Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

3. Kapitel - Die geistige Gestaltung der Natur

Von der Einführung der feurigen Erfahrung (Scienz) in die Gestaltung zur Natur und zum Wesen, wie sich die Erfahrung in das Feuer hineinführt, was das sei und wie die Vielfalt entsteht. Das ist die Porte des großen Mysteriums aller Heimlichkeiten.

3.1. Als der hochverehrte Moses die Schöpfung der Welt beschreibt, sagt er, Gott habe gesprochen »Es werde!«, und so sei es geworden. Und dann spricht er: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. (1.Moses 1.1)« Und bei Johannes steht: »Gott habe alle Dinge aus seinem Wort gemacht. (Joh. 1.3)«

3.2. In diesem liegt nun der Grund und tiefgründige Verstand, denn von Ewigkeit ist nichts als nur Gott in seiner Dreifaltigkeit in seiner Weisheit gewesen, wie bereits erklärt wurde, und darin die Erfahrung als das Sprechen, aus sich Aushauchen, Fassen, Formen und in Eigenschaften Führen. Das Fassen ist das »Es werde!«, und die Erfahrung als die Begierde ist der Anfang aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit zur Unterschiedlichkeit. Denn der ganze Grund dafür liegt in dem, wenn gesagt wird: »Gott schuf durch das Wort.« Das Wort bleibt in Gott und geht mit der Erfahrung und entsprechender Begierde aus sich heraus in eine Teilung. Dies ist so zu verstehen: Die Erfahrung ist ewig im Wort, denn sie entsteht im Willen. Im Wort ist sie Gott, und in der Teilung, als in der Fassung, ist sie der Anfang zur Natur.

Die erste Qualität (Specie) der Natur

3.3. Die erste Qualität der Natur ist das Herbe als die Faßlichkeit seiner selbst. Ihre Gestaltungen, die in ihrer inneren (geistigen) Fassung entstehen, sind folgende: Als Erstes die Finsternis, denn die Fassung überschattet den freien Willen in der Erfahrung. Zum Zweiten ist sie die Ursache der Verhärtung, denn das Angezogene wird hart und grob, und soll doch im Ewigen nur als Geist verstanden werden. Zum Dritten ist sie eine Ursache für die Schärfe. Zum Vierten eine Ursache der Kälte als eine Eigenschaft, die das Feurige erkalten läßt. Und zum Fünften eine Ursache aller Wesenheit oder Begreiflichkeit. Diese ist im großen Mysterium die Mutter aller Salze und eine Wurzel der Natur und wird im weltlichen Mysterium mit dem Begriff „Salz“ als eine geistige Schärfe bezeichnet, und ist der Ursprung von Gottes Zorn, aber auch der Ursprung des Freudenreichs.

Von der zweiten Qualität der Natur

3.4. Die zweite Qualität in der Erfahrung ist der Stachel der Empfindlichkeit als das Ziehen selbst, daraus das Fühlen und die Empfindlichkeit entstehen. Denn je mehr sich die Herbigkeit einprägt, je größer wird dieser Stachel als ein Wütender, Tobender und Zerbrechender. Seine Teilung in Gestaltungen sind diese: Bitter, Weh, Leid und Regung als Anfang des Widerwillens in der Ausgeglichenheit, eine Ursache des Geist-Lebens und auch eine Ursache der Qual und des Quellens. Dieser Stachel ist der Vater oder die Wurzel des merkurischen Lebens (nach der Qualität des Quecksilbers bzw. der Ichheit) in den Lebhaften und Wachsenden, eine Ursache der umherschweifenden Sinne, aber auch der erheblichen Freuden im Licht, sowie eine Ursache der feindlichen Widerwärtigkeit in der strengen Prägung der Verhärtung, daraus Streit und Widerwille entstehen.

Von der dritten Qualität der Natur

3.5. Die dritte Qualität in der Erfahrung ist die Angst, welche durch den Gegensatz von Herbigkeit und stachliger Bitterkeit als ein Wesen des Gefühls entsteht, als ein Anfang des Wesens und des Gemüts, eine Wurzel des Feuers und aller Leiderfahrung, ein Hunger und Durst nach der Freiheit als nach dem Ungrund, eine Offenbarung des ewigen und unergründlichen Willens in der Erfahrung, wenn sich der Wille in geistige Gestaltung hineinführt, aber auch eine Ursache des Sterbens als die Geburt des Todes, obwohl nicht der Tod, sondern der Anfang des natürlichen Lebens entsteht. So ist sie eben auch die Wurzel, daß Gott und Natur unterschieden wird. Aber nicht als eine (absolute) Trennung, denn nur durch die Einheit der Gottheit ist es möglich, daß hier das erfahrbare geistig-sinnliche Leben entsteht, daraus die Schöpfung ihren Ursprung genommen hat.

