Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

4. Kapitel - Die Entstehung der Schöpfung

Von der Entstehung der Schöpfung.

4.1. Wohlgesinnter Leser, ich bitte dich, sei ein Mensch und kein unvernünftiges Tier. Laß dich vom Geschwätz der Sophisten (Unwissenden) mit ihrem Kälberverstand nicht beirren, die da nicht wissen, was sie schwatzen, die nur zanken und beißen, aber nicht wahrhaft verstehen, was sie behaupten und keinen Grund im Sinn (der Vernunft) haben.

4.2. Laß dich auch nicht beirren von dieser Feder oder Hand der Feder (des Autors). Der Höchste hat sie so geschnitzt und seinen Odem hineingeblasen, weshalb wir ein solches wohl wissen, sehen und erkennen, und nicht aus Wahn von anderer Hand oder durch astralische (weltliche) Einfälle, wie wir oft beschuldigt werden. Uns ist eine Pforte in der Heiligen Dreifaltigkeit aufgetan, um zu sehen und zu wissen, was der Herr zu dieser Zeit in den Menschen wissen will, auf daß der Streit ein Ende nehme und man nicht mehr um Gott zanke. Darum offenbart Er sich auf diese Weise selbst, und das soll kein Wunder sein, sondern wir selbst sollen das Wunder sein, das Er in Erfüllung der Zeit geboren hat, damit wir uns erkennen, was wir sind, und vom Streit abgehen in die ganzheitliche Ausgeglichenheit des Einigen Willens und uns untereinander lieben.

4.3. Die ganze Schöpfung, sowohl der ewigen Wesen als auch der zeitlichen (vergänglichen) Kreaturen, steht im Wort der göttlichen Kraft.

4.4. Die Ewigen entstehen aus der Erfahrung (Scienz) des Sprechens aus dem Einigen Willen des Ungrundes, der sich durch das Wort des Sprechens mit der Erfahrung in eine Teilung hineingeführt hat.

4.5. Und die Zeitlichen entstehen im ausgesprochenen Wort durch eine bildliche Gestaltung der Ewigen, weil sich das ausgesprochene Wort in seiner Substanz wieder in einen äußerlichen Spiegel zu seiner eigenen Beschaulichkeit hineingeführt hat.

4.6. Die Auf- und Austeilung der Erfahrung aus dem Ungrund in den Grund mit der Einführung des sprechenden Wortes in ein Wieder-Aussprechen des Wesens aller Wesen, in und zum Bösen und Guten, entsteht so: Es gebären sich drei Prinzipien in dem Wesen aller Wesen, von denen je eines des anderen Ursache ist, darin man auch dreierlei Leben versteht als drei Unterschiede göttlicher Offenbarung.

4.7. Zum Allerersten die wahre Gottheit in sich selbst in der Dreifaltigkeit und der Erfahrung des Ungrundes im Einigen Willen, daraus Gott „Gott“ gebiert, als der Einige Wille, der sich in die Dreiheit hineinführt. Er ist noch kein Prinzip, denn es ist nichts vor ihm. Und so kann Er auch keinen Anfang von etwas haben, sondern Er ist selbst sein Anfang, das Nichts und auch sein Etwas.

4.8. Aber im Wort der Einigen göttlichen Kraft, in der sich die Einige Erfahrung der Gebärung der Dreiheit aus sich selbst aushaucht, allda entsteht der Anfang des ersten Prinzips. Doch nicht im Grund des Sprechens als Dreiheit, sondern in der Fassung der Unterschiedlichkeit, da sich die Unterschiedlichkeit in der Natur zur Empfindlichkeit und Beweglichkeit einfaßt, so daß sich die Empfindlichkeit in zwei Wesen scheidet, nämlich in den (hitzigen) Grimm nach der Prägung in der Finsternis und in ein kaltes leidvolles Feuer, darin die Hitze entsteht. Hierin versteht man das erste Prinzip in der Feuerwurzel, welches das Zentrum der Natur ist.

4.9. Das zweite Prinzip versteht man in der Scheidung des Feuers, wenn sich die göttliche Erfahrung im Feuer in das Licht scheidet, dazu sie sich in Natur und Wesen zur Offenbarung des göttlichen Freudenreichs hineingeführt hat, weil das Wort der Kräfte in der wirklichen Gebärung innerlich besteht und der gedankliche Verstand (Mens) im Wesen (Ens) wirkt. Damit geschieht die Scheidung zwischen zwei Prinzipien, wenn sich Gott nach dem ersten einen zornigen und eifrigen Gott und ein verzehrendes Feuer nennt, und nach dem zweiten einen lieben und barmherzigen Gott, der nichts Bösartiges will oder wollen kann.

