Von der Gnadenwahl

(Text von Jacob Böhme, am 8. Februar 1623 vollendet, deutsche Überarbeitung 2021)

2. Kapitel - Das Wort Gottes

Vom Ursprung des ewigsprechenden Wortes von Gott und der Offenbarung göttlicher Kraft als Natur und Eigenschaft.

2.1. Der kreatürliche Verstand steht in dem geformten, gefaßten und ausgesprochenen Wort. Darum ist er ein bildhaftes Wesen und denkt immerdar, Gott sei auch ein bildhaftes Wesen, der sich erzürnen und in Eigenschaften zum Bösen und Guten hineinführen kann. Auf diese Weise hat er sich bezüglich der Hoheit dieses göttlichen Willens eingebildet, daß sich Gott von Ewigkeit her einen Vorsatz und eine Wahl gemacht habe, was er mit seinem Geschöpf tun wollte, und sich sozusagen in eine Rache hineingeführt habe, damit er seine Liebe und Barmherzigkeit an seinen Auserwählten offenbaren könne und möge. Also müsse sein Grimm die Ursache sein, damit seine Barmherzigkeit erkannt werde. Dann ist es im Grunde überall so, daß Gottes Zorn seine majestätische Macht offenbaren muß, ähnlich wie das Feuer das Licht.

2.2. Doch vom Willen Gottes, abgesehen von der Unterschiedlichkeit des geformten Wortes und der Kreatur, hat dieser Verstand keinen wahren Begriff. Denn hätte Gott jemals einen Rat in sich gehalten, um sich so zu offenbaren, dann wäre seine Offenbarung nicht von Ewigkeit außerhalb von Gemüt und Stätte. Dann müßte dieser Rat auch irgendwann einen Anfang genommen haben, und dann müßte dafür eine Ursache in der Gottheit gewesen sein, wegen der sich Gott in seiner Dreiheit beratschlagt hätte. Und dann müßten auch Gedanken in Gott sein, die ihm in einer solchen Gestaltung einbilden, wie er einem Dinge begegnen wollte.

2.3. Nun ist Er aber selbst das Einige und der Grund aller Dinge und das Auge aller Wesen und die Ursache aller Wesenheit. Aus seiner Eigenschaft entstehen Natur und Kreatur. Was wollte Er denn mit sich selber beratschlagen, wenn kein Feind vor ihm noch hinter ihm ist und er selbst allein alles ist, alles Wollen, Können und Vermögen?

2.4. Darum sollten wir, wenn wir von Gottes unwandelbarem Wesen einzig und allein sprechen wollen, was er wolle, was er gewollt habe und immer will, nicht von seinem Ratschlag sprechen, denn es ist kein Ratschlag in ihm. Er ist das Auge alles Sehens (das reine Bewußtsein) und der Grund aller Wesen. Er will und tut in sich selbst immer nur das Eine: Er gebiert sich in Vater, Sohn und Heiligem Geist in die Weisheit seiner Offenbarung. Sonst will der Einige und unergründliche Gott in sich selbst nichts, hat auch in sich selbst darüber keinen Ratschlag. Denn wollte er in sich noch mehr, dann müßte ihm zum Vollbringen von solchem Wollen die Allmacht fehlen. So kann er auch in sich selbst nichts mehr als nur sich selber wollen, denn was er je von Ewigkeit gewollt hat, das ist er selbst. Also ist er allein Eines und nichts mehr. Und so kann auch das Einige mit ihm nicht streitig werden, davon ein Ratschlag entstünde, um diesen Streit zu entscheiden.

2.5. Auf diese Weise sollte man auch von den Dingen denken, die aus dem ewigen, anfangslosen Grund herrühren, nämlich daß ein jedes Ding, das aus dem ewigen Grund ist, ein Ding in seiner Ichheit sei, aber auch ein Einiger Wille, der nichts vor sich hat, das ihn zerbrechen kann, er führe sich denn selbst in eine fremde (äußerliche bzw. getrennte) Fassung hinein, die dem ersten Grund, daraus er entstanden ist, nicht mehr ähnlich sieht. Dann ist es eine Abtrennung vom Ganzen, wie uns dann am gefallenen Teufel und der Seele des Menschen verständlich wird, daß sich die Kreatur vom ganzheitlichen Willen abgebrochen und in eine Eigenheit anderer Fassung hineingeführt hat, der göttlichen Einigen Geburt zuwider. Um aber dieses zu erkennen, müssen wir auf die Hauptursache schauen, wie das geschehen konnte.

