Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

12. Kapitel - Weitere Fragen zur Verstockung

Kurzer Bericht etlicher Fragen, die den Verstand verwirren, wenn er meint, Gott verstocke den Menschen aus einem besonderen vorbestimmten Willen, und wie dieselben zu verstehen sind.

12.1. In der Apostelgeschichte Kap. 13.48 steht: »Es wurden gläubig, soviel ihrer zum ewigen Leben vorgesehen waren.« Das ist dem Verstand ein Anstoß, doch er versteht es nicht.

12.2. Wann hat die Vorsehung angefangen? Sprichst du „seit Ewigkeit vor der Schöpfung“? Ja, davon spreche ich auch, aber in der Schöpfung und nicht seit Ewigkeit, denn da war sie noch nicht.

12.3. Gott sah in Liebe und Zorn, was werden würde, als er die ewige Natur in eine kreatürliche Schöpfung einfaßte. Denn er sah wohl von Ewigkeit her in sich, daß sich die ganzheitliche Ausgeglichenheit in eine Unterschiedlichkeit ausführen und sich die Unterschiedlichkeit in kreatürlichen Willen einfassen würde, und daß es eine Gegensätzlichkeit geben werde, und das ist eben auch der Grund göttlicher Offenbarung. Die Schrift sagt aber nicht, daß Gott von Ewigkeit die (unterschiedlichen) Willen in der Unterschiedlichkeit zum ewigen bösen Wollen und zum ewigen guten Wollen verordnet (bzw. vorgesehen) habe, so daß sie alles so wollen müssen, wozu Er es unvermeidlich bestimmt hat. Denn daß sie im Wollen frei waren, das beweist die Veränderung des Willens von Luzifer und Adam, so daß Adam im (Sünden-) Fall das Wohlwollen verlor.

12.4. So heißt es nun im angeführten Text (Apg. 13.48) nach dem Fall: »Die diesmal aus dem ewigen Wollen hierzu vorgesehen waren.« Denn der Text meint: »Und der Herr tat hinzu, soviel ihrer vorgesehen oder im Gnadenlicht gesehen waren, denen das göttliche Auge offen war. Diese waren diesmal aus- und in dem inwendigen Grund gesehen und vorgesehen.« Wie auch in Kapitel 2 noch klarer steht: »Der Herr tat hinzu täglich, die da selig wurden. (Apg. 2.47 Nicht die da von Ewigkeit her selig waren, sondern die da selig wurden, sagt der Text. Die da aus der ewigen Wahl in Jesus Christus selig wurden, die tat er täglich zur Gemeinde.

12.5. Frage: Warum nicht alle auf einmal? — Antwort: Sie waren noch nicht selig geworden. Sie waren wohl in der Vorsehung oder Sehung Gottes, daß sie selig werden würden, aber die Verordnung kam erst mit dem Zutun zur Gemeinde, als sie selig wurden.

12.6. Warum bekehrten sich am Pfingsttage nur dreitausend Seelen, aber danach noch mehr? — Antwort: Sie waren in sich noch nicht vorgesehen, das heißt, an diesem Ort gesehen, wo sich die Gnade erhebt und durch das "vor" wie durch den Zorn bricht. Nur so geht das kreatürliche Vorsehen aus dem ewigen Gnadensehen oder Einsehen hervor. Denn wie kann etwas seit Ewigkeit verordnet (vorherbestimmt bzw. vorgesehen) werden, das nicht seit Ewigkeit gewesen ist?

12.7. Wie kann die Seele seit Ewigkeit, als sie noch ein Wesen und Spiel in göttlicher Weisheit war, verordnet worden sein, daß sie ein Teufel werden solle? Das wäre ein grausames Denken oder Reden und würde keine höhere Vernunft zulassen können. Denn wenn man von einer Ewigkeits-Verordnung ausgehen wollte, dann wäre doch alle Lehre (und alles Lernen) umsonst. Was könnte die Gnade denen predigen, die weder irren noch fallen können und die in einer unwiderruflichen Prädestination (unveränderlichen Vorherbestimmung) stehen?

12.8. Diese Vorsehung seit Ewigkeit versteht man nur in Christus, so daß die gläubig Gewordenen von Ewigkeit her in der Weisheit vorhergesehen waren. Daß nämlich, wenn sich Gott einst bewegen und die Natur in Unterschiedlichkeit zur kreatürlichen Offenbarung einführen würde, sich der Name Jesus als die höchste Liebe Gottes in die Erfahrung des feurigen Willens in der Unterschiedlichkeit hineingeben und sich durch die feurige Erfahrung in das Freudenreich hineinführen und den Grimm in ein Liebe-Feuer in der Seele des Menschen wandeln wollte, die aus der feurigen Erfahrung auferstehen mußte. Und (diese Vorsehung seit Ewigkeit versteht man) auch, weil sich die Gnade im Namen Jesu zu einem Banner in den seelischen Grund einvermählen wollte, wie dann auch im Paradies nach dem Fall geschehen war. Dieses Banner (für den Kampf) wurde in den Samen des Einigen Weibes gesteckt, in dem die Vorsehung verinnerlicht lag, aus der alle Menschen herkommen, denn die Unterschiedlichkeit in der feurigen Erfahrung wärt nur solange, wie Seelen geboren werden.

12.9. So gibt es keine bestimmte Verordnung von Ewigkeit her über jede Seele, die da geboren werden sollte, sondern nur eine allgemeine Gnadenvorsehung. Die Verordnung kommt mit der Zeit (im Wachstum) des Baumes hervor. Auch ist das Vorsehen noch im Samen, ehe er eine Kreatur wird. So kennt Gott den Grund, was werden wird, aber das Gericht gehört der Erntezeit, wie Christus in allen Gleichnissen erklärt.

