Dr. Weisner: Wahrhaftiger Bericht (1651)

(deutsche Überarbeitung 2022)

Wahrhaftiger Bericht von Herrn Cornelius Weisner, Med. Dr. zu Breslau, von des seligen Jakob Böhmes Sanftmut, Demut und Freundlichkeit bei dem Examen zu Dresden, in Gegenwart der Kurfürstlichen Durchlaucht und acht der vornehmsten Professoren.

(An Herrn G. R. von Beyerland in Amsterdam, den ältesten Sohn des damals vor 3 Jahren verstorbenen Herrn Abrahams von Beyerland.)

Gottes Gnade samt brüderlicher Liebe und Treue vorweg!

Über den seligen Jakob Böhme Nachricht und Zeugnis zu geben, bin ich zwar, Gott weiß es, willig und geneigt, aber aus eigener Erfahrung weiß ich wenig davon. Doch so viel mir bewußt ist, schreibe ich Euch herzlich gerne, und entschuldige mich, daß es nicht mehr ist.

Ich machte meine Bekanntschaft mit dem seligen Jakob Böhme ungefähr im Juli 1618 zu Lauben in meinem Vaterland, durch einen Handelsmann und Schneider, den nunmehr in Gott ruhenden seligen Liborius Schneller, und dem Bruder seiner Frau, einem jungen Prediger namens Salomon Schröter, welche beide des seligen Jakob Böhmes und auch meine guten Freunde waren. Sie waren seine liebreich getreuen Schüler, die sich um seine Schriften sehr befleißigten, und auch rühmliche und gute Erkenntnis darin von Gott erbeten und erlangt hatten. Ich aber war der Erzieher der Kinder des Edelmanns Balthasar Tilke bei der Schweidnitz gewesen. Und weil er Böhmes Widersacher war, hatte auch ich einen Widerwillen gegen den Mann gefaßt - Gott vergeb es mir. Ich vermeinte, daß er im Wahn der Reformierten steckte, wegen der Gnaden-Wahl Gottes in seinem Sohn. Als einstmals der selige liebe Mann zu Lauben zu den beiden oben genannte Freunden gekommen war, hat er mich zu sich gebeten und zu christlicher Konferenz Anlaß und Gelegenheit gegeben, welche - dem lieben Gott sei Lob und Dank dafür gesagt - so erbaulich und selig abgelaufen war, daß wir wahre Freunde und mit rechter Hintenansetzung allen Argwohns und Irrtums in christbrüderlicher Liebe Eins geworden sind. Da der selige Mann meine akademische Heftigkeit und Ungestümheit, welcher ich damals elendig unterworfen war, mit hoch verwunderlicher großer Freundlichkeit ertragen und in solcher Liebe mit mir diskutiert hat, daß ich, um gehabter Gottesfurcht willen, ihm nicht länger widerstehen konnte, sondern der Wahrheit und der Freundlichkeit des Geistes Jesu Christi in ihm mich habe ergeben müssen. Seit der Zeit habe ich ihn selbst nicht mehr gesprochen noch gesehen.

Was aber den Vorfall zu Görlitz im Januar 1624 anbelangt, welchen ich Euch neulich zu N. erzählte, den habe ich gewiß vernommen von den beiden genannten, treuen Freunden. Nämlich: Der Görlitzische Widerpart, der damals Pastor gewesen ist, hat dem Schwager des seligen Jakob Böhme, einem jungen Bäcker, der eben eine Bluts-Freundin von Jakob Böhme geheiratet hatte, einen Taler Geld geliehen, damit er zu seiner Notdurft um Weihnachten Weizen zum Striezelbacken einkaufen konnte. Dafür hat der dem Pastor aus Dankbarkeit einen ziemlichen großen Striezel verehrt, und ihm als nächstes bald nach den Feiertagen den Taler Geld wiedergebracht und abgezahlt in der Hoffnung, der Herr Prediger würde ihm die Zinsen für den Taler erlassen, den er nur zwei Wochen geliehen hatte. Doch der Prediger hat ihn unwillig und mit Gottes Zorn und greulichem Fluch gedroht, und den einfältigen jungen Bäcker so gewaltig damit erschreckt, daß derselbe in sehr tiefe Schwermut, Melancholie und Zweifel an seiner Seligkeit geraten ist, weil er den Priester erzürnt und solchen Fluch von ihm vernommen hatte. Etliche Tage lang hat er niemandem eine Antwort gegeben, noch sagen wollen, was ihm schade, sondern ist nur seufzend, mit großer Betrübnis und mit sich selber redend umhergegangen. Das ging so, bis endlich auf herzliches Bitten seiner Ehefrau ihr seliger Vetter Jakob Böhme sich der Sachen annahm. Erst redete er dem betrübten jungen Manne so freundlich zu, bis er von ihm erfuhr, was geschehen war. Und nachdem er es vernommen hatte, tröstete er ihn, sprach ihm Friede zu und hat sich auch zum erzürnten Priester aufgemacht. Ohne Scheu doch mit aller Bescheidenheit hat er ihn aufs freundlichste gebeten, nicht mehr mit dem jungen Mann zu zürnen, sondern ihm eher Gnade angedeihen lassen. Er wollte ferner die Zinsen des geliehenen Talers tilgen, die er von ihm begehre, und ihm die Summe gerne bringen, wenn er nur wüßte, wieviel der Herr begehrte. Jedoch meinte er, daß der arme junge Mann seiner Möglichkeit nach genug dafür getan hätte. Wenn aber der Herr noch meine, daß ihm was mangelte, wollte er ihm den Mangel ersetzen.

