Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

5. Kapitel - Die Entstehung des Menschen

Von der Entstehung des Menschen

5.1. Moses sagt (in 1.Moses 2.7): »Gott schuf den Menschen aus einem Erdenklos...« Darunter versteht man den Leib, denn der ist ein Stoff der Erde, und die Erde ist ein Wesen aus allen drei Prinzipien, eine ausgehauchte, gefaßte und geronnene Kraft aus dem Wort aller drei Prinzipien, aus dem Mysterium Magnum (dem großen Unbekannten) sowie aus den drei Grundqualitäten und den sieben gestaltenden Qualitäten der Natur. Diese haben sich in der entzündeten Begierde, nämlich im Schöpfungswort („Es werde!“), eingefaßt und in ein Wesen geführt, eine jede Eigenschaft in sich selbst zu einer Verdichtung, welche Gott durch das Schöpfungswort als wesenhafte Erfahrung in einen Klumpen (Erdenklos) gefaßt hat, in dem alle Kräfte der geistigen Welt nach Gottes Liebe und Zorn sowie der Phantasie in einer gewissen Beständigkeit verinnerlicht liegen, nicht mehr nur nach Art des Denkens (Mens, auf geistige Art wie in Kapitel 3 erklärt), sondern nach Art des Wesens (Ens).

5.2. Im Denken wird die lebendige Wesenheit verstanden, welche geistig ist, als ein ganz geistiges Wesen und ein geistiges Wesen der Tinktur (aus dem Ur-Meer oder Meer der Ursachen), mit dem sich die höchste Kraft von Feuer und Licht in ein Wesen hineinführt.

5.3. Und im Wesen wird das Leben der sieben Eigenschaften (bzw. Qualitäten) der Natur verstanden, als das empfindlich wachsende Leben, nämlich das ausgesprochene Wort, das sich im Wachstum wieder ausspricht, formt und gerinnt.

5.4. Das geistige Denken aber liegt im Wesen, wie die Seele im Leib. Und das geistige Wort spricht das Wesen aus. Und der Himmel umschließt das Denken, und die Phantasie das Wesen. Das versteht so: Im Denken wird die göttliche heilige Kraft in der Fassung des Wortes verstanden, wenn sich das Wort der Kräfte in ein geistiges Wesen einfaßt, weil das Wort der Kräfte wesentlich ist.

5.5. So ist das Denken das geistige Wasser, und die Kraft darin, die sich im Geistwasser formt, ist nun die höchste Tinktur, welche in der Ausgeglichenheit steht. Und der Grund dieser Tinktur ist die göttliche Weisheit; und der Grund der Weisheit ist die Dreiheit der unergründlichen Gottheit; und der Grund der Dreiheit ist der Einige und unerforschliche Wille; und des Willens Grund ist das Nichts.

5.6. Also soll das Gemüt zuvor erkennen lernen, was als „Erde“ verstanden werde, bevor es sagt „der Mensch sei Erde“, und die Erde nicht wie eine Kuh betrachten, die denkt, die Erde sei nur die Mutter des Grases, die auch nicht mehr bedarf als Gras und Kraut.

5.7. Denn der Mensch will das Beste aus der Erde essen. Darum soll er auch erkennen lernen, daß er das Beste aus der Erde sei. Denn ein jedes Geschöpf begehrt, von seiner Mutter ernährt zu werden, von der es geboren wurde. Und wir sehen ja wohl, daß der Mensch nicht nur von der Grobheit des irdischen Wesens zu essen begehrt, sondern auch von der Feinheit als die Quintessenz seiner Lebenskraft, die er auch im Paradies zur Speise hatte.

