Dr. Kober: Bericht über Krankheit, Sterben und Beisetzung (1624)

Ausführlicher Bericht des Herrn Dr. Kober, Mediziner zu Görlitz, von Krankheit und Absterben des seligen Autors an die edlen Herren von Schweinichen.

Geschrieben Görlitz, den 21. November 1624. (deutsche Überarbeitung 2022)

EMANUEL!

Edle, gestrenge, wohlbenannte Herren von Schweinichen zu Schweinhaus, Hohndorf! Neben der Erbietung meiner willigen Dienste wünsche ich Ihnen von Gott alle selige und zeitliche Wohlfahrt; und kann es aus christlicher Kondolenz nicht umgehen, Ihnen zu berichten, wie es sich mit unserem christlichen Mitbruder und Gottesmann Jakob Böhme hier zu Görlitz zugetragen hat. Denn als er heute Donnerstag vor 14 Tagen am 7. November sehr krank und schwach mit großer Geschwulst und Mattigkeit aus Schweinhaus hier angelangt war, habe ich aus allen Anzeichen bald gesehen, daß er nicht mehr lange leben würde. Darauf habe ich auch schnell Herrn Melchior Bernd aus Zittau heruntergebeten, welcher mit mir zum selben Schluß gekommen ist, daß es schon zu weit war - entweder, weil der Kranke sich nicht behandeln ließ oder weil seine Natur zum unabänderlichen Tod hinneigte. Anhaltender Durchfall, Kollern im Bauch, stechende Schmerzen in der linken Seite, Geschwulst des Bauches und der Füße, Beengung der Brust, Atemnot, Offenstehen des Mundes, Trockenheit der Zunge, äußerste Abmagerung der Brust und des Gesichts, roter Urin mit schwarzer Wolke, der immer so war - all dies plagte ihn vom Anfang bis zum Ende. Nur noch Trost und Stärkung waren möglich, daran wir es nicht mangeln ließen. Wir wunderten uns auch, daß der Chemiker zu Schweinhaus, dessen Patient er die ganze Zeit war, ihm keine kräftigenden Fleischbrühen auf den Weg mitgegeben hat, wo er doch dort so wenig Fleisch genossen hatte. Also haben wir uns des lieben seligen Jakob so gut wie möglich angenommen.

Und als wir keine Rettung spüren konnten, und er von Tag zu Tag schwächer wurde, haben ich und Christoph Kütter von der Sprottau beschlossen, ihm zum Heiligen Abendmahl zu raten, damit man ihn ohne Anstoß (was ein Wunder wäre) und nach Brauch hier in seinem Vaterland begraben könne. Wir kündigten ihm also an, daß es nicht mehr lange mit ihm währen und ihn Gott von uns nehmen würde. Er sollte sich mit jedermann versöhnen und das Abendmahl nehmen. Er war willens, dasselbe zu verheißen, sich künftig ins Werk mit Gott zu setzen und wünschte das Abendmahl von Mag. Elias Theodor. Dies kündigte ich jenem (Geistlichen) zum Abend an und bat, ihm die nötigen Glaubensfragen zu stellen. Darauf antwortete er mir mit folgender Nachricht:
So Gott will, werde ich morgen nicht säumen, den Pflichten meines Amtes nachzukommen, allerdings nicht ohne Wissen und Erlaubnis meines Herrn Primarius aus Gründen, die ich für mich behalte. In der Zwischenzeit, lebet wohl, und akzeptiert den Gruß Eures M. E. Theodorus.

Als er am Morgen um 8 Uhr, nämlich Freitag den 15. November, wie gewünscht bei ihm erschien, hat er allerlei mit ihm geredet, ohne daß wir zugegen waren, und üble Fragen gestellt. Und als er mit ihm zufrieden war, hat er ihm das Abendmahl gereicht und gesagt, er wolle ihn in sein Gebet aufnehmen und weiter besuchen.