4.10. Das dritte Prinzip wird in den sieben Tagewerken verstanden, in denen sich die sieben Eigenschaften der Natur in der siebenten in ein (äußerliches) Wesen zur Faßlichkeit hineingeführt haben. Dessen (innerliches) Wesen ist in sich selbst heilig, rein und gut und heißt der ewige, ungeschaffene Himmel, als die Stätte Gottes oder das Reich Gottes, oder auch das Paradies, das reine Element, das göttliche Wesen oder wie man es nach seiner Eigenschaft auch benennen möchte.

4.11. Dieses Einige Wesen der göttlichen Wirklichkeit, das seit Ewigkeit gewesen ist, hat Gott mit der Erfahrung seines unergründlichen Willens gefaßt und bewegt und in das Wort seines Sprechens eingefaßt und aus dem ersten Prinzip der leidvoll finsteren Feuer-Welt und aus (dem zweiten Prinzip) der heiligen lichtflammenden Liebe-Welt ausgesprochen, als eine äußerliche Gestaltung der innerlichen geistigen Welt.

4.12. Und das ist nun die äußere sichtbare Welt mit den Sternen und (vier) Elementen. Doch man sollte nicht denken, daß dies zuvor in einem geistigen Wesen bereits so unterschiedlich gewesen war. Es ist das Mysterium Magnum (große Unbekannte bzw. Ungestaltete) gewesen, in dem alle Dinge in der Weisheit in geistiger Form als Erfahrung des Feuers und Lichtes in einem innigen Liebe-Spiel standen, nicht in kreatürlichen (gestalteten) Geistern, sondern in der Erfahrung (Scienz bzw. „Information“) solcher Gestaltungen, darin die Weisheit mit sich selbst in der Kraft gespielt hat. Diese Gestaltung hat nun der Einige Wille ins Wort gefaßt und die Erfahrung aus dem Einigen Willen frei gehen lassen, damit sich eine jede Kraft in der Unterscheidung aus eigenem Willen in der freigelassenen Erfahrung in eine Form hineinführe, je nach ihrer Eigenschaft.

4.13. Solches hat das göttliche »Schuf! (Werde!)« als die Begierde der ewigen Natur, welche das Schöpfungswort (Fiat) der Kräfte genannt wird, in eine Verkörperung der Eigenschaften eingefaßt. So spricht nun auch Moses, Gott habe im Anfang, nämlich in dieser Einfassung des Mysteriums Magnums, Himmel und Erde geschaffen und gesagt: »Es sollen allerlei Kreaturen hervorgehen, ein jedes nach seiner Eigenschaft.«

4.14. So können wir es nun verstehen, daß im Schöpfungswort das Mysterium Magnum in ein Wesen gefaßt worden ist, nämlich aus dem inneren geistigen Wesen in ein greifbares. Und in der Begreifbarkeit liegt die Erfahrung des Lebens, und dies in zwei Eigenschaften, nämlich in einer gedanklichen und einer sinnlichen (Mens und Ens). Das geschieht in einer wirklich lebendigen Weise aus dem Grund der Ewigkeit, die in der Weisheit des Wortes steht, und in einer ausgrünenden aus des Wesens eigener in sich selbst geborenen Erfahrung, welche das Wachstum ist, darin sowohl das wachsende Leben wie auch das stumme steht.

4.15. Aus diesem Mysterium ist anfänglich die Quintessenz als das Wesen des Wortes offenbar und wesentlich geworden, an der nun alle drei Prinzipien angehangen sind, weil sich dann das Wesen geschieden hat, nämlich das Geistige in geistiges Wesen und das Stumme in stummes Wesen, wie da sind Erde, Steine, Metalle und das materielle Wasser.