5.8. Als er aber aus der Ausgeglichenheit in die Erfahrung der Unterschiedlichkeiten ausging, da setzte Gott den Fluch zwischen dem ganzheitlichen Element und den vier Elementen, weil der Mensch mit der Begierde in die Ungleichheit der Eigenschaften gegangen war. Und diese haben sich in ihm auch in ein so tierisches, verhärtetes, begreifbares, fühlbares und empfindliches Wesen der Feindschaft durch die Phantasie gefaßt, nämlich in die vier Elemente mit ihrer Grobstofflichkeit und den Gegensätzen wie Hitze und Kälte, wie auch in die giftige Qual der finsteren Welt, nämlich die Sterblichkeit. So mußte er sich nun von diesen Eigenschaften ernähren. Denn der Ungleichheit gehört nicht die Ausgeglichenheit des Einigen heiligen Elements, sondern ihr gehören die vier Elemente. Darum zielte der Fluch auf die Scheidung, damit nicht das Unreine in das Reine eingehe. Denn der Fluch ist nichts anderes als ein Fliehen des Guten, so daß sich das Einige Element in sich selber gefaßt und vor dem Wesen der Bosheit verborgen hat.

5.9. Denn in Adams Unschuld grünte das heilige Element in der Ausgeglichenheit durch die vier Elemente aus und gebar durch die vier Elemente himmlische Früchte, welche lieblich anzusehen und gut zu essen waren, wie Moses sagt. Und in diesem Ausgrünen wird das Paradies verstanden, denn diese Frucht stand in der Qualität der ganzheitlichen Ausgeglichenheit, und so stand auch Adam darin. Also sollte und konnte der Mensch Paradiesfrüchte essen.

5.10. Als sich Adam aber mit der Lust in die Vielfalt der Eigenschaften, nämlich in die Phantasie der Ungleichheit, ins Zentrum (der Egozentrik) hineinführte und alles wissen, klug werden und erfahren wollte, wie Hitze und Kälte und alle anderen Eigenschaften im ringenden Streit schmeckten, da fingen ihn auch diese Eigenschaften im Streit und wachten in ihm auf und faßten sich mit der Begierde in ein Wesen der Phantasie. So wurde das (ganzheitliche) Bild Gottes in der Ausgeglichenheit zerstört, und das Licht im Wesen des heiligen Elements verlosch in ihm, darin er Gott erkannte. Also starb er in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit und wachte in den vier Elementen und der ungleichen Erfahrung auf, welche ihn nun kränken und schließlich auch töten. Und das ist der wahre Grund.

5.11. Damit wir aber dem suchenden Gemüt Genüge tun, das nach seinem Vaterland fragt und auf dem Pilgerweg ist, so wollen wir ihm den Menschen noch weiter vorstellen, nämlich 1.) was er eigentlich sei, 2.) woraus er erschaffen wurde, 3.) was seine Seele und sein Leib sei, 4.) auch seinen Fall und 5.) seine Erlösung oder Wiederbringung. Damit wollen wir ihm den Grund des göttlichen Willens recht gründlich weisen, dazu auch mit der Heiligen Schrift belegen und ihren vermeintlichen Widerspruch erklären, um vielleicht jemandem die Augen dadurch zu öffnen, welches wir nach unseren Gaben getreu tun sollen.

5.12. Moses spricht gar recht: »Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, ja zum Bilde Gottes schuf er ihn.« Und auch: »Gott machte den Menschen aus dem Stoff der Erde.« Wenn Moses spricht »Gott schuf den Menschen in seinem Bilde.«, dann versteht Moses nicht, daß Gott ein Bild sei und daß er den Menschen nach seinem Model (seiner Form*) geschaffen habe. Sondern er versteht die Erfahrung in der Kraft, weil sich seit Ewigkeit die Dinge durch Erfahrung (Scienz bzw. „In-formation“) in der Ausgeglichenheit und in den Kräften im Geist der Weisheit eingemodelt (eingebildet bzw. „in-formiert“) haben, nicht als Kreaturen, sondern gleichwie ein Schatten oder eine Abbildung in einem Spiegel, so daß Gott seit Ewigkeit in seiner Weisheit sehen konnte, was werden würde. Und mit dieser Bildung hat der Geist Gottes in der Weisheit gespielt, und in dem eingefaßten Model - weil sich der Geist der Erfahrung in der Weisheit in den Kräften der ewigen Natur in ein Spiel gemodelt hat, dessen Model keine Kreatur, sondern wie ein Schatten einer Kreatur gewesen war - hat Gott den kreatürlichen Menschen erschaffen, nämlich im eigenen Bild des Menschen, der doch (in Wahrheit) kein Mensch war, sondern Gottes Bildnis, darin sich der Geist Gottes aus allen Prinzipien zu einem gleichförmigen Schatten im Wesen aller Wesen einmodelte (einbildete bzw. „informierte“). Ähnlich wie sich ein Mensch vor einem Spiegel besieht, so daß im Spiegel sein Bildnis ist, aber ohne ein Leben, so können wir auch das Bild betrachten, das Gott vom Menschen in der Ewigkeit hat, wie auch die ganze Schöpfung, weil Gott alle Dinge seit Ewigkeit im Spiegel der Weisheit gesehen hat.