(Die Fragen befinden sich im Anhang B zu diesem Brief:
1) Ob er sich als einen Sünder erkannte? Darauf hat er mit „Ja“ geantwortet.
2) Es ginge ein Büchlein oder eine Lehre herum, ob er sich dazu bekennen würde? Darauf hat er auch „Ja“ gesprochen, er bekenne sich dazu und wisse gänzlich, daß es nicht gegen den wahren Grund der christlichen Lehre des ganzen Neuen Testaments sein werde.
3) Wenn ihm Gott wieder aufhelfen würde, ob er sich auch zur christlichen Gemeinde und Versammlung einfinden wolle? Hierauf hat er gleichfalls zugestimmt.
4) Ob er gedächte auf das teure Verdienst des Sohnes Gottes, unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, zu leben und zu sterben? Als er dieses auch bejahte, hat der Prädikant (Prediger) ihm das Abendmahl gereicht und noch gesprochen: Weil er seinen Zustand und die Mattigkeit sehe, daß er nicht viel Worte zu reden vermag, wolle er jetzt und hier seinen Abschied nehmen. Doch wenn die Krankheit langer währen möchte, würde er ihn wiederum besuchen, sonderlich da er etwa alleine zu ihm kommen möchte.)

Als nun solches im Namen Gottes verrichtet war, ist Jakob Böhme immer schwächer geworden, blieb bei seinen Gedanken und hat sich um Irdisches nicht weiter bekümmert.

Folgenden Sonnabend, in Gegenwart von mir, Herrn Hans Rothen von Baumgarten, Herrn Michael Kurtz und seiner Familie deutete ich ihm die Gefährlichkeit des Lebens und die Nähe des Todes an. Darauf antwortete er: „In drei Tagen werdet Ihr sehen, wie es Gott mit mir geendet hat.“ Und als wir ihn fragten, ob er auch gerne sterben wollte, hat er geantwortet. „Ja, nach Gottes Willen.“ Darauf befahlen wir ihn Gott und wünschten, daß wir ihn morgen besser als jetzt finden werden, so Gott will. Darauf hat er geantwortet: „Das helfe uns Gott, Amen.“ Danach haben wir ihn in dieser Welt nicht mehr lebend gesehen.

Nach Mitternacht sonntags früh rief er seinen Sohn Tobias und fragte, ob er auch die schöne Musik hörte? Als der „Nein“ sagte, spricht er, man solle die Türe öffnen, daß man den Gesang besser hören könne. Danach fragte er: „Wieviel hat die Uhr geschlagen?“ Als man ihm aber sagte, es habe zwei geschlagen, sagte er, das sei noch nicht seine Zeit. Unterdessen redete er diese Worte einmal: „Du starker Gott Zebaoth, rette mich nach deinem Willen! Du gekreuzigter Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner, und nimm mich in dein Reich!

Unter anderen sprach er auch von seinen Büchern, diese abzufordern und einzumahnen - wie es ihm teilweise bekannt war. Nach langem Schweigen meinte er noch: „Einer unter euch soll zu Herrn Schweinichen.“ Und dann hat er aus Schwäche nichts weiter geredet. Was nun damit gemeint war, werden die Herren als seine großen Schutzherren leicht verstehen, und der betrübten, hinterlassenen Witwe vielleicht mit einer Gabe begegnen, bisweilen etwas zu Hilfe kommen oder ihr gut raten, weil sie alle Zuversicht auf Sie hat, wie sie ihr Leben nun erhalten kann. Wie denn auch der selige Jakob ihr gegenüber gesagt hat: „Sie würde nach ihm nicht lange sein.“ (Anmerkung: Sie starb bald darauf, Anno 1626 in der Erntezeit, in Dr. Kobers Haus an der Pest, als sie die Kranken pflegte.)

(Ergänzung aus der Vorlage zur Leichenpredigt, Anhang C:
Früh um 6 Uhr nahm er Abschied von seiner Frau und den Söhnen, segnete sie und sprach darauf: „Nun fahre ich hin ins Paradies!“ Seinen Sohn bat er, ihn umzuwenden, dann seufzte er tief, und verschied so ganz sanft und still von dieser Welt. Da war er kurz davor, 50 Jahre alt zu werden.)