4.16. Die drei Ersten (Grundqualitäten) haben sich zuerst in ein geistiges Wesen gefaßt, nämlich in Himmel, Feuer und Luft. Denn Moses sagt: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Das Wort »Himmel« bedeutet das geistige Element als die geistige Oberwelt mit der Wirkung der vier Elemente, wenn sich das Einige Element mit der Eigenschaft der drei Grundqualitäten ausgewickelt hat, darin die Natur mit ihren sieben Qualitäten verinnerlicht liegt. Und dieses Geistige hat dann aus sich das grobe, gefaßte und stumme Wesen ausgestoßen, nämlich die Materie der Erde und was darin nach und aus der Eigenschaft der sieben Qualitäten der Natur und ihrer unterschiedlichen Ausgestaltungen begriffen werden kann, weil sich nun jede Qualität mit ihrer Ausgestaltung der Vielfalt in verschiedene Wesen hineingeführt hat. Das erkennt man am wachsenden Geist, der aus dem salzigen Sud (materiellen Grund) der beiden Feuer die Erfahrung jeder Eigenschaft aus sich in die Höhe herausführt, nämlich in die Begierde nach dem oberen (himmlischen) Geist-Leben, von dem auch die Erde ihre Kraft empfängt. In welcher oberen und unteren Kraft sich die Erfahrung der Erde in ein Gewächs hineinführt, das die Sonne mit ihrem Licht-Feuer entzündet - so daß daraus Früchte in ähnlicher Weise wachsen, wie die innere magische (geistige) Sonne des göttlichen Lichtes die innere Natur entzündet, darin das Paradies wachsend und grünend steht - das versteht in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit des Einigen Elements, welches dem Irdischen verborgen ist. So wollen wir nun dem Leser zusammengefaßt andeuten, was das Wesen aller Wesen ist.

4.17. Die innere, heilige und geistige Welt ist das aussprechende Wort Gottes, welches sich in Wesen und Wirkung nach Liebe und Zorn hineinführt, weil man in der Einprägung der Finsternis das Böse versteht, obwohl doch in Gott nichts böse ist, sondern nur in seiner eigensinnigen Fassung der Ichheit als in einer Kreatur, und weil es doch auch gut ist, sofern nur die Kreatur innerlich in der Ausgeglichenheit steht.

4.18. Und in der Fassung des Lichtes versteht man das Reich als den offenbaren Gott mit seiner wirklichen Kraft, die sich in der feurigen Natur in ein wahrnehmbares Wort zur göttlichen Offenbarung im Heiligen Geist faßt. Dieses wirkende Wort aus allen Kräften, aus dem Guten und Bösen wie aus dem Licht- und Liebe-Feuer und aus dem leidlichen und finsteren Natur-Feuer, das in der Ewigkeit in einem wirklichen Wesen in zwei Prinzipien stand, nämlich im Licht und der Finsternis, hat sich in eine Zeit ausgesprochen und in ein Wesen mit Anfang und Ende hineingeführt und in die Schöpfung zu seiner Selbstoffenbarung gebildet.

4.19. Das ist diese äußere Welt mit ihren Heeren (der Engel) und allem, was darin lebt und webt. All das ist in eine Zeit wie in ein Uhrwerk eingeschlossen, das nun stetig von seinem Anfang wieder zum Ende läuft, nämlich wieder in das Erste, daraus es ausgegangen ist. Und so ist Alles mit dem Ziel offenbar geworden, damit das ewige Wort in seiner wirklichen Kraft kreatürlich und bildlich werde, und in gleicher Weise, wie es sich von Ewigkeit in der Weisheit informiert und eingebildet hat, nun auch in unterschiedlichem Leben (Particular-Leben) ausgebildet sei, und zwar zur Herrlichkeit und Freude des Heiligen Geistes im Wort des Lebens in sich selbst.

Die Entstehung der Engel

4.20. Und darum hat Gott in der ewigen Erfahrung des ewigen unergründlichen Willens auch die Engel aus beiden Feuern geschaffen, nämlich aus dem Feuer der Natur und aus dem Feuer der Liebe. Obwohl das Liebe-Feuer keine Kreatur hervorbringen kann, sondern es wohnt in der Kreatur und erfüllt sie wie die Sonne die Welt oder die Natur in der Zeit der Welt, auf daß der Heilige Geist so ein Freudenspiel in sich selbst habe.

4.21. So sollten wir die Engel auf rechte Weise wohl erkennen, denn hierin liegt die Grundlage, auf der nun die Frage nach der Gnadenwahl (dem freien Willen) behandelt wird, darin der Verstand in die Irre läuft.

4.22. Die Heilige Schrift nennt die Engel Feuer- und Licht-Flammen und auch dienstbare Geister (Psalm 104.4, Hebr. 1.7). Dem ist wohl so. Aber auch wenn sie ihre hochfürstliche Herrschaft haben, so sind sie doch allesamt nur ein zugerichtetes Instrument des Einigen Geistes Gottes in seiner Freude, welche er mit ihnen offenbart, denn er offenbart sich selbst durch sie.