(* Böhme spricht von einem „Model“ und meint eine Art Gußform, die man „modeln“ bzw. modellieren kann, um damit das gewünschte Objekt herzustellen. Dieses Model ist sozusagen die „Information“ des Objektes in einer Art „Informationsfeld“ von Gottes Weisheit oder Allwissenheit, dem Wesen aller Wesen. Bildquelle: Wikipedia-Model)

5.13. Als Gott alle Kräfte der drei Prinzipien aus der Erfahrung in ein Wesen gefaßt und in einen Klumpen gezogen hatte, der Erde heißt, nämlich in eine Verkörperung der gebärenden geistigen Kräfte, da unterschied Er die Elemente aus der Ausgeglichenheit des Einigen Elements in vier Elemente (Feuer, Luft, Wasser und Erde) zu einem webenden Leben und faßte auch die geistigen Kräfte der Natur (aus denen die materielle Verkörperung der Erde und aller Materien verstanden werden) in die Sterne. Denn für die Wesen, denen die Erde körperlich ist, für die sind die Sterne geistig, und doch nicht wie lebendige Geister, sondern ein geistiges Wesen als Kräfte der Quintessenz, nämlich die subtile Kraft, mit der sich die Erde in die Grobstofflichkeit geschieden hat, welche Gott durch die Erfahrung seines Wortes in die Unterschiedlichkeit der Kräfte formte.

5.14. Sie heißen darum Sterne, weil sie ein bewegliches, hartes, gieriges und strenges Wesen haben, darin die Eigenschaften der Natur von all dem verstanden werden, was die Natur in sich selbst in geistiger Ausgeglichenheit ist. Daraus entstehen die Sterne in ihrer Unterschiedlichkeit, und ich behaupte auch, um es recht zu verstehen: Wenn die Sterne alle zergingen und wieder in das Eine träten, daraus sie ausgegangen sind, dann wäre es die ewige Natur, wie es von Ewigkeit gewesen ist. Denn es stünde wieder in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit, wie es dann auch am Ende wieder geschehen soll. Doch bis dahin werden alle Wesen durch das Feuer geprüft und in ihr eigenes Prinzip geschieden. In dieser Zerteilung und Einfassung der Kräfte der Sterne und der vier Elemente verstehen wir die Zeit und den kreatürlichen Anfang dieser Welt.

5.15. Als nun Gott die Erde und das Firmament der Sterne geschaffen und in ihrer Mitte das planetarische Rad der sieben Eigenschaften der Natur mit der Sonne als ihren Regenten angeordnet hatte, offenbarte sich damit der Geist der Welt (Spiritus Mundi) aus allen Eigenschaften der Kräfte, aus den Sternen und den Elementen. Denn eine jede Kraft ist ausgehend nach der Ordnung der ewigen Natur im aussprechenden Wort. Und dieses ewige Wort hatte sich hier aus dem Mysterium Magnum in eine Zeit als eine Gestaltung des geistigen Mysteriums Magnums eingefaßt und eingeschlossen, wie ein großes Uhrwerk, darin man das geistige Wort in einem zeitlichen Werk versteht.

