Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

7. Kapitel - Wie das Tier im Menschen erwachte

Von der tierischen Offenbarung im Menschen, wie Adam und Eva ihre Augen aufgetan wurden und wie das im Grunde zu verstehen sei.

7.1. Wenn wir das Ebenbildnis (Gottes) in seinem magischen Grund recht betrachten, und wie es geschieht, daß sich im Geist der Welt (Spiritus Mundi) zu allen Dingen ein Gegenbildnis formiert, wie wir das in einem Spiegel, im Wasser oder am Schatten sehen, so kommen wir bald und nahe auf den Grund, wie alle Wesen aus einem Einigen entstanden und wie alle Kreaturen im Geist der Welt als im ausgesprochenen Wort Gottes liegen. Darum können wir wohl mit Grund sagen, daß alle Kreaturen auch in Adam gelegen sind, nicht daß sie aus Adam ausgegangen und in das Geschöpf eingetreten sind, sondern in der ewigen Erfahrung der Seele, in der sich das Wort Gottes in einen natürlichen und kreatürlichen Grund formiert und bildet. Darin werden alle Eigenschaften verstanden, wie es auch Moses bezeugt, daß der Mensch über alle Kreaturen herrschen sollte. Aber nun, nach dem (Sünden-) Fall, herrschen sie über ihn.

7.2. Denn als die Seele in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit stand, da drang der geistige Wille der Seele durch alle Kreaturen und wurde von keiner verletzt, denn keine konnte ihn ergreifen. Gleichwie keine Kreatur mit ihrem Willen der Sonne Wärme und Schein ergreifen kann, sondern es hinnehmen muß, daß sie davon durchdrungen wird, so war auch der geistige Wille des Menschen. Als er aber durch das Gift der Schlange im Willen des Teufels gefangen wurde, da wurde er allen Kreaturen ein Feind und verlor diese Macht.

7.3. Auch bekamen die Kreaturen Gewalt in ihm und erhoben sich in ihm, wie es uns nun vor Augen steht, wenn mancher in der Eigenschaft einer listigen Schlange voll arger List und giftiger Bosheit ist, oder ein anderer die Eigenschaft einer Kröte in sich hat, oder die eines Hundes, einer Katze, eines Basilisken, Löwen, Bären, Wolfes und so fort durch alle Eigenschaften der Tiere und Würmer.

7.4. Sie haben wohl von außen das ursprünglich gestaltete Bild an sich, aber in ihrer Eigenschaft sitzt ein bösartiges Tier. Dergleichen ist auch von den guten und zahmen Tieren zu verstehen, so daß mancher auch in der Eigenschaft eines guten Tieres steht. Und so ist wohl kein Mensch aus Adams Samen gezeugt, der ohne die Eigenschaft irgendeines Tieres im irdischen Leib wäre, mancher mehr im Bösartigen und mancher im Gutartigen.

7.5. Dieses wird nun unter dem Fall (aus dem ganzheitlichen Paradies) verstanden, daß sich alle Eigenschaften im Welt-Geist im Menschen offenbart haben, alle feurigen Erfahrungen wie Hitze und Kälte, und auch alle anderen besonderen Qualitäten, so daß in ihm die Eigenschaften der ganzen Natur nach Bösem und Guten offenbart (und wirksam) wurden. Denn sobald sie von der irdischen Frucht im Körper aßen, ging die ganzheitliche Ausgeglichenheit auseinander und der Körper wurde nach allen Eigenschaften im Geist der Welt offenbar. Da fielen Hitze und Kälte auf ihn und drangen in ihn ein. Alle Eigenschaften der Natur, darin der kreatürliche Grund liegt, drängten sich in ihm in einen Widerwillen, dadurch ihm Krankheit und Tod durch Vergänglichkeit entstanden.

7.6. Und mit diesem Bissen (mit dieser gegensätzlichen Nahrung) starb er an Gottes Reich und wachte im Reich der Natur auf, und wurde aus der Leidlosigkeit in die Leiderfahrung gesetzt, und wurde nach dem äußeren Leib ein Tier aller Tiere als das tierische Bild Gottes, weil sich das Wort Gottes in irdischem Bildnis offenbart hat. Also wurde der Mensch nach dem äußeren Leib ein Meister und Fürst aller Tiere, und war doch selber nur ein Tier, zwar mit einer edleren Erfahrung als ein Tier, aber trotzdem hatte er ein Tier in seiner Eigenschaft.

7.7. Und zu dieser Stunde wurde im Menschen eine Pforte der finsteren Welt in Gottes Zorn geöffnet, nämlich die Hölle oder der Schlund des Teufels, wie auch das Reich der Phantasie in ihm offenbar wurde. Der zornige Gott (nach dem Reich der Finsternis so genannt) wurde in ihm offenbar und fing ihn nach der seelischen Erfahrung in der Kreatur. Nicht der Grund der seelischen Erfahrung konnte zertrennt werden, sondern die Kreatur aus den drei Grundqualitäten von Salz, Schwefel und Quecksilber trennte sich in eine ewige Natur und in eine zeitliche Natur im Geist der Welt. Die zeitliche Natur wurde in die irdische Eigenschaft gesetzt, und die ewige Natur in den Grimm der finsteren Welt, dem Teufel zum Nachbarn.

7.8. Als nun diese Gefängnisse im Tod Christi in beiden Naturen zerbrochen werden sollten, da erzitterte die Erde darüber und die Sonne verlor ihren Schein, um anzudeuten, daß das ewige Licht nun wiedergeboren worden sei und das zeitliche nun aufhören müsse.

7.9. Um es nun recht zu betrachten, was am Menschen im Fall (aus der Ganzheit) gestorben sei, müssen wir nicht nur allein den zeitlichen Tod anschauen, wie der Mensch stirbt und verwest. Denn das ist nur der tierische Tod und nicht der ewige Tod. Auch müssen wir nicht so blind sein und sagen: „Die Seele sei in ihrer Kreatur (bzw. Verkörperung) gestorben.“ Nein, das konnte nicht sein, denn was aus dem Ewigen ist, das nimmt keinen Tod an. Aber das Ebenbild Gottes, das sich in die kreatürliche Seele als das göttliche Wesen hineingebildet hat, dieses verblich als der Feuer-Grimm erwachte. Denn in Gott ist kein Sterben, sondern nur eine Scheidung der Prinzipien, was man so ähnlich verstehen kann, wie wir auch sehen, daß die Nacht den Tag und der Tag die Nacht in sich verschlingt. Also ist eines im anderen wie tot, denn es kann sich nicht mehr zeigen.