3.6. Diese drei genannten Qualitäten als Herb, Bitter-Stachel und Angst, sind die drei ersten (und grundsätzlichen) in der Erfahrung des Einigen Willens, der „Vater aller Wesen“ heißt, und sie nehmen ihren Grund und Ursprung aus der Erfahrung der göttlichen Dreiheit.

3.7. Man sollte nicht denken, daß sie Gott sind, sondern seine Offenbarung in seinem Wort der Kraft. Nämlich zum Ersten mit dem Herben, das der Anfang zur Stärke und Macht ist, als ein Grund, daraus alles kommt und aus des Vaters Eigenschaft durch das Wort entsteht.

3.8. Zum Zweiten hat der bittere Stachel, als ein Anfang des Lebens, seinen Ursprung aus der Eigenschaft des Sohnes durch das Wort. Denn er ist eine Ursache aller (gegensätzlichen) Kräfte und Unterschiedlichkeiten, auch des Redens, des Denkens und der fünf Sinne.

3.9. Zum Dritten die Angst, die aus der Eigenschaft des Heiligen Geistes im Wort entsteht, denn sie ist die Ursache beider Feuer, nämlich des Liebe-Feuers des Lichtes und des Leiden-Feuers der Vergänglichkeit, und ist der wirkliche Ursprung des gefundenen kreatürlichen Lebens und damit auch des Sterbens für Freud und Leid, die Wurzel alles Lebens aus der Erfahrung des Einigen ewigen Willens.

3.10. Diese drei Grundqualitäten werden in der Schöpfung nach ihrer Verfestigung (bzw. Verkörperung) im natürlichen Leben der Schöpfung auch Salz, Schwefel und Quecksilber genannt, wenn sich das geistige Leben in eine sichtbare und begreifbare Materie hineingeführt hat. Diese Materie ist in allen Dingen, wie in den lebendigen Körpern und den Gewächsen der Erde, die ausnahmslos alle geistig und körperlich sind. Denn alle Wesen dieser Welt stehen darin, wie es den Augen sichtbar und den Erfahrenen bekannt ist.

3.11. So also hat sich das Unsichtbare, nämlich die geistige Welt, mit diesen drei ersten Qualitäten (Grundqualitäten) in ein sichtbares und begreifliches Wesen hineingeführt, nämlich nach den Geistern geistig und nach den Körpern begreiflich. Daraus entsteht auch die ganze Erde mit allen Materien, sowie das ganze Gestirn mit den Elementen. Jedoch muß man tiefer schauen und durch alle sieben (geistigen) Qualitäten gehen, wenn man das wahre Wesen der Sonne, Sterne und Elemente andeuten will, wie nun folgt.

(Vergleich der drei Grundqualitäten:)

Drei Grundqualitäten, Gestalter oder Eigenschaften

Geistige
Qualität

Verkörperte
Qualität

Göttliche
Dreifaltigkeit

Menschliche
Erfahrung

Drei
Prinzipien

Herb-Anziehend

Schwefel

Vater

Leid

Finsternis

Bitter-Stachel

Quecksilber

Sohn

Ichheit

Licht

Angst

Salz

Heiliger Geist

Glück

Welt der 4 Elemente

(Die Vorstellung von drei grundsätzlichen Kräften oder Qualitäten als Ursache für die Bewegung der Schöpfung ist eine uralte Vorstellung vieler Traditionen. Zwei gegensätzliche Kräfte würden nur sinnlos hin- und herschwingen. Dazu dient dann eine dritte Kraft für eine Ausrichtung, so daß symbolisch ein Dreieck entsteht, in dem die drei Kräfte wechselwirken. Ähnliche Dreiecks-Systeme sind: )