5.16. Das ganze Werk ist das geformte Wort Gottes. Das heißt: Das natürliche Wort, in dem das lebendige Wort Gottes, das Gott selbst ist, im Inneren verstanden wird. Das spricht sich durch die Natur in einem Welt-Geist aus, nämlich in eine Seele der Schöpfung. Und im Aussprechen geschieht wieder die Unterscheidung in der feurigen weltlichen Erfahrung im Geist der Welt, weil sich die feurige Erfahrung in eine geistige Unterscheidung ausführt. In dieser Unterscheidung werden die Geister in den Elementen verstanden, und diese nach der Trennung der vier Elemente, in jedem Element nach seiner Eigenschaft.

5.17. Denn jedes Element hat seine innewohnenden Geister, je nach der Qualität des jeweiligen Elements, welche ein Schatten und Bild des Ewigen sind, aber auch in einem wirklichen Leben aus der Erfahrung der Natur des ausgesprochenen geformten Wortes, aus dem Mysterium Magnum. Jedoch nicht aus dem wahren göttlichen Leben, sondern aus dem natürlichen, so daß sie (als Geister) im Feuer, in der Luft, im Wasser und in der Erde in Ordnungen herrschen, wie auch das Gestirn seine verinnerlichte Ordnung hat, und wie es auch unter jedem (Himmels-) Pol zu verstehen ist.

5.18. Der Welt-Geist (Spiritus Mundi) ist nun das Leben der äußeren Welt. Das Gestirn steht rings umher und hat die drei Grundqualitäten (Salz, Schwefel und Quecksilber) in harter feuriger Erfahrung in sich. Ja, sie sind eben selbst von diesem Wesen, aber in großer Zertrennung und Unterschiedlichkeit. Diese Unterschiedlichkeiten der Kräfte gehen aus sich aus und werden wie zu einem Hunger nach ihrem gehabten (ehemalig erfahrenen) Wesen, also nach der Erde und deren Materien in ihren jeweiligen Eigenschaften. Und so ist auch die Erde ein Hunger nach dem Welt-Geist (Spiritus Mundi), denn sie ist aus ihm geschieden (bzw. entstanden).

5.19. Also hungert das Obere nach dem Unteren, und das Untere nach dem Oberen. Der Hunger des Oberen begehrt mächtig nach der Erde, und der Hunger der Erde nach dem Oberen. Darum fallen alle materiellen Dinge zur Erde, wie auch das Wasser von der Erde angezogen wird, und dagegen zieht sich der feurige Geist im Oberen das Wasser wieder in die Höhe zu seiner Labsal. Er gebiert es und gibt es von sich, und zieht es auch wieder in sich, nachdem es sich mit der Erde verbunden hat. So erscheinen beide zueinander wie Leib und Seele oder wie Mann und Weib, die miteinander Kinder gebären.

