Vom dreifachen Leben des Menschen

(Text von Jacob Böhme 1620, deutsche Überarbeitung 2021)

1. Kapitel - Vom Ursprung des Lebens

Vom Ursprung des Lebens, und von der ewigen Geburt des göttlichen Wesens.

1.1. Wenn wir uns des Anfangs unseres Lebens entsinnen und es gegen das ewige Leben halten wollen, welches wir in der Verheißung haben, dann können wir nicht sagen oder finden, daß wir in diesem äußerlichen Leben daheim sind, denn wir sehen des äußerlichen Lebens Anfang und Ende, dazu die ganze Zerbrechlichkeit und schließlich die Verwesung (und Vergänglichkeit) unserer Leiber. Darüber hinaus sehen und wissen wir von keiner Zurückkehr in dieses Leben, und haben dafür auch keine Verheißung vom höchsten und ewigen Gut.

1.2. Weil aber nun (1.) ein Leben in uns ist, das ewig und unzerbrechlich ist und mit dem wir nach dem höchsten Gut trachten, sowie (2.) auch ein Leben von dieser Welt, das endlich und zerbrechlich ist, und dazu (3.) ein Leben, darin die Qual-Quelle und Ursache des Lebens mit der höchsten Gefährlichkeit des ewigen Verderbens, Jammers und Elends steht, so ist es uns Not, des Lebens Anfang zu entsinnen, woraus das alles herrühre und so entstehe.

1.3. Und wenn wir uns dann des Lebens entsinnen, was das sei, dann finden wir, daß es ein brennendes Feuer ist, das da verzehrt. Und wenn es nichts mehr zu verzehren hat, dann erlischt es, wie das an allen Feuern zu sehen ist. Denn das Leben hat seine Nahrung vom Leib, und der Leib von der Speise, denn wenn der Leib keine Speise mehr hat, dann verzehrt sich das Lebensfeuer, so daß er verwelkt und verdirbt, wie eine Wiesenblume umfällt, die kein Wasser mehr hat.

1.4. Wenn aber noch ein Leben im Menschen ist, das da ewig und unzerbrechlich ist, nämlich die Seele, die auch ein Feuer ist und ebenso Nahrung haben muß, wie das elementische sterbliche Leben, dann ist uns seine Qual-Quelle und Speise zu ersinnen, was da sei, das ihm immer Speise gibt, damit es in Ewigkeit nicht erlischt.

1.5. Und dann finden wir zum Dritten in unserem Seelenleben, daß noch ein großer Hunger nach einem anderen höheren und besseren Leben darin ist, nämlich nach dem höchsten Gut, welches das göttliche Leben genannt wird. So daß sich die Seele nicht an ihrer eigenen Speise begnügen läßt, sondern mit großem Sehnen und Verlangen das höchste und beste Gut begehrt, nicht allein zu einer Wonne, sondern im Hunger zu einer Speise.

1.6. So steht nun in großem Wissen und wahrer Erkenntnis, daß ein jedes Leben nach seiner Mutter, aus der das Leben geboren wird, zu seiner Speise begehrt. Wie das Holz die Mutter des Feuers ist, dessen das Feuer begehrt, und wenn es von seiner Mutter getrennt wird, dann erlischt es. So ist die Erde auch die Mutter aller Bäume und Kräuter, und diese begehren sie, und das Wasser mit den anderen Elementen ist die Mutter der Erde, sonst würde sie im Tod stehen, und darin und daraus wüchsen weder Metalle noch Bäume, auch kein Kraut oder Gras.

1.7. Wir sehen hier vor allem, daß das elementische Leben in einem Sud steht und ein Sieden ist, und wenn es nicht mehr siedet, dann erlischt es. So wissen wir auch, daß das Gestirn die Elemente anzündet, und die Sterne sind das Feuer der Elemente, und die Sonne zündet die Sterne an, so daß ein Quellen und Sieden ineinander ist. Aber das elementische Leben ist endlich und zerbrechlich, während das Seelenleben ewig ist.