Von der Purpurkrämerin Lydia

12.10. Von der Purpurkrämerin Lydia steht geschrieben: »Der Herr tat ihr das Herz auf, so daß sie vernahm, was Paulus sprach, und gläubig an den Namen Jesus wurde. (Apg. 16.14)« Wie mit Lydia, so ist es auch mit allen fremden Völkern, die den Namen Jesus nicht kennen, aber auf den inneren Grund jenseits aller Bildlichkeit zugehen und begehren, den Einigen Gott zu erkennen und sich ihm zu ergeben. Diese werden von der einverleibten Gnade des eingesprochenen Wortes ergriffen und ohne dem Verstandes-Wissen zu Kindern der Gnade erwählt und geboren, wie auch von dieser Lydia zu denken ist. Auch wenn sie anfangs Paulus für einen fremden Lehrer gehalten hatte, aber als sie hörte, daß er das Gesetz der Gerechtigkeit predigte und wie das Gesetz der Sünde, das den Menschen gefangenhält, in einer solchen Gnade erfüllt worden sei, da bewegte sich in ihrem Hunger nach der Rechtfertigung der innerste Grund in der einverleibten Gnade, und Christus wurde in ihr lebendig, so daß sie Christis Stimme in den Worten von Paulus vernahm, was Christus in ihr lehrte, denn Christus wurde in ihr hörend.

12.11. Den anderen Heiden aber geschah es nicht so, denn sie standen nur in der Bildlichkeit. Ihr Herz war nicht zum Einigen Gott gerichtet, um denselben zu erkennen. Denn sie hatten ihre heidnischen Abgötter, denen sie dienten, und wollten nur etwas Neues von Paulus hören. Nicht desto weniger ging das Wort in ihre Ohren hinein und drängte sich in jene, die einen guten Grund hatten, so daß sie sich später noch bekehrt haben, als sie mehr von Christus predigen hörten. So wurden am selben Orte noch viele Tausend von ihnen bekehrt, als sie das Wort noch mehr ergriff. Auf diese Weise sind auch später noch viele von denen bekehrt wurden, die Petrus am Pfingsttag hörten und an diesem Tag verspotteten. Denn als ihnen das Wort noch mehr (und tiefer) hineinschallte, kam die Stunde ihres innerlichen Hörens. Gleichwie Longino (der römische Hauptmann), der Christus in die Seite stach, auch erst die Stunde seiner Bekehrung fand, als er von vielen sagen hörte, daß Christus der Sohn Gottes wäre. Und so wurde er ein Märtyrer um Christi willen, wie die Historien berichten.

12.12. Deshalb sollte man hier nicht sagen, Lydia sei vor anderen seit Ewigkeit hierzu verordnet (und bestimmt) worden, so daß nur sie allein Paulus erhören konnte. Doch sie war diesmal in göttlicher Bereitung und wollte gern den wahren Grund von Gott erkennen. Ihr Herz sehnte sich danach, und darum tat ihr Gott das Herz auf. Die anderen aber waren diesmal noch nicht bereitet. Doch weil der Heilige Geist begann, an ihr Herz anzuklopfen, faßten sie es nur in die Ohren, bis sie ihm auftaten und darüber nachdachten und in der Schrift forschten, ob es sich auch so verhielte, wie Paulus sagte (Apg. 17.11). Wie auch von den Ephesern berichtet wird: Als sie das Wort mehr hörten, da hatten sie schon eine hungrige Tür des Herzens offen, so daß Christus mit seinem Wort Raum hatte.

12.13. So ging es mit all den Heiden und auch mit den Juden, welche Christus zuerst verspotteten, als er am Kreuz hing. Als sie aber sahen, was da geschah, schlugen viele von ihnen an ihre Herzen, kehrten sich um und sagten: »Wahrlich, dies ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen. (Luk. 23.47)«

12.14. Dies geschah jenen Juden, deren innerlicher Grund diesmal offenstand. Ihnen tat Gott die einverleibte Gnade im Geist Christi auf. Wie man auch in den Historien viel findet, daß mancher Mensch in seiner eingebildeten heidnischen Bildlichkeit lange Zeit Christus verspottete und doch endlich bekehrt wurde, als er in den ernsten Grund seiner selbst gegangen war und verstehen konnte, was doch die vermeintlichen Fabeln von Christus in Wahrheit besagen.

12.15. Denn sobald das Herz von der Bildlichkeit stillsteht und sich in den Grund seiner selbst schwingt, da dringt die Stimme Christi im Wort hinein und klopft im innersten Wesen der Seele an.

12.16. Doch die Einbildung des irdischen Wesens behindert das Herz, so daß es Gott nicht stillstehen und in seinen innerlichen Grund kommen kann, wo Gott lehrt und hört. Denn Gott selbst ist doch an allen Orten und durch alles gegenwärtig, wie geschrieben steht: »Bin ich es nicht, der alles erfüllt? (Jer. 23.24)« Wozu müßte sich die Seele dann anderswohin schwingen, um Gott zu hören, als eben nur in ihren Abgrund (der geistigen Tiefe)? Da ist und wohnt Gott seit Ewigkeit in Ewigkeit. Doch nur in der Kreatur kann er offenbar werden. Dazu steht er im Geist Christi in diesem innerlichen Grund und klopft an die Seele an. Wenn sich nun die Seele zu ihm wendet, dann macht ihr Christus selbst die Gnadentür auf und zieht bei ihr ein und ißt das Abendmahl mit ihr und sie mit ihm (Offb. 3.20).

Erklärung des Spruchs von Matth. 13.11 und Luk. 8.10

12.17. An diesen Stellen steht: »Euch ist gegeben, das Reich Gottes zu erkennen, den anderen aber in Gleichnissen, so daß sie davon hören, aber es nicht erkennen.« Und auch: »Er legte ihnen das Gleichnis aus, und den anderen nicht.«

12.18. Hierin liegt nun der Verstand so tot, daß er ohne das göttliche Licht nichts sieht, und meint, Christus habe es den anderen nicht gönnen wollen und sie wären dessen nicht wert gewesen, auch wenn ihm das Volk nachzog und ihn mit hungriger Begierde lehren hörte. Aber hier ist die (ganzheitlich erkennende) Vernunft etwas anderes als das ABC (des Verstandeswissens). Denn Christus sagte zu seinen Jüngern: »Mein Vater will euch einen anderen Tröster senden, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht. Wenn er kommen wird, der wird euch an all dessen erinnern (zur inneren Erkenntnis), was ich euch gesagt habe, denn von dem Meinen wird er es nehmen und euch verkündigen. (Joh. 16.13)«

12.19. Es sollte also in Gottes Gerechtigkeit nicht des Vaters Stimme, die in Christus spricht, in die Herzen und Ohren der Laien und Zuhörer eingehen, ausgenommen einige, durch die der Vater Wunder wirken wollte, sondern jene Stimme sollte in sie eingehen, welche der Heilige Geist aus Christi Leiden, Tod und Auferstehung mitbrachte, nämlich die Stimme der offenen Gnadentür.