Man kann dem Bericht entnehmen, daß er mit fröhlichen Gebärden sanft und selig von seinen Stacheln in die ewige Ruhe vom Vater des Lichtes abgefordert wurde und verschied.

Er starb eine halbe Stunde bevor man die Stadttore aufschloß, ohne unser Beisein, nur in Gegenwart seiner Familie. Bald darauf wurde ich informiert und bin zu ihnen gegangen. Wir haben Gott gedankt, daß ihn Gott zu sich genommen und ihm, uns allen zum Trost, ein sanftes und stilles Ende verliehen hat. Nun hatten sie hier niemanden, der sich seines Körpers angenommen hätte. Außerdem hatten sie ihn vor seinem Ende gefragt, was sie mit ihm machen sollten, wenn er nun stürbe. Darauf hat er geantwortet: „Befragt euch bei Dr. Kober.“

Hierauf nahm ich mich dessen an und meinte, weil er kommuniziert war, es würde schleunig fortgehen, welches aber ganz anders kam. Denn weil noch Trübsal und Spott übrigwaren und ihm lebendig nicht vollends zuteil wurden, so sollte auch sein Körper noch mit Hohn in die Erde kommen.

Als nun am folgenden Montag in der Früh die Leichenpredigt mit einem aufgeschriebenen Spruch aus Offenbarung 3.5 „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“ und ein kurzer Bericht von seinem Leben nebst eines Dukaten zur Verehrung dem Primarius Oberpfarrer (Nicolao Thoma) zugestellt wurde, hat der, nachdem er seinen Namen gehört hat, alles von sich geschoben mit den Worten: Hinweg mit diesem! Er hielte ihm keine Leichenpredigt. Das möchte tun, wer da wolle. Er würde es auch ablehnen, mit ihm zu Grabe zu gehen, denn jedermann wüßte, mit welcher Schwärmerei er diese Stadt und andere Länder und Leute befleckt hatte. - Darüber waren wir zwar bestürzt, doch wir trösteten uns, daß Gott uns wohl helfen würde, die Leiche zu versorgen, damit sie in die Erde käme.

Wir baten bald darauf Herrn Michael Kurtz, eine Bittschrift an den Bürgermeister zu senden.

(Bittschrift an den Herrn Bürgermeister wegen der Leichenübergabe, Anhang D:
Ehrenwerter, achtbarer und hochweiser Herr Bürgermeister, weil Ihr den Bürgern, sowie aller insgemein als besonders der Witwen und Waisen von Gott zum Patron, Schutz und Beistand gesetzt wurdet, so nehme ich als betrübte Witwe nebst meinen verwaisten Kindern nun rechtens bei Euch Zuflucht. Ich bitte den Herrn ganz untertänig, meine Bittschrift und mein Flehen anzunehmen. Mein vielgeliebter Mann und Hauswirt ist nach Gottes Willen gestern verblichen, und ich wollte ihn nach christlichem Brauch morgen der Erde übergeben. Dazu schickte ich nach dem Primarius, um das Begräbnis zu bestellen. Es hat sich aber der Herr Primarius (entgegen allem, obwohl er bis zum Ende nie gegen das Ministerium gehandelt hatte und sich auch letzten Freitag von Herrn Mag. Elias Theodor kommunizieren ließ) nicht nur geweigert, die Leichenpredigt zu halten, sondern auch mit zum Grabe zu gehen. Was hierzu seine Bedenken sein mögen, verstehen wir nicht. Allein als betrübte Witwe nehme ich mit meinen Kindern zu Euch Zuflucht, und bitte demütig, ihr möget nach Eurer Weisheit in dieser Sache vermitteln helfen. Denn wir wollen ihn bald der Erde übergeben, zumal er zuletzt sehr angeschwollen war und nicht lange liegen sollte. Bitte wohnt mir betrübten Witwe in dieser Notlage mit Rat und Tat bei. Wir sind allzeit willig, dem Herrn Bürgermeister in aller Untertänigkeit und Dankbarkeit in allen möglichen Dingen weiter zu dienen.
Görlitz, 17. November 1624, Katarina, die Jakob Böhmin und Erben.)