Drei Seelenkräfte
des Mittelalters

Drei Geistesgifte
im Buddhismus

Drei Gunas
der Veden

Drei Doshas
im Ayurveda

Drei Veränderungen
von Aristoteles

Vernunft

Begierde

Leidenschaft

Vata-Wind

Substrat

Gedächtnis

Haß

Güte

Pita-Galle

Ausgangszustand

Wille

Unwissenheit

Trägheit

Kapha-Schleim

Zielzustand

Von der vierten Qualität der Natur

3.12. Die vierte Qualität in der Erfahrung aus dem Einigen Willen ist nun des Feuers Entzündung, so daß sich Licht und Finsternis unterscheiden und zwei getrennte Prinzipien daraus werden. Denn hier ist des Lichtes Ursprung, sowohl des wirklichen Lebens in der Empfindlichkeit der drei ersten Qualitäten (Grundqualitäten), aber auch der wirklichen Unterscheidung zwischen der Angst und der Freude. Und dies geschieht so:

3.13. Der erste Wille in der Dreifaltigkeit, welcher „Gott jenseits der Natur und Kreatur“ heißt, faßt sich innerlich selbst zu seinem eigenen Sitz in der Gebärung der Dreiheit durch die Erfahrung und führt sich in eine Kraft, und mit der Kraft in das gebärende Wort als in einen wesentlichen Schall zur Offenbarung der Kräfte, und weiter in eine Begierde zur Empfindlichkeit und Findlichkeit (Wahrnehmung und Bewußtsein) der Kräfte, nämlich in die drei Ersten (die drei Grundqualitäten) zur Natur, wie oben erklärt wurde.

3.14. Wie er sich aber in die Angst zum Anfang der Natur geführt hat, nämlich in den Ursprung des geistigen Lebens, so faßt er sich in sich selbst auch wieder eine Lust zur Freiheit, um von der Angst frei zu sein. Das heißt: Er faßt den Ungrund als die ganzheitliche Ausgeglichenheit der göttlichen Lust und Weisheit in sich, welche so lieblich, gütig und still ist. Und in dieser innerlichen Fassung geschieht in der Angst ein großer Schreck, weil das Leid vor der großen Güte erschrickt und in sich wie in ein Zittern sinkt, davon das Gift-Leben (bzgl. Gut und Böse) in der Natur seinen Grund und Anfang hat. Denn im Schreck ist der Tod, und im Schreck faßt sich die Herbigkeit in ein Wesen, nämlich in ein quecksilbernes Geist-Wasser, aus dem in der innerlichen Prägung zum Anfang der Schöpfung der Erde für die Steine und Metalle das quecksilberne und schweflige Wasser geboren wurde, aus dem die Metalle und Steine ihren Ursprung haben.

3.15. Dieser Schreck erzeugt in den drei Grundqualitäten von Herb, Bitter und Angst nach der finsteren Prägung in sich das feindliche und schreckliche Leben des Grimmes oder Zornes von Gott, des Fressens und Verzehrens (des Fressens und gefressen Werdens). Denn es ist des Feuers Entzündung als das Wesen der Leiderfahrung oder Verzehrung im Feuer und wird nach der finsteren Prägung die Hölle oder Höhle genannt, als ein eigenes und in sich selbst gefaßtes leidliches Leben, das nur in sich selber empfindlich und offenbar ist und bezüglich des ganzheitlichen Ungrundes zu Recht eine verborgene Höhle genannt wird, welche im Licht nicht offenbar ist und doch eine Ursache für die Entzündung des Lichtes ist. Das kann man in der Art verstehen, wie die Nacht im Tag wohnt (das eine das andere bedingt) und doch keines das andere ist.

3.16. So versteht nun des Feuers Entzündung recht: Es geschieht einerseits durch die Wechselwirkung der drei Grundqualitäten in ihrer grimmigen Fassung, und anderseits durch die Liebe nach der Freiheit des Wesens in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit, wenn Liebe und Zorn ineinander vergehen. Denn wie es ein großer Schreck ist, wenn man Wasser ins Feuer gießt, so geschieht auch ein Schreck, wenn die Liebe in den Zorn eingeht. In der Liebe ist der Schreck ein Anfang des Blitzes oder Lichtstrahls, wenn sich die Einige Liebe als majestätisch oder strahlend empfindlich macht, als der Anfang zum Freudenreich, in ähnlicher Art wie das Licht im Feuer strahlend wird. So ist in dieser Liebe auch der Anfang der Unterschiedlichkeit der Kräfte, so daß die Kräfte im Schreck ausdringend werden, davon der Geruch und Geschmack der Unterschiede entsteht. Dagegen wird in den drei Grundqualitäten die leidvolle Natur des Feuers verstanden.