2.6. Denn hätten sich die Kräfte der Einigen göttlichen Eigenschaft nicht in Unterschiedlichkeit hineingeführt, dann hätte das nicht geschehen können, und dann wären weder Engel noch andere Kreaturen geworden. Auch gäbe es keine Natur mit Eigenschaften, und dann wäre der unsichtbare Gott dem Willen allein in der stillen wirkenden Weisheit in sich selbst offenbar, und dann wären alle Wesen ein Einiges Wesen, so daß man nicht mehr von Wesen sprechen könnte, sondern von einer in sich selber wirkenden Lust, welche also nur in dem Einigen Gott ist und nicht Mehreres (kein Vielfältiges) ist.

2.7. Wenn wir aber die göttliche Offenbarung in der ganzen Schöpfung in allen Dingen betrachten und die Schriften der Heiligen anschauen, dann sehen, finden und begreifen wir den wahren Grund. Denn es steht geschrieben: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. (Joh. 1.1)«

2.8. In dieser kurzen Beschreibung liegt der ganze Grund göttlicher und natürlicher Offenbarung, im Wesen aller Wesen. Denn »im Anfang« heißt hier der ewige Anfang im Willen des Ungrundes zum Grund als zur göttlichen Fassung, wenn sich der Wille in ein Zentrum zu einem Grund faßt, nämlich zum Wesen Gottes, und sich in Kraft hineinführt und aus der Kraft ausgeht in Geist, und im Geist sich in Empfindlichkeit der Kräfte bildet. Also sind diese Kräfte, die alle in einer Kraft liegen, der Ursprung des Wortes. Denn der Einige Wille faßt sich in der Einigen Kraft, in der alle Verborgenheit liegt, und haucht sich durch die Kraft in die Beschaulichkeit des ewigen Gemüts aus, als die Anschauung seiner selbst (dem „Selbst-Bewußtsein“). Das heißt nun: »Das Wort war im Anfang bei Gott, und war Gott selbst.«

2.9. Der Wille ist der Anfang und heißt „Gott Vater“, der sich dann in eine Kraft faßt und „Sohn“ heißt. Und das Wesen der Kraft ist die Scienz (Erfahrung oder Erkenntnis) und Ursache des Aussprechens, als das Wesen der Unterschiedlichkeit der Einigen Kraft, als die Austeilung des Gemüts, das der Geist mit seinem Ausgehen aus der Kraft unterschiedlich macht.

2.10. Nun könnte aber kein Aussprechen oder Ausschallen geschehen - denn die Kräfte stehen (ursprünglich) alle in einer Einigen Kraft in großer Stille - wenn sich diese Einige Lust nicht in der Kraft einer Begierde faßte, nämlich durch Zusammenziehung (bzw. Fassung) in einer Erfahrung (Scienz). Das heißt: Die freie Lust faßt sich in eine Erfahrung seiner selbst zu einer Formung der Kräfte, auf daß die Kräfte in eine Verfestigung zu einem wahrnehmbaren Hall (bzw. gegensätzlichen Schwingen) eingehen, davon die sinnliche Wahrnehmung der fünf Sinne entstehen, als eine innere Beschauung, Fühlung, Hörung, Riechung und Schmeckung, welches hier noch nicht auf kreatürlicher (körperlicher), sondern nur auf Art der ersten (geistigen) Empfindlichkeit und Findlichkeit (Wahrnehmung und Bewußtsein) in sinnlicher Art verstanden werden soll.

2.11. So heißt es dann hier: »Das Wort (als die geformte Kraft) war im Anfang bei Gott.« Denn hier werden nun zwei Wesen verstanden, nämlich die ungeformte Kraft, das heißt „In“, und die ausgeformte Kraft, das heißt »Bei«, denn sie ist in das Etwas zur Beweglichkeit eingetreten. Das »In« ist still, aber das »Bei« ist gefaßt. Und aus dieser Fassung (Gestaltung) und Erfahrung (Scienz) entstehen Natur und Kreatur samt allen Wesen.