7.10. Dies kann man im Gleichnis verstehen, als wenn die Sonne verginge, dann würde der Welt-Geist nur noch eine grobe Feindlichkeit und eine immerwährende Nacht sein. Dann könnten die vier Elemente in jetziger Eigenschaft nicht qualifizieren (hervorquellen), und es wüchse keine Frucht, auch könnte keine Kreatur in den vier Elementen leben. So ähnlich starben Adam und seine Eva im Reich der göttlichen Sonnen-Kraft als des göttlichen Wesens und Willens und wachten in der grimmigen Natur auf, innerlich nach der Seele und äußerlich in der tierischen Eigenschaft.

7.11. Doch die Erfahrung der Seele aus dem unergründlichen Willen, darin Gott gebiert, die ist nicht gestorben. Denn nichts kann sie zerbrechen, sondern sie bleibt ewig ein freier Wille. Aber ihre Form der Kreatur als Seele, die vom Geist Gottes in ein Bild formiert (bzw. „informiert“) wurde - dieses Bild aus der ewigen Natur - das verlor das heilige Wesen, darin Gottes Licht und das Liebe-Feuer brannte. Nicht, daß dieses Wesen ein Nichts geworden wäre. Nur der kreatürlichen Seele wurde es ein Nichts, nämlich unempfindlich (bzw. unbewußt), weil sich die heilige Kraft als der Geist Gottes, der das wirkende Leben darin war, verborgen hatte. Nicht aus Vorsatz seiner selbst, sondern die ewige Erfahrung als der unergründliche Wille zur seelischen Kreatur ging vom Liebe-Willen ab und in sein stachliges Eigentum der seelischen Natur ein.

7.12. Gott entzog sich nicht der Seele, sondern die Erfahrung des freien Willens entzog sich Gott, gleichwie sich die Sonne der Distel nicht entzieht, aber die Distel zieht sich aus der Sonne ihre stachlige Erfahrung und führt sie in ein stachliges Wesen. Je mehr nun die Sonne darauf scheint, je stachliger und stärker wird die Erfahrung des wirkenden Willens. So ist es auch bezüglich der Seele zu verstehen.

7.13. Gott wohnt durch alles, auch durch die Finsternis und durch die Teufel. Aber die Finsternis begreift ihn nicht, und so auch der Teufel und die gottlose Seele nicht. Fragst du: „Warum das?“ Weil der kreatürliche Wille zur wahren gelassenen Demut tot ist, nämlich sich unter Gottes Gehorsam zu begeben, und er ist nur noch ein Distel- und Dornenwille im Leben der Kreatur. Also hält der Dornenwille die edle Erfahrung des unergründlichen ewigen Willens des Ungrundes in sich gefangen oder verdeckt, und sie sind ineinander wie Tag und Nacht.

7.14. Die kreatürliche Seele wurde zur Nacht, und der Welt-Geist (Spiritus Mundi), der im Anfang in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit im Leib stand, der stand nun im Bösen und Guten, wie alle zeitlichen (vergänglichen) Dinge stehen. Denn des Teufels Distel-Samen war da hineingekommen, darin der zeitliche Tod lag, und darunter war nichts anderes zu verstehen, als ein Tier aller Tiere. Die (ganzheitliche) Gleichheit des geformten, ausgesprochenen Wortes stand nun in der Feindschaft und im Widerwillen (der weltlichen Gegensätze). Das ganzheitliche Bild der Engel war zerstört, sowohl im Gemüt als auch für die Sinne, wie wir heute noch sehen, daß sich die Sinne immerdar im tierischen Willen zur eigenen Liebe fassen und gar schwerlich dahin kommen, daß sie Gott und die Gleichheit lieben. Sie wollen sich immer nur emporschwingen und alles allein im Besitz haben, und wollen gern das schönste Kind im Haus sein, davon der überhebliche Stolz, Geiz, Neid und Haß entstehen. Das alles ist der Schlange Wesen mit der eingeführten Eigenschaft des Teufels, die das Reich Gottes nicht erben kann.

7.15. Diesem kam nun das lebendige und ewigsprechende Wort mit der Eigenschaft der höchsten Liebe aus lauter Gnade zu Hilfe und sprach sich in das verblichene Wesen der himmlischen Welt wieder zu einem wirkenden Leben ein. Wie sich das Wort des Teufels in die Seele eingesprochen hatte, so kam nun das Wort der Liebe Gottes und sprach sich wieder in das verblichene Wesen ein, um anzudeuten, daß es ein Ziel eines ewigen Gnaden-Bundes sei, darin Gottes Liebe im Namen Jesu die Werke des Teufels zerstören wollte, und das lebendige heilige Wesen im Namen Jesu in dieses Einsprechen oder eingesprochene Wort wieder einführen wollte, welches in Christi Menschwerdung geschah.

7.16. Hier können wir nun die Vorsehung verstehen, daß der Geist Gottes diesen Fall ins Feuer und die grimmige Eigenschaft der Natur bereits vor der Gründung der Welt gesehen habe und darin den heiligen Namen Jesu mit dem höchsten Wesen der Liebe als einen Wiedergebärer vorgesehen hatte. Denn die Einige Wurzel aller Dinge aus göttlicher Liebe, nämlich das himmlische Welt-Wesen, verblich in Adam als das wahre Ebenbild Gottes nach der Eigenschaft göttlicher Heiligkeit. Und dieses Einige Bild, das in Adam in Gott verblich, hatte Gott als Ziel seines ewigen heiligen Willens in Christus einverleibt. Darin sprach das heilige Wort Gottes, weil nun die arme kreatürliche Seele an Gott blind geworden war: »Des Weibes Samen soll der Schlange den Kopf zertreten.« Und in dieser eingesprochenen Stimme bekam die arme Seele wieder göttlichen Odem und Leben. Und dieselbe eingesprochene Stimme wurde nun im menschlichen Leben als eine Figur des wahren Ebenbildes in diesem Ziel des göttlichen Bundes, den Er im göttlichen Wesen vor der Welt Grund vorgesehen hatte, von Mensch zu Mensch als ein Gnadenbündnis gepflanzt.