12.20. Denn vor dem Leiden von Christus war die Stimme des Heiligen Geistes in Christus noch in Gottes Gerechtigkeit als sein Gesetz. Aber in Christi Tod wurde das Gesetz der Gerechtigkeit Gottes erfüllt. Also ging durch die Erfüllung danach der Heilige Geist im größten Erbarmen durch Christi Wunden, Blut und Tod im Geist von Christus aus. Diese Stimme sollten die armen Sünder hören, die ihm mit Begierde nachzogen. Den Jüngern aber wurde des Vaters Stimme in Gottes Gerechtigkeit gegeben, so daß sie diese aus Christus hören sollten. Denn sie sollten vor allen mit dieser feurigen Gerechtigkeit angetan werden, in der des Vaters Allmacht stand, nämlich der seelische Grund. Danach wurde ihnen am Pfingsttag der Heilige Geist aus der Gnadenliebe durch Christis Erfüllung der Gerechtigkeit in die feurige Gerechtigkeit des Vaters gegeben.

12.21. Als das geschah, wurden in ihnen die Zungen durch des Vaters Gerechtigkeit zerteilt, und der Geist Christi ging durch die Zerteilung in Gottes Gerechtigkeit mit der Liebe Flamme aus. Und das geschah ihnen darum, damit sie im Geist des Gesetzes und Evangeliums von der Gnade im Geist gegründet würden, denn sie sollten Wunder tun. Denn so kommt die Kraft der Wunder aus des Vaters Allmacht und Eigenschaft, und nicht durch die Eigenschaft der Liebe und Demut, welche nur leiden soll und sich in Gottes Gesetz und der Gerechtigkeit des Zorns hineinergeben, um den Zorn mit Lieben und Leiden zu erfüllen und auch in der Liebe des Erbarmens zu wandeln, wie wir solches klar an Christis Person sehen.

12.22. Wenn Christus Wunder tun wollte, so betete er zuvor zu seinem Vater als in die feurige Allmacht und Gerechtigkeit. Als er aber des Vaters Gerechtigkeit mit seiner Liebe und Demut in seinem Blut der Liebe-Tinktur des Namens Jesu erfüllt hatte, da wurde des Vaters zornige Gerechtigkeit der Liebe Christi untertan. Und aus dieser Untertänigkeit sollten nach Christi Himmelfahrt nicht nur die Jünger, sondern auch die anderen Menschen den Heiligen Geist sprechen hören und die Gleichnisse Christi verstehen können, wie es dann auch so geschah, daß sie danach alle Geheimnisse wohl verstanden. Denn der Geist Christi öffnete ihnen durch seine Erfüllung und Auferstehung das (ganzheitliche) Verständnis, wie danach auch den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus und dem großen Volk, das nach seiner Auferstehung den Geist Christi aus dem Mund der Apostel durch den rechten Sender aus Christi Leiden und Tod sprechen hörte, so daß die Gleichnisse ohne äußere Worte im Geist Christi zu sprechen begannen.

12.23. Darum lehrte Christus, als er vor seinem Leiden auf Erden wandelte, nur in (äußerlichen) Gleichnissen, so daß sie den Geist Christis nicht anders sehen sollten, als in des Vaters Gerechtigkeit. Denn es war noch nicht der Grund, den er ihnen aus seiner Gnade schenken wollte, sondern der war es, der am Pfingsttag aus seinem Verdienst kam, als er die Sünde getilgt und in Gottes Gerechtigkeit versiegelt hatte (Matth. 13.34).

12.24. Die Menschen sollten nicht alle in Wundern und Taten umhergehen, wie die Jünger, welche dazu aus des Vaters Gaben bestimmt waren. Dazu sagte Christus (speziell über Judas): »Vater, ich habe keinen verloren, die du mir aus deiner Gerechtigkeit gegeben hast, als nur das verlorene Kind, das zuvor verloren war, so daß die Schrift erfüllt würde. (Joh. 17.12)« Damit meinte Christus diejenigen, die ihm sein Vater zur Ordnung und zum Amt des Einladens in sein Reich gegeben hatte. Aber die anderen sollten durch den Geist der Demut aus Christis Liebe und seinem Prozeß des Leidens und Todes geboren werden und ihm in diesem Prozeß unter der Kreuzfahne in Geduld nachfahren und sich aus Gottes Gerechtigkeit mit ihrer Demut im Geist Christi hineinergeben und aufopfern, aus dem auch das Morden der Juden und Heiden begann.

12.25. Denn durch das Blut der Christen wurde Gottes Gerechtigkeit im Zorn in das große Liebe-Erbarmen gebracht, so daß in Gottes Gerechtigkeit solche Wunder und Taten in der Demut Christi bei den Christen geschahen, was wohl jetzt eine Zeitlang gefehlt hat, seit man den Geist Christi im Menschen auf weiche Kissen und fette Bäuche in Macht, Pracht und Herrlichkeit setzen wollte, der doch nur darum erschienen und offenbar geworden ist, daß er leiden und Gottes Zorn in seiner Gerechtigkeit mit der Hingabe seines Leidens erfüllen will.

12.26. Darum beschaue dich, du sogenannte Christenheit, ob deine Gerechtigkeit wirklich in der Geduld des Leidens Christi steht? Und ob du auch etwas Höheres in deinem Christennamen suchst, nämlich daß Christus mit seiner Liebe in seinem Leiden und Tod in dir offenbar werde und du allein begehrst, seinem Vorbild ähnlich zu werden, mit dem er Gottes Gerechtigkeit erfüllt hat.

12.27. Beschaue dich doch nur! Suchst du nicht nur Ausflüchte und deckst das Leiden Christi über dein heidnisches und abgöttisches Bild? Was tust du, oh vermeintliche Christenheit?! Mit Disputieren und Forschen willst du ein Christ sein, und Fremdsprachen sollen dich zum Apostel machen. Streiten, Jammern und Zanken ist dein apostolisches Herz, dahinter nichts als deine eigene Ehre steckt, voller Sucht des schwarzen Teufels. Wo hast du das Leiden und die Geduld Christi in seinem Gehorsam hingetan? Oh du Bösartige, siehe, es kommt ein Bote aus Gottes Gerechtigkeit und fordert, dich Treulose mit deinem angehängten Christennamen durch Feuer und Schwert zu vertilgen, um seine wahren Kinder des Gehorsams in seiner Liebe zu offenbaren. Das wirst du bald erfahren. So reden wir, wie wir sollen. Amen.