2.12. Hier sollen wir unser Auge der Vernunft weit auftun, damit wir den Unterschied zwischen Gott und der Natur durchschauen können, und nicht nur sagen: „Gott will, und Gott schuf.“ Es ist nicht genug, daß man mit dem Heiligen Geist gaukle und ihn einen Teufel nennt, wie der gefangene Verstand es tut, der sagt: „Gott will das Böse.“ Denn all der böse Wille ist ein Teufel, nämlich ein selbstgefaßter Wille zur Eigenheit (Ichheit), ein abtrünniger vom ganzheitlichen Wesen und eine Phantasie (bzw. Illusion).

2.13. Darum ermahne ich den Leser zuhöchst, unseren Sinn recht zu begreifen und sich von der Phantasie gedanklicher Schlußfolgerungen fernzuhalten, die nicht auf wahrem und innerlichem Grund stehen (sondern auf materiellem Sand gebaut sind). So wollen wir ihm hier den wahren Grund darstellen.

2.14. Versteht bitte: Die Kräfte zum Wort sind Gott, und die Erfahrung als das magnetische Ziehen ist der Anfang der Natur. Nun könnten die Kräfte nicht offenbar werden, ohne diese Begierde des Ziehens. Denn Gottes Majestät in wirkender Kraft zur Freude und Herrlichkeit würde ohne das Anziehen der Begierde nicht offenbar werden, und es wäre auch kein Licht in göttlicher Kraft, wenn sich nicht die Begierde einzöge und überschattete, darin der Grund der Finsternis verstanden wird, welcher sich dann bis zur Entzündung des Feuers führt, in der sich Gott einen zornigen Gott und ein verzehrendes Feuer nennt. Und daraus entsteht die große Unterschiedlichkeit, wie auch der Tod und das Sterben und das ganze wahrnehmbare kreatürliche Leben und wird entsprechend verstanden.

2.15. Wie ihr dessen ein Gleichnis an einer brennenden Kerze habt, wenn das Feuer die Kerze in sich zieht und verzehrt, so daß das Wesen stirbt. Das heißt: Im Sterben der (materiellen) Finsternis verwandelt sich die Kerze im Feuer in einen Geist und eine andere Qualität, wie am Licht verstanden wird, obwohl man in der Kerze eigentlich kein fühlendes Leben versteht. Aber mit des Feuers Entzündung führt sich das Etwas der Kerze in eine Verzehrung hinein, wie in ein leidvoll fühlendes Weben und Leben, und aus diesem leidvoll fühlenden Leben wird das Nichts, nämlich das Eine, in einer großen Zufriedenheit scheinbar und lichtvoll.

2.16. Ähnlich können wir auch über Gott nachsinnen, daß er seinen Willen darum in eine Erfahrung der Natur hineinführt, damit seine Kraft im Licht seiner Majestät offenbar und ein Freudenreich werde. Denn wenn in dem ewigen Einen keine Natur entstünde, dann wäre alles still. Aber die Natur führt uns in Leiderfahrung, Empfindlichkeit und Findlichkeit hinein, auf daß die ewige Stille beweglich werde und die Kräfte zum Wort erfahrbar werden. Nicht, daß darum das ewige Leiden werde, so wenig das Licht vom Feuer leidvoll wird, sondern daß die feurige Eigenschaft im Leiden die stille Lust bewege.

2.17. Die Natur ist das Werkzeug der stillen Ewigkeit, damit sie wirke, gestalte und unterscheide, und sich selbst darin in ein Freudenreich fasse, denn der ewige Wille offenbart sein Wort durch die Natur. So nimmt das Wort in der Erfahrung Natur an. Aber das ewige Eine, als der Gott Jehovah, nimmt keine Natur an, sondern wohnt durch die Natur gleichwie die Sonne in den Elementen oder wie das Nichts im Licht des Feuers, denn des Feuers Glanz macht das Nichts scheinbar (sichtbar). Obwohl man hier nicht von „Nichts“ sprechen sollte, denn dieses Nichts ist Gott und Alles. Allein wir reden so, damit wir dem Leser unseren Sinn und Begriff erklären könnten.