Und weil kein Versammlungstag im Rat war, wurde diese durch die Witwe übergeben. Nachdem der Bürgermeister die Bittschrift empfangen hatte, rief er nach Mittag den ganzen Rat wie in einer großen Urteilssache zusammen. Nach vielen widersinnigen Aussagen der Juristen kam der Schluß: Es sei menschlich und gottselig, daß man auch die Ketzer ehrlich begrabe. Nach Aussage des M. Elias Theodor, habe man schließlich der genügsamen und vernünftigen Konfession halber beschlossen, ihm eine Leichenpredigt mit allen üblichen Zeremonien zuzulassen. Die Predigt sollte auch der Primarius halten, obwohl dieser sich geweigert hatte. Und ihrem Bescheid solle er sich fügen und des vermeinten Irrtums nicht weiter gedenken.

Daraufhin sind wir wieder froh geworden, und weil das Rathaus verschlossen war, habe ich vorgeschlagen, den Primarius nicht zu übergehen, und ihm den Beschluß, wenn begehrt, neben dem Dukaten zu übersenden. Dies hat er wieder abgelehnt und so spöttisch von dem Spruch aus der Offenbarung geredet, daß wir ihm die Folgen dafür nicht wünschen wollen, er könnte sonst wie ein Kohlbrand aussehen. Man hat die Ablehnung M. Theodor kundgetan und ihn an den Beschluß des Ehrbaren Rats erinnert. Doch dieser hat unser Anliegen gleichfalls abgeschlagen, weil er beim Primarius nicht eingreifen wollte. So haben wir sowohl den Dukaten als auch den Spruch wiederbekommen, und nach überwundener Bestürzung noch eine Bittschrift durch Herrn Hans Roth von Baumgarten, Advokaten zu Görlitz, machen lassen. Diese wurde Dienstag morgen dem zur Sitzung versammelten Rat übergeben. Im Ratsprotokoll unter dem 19. November findet sich folgendes: Es ist Herr Johann Salomon, Notar, zum Herrn Primarius und den Diakonen gesandt worden, ihnen zu vermelden, daß sie den verstorbenen Jacob Böhme ohne Widerspruch zu Grabe begleiten, und weder der Stadt noch sich selbst durch Verweigerung Unheil zuziehen sollen. Zumal der Herr Landvogt, Karl Hannibal von Dona, solches als gut angesehen hat, und die Verweigerung höchst mißbilligt.

(Anmerkung: Herr Christian Bernhard zu Sagan berichtete an Herrn Michael le Blon in Amsterdam, daß eben erwähnter Lausitzscher Landvogt damals gerade in Görlitz weilte, und daß sich bei ihm etliche Personen wegen der Witwe beklagt haben. Darauf soll der Landvogt befohlen haben, den seligen Jakob Böhme von allen Geistlichen begraben zu lassen, und daß auch zwei Ratsherren nebst anderen Personen ihm das Geleit bis nach dem Begräbnis geben müssen.
Und noch eine Notiz vom 22. November: Es ist dem Herrn Primarius, auf sein eingegebenes Schreiben, durch den Glöckner ausgerichtet worden: Der ehrenwerte Rat wäre jetzt schwach beisammen, daher sollte sein Ansuchen künftig gemeinsam überlegt und sodann beantwortet werden. In der Zwischenzeit sollte er über den Schuster weder öffentlich noch privat gegenüber seinen Herren Kollegen reden.)

Unterdessen gebot ich dem Totengräber, das Grab zu bestellen und das Volk zu erbitten, welches zum Leichenbegängnis aufgeschrieben war. Als nun der ehrbare Rat unser erneutes Flehen bemerkte, gab man folgende Antwort: „Es soll M. Theodor die Predigt halten, und es soll in allem wie beschlossen, das Leichenbegängnis gehalten werden.“ Und weil die Prediger ihrem Sinn folgten, sind sie gezwungen worden, mit zu Grabe zu gehen. Auch der Mönch (Elias Theodor), der ins Dorf geflohen war, wurde mit dem Ratsroß hereingeholt. Nur der Primarius war ausgenommen, welcher sich krank gemeldet und Arznei, nämlich ein Pfaffenfutter, eingenommen hatte (mit Zucker bestreute Butterschnitte).