1.8. Wenn es nun ewig ist, dann muß es auch vom Ewigen sein, wie dann der teure Moses zu Recht davon schreibt: »Gott habe dem Menschen den lebendigen Odem eingeblasen, und so ist der Mensch eine lebendige Seele geworden. (1.Mose 2.7)«

1.9. Wir können aber nicht sagen, wenn der Mensch in einem dreifachen Leben (entsprechend der drei Prinzipien) steht, daß jedes Leben gesondert mit einer besonderen Gestalt bestehe. Sondern wir finden, daß es ineinander besteht, und doch jedes Leben seine Wirkung in seinem Regiment hat, wie in seiner Mutter. Denn gleichwie Gott der Vater Alles ist (denn es entsteht alles von ihm, und er ist an allen Orten gegenwärtig, und er ist die Fülle aller Dinge, aber das Ding begreift ihn doch nicht, und so ist auch das Ding nicht Gott, weder seines Geistes noch des wahren göttlichen Wesens, so daß man von keinem begreiflichen Ding sagen kann: „Das ist Gott! Oder hier ist Gott vor anderen Orten!“ Und doch ist er wahrhaftig gegenwärtig, denn er hält jedes Ding, aber das Ding nicht ihn, er begreift das Ding, aber das Ding nicht ihn, denn er wohnt nicht in dem Ding, sondern in sich selber, in einem anderen Prinzip),

1.10. so ist auch die Seele des Menschen von Gott eingeblasen, wohnt im Leib und ist vom Geist der Sterne und Elemente umfangen. Nicht allein wie ein Kleid den Leib bedeckt, sondern sie ist mit dem Geist der Sterne und Elemente infiziert, wie eine Pestilenz oder andere Krankheit den elementischen Geist infiziert, so daß sein Leib vergiftet, hinfällt und stirbt, weil sich dann auch die Sternenqualität von der Seele trennt und selbst verzehrt. Denn weil die elementische Mutter zerbricht, hat der Sternengeist auch keine Speise mehr und verzehrt sich deswegen selbst. Die Seele aber bleibt roh (bzw. ungestaltet), weil sie von einer anderen Speise lebt.

1.11. So versteht uns auf folgendem Weg: Obwohl die Seele im Geist der Sterne und Elemente so gefangen ist, daß diese Qual (bezüglich der wirkenden „Quell-Geister“, der gestaltenden „Qualitäten“ und der feindlichen „Qual“) in der Seele wohnt, so hat doch die Seele eine andere Speise, lebt in einem anderen Prinzip und ist auch von einem anderen Wesen. Denn ihre Essenzen sind nicht aus dem Gestirn, sondern haben ihren Anfang und körperliche Vereinigung aus dem ewigen Band, aus der ewigen Natur, die dem göttlichen Vater vor dem Licht seiner Liebe gehört. Und zwar indem er in sich selbst eingeht und sich selbst das zweite Prinzip in seiner Liebe macht, daraus er sein ewiges Wort und Herz von Ewigkeit zu Ewigkeit immer gebiert, wo sich dann der heilige Name Gottes immer bekundet und seine göttliche Natur behält, als ein Geist im anderen (zweiten) Prinzip in sich selbst, denn er wohnt in nichts anderem als nur allein in sich selbst.

1.12. Doch obwohl das Band der ewigen Natur in ihm ist, so ist doch der göttliche Geist dem Band nicht unterworfen. Denn der Geist zündet das Band der Natur an, daß es mit der Kraft des Lichtes in der Liebe und im Leben des Wortes aus dem Herzen Gottes erleuchtet und quellend wird, so daß es eine heilige Wonne und ein Paradies des Geistes ist, der „Gott“ genannt wird.

1.13. So ist auch die Seele des Menschen aus dem Band des ewigen Ursprungs und darin ewig bestehend, und sie begehrt in sich selbst in das zweite Prinzip zu Gott einzudringen und sich an Gottes Kraft zu sättigen.