Von den Worten Christi: »Vater, vergib ihnen!«

12.28. Es werden auch die Worte Christi am Kreuz mit eingeworfen, als er sagte: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (Luk. 23.34)« — Erklärung: Wie bereits oben erklärt wurde, waren den Juden die Geheimnisse vom Reich Christi und der wahren Rechtfertigung des armen Sünders vor Gott nicht eher offenbar, bis die Rechtfertigung im Blut Christi geschehen war. Also sollten nun diejenigen, welche der Vater zum Werkzeug und Prozeß Christi auserkoren hatte, zuvor nicht wissen, was sie taten. Aber nachdem sie es getan hatten, tat ihnen Gott das Verständnis zur Bekehrung auf. Darum bat Christus des Vaters Gerechtigkeit, die diese Mörder und Blutrichter im Zorn verschlingen wollte, daß Gottes Gerechtigkeit ihnen in Christi Blut vergeben möge.

12.29. Niemand kannte den Weltheiland wahrhaft, auch die Apostel selber nicht, bis auf die Offenbarung nach seinem Tod. Und man soll nicht sagen, Gott habe diese Männer im Besonderen dazu verstockt, daß sie Christus nicht erkennen konnten. Nein, es kannte ihn wohl keiner wahrhaft und wußte, was sein Amt war, bis nach seiner Erfüllung dessen, darum er kommen war.

12.30. Diese Männer, welche Christus verurteilten und töteten, die saßen im Amt des Gesetzes der Gerechtigkeit Gottes. Das Gesetz als Gottes Gerechtigkeit tötete Christus. Sie aber meinten, sie taten Gott einen Dienst damit und eiferten im Gesetz von Gottes Gerechtigkeit, das sie auch zum Werkzeug der Erfüllung des Gesetzes in Christus als des Gesetzes Amtleute auserkoren hatte.

12.31. Wie auch Saulus, so daß er im Gesetz der Gerechtigkeit Gottes mit wahrem göttlichem Eifer eiferte, wie es das Gesetz erforderte, bis ihn die Erfüllung des Gesetzes im Eifer seines Vorhabens ergriff und ihm andeutete, daß dieser Eifer im Gesetz mit Blut erfüllt worden sei. Er sollte nun zukünftig nicht mehr im Gesetz der Gerechtigkeit des Vaters im Feuer eifern, sondern in der Erfüllung in der Liebe Christi.

12.32. Denn das sind nicht die größten Sünder, die Christus gekreuzigt haben, denn sie sollten es vermöge des Amtes im Gesetz tun, das sie trugen. Sondern das sind vielmehr die größten Sünder, die nach der Erfüllung des Gesetzes Christus spotten und in seinen Gliedern töten, und auch selber in Sünde totbleiben, nachdem ihnen in der Erfüllung des Gesetzes schon die Gnade in der geistigen Kraft mit Wundern und Taten angeboten wurde. Aber sie stopften ihre Ohren zu und lästerten nur dagegen. Und so lästerten sie dem Heiligen Geist im Verdienst Christi in seiner herrlichen Offenbarung und angebotenen Gnade.

12.33. Darum sollen wir die Schrift recht ansehen und nicht von einer besonderen Verstockung sprechen, wenn Christus sagte: »Sie wissen es (noch) nicht, was sie tun.« — Es wußte keiner, wer Christus war, bis zu seinem Tod, da erkannten sie ihn erst.

12.34. Wenn aber nun danach noch einer mit den Worten Christi sagen wollte: „Ich tue dies und das und weiß nicht, was ich tue. Gott hat mich so verstockt, daß ich es tun muß.“ Oder auch: „Ich muß stehlen und lügen, auch wuchern, geizen und zürnen und damit meinen Stolz treiben.“ Der betrachte sich achtsam selbst, was er ist und ob er nicht ein Kind des Teufels sei, der ihn mit solcher Einbildung verstockt habe. Wenn ihn Gott so verstockt hat, daß er solches tun muß, dann ist das Gesetz seiner Gerechtigkeit von ihm abgefallen und auch die Lehre des Evangeliums, denn er tut, was er tun soll und muß, und so kann es unvermeidlich nicht anders sein. Welches doch alles gegen das Gesetz der Gerechtigkeit des Vaters und gegen das Gesetz des Sohnes in seinem Evangelium läuft, und er keinen Beweis dafür hat, mit dem er sich entschuldigen kann, wenn ihn Gottes Wahrheit als einen Lügner in die Hölle wirft, deren Kind er im ergriffenen Zorn Gottes auch ist, nämlich aus dem Vater der Lügen geboren, wie Christus vom Satan sagte (Joh. 8.44).

12.35. Mehr noch wirft der Verstand ein: »Christus bat für Petrus, daß sein Glaube nicht aufhöre. (Luk. 22.32)« Warum auch nicht für die anderen, so daß deren Glaube nicht aufhöre? Also muß ja ein Vorsatz sein, sagt der Verstand.

12.36. Erklärung: Wie schon erklärt wurde, empfingen Petrus und die anderen Apostel den Grund des Glaubens aus Christis Stimme vor der Erfüllung des Gesetzes. Doch ihr Glaube ruhte noch im Gesetz des Vaters, nämlich im Geist der Gerechtigkeit Gottes. Darum versprach ihnen Christus, daß er ihnen einen anderen Tröster senden werde, nämlich den Geist der Wahrheit, der den Glauben aus Christi Erfüllung und Tod sowie seiner Auferstehung und Wiederbringung nehmen würde, und der würde bei ihnen bleiben und sie in alle Wahrheit führen, und es von dem Seinen nehmen und in ihnen verkündigen.