7.17. Denn das Einsprechen des Teufels, daraus ein böser Wille entstand, das geschah zuerst in Adam, als er weder Mann noch Weib, sondern ein Bild Gottes war. Und dies drang von Adam in Eva, die dann die Sünde begann. Also kam auch nun das Einsprechen Gottes und drang in Eva als in die Mutter aller Menschen und setzte sich durch Eva dem angefangenen Sündenquell der Qual in Adam entgegen. Denn in Eva lag die Tinktur vom Licht und geistigen Wasser. Und in diese verleibte sich die heilige Tinktur des Wortes im Namen Jesu ein, auf daß sie den tierischen Mutterleib zerbrechen und in einen heiligen verwandeln wollte.

7.18. Denn nicht durch Adams Feuer-Tinktur sollte es geschehen, sondern durch und in dem Teil der Licht-Tinktur von Adam, darin die Liebe brannte, welche in das Weib geschieden wurde als in die Gebärerin aller Menschen. Darin verhieß Gottes Stimme wieder das lebendige heilige Wesen vom Himmel hineinzuführen und das verblichene Bild Gottes, das darin stand, in göttlicher Kraft neu zu gebären.

7.19. Im Johannes-Evangelium spricht Christus in Kapitel 3 Vers 13, er sei vom Himmel gekommen. Darin versteht man (ein körperliches) Wesen, denn das Wort bedarf keines Kommens. Es ist zuvor schon da und darf sich nur bewegen. Nun lagen alle Menschen nach der verdorbenen seelischen (geistigen) Eigenschaft im Samen Adams, und so lagen hinwieder alle Menschen im weiblichen (körperlichen) Mutterleib (Veneris Matrice) als in der weiblichen Eigenschaft von Eva. Und in Eva als im Mutterleib der Liebe vom Wesen der himmlischen Welt, das in Adam und Eva als ihr Anteil vom Reich Gottes verblich, setzte Gott seinen Bund und führte sein Wort dahinein, so daß der Samen des Weibes - nämlich der himmlische Samen, den das Wort wieder hineinführen wollte, darin Gott und Mensch wieder eine Person sein kann - der Schlange Ausgeburt und des Teufels Willen den Kopf seiner Macht zertreten und des Teufels Werke zerstören sollte, die er in Seele und Leib wirken will.

7.20. Versteht es recht: Der erste Anteil war der in Adam geschaffene Mensch als der Anteil am Wesen der himmlischen Welt. Der zweite Anteil war das, was im Wort Gottes hineingeführt werden sollte. Und drittens sollte mit dem Menschlichen ein Wesen werden, der es tun sollte, nämlich als Gott-Mensch und Mensch-Gott. Und das ist nicht irgendein ganz fremder Christus, sondern dasselbe Wort, das aus sich selbst den Menschen in ein Bild Gottes gemacht hatte. So sollte es nun auch das machende Wort und das gemachte Wort in der Kraft des Heiligen Geistes tun. Das himmlische Wesen im Wort als der Tempel des Heiligen Geistes sollte im Samen des Weibes einen seelischen (geistigen) Samen annehmen und auch einen leiblichen (körperlichen) von Adams Wesen aus dem Stoff der Erde, in gleicher Art, wie Gott die Welt angenommen (bzw. verkörpert) hat, aber doch im Himmel im heiligen Wesen wohnt.

7.21. Also nahm das Wort von innen her das verblichene heilige Wesen als sein lebendiges Wesen an und machte das Verblichene in seiner Kraft lebendig. Und die seelische und leibliche (bzw. geistige und körperliche) Natur von der inneren Welt hing an diesem Wesen, wie die Natur an Gott hängt, durch die er sich offenbart. So wollte sich auch hier das heilige Wort mit dem heiligen Wesen durch die seelische und leibliche Natur offenbaren und die Seele mit der höchsten Tinktur wieder tingieren (vereinen) und darin dem Teufel seine gemachte Räuberburg im Grimm der ewigen Natur zerbrechen, welches alles im (Entwicklungs-) Prozeß Christi erfüllt worden ist.

7.22. Nun möge mir jetzt der Verstand sagen, wo der vorsätzliche Wille Gottes zur Verstockung des Menschen entstehen würde? Wo ist der Vorsatz, so daß er in seinem Vorsatz eine Menge (Menschen) zur Verdammnis und die andere zum ewigen Leben bestimmt hat? Denn in Eva fing die Sünde an, und in Eva fing auch die Gnade an, ehe sie von einem Kind schwanger wurde. Sie alle lagen in Eva in gleichem Tod, und sie lagen auch alle zum Einigen Gnadenbund im Leben, wie denn der Apostel sagt: »Gleichwie die Sünde von einem kam und auf alle drang, so kam auch die Gnade von einem und drang auf alle. (Röm. 5.18)« Denn der Bund ging nicht nur auf einen Teil, wie auf ein Stück von Eva, sondern auf die ganze Eva, und zwar ohne des Teufels Werke, die er in sie geflößt hatte. Denn diese sollte Christus zerbrechen.

7.23. Es sollte und konnte keine Seele aus dem Wesen, das vom Teufel eingeführt wurde, geboren werden, denn das Wort Gottes mit dem Bund stand dazwischen. So drang der Bund aus Evas Seele in Adam, nämlich aus der Tinktur des Lichtes in die feurige Tinktur von Adam. Denn Adam und Eva waren im Wort nur ein Mensch. Also drang auch die Gnade auf diesen Einigen Menschen von Adam und Eva.

7.24. Wo ist nun der göttliche ewige Vorsatz (der Vorherbestimmung), von dem der Verstand spricht? Er will ihn mit der Heiligen Schrift beweisen und versteht diese nicht. Denn die Worte der Schrift sind wahr, aber es gehört eine (ganzheitliche) Vernunft dazu, nicht ein äußerlicher Wahn, so daß man von einem fremden Gott spricht, der weit und hoch in einem Himmel allein wohnen würde.