Darauf hat man mit großem Aufsehen der Leute und unter unserem Geleit aus seinen treuen Freunden nebst anderen Schustern, Gerbern und allen, die Mitleid mit ihm hatten, allen Spott nichts achtend, die christliche Leiche durch die jüngsten Schuhmacher dahin getragen und ehrlich zur Erde bestattet. Alles wurde mit zweimaligem Glockengeläut und der ganzen Predigerschar, Gott sei Lob, verrichtet. Obwohl es der Witwe und den Kindern wegen der Unkosten schwerfiel, haben wir es dennoch wegen der Herren und weit und breit aus der Welt anwesenden guten Freunde so gemacht. Wir hätten auch andere Mittel in der Nähe zur Hand gehabt, bei Herrn Ender zu Leutholzhain (Leopoldshain), wie es allbereit schon beschlossen war, wenn wir hier weder Gunst noch Ruhe gehabt hätten. Aber wir danken dem lieben Gott, der alles soweit gerichtet hat, daß sich die Hinterbliebenen zufriedengeben können und sich wegen ihres lieben verstorbenen Vaters keine Unehre vor der Welt gemacht haben. Es soll auch aus meinen Angaben der Ehrbare Rat um die Geburts-Briefe der Söhne angehalten werden, welche ihnen unter diesen Umständen nicht versagt werden sollten.

Was die Leichen-Predigt anbelangt, wurde diese auch wunderlich und recht ungebräuchlich begonnen. Nämlich daß er diese Leichenpredigt gar nicht wie unseren christlichen Mitbrüdern gebräuchlich halten wolle, sondern lieber für einen anderen zu Gefallen 20 Meilen gegangen wäre, als solches zu verrichten. Weil es ihm aber der Ehrbare Rat auferlegt hat, müßte er es eben auf sich nehmen und tun. Die Herren werden die Predigt im Ganzen an anderer Stelle vernehmen, denn Herr Michael Kurtz hat sie abkopiert.

Als er nun am Ende den Bericht verlesen sollte, wie und mit welchen Worten (der Selige) sein Ende beschlossen hat, da läßt er alles weg, welches doch einem jeden, er sei, wer er wolle und was er zum Lebensschluß auch geredet hat, in der Leichenpredigt zusteht. Tatsächlich schließt er mit den Fragen, welche er ihm gegenüber zur Beichte gestellt hat, und von denen er etliche an die Aussage der Leichenpredigt anpaßte.