5.20. Aus dieser Geburt, wie aus dem Mutterleib der Natur, hat Gott im Schöpfungswort, also in der wesentlichen Begierde der Kräfte, am fünften Tag alle Kreaturen aus deren Erfahrung in ihrer Eigenschaft hervorgerufen, nämlich das Körperliche aus der Verkörperung der Erde und den Geist aus dem Welt-Geist. Das geschah in der Konjunktion des Oberen und Unteren. Das heißt: Das innere göttliche Wort sprach sich durch das äußere ausgesprochene Wort in jeder Erfahrung der feurigen Eigenschaft der Kräfte in ein kreatürliches Leben aus. Das sind nun die Kreaturen auf Erden, im Wasser und die Vögel in der Luft, eine jede Kreatur aus seiner eigenen Erfahrung aus Gutem und Bösem nach der Eigenschaft aller drei Prinzipien, und jede nach ihrem gleichnishaften Bild des inneren Grundes, nämlich aus dem Reich der Phantasie wie auch aus dem ursprünglichen guten (heiligen bzw. ganzheitlichen) Leben. So sieht man es vor Augen, daß es gute und böse Kreaturen gibt, wie giftige Tiere und Würmer nach dem Zentrum der finsteren Natur aus der Gewalt der grimmigen Eigenschaft, welche auch nur im Finsteren zu wohnen begehren, wie all diejenigen, die in Erdlöchern wohnen und sich vor der Sonne verbergen. Dagegen findet man auch viele Kreaturen, mit denen sich der Welt-Geist aus dem Reich der Phantasie gebildet hat, wie Affen, Vögel und ähnliche Tiere, die gern Possen treiben und andere Kreaturen plagen und beunruhigen, so daß der eine des anderen Feind ist und alles gegeneinander streitet, so ähnlich wie die drei Prinzipien in ihren Kräften miteinander spielen. Also hat Gott dieses Spiel vor sich mit dem Welt-Geist und dessen Erfahrung in ein lebendig kreatürliches Wesen hineingeführt, wie man dann auch gute und freundliche Kreaturen in Ausgestaltung der Engelswelt findet, wenn sich der Welt-Geist in die guten ausgesprochenen Kräfte eingebildet hat, welches auch die zahmen Tiere und Vögel sind, obwohl sich da auch viele bösartige Tiere mit bösartigen Eigenschaften unter die zahmen mengen, und sie also in vermischten Eigenschaften ergriffen worden sind. An Nahrung und Wohnung eines jeden Tieres sieht man, woraus es hergekommen sei, denn eine jede Kreatur begehrt in seiner Mutter zu wohnen und sehnt sich nach ihr, wie das klar sichtbar ist.

5.21. Der Welt-Geist, aus dem alle äußeren Kreaturen nach dem Geiste gekommen sind, ist in eine Zeit mit Ziel und Maß eingeschlossen, nämlich wie lange alles währen soll, und ist wie ein Uhrwerk aus den Sternen und Elementen, darin der höchste Gott wohnt und dieses Uhrwerk zu seinem Werkzeug gebraucht und sein Werk darin eingeschlossen hat (zum „Uhrwerk“ bzw. „Zeit-Werk“). Das läuft frei vor sich hin und gebiert nach seinen Minuten, wie man es in etwa vergleichen könnte. Alle Dinge laufen darin ab, was in der Welt geschehen ist und noch geschehen soll. Das ist Gottes Bestimmung zur Kreatur und in der Kreatur, darin er alles mit diesem Regiment der Natur verwaltet.

5.22. Doch in Gott selbst, soweit er „Gott“ heißt und ist, ist keine Bestimmung zum Bösen oder zu Etwas, denn er ist das Einige Gute (die Gutheit) und hat keine andere Greifbarkeit in sich als nur sich selbst. Doch in seinem Wort, das er von sich aus dem Mysterium Magnum (dem großen Unbekannten) der ewigen Natur als den Welt-Geist ausgesprochen hat, darin hat er seine Bestimmung gefaßt und in das freie Uhrwerk eingeschlossen, nämlich in den Geist der Welt. Das gebiert nun und zerbricht alles wieder nach seinem Entstehen und Ablauf, und es bringt Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit.

5.23. Aber in seinem Wesen gießt Gott seine Liebe-Kraft da hinein. Das heißt: Er gießt sich selbst hinein, gleichwie die Sonne in die Erfahrung der Elemente und der Früchte. Das heißt: Die heilige göttliche Erfahrung gibt der natürlichen Erfahrung Kraft. Gott liebt alle seine Werke und kann sonst nichts tun als lieben, denn er ist die Einige Liebe selbst. Sein Zorn aber wird in der ewigen und zeitlichen Natur verstanden, nämlich in der ewigen Natur im Zentrum der Finsternis, im kalten und hitzigen Feuer-Qual-Quell. Und in der zeitlichen Natur wird er im Welt-Geist in der feurigen Erfahrung der Unterscheidung aller Eigenschaften verstanden.