3.17. Denn zum Ersten prägt und frißt das Herbe. Zum Zweiten ist der Stachel des Leides das Bittere. Und zum Dritten ist dann die Angst der Tod und auch das neue Feuer-Leben, denn es ist die Mutter des Leidens. Und der Liebe Wesen gibt der Angst als der Mutter des Leidens eine Erquickung zum neuen Leben, aus dem der Lichtglanz des Feuers entsteht. Denn wir sehen, daß das Licht sanft (gütig) und das Feuer leidvoll ist. Also verstehen wir, daß des Lichtes Grund aus der Ausgewogenheit als aus der Einheit des Ungrundes der Einigen Liebe entsteht, welche „Gott“ heißt, und das Feuer entsteht aus dem führenden Willen im Wort und der Erfahrung durch die Prägung und Einführung in die drei Grundqualitäten.

3.18. Im Licht wird nun das Reich Gottes verstanden, als das Reich der Liebe. Und im Feuer wird Gottes Stärke und Allmacht verstanden, als das geistige Kreatur-Leben. Und in der Finsternis wird der Tod, die Hölle und der Zorn Gottes im ängstlichen Gift-Leben (von Gut und Böse) verstanden, wie solches an der Erde sowie den Steinen, Metallen und Kreaturen der äußeren geschaffenen Welt zu erkennen ist.

3.19. Doch nun bitte ich den Leser, den hohen und übernatürlichen Sinn, wenn ich von Gott und der Gebärung des großen Mysteriums rede, nicht irdisch zu verstehen. Denn ich deute damit nur den Grund an, woraus das Irdische geworden sei. Also muß ich es öfters sagen, damit es der Leser versteht und ihm nachsinnt und sich in den inneren Grund schwingt. Denn ich muß dem Himmlischen öfters irdische Namen geben, nur darum, damit das Irdische erklärt werden kann.

3.20. In der Entzündung des Feuers liegt der ganze Grund aller Heimlichkeit, denn der Schreck der Entzündung heißt in der Natur „Salz“ als eine Wurzel aller salzigen (bzw. kristallisierenden) Kräfte, eine Unterschiedlichkeit der Natur, weil sich die Erfahrung endlos unterscheidet und so immerdar als Schreck der Scheidung im Leiden des Wesens bleibt. In des Feuers Entzündung - nach dem inneren magischen (geistigen) Feuer verstanden - macht sich der Geist Gottes webend in der Art, wie die Luft (bzw. der Wind) aus dem Feuer entsteht. Denn all das entsteht aus dem Einigen Element (der Quintessenz), das sich in der äußeren Welt in vier Elemente entfaltet hat. Das versteht so:

3.21. Im Anblick des Feuers und des Lichtes entsteht die Unterscheidung. Das heißt: Der (ausgeglichene) Geist scheidet sich über sich hinaus in die feurige Erfahrung der Kräfte. Denn er geht durch den Feuer-Schreck aus sich heraus wie in ein neues Leben. Und es ist doch kein neues Leben, denn er hat nur solche Natur angenommen. Das Wesen der Liebe bleibt innerlich als ein Zentrum des Geistes bestehen, und gibt aus sich ein geistiges Brenn-Öl, in dem das Licht lebt, denn es ist das Wesen der feurigen Liebe. Aus diesem feurigen Wesen der Liebe geht die Tinktur (aus dem geistigen Ur-Meer oder Meer der Ursachen) mit dem Geist über sich selbst in die Höhe aus, als das Geist-Wässerlein, die Kraft von Feuer und Licht, die mit Namen auch Jungfrau Sophia („Weisheit“) heißt.

3.22. Es wäre gut für euch, ihr lieben Weisen, wenn ihr sie kennenlernt. Dieses geistige Wässerlein ist die wahre Demut, welche sich alsbald zur ganzheitlichen Ausgeglichenheit verwandelt und vom Licht wieder (zur Ganzheit) eingezogen wird. Denn sie (Sophia bzw. Weisheit) ist die Licht-Seele nach der Liebe, und das Feuer ist der Mann als des Vaters Eigenschaft, nämlich die Feuer-Seele. Und hierin bestehen die beiden Tinkturen als Mann und Weib, wie zwei Liebende, welche in der Ausgeglichenheit göttlich sind, aber in Adam geschieden wurden, als sich die Einbildung aus der Ausgeglichenheit herauswandte und (später) in Christo wieder vereinigt wurde.