1.14. Weil sie aber so mit ganzem Wesen und ihren eigenen Essenzen nicht in das Licht und die Kraft Gottes eingehen kann (so wenig, wie die ewige Natur ins Licht Gottes eindringen kann, so daß sie das Licht eigentümlich in eigener Gewalt hätte, sondern das Licht scheint aus der Liebe in seinem Prinzip in der ewigen Natur, so daß das Licht ein Herr der ewigen Natur bleibt, weil es die ewige Natur nicht ergreift, sondern sich im Licht erfreut und seine Wunder in der Kraft und Vernunft des Lichtes hervorbringt, so daß sie dann offenbar werden),

1.15. so kann auch die Seele des Menschen nicht mit ihren Essenzen in das Licht Gottes eindringen, um es zu bewältigen, sondern muß in sich selbst, als in ein anderes (zweites) Prinzip zu Gott in seine Liebe eindringen. Darunter solltest du eine andere (zweite) neue Geburt in der Seele verstehen, denn sie muß nicht allein aus dem Sternen- und elementischen Leben herausdringen, sondern auch aus ihrer eigenen Lebens-Quelle, und muß ihren Willen im Leben Gottes schöpfen, um darin zu sein. Und dieser geschöpfte Wille wird von Gott angenommen, und Gott wohnt in diesem Willen. So kommt das göttliche Leben und Licht in die Seele, und sie ist Gottes Kind, denn sie steht nun in ihrer Qualität und ihrem Leben wie Gott selbst in der Qualität der ewigen Natur.

1.16. Hier verstehen wir nun, daß außerhalb des göttlichen Lichtes im zweiten Prinzip der ewigen Natur eine ängstliche Qual besteht, denn das Band des Lebens steht dort im Feuer. Wenn aber dieses Feuer von der heiligen göttlichen Liebe infiziert und gefangen wird, dann geht das Leben in sich selber in eine andere Qualität aus, denn ihm wird ein anderes Prinzip aufgeschlossen, darin es lebt, und das ist das Leben in Gott, in gleicher Weise, wie Gott in sich selbst wohnt, aber in Wahrheit selbst Alles ist, denn es ist alles aus seiner Natur gekommen. Du solltest aber verstehen, daß nicht alles aus der ewigen Natur kommt, sondern nur die Seele und die englischen Geister. Alles andere kommt von seinem geschöpften Willen, der einen Anfang hat, nämlich im Äußeren, und darum sind auch alle Wesen dieser Welt vergänglich.

1.17. Und hierin finden wir den schrecklichen großen Fall unserer Seele durch unsere ersten Eltern, so daß sie in den Geist dieser Welt in eine fremde Herberge eingegangen ist und das göttliche Licht verlassen hat, in dem sie ein Engel und Kind Gottes war. Darum muß sie aus dem Geist der Sterne und Elemente wieder heraus in eine neue Geburt in das Leben Gottes gehen.

1.18. Weil das aber der Seele nicht möglich war, so kam das Leben Gottes aus Liebe und Gnade zu uns ins Fleisch, und nahm unsere menschliche Seele wieder in sich, in das göttliche Leben und die Kraft des Lichtes, damit wir hier in diesem Leben zu Gott in eine neue Geburt eindringen können.

1.19. Denn wie wir alle mit Adams Seele aus dem Leben Gottes herausgegangen sind und die falsche (illusorische) Sucht von der Seele unserer Eltern geerbt haben, so hat uns das Leben Gottes in Christus wieder neugeboren, so daß wir im Leben Christi wieder in das Leben Gottes eingehen können.