12.37. Der erste Glaube wurde ihnen vom Vater gegeben, als er sie zu seinen Jüngern machte, und darin lag noch Gottes Gerechtigkeit im Zorn. Diesen Glauben begehrte der Satan zu versuchen und zu durchdringen, ob es der sei, der ihm sein Reich im Menschen nehmen und die Hölle zerstören solle und wolle. Doch dieser Glaube im Zorn Gottes konnte den wahren Test der Feuerprobe noch nicht bestehen. Darum bat der Name Jesus für sie, daß doch dieser Grund in ihnen nicht aufhöre, darin sie danach im Glauben und der Liebe und Demut Wunder tun sollten. Sonst wären die Wunder nicht so feurig über Leben und Tod geschehen, nämlich über Gottes Gerechtigkeit, welche die Liebe im Blut Christi überwand.

12.38. Aber den anderen war dieser Glaube noch nicht gegeben, denn sie waren keine Apostel, sondern mußten auf die Verheißung warten. Dafür wurde ihnen der Gnadenglaube gegeben, und damit bittet Christus auch für sie, wie für Petrus, daß ihr Glaube nicht aufhöre, wie geschrieben steht: »Er sitzt zur Rechten Gottes und vertritt uns.« Und er bittet unaufhörlich die Gerechtigkeit Gottes mit unaussprechlichem Seufzen für uns in uns selbst, damit wir doch einmal lernen mögen, die Schrift wahrhaft zu erkennen und zu verstehen und vom unnützen Geschwätz ab und in den Grund der Wahrheit gehen!

12.39. So soll nun niemand sagen, Christus bitte nicht für alle Menschen, wie er für Petrus bat, so daß ihr Glaube nicht aufhöre, denn er ist das wirkliche Bitten als das Gebet in uns selbst. Was gaukeln wir denn lange mit solchen Einwürfen? Wir sollten sie auf Wunsch erklären und wahrhaft erkennen, denn als Christus sagte »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen (noch) nicht, was sie tun.«, da bat er für alle, die ihn noch nicht kannten, aber noch kennenlernen würden.

Die Bedeutung der Figur von Judas

12.40. Daß aber eingeworfen wird, Judas ließ er verzagen, dazu betrachte die Schrift, was sie von Judas sagt. Denn Christus spricht: »Ich habe derer keinen verloren, die du mir gegeben hast, außer das verlorene Kind, damit die Schrift erfüllt würde (Joh. 17.12)«, die da sagt: »Der mein Brot ißt, der tritt mich mit Füßen. (Psalm 41.10)« Siehst du nicht, daß Christus ihn ein verlorenes Kind nannte, der schon zuvor eine Distel war, die der Zorn in Gottes Gerechtigkeit in sich selbst zu seinem Leben geboren hatte?

12.41. Also mußte dieser Judas zu einer (gleichnishaften) Figur und zum Verräter Christi ein Apostel genannt werden, um anzudeuten, was für Leute zukünftig unter Christis Lehre sein würden, wie sie das Brot des Kelchs Christi unter dem Schein großer Heiligkeit essen werden, und doch nur Christus in seinen Gliedern verraten und zum Tode verurteilen helfen, wie solches lange Zeit die Diener der antichristlichen Kirchen in den Sekten getan haben und noch heute tun, welche die wahren Christen nur verraten und sie verleumden und Christus kreuzigen und töten helfen.

12.42. Also sagt Christus, daß dadurch die Schrift erfüllt werden müsse, die von Christus andeutet, daß er in seinen Gliedern stets so verraten und getötet werden sollte, damit auch stets Gottes Gerechtigkeit in den Gliedern Christis bis ans Ende der Welt erfüllt werde. Also müssen diese Judas-Brüder ein Werkzeug der Gerechtigkeit Gottes im Zorn dazu sein, und müssen mit unter die Apostel gezählt werden, so daß man ihnen glaubt, sie seien Apostel.

12.43. Sie müssen den apostolischen Beruf von Menschen haben und an Christi Stelle sitzen und das Brot Christi essen, auf daß ja Christus in seinem Prozeß in seinen Gliedern immerdar verraten werde und der Prozeß Christi nicht aufhöre, bis er wiederkomme und seine Braut heimhole. Denn diese Judas-Brüder dienen auch Gott in seiner strengen Gerechtigkeit, damit diese stets im Blut Christi in seinen Gliedern erfüllt werde. »Denn der Gottlose ist Gott ein guter Geruch zum Tode, und der Heilige zum Leben. (2.Kor. 2.15)«

12.44. Weil nun Gott ein zorniger und auch ein lieber Gott ist, so mußte und muß noch allezeit diese Figur in Christis Amt neben der anderen stehen, auf daß eine die andere treibe und sie ineinander offenbar werden, zum Lob der Herrlichkeit Gottes am Tag seiner Erscheinung.

12.45. Auch hier kann niemand mit Grund sagen, daß Gott Judas aus besonderem Willen und Vorsatz verstockt habe, so daß er sich nicht hätte bekehren können. Sondern die Gerechtigkeit Gottes im Zorn hatte ihn ergriffen und in eine Distel formiert (bzw. „informiert“) und geboren, noch ehe er ein Apostel war, sogar noch im Samen, bevor die Seele geboren wurde, nämlich aus angeerbter Sünde, weil Gott bis ins dritte und vierte Glied (der Generationen) straft.

12.46. Also stellt Gottes Gerechtigkeit mit Judas eine (gleichnishafte) Figur dar, wie der Mensch zur Verdammnis (bzw. Überwindung) des Todes Christus in Gottes Gerechtigkeit zum Tode offenbaren sollte, damit er in der Gerechtigkeit für das Volk der Sünde sterben und der Gerechtigkeit genugtun solle. So stellte der Zorn mit Judas seine eigene Figur neben Christus in sein Amt, so daß man erkennen sollte, es wäre Gottes Wille, daß sein Zorn im Menschen getilgt werden solle. Denn es bliebe sonst des Zorns eigener Wille in Gottes Gerechtigkeit (als ein Zentrum zur Offenbarung Gottes, wie bereits zuvor vom Zentrum erklärt wurde) nur in sich selber wohnend.

12.47. Wenn aber einer fragen wollte: Was kann ein Kind im Mutterleib dafür, daß es eine Distel wird? Dem sei gesagt, daß es der Wurzel Schuld sei, welche die Distel selbst ist, wie auch Christus sagte: »Ein schlechter Baum kann keine guten Früchte bringen. (Matth. 7.18)« Der Zorn Gottes will auch kreatürlich sein, aber nicht aus Gottes Vorsatz, sondern aus dem Vorsatz des Grimms der ewigen Natur selbst, der aber nicht Gott, sondern Grimm und wie eine Ursache des Feuers ist, daraus das Licht offenbar wird. Siehst du allhier nichts, dann rate dir Gott!