3.23. Oh ihr lieben Weisen, versteht diesen Sinn, denn es liegt allhier das Perlein (des göttlichen Samens) der ganzen Welt, von den Unseren hinreichend erkannt, aber wir sollen es nicht den Tieren geben.

3.24. Die dritte Unterscheidung aus dem Feuer kommt durch die Abtötung des Feuers und geht durch das Wesen der drei Grundqualitäten des geistigen Schwefels, Quecksilbers und Salzes wie ein stummes und taubes Leben in sich selbst unter. Es ist der Wasser-Geist, aus dem das materielle Wasser der äußeren Welt seinen Ursprung hat, darin die drei Grundqualitäten mit ihrer Wirkung die Metalle, Steine und Erden aus den Eigenschaften des Salzes geboren haben. Aber auch darin sollte man das höhere Wesen aus der Prägung des Liebe-Wesens erkennen, wie in den Edelmetallen und Edelsteinen. Dieser salzartige (materielle) Grund wird durch die Sonne (das Licht des Bewußtseins) aufgeschlossen, damit er ein wachsendes Leben hat, den Unseren allhier hinreichend bekannt, denn er (der Wasser-Geist) wurde mit dem Fluch (der Erde) bedeckt. So lassen wir uns zu Recht mit dem begnügen, was uns ewig erfreut, und wollen dem Tierwesen keinen Freudenaffen aufbinden, doch im Folgenden andeuten, was uns nützt.

3.25. Die vierte Unterscheidung geht in die Finsternis, wo auch alle Wesen innerlich liegen und webend sind wie in der Lichtwelt und in der äußeren Welt der Elemente. Aber es geht alles in die Phantasie nach der Eigenschaft der quälenden Qualität, davon wir hier nichts weiter vermelden wollen, wegen des falschen Lichtes, das darin verstanden wird, und auch wegen der Menschen Verwegenheit. Jedoch sei dem Unwissenden hiermit angedeutet, daß er keinen wahren Verstand von der Hölle und der Phantasie habe, was ihre Qualität und Vorhaben sind und wozu das alles sei. Zumal außer Gott nichts ist, und es doch außerhalb von Gott ist, aber nur in anderer Qualität und als ein anderes Leben, auch ein anderes Naturlicht, was den Weisen bewußt ist.

Von der fünften Qualität der Natur

3.26. Die fünfte Qualität in der Erfahrung ist nun das wahre Liebe-Feuer, das sich im Licht aus dem Leid-Feuer scheidet. Darin wird nun das Wesen der göttlichen Liebe verstanden. Denn die Kräfte unterscheiden sich im Feuer-Schrecken und werden in sich begierig, so daß man auch alle Arten der drei Grundqualitäten darin versteht, aber nun nicht mehr als Leiderfahrung, sondern als ein Freudenreich, auch in ihrem (heiligen) Hunger oder Begierde, wie man es nennen möchte. Als Erfahrung ziehen sie sich selbst in ein Wesen, ziehen die Tinktur vom Feuer und Licht, nämlich die Jungfrau Sophia (der Weisheit) in sich, und die ist ihre Speise als ihre größte Sänfte (Trägerin). Dieses Wohltun und Wohlschmecken faßt sich in der Begierde der drei Grundqualitäten in einem Wesen, das „der Körper der Tinktur“ heißt, nämlich die göttliche Wesenheit oder Christis himmlische Leiblichkeit.

3.27. Ihr lieben Söhne, worin ihr es versteht, wenn Christus (in Joh. 3.13) sagt, »er wäre vom Himmel gekommen und wäre im Himmel«, diese Tinktur (des ewigen Ur-Meeres oder Meeres der Ursachen) ist die Kraft des Sprechens im Wort, und das Wesen ist seine innerliche Fassung, wenn das Wort wesentlich wird. Das Wesen ist das Geist-Wasser, davon Christus sagte, »er wollte es uns zu trinken geben, und das würde uns in einen Quellbrunnen des ewigen Lebens quellen«. Die Tinktur wandelt es in geistiges Blut, denn sie ist die Seele von Vater und Sohn, aus denen der Heilige Geist als die Kraft ausgeht.