4.23. Ihre Substanz und ihr Wesen, soweit sie ein Eigenwesen sind und Kreaturen genannt werden, ist eine Einfassung der ewigen Natur, welche ohne Anfang in göttlicher Wirkung zu seiner Selbstoffenbarung in ewiger Gebärung steht. Versteht, daß sie als Kreaturen die sieben gestalteten Qualitäten der ewigen Natur in großer Unterschiedlichkeit der Kräfte sind, in gleicher Weise, wie sich die drei Grundqualitäten in der Natur in unendliche Unterschiede einführen und formen. Also ist auch ihre Kreatur in vielen Eigenschaften zu verstehen, ein jeder (Engel) in seiner Eigenschaft.

4.24. Sie sind uns vor allem als sieben hohe Herrschaften in drei Hierarchien zu verstehen, nämlich nach dem Quell (der Qualitäten) der sieben Eigenschaften der Natur, weil sich eine jede gestaltete Qualität der ewigen Natur in einen Thron gefaßt hat, wie zu einer Herrschaft, darin die Unterschiede verstanden werden und auch der Wille des Gehorsams für den Thronfürsten.

4.25. Diese Herrschaft haben sie als Kreaturen zur Verwaltung göttlicher Gaben, weil ihnen Gott das Wesen, dessen sie ein Bild sind, zum Besitz gegeben hat, um darin zu wohnen, welches die heilige und geistige Kraft der Welt ist, nämlich die ganzheitliche Ausgeglichenheit. Ihr allerinnerlichster Grund, welcher aus göttlicher Eigenschaft aus der Ewigkeit entsteht, ist der Einige Wille des Ungrundes als ihr Grund. Also entstehen sie nach dem Anfang der Natur aus der Erfahrung des freien Willens, aus dem und in dem Gott sein Wort gebiert. Dieser freie Wille hat sich in der Naturgeburt im ersten Prinzip durch des Feuers Entzündung in Unterschiedlichkeit hineingeführt. Und aus derselben Unterschiedlichkeit im Ursprung des Feuers sind die Engel im freien Willen als ein Teilwesen (Particular) des unergründlichen freien Willens eingeführt worden, um sich mit dem freien Willen in das erste oder in das zweite Prinzip hineinzuwenden und zu offenbaren.

4.26. Gleichwie Gott selbst in diesem freien Willen frei und alles ist und sich in diesem freien Willen in der Natur in Feuer, Licht und Finsternis, in Leid und Qual wie auch in Liebe und Freude hineinführt, so haben auch die Teilwesen ihre Macht, sich aus dem ganzheitlichen freien Willen mit kreatürlicher Eigenschaft in die drei Hierarchien oder Prinzipien hineinzuführen, wie sie wollen. So kann sich die Erfahrung in den drei Hierarchien fassen und offenbaren, worin sie Gewalt hat, wie sich auch die göttliche Erfahrung in Wesen und Wirkung hineingeführt hat, nämlich als das erste Teil im feurigen nach der Kälte, das zweite im feurigen nach der Hitze, das dritte im feurigen nach dem Licht, und das vierte in die Phantasie als ein Spiel der Ichheit der Natur, wenn sie mit sich selbst in den Eigenschaften der Ungleichheit spielt.

4.27. Die drei Hierarchien können wir in den drei Prinzipien verstehen wie in dreierlei Licht der Natur: Die erste Hierarchie steht in der wesentlichen Eigenschaft des ewigen Vaters nach dem Feuer der Stärke, nämlich in der Feuer-Tinktur als Wesen der Natur. Die zweite Hierarchie steht in der Licht-Feuer-Tinktur nach der Eigenschaft des Sohnes in der ewigen Natur und ist die Heiligste. Die dritte Hierarchie steht in der Ichheit der Natur, wo sie in den gegensätzlichen Eigenschaften spielt, wie die vier Elemente in der Kraft der Sterne spielen. Und diese ist nach dem Zentrum der Finsternis offenbar, aber sie hat auch ein natürliches Licht in sich, nämlich den kalten und hitzigen Feuer-Blitz oder Blick, darin die Verwandlung verstanden wird, so daß sich die Kreatur bald in diese oder andere Formen verwandeln kann. Sie wird in der Natur die falsche (illusorische) Magie genannt, zu deren Hierarchie sich Fürst Luzifer gewandt hat und durch diese Erfahrung aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit ausgegangen ist. Dessen Reich wird eine Höhle oder Hölle genannt, weil es in sich selber in der Finsternis wohnt und kein wahres Licht hat, da es nicht in der Ausgeglichenheit steht, sondern eine Lust und Begierde der Phantasie des Aufbauens und Zerbrechens in sich trägt, so daß jede formierte Gestaltung durch die gegensätzlichen Gestaltungen der Natur bald wieder zerbrochen und in eine andere gewandelt wird. Sein Reich steht mit im Ort der Welt unter dem Regiment der Schöpfung, zwar nicht nach den vier Elementen und dem Gestirn, aber doch darin verborgen, und dringt in die Geschöpfe mit ein, darin die Teufel und Geister der Phantasie in den vier Elementen wohnen.