1.20. Und weil es nun so ist, daß unsere Seele im Band des ewigen Ursprungs mit dem Geist dieser Welt infiziert steht, sowie vom Grimm des Ursprungs im Leben des ewigen Feuers der ewigen Natur gefangen ist, so müssen wir mit unseren Seelen, ein jeder für sich selbst, in das Leben Christi zu Gott eindringen, in die neue Wiedergeburt, in das Leben und den Geist Christi. Und hier helfen keine Heuchelei, Scheinheiligkeit oder eigene Werke der Verdienste. Denn anders kann der armen Seele nicht geraten (und geholfen) werden, sie gehe denn in sich selbst, nämlich in einen neuen geschöpften Willen, mit großem beständigem Ernst ins Leben Christi ein. Da wird sie mit wahrlich großen Ehren von Gott und seinen Kindern im anderen (zweiten) Prinzip empfangen, und ihr wird der edle teure Schatz gegeben, nämlich das Licht des ewigen Lebens. Und das ist das (göttliche) Licht, das die Qual-Qualität des Seelenfeuers im ersten Prinzip, in dem sie mit ihren Essenzen wesentlich und ewig steht, erleuchtet und aus der Angst eine Liebe macht, sowie aus dem Aufsteigen und Brennen im eigenen Recht des Feuers ein demütiges liebliches Lachen in sanfter Wonne.

1.21. Und so ist die Seele in einer Wonne im göttlichen Leben, wie ich es vielleicht mit einem angezündeten Licht vergleichen könnte, wo der Stock (bzw. Stumpf) der Kerze brennt und einen wonniglichen Schein von sich gibt, in dem keine Qual ist, sondern eine Licht Wonne, und es bleibt doch eine brennende Glut. Jedoch mußt du es so verstehen, als wenn in der Glut kein Leid empfunden würde, sondern nur eine Ursache des Lebensscheins ist. Deshalb kann man kein (irdisches) Feuer mit dem göttlichen vergleichen, denn die göttliche Natur, daraus das göttliche Lebensfeuer brennt, ist mit der Liebe Gottes infiziert, so daß das Licht Gottes ein anderes Prinzip in sich selber macht, darin keine Natur empfunden wird, denn es ist das Ende der Natur.

1.22. Darum kann die Seele in ihren eigenen Essenzen das Licht Gottes nicht fangen, um es zu bewältigen, denn sie ist ein Feuer in der ewigen Natur und erreicht nicht das Ende der Natur. Denn sie bleibt in der Natur als in einer geschaffenen Kreatur aus der ewigen Natur, wo doch keine Begreiflichkeit ist, sondern ein Geist in siebenerlei Gestalt, und wo doch im Ursprung nicht sieben, sondern nur vier erkannt werden, welche das ewige Band halten. Und das sind die Qual-Qualitäten in der Angst, darin das Ewige steht, und daraus werden die anderen Gestaltungen alle geboren, darin Gott und Himmelreich stehen, wie in den vier Gestaltungen die Angst und das Leid. Und wenn sie bloß und allein stehen, dann verstehen wir darin das höllische Feuer und den ewigen Zorn Gottes.

1.23. Wenn wir auch den Ursprung des göttlichen Wesens nicht kennen, denn es hat keinen, so kennen wir doch die ewige Geburt, die nie einen Anfang gehabt hatte. Und weil sie keinen Anfang hatte, so ist sie heute noch so, wie sie sei Ewigkeit gewesen ist. Darum können wir wohl das begreifen, was wir heute sehen und im Licht Gottes erkennen, und darum soll uns niemand für unwissend halten, wenn uns Gott sein eigenes Wesen zu erkennen gibt, welches wir nicht verleugnen können und sollen, sonst würden wir das göttliche Licht und unser ewiges Heil verlieren. Zumal es auch keinem Menschen möglich ist, es zu ergreifen, wenn es ihm nicht aus Gottes Gnade in seiner Liebe gegeben wird. Doch wenn es ihm gegeben wird, dann steht die Seele in der Erkenntnis in den Wundern Gottes, und redet nicht von fernen oder fremden Dingen, sondern von den Dingen, darin sie steht, und von sich selbst, denn sie wird in Gottes Licht sehend, so daß sie sich selbst erkennen kann.