7.25. Brüderlich wollen wir dem (gedanklichen) Verstand andeuten, wie die Schrift zu verstehen sei, wenn sie vom Vorsatz und von Gottes Wahl spricht, und ihm die wahre Vernunft geben, wie die Wahl entsteht und was der Vorsatz sei. Und darin oder damit wollen wir niemanden in seiner gefaßten Meinung verachten, sondern zu mehr Erkenntnis und christlicher Einigung in der Vernunft wollen wir die Schrift erklären, zu welchem Zweck auch dies Büchlein geschrieben ist.

7.26. Um dies nun zu verstehen, wollen wir das erste und zweite Prinzip - als das Reich der Natur zur göttlichen Offenbarung, darin Gottes Zorn und Verstockung verstanden werden, und dann auch das Reich der Gnade als das wahre göttliche Wesen - gegenüberstellen und betrachten, wie der Grund der Verstockung entsteht. Und damit wollen wir auch die Sprüche der Heiligen Schrift prüfen, die widersprüchlich erscheinen, so daß ein jeder die Grundlage seiner Meinung erkennen möge. Dabei wollen wir uns an keine Meinung binden, um irgend jemandem zu gefallen, sondern den Grund dartun, und zwar in Liebe für alle Meinungs-Parteien zu brüderlicher Einigung.

7.27. Als Adam und Eva gefallen waren, da wurden sie am Reich Gottes blind und wie tot, und es gab keine Möglichkeit mehr in ihnen, etwas (vollkommen) Gutes zu tun, das heißt, nach der seelisch-leiblichen (bzw. geistig-körperlichen) Kreatur. Aber die Erfahrung des Ungrundes aus des Vaters Eigenschaft, in der die Seele im feurigen Wort formiert (bzw. informiert) wurde, die ist ungebunden, weder böse noch gut, denn sie ist der Einige Wille. In diesem ewigen Willen gebiert Gott der Vater seinen Sohn, und dieser Wille heißt abgesehen von der Gebärung als göttliche Kraft weder „Vater“ noch „Gott“, sondern „der ewige unergründliche Wille zu Etwas“. In diesem Willen sollte die Geburt der Heiligen Dreiheit wie auch der Ursprung der Natur und aller Wesen Anfang verstanden werden.

7.28. Dieser Wille ist der ewige Anfang zu göttlicher Weisheit, nämlich zur Beschaulichkeit (bzw. Bewußtheit) des Ungrundes. Er ist auch der Anfang zum Wort als zum Aussprechen des Feuers und Lichtes. Das Sprechen aber geschieht nicht im Willen des Ungrundes, sondern in der Fassung der Erfahrung, wenn sich dieser Wille in die Stätte Gottes als in die Dreiheit der Gebärung einfaßt. Hier spricht sich das Wort als Kraft in der Unterschiedlichkeit aus. Und in dieser Unterschiedlichkeit der aussprechenden Erfahrung ist das Bild Gottes als Mensch in göttlicher Kraft und Weisheit und in magischer (geistiger) Form ohne Kreatur in der Ewigkeit gesehen worden. Und in diesem gesehenen Bild hat sich Gottes Geist in der höchsten Liebe, die der Name „Jesus“ ist, selbst geliebt, denn es ist eine Figur Seiner Gleichheit nach Kraft und Geburt gewesen.

7.29. Weil aber Gottes Liebe ohne die ewige Natur nicht offenbar gewesen wäre, das heißt, das Liebe-Feuer wäre nicht ohne das Zorn-Feuer offenbar, so ist die Wurzel der Erfahrung in Seinem Grund der Natur das Zorn-Feuer gewesen. Und die Offenbarung des Zorn-Feuers ist das Liebe-Feuer, in gleicher Art, wie das Licht aus dem Feuer kommt. Und so verstehen wir den Grund.

7.30. Als das Licht in der kreatürlichen, ewigen und natürlichen Seele verlosch, da war die kreatürliche Seele nur noch ein Quall (ein Quell der Qual) von Gottes Zorn als eine feurige Natur. Nun aber hatte sich Gottes Liebe als der Heilige Name „Jesus“, der das Eine und Erste ist, wie man ihm nachsinnen möchte, im ewig gesehenen Bild in die Erfahrung des Aussprechens einverleibt, das heißt, in das menschliche ewige Bild, in das die kreatürliche Seele geschaffen war. Und in dieser Einverleibung ist der Mensch in Jesus Christus noch vor der Gründung der Welt vorhergesehen worden. Als aber die kreatürliche natürliche Seele fiel und das (wahre göttliche) Licht verlor, da sprach sich das Wort der Kraft, das die Seele in der feurigen Erfahrung geformt hatte, in den Willen des Ungrundes zur Kreatur (bzw. Schöpfung) hinein.

7.31. Seit Ewigkeit hat der Name „Jesus“ in einer unbeweglichen (unveränderbaren) Liebe im Menschen gestanden, nämlich im Gleichnis Gottes. Denn wäre sie beweglich gewesen, dann hätte das Bild ein wirkliches Leben gehabt. Nun aber war das wirkliche Leben allein im Wort der Kräfte. Als aber die Seele das Licht verlor, da sprach das Wort den Namen „Jesus“ in der Beweglichkeit wieder in das verblichene Sein des Wesens der himmlischen Welt hinein.

7.32. Adam besaß das göttliche Licht vor seinem Fall aus Jehova, nämlich dem Einigen Gott, in dem der hohe Name „Jesus“ verborgen lag. Nicht in Gott lag er verborgen, sondern in der Kreatur, das heißt, in der Erfahrung zur Kreatur lag er verborgen. Aber in dieser Not, als die Seele fiel, da offenbarte Gott den Reichtum seiner Herrlichkeit und Heiligkeit im unergründlichen Willen der Seele als in dem ewiggesehenen Bild, und verkörperte sich mit der lebendigen Stimme des Wortes aus dem göttlichen Liebe-Feuer in das ewige Bildnis zu einem (führenden) Banner der Seele, dahin sie dringen sollte. Und obwohl sie nicht eindringen konnte, denn sie war an Gott wie tot, so drang doch der göttliche Odem in sie und ermahnte sie zum Stillstand der boshaften Wirkung, damit Seine Stimme in der Seele wieder zu wirken beginnen könne.