2.18. Die Natur mit ihrem Ursprung in der Erfahrung, als in der anziehenden Begierde, wird wie folgt verstanden. Dazu will ich ein Gleichnis vorstellen vom Feuer und Licht, damit sich der Leser in den wahren Sinn und Verstand mit der Hilfe göttlicher Kraft hineinführen kann.

2.19. Siehe eine angezündete Kerze an, dann siehst du ein Gleichnis für Beides, dem göttlichen und auch dem natürlichen Wesen. In der Kerze liegt alles ineinander in einem Wesen in gleichem Gewicht ohne Unterschied, nämlich das Wachs, das Feuer, das Licht, die Luft, das Wasser und die Erde. Also auch Schwefel, Quecksilber und Salz (die drei Grundqualitäten) im Wachs, aus dem Feuer, Licht, Luft und Wasser (wieder in getrennter Form) entstehen. Dazu kann man in der Kerze keinen Unterschied finden und sagen: das ist Feuer, das ist Licht, das ist Luft, das ist Erde. Man sieht auch nicht die Ursachen des Schwefels, Salzes oder Wachses. Man sagt nur, es ist Wachs. Und das ist auch wahr, aber alle diese Eigenschaften liegen darin, aber noch in keinem Unterschied der Erkenntnis, denn sie stehen alle in gleichem Gewicht in einer Ausgewogenheit.

2.20. Gleiches können wir auch vom ewigen Einen erkennen, nämlich von dem verborgenen und nicht offenbaren Gott, jenseits der ewigen Erfahrung (Scienz), das heißt, jenseits der Offenbarung seines Wortes durch seine Kräfte. Denn es liegen alle Kräfte und Eigenschaften im anfangslosen Gott Jehovah in ganzheitlicher Ausgewogenheit. Doch indem der ewige Wille, welcher der Vater aller Wesen und allen Ursprungs ist, sich in der Weisheit in einem Gemüt zu seinem Selbst-Sitz und zur Kraft faßt und dieses innerlich Gefaßte aushaucht, so faßt sich sein Wille im Aushauchen seiner Kraft in der Ausgewogenheit zu einem Ausgehen seiner selbst in eine Erfahrung der Unterschiedlichkeit durch Offenbarung der Kräfte. Auf diese Weise erscheint in dem Einen eine unendliche Vielfalt der Kräfte, als ein ewiger Blick (des ewigen Bewußtseins), damit das ewige Eine unterscheidbar, empfindbar, sichtbar, fühlbar und wesentlich werde.

2.21. Und in dieser Erfahrung mit ihrer anziehenden Begierde, wie man das ungefähr erklären könnte, beginnt die ewige Natur. Und in der Natur beginnt das Wesen, das heißt, ein geistiges Wesen als Mysterium Magnum (großes Unbekanntes), nämlich der offenbare Gott oder wie man es nennen möchte, auch die göttliche Offenbarung. So daß auch die Heilige Schrift von Gott mit Unterscheidung redet, wie »Gott ist gut; Gott ist zornig und eifrig; Gott kann nichts Böses wollen; Gott verstockt ihr Herz, daß sie nicht glauben und nicht selig werden; es ist oder geschieht kein Übel in der Stadt, das der Herr nicht tut; darum habe ich dich erweckt, damit ich meines Zornes Macht an dir offenbare...« Die ganze Wahl des Guten und Bösen in der Schöpfung, wie da böse und gute Kreaturen in Metallen, Erden, Steinen, Kräutern, Bäumen und Elementen entsprechend zu sehen sind, das hat alles seinen Anfang und Ursprung daher (von der natürlichen Begierde nach Erfahrung bzw. Erkenntnis).

2.22. Und so ist in der Natur immer eines gegen das andere gesetzt, so daß eines des anderen Feind sei. Doch nicht nur, damit es sich anfeinde, sondern daß eines das andere im Streit bewege und durch sich offenbare, auf daß das Mysterium Magnum (große Unbekannte) in Unterschiedlichkeit eingehe und in dem ewigen Einen eine Erhebung zum Freudenreich sei, auf daß das Nichts in und mit Etwas zu wirken und zu spielen habe, nämlich der Geist Gottes, der sich durch Weisheit von Ewigkeit in ein solch geistiges Mysterium zu seiner Selbst-Beschaulichkeit (Selbst-Erkenntnis) hineingeführt hat. Dieses Mysterium hat Er in einen Anfang zur Schöpfung und Zeit hineingeführt und in ein Wesen und Weben der vier Elemente gefaßt, und damit das unsichtbare Geistige mit und in der Zeit sichtbar gemacht.

2.23. Nun zeigen wir euch diesbezüglich ein wahres Bild an der Welt, nämlich an der Sonne, den Sternen und Elementen und des Mysteriums, daraus die vier Elemente entstanden. Wir sehen, daß die Sonne in der Tiefe der Welt leuchtet und ihre Strahlen das Wesen der Erde entzünden, daraus alles wächst. Auch verstehen wir, daß sie das Wesen im Mysterium Magnum (dem großen Unbekannten) als Spiritus Mundi (Erd- oder Weltgeist) nämlich im Schwefel, Quecksilber und Salz entzündet (die drei Grundqualitäten des Lebens, ähnlich wie Leid, Ichheit und Glück), darin das magische Feuer offenbart wird, aus dem die Luft, das Wasser und die Erde ihren Ursprung nehmen. Das heißt: Das Einige im Mysterium Magnum scheidet sich danach in der äußeren Welt in vier Elemente, welche wohl zuvor im Mysterium lagen. Aber nun stehen sie in der Erfahrung (Scienz) der magnetischen Impression (begehrenden Einbildung), die ineinander im großen Mysterium verborgen waren und in einem Wesen lagen.

2.24. Nun, gleichwie der Sonne Kraft und Strahlen das Mysterium der äußeren Welt offenbaren, so daß Kreaturen und Gewächse daraus entstehen, so ist auch das Mysterium eine Ursache für die äußere Welt, darin sich die Strahlen der Sonne offenbaren und entzünden. Wenn nicht das große Mysterium in Schwefel, Salz und Quecksilber auf geistige Art im Geist der Welt (Spiritus Mundi) läge, wie in der Erfahrung der Eigenschaften der Sterne, die eine Quintessenz der vier Elemente ist, dann könnten die Strahlen der Sonne nicht offenbar werden. Weil aber die Sonne edler und einen Grad tiefer (bzw. grundlegender) in der Natur als das Mysterium der äußeren Welt ist, nämlich als der weltliche Geist in Schwefel, Salz und Quecksilber in der Quintessenz der Sterne, so drängt sie sich in das äußere Mysterium hinein und entzündet es, und damit auch sich selbst, so daß ihre Strahlen feurig werden. Denn sonst wären sie nicht feurig, und es gäbe auch keine Erfahrung im Mysterium dieser Welt.

(Die Quintessenz war das fünfte unsichtbare Element. Aus körperlicher Sicht der Raum, der alles durchdringt und in sich vereint, und aus geistiger Sicht die ganzheitliche Vernunft als Quintessenz der unterscheidenden Gedanken.)

2.25. Und wie nun die Sonne ihre Begierde heftig in die Erfahrung des äußeren Mysteriums als in diese drei Grundqualitäten hineinführt, nämlich in Schwefel, Salz und Quecksilber, um sich in ihnen anzuzünden und zu offenbaren, so führt auch die Erfahrung ihre Begierde aus der Quintessenz der Sterne (aus der Vernunft) durch diese drei Grundqualitäten so heftig der Sonne entgegen, nämlich als ihren Naturgott, welcher eine Seele des großen Mysteriums in der äußeren Welt der Elemente ist, wie ein Gleichnis des inneren verborgenen Gottes.