3.28. Oh ihr lieben Söhne, wenn ihr dies versteht, dann laßt es eurem Geist nicht zu, sich darin in Freude zu erheben, sondern neigt ihn zur allergrößten Demut vor Gott. Zeigt ihm wie unwürdig der Geist noch ist, so daß er damit nicht in Eigenliebe und Eigenwille falle, wie es Adam und Luzifer taten, welche das Perlein (des göttlichen Samens) in die Phantasie (Illusion) hineinführten und sich vom Ganzen abtrennten. Bedenkt es wohl, in welcher schweren Herberge die Seele noch gefangen liegt. Demut und nichts als nur Gottes Erbarmen zu wollen, ist denen, welche die Jungfrau Sophia (der Weisheit) kennengelernt haben, das Beste und Nützlichste, das sie üben sollten. Denn es ist ein Hohes, das euch Gott offenbart. Seht wohl zu, was ihr tut, und macht keinen fallenden Luzifer daraus, oder ihr werdet es ewig bereuen.

3.29. Diese fünfte Qualität hat alle Kräfte der göttlichen Weisheit in sich und ist das Zentrum, darin sich Gott der Vater in seinem Sohn durch das sprechende Wort offenbart. Es ist die Wurzel vom Baum des ewigen Lebens, also der geistigen Wesen, eine Speise der feurigen Seele, sowohl der Engel und was man nicht aussprechen kann. Denn es ist die ewige immerwährende Offenbarung der dreieinigen Gottheit, in der sich alle Eigenschaften der heiligen Weisheit in wahrnehmbarer Art innerlich qualifizieren (nach ihrer Fähigkeit wirksam machen), wie ein Geschmack, Geruch und ineinander qualifizierendes (also ganzheitliches) Leben des Liebe-Feuers. Und es heißt „die Kraft der Herrlichkeit Gottes“, welche sich in der Schöpfung in alle geschaffenen Dinge mit ausgegossen hat, und so in jedem Ding nach des Dinges Eigenschaft innerlich verborgen liegt, als eine Tinktur im lebendigen Körper, aus welcher Erfahrung alle Dinge wachsen und blühen und ihre Früchte geben. Das ist die Kraft, die in der Quintessenz liegt und eine Heilung aller Krankheiten ist.

3.30. Wenn die vier Elemente in die ganzheitliche Ausgeglichenheit gesetzt werden können, dann ist das herrliche Perlein in seiner Wirkung offenbar. Aber der Fluch von Gottes Zorn hält es wegen der Menschen Unwürdigkeit in sich gefangen, von den Heilern wohl verstanden.

Von der sechsten Qualität der Natur

3.31. Die sechste Qualität in der Erfahrung ist in der göttlichen Kraft das Sprechen aus dem göttlichen Mund, der Schall der Kräfte, wenn sich der Heilige Geist in der Liebe-Fassung wahrnehmbar aus der eingefaßten Kraft hinausführt, wie uns am Bild Gottes, dem Menschen, in seiner Rede zu verstehen ist. Also liegt auch ein geistig-sinnlich wirkendes Sprechen bereits in der Ausgeglichenheit der göttlichen Kraft, das in den fünf Sinnen als ein geistiges Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen recht verstanden wird, wenn die Offenbarung einen wahrnehmbaren Hall ausspricht, wie am Menschen zu verstehen ist und auch am ausgesprochenen Wort in den geschaffenen Kreaturen, sowohl den lebhaften wie auch den stumm Wachsenden (Pflanzen) und dergleichen.

3.32. Denn allda wird verstanden, wie sich die geistige Welt als der geistige Hall in die Schöpfung mit hineinbegeben hat, davon der Schall aller Wesen entsteht, der in den Materien eine (belebende) Quecksilber-Kraft aus der feurigen Härte genannt wird, darin die anderen Kräfte ihre Mitwirkung haben und geben, so daß es ein Klang oder sogar Gesang wird, wie an den Lebewesen erkennbar ist, in den Stummen aber nur ein Klang ist. So wie man auch an einem Saitenspiel sieht, wie alle Melodien, die der Verstand hervorbringen kann, ineinander in einem Einigen Werk liegen.