12.48. Wenn man aber sagen wollte, Judas sei sein Verbrechen leid gewesen, das ist wohl wahr. Ist es doch dem Teufel auch leid, daß er kein guter Engel ist, sondern ein Teufel und nichts anderes sein kann. So verzagt er an der Gnade Gottes, und das ist seine ewige Hölle.

12.49. Also war es auch Judas leid, daß er von Gottes Gnade verstoßen war. Aber der Gnade begehrte er auch nicht, denn der Quell zum Gnade-Begehren war nicht in ihm. Er war nicht aus dem Glauben geboren, als aus dem verheißenen Samen. Und wenn er auch aus derselben Natur kam, in welcher der Glaube verinnerlicht liegt, und auch das einverleibte Wort im Abgrund der Seele hatte, so hatte aber seine Seele schon eine Gestalt der Finsternis, welche in der Gnade ganz tot und gar untüchtig zum Leben war. Denn wenn auch eine Distel mit Honig gepflanzt würde, so wüchse doch nur eine fette Distel daraus. Diesen gehört nicht die Gnade, denn Christus sagte seinen Jüngern: »Nehmt hin und trinkt! Das ist mein Blut, das für euch und für viele (andere) vergossen wird.« Im Blut war die Tinktur (aus dem Meer der Ursachen). Doch die Sonne gibt ihre heilige Tinktur nicht der Distel, die ein falsches Leben für diese Tinktur hat. Sie gibt ihr wohl Erfahrung und Wesen, aber des Kleinods (der Gnade) ist die Distel nicht fähig. Sie zieht aus der Sonne nur die Eigenschaft, die ihr gleicht und ihr dient. So ist es auch hier zu verstehen, wenn St. Paulus sagt: »Darum, daß ihr den Leib des Herrn nicht unterscheidet (bzw. erkennt), empfängt ihn der Gottlose zum Gericht (1.Kor. 11.29)«, wie die Distel die Sonne.

Das Gleichnis der Blindgeborenen

12.50. Ferner wirft der Verstand bezüglich des Blindgeborenen ein, als die Jünger Christi fragten »Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern? (Joh. 9.2)«, daß Christus ihnen zur Antwort gab: »Es haben weder seine Eltern noch dieser gesündigt, sondern (es geschah,) damit die Werke Gottes offenbar würden.«

12.51. Erklärung: Gott hat das Reich dieser Welt in Zeit, Ziel, Maß und Gewicht eingeschlossen (Weis. 11.21), und so stehen die Werke Gottes in einer wirkenden Gestaltung. Doch wenn die Gestaltung offenbar werden soll, dann steht auch das Selbst da, darin und damit es offenbar werden soll.

12.52. Weil Christus in diesem gläubigen Blindgeborenen vor seinem Leiden und seiner Erfüllung des Gesetzes der Natur offenbar werden sollte, so mußte ihn das Gesetze mit den Augen der Natur zuvor töten, auf daß ihm Christus die Augen des Glaubens auftun konnte, damit danach diese Glaubens-Augen auch der Natur ihre Augen durch die Gnade auftun. Er war eine gleichnishafte Figur, wie wir in Adam an Gott blind geworden waren und wie wir in Christus wieder sehend würden. Denn diesem Blinden kam seine Blindheit nicht aus besonderer angeerbter Sünde, denn er war ein Glaubens-Samen, in dem Christus mit seiner Annehmung der Menschheit rege geworden war, darin er auch an ihn glaubte. Aber dieses innerliche Glaubens-Sehen aus Christus galt noch nicht. Er sollte erst durch dessen menschliche Stimme sehend werden.

12.53. Denn als Jesus Mensch wurde, da wurde das Menschliche in Gottes Sehen geboren. Aber das Gesetz Gottes hielt dieses Sehen (bzw. göttliches Bewußtsein) in den armen Sündern noch gefangen, bis unsere Augen aus des Gesetzes Erfüllung durch seinen Tod sehend wurden. Damit nun dieser aus dem Glaubens-Samen im Mutterleib durch Christi Eingehung und Offenbarung in der Menschheit sehend werden konnte, tötete die Natur sein (körperliches) Sehen, so daß er mit dem Glauben nicht durch das Licht der Natur sehen mußte, denn es war Gottes Gerechtigkeit im Gesetz der Natur noch nicht geschehen (und erfüllt).

12.54. Also mußte dieser blind geboren werden, auf daß das göttliche Auge im Glauben ihn sehend machte, nämlich durch das Einsprechen des heiligen Namens „Jesu“, damit die Herrlichkeit Gottes offenbar würde. Deshalb sollte man nicht sagen, daß dieser Blinde durch einen besonderen Vorsatz blind geboren worden sei, sondern er war einer aus der Wurzel des Glaubens-Samens, und diesen Glauben sollte der Name „Jesu“ als Gottes Licht in der Liebe sehend machen. Er war einer im Uhrwerk (bzw. „Zeit-Werk“) Christis, der zu seinem Prozeß von Gott dem Vater an Christus gegeben wurde, gleichwie auch die Pharisäer im Uhrwerk des Gesetzes der Gerechtigkeit Gottes mit zum Prozeß Christi kamen (und wirkten).

Die falschen Propheten

12.55. So wird auch oft der Spruch in den Verstand geworfen, um zu beweisen, Gott wolle, daß die Menschen verführt und verdammt würden, wenn Christus spricht: »Es werden falsche Christis und falsche Propheten aufstehen, so daß in Irrtum, soweit es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt würden. (Matth. 24.24)«

12.56. Erklärung: Dieser Text sagt, sie werden »aufstehen«. Er sagt aber nicht, daß sie von Gott gesandt seien, viel weniger aus Christus, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben war.