2.26. Auch sieht man, wie die Sterne (bzw. Gedanken) so gierig und hungrig nach der Sonne Kraft sind, daß sie ihre Erfahrung und Begierde auf magnetische Art im Geist der Welt in die drei Grundqualitäten hineinführen und der Sonne Kraft in sich ziehen, hingegen sich auch die Sonne mächtig in sie hinein drängt, um ihre Erfahrung zu empfangen. Deshalb haben sie aus der Sonne Kraft ihren Schein, so daß sie wiederum ihre angezündete Kraft wie eine Frucht in die vier Elemente bringen und also ineinander qualifizieren (sich befruchten), so daß je eines des anderen Offenbarung und auch Kraft und Leben ist, aber auch des anderen Zerstörung, damit nicht eine Eigenschaft über alle anderen aufsteigt.

2.27. So hat es der Höchste in ein Gleichnis nach seinem eigenen Wesen durch sein ewig sprechendes Wort in eine vergängliche Zeit gesprochen, nämlich aus dem ewigen großen Mysterium, das ganz geistig ist, und hat das Ewige in einer vergängliche Zeit mit einer vergänglichen Gestalt dargestellt, aus der alles kreatürliche Leben entsteht und auch darin sein Regiment führt, ausgenommen die Engel und ewigen Geister, wie auch die reine innere Seele des wahren Menschen. Diese haben ihren Ursprung in der ewigen uranfänglichen Erfahrung (Scienz) oder Natur, wie im Folgenden erklärt werden soll.

2.28. So versteht nun dies symbolische Gleichnis: Gott ist die ewige Sonne, als das ewige Einige Gute. Er wäre aber jenseits der ewigen Erfahrung, nämlich der ewigen Natur mit seiner Sonnenkraft als Majestät, nicht offenbar (bzw. erkennbar) ohne die ewige geistige Natur (das reine Bewußtsein). Denn es wäre nichts jenseits der Natur, darin Gott in seiner Kraft offenbar sein könnte, denn er ist der Anfang der Natur. Deshalb führt Er sich nicht darum aus dem ewigen Einen in einen ewigen Anfang zur Natur, damit er etwas Böses sein will, sondern daß seine majestätische Kraft in Unterschiedlichkeit und Empfindlichkeit kommen möge, damit ein Bewegen und Spielen in Ihm sei, wenn die Kräfte miteinander spielen und sich in ihrem Liebesspiel und Ringen also selbst offenbaren und empfinden, dadurch das große unermeßliche Liebefeuer im Bande und der Geburt der Heiligen Dreifaltigkeit wirkend werde.

2.29. Dessen geben wir euch noch ein Gleichnis am Feuer und Licht: Das Feuer deutet uns in seinem leidvollen Aspekt die Natur als Erfahrung an, und das Licht deutet uns das göttliche Liebefeuer an. Denn das Licht ist auch ein Feuer, aber ein gebendes Feuer, denn es gibt sich selbst in alle Dinge. Und in seinem Geben ist Leben und Wesen, nämlich Luft und ein geistiges Wasser. In diesem Wasser, das dem Brenn-Öl (des Feuers) gleicht, führt das Liebefeuer des Lichts sein Leben, denn es ist des Lichtes Speise. Denn wenn das Licht eingesperrt werden sollte und sich das geistige Wasser von der feurigen Art nicht mehr unterscheiden könnte und sich in sich selbst mit dem Nichts verschmelzen sollte, nämlich mit dem Ungrund, dann würde das Licht erlöschen. Indem es sich aber mit dem Ungrund, darin doch der ewige Grund liegt, zu einer ganzheitlichen Ausgeglichenheit verschmilzt, wenn die Kräfte alle in einer liegen, so zieht das Licht- oder Liebefeuer dieses geistige Wasser wieder zu seiner Speise in sich, so daß es in der Verschmelzung eine einzige Öl-Tinktur wird (ein Ur-Meer oder Meer der Ursachen), als eine ganzheitliche Kraft von Feuer und Licht.