7.33. Und das bedeutet es, wenn sich Gottes Stimme bei Eva in des Weibes Samen einsprach. Denn das wahre Weib vom Wesen der himmlischen Welt, als es noch in Adam war, also nach der Licht-Natur, das war die Jungfrau Sophia (die „Weisheit“) als die ewige Jungfräulichkeit oder die Liebe des Mannes. Diese war in Jehova in Adam offenbar, und jetzt wurde sie in der Stimme des Einsprechens im Namen „Jesu“ offenbar, der sich aus Jehova mit solchem Bund entwickelt hatte, daß der Name „Jesus“ in Erfüllung der Zeit das heilige Wesen der Sophia, nämlich das himmlische heilige Wesen aus der Liebe, mit dem die Liebe umschlossen ist (oder in der die feurige Liebe ein (ganzheitliches) Wesen ist), in das verblichene Wesen aus Jehova hineinführen wollte.

7.34. Wenn ich nun sage „das Wesen aus Jehova sei im Fall verblichen“, dann ist das wahr. Es ist eben der Tod, darin Adam und Eva starben. Denn sie verloren das wahre Feuer, und so wachte in ihnen das hitzig-kalte Feuer der Feindschaft (weltlicher Gegensätze) auf, in dem Sophia (die ganzheitliche Weisheit) nicht mehr offenbar ist. Denn es ist nicht das göttliche Feuer-Leben, sondern das natürliche. Und in diesem natürlichen Feuer-Leben der Seele liegt nun der Unterschied zwischen Gottes Liebe und Zorn.

7.35. Das natürliche Feuer-Leben ohne das Licht ist Gottes Zorn, und Er will nur seinesgleichen haben. Alles andere verstockt die Seele und führt sie in eigenen fremden Willen im Gegensatz zur Eigenschaft des Liebe-Feuers. Nun aber fährt nicht etwa ein freier Wille eines Zorn-Feuers in die natürliche Seele, das die Seele einnähme, sondern das eigene Feuer, und daraus wird die Seele ein Wesen.

7.36. Der Grimm eigener Natur verstockt sich mit dem Ergreifen des Ekels (bzw. persönlicher Abneigung) in den drei Grundqualitäten der Natur von Salz, Schwefel und Quecksilber, nämlich in der Eigenschaft der finsteren Welt, die in der falschen (illusorischen) Begierde offenbar wird. Das geschieht aber auch durch äußere Zufälle, welche die falsche Lust aus der feurigen Begierde innerlich ergreift, so wie sich auch Adam und Eva mit der eingeflößten Schlangensucht verstockten und vergifteten, so daß dann dieses eingeflößte Gift auch bald begann, nach solcher Eigenschaft wie es selbst war zu hungern. Und so gebar dann ein Ekel den anderen, wie der Apostel Paulus davon sagt, »daß nicht er im Geiste Christi die Sünde wolle und wirke, sondern die Sünde im Fleisch. (Röm. 7.17)« Und das ist die Sünde, die in der Natur ist, nämlich der offenbare Grimm der ewigen und zeitlichen Natur. Und dasjenige, was die tierische Lust in das Fleisch hineinführt, das tut es.

7.37. So versteht mich nun recht: Der erste und allerinwendigste Grund im Menschen ist Christus, nicht nach der Natur des Menschen, sondern nach göttlicher Eigenschaft im himmlischen Wesen, das Er neugeboren hat. Und der zweite Grund der Natur ist die Seele, das heißt, die ewige Natur, darin sich Christus offenbarte und sie annahm. Und der dritte Grund ist der geschaffene Mensch aus dem Stoff der Erde mit den Sternen und vier Elementen.

7.38. Im ersten Grund, welcher Christus ist, liegt das wirkende Leben in göttlicher Liebe. Und im zweiten Grund ist das natürliche Feuer-Leben der kreatürlichen Seele, darin sich Gott einen „eifrigen Gott“ nennt. Und im dritten Grund liegt die Kreation (bzw. Schöpfung) aller Eigenschaften, welche in Adam in ganzheitlicher Ausgeglichenheit stand und im (Sünden-) Fall auseinanderging.

7.39. Im ersten Grund ist Gott Jehova, und Er hat die Menschen, die im Anfang sein waren, dem Namen und der offenbaren Kraft Jesu übergeben, wie Christus sagt: »Vater, die Menschen waren dein, und du hast sie mir gegeben, und ich gebe ihnen das ewige Leben. (Joh. 17.6)« Zuerst standen sie in Jehova in der Eigenschaft des Vaters. Nun stehen sie in der Eigenschaft des Sohnes nach dem innerlichen Grund des Himmelreichs. Denn der innerliche Grund ist der innere Himmel. Er ist der Sabbath als Christus, welchen wir heiligen sollen, das heißt, von unserem eigenen Willen und eigenen Werken ruhen, auf daß der Sabbath Christus in uns wirke.

7.40. Der zweite Grund ist nun das Reich der ewigen Natur nach der Eigenschaft des Vaters. Darin wird der Zorn Gottes und die finstere Welt verstanden, darüber Gott seinen Sohn zum Richter gesetzt hat. Denn Christus spricht: »Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden von meinem Vater gegeben worden. (Matth. 28.18)« Und in diesen Worten ist auch das Gericht aller Dinge begriffen (bzw. erklärt).

Weitere Fragen und deren Beantwortung zum Verstand der Sprüche von der Gnadenwahl und der Menschen Verstockung

7.41. Dieser Jesus spricht nun: »Kommt alle zu mir her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Matth. 11.28)«

7.42. Nun ist die Frage: Warum sie nicht alle mühselig und beladen sind und zu der Erquickung als zur neuen Geburt kommen. — Antwort: Dazu spricht Christus: »Niemand kommt zu mir, es ziehe ihn denn mein himmlischer Vater. (Joh. 6.44)«

7.43. Steht nun die Frage: Welche zieht der Vater zu Christo? — Antwort: Die Schrift antwortet: »Die nicht vom Fleisch noch Geblüt noch vom Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. (Joh. 1.13)«

7.43. Frage: Wer sind nun diese? — Antwort: Es sind diese, die aus der Gnade geboren werden, die erwählt Er sich.

7.44. Frage: Was ist die Gnade? — Antwort: Es ist der inwendige Grund als Christus, der sich als eine Gnade wieder in den verblichenen inneren Grund hineingab. Die nun aus diesem inneren Grund, nämlich aus Sophia (der „Weisheit“) als der himmlischen Jungfräulichkeit neugeboren werden, die sind Glieder an Christi Leib und ein Tempel Gottes. Diese werden zu Kindern erwählt, und die anderen sind verstockt, wie die Schrift durchaus sagt.