4.28. Wenn die Sonne und das Wasser aufhören sollten, dann wäre dieses Reich offenbar. Es bildet sich in etliche Gewächse mit hinein, oder auch in Metallen, welche nicht beständig sind und im Feuer entstehen, oder auch in Kräutern, Bäumen und Kreaturen, darin die falsche Magie der Zauberei verstanden wird, und darin Christus den Teufel einen Fürsten dieser Welt nennt.

4.29. Denn weil er aus dem reinen Licht verstoßen wurde, fiel er in das Reich der Phantasie, ins Zentrum (der Egozentrik) der Natur, aus der Ausgeglichenheit heraus in die Finsternis, wo er sich ein falsches Licht aus dem hitzigen und kalten Feuer durch die Erfahrung in der Macht der Ewigkeit entzünden kann. Denn das ist der Fall von Luzifer, daß er mit eigenem Willen das Reich der Phantasie in seiner Kreatur offenbarte, und daß er den ewigen Willen aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit in die Zertrennung hineinführte, nämlich in die Ungleichheit (und Gegensätzlichkeit) der Phantasie, die ihn auch sogleich einfing und darin in einem unverlöschlichen kalten und hitzigen Feuerquell der Qual in die Widerwärtigkeit der Gestaltungen hineinführte.

4.30. Denn der Grimm der ewigen Natur, der „Gottes Zorn“ heißt, offenbarte sich in ihnen und führte ihren Willen in die Phantasie. Darin leben sie immer noch, und mögen nun nichts anderes tun, als was die Eigenschaft der Phantasie ist, nämlich Narrheit treiben, sich verwandeln und das ganzheitliche Wesen zerbrechen. Dazu gehört auch, daß sie sich in kalter und hitziger Feuers-Macht erheben und einen Willen in sich fassen, über die Hierarchien Gottes auszufahren, nämlich der heiligen Engel, und sich in prächtiger Feuers-Macht nach dem ersten Prinzip in ihrem Grimm sehen zu lassen. Ihr Wille ist nur überheblicher Stolz, also eine Gier zur Vielfalt der Eigenschaften, ein stachliger Neid aus dem bitteren Leid, ein Zorn aus dem Feuer und ein Verzweifeln aus der Angst.

4.31. In Summa: Wie die drei Grundqualitäten als der Geist der Natur im geistigen Salz, Schwefel und Quecksilber sind, so ist auch ihr Gemüt, daraus die Sinne kommen. Bitte versteht: Wie die drei Grundqualitäten außerhalb von Gottes Licht ihren Ursprung haben, so ist auch der Teufel in seinem Willen und Gemüt, denn seine Erhebung geschah nach dem ersten Prinzip, weil er ein Herr über und in allen Wesen sein wollte, sogar über alle Engelsheere. Und darum wandte er sich von der Demut der Liebe ab und wollte mit der Macht des Feuers darin herrschen, welche ihn aus sich ausgespeit, sich selbst zu seinem Richter gemacht und ihm die göttliche Gewalt genommen hat.

4.32. Und bezüglich dieser Erhebung können wir betrachten und zuhöchst erkennen: Wie die Engel vor der Zeit des dritten Prinzips (der Welt der vier Elemente) in der ersten göttlichen Bewegung geschaffen worden waren, so haben dann, als sich das Reich der Phantasie im Grimm der Natur so gewaltig bewegt, eingeprägt und gefaßt hat, in dieser Fassung die Erde und Steine ihren Ursprung genommen. Doch diese haben nicht die (egoistischen) Teufel verursacht, sondern sie haben die Mutter der Natur als den Grimm Gottes verursacht, so daß er ihnen (den Egos) das Wesen in eine Verfestigung (Verkörperung) verschlossen und in einen Klumpen (Körper) gebracht hat, weil sie ihre Gaukelei in der Matrix (im Mutterleib) der Natur treiben wollten. Aber genau dieses wurde ihnen dann entzogen, so daß sie nun im geistigen Grund in derselben Mutter der Phantasie gefangen liegen müssen und die ärmsten Kreaturen sind, denn sie haben Gott und sein Wesen verloren. Wer da also zu reich sein wollte, der wurde arm. In der Demut hatte er alles gehabt und mit Gott gewirkt, aber in der Ichheit wurde er närrisch, damit erkannt werde, was Torheit und was Weisheit sei. Dazu hat ihn Gott in seinem eigenen Willen durch sein eigenes Erheben in die Torheit geschlossen, wie in ein ewiges Gefängnis.