2.30. Und allhier liegt das größte Geheimnis der geistigen Ernährung. Ihr lieben Söhne, wenn ihr das erkennen könntet, dann hättet ihr den Grund aller Heimlichkeit und des Wesens aller Wesen erkannt. Und von diesem sagte uns Christus, »er wolle uns das Wasser des ewigen Lebens geben, und das würde in uns in einen Quellbrunnen des ewigen Lebens quellen. (Joh. 4.14)« Nicht das äußere Wasser vom äußeren Lichtfeuer, sondern das innere vom göttlichen Lichtfeuer, von dem das äußere ein Bildnis ist.

2.31. Also erkennt und versteht dieses Gleichnis. Das ewige, Einige Gute als das Wort der heiligen geistigen Zunge, welches der allerheiligste Jehovah aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit seines eigenen Wesens in die Erfahrung der Natur spricht, das spricht er nur darum in eine Erfahrung der Unterschiedlichkeit als in eine Gegensätzlichkeit, damit seine heiligen Kräfte unterschiedlich werden und in den Schein der Majestät kommen, denn sie müssen durch die feurige Natur offenbar werden. Denn der ewige Wille, welcher „Vater“ heißt, führt sein Herz oder „Sohn“ als seine Kraft durch das Feuer heraus zu einem großen Triumph des Freudenreichs.

2.32. Im Feuer ist der Tod, nämlich das ewige Nichts stirbt im Feuer. Und aus dem Sterben kommt das heilige Leben. Nicht daß es ein Sterben sei, sondern so entsteht das Liebe-Leben aus dem Leiden. Das Nichts oder die Einheit nimmt also ein ewiges Leben in sich, daß es fühlend sei, und geht aber wieder aus dem Feuer heraus, wie ein Nichts. Wie wir auch sehen, daß das Licht vom Feuer ausscheint, und doch wie ein Nichts nur einer lieblichen, gebenden und wirkenden Kraft gleicht.

2.33. Also versteht in der Unterscheidung der Erfahrung, wenn sich Feuer und Licht unterscheidet, im Feuer die ewige Natur. Darin spricht Gott, daß er ein zorniger und eifriger Gott und wie ein verzehrendes Feuer sei, das nicht der „Heilige Gott“ genannt wird, sondern sein Eifer ist wie eine Verzehrung (bzw. Verbrennung) dessen, was die Begierde durch Unterscheidung in der Erfahrung in sich faßt.

2.34. So versteht nun, wie sich da eine Unterschiedlichkeit in der Erfahrung in einem eigenen Willen erhebt, um über die Ausgeglichenheit hinauszufahren, sich einschließt und vom ganzheitlichen Willen abbricht und in die Phantasie (bzw. Illusion) hineinführt, wie Herr Luzifer und die Seele von Adam getan haben und noch heute in der menschlichen Erfahrung und in der seelischen Eigenschaft (der Ichheit) geschieht. Daraus werden Distel-Kinder mit falscher (illusorischer) Erfahrung (teuflischer Art) geboren, die der Geist Gottes erkennt, und von welchen Christus sagte, sie wären nicht seine Schafe (Joh. 10.26). Das heißt, daß der allein Gottes Kind sei, dessen Seele nicht vom Fleisch noch vom Blut noch vom Willen eines Mannes, sondern von Gott entsprossen sei (Joh. 1.13), das heißt, aus wahrer göttlicher Erfahrung, aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit, nämlich aus der Wurzel des Liebefeuers. Wie nun Gott sein Liebefeuer durch Christo wieder in die verdorbene Erfahrung von Adam hineingeführt und wieder in des Lichtes Ausgeglichenheit als in des Lichtes Erfahrung eingewurzelt hat, das soll im Folgenden weiter behandelt werden.

2.35. Wie wir nun in der Entzündung des Feuers zwei Wesen erkennen, nämlich eines im Feuer und das andere im Licht und damit zwei Prinzipien, so können wir es auch in Gott erkennen. Er heißt allein „Gott“ nach dem Licht, als in den Kräften des Lichts, da gleich auch die Erfahrung (Scienz) innerlich offenbar ist und auch in unendlicher Vielfalt, aber alles im Liebefeuer, da alle Eigenschaften der Kräfte ihren Willen in Einen Willen geben, nämlich in die göttliche Ausgewogenheit. In dieser Ausgewogenheit regiert in allen Eigenschaften nur ein Einiger Geist und Wille, und die Eigenschaften begeben sich alle in Eine große Liebe zueinander und ineinander, weil je eine Eigenschaft die andere in großer feuriger Liebe zu schmecken begehrt und alles nur eine vollkommene liebliche und ineinander inqualierende (ausgleichende) Kraft ist, die sich aber durch die Unterschiedlichkeit der Erfahrung in vielfältigen Farben, Kräften und Tugenden hineinführt, um die unendliche göttliche Weisheit zu offenbaren.