3.33. Mehr noch können wir in der sechsten Qualität die wahre Vernunft der Sinne verstehen. Denn wenn sich der Geist aus den Eigenschaften herausgeführt hat, dann ist er wieder in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit und hat alle möglichen Eigenschaften in sich vereint. Doch wem der Körper eine wesentliche Kraft ist, dem ist der Geist eine fliehende Kraft, nämlich eine geistig-sinnliche, in der das Gemüt verstanden wird, daraus die Sinne entstehen. Denn die Sinne entstehen aus der Vielfalt der unendlichen Eigenschaften aus dem Feuer-Schrecken. Darum haben sie beide Zentren von Gottes Liebe und Zorn in sich. Solange sie in der Ausgeglichenheit stehen, sind sie gerecht. Sobald sie aber daraus ausgehen und sich in die eigene Erfahrung ihrer selbst schwingen, um sich selber in Eigenschaften zu finden und selber zu erkennen, dann wird die Lüge geboren, so daß sie vom eigenen Willen reden und die anderen Eigenschaften für falsch (bzw. gegensätzlich oder feindlich) halten und verachten. Und so führen sie sich bald in die eigensinnige Lust, in der wir den schweren Fall von Adam und Luzifer betrachten und erkennen können.

3.34. Denn Adam war (ursprünglich) mit seinen Eigenschaften in eine Ausgeglichenheit gesetzt. Aber seine Erfahrung führte sich durch des Teufels Infizierung und sein Einhallen oder Einreden in die Zerteilung illusorischer Lust. Durch dieses Einreden erhob sich in der Ausgeglichenheit die Lust, die in die Vielfalt der Eigenschaften hineinführte, nämlich durch jegliche Eigenschaft in eine Ichheit.

3.35. Denn die Seele wollte schmecken, wie es schmeckte, wenn die Ausgeglichenheit auseinanderginge, nämlich wie die Hitze und Kälte, dazu Trocken und Naß, Hart und Weich, Herb, Süß, Bitter und Sauer und also fort alle Eigenschaften in der Unterschiedlichkeit schmeckten. Obwohl doch Gott ihm verbot, von diesem Gewächs zu essen, das heißt, von der Offenbarung der Erkenntnis des Bösen und Guten, in welchem Geschmack erst der feurige Hunger entstand, so daß die Lebensqualitäten das Manna, als das Brot Gottes aus dem Wesen der Liebe, verloren und nicht mehr schmecken konnten, wie es in der Ausgeglichenheit in einem Einigen Willen wäre. Dadurch haben sich die (geistigen) Lebensqualitäten alsbald in einen großen Hunger gefaßt und sich die Vielfalt der Eigenschaften eingeprägt, daraus die Grobstofflichkeit des Körpers entstand. Und so wurde auch die tierische Begierde in der Vielfalt der Erfahrung, der Eigenschaften und Kräfte in ihm (Adam) offenbar. Und damit sind auch die zerteilten (gegensätzlichen) Eigenschaften im Geist der Welt in ihn eingedrungen, wie Hitze und Kälte, und auch das bitter-stachlige Leiden berührte ihn nun, was alles in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit unmöglich gewesen wäre. Und davon sind ihm auch sogleich die Krankheiten entstanden, denn die Eigenschaften waren nun in Streit und Widerwillen gekommen.

3.36. Sobald sich nun die eine über die andere erhebt oder durch etwas entzündet wird, so daß sie sich durch Qualifizierung in die Höhe schwingt, so wird es den anderen ein feindlicher Widerwille, und davon entstehen Leid und Krankheit. Denn der Streit führt sich alsbald in die drei Grundqualitäten hinein, daraus sich dann die Verwirrung gebiert und des Todes Kammer eröffnet, so daß die Gift-Qual (von Böse und Gut) das Regiment bekommt. Und das ist eben der schwere Fall von Adam.