4.33. So spricht nun der Verstand: „Es ist Gottes Wille gewesen, damit seine Weisheit von der Torheit unterschieden würde und daß verstanden werde, was Weisheit oder Torheit sei. Sonst wüßte man nicht, was Weisheit wäre. Darum hat ihn Gott fallengelassen und verstockt, so daß er es tun mußte, sonst wäre es nicht geschehen.“ Soweit kommt der (gedankliche) Verstand, und mehr versteht er nicht.

4.34. Darauf antworten wir: Als sich der Ungrund mit dem Einigen Willen in eine feurige Scheidung hineinführte, da entstand die Erfahrung der Teilung in ihren eigenen Willen. Die vielfältigen Willen standen (ursprünglich) alle in der Ausgeglichenheit, aber haften nun an den drei Hierarchien an, nämlich an Licht, Feuer oder Finsternis. Da konnte sich nun ein jedes Heer (der Engel) durch Einfassung seiner Kreatur in die drei Grundqualitäten in eine Hierarchie hineinführen, ganz nach seinem Willen. Und daß dies wahr sei, erkennt man daran, weil die Teufel ursprünglich Engel waren und in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit im freien Willen standen. So konnten sie sich wenden, wohin sie wollten, und dahin sollten sie bestätigt werden.

4.35. Spricht der Verstand aber: „Nein, Gott machte mit ihnen, was er wollte.“ So antworten wir: Versteht es nur recht: Die Erfahrung wurde in Natur und Kreatur hineingeführt. Allein in der Erfahrung der Kreatur entstand der Wille, sich in die Phantasie als ins Zentrum zum Feuer-Leben hineinzuführen. Und darauf folgte die Bestätigung und Scheidung, wie auch die Ausstoßung aus der Ausgeglichenheit in die quälende Qualität, in die sich die Erfahrung mit dem freien Willen gewandt hatte.

4.36. Diese Hierarchie der Finsternis und der Phantasie nahm den entsprechenden Willen an und bestätigte ihn in ihr. So wurde aus einem Engel ein Teufel als ein Fürst im Grimm Gottes, auch wenn er innerlich gut (bzw. göttlich) ist, denn wie Gottes Zorn ist, so ist auch sein eingeborener Thronfürst. Er ist und bleibt ewig ein Fürst mit seinen Legionen, aber nur im Reich der Phantasie. Denn wie das Reich dieser Kräfte in sich ist, so ist auch sein eingeborener Fürst. Des grimmigen Reiches Qual ist die Mutter seiner Ichheit als sein Gott. Und er muß nun tun, was sein Gott will. So ist er ein Feind des Guten, denn die Liebe ist sein Gift und Tod. Auch wenn er gleichsam in heiliger Kraft im Lichte säße, so zöge er doch nur giftige Qual in sich, denn sie ist sein Leben und seine Natur. Gleichsam, als würde man eine giftige Kröte in eine Zuckerdose setzen, so zöge sie doch nur Gift daraus und vergiftete den Zucker.

4.37. So spricht nun der Verstand: „Hätte ihm Gott seine Liebe wieder eingegossen, dann wäre er wieder ein Engel geworden. Darum liegt es an Gottes Bestimmung.“ Darauf antworten wir: Lieber Verstand, siehe eine Distel oder Nessel an, auf welche die Sonne den ganzen Tag scheint und auch mit ihrer Kraft in diese eindringt und ihr gar gern ihre Liebestrahlen in ihr stachliges Wesen gibt. Die Distel freut sich auch an der Sonne Wesen, aber sie wächst dadurch als Distel nur desto stachliger und wird dadurch nur immer stolzer. Also ist es auch mit dem Teufel zu verstehen: Wenn ihm Gott auch gleichsam seine Liebe eingegossen hätte, dann hätte sich die Erfahrung des unergründlichen Willens dennoch in Distel-Art hineingeführt, nämlich der ewige Wille, welcher außer Grund und Stätte in sich selbst ein Wille ist, den nichts zerbrechen kann.