2.36. Wie wir dessen auch ein Beispiel an der blühenden Erde haben, an den Kräutern, wenn durch die Erfahrung der Ausgewogenheit aus dem guten Anteil schöne und liebliche Früchte wachsen und dagegen aus der Erfahrung der feurigen Natur aufgrund des Fluchs der Erde - die der Herr wegen des Menschen und des Teufels Falls verflucht und in einem Austreiben zu seiner Prüfung vorgesehen hat - nur bösartige, stachlige und distelartige Früchte wachsen, welche aber immer noch ein Gutes in sich haben, wegen ihres Ursprungs, weil in der Quintessenz die Ausgewogenheit noch verinnerlich liegt und am Ende auch entschieden werden soll.

2.37. So sollen wir es hier recht verstehen, daß in der göttlichen Kraft, soweit Gott „Gott“ heißt, im Wort der göttlichen Eigenschaften kein Wille zum Bösen sein könne, auch keine Wissenschaft vom Bösen darin sei. Sondern nur darin entsteht die Erkenntnis von Gutem und Bösem, wenn sich der unergründliche Einige Wille in die feurige Erfahrung unterscheidet, darin der natürliche und kreatürliche Grund liegt.

2.38. Denn aus der göttlichen Liebe-Erfahrung kann keine Kreatur einig und allein geboren werden und bestehen, sondern sie muß die feurige Dreiheit der feurigen Leid-Erfahrung in sich haben, als einen eigenen Willen (der Ichheit), der als ein getrennter Teil wie eine ausgehauchte Erfahrung und ein Strahl vom ganzen Willen aus der ganzheitlichen Ausgeglichenheit des ersten unergründlichen Willens ausgeht, wenn sich das Wort der Kräfte im Feuer unterscheidet, um sich aus dem Feuer wieder in das Licht zu entscheiden.

2.39. Allda entstehen die Engel und die Seele des Menschen aus der feurigen Erfahrung des Anfanges der ewigen Natur, damit sich dieser Strahl der feurigen Erfahrung wieder in der Licht-Ausgeglichenheit vereinen soll, nämlich im Ganzen. So ernährt sie sich von der heiligen Tinktur des Feuers und des Lichts, nämlich vom geistigen Wasser (des ewigen Lebens), darin das Feuer ein Freudenreich wird.

2.40. Denn das Geist-Wasser ist eine tägliche Erlöschung der feurigen Erfahrung, dadurch die feurige Erfahrung mit dem Liebefeuer eine Ausgeglichenheit wird. Dann ist nur noch ein Einiger Wille darin, nämlich alles zu lieben, was in dieser Wurzel steht. So kann man die Engel Gottes und auch Glückseligen verstehen, welche allesamt ihren Ursprung aus der Feuer-Erfahrung genommen haben, in der nun das Licht Gottes scheint, so daß sie einen stetigen Durst nach göttlicher Kraft und Liebe haben und ihr Feuer mit heiliger Liebe ausgleichen, dadurch die feurige Dreiheit (der drei natürlichen Grundqualitäten) in reine Heiligkeit und Liebe und große Freude verwandelt wird. Denn nichts ist oder besteht ewig, es habe denn seinen Ursprung aus dem ewigen anfangslosen Willen, aus der feurigen Erfahrung des göttlichen Wortes, wie im Folgenden erklärt werden soll.

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung

Von der Genaden-Wahl oder dem Willen Gottes über die Menschen, Jacob Böhme, 1682
De electione gratiae von der Gnaden-Wahl, Jacob Böhme, 1730
Jakob Böhmes sämmliche Werke, Band 4, Johann Umbrosius Barth, 1842


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