, die Werke des Vergötterten durch die Presse zu vervielfältigen, da suchte man möglichst die Urschriften und auch die Abschriften in die Hände zu bekommen. Die reichen Holländer, Liebhaber, Verleger und Drucker reisten nun selbst oder schickten ihre Beauftragten nach den Stätten, wo sie Handschriften vermuteten. Diese ließen sich schenken oder kauften auf, was sie nur irgend von Böhmschen Manuskripten erhalten konnten. So ist auf diese Weise unser Görlitz und Umgebung sowie Niederschlesien fast ganz von Handschriften Böhmes entblößt worden. In Breslau, wohin doch als Mittelpunkt Schlesiens sonst viele Manuskripte aus der Provinz zusammengebracht wurden, gibt es jetzt nur ein paar Abschriften aus dem späteren 17. Jahrhundert. Das reiche Schaffgotsch'sche Archiv in Hermsdorf u. Kynast und die Bibliothek in Warmbrunn sowie die Fürstensteinsche Bibliothek besitzen nichts. Auch auf den Landsitzen um Görlitz hat sich nichts mehr vorgefunden. In Görlitz selbst ist nur eine Abschrift vorhanden (s. unten S. 66).
Die Handschrift Böhmes war bis 1730 genugsam bekannt und ihre Eigenart gegenüber den Abschriften sicher festgelegt. In späterer Zeit ist, soviel ich weiß, diese Kenntnis verschwunden. Das hängt auch damit zusammen, daß die vielen Urschriften und Abschriften, die man noch 1730 in Holland bei der Ausgabe benutzen konnte, bis jetzt verschwunden sind. Fechner erzählt, es hätten auf seine Bitte von Leyden und Gravenhaag Nachforschungen ohne Erfolg stattgefunden, auch hat mir die Akademie der Wissenschaften in Amsterdam geschrieben, daß in Holland nichts mehr von diesen Handschriften vorhanden sei. Der größte Vorrat von Handschriften Böhmes in Deutschland liegt wohl in der Landesbibliothek in Wolfenbüttel, die über Helmstedt vornehmlich durch Ankauf des Benedikt Hinckelmannschen Nachlasses aus Dresden in den Besitz kam. Daß aber unter diesen Stücken, die ich sämtlich prüfte, wirklich Urschriften Böhmes sind, davon konnte ich mich nicht überzeugen. Ein guter Teil dieser Handschriften stammt von einer Hand, die wohl gleichzeitig mit Jakob Böhme ist und die sich dadurch kennzeichnet, daß die Zeilen nicht in gerader Linie laufen, sondern gegen die Mitte hin etwas nach oben biegen. Zu dieser Art gehört auch die Abbildung, die Dr. Könnecke, Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Literatur, 2. Aufl., Marburg, 1895, S. 167 aus der Wolfenbütteler Handschrift 796,2 bringt (von dem Werk erscheint in nächster Zeit eine neue erweiterte Ausgabe). Es ist die Überschrift vom heiligen Gebet (Ausgabe 1715 Sp. 3547). Unter dem hier befindlichen Text steht nach den Worten „durch Jakob Böhme von Görlitz“ mit anderer Tinte und anderer Handführung: „In Dresden bei mir B. Hinckelman“ Ganz anders ist die Führung in einem Brief Jakob Böhmes in der Dokumentensammlung Darmstadt auf der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Ob in diesem (inhaltlich belanglosen) Brief, der ohne Zeit und Ort ist und bis jetzt, soviel ich weiß, nicht gedruckt wurde, eine Urschrift vorliegt, kann zunächst nicht ausgemacht werden. Im Besitz von Dr. Tobias in Stettin sind zwei Stücke Böhmes, die wohl beide als Abschriften anzusprechen sind. So ist es auch mit einer Prinzipientafel des Makrokosmos mit verkürztem Text und der Datierung des 27. Dezember 1623 in der Autographensammlung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz (Fechner, N. Lausitz. Magazin 33 S. 319 Anm. 1 behauptet ohne jede Begründung ihre Eigenschaft als Urschrift). Siehe die beigegebenen Faksimilia und ebendie in dem Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Aus der Görlitzer Schuhmacherlade
Aus dem Darmstädter Archiv
Aus der Wolfenbüttler Bibliothek
Jakob Böhme ist ja vielfach vor Gericht tätig gewesen. Man könnte also wohl meinen, daß in Görlitz oder Alt-Seidenberg wenigstens eine Quittung oder eine Unterschrift vorhanden sei: Leider aber ist zu sagen, daß damals solcherlei persönliche Bekundungen nur durch den Gerichtsschreiber amtlich in die Stadt- und Dorfschöppenbücher eingetragen wurden und die eigenhändigen Unterschriften der Parteien fehlen.
Nun habe ich natürlich bei meinen Jakob Böhme-Forschungen die Schuhmacherlade in Görlitz durchsucht, zunächst vergeblich, wie andere Forscher vor mir. Da geriet ich aber auf eine Niederschrift, die für unsere Frage von höchstem Wert sein kann. Es gibt dort nämlich, wie oben S. 23 berührt ist, ein Schriftstück, das nicht theosophischen Inhalts ist, sondern einen Streit der Schuster und Gerber, in den unser Jakob aufs engste verflochten war, behandelt. Die Schrift aber und auch der Inhalt führt darauf, daß wir einen gewöhnlichen Schuhmacher als Verfasser und Niederschreiber kaum annehmen können. Die Schrift zeigt eine ausgeprägte Hand des ausgehenden 16. Jahrhunderts und beweist, daß wir einen im Schreiben geübten Mann annehmen müssen. Das Wortspiel und die Worte: „Am 25. Augusti half Gott, der rechte Augustus, daß die Rotgerber mit Schanden ihren hochweisen übernatürlichen… Abschied wieder einantworten mußten.“ klingt ganz nach Jakob Böhme, wenn ich auch leider bis jetzt ein gleiches Wortspiel in den umfangreichen theosophischen Schriften Böhmes nicht habe nachweisen können. Gelänge es nun, eine Handschrift Böhmes theosophischen Inhalts zu finden, deren Schriftführung sich mit der in der Schusterlade deckte, so wäre die Urschrift gefunden. Ich gebe daher neben anderen Photographien vermeintlich echter Böhmscher Handschriften auch diese Niederschrift aus der Innungslade in Faksimile. Dieselben Abbildungen finden sich auch in dem Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz.
Die Frage nach der Urschrift Böhmes ist natürlich bei der Bedeutung des Mannes an und für sich wichtig, hervorragend wichtig aber wird sie bei einer neuen Herausgabe der Jakob Böhmschen Werke. Diese Herausgabe ist für das Studium der Philosophie Böhmes unumgänglich nötig und ist auch eine Ehrenpflicht, die wir Deutsche dem größten Mystiker Deutschlands gegenüber zu erfüllen haben. Die neueste Gesamtausgabe — von den Einzelausgaben spreche ich hier nicht — von K. W. Schiebler von 1830 (1831) bis 1847 in 7 Bänden 8° — der erste Band ist 1860 in zweiter Auflage erschienen und 1922 sind alle Bände ohne Änderung wieder abgedruckt — ist geradezu ein Rückschritt. Sie ermangelt der wichtigen biographischen Schriften über Böhme und jedes Hinweises auf die textliche Überlieferung. Über die drei Ausgaben von 1682, 1715 und 1730 siehe oben S. 8 Anm. 1. Dringend Not ist auch ein ausgiebiges Sach- und Wortregister. Die Register in der Gichtelschen Ausgabe von 1682, in der schön gedruckten von 1715 (Theosophia revelata) und auch in der von 1730 sind, was die Philosophie betrifft, keineswegs vollständig. Gänzlich aber versagen sie für die deutsche Ausdrucksform. Und doch muß diese näher untersucht werden, denn auch die sprachliche Kraft und Neubildung Böhmes ist groß und erwartet die Würdigung des Fachmannes. So würde die zu erhoffende neue wissenschaftliche Ausgabe nicht bloß dem Forscher auf philosophischem Gebiet, sondern auch dem Germanisten eine merkliche Stütze bei seinen Forschungen sein.
(Für weitere Informationen siehe auch: Die Odyssee der Böhme-Handschriften von Frank Ferstl.)
Von vornherein ist zu betonen, daß es ein gleichzeitiges (zeitgenössisches) Bild nicht gibt. Was wir haben, gehört alles einer späteren Zeit an und, soviel bekannt, erst einer Zeit von reichlich 50 Jahren nach dem Tod des Philosophen.
Das erste, „von Nicolaus Häublin laut eigenem Geständnis nach Gutdünken mit künstlerischer Hand auf Kupfer gebracht“, ist mit mystischen Figuren rundherum geziert. Der in die Mitte gezeichnete Böhme (Brustbild) hat die Hände über die Brust gekreuzt. Eine weitläufige Beschreibung der mystischen Figuren ist in den Unschuldigen Nachrichten (Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen) 1724 S. 531-543 gegeben, wo auch im 2., 3. und 4. Beitrag das Gesamtbild in 3 Teilen in einem neuen Stich von Brühl beigefügt ist.