7.46. Frage: Wie kommt es, daß sie verstockt sind? — Antwort: Sie sind in Adam gestorben und können ohne die Gnade in Christo nicht das göttliche Leben haben oder erlangen.

7.47. Frage: Kann ihr denn die kreatürliche Seele im eigenen Vermögen und Willen ihrer Ichheit nichts von der Gnade geben? — Antwort: Nein, sie kann nicht, denn es liegt nicht am ichhaften Wollen, Laufen oder Rennen von jemandem, sondern an Gottes Erbarmen (Röm. 9.16), das einzig in Christo in der Gnade ist.

7.48. Nun fragt man weiter: Wie kommt denn das Erbarmen in die Seele, so daß sie unter die Wahl kommt? — Antwort: Wie oben gesagt, die nicht vom Fleisch noch vom Blut oder vom Willen des Mannes geboren werden, sondern vom gebenedeiten (heiligen göttlichen) Samen des Weibes, nämlich aus dem innersten Grund, wo die Seele Christus in sich zieht. Also nicht von einer angenommenen äußerlichen Gnade, wie der Verstand meint, daß Gott den sündigen Menschen in Christo, der in Sünde tot liegt, durch die vorbestimmte Gnadenwahl annehme, auf daß er den Reichtum seiner Gnade kundtue (Röm. 9.23)« Nein, das gilt nicht, denn die Schrift sagt: »Es sei denn, daß ihr umkehret und werdet wie die Kinder (Matth. 18.3), und werdet durch Wasser und Geist neugeboren, sonst könnt ihr Gottes Reich nicht schauen (Joh. 3.5).« Denn allein die inwendige und eingeborene Gnade der Kindschaft gilt, denn Christus spricht: »Was vom Geist geboren ist, das ist Geist, und was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch. (Joh. 3.6)« Und weiter: »Fleisch und Blut sollen Gottes Reich nicht erben. (1.Kor. 15.50)«

7.49. Frage: Nun fragt man sich, wie geschieht denn die eingeborene kindliche Geburt, zumal sie in Adam alle tot sind? So können ja nur einige durch Seine Vorherbestimmung zu Gottes Kindern geboren und erwählt werden, und die anderen müssen durch Gottes Vorsatz verstockt bleiben. Was kann das Kind tun, wenn es Gott nicht haben will? — Antwort: Hier liegt die Nuß, die es zu knacken gilt. Das ist der Kampf.

7.50. Christus spricht: »Ein fauler Baum kann keine guten Früchte tragen, und ein guter Baum kann keine argen (schlechten) Früchte tragen. (Matth. 7.18)« Wenn wir dieses nun ergründen wollen, dann müssen wir diesen Baum des Wissens ergründen, der da böse und gut ist, und sehen, was er für Früchte trage und aus welchem Wesen eine jede Frucht wachse. So kommen wir dann zum Ziel, wenn wir erkennen, wie sich eine jegliche Kraft in Wesen und Willen hineinzieht.

7.51. Die Schrift sagt: »Gott hat alle Dinge in Zahl, Maß und Gewicht eingeschlossen (und angeordnet), wie es gehen soll. (Weis. 11.21)« Nun können wir aber vom Menschen nicht sagen, daß er bereits ursprünglich in die Zeit eingeschlossen wurde, denn im Paradies war er in die Ewigkeit eingeschlossen. Gott hatte ihn in sein (ganzheitliches) Bild geschaffen. Als er aber fiel, so ergriff ihn dieser Beschluß der Zeit, in dem alle Dinge in Zahl, Maß und Gewicht stehen. Und dieses Uhrwerk (bzw. „Zeit-Werk“) ist das ausgesprochene und geformte Wort Gottes nach Liebe und Zorn, darin die ganze Schöpfung samt den Menschen nach der Natur und Kreatur liegt.

7.52. Nun hat sich in diesem ausgesprochenen Wort der Eigenschaft des Vaters der Name „Jesus“ offenbart, in dem ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben wurde. Also ist alles sein, das Böse und das Gute, nicht in der Habhaftigkeit (im Besitz) seiner Ich-Eigenschaft, sondern dem Guten zum Heil und dem Bösen zum Richter. Und so wurde alles gegeneinander gesetzt, die Liebe gegen den Zorn, und der Zorn gegen die Liebe, auf daß eines im anderen zum Entscheidungstag des Richters offenbar werde, wenn Er alle Dinge entscheiden soll. Denn wenn Er nicht auch ein Herr über alles Bösartige wäre, so könnte er kein Richter der Teufel und Gottlosen sein.

7.53. Dieser Baum des Wissens steht nun in der Geburt in höchster Ängstlichkeit. An einem Teil ist er Christus, und am anderen Teil ist er das Reich der Natur im Grimm Gottes des Vaters nach der Eigenschaft der finsteren und Feuer-Welt. Die feurige Welt gibt das Wesen zum Geistleben, und Christus gibt in der Liebe das Wesen zum Wesen der Frucht und tingiert (verbindet damit) den Grimm, damit Er ein Freudenreich im Wesen aller Wesen werde.

7.54. Hierin besteht nun der Kampf, denn in was für ein Wesen sich das Zentrum der Natur als der Wille des Ungrundes in des ewigen Vaters Eigenschaft hineinführt und bildet, entweder in die Gnade Christi zur Sophia (der Weisheit) oder in die Macht des grimmigen Feuers zur Phantasie, ein solches Bild steht nach der Seele da, denn hier übergibt der Vater die Seele seinem Sohn Christus. Denn in der Eigenschaft des Vaters geschieht die Bildung der Seele, und in der Eigenschaft des Sohnes geschieht die edle Bildung der Sophia als der ewigen Jungfräulichkeit in Christus. Nun liegt es hier am Willen des Ungrundes jenseits der Natur zur seligen Kreatur, wohin diese sich entscheide, entweder in die Ichheit, wie Luzifer es tat, oder in die (geistig-göttliche) Geburt zur Heiligen Dreiheit der Gottheit, so daß er sich entweder in Gott einlasse (und in ihm verschmelze) oder selber wolle, laufe und renne.