(Aus der Mitschrift zur Leichenpredigt von M. Kurtz, Anhang F:
Nach geendigter Predigt nahm er den Abkündigungszettel zur Hand, den wir ihm zugesandt hatten, und las daraus das Leben unseres selig Verstorbenen ab, bis an seine letzten Worte. Die überging er nach eigenem Gutdünken und brachte danach folgendes dar:
„Was nun die Person des Verstorbenen anbelangt, kann ich nicht sagen, daß ich ihn vorher gekannt hätte. Als ich zu ihm wegen des Abendmahls gerufen wurde, habe ich beim Herrn Primarius angefragt. Ich bekam keine entschiedene Antwort von ihm, und so habe ich gedacht, daß ich immer willig war, jedem Ruf bei Tag und Nacht zu folgen, solange ich hier im Amt bin. Als ich aber zu Jakob Böhme kam, habe ich ihn vorher durch einige Fragen geprüft. Die hat er gar richtig beantwortet, und mit diesem Bekenntnis sein Herz recht und gut eingestimmt. Ich habe gefragt, ob er von seinem Irrtum abgehen werde und sich künftig an die Predigt und die heiligen Sakramente halten wolle? Das hat er bejaht, wenn Gott ihm aufhelfen würde. Darauf habe ich ihm das Abendmahl gereicht und ihn noch ermahnt, daß er künftig nicht auf Euphorie und Entzücken setzen, sondern sich schlicht an das Wort Gottes halten solle. Denn solche Einbildungen sind trügerisch, weil der Teufel sich leicht mit einflechten, als Engel des Lichtes ausgeben und die Menschen bekriegen könnte. Auch ermahnte ich ihn, nicht allein das Neue sondern auch das Alte Testament zu lesen. Bei den Juristen gilt: Im Zweifel immer freundlich sein. Also müssen auch wir im Zweifel immer das Beste reden. Vielleicht hat sich unser Verstorbener an seinem Ende zur Buße gewandt und bekehrt, obwohl wir dafür keinen Beweis haben wie beim Schächer (Räuber, Mörder) am Kreuz. So möchte ich euch, meine Gemeinde, ermahnen, daß ihr mir die Sache zum Besten wendet. Haltet euch treulich und hört das Wort Gottes, verachtet nicht die heilige Absolution und die Sakramente, sondern gebraucht sie. Richtet nicht, denn Gott will dem Körper seine selige Ruhe in der Erde verleihen und eine fröhliche Auferstehung. Amen.“
So hat dieser Priester gerichtet, auf daß wir uns wünschten, er hätte es besser gemacht oder sogar ganz bleibenlassen. Auf seiner Seite hat er sich damit blanken Zorn verdient, denn sie haben ihn nicht wenig gescholten, weil er es nicht ärger gemacht hatte. Man muß sie fahrenlassen, weil sie blind sind und einen blinden Führer haben. Der Herr möge ihnen die Augen öffnen, damit sie das helle Licht noch sehen. Sie haben nicht gewollt und mußten doch. Sie haben auch alles abgelehnt und keinen Pfennig des Blutgeldes annehmen wollen. Dazu hat noch der Primarius den Läufer und Gräber so bitter angeredet, wie er es sich unterstehen könne, sich mit solchen Leuten zu vermischen. Der Herr möge ihnen das alles nicht anrechnen. Ich aber wünsche mir, daß mein Ende wie sein Ende sein möge. Amen.
Michael Kurtz)

So wurde nun im Namen Gottes das Leichenbegängnis verrichtet und der Körper in der Erde bestattet. Gott der Allmächtige möge ihm unterdessen in der Erde seine Ruhe und am Jüngsten Tag eine fröhliche Auferstehung von den Toten zum ewigen Leben samt uns allen allergnädigst geben und verleihen. Amen.

Damit haben wir ihm den letzten Dienst erwiesen und ihm und den Seinigen geholfen, ihre Ehre in der Welt zu retten und zu fördern, und es an Rat und Tat nicht mangeln lassen. Besonders, als die ersten sechs Tage nach seiner Ankunft seine Frau nicht daheim gewesen war, sondern wegen des Lebensunterhaltes nach Dresden und Bautzen verreist war, haben wir keinen Menschen gehabt, der ihn pflegte. Deswegen haben wir Herrn Michael Kurtz angesprochen, welcher sich ganz willig erboten hat, und ihm Tag und Nacht mit Ein- und Aushebung seines Leibes, mit Heben und Wenden treulich beiwohnte. Dazu hat der selige Jakob zu mir gesagt: „Herr Michael tut mir viel Gutes. Hilft mir Gott wieder ein wenig auf, ich will ihn nicht verlassen, sondern fördern, wo ich weiß und kann, wie er es denn wohl würdig ist.“ Meines Wissens nach, ist ihm hier keiner so treulich in allen Belehrungen und dem Unterricht gefolgt und hat so schnell solche Fortschritte in göttlicher Erkenntnis durch göttliche Gnade gemacht. Keiner hat so frei, ohne Scheu, ohne Heuchelei und voller Menschengunst seine Predigten und seine täglichen Reden auf die Wahrheit und die Liebe Christi gerichtet, daß er lieber, so glaube ich, durch ein Feuer liefe, als die erkannte Wahrheit mit Heuchelei zu spicken. Ja, Seinesgleichen ist mir in Beständigkeit und Treuherzigkeit kaum begegnet, welches ich ihm mit Wahrheit nachsagen darf. Gott wird ihn, so hoffe ich, ein besonderes Werkzeug werden lassen, das wäre nur recht und billig. Möge er bei Gelegenheit von den edlen Herren gefördert werden, darum bitte ich freundlich zum Ersten. Zum Zweiten hat man sich über den Ehrbaren Rat nicht zu beschweren. Es sind zwar etliche gegen ihn gewesen, doch die meisten waren auf seiner Seite und wußten ihm nichts Böses nachzusagen, besonders weil er vom Predigt-Amt noch niemals vorgeladen und noch weniger überführt wurde. Es ist also zum Dritten auf die Kleriker zu schieben, welche wie Gift vor dem Gegengift flohen, und das Begräbnis lieber auf der Schädelstätte, so meine ich, als auf dem Kirchhof haben wollten, wenn wir nicht andere Wege gewußt hätten.