4.38. Und so sollten wir nicht denken, daß es der Wille des Ungrundes getan hat. Denn dieser ist weder böse noch gut, sondern ein reiner Wille, das heißt, eine Erfahrung ohne Verstand zu etwas oder in etwas. Denn er ist nur ein Einiges, weder Begierde noch Lust, sondern das Wallen oder Wollen selbst.

4.39. Gleichwie die äußere Welt im Geist der Welt auch einen Willen hat, oder wie die Luft ein Wallen und weder böse noch gut ist, so versteht man, wie die drei Grundqualitäten mit dem geistig-sinnlichen Grund dahinein dringen und den Willen durch ihre Greifbarkeit einnehmen. Und obwohl sie aus diesem Willen entstehen, ergreifen sie ihn dennoch als ihr Eigentum.

4.40. In gleicher Weise können wir die Erfahrung des Einigen ewigen Willens aus dem Ungrund verstehen, welcher aus dem ewigen Einen entsteht und sich in die Kreatur der Phantasie mit eingegeben hat, und so auch in den Grimm der ewigen Natur zum Bösen. Doch dieser Wille ist nicht die Ursache der Phantasie, sondern die drei Grundqualitäten, darin die Kreatur als Natur in ewiger Bindung verstanden wird, aus welcher und in welcher sowohl die Vernunft als auch die Phantasie entsteht, die zur Ursache des Falls wird. Denn der unergründliche Wille ist nicht die Kreatur, weil er keine Bildung ist. Allein in der ewigen Natur entstehen Bildung und kreatürlicher Wille zu Etwas und zur Vielfalt.

4.41. Der unergründliche Wille gehört Gott, denn er ist in dem Einen, und ist doch nicht Gott. Denn Gott kann nur darin erkannt werden, wenn sich der Wille des Ungrundes durch Gebärung in ein Zentrum der Dreiheit einschließt und in die Lust der Weisheit ausführt.

4.42. Aus diesem Willen, darin sich die Gottheit in die Dreiheit schließt, ist auch der Grund der Natur seit Ewigkeit geboren worden. Denn da ist kein bestimmter Vorsatz, sondern nur eine Geburt. Und diese ewige Geburt ist der Vorsatz, darin Gott sich selbst gebären und durch die Natur offenbaren will.

4.43. Nun schließt sich die Natur in eigenem Willen, nämlich in ein leidvolles und feindliches Leben. Und dieses feindliche Leben ist die Ursache des Falls, denn es hat sich in die Phantasie der Natur oder das Spiel der Gebärung hineinbegeben und sich zum Führer oder Herrn dieser phantastischen Natur gemacht. Und die Phantasie hat dieses Leben in sich ergriffen und sich in dieses Leben ganz hineingegeben. So ist nun die Phantasie und das Leben ein Ding geworden und hat den Willen des Ungrundes in sich, nämlich die göttliche Erfahrung, darin sich Gott in Gott gebiert. Aber in dieser eingeschlossenen Erfahrung gebiert sich Gott nicht. Er gebiert sich wohl darin, aber er wird in der Erfahrung, soweit sie die Natur erfaßt und begreift, nicht erkannt. Denn Gott ist unbewegt und unwirklich in dieser Erfahrung. Er gebiert darin nicht einen Vater, Sohn und Heiligen Geist der Weisheit, sondern eine Phantasie nach der Eigenschaft der finsteren Welt. Gott ist wohl darin ein Gott, aber nur in sich selbst wohnend, nicht in der Kreatur, sondern im Ungrund jenseits der äußerlichen Bewegung und dem Willen und Leben der Kreatur.