7.55. Hierin besteht nun die Wahl, wie auch St. Paulus sagt: »Wem ihr euch zu Knechten in Gehorsam begebt, dessen Knecht seid ihr, entweder der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam Gottes zur Gerechtigkeit. (Röm. 6.16)«

7.56. Da fragt nun der Verstand: Was kann ein Kind dafür, daß es zu einer Distel wird, ehe es sein Leben und seine Vernunft hat? — Antwort: Höre, was kann die Liebe Gottes in Christus dafür, daß Adam aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit in das Wissen vom Baum des Guten und Bösen einging, nämlich in den Streit der Gegensätze? Er hatte doch freien Willen. Warum zertrennte er diesen in sich selbst gegen Gottes Willen. Warum wurde er Gott ungehorsam?

7.57. Nun fragt der Verstand weiter: Kommen denn alle Menschen in solchem Begriff (unter solchen Bedingungen) zur Welt? — Antwort: Nein, keineswegs aus Gottes Vorsatz, sondern aus dem Quall (dem Quell der Qual) der wirklichen Sünden der Eltern und Voreltern. Denn Gott spricht im Buch Moses: »Ich will heimsuchen und strafen die Sünde der Eltern an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Aber denen, die mich lieben, tue ich wohl bis ins tausendste Glied. (2.Mose 20.5)«

7.58. Hierin liegt nun der wahre Grund der Distel-Kinder und ihrer Verstockung, daß nämlich die Eltern in Fleisch und Blut des Teufels Bosheit in das Mysterium des göttlich geformten und ausgesprochenen Wortes einladen, nämlich als Falschheit, Lüge, Hoffart (überheblichen Stolz), Geiz, Neid, Bosheit und oft auch durch starke Flüche, die ihnen durch verschiedenste Ursachen von anderen in Leib und Seele hineingewünscht werden. Und wenn sie dieser Mensch verursacht hat, dann bleiben sie ihm im Baum seines Lebens, und dann werden solche Zweige daraus geboren, die das Wesen von Christi nicht erreichen können. Denn sie werden vom Fleisch und Blut der Eltern nur im Willen des Mannes und Weibes geboren, so daß sich das seelische Wesen in eine Distel-Art hineinführt, oft mit der Eigenschaft wie Schlangen, Hunde oder andere greuliche Tiere.

7.59. Und über diese Distel-Kinder, die auf Erden nichts Gutes wollen noch tun, geht die Wahl. Wenn auch die Eltern öfters noch einen Funken göttlichen Wesens in sich haben oder behalten und schließlich in die Buße zur neuen Geburt eintreten, so werden doch bis dahin solche Distel-Kinder gezeugt.

7.60. Auch gibt es wohl sehr große Unterschiede zwischen denen, die der göttliche Ruf im wirkenden Baum des Lebens ergreift. Denn Christus sagt: »Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. (Matth. 20.16)« Dieser Ruf ist nun so zu verstehen: Christus ist der Ruf, und er ruft ohne Unterlaß im Wesen des Baumes: »Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.« Er streckt seine Hand den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk aus, das sich nicht ziehen lassen will und sich seinen Geist nicht strafen lassen will, wie die Schrift durchaus klagt.

7.61. So geht nun der Ruf über alle Menschen. Er ruft sie alle, denn es steht geschrieben: »Gott will, daß allen Menschen geholfen werde. (1.Tim. 2.4.)« Oder auch: »Du bist nicht ein Gott, der das Böse will. (Psalm 5.5)« Gott will in seinem eigenen Willen nicht, daß irgendein Distel-Kind geboren werde. Aber sein Grimm im Wirken der Natur ergreift sie. Und doch geschieht es, daß der göttliche Ruf auch etwas haftet und sich mit einwurzelt, so daß in manchem ein Funke von Christi Wesen wirkt, nämlich vom göttlichen Gehör der Stimme Gottes. Diesen läßt nun Gott predigen und lehren, und Er offenbart ihnen seinen Willen. Denn sie sind diejenigen, welche mit Sünde hart beladen sind und halb tot zu Jericho liegen. Ihnen hat Christus die Taufe und das Nachtmahl verordnet, und ruft alle Zeit: »Kommt, kommt, und arbeitet in meinem Weinberg. Nehmt mein Joch auf euch… (Matth. 11.29)« Nämlich die verdorbene Natur des geformten ausgesprochenen Wortes, das für Christus zu einem Joch geworden ist, darin der Menschen Sünden liegen.

7.62. Von diesen sagt nun Christus: »Einem sei ein Pfund, dem andern zwei, dem dritten drei, dem vierten vier und dem fünften fünf gegeben worden. Damit sollen sie wuchern und viel erwerben. (Matth. 25.14)« Ein solcher nun, der nur ein Fünklein von Gottes Stimme in sich hat, der kann, wenn er selber will, darin wirken und es in einen großen Baum ziehen. Denn solchen hat er Macht gegeben, Gottes Kinder zu werden (Joh. 1.12), nicht in eigenem Willen oder Vermögen, sondern im Vermögen dieses Fünkleins. Denn die Seele ruht darin, und hier geschieht in der Seele der Zug des Vaters zu Christus. Denn sobald die Seele Gottes Gnade schmeckt, dann eilt des Vaters Wille in der unergründlichen Erfahrung zum Quellbrunnen Christo. Auch wenn das Reich Gottes zuerst klein wie ein Senfkorn ist, wenn es die Seele nur annimmt und mit ihrer feurigen Begierde darin wirkt, dann wächst es schließlich so groß wie ein Lorbeerbaum.