5.24. Und wenn nun eine Stadt, Land oder Kreatur diesen Zorn in der feurigen Erfahrung im Welt-Geist in sich erweckt, das heißt, daß man die Abneigung in Grimm hineinführt, dann gleicht man einem Holz im Feuer, darin der Grimm qualifizierend (quellend und quälend) wird und um sich frißt und das Leben in der Erfahrung der Kreatur in grimmiges Leiden versetzt.

5.25. So spricht alsdann das zornige und feurige Wort in der erweckten Verwirrung durch den prophetischen Geist in die große Verwirrung: „Ich will dem Unglück über Stadt und Land zusprechen und meine Lust darin sehen, wie der Zorn die Abneigung auffrißt und wie er das böse Volk verzehrt.“ Denn das ist gerade die Freude und starke Macht des Grimms in der Natur, wenn man ihm solches Feuerholz wie das Gotteslästern und andere Sünden und Schanden zuführt. Denn das frißt und verzehrt er, denn es ist seine Speise, besonders dann, wenn sich die menschliche Erfahrung von der Gottesliebe abtrennt und mit dem Grimm der Natur hurt. Hier mästet er sich fett, bis sich das Uhrwerk in eine feurige Erfahrung führt, weil ja alle Wesen in der Prüfung stehen. Dann entzündet er sich darin, nachdem die Verwirrung im Rad des Uhrwerks entzündet wurde, so daß darin seine Eigenschaft offenbar wird. So kommt dann auch die Plage, und so wird sie ausgeschüttet über das Land, die Stadt und Kreatur, nämlich oft mit Gift und Pest, öfters mit Unfruchtbarkeit, und auch oft mit Verbitterung der Gemüter der Oberen, daraus dann der Krieg entsteht.

5.26. Aus diesem großen Uhrwerk, nämlich aus dem Oberen und Unteren, wenn alles ineinander spielt, ist auch der Mensch zum Bilde Gottes geschaffen worden. Denn Moses sagt, der Herr habe gesprochen: »Laßt uns Menschen machen, ein Bild nach uns, das da herrsche über alle Kreaturen auf Erden, über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das da auf Erden kriecht. (1.Moses 1.28)« Sollen nun die Menschen über diese alle herrschen, so müssen sie auch eben aus demselben Grund und dazu aus der besten Kraft desselben sein. Denn kein Ding herrscht tiefer als seine Mutter ist, daraus es kommt, es werde denn in ein Besseres verwandelt, so herrscht es auch in diesem Besseren, aber nicht weiter als dessen Grund ist.

5.27. Weiter sagt Moses: »Gott machte den Menschen aus dem Erdenklos und blies ihm den lebendigen Odem ein. Da ward der Mensch eine lebendige Seele. (1.Moses 2.7)« Hier sollten wir nicht denken, daß Gott auf persönliche kreatürliche Art gleich einem Menschen dastand und einen Klumpen Erde genommen und einen Leib daraus gemacht hat. Nein, das ist nicht gemeint. Sondern das Wort Gottes war das Aussprechen in allen Eigenschaften, nämlich im Geist der Welt und im Wesen der Erde aus dem Geist der Welt. Es wurde wirksam und sprach in alle Wesen ein Leben, nämlich das Schöpfungswort, welches die Begierde des Wortes in der Erfahrung ist. Das geschah in dem ewig gesehenen Modell des Menschen, welches in der Weisheit stand, und zog das Wesen aller Eigenschaften der Erde und was darin immer sein mag in eine (körperliche) Masse, die eine Quintessenz aus den vier Elementen war, in welcher die Tinktur aller Kräfte aus allen drei Prinzipien lag und dazu die Eigenschaft der ganzen Schöpfung aller Kreaturen als das Wesen aller Wesen, daraus alle Geschöpfe entstehen.