12.57. So sollten diese falschen Propheten aus dem Vorsatz göttlichen Zorns wie aus dem Eifer der Gerechtigkeit entstehen und das Herz der falschen Maulchristen verführen, welche sich „Christen“ nennen. Diese sollten durch diesen verbitterten Geist göttlichen Zorns im (Entwicklungs-) Prozeß Christi versucht werden, ob sie den Geistern der Lügen glauben, dieweil sie sich „Christen“ nennen, aber Christus nicht in ihnen ist, weil sie Kinder des Zorns sind. So sollten sie ihre Bilder der Greuel und falschen Deutelei darstellen, damit ihnen die Kinder des falschen Namens „Christ“ mit Christi Purpurmantel bedeckt anhingen und sich die wahren Christen von ihnen absonderten, auf daß erkannt würde, wer Christus sei. Auch sollte im Prozeß Christi durch die falschen Propheten mit Beraten, Töten und Leiden offenbar werden, daß Christus von den Pharisäern und Heiden wegen ihres falschen Gottesdienstes immerdar getötet würde.

12.58. Denn Gottes Gerechtigkeit fordert die Kirche Christi im Blut und bildet immerdar eine Ursache für falsche Propheten und Christen. Und diese falschen Propheten töten mit den Heiden als Tyrannen ohne Unterlaß Christus in seinen Gliedern und opfern ihn der Gerechtigkeit Gottes, dadurch Gottes Zorn in den wahren Christen getötet wird.

12.59. Wenn man heute diese falschen Propheten erkennen will, wer sie sind, so sehe man nur jene an, die sich ihre Meinung aus den (toten) Buchstaben zusammengefaßt und stattliche Schriften voller Schmähung und Knüppeln des Zorns Gottes gesetzt haben, wie eine Sekte die andere in die Augen schlägt und als falsch verschreit. Doch leben diese Schreihälse einer wie der andere und schreiben nur zu ihren eigenen Ehren, damit sie als hochgelehrte Leute angesehen werden, auf die alle Welt sehen soll, daß sie Christus sind. Aber sie sind nur Titel- und Maul-Christen ohne die Gnade, leben auch ganz ohne Christis Prozeß nur in ihren Gelüsten des Fleisches und dichten täglich mehr, wie sie Ränke (Intrigen) eines neuen Ordens- und Gottesdienstes erdenken können, darunter sie einen strahlenden Schein bekommen und man sie desto mehr ehrt und mit Reichtum zur Bauchfülle ihres göttlichen Bauch-Körpers beschenkt.

12.60. Diese haben nicht Christi Geist in sich, sind auch keine Apostel Christis, sondern alle miteinander nur falsche Propheten, welche aus dem Buchstaben ohne Wissen (bzw. Weisheit) deuten. Denn was sie sagen, das wissen und glauben sie selber nicht, und sind eben die reißenden Wölfe, von denen Christus sagt, sie haben nicht Christis Wissen in sich und weissagen trotzdem.

12.61. Denn von denen, die in Christus sind, sagte er, sei es nicht möglich, daß sie verführt werden können. Das sind nun diese, in denen Christus Mensch geworden ist. Sie sind nach dem inneren Grund in Christus im Himmel und in Gott, und sie hören Christus in sich sprechen, denn sie hören nur Gottes Wort und nicht die falschen Propheten. Wenn man diese falschen Propheten jetzt in allen Sekten ausjäten wollte, dann würde die apostolische Schar klein werden, die sich Apostel nennen.

12.62. Darum sollte man niemals sagen, daß Gott diese falschen Propheten dazu bestimmt hat, daß er den Menschen, die sonst zur Seligkeit kommen könnten, die Seligkeit nicht gönnen wollte. Wie der Verstand auch irrtümlich meint, daß sich Gott einen Teil der Menschen zur Seligkeit und den anderen zur Verdammnis bestimmt habe, und das wolle Gott so haben, und darum sendet er ihnen kräftigen Irrtum, nur damit sie fallen müssen und er seinen Zorn an ihnen beweisen könne.

Aufruf zur Wahrhaftigkeit

12.63. Ihr lieben Brüder, die ihr mit solchem Wahn verwirrt seid, wir raten euch: Lehrt keinen Wahn, versichert euch dessen zuvor in Christi Geist aus dem inneren Grund, sonst werdet ihr in Gottes Gerechtigkeit unter die falschen Propheten gezählt und ergriffen. Habt ihr nicht die Tür Christi in eurer Seele offen, daß ihr im Geiste Christi aus- und eingeht und wahre gewissenhafte Weide für die Schafe findet, so daß ihr sie in Christi Gras weiden könnt, dann laßt es lieber bleiben.

12.64. Eure Schulkunst, wenn ihr einander mit Worten des Verstandes schlagt und überwindet und danach solche Verstandes-Errungenschaft als Christi Wahrheit schreibt und lehrt, das gilt euch nichts vor Gott. Denn Christus nannte diese Diebe und Mörder, welche ohne seinen Geist und sein Wissen zu einer anderen Tür einstiegen, nämlich durch (gedankliche) Verstandes-Schlüsse ohne Christi Wissen und Willen. Seid ihr nicht mit Christi Geist gewappnet, so zieht nicht in den Krieg gegen einen so mächtigen Feind wie den Teufel und Gottes Gerechtigkeit im Zorn. Ihr werdet hier mit euren Verstandes-Schlußfolgerungen ohne das Blut Christi in euch nichts gewinnen, sondern durch Gottes strenge Gerechtigkeit werdet ihr nur in euren Verstandes-Schlüssen gefangen und zu falschen Propheten im Zorn Gottes erwählt.

12.65. Denn keiner ist ein Prophet, der nicht im großen Uhrwerk der göttlichen Ordnung im ausgesprochenen Wort als ein Ziel der Zeit aus Gottes Gerechtigkeit geboren wurde, so daß durch dieses Ziel der Heilige Geist Gottes in göttlicher Ordnung spricht. Er muß ein Ziel im Uhrwerk im Mysterium Magnum sein, durch das der Geist Gottes auf ein anderes (höheres) Ziel der Offenbarung deutet. Wie auch die Propheten solche waren und noch heute sind, die im Ziel des großen Uhrwerks durch die Gnaden-Vorsehung in Jesus Christus stehen, weil uns Gott in Jesus Christus vor der Welt Grund (bzw. in der Gründung der Welt) vorgesehen und gesehen hat. Er muß in Gottes Gerechtigkeit mit seinem prophetischen Geist verinnerlicht stehen. Und eben in diesem Ziel, darin Gott den Namen seiner Liebe in die Gerechtigkeit hineinversehen hat, auf daß er aus dem Grund des Gesetzes der Gerechtigkeit des göttlichen Vorsatzes und dann auch aus dem Grund der vorgesetzten Gnade geboren sei, so daß er das Gesetz als Gottes Gerechtigkeit und auch das Evangelium als Gottes Liebe und des Gesetzes Erfüllung lehren kann.