4.44. Wenn nun die Kreatur etwas tut, dann tut es nicht Gott im Willen des Ungrundes, welcher auch in der Kreatur ist, sondern das Leben und das Wollen des Lebens der Kreatur tut es, wie uns solches am Teufel erkennbar ist. Ihn reut es, daß er ein Teufel geworden ist, weil er ein Engel war. Aber es reut ihn nicht in seines Lebens Willen nach der Kreatur, sondern nach dem Willen des Ungrundes, darin ihm Gott stets nahe ist. Dort schämt er sich vor Gottes Heiligkeit, weil er ein heiliger Engel war und nun ein (egoistischer) Teufel ist. Denn die Erfahrung des Ungrundes schämt sich, daß an ihr ein solches Bild in ihrer Offenbarung entsteht und daß sie im Äußeren eine Phantasie ist. Dieser Wille aber kann die Phantasie nicht zerbrechen, denn er ist nur Eines und ist in sich keine Qual, auch keine Empfindlichkeit der Phantasie, sondern er ist eine Erfahrung, in der die Phantasie sich bildet. Und diese Phantasie nimmt nichts an, als nur eine Gleichheit, und diese Gleichheit ist die Kraft ihres Lebens. Käme aber etwas Anderes hinein, dann müßte die Phantasie vergehen, und dann verginge auch das mit, daraus sie geboren wird, nämlich die Natur. Doch wenn die Natur verginge, dann wäre das Wort der göttlichen Kraft nicht sprechend oder offenbar, und so bliebe Gott (für immer) verborgen.

4.45. Also versteht bitte, daß dies alles etwas Unvermeidliches sei, so daß Gutes und Böses entsteht. In Gott ist zwar alles gut, aber in der Kreatur ist der Unterschied. Das Leben der ewigen Kreatur ist in seinem Anfang ganz frei gewesen, denn es wurde in der Ausgeglichenheit offenbar, als im Himmel die Engel aus dieser Natur, Qualität und Eigenschaft geschaffen wurden. Die finstere Welt mit dem Reich der Phantasie war zwar darin enthalten, aber im Himmel nicht offenbar. Doch der freie Wille in den gefallenen Engeln machte dieses Reich in sich offenbar, denn er neigte sich in die Phantasie. Also ergriff sie ihn auch und ergoß sich ihm in sein Leben.

4.46. So ist nun dieses finstere Reich und die Phantasie und die Kreatur der gefallenen Engel ein ganzes Ding, ein Wille und ein Wesen. Weil dieser abtrünnige Wille aber nicht allein in der Phantasie wohnen und regieren wollte, sondern auch zugleich in der heiligen Kraft, darin er anfänglich stand, so stieß ihn die heilige Kraft als die Erfahrung im Licht Gottes aus sich heraus und verbarg sich vor ihm. Das heiß: Der innere Himmel (der Phantasie) umschließt ihn, so daß er Gott nicht sieht, und man sagt: Er starb im Himmelreich des guten Willens, aber ist immer noch in Gott, gleichwie die Nacht im Tag ist. Denn sie ist am Tag in der Sonne Glanz nicht offenbar und existiert doch, aber wohnt nur in sich selbst, wie (in Joh. 1.5) steht: »Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.« Solches ist nunmehr auch bezüglich Teufel und Gott zu verstehen, denn der Teufel ist in Gott, aber in der göttlichen Nacht, im Zentrum (der Egozentrik) der Natur, mit Finsternis im Wesen seines Lebens umschlossen, und führt ein magisches Feuer-Licht vom Wesen der Kälte und Hitze als ein schreckliches Licht vor unsere Augen. Ihm aber erscheint es gut.

4.47. Die Schrift sagt: »Der Großfürst Michael habe mit dem Drachen gestritten, und der Drache habe nicht gesiegt. (Offb. 12.7)« Und an einem anderen Ort sagt Christus: »Ich sah den Satan vom Himmel fallen als einen Blitz. (Luk. 10.18)« Dieser Fürst Michael ist ein Thronengel und hat in der Kraft Christi, als im Wort der heiligen Kraft mit ihm gestritten, in welchem Wort auch Adam geschaffen wurde.

4.48. Dieses Wort der Kraft wird in allen drei Prinzipien verstanden, denn als Luzifer fiel und sich in das Reich der Phantasie begab, da verlor er das Reich in heiliger Kraft und ward ausgestoßen. Und solches geschah durch die Wirksamkeit der Engel, welche ihn als einen Abtrünnigen durch göttliche Kraft ausstießen. Und in derselben Kraft, im Wort aus allen drei Prinzipien, wurde auch der Mensch geschaffen.

4.49. Als aber das Reich des Grimmes den Menschen überwältigte und ihn aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit ausstieß, da offenbarte sich der höchste Name der Gottheit in ihm als die allersüßeste Kraft Jesu, welche das Reich der Phantasie und des Grimmes überwand und alles wieder mit höchster Liebe vereinte. Allda ward des Teufels Reich und Gewalt in der Kraft des Menschen zerbrochen. Und daher kommt der Name „Christus“.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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