5.28. Denn versteht es recht: Die irdischen Kreaturen der Zeit bestehen mit dem Körper aus den vier Elementen, aber der Leib des Menschen kommt aus der Ausgeglichenheit, in der alle vier Elemente ineinander in einem Wesen liegen, daraus Erde, Steine und Metalle samt allen irdischen Kreaturen ihren Ursprung haben. Wohl aus dem Stoff der Erde, aber nicht aus der Grobheit des eingefaßten Wesens der Zertrennung in den Eigenschaften, in der sich eine jede Eigenschaft in ein besonderes Wesen der Erde, Steine und Metalle gefaßt hat, sondern aus der Quintessenz, darin die vier Elemente in der ganzheitlichen Ausgewogenheit liegen, in der weder Hitze noch Kälte offenbar war, denn sie waren alle im Gleichgewicht.

5.29. Denn sollte der Mensch über alle Kreaturen herrschen, so müßte er ja eine höhere Macht als das höchste Wesen der Kreatur in sich haben, so daß die Kreaturen einen Grad äußerlicher oder niedriger oder wenn man will, auch geringer waren, damit das Mächtigere über das weniger Mächtige herrsche, gleichwie Gott in der Natur, die auch geringer als Er ist. Deshalb sollte man nicht denken, daß im Menschen die tierischen Eigenschaften kreatürlich oder offenbar sein sollten, sondern das Wesen aller Kreaturen lag im menschlichen Wesen in der Ausgeglichenheit. Der Mensch ist ein Bild der ganzen Schöpfung aller drei Prinzipien, nicht allein im Wesen der äußeren Natur der Sterne und vier Elemente in Form der geschaffenen Welt, sondern auch aus dem Wesen der inneren geistigen Welt göttlicher Wesenheit. Denn das heilige Wort faßt sich mit in das ausgesprochene Wort des Wesens, wie sich auch der Himmel mit in das Wesen der äußeren Welt faßte oder auch das Grünen in das Wesen der inneren Welt als das Paradies. So war das heilige Element überall in dem wallenden Regiment (der Natur anwesend).

5.30. In Summa: Der menschliche Körper ist ein Stoff aus dem Wesen aller Wesen, sonst könnte er nicht ein Gleichnis Gottes oder ein Bild Gottes genannt werden. Der unsichtbare Gott, der sich seit Ewigkeit in (verschiedenste) Wesen hineingeführt hat und so auch mit dieser Welt in eine Zeit, der hat sich mit dem Menschenbild aus allen Wesen in ein kreatürliches Bild gemodelt (geformt), nämlich in eine Gestaltung des unsichtbaren Wesens. Hierzu hat er ihm nicht das kreatürliche tierische Leben aus der Erfahrung der Kreatur gegeben, denn dieses Leben mußte nicht in der Ausgeglichenheit entschieden werden, sondern er blies ihm den lebendigen Odem als das wahre vernünftige Leben im Wort der göttlichen Kraft ein, das heißt, er blies ihm die wahre Seele aller drei (folgenden) Prinzipien in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit ein.

5.31. (1.) Von innen die magische Feuer-Welt als das Zentrum der Natur, wie schon oben erklärt, welche die wirklich kreatürliche Feuer-Seele ist, dadurch sich Gott einen starken eifrigen Gott und ein verzehrendes Feuer nennt, als die ewige Natur.

5.32. (2.) Und hiermit auch zugleich die Licht-Welt als das Reich der Kraft Gottes. Denn wie Feuer und Licht zusammengehören, so ist es auch hier zu verstehen.

5.33. (3.) Und von außen blies er ihm auch zugleich den Welt-Geist mit der Luft-Seele ein. So blies sich das ganze aussprechende Wort in aller Natur nach Zeit und Ewigkeit ein, denn der Mensch war (ursprünglich) ein Bild Gottes, in dem der unsichtbare Gott offenbar war, ein wahrer Tempel des Geistes Gottes, wie auch (in Joh. 1.4) steht: »Das Leben der Menschen sei im Wort gewesen und dem geschaffenen Bild eingeblasen worden.« Als ihm der Geist Gottes das Leben der Natur in der Ausgeglichenheit als den Geist göttlicher Offenbarung einblies, da führte sich die göttliche Erfahrung in ein natürliches Leben hinein. Dieses göttliche natürliche Leben ist der Mensch, gleich den Engeln Gottes nach der Seele als der geistigen Welt. Wie auch (in Matth. 22.30) geschrieben steht: »In der Auferstehung sind sie den Engeln Gottes gleich.« Nur so kommen wir doch wieder in das erste geschaffene göttliche Bild und nicht in eine andere Kreatur.