12.66. Dieser ist ein wahrer Prophet und kein anderer, denn er ist das Ziel eines Reiches im Mysterium Magnum, dadurch und daraus die Ordnung der Reiche auf Erden entstanden. Er ist sozusagen der Mund dieses Reiches. Weil er aber lehren muß, wie Gottes Gerechtigkeit im Zorn mit der Gnade getötet werden soll und daß sich zuvor die Gnade dem Zorn zur Tötung der Gerechtigkeit ganz hineinergeben müsse, so wird er auch im Prozeß Christi von den falschen Propheten und Pharisäern derselben Gerechtigkeit Gottes mit geopfert. Denn das soll und muß so sein, damit sein Ziel auch im Blut Christi hindurch vom Zorn geführt werde und das Ziel der Gerechtigkeit in die Gnade gesetzt wird. Darum müssen die Propheten Christis Märtyrer werden.

12.67. Dieses mögen alle wohl erkennen, die lehren wollen und meinen, sie sind dazu berufen! Schaut eure Berufung in euch gut an, ob ihr auch von Gott in seinem Uhrwerk in Christus berufen seid. Ob euch Christus in euch mit seiner Stimme berufen hat, wenn nicht, so seid ihr nichts anderes als nur falsche Propheten, die da ungesendet laufen und nicht zur Tür Christi in den Schafstall eingehen.

12.68. Daß ihr euch auf Menschenruf stützt, das gilt wohl vor Menschen, und Gott läßt sich das auch gefallen, was Menschen tun, wenn es in seiner Ordnung geschieht, besonders, wenn ihr euch durch Menschenruf in Gottesruf hineinergebt und auch bedenkt, wie ihr in eurem Menschenruf des göttlichen Rufs fähig werden könntet. Wo das nicht ist und ihr nur im Menschenruf in eigenem Willen bleibt, da sitzt ihr auf dem Stuhl der Pestilenz und seid Pharisäer und falsche Propheten. Und wenn ihr auch viele Hunderttausend wärt, so macht euch doch das Amt nicht zu Propheten und Hirten Christis, es sein denn, ihr geht durch Christis lebendige Tür ein. Auch wenn dies dem Pharisäer nicht schmecken wird, so ist doch die Zeit geboren und das Ziel vorhanden, daß es offenbar werden soll, und davor hilft keine Menschenlist mehr. Weh dem Volk, das dieses verachtet! Es wird in Gottes Gerechtigkeit im Eifer gefressen werden.

Die Bedeutung des Propheten Jona

12.69. So führt nun der Verstand auch den Propheten Jona zu seinem Beweis an, daß Gott die Menschen vorsätzlich zum Bösen und Guten zwinge, wie er Jona zwang, daß er nach Ninive gehen mußte.

12.70. Erklärung: Höre, oh Verstand, irre dich nicht! Gottes Geist läßt sich nicht vom Verstand richten. Jona war ein Prophet, geboren aus dem Ziel des Bundes, und stand in Christis (gleichnishafter) Figur, nämlich wie Christus in den Zorn Gottes im Rachen des großen Walfisches göttlicher Gerechtigkeit hineingeworfen werden sollte, um diese zu erfüllen, wie er in das Meer des Todes eingehen sollte und wie ihn der Zorn Gottes, den er in diesem Walfisch des Todes überwand, wieder lebendig und ledig (befreit) aus sich ausgehen lassen sollte, wie Jona aus dem Bauch des Walfisches.

12.71. Es war eine Figur Christis und aus dem Ziel des großen Uhrwerks, aus dem Mysterium Magnum und aus den beiden Vorsätzen Gottes geboren, nämlich aus seiner Gnade und aus seiner Gerechtigkeit, und so wurde er als eine (gleichnishafte) Figur dargestellt, nämlich zu einem Spiel des göttlichen Geistes. Denn der Geist in dieser Figur sah und deutet auf Christus, wie sich die Menschheit Christi, nämlich unsere angenommene Menschheit, vor Ninive entsetzen würde, nämlich vor der Gefahr des Lebens, wie auch Christus sagte, als dann die Zeit da war, daß er nach Ninive als in den Zorn Gottes gehen sollte: »Vater, ist es möglich, dann nehme diesen Kelch von mir. (Luk. 22.42)« Und deshalb verbarg er sich auch öfters vor den Pharisäern als den Niniviten, wie Jona vor Ninive.

12.72. So deutet diese Figur auch auf uns (Propheten), wenn wir wie der arme Jonas dem Volk die Strafe und das Gericht Gottes verkünden sollen und unser Leben unter ihnen um der Wahrheit willen wagen müssen, und wie man dann Ausflüchte sucht und sich auf das Meer der Welt begibt, unter die fetten Tage, vor Gottes Befehl flieht und stillschweigt aus Furcht vor den Niniviten, und wie dann der Walfisch von Gottes Zorn kommt und die Propheten in seinen Rachen verschlingt.

12.73. Daß aber Jona mit Gewalt dazu getrieben wurde, deutet an, daß der Vorsatz des göttlichen Vaters in Christus bestehen sollte und mußte. Denn auch wenn sich Adam von Gottes Gehorsam in die Bildlichkeit dieser Welt abgewandt hatte, so daß der Mensch dem großen Walfisch, nämlich dem Tode übergeben war, sollte doch Gottes Vorsatz bestehen und Adam in Christus aus dem Bauch des Todes auferstehen.

12.74. Das ist die Figur (und Bedeutung) von Jona, ihr lieben Brüder, und nicht euer vermeintlicher Vorsatz und Zwang zum Bösen und Guten. Es ist eine Figur Christis, darum laßt von solchen Schlüssen ab und lästert nicht dem Heiligen Geist in seinen Wundern in der Figur Christis durch die Andeutung irriger Meinungen, oder ihr werdet mit euren Schlüssen in das Meer von Gottes Zorn geworfen. Davor sollen und wollen wir euch in Liebe brüderlich warnen.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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