So hat der christliche Mitbruder in seinem Leben viel Widerwärtigkeit, Hohn und Spott wegen seiner hohen Gaben um Christi willen erleiden und ausstehen müssen, und nun wurde auch noch sein Körper mit solcher Verachtung von ihnen behandelt, obwohl alle Prediger ständig von der Kanzel rufen: „Von den Toten soll man nur Gutes reden!“ Gott helfe, daß ihnen und den Ihrigen nicht größerer Spott zum Lohn widerfahren möge!

Damit M. E. Theodor auf der Kanzel frei reden konnte, hat er für die Leichenpredigt keinen Lohn annehmen wollen, sondern er hat ihn uns wieder zurückgesandt. Das ist nur aus Furcht vor den anderen Priester geschehen, von denen er sich viel anhören mußte. Er hätte also nur getan, was der Brauch war, und sich dessen nicht teilhaftig gemacht, sondern weil der Rat ihn dazu gezwungen hätte.

Wir haben einen teuren, erleuchteten, hoch von Gott gelehrten lieben Mann und Vater verloren und vorangeschickt, welchen wir viel mehr hätten ehren und in acht nehmen sollen, als geschehen ist. Ich meine uns Görlitzer, wir waren seiner nicht wert, denn wir haben gespottet, seinen Namen nicht gern genannt und ihn öffentlich einen Schwärmer, Enthusiasten und Phantasten geheißen. Nun wie dem auch sei, er ist dahin. Gott helfe, daß wir es erkennen, und seine Reden an uns nicht erfüllt werden, denn er hat vielmals zu seinen Freunden und treuen Brüdern gesagt: „Denkt an mich, wenn ich werde hinweg sein, wie Gott mit der Stadt umgehen wird, es wird ihr viel Unglück begegnen.“ (Anmerkung: Pest und Krieg folgten darauf.)

Nun ist hier nichts mehr übrig zu tun, als daß man sein Grab mit dem einen oder anderen Spruch ziere. »Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet. (Jak. 1.12)« »Selig seid ihr, wenn euch die Leute um meinetwillen schmähen. (Matth. 5.11)« Wollen nun die edlen Herren etwas tun und ihm ein zierliches Kreuz mit breiten Tafeln und oben eine übergoldete Sonne aus Messing machen lassen, das steht ihnen frei. Dadurch würde man sein Grab, welches beinahe mitten auf dem Kirchhof oder Gottes-Acker ist, unter den andern gleich erkennen. Hier wird nun ein schwarzer Kasten angeordnet, und damit wird den edlen Herren nichts vorgeschrieben, sondern nur nebenbei erwähnt, welches wir sonst dergestalt fast beschlossen haben.

Damit wollen wir schließen und die edlen und gestrengen Herren unserem freundlichen Gruß und dem barmherzigen Gott empfehlen, ihnen die hinterlassene betrübte Witwe und die Waisen christlich und väterlich anvertrauen, und dabei bitten, auch wie sie tun und sind, den Unsrigen gnädig zu verbleiben.

Görlitz, den 21. Nov. 1624, Ihr dienstwilliger Tobias Kober

Quellen zur deutschen Überarbeitung 2022:
Alle Theosophische Wercken, 1682
Theosophia revelata, Band 5, 1730
Sämmtliche Werk, Band 1, 1835


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