Häublin ist wohl der Besteller gewesen, denn unten rechts auf dem Bild steht „Lucinas (Lucinnos) a Lhibenau 1673 (1675) invenit, Desid. Stierhort von Leiden (Leuden) delineavit, N. van Werd fecit, Allardus Wekker excudit Amsteld. 1677“. Allerdings besagt die Ausgabe von 1730 (Leben Böhmes) S. 74, daß derselbe Häublin der „Erfinder“ von demjenigen Bildnis sei, welches dem „Mysterium Magnum“ in der Ausgabe von 1678 in 8° vorgesetzt ist, und daß nach diesem Bild das der einen Seite der Medaille auf Böhme 1707 von Morell gefertigt sei. Diese Medaille hat auf der anderen Seite folgende Aufschrift:
Natus / AN. MDLXXV. / prope Gorlicium / Hinc sutrinae admotus / divina revelatione / sese admonitum / eaque A.MDC et MDCX repetita / divinarum naturaliumque / rerum notitia se / imbutum credens / varios libros theosophicos / et chymicos , scripsit / a Gorlicensibus frustra / ad desistendum coactus / aliis charissimus in / consistorio Dresdensi / A.MDCXXIV mense Jul. / auditus et in pace dimissus / Ob. eod. an. XVIII. / Nov. / (Nov. ist von den Buchstaben C. W. umrahmt).
Noch im 17. Jahrhundert mögen einige wohl voneinander abhängige Brustbilder entstanden sein. Das eine mit lateinischer Unterschrift entspricht wohl am meisten der Beschreibung von Frankenbergs §27: „Jakob Böhmes äußerliche Leibesgestalt war verfallen und von schlechtem Aussehen, kleiner Statur, niedriger Stirne, erhobener Schläfe, etwas gekrümmter Nasen, grau und fast himmelblaulich glänzender Augen, sonst wie die Fenster am Tempel Salomonis, kurz-dünnen Bartes.“ Auf einem anderen Bild, das dem eben erwähnten nachgebildet ist, stehen Name und Geburtstag usw. um das Bild, und als Unterschrift liest man: „Im Wasser lebt der Fisch, die Pflanze in der Erde, der Vogel in der Luft, die Sonne am Firmament, der Salamander muß im Feuer erhalten werden: Und Gottes Herz ist Jakob Böhmes Element. Johann Angelus.“
Die Ausgabe von 1715 erwähnt noch ein Bild mit der Unterschrift: „Wenn Paulus Juden fischt usw.“ Dieselbe Ausgabe zeigt einen prächtigen Stich von Gunst mit Namen und Lebensdaten um das Bild und einer Unterschrift. Dieses Brustbild ist, „ohne Ansehung der Kosten von eines guten Künstlers Hand nach einer beglaubigten gar alten Schilderei gar eigentlich nachgemacht worden“. Die Ausgabe von 1730 (Leben Böhmes) S. 73 will freilich diese beglaubigte gar alte Schilderei nicht gelten lassen. Sie selbst bringt ein Bild mit der Unterschrift: „Dies ist der Schatten nur von dem Gefäß der Ehren, / dem Gott vertrauet hat das Zentrum der Natur. / Wer mit ihm treffen will die rechte Lebensspur, / muß durch des Feuers Angst den Engel ausgebären.“
In das Exemplar der Ausgabe von 1730 (Leben Böhmes) auf der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften ist eine Zeichnung vorn eingeklebt, die sichtlich dem Mittelbilde der Zeichnung von 1675 nachgestochen ist.
Auf dem Rathaus zu Görlitz hängt ein Brustbild, gemalt von Stähelin „aus St. Gallen 1874, wohnt in St. Blasii im Gothaischen“, das einst von einem Siebmacher Siebeneich in Hersfeld der Schusterinnung in Görlitz geschenkt wurde. Es entspricht wohl am wenigsten der Beschreibung Frankenbergs und stellt mehr einen behäbigen, wohlgenährten Bürger dar. Der Künstler Pfuhl hat es für das Jakob Böhme-Denkmal in Görlitz (schräg gegenüber der Stadthalle) benutzt, das am 31. Oktober 1898 enthüllt wurde. Es gibt davon eine Lithographie mit sonstigem Beiwerk.
Endlich erwähne ich noch ein Böhmebild, das in der Sechsstadt Kamenz aufbewahrt wird. Es trägt zwar keinen Künstlernamen, wird aber von Gräve und Gurlitt (Rauda) als eine wohlgelungene Kopie eines Kamenzer Künstlers Christoph Gottlob Glymann hingestellt. Nach Georg Uhlig (Kamenzer Forscher) kann man auch an den Kunstmaler und Kamenzer Ratsherrn Martin Haberkorn denken. Das Bild ist in Öl auf Holz gemalt und mißt 39:36cm. Es zeigt den Mystiker mit durchgearbeitetem Gesichte, lang herabhängenden grauen Haaren in einfachem, braunem Rock mit schmalem, weißem Kragen.
Das Bild von Häublin, das eines unbekannten Zeichners gegen 1700 (in neuerer Zeichnung des Görlitzer Künstlers Engelhardt-Kyffhäuser), das aus Kamenz und die Medaille finden sich in dem Werk: Jakob Böhme und Görlitz.
Aus dem Lateinischen übertragen nach Ausgabe von 1715 Anhang S. 45 und 46.
Auf das Absterben des Autors J. B.
Sophiens Kinder, eilt mit wehmutsvollem Herzen
Herbei und stimmt mit mir die Trauerklage an!
Der Schlag ist Tränen wert, Verlust erweckt die Schmerzen,
Wer ist, der so die Bahn den Blinden zeigen kann?
Des Schützens kalt Gestirn verwüstet unsre Felder
Und macht den grünen Baum von Frucht und Blättern leer.
Das Feld steht trauernd voll; die angenehmen Wälder
verlassen ihre Lust, kein Echo schallet mehr:
So trauert die Natur, weil ihre Morgenröte
Nach jenem Mittags Pol von ihr entfernet steht.
Wir seufzen zu Recht, weil an der Himmels Stätte
Der Helle Jacobs-Stern so bald von uns geht.
Oh lieber Wunder-Mann! den ich als Vater schätze
Und der den Schlafenden noch fremd und unbekannt,
Es will der Liebe Pflicht, daß ich dies Denkmal setze,
Auf ewigem Papier, zwar mit gebundner Hand:
Kein adeliges Geschlecht, noch Anzahl deiner Ahnen,
Soll deines Geistes Ruhm nach Wunsch des Fleisches sein.
Dein Vater wußte nur das Furchen-Feld zu bahnen,
Der armen Mutter Stand gab dir geringen Schein.
Was Wunder? dieser Welt Adel ist unedel!
Die wahre Gottes-Furcht gibt edel Blut und Mut,
Die war von Jugend an bis zu des Alters Schädel
Dein teures Eigentum, dein unverwecklich Gut.
Kam deine Weisheit her von hochgelehrten Meistern?
Und gab die Schule dir so Göttlichen Bericht?
Von Platons Lehre und verstandhaft klugen Geistern
War deine Gabe nicht, denn sie war Sophiens Licht.
Du saßest in dem Staub bei Arbeit deiner Hände,
Verachtet von der Welt; Nun aber stiehet man
Die Welt hinwiederum verachten aller Ende,
Und zünden viel ihr Licht an deiner Lampen an.
Jetzt schallt des Höchsten Lob in neugebornen Seelen,
Die in der Kinder Geist demütig kleine sind,
Die mit Immanuel in Liebe sich vermählen,
Wenn ihr gewandter Fuß die Kreuzespforte find.
Doch schwinge dich, mein Kiel, hinaus ins Trauerleben,
Wo drei Zweige zwar die Witwe übrig sieht,
Wiewohl drei Söhne nicht so altes Denkmal geben,
Als in den Schriften hier der Stamm auf ewig blüht.
Was Gott und die Natur, die Erde samt dem Himmel,
Die Engel, Luzifer, der Mensch, die Hölle sei,
Bericht vom schmalen Weg zu Christus durchs Getümmel,
Des Fleisches und der Welt, lehrt deine Feder frei.
Das macht, sie ist vom Geist des Herren angeblasen;
Sie ist in Christi Blut beim Kreuze wohlbenetzt:
Der Satan und die Welt umsonst dawider rasen,
Weil Gott in seinem Aug zum Apfel dich gesetzt.
Dein Lauf ist vollbracht, fährst hin zum Paradies,
Wir armen tragen noch der Erde schwere Last
Und wünschen hochbetrübt dir nach auf deiner Reise:
Fahr wohl! dieweil du wohl allhier gekämpfet hast.
Indessen folgen wir gerühret deinem Sarge
Und wünschen: Unser Tod sei deinem Tode gleich,
Durch Christi Kreuzes Tod und Kampf, worin der Arge
Den Todes Stachel ganz verlor in Christi Reich.
Noch einmal, fahre wohl auf ewig! In der Ruhe
Dich drückt nun nicht mehr, wie uns, der Sorgen Last.
Wer so überwand, der legt die Pilgerschuhe
Vor seinem Grabes Bett erfreuet mit dir ab,
Wenn endlich vor dem Stuhl des Richters wird erscheinen,
Was je der Erden Schlund und was die Hölle fraß.
So wollen wir zugleich bei Christus mit den Seinen
Singen: Hallelujah, dem Lamm! ohn Unterlaß.
Quellen zur deutschen Überarbeitung 2022:
✍ Die Lebensumstände Jakob Böhmes, Richard Jecht, 1924
✍ Gedenkgabe der Stadt Görlitz zu seinem 300 jährigen Todestage, 1924
✍ Bildwerk: Jakob Böhme und Görlitz, Richard Jecht, 1924