7.63. Die Seele aber, die sich dessen nicht annehmen will, sondern in die Fleischeslust geht und mit dem Teufel buhlt, von der sagt Christus: »Wer da hat, dem soll gegeben werden.« Das heißt, wer da im Wenigen wirkt, dem soll gegeben werden. »Wer aber nicht hat,« das heißt, wer da etwas hat und darin nicht wirken will, »von dem soll es genommen und dem gegeben werden, der da viel hat. (Matth. 25.29)« Und so heißt es auch: »Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt. (Matth. 20.16)«

7.64. Denn viele haben das Pfand der Gnade, aber sie treten es mit Füßen und achten es nicht, zum einen Teil wegen der äußerlichen Zufälle und zum anderen Teil wegen der Grobheit ihrer tierischen Eigenschaft. Denn Christus sät seine Stimme in seinem Wort aus, wie ein Sämann seinen Samen. Es wird in allen Menschen gesät, den Gottlosen wie auch den Frommen. Nun liegt es aber an der Qualität des Ackers, in den der Same fällt. Fällt er auf einen harten Weg in tierische Eigenschaft, wenn in der Eigenschaft des Körpers ein grobes Tier sitzt, dann wird er von der Grobheit und Unachtsamkeit zertreten. Sitzt ein geiziges Tier wie ein Hund, Wolf oder dergleichen darin, dann liegen die Sorgen des Geizes im Weg und ersticken den Samen. Fällt er in ein hochmütiges Gemüt, das in der Welt Macht und Ehre sitzt, dann hat sich der überhebliche Stolz in den Weg gesetzt, und dieser Same ist wie auf einen Felsen gefallen und bringt keine Frucht. Fällt er aber in eine gute Vernunft, wenn in der Eigenschaft ein Mensch mit wahrer Demut ist, dann wird er gehalten, und ein solcher ist ein guter Acker. Denn Gottes Wesen ist Demut. So ist diese Eigenschaft eine Gleichheit mit Ihm, und allda geht er auf und trägt viele Früchte.

7.65. Darum soll man die Schrift recht betrachten, wenn sie sagt: »Viele sind berufen, aber wenige auserwählt.« Das heißt, sehr viele, ja, die Meisten sind vom göttlichen Ruf ergriffen und könnten zur Kindschaft kommen. Aber ihr gottloses Leben, in das sie sich begeben und in welchem sie durch äußerliche Zufälle verdorben werden, das verstockt sie. Darum ist öfters ein Kind seliger als ein Alter, und auch Christus sagt: »Laßt die Kindlein zu mir kommen, denn ihnen ist das Reich Gottes.« Christus hat sie in seinen Ruf oder Bund hereingenommen. Wenn aber der Mensch in die Jahre kommt und aus dem göttlichen Ruf herausgeht und sich in den Willen des Teufels ergibt, dann tröstet er sich gleichsam mit einer von außen angenommenen Gnaden-Kindschaft, wie Babel das tut (durch himmelstrebende Gedankengebäude, die in begrifflicher Verwirrung enden), und sagt: „Ach, Christus hat es getan! Er hat bezahlt, und ich darf mich dessen nun trösten und es annehmen. Seine Gnade wird mir als ein Geschenk zugerechnet, und ich werde nach Gottes Vorherbestimmung selig sein, auch ohne alle Werke meines Willens. Ich bin nämlich in Sünde tot und kann ohne Ihn gar nichts Gutes tun, wenn Er mich nicht dahin zieht. Doch Er wird an mir seine Bestimmung offenbaren und mich durch sein äußeres Annehmen zum Gnadenkind machen und mir meine Sünde vergeben. Auch wenn ich bösartig lebe, so bin ich doch ein Gnadenkind in seiner Vorherbestimmung.“

7.66. Von diesen sagt die Schrift: »Mache ihren Weg zum Strick und zum Fall. (Psalm 69.23)« Oder auch: »Er läßt ihr Licht mitten in der Finsternis verlöschen und verstockt sie in ihrem eigenen Wahn, denn ihre Wege sind schädlich.« Über diese kommt die Wahl (als Gericht), denn sie sind anfänglich berufen und werden auch immer noch gerufen, aber sie wollen nicht kommen.

7.67. So spricht nun Christus: »Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt. (Matth. 11.17)« Oder auch: »Oh Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Gluckhenne ihre Küchlein unter ihre Flügel, aber du selber hast nicht gewollt (Matth. 23.37)« Du bist im Ruf Gottes ergriffen worden, aber hast dich in eigenem Willen selber davon abgewandt.

7.68. Da spricht nun der Verstand: Sie haben es nicht gekonnt! — Antwort: Warum haben sie es nicht gekonnt, obwohl sie doch berufen waren? Nur der kann nicht, der nicht berufen ist. Aber wer kann sagen, wer das sei? Es ist der Teufel in ihnen, der nicht will. Er reißt das Wort von ihren Herzen, so daß sie nicht glauben noch selig werden, wie Christus sagt. Darum werden sie in der Wahl verworfen. Denn die Wahl (als Gericht) ergeht über sie zur Erntezeit, wenn das Kraut reif ist und die Missetaten im Maß voll sind. Und wenn man dann worfelt, dann wird die Spreu, die im Gewicht zu leicht ist, verworfen.

7.69. Es geschieht wie Christus sagt: »Das Himmelreich ist gleich einem Sämann, der guten Weizen aussät. Dann kommt der Feind und sät das Unkraut dahinein. (Matth. 13.25)« Und wenn das Unkraut aufgeht, dann verdammt es den Weizen, so daß er nicht wachsen und Früchte tragen kann. Also geht es auch mit dem Menschen. Manche Seele ist ein gutes Körnlein, aber des Teufels Unkraut verdirbt es.

7.70. Sprichst du nun: Das kann nicht sein, weil Christus sagt: »Meine Schäflein sind in meinen Händen, niemand kann sie mir herausreißen. (Joh. 10.28)« — Antwort: Dies ist alles wahr, doch erkenne: Solange der Wille der Seele in Gott bleibt, kann sie der Teufel nicht herausreißen. Aber wenn sich die Seele vom Willen Gottes abtrennt, dann wird die Erfahrung des unergründlichen Willens verdunkelt, in dem Christus wohnt, und Christus wird in seinen Gliedern gekreuzigt und getötet, und aus dem Tempel des Heiligen Geistes wird ein Hurentempel gemacht, was bezüglich der Seele zu verstehen ist. Nicht daß Christus getötet werde, sondern sein Tempel als sein Körper. Denn hierin liegt die Entscheidung in der Wahl.

7.71. Die Wahl ist der Geist Christi, der dann für eine solche Seele vergeht, denn Seine Stimme ist nicht mehr in der Seele. Sie hat kein göttliches Gehör mehr, denn sie ist von Gott getrennt. Darum spricht Christus: »Wer von Gott ist, der hört Gottes Wort. Darum hört ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott. (Joh. 8.47)« Sie haben die göttliche Stimme in sich verloren und haben des Teufels Stimme in ihrer Verwirrung angenommen.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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