5.34. Also können wir den Menschen recht erkennen: Zuerst, was er in der Unschuld gewesen war, und zum anderen was er danach geworden sei. Er war im Paradies, und dies ist die ganzheitliche Ausgeglichenheit. Er wurde an einen gewissen Ort gesetzt, wo die heilige Welt durch die Erde ausgrünte und Paradiesfrüchte trug, welche in ihrem Wesen auch in der Ausgeglichenheit standen. Sie waren gut und lieblich anzusehen, und auch gut auf himmlische Art zu essen, nicht in einen Madensack (verweslichen Körper) wie jetzt in der aufgewachten tierischen Eigenschaft, sondern auf magische (geistige) Art. Wohl auch im Mund, aber im Mund waren die Zentren der Scheidung, als ein jedes Prinzip in das seine, in einer Art und Weise, wie das in der Ewigkeit sein mag. Gleichwie der Welt-Geist durch die drei Grundqualitäten von Salz, Schwefel und Quecksilber das Wasser gebiert und von sich gibt, wie in der Scheidung von Salpeter, und auch wieder in sich zieht, wie aus der Erde, und doch dessen nicht voll wird, so ist es auch am Menschen zu verstehen.

5.35. Adam war nackt und doch mit der größten Herrlichkeit bekleidet, nämlich mit dem Paradies, ein vollkommen schönes, helles und kristallinisches (durchscheinendes) Bild, kein Mann, kein Weib, sondern beides als eine männliche Jungfrau, mit beiden Tinkturen (von Geist und Natur im Ur-Meer) in der Ausgeglichenheit als die himmlische Matrix (den göttlichen Mutterleib) im gebärenden Liebe-Feuer, aber auch der Stoff aus der Natur des wesentlichen Feuers. In diesen beiden wird das erste und zweite Prinzip der heiligen göttlichen Natur verstanden. Nämlich die (natürlich-werdende) Veneris-Tinktur als das Gebären und Geben aus der Eigenschaft des Sohnes, darunter das Weib als Mutter und Gebärerin verstanden wird. Und die feurige Eigenschaft aus der Eigenschaft des Vaters als die (geistige) Erfahrung, darunter der Mann verstanden wird. Und diese beiden Eigenschaften haben sich danach in Mann und Weib geschieden.

5.36. Denn wenn Adam hätte bestehen können, dann wäre die Geburt und Vermehrung der Menschen magisch (geistig) gewesen, nämlich einer aus dem anderen, gleichwie die Sonne das Glas durchdringt und es doch nicht zerbricht. Weil es aber Gott wohl erkannte, daß Adam nicht bestehen würde, so hat er ihm den Heiland und Wiedergebärer aus dem Grund der Welt zugeordnet, obwohl er ihn anfänglich in das wahre rechte Bild geschaffen und ins Paradies gestellt hatte, darin er ewig sein soll. Dort hat er die Prüfung über ihn kommen lassen, ob er in paradiesische Erfahrung fiele und das heilige Wort nicht in tierische Erfahrung eingehen muß, um zur neuen Wiedergeburt zu kommen, also wieder in das, das allda (in Adam durch den Sündenfall) verbleichen würde, nämlich in das wahre (überbildliche) Bild Gottes, wie im Folgenden erklärt werden soll.

Sieben Quellgeister - Jacob Böhme
(Eine mögliche Deutung der sieben Qualitäten der Natur im Meer der Tinktur)

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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