1.24. Weil nun solches sein kann, so bedenkt, daß die Essenzen der Seele im Ursprung im ersten Prinzip stehen, und daß das göttliche Licht in sich selbst scheint und das andere (zweite) Prinzip macht. Also sind derer zwei, und die Seele sieht in der hohen Erkenntnis vom Licht des anderen Prinzips, das in ihr scheint. Warum soll sie dann nicht von ihrem Vaterland sprechen, in dem sie lebt? Und du, tolle Welt des dritten Prinzips im Geist der Sterne und Elemente, willst du ihr das verbieten? Du bist doch blind an Gott und liegst im ewigen Zorn und Qual-Quell des Ursprungs gefangen.

1.25. Wenn dem so ist, dann wollen wir den Grund des ewigen Bandes zu einem Spiegel dem vorsetzen, der da zu sehen wünscht. Obwohl er es nicht von uns erlernen kann, wenn er nicht selber in die neue Geburt, ins Leben Jesu Christi eintrete, so daß das göttliche Licht selbst in ihm scheint, sonst sind wir ihm nur historisch und unverständlich.

1.26. Wenn wir aber vom Qual-Quell des Feuers und seiner Anzündung sprechen, die wir vom Feuer des Lebens verstehen, dann wissen wir gewiß, daß dieser im Ursprung, vor der Anzündung des Feuers, nur in zwei Gestaltungen steht und nur eine einzige Mutter hat, die das Herbe ist und an sich zieht. Auch weil sie doch in sich selber nichts als ein Wille des ewigen Vaters in der ewigen Natur ist, den er in sich selbst gesetzt hat, um sich zu offenbaren und seine Wunder zu zeigen.

1.27. Nun ist dieser Wille ewig und kommt aus nichts anderem als nur aus sich selbst, und wenn der nicht wäre, dann wäre alles ein Nichts, weder Finsternis noch Licht. Doch wenn dann etwas ist, dann ist es der ewige Wille, der herb und begehrend ist, nämlich nach den Wundern der Schöpfung. Wenn nun ein Begehren ist, dann zieht das Begehren an sich, und das begehrlich Angezogene erfüllt den Willen, so daß auch das Begehren erfüllt wird, denn der Wille ist dünn (geistig) wie ein Nichts, und das Angezogene im Willen macht den Willen dick (materiell), und ist damit seine Finsternis. So steht das ewige Begehren in der Finsternis.

1.28. Wenn nun der Wille im Begehren an sich zieht, dann ist das Anziehen ein Stachel der Regung, denn der Wille ist dünn wie ein Nichts und still wie ein Nichts. Da nun der Wille ein ewiges Begehren ist, so zieht er auch ewig an sich, und weil er doch nichts anzuziehen hat, so zieht er sich selber an und schwängert sich, so daß aus dem Nichts eine Finsternis wird. Und dieses Anziehen bewirkt den Stachel der ersten Essenzen, so daß eine Regung und ein Ursprung der Beweglichkeit entsteht.

1.29. Nun kann aber auch der Wille das Anziehen mit der Schwängerung nicht leiden, denn er will frei sein, aber kann es doch nicht, denn er ist begehrend. Und weil er damit nicht frei werden kann, geht er mit dem Anziehen in sich und faßt in sich einen zweiten Willen, um in sich selber aus der Finsternis herauszugehen, und dieser zweite gefaßte Wille ist das ewige Gemüt und geht in sich selbst wie ein schneller Blitz, zersprengt die Finsternis, geht in sich selbst heraus und wohnt in sich selber. So macht er sich ein anderes Prinzip mit einer anderen Qualität, denn der Stachel der Regung bleibt in der Finsternis.

1.30. So müssen wir nun von den Gestaltungen in der herben finsteren Natur sprechen, denn auf solche Eigenschaft und Art entsteht die Natur. Denn wir verstehen, daß sich die Finsternis nach dem Licht sehnt, welches ewig gegen sie steht, aber in einem anderen Prinzip.