Von der siebenten Qualität der Natur

3.37. Die siebente Qualität in der Erfahrung ist das eingefaßte Wesen aller Kräfte in einer göttlichen Kraft, wenn sich der Schall als das sprechende Wort in der Erfahrung zu einem Wesen faßt, darin der Schall zur Wahrnehmung wird. Die fünfte Einfassung mit der Liebe, wie in der fünften Qualität, ist ganz geistig wie die allerlauterste Wesenheit. Aber diese siebente Qualität ist eine Einfassung aller Eigenschaften und heißt zu Recht die „ganze Natur“ oder das „geformte Wort“. Es ist das ausgesprochene Wort, als der innere göttliche Himmel, der zwar ungeschaffen ist, aber in der göttlichen wirklichen Geburt der Ausgeglichenheit mit verinnerlicht ist und „das Paradies“ heißt, als ein gründendes Wesen der gefaßten wirkenden göttlichen Kräfte. Dazu sollte man die wachsende Seele innerlich auf ähnliche Art verstehen, wie sich die Erfahrung aus der Erde durch die Begierde der Sonne in ein Gewächs des Holzes, der Kräuter und des Grases zieht, denn die Erfahrung der Erde hat auch ihren Ursprung daher.

3.38. Denn als Gott die geistige Welt nach allen Eigenschaften in ein äußerliches Wesen hineinführte, da blieb das Innere im Äußern aller Geschöpfe und zwar als ein gebärendes Wesen. Und deswegen sehen wir die Welt nur halb, denn das Paradies als die innere Welt, das in Adams Unschuld in der äußerlichen Erde mit ausgrünte, haben wir verloren.

3.39. Darüber hinaus sollten wir verstehen, daß die sieben Tage mit ihren Namen aus diesen sieben Gestalten entstanden, nämlich alle sieben aus einem Einigen, welcher der Anfang der Bewegung des Mysterium Magnum (des großen Unbekannten) war. Und der siebente ist dann der Ruhetag, darin das wirkende Leben der sechs Eigenschaften (bzw. Qualitäten) innerlich ruht, und das ist eben die ganzheitliche Ausgeglichenheit im Wesen, wenn das wirkende Leben der göttlichen Kräfte in sich ruht. Darum befahl Gott in demselben zu ruhen, denn es ist das wahre (überbildliche) Bild Gottes, weil sich Gott darin in ein ewiges Wesen von Ewigkeit her immerdar (über-) bildet. Und wenn wir es sehen wollen, so ist es Christus, nämlich der wahre in Adam geschaffene Mensch, welcher dann fiel und sich mit der Erfahrung aus den sechs Tagewerken in Unruhe hineinführte und die finstere Welt erweckte und emporführte, welche Gott mit seiner höchsten Liebe-Tinktur durch den Namen „Jesus“ in dem Menschen wieder ausglich und in den ewigen Sonntag der Ruhe hineinführte.

3.40. Dies sind also die sieben Eigenschaften der ewigen und zeitlichen Natur, nämlich nach der Ewigkeit geistig und vergleichbar mit heller, kristallinischer und durchscheinender Wesenheit, und zeitlich (vergänglich) nach der äußeren geschaffenen Welt. Dort liegen Böse und Gut untereinander im Streit, und dies ist mit dem Ziel entstanden, damit sich die inneren und geistigen Kräfte durch die gegensätzliche Erfahrung in kreatürliche Formen und Geburten hineinführten, darin die göttliche Weisheit in den Wundern der Formungen in vielfältigem Leben offenbar werde. Denn in der ganzheitlichen Ausgeglichenheit kann keine Kreatur geboren werden, weil sie der Einige Gott ist. Aber im Ausgehen der Erfahrung des Einigen Willens, in dem er sich in Teile unterscheidet, kann eine Kreatur als ein Bild des geformten Wortes entstehen.

(Vergleich der sieben gestaltenden Qualitäten der Natur mit den sieben vedischen Prinzipien der Natur, wie sie zum Beispiel im Vayu-Purana 1.4 erklärt werden:)

Die sieben Qualitäten oder geistigen Gestaltungen

 

Geistige Entwicklung

Körperliche Entstehung

Vedische Prinzipien

1

Herb / Anziehend

Schwefel / Seele, Urnatur

Intelligenz / Vernunft

2

Bitter-Stachel

Quecksilber / Ichheit

Ichbewußtsein / Verstand

3

Angst

Salz / Körperlichkeit

Raum / Gehör

4

Feuer Entzündung

Feuer / Licht

Feuer / Sehen

5

Liebe-Feuer

Luft / Wind

Wind / Gefühl

6

Göttliches Sprechen

Wasser / Leben

Wasser / Geschmack

7

Einheitserfahrung

Erde / Paradies

Erde / Geruch

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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