Darauf ist der Prediger mit Ungestüm aufgefahren: Was der Zerrfleck („Lederflicker“ Jakob Böhme) bei ihm zu schaffen, ihn zu beunruhigen, zu belästigen und zu stören hätte? Was es ihn anginge, er sollte seines Tuns warten (seinem Beruf dienen) und sich packen. Jakob Böhme aber war beständig, hat um Gnade gebeten und angeboten, den Herrn zufriedenzustellen. Der Herr aber war sich seiner Ungerechtigkeit bewußt, hat sich seines Unrechts geschämt, es aber nicht bekennen noch sagen wollen, was er (als Zins) begehre. Nochmals gebot er dem Bittenden, sich zu packen und hat ihm die Stubentür gewiesen. Er aber, hat wie ein gebietender Herr auf seinem Stuhl gesessen und auch Pantoffeln angehabt. Als sich der fromme, zu Gott seufzende, demütige, sanftmütige und sehr liebreiche Bittsteller unverrichteter Dinge abwendete und im Hinausgehen aus der Türe dem zornigen Herrn einen christlichen Valet-Segen (Gott behüte euer Ehrwürden!) sprach, da erzürnte sich derselbe. Und weil er wegen des Segens nun noch viel übler gestellt war als zuvor, nahm er den Pantoffel von seinem Fuß und warf ihn nach dem seligen Mann, wobei er sagte: „Was sollst du mir, gottloser Bube, noch viel gute Nacht sagen, oder mir wünschen? Was frage ich nach deinem Segen?“ Der liebe Mann aber hob ohne Zorn den Pantoffel auf, stellte ihn dem Herrn wieder zu Füßen und sagte: „Herr, zürnt nicht, ich tue euch kein Leid, seid Gott befohlen!“

(Kupferstich einer Ausgabe von 1682)

(Diese Geschichte ist vermutlich allegorisch gemeint, denn der Striezel, der zu Weihnachten 1623 gebacken wurde, war eigentlich das Buch „Der Weg zu Christo“. Der junge Bäcker war der schlesische Adlige Herr Johann Sigmund von Schweinichen (1589/90-1664), der damals ohne das Wissen von Jakob Böhme das Büchlein sicherlich nicht ohne Absicht ausgerechnet in einer Görlitzer Druckerei drucken ließ, das Anfang 1624 natürlich auch in die Hände des Oberpfarrers kam. Der Primarius fühlte sich damit wieder einmal in seiner weltlichen und auch geistlichen Macht hart angegriffen und erschüttert, und der Zins, den er dafür forderte, war wohl nichts Geringeres als die endgültige Verbannung oder Vernichtung seines Gegners. Siehe auch Sendbrief Nr. 50.)

Damit schied er diesmal von ihm, bis sich der Prediger am Sonntag danach auf die Kanzel begab, ihn heftig angriff, den seligen lieben Mann Gottes namkündig gemacht (bloßgestellt und verrufen), greulich und erschrecklich getobt hat, der ganzen Stadt und dem ganzen ehrbaren Rat den Untergang angedroht, ihn aber einen Aufrührer, unruhigen und leichtfertigen Mann und Ketzer gescholten, und den Magistrat vor der Gemeinde zum Rache-Schwert gegen diesen Tumultmacher und Widerständler gegen das heilige Predigt-Amt ermahnte, der die Prediger beunruhige, sie in ihren Häusern überfalle und Ketzer-Bücher schreibe, damit Gott nicht Ursache habe, über sie zu zürnen und im Zorn die Stadt versinken zu lassen, wie es den Aufrührern Core, Dathan und Abiram geschehen ist, die sich dem Mose entgegenstellten, und Gott alles um sie mit ihnen von der Erden verschlang und in den Abgrund der Hölle warf usw.

Der falsch beschuldigte Mann saß eben am Pfeiler gegenüber dem Predigtstuhl, hat alles geduldig mit angehört und stille geschwiegen. Als dann alles Volk aus der Kirche gegangen war, hat er so lange auf seinem Stuhl gewartet, bis der Prediger mit seinem Kaplan oder Amts-Kollegen aus der Amtskammer durch die Kirche nach Hause ging. Hierauf ist er ihnen gefolgt, hat draußen auf dem Kirchhof den Herrn Prediger freundlich angeredet und gefragt: Was er ihm doch zuleide getan habe? Er wüßte sich nicht zu erinnern, daß er ihm ein übles Wort gegeben hätte. Er möge ihn doch (im Beisein des Ehrwürdigen Herrn Kaplans, der daselbst bei ihnen stand und mit ihm gegangen war) seiner Missetat erinnern und sie namhaft machen, damit er um Gnade bitten und Buße tun könne, die er gerne tun wöllte, wenn er nur wüßte, was er gegen ihn gesündigt hätte?

Darauf wollte der Prediger ihm anfangs nicht antworten, sondern hat ihn nur angeblickt, als ob er ihn durch das Gesicht ermorden wollte. Endlich hat er angefangen, im Eifer heraus zu geifern und greulich zu beleidigen und zu fluchen, indem er sprach: „Hebe dich weg von mir, Satan, trolle dich in den Abgrund der Hölle mit deiner Unruhe! Kannst du mich nicht zufriedenlassen?! Mußt du mich auch hier beschimpfen und belästigen? Siehst du nicht, daß ich ein Geistlicher bin und in meinem Amt gehe (dabei wies er auf seinen schwarzen Priesterrock)?“

Darauf gab der betrübte und hochbeleidigte Mann zur Antwort: „Ja, Ehrwürdiger Herr, ich sehe wohl, daß ihr ein Geistlicher seid. Ich habe es auch in der Kirche gehört, wie es darum beschaffen sei, und habe auch gesehen, daß er daselbst in seinem Amt stand. Ich halte ihn auch rechtens und ohne alle weitere Widerrede für einen Geistlichen. Deswegen komme ich auch zu ihm und bitte ihn als einen Geistlichen, er wolle mir doch sagen, was ich ihm zuleide getan habe?“ Dann wandte er sich zu dem anderen Geistlichen, dem Herrn Kaplan, und bat ihn: „Ehrwürdiger lieber Herr, helft mir doch, den Herrn Prediger um mein Anliegen zu bitten, damit er mir in eurem Beisein sage, was ich gegen ihn geredet oder getan habe, darüber er sich auf der Kanzel so ereifert und dem Magistrat die Rache befohlen hat?“ Nun wurde der Prediger noch grimmiger und wollte durch seinen Diener hinter sich nach den Stadtknechten oder Gerichtsdienern schicken, damit sie ihn wegführen und in den Turm werfen sollten. Doch dem widersprach der Herr Kaplan, verhinderte die Absicht, entschuldigte den lieben Mann und bat ihn, nach Hause zu gehen.

Folgenden Montag morgens saß der Magistrat auf dem Rathaus beisammen und hat den bös Beschuldigten vor sich gefordert. Er wurde befragt, aber sie konnten nichts Übles von ihm vernehmen, auch keinen Zorn noch Mißgunst spüren. Weder in Worten, Werken noch Gebärden konnten sie an ihm etwas entdecken, das zu strafen gewesen wäre. Und da fragten sie ihn, was er doch dem Prediger zuleide getan habe? Er antwortete, er wüßte es nicht, konnte es auch von ihm nicht erfahren, und bitte deshalb alleruntertänigst und allerfleißigst die wohlweisen Herren wollten den Herrn Kläger oder Prediger kommen und sagen lassen, was er ihm getan habe? Darauf beschloß der ganze Rat, es sei recht, daß man den Herrn Prediger freundlich zu sich bitten lasse und ihn nötige, die Klagepunkte offenzulegen. Es wurden also zwei Männer des Rates zu dem Herrn Prediger geschickt, die ihn ehrerbietig baten, zu ihnen auf das Rathaus zu kommen oder den Abgesandten Herren die genauen Klagepunkte zu entdecken. Worüber er sich ereiferte und ihnen entgegnete, was er auf ihrem Gericht oder Rathaus zu tun habe? Was er zu sagen habe, das sage er an Gottes statt von der Kanzel, das sei sein Ratsstuhl und seine Bank für öffentliche Erklärungen. Und was er da gesagt habe, dem sollten sie nachkommen, und den leichtfertigen, losen, verwegenen Ketzer der Stadt verweisen, auf daß er nicht mehr dem Heiligen Predigt-Amt widerstehe und die Strafe von Core, Dathan und Abiram über die ganze Stadt bringe.

Nun haben sich die Ratsherren beraten, und wußten nicht, wie sie die Sache recht bereinigen sollten. Sie fürchteten die Vehemenz ihres Predigers auf seiner Kanzel und beschlossen den unschuldigen Jakob Böhme der Stadt zu verweisen. In diesen Beschluß wollten etliche Männer des Rates nicht einwilligen. Sie standen auf und gingen davon, doch die übrigen führten den Beschluß aus und ließen den unüberführten, getreuen und frommen Bürger der Stadt durch die Gerichts- oder Stadtdiener zum Tor hinaus verweisen. Der geduldige und selige Mann hat sich nicht geweigert, sondern gesagt: „In Gottes Namen, ihr Herren, ich will tun, was ihr befehlt und mich der Stadt enthalten. Darf ich noch zuvor in mein Haus gehen und die Meinigen mit mir nehmen oder wenigstens das Nötigste mit ihnen bereden?“ Sie aber verweigerten ihm das mit der Begründung, sie könnten nun das Urteil nicht ändern, welches der ganze Rat beschlossen hätte. Er habe es ja gehört, daß er stracks von Rathaus mit Schimpf und Spott zur Stadt hinausgeleitet werden sollte. Darauf hat er gesagt: „Ja, liebe Herren, es geschehe, weil es nicht anders sein kann, ich bin zufrieden.“ Er wurde also hinausverwiesen und war über Nacht weg.

Am folgenden Morgen aber, als der ganze Rat wieder zusammengekommen war und ihre Uneinigkeit geschlichtet werden konnte, wurde ein anderer Beschluß gefaßt. Dem verjagten, unschuldigen Mann wurde überall im Land umher nachgejagt, er wurde gesucht und endlich gefunden und wieder mit Ehren und feierlich in die Stadt geführt. Das war ein Wunder von Gott gewesen, mitten unter den Teufels-Akten und Dekreten.

(ab Ausgabe 1730: Doch haben ihn seine Verfolger nicht lange zufrieden lassen können noch dulden. Ein Pharisäer hat den anderen gegen ihn und seine Schriften aufgewiegelt und ihn so bitter mißhandelt, daß die Herren hierüber sehr verlegen wurden. Endlich ließen sie verlauten, daß es ihnen lieb sein würde, er würde sich irgend sonstwohin auf eine Zeitlang verfügen. Da nun aber einige vornehme Personen und Freunde in Dresden Verlangen hatten, ihn zu sprechen, begab er sich am 9. Mai 1624 dahin, wo er sich 2 Monate aufhielt.)

So viel davon, was mir gewiß berichtet wurde, daß es so geschehen sei. Wegen des Vorgangs zu Dresden weiß ich auch einiges zu bestätigen, aber nur nach dem, was ich von anderen glaubwürdigen Männern gehört habe:

Der selige Mann Gottes sei (wohl wie eine hinaus- und hereingejagte Hündin) von seinen Gönnern nach Dresden berufen worden. Dort stellte ihn eine Versammlung von vornehmen Doktoren zur Rede, nämlich die Herren D. Hoe, D. Meißner, D. Balduin, D. Gerhard, D. Leisern, noch ein Doktor, dessen Namen ich jetzt nicht nennen kann, und zwei Professoren der Mathematik. Im Beisein der Kurfürstlichen Durchlaucht prüften sie ihn und seine Schriften, stellten ihm in vieler Weise allerlei theologische, philosophische und auch mathematische Fragen, konnten ihn aber weder überwinden noch verwirren. Er hat den Herren Prüfern so milde und bescheiden geantwortet, daß sie ihm kein böses Wort gesagt haben. Die Kurfürstliche Durchlaucht aber hat sich sehr darüber verwundert und ein Ergebnis ihrer Prüfung begehrt. Doch die Herren Doktoren und Prüfer haben sich entschuldigt und die Kurfürstliche Durchlaucht um Geduld gebeten, bis der Geist des Mannes sich deutlicher erkläre, denn noch könnten sie ihn nicht verstehen, hofften aber, er würde sich bald klarer zeigen. Alsdann wollten und könnten sie urteilen, jetzt aber noch nicht.

Es soll dann auch der wohlgegründete und gottselige Mann die eine und andere Gegenfrage gestellt haben, die sie ihm auch beantworteten. Nur schienen sie mit ziemlicher Bescheidenheit weder sehr unwillig, noch sehr eifrig, sondern eher bestürzt gewesen sein, weil sie von einem solchen einfältigen Laien dergleichen große Dinge unvermutet zu hören bekamen. Es war ihnen wohl nicht möglich, ihn zu verstehen. Aber gelästert haben sie nicht, obwohl der einfältige Mann den Herren Theologen ziemlich die Wahrheit vorgehalten und von den Fabeln unterschieden hat. Er hatte sie auch mit großer Bescheidenheit geehrt, freundlich mit ihnen geredet, allerlei Irrtum berührt und gleichsam wie mit einem Finger ihren Ursprung aufgezeigt. Den Herren Astrologen sagte er aber ausdrücklich: „Ihr lieben Herren, soweit ist die Wissenschaft eurer Mathematik richtig, recht und gegründet im Geheimnis der Natur. Was aber darüber ist, nämlich dies und das usw. ist heidnische Zutat, Dummheit und Blindheit der Heiden, welcher wir Christen nicht nachzufolgen hätten.“

So haben sie ihn zufriedengelassen, und er ist in Frieden entlassen worden. Auch ihre Kurfürstliche Durchlaucht hatte großes Genügen an seiner Antwort, forderte ihn extra zu sich, sprach allerlei Heimlichkeit mit ihm, entließ ihn in allen Gnaden und schickte ihn nach Hause gen Görlitz.

An mehr kann ich mich nicht erinnern, daß ich es sicher gehört hätte. Aber später wurde ich Zeuge eines Gesprächs der zwei Herren Doktoren Meißner und Gerhard selig zu Wittenberg über den seligen Jakob Böhme, in dem sie über die Weiterführung und Harmonie der Schriften dieses Mannes staunten. Herr D. Gerhard sagte: „Ja, ich wollte die ganze Welt nicht nehmen und dafür den Mann verdammen helfen.“ Der andere, D. Meißner, hat ihm geantwortet: „Mein Herr Bruder, ich auch nicht, wer weiß, was dahintersteckt. Wie können wir urteilen, was wir nicht begriffen haben, noch begreifen können, ob es recht, schwarz oder weiß sei. Gott bekehre den Mann, falls er irrt, und erhalte uns bei seiner göttlichen Wahrheit, gebe uns diese je länger desto besser zu erkennen, auch Sinn und Mut, sie auszusprechen, und das Vermögen, sie fortzupflanzen!“ Danach wurde etwas anderes geredet, und ich schied von dannen.

Ein andermal habe ich gehört, was der selige D. Meißner zu Wittenberg antwortete, als er zu Jakob Böhme befragt wurde, was er von ihm dachte und welches Urteil er wohl von ihm gebe. Er antwortete: „Er begehre nicht dazu zu raten noch dabei zu helfen, daß der Mann verurteilt, unterdrückt oder verjagt werde. Er sei ein Mann von wunderlichen hohen Geistesgaben, die man jetzt weder verdammen noch bestätigen könne.“

Gott erhalte uns alle in Gnade bei seiner seligen Erkenntnis Jesu Christi in uns!

Den 21. Februar 1651, C.W.M.D.

Quellen zur deutschen Überarbeitung 2022:
Theosophische Send-Schreiben, 1658
Alle Theosophische Wercken, 1682
Theosophia revelata, Band 5, 1730
Sämmtliche Werk, Band 1, 1835


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