1.31. Denn die zwei Gestaltungen von Herb-Anziehend und Bitter-Stachlig sind der Ursprung von allem Wesen, und der ewige Wille ist die Mutter, in der sie sich gebären. Und wir können verstehen, daß die Herbigkeit (bzw. Grobheit) mit dem Fassen des Willens immer an sich zieht, und das Anziehen der Stachel der Regung ist, welches die Herbigkeit nicht erdulden kann. Denn die Herbigkeit begehrt das herbe und strenge Einschließen in den Tod, und die stachlige Bitterkeit ist der Aufschließer (zur lebendigen Bewegung). Doch ohne den Willen in sich wäre es nicht.

1.32. Wenn nun die Herbigkeit so streng anzieht, kann es der Stachel, als das eigene Anziehen des Herben, nicht erdulden, sondern regt sich um so mehr. Aber auch die Herbigkeit kann dieses Regen nicht erdulden, denn sie begehrt den stillen Tod. So ist das eine Kette und ein Band (von Ursache und Wirkung), das sich immer selber macht und keinen Macher hat.

1.33. Wenn dies nun so geschwind wie ein schneller Gedanke ineinander geht, dann begehrt der Stachel aus der Herbigkeit, aber kann doch nicht, denn die Herbigkeit gebiert und hält ihn auch. Und wenn er dann nicht über sich hinaus kann, dann wird er drehend wie ein Rad und zersprengt so die angezogene Herbigkeit und bewirkt eine stetige Verwirrung und Vermischung, dadurch das Zerbrechen und Leiden entsteht, obwohl hier keine Fühlung (bzw. körperliches Gefühl) ist, sondern nur eine Gestaltung der Natur. Und doch verstehen wir hierin eine Fühlung, auch wenn es nicht so ist, denn es ist keine Materie, sondern des Geistes oder der ewigen Natur Ursprünglichkeit im ewigen Willen. Dann zieht das herbe Begehren und macht gerade, und so zersprengt (und vervielfältigt) es die Bitterkeit im drehenden Rad, so daß die Vervielfältigung der Essenzen entsteht. Und das gleicht einer Unsinnigkeit, oder wie ich im Gleichnis sagen möchte, eine Verwirrung der ewigen Beweglichkeit, eine Ursache der Essenzen.

1.34. Solches muß der ewige Wille in sich erleiden. Darum faßt er sich einen anderen Willen, um aus diesem Rad zu entfliehen, aber kann es doch nicht, denn es ist sein eigenes Wesen. Und weil er es nicht kann, aber auch sein ewiges Begehren und Sehnen nicht lassen kann, so hält und zieht er doch an sich, so daß die Essenzen immer geboren werden, und doch außer dem Begehren ein Nichts sind. So steht nun die ganze Gestaltung im Schall (der Reflexion) und heißt „Mar“ (oder „Mer“ bzw. Mercurius?). Und weil der Wille nicht frei sein kann, gerät er in große Angst (um nach menschlichem Verstand zu reden, auf daß der Leser den Sinn und die Tiefe ergreife), denn der Wille ist die Fassung, und das Gefaßte im Willen ist seine Finsternis, und das Begehren ist die Essenz, und der Widerwille ist das Rad der Vervielfältigung der Essenzen, so daß hier innerlich keine Zahl gefunden wird, sondern die Menge entsteht entsprechend der Beweglichkeit.

1.35. Diese zwei Gestaltungen sind die ewigen Essenzen und das ewige Band, das sich selber macht, und kann nicht anderes wirken, denn die große Weite ohne Ende begehrt die Enge und Einschließung, um sich darin zu offenbaren. Denn in der Weite und Stille wäre keine Offenbarung möglich, und so muß ein Anziehen und Einschließen sein, damit daraus die Offenbarung erscheinen kann.

1.36. Entsprechend muß auch ein Widerwille sein, denn ein heller (lichtvoller) und stiller (potentieller) Wille ist wie ein Nichts, und gebiert auch nichts. Soll aber ein Wille gebären, dann muß er in Etwas sein, darin er (etwas) formen und in dem Ding gebären kann. Denn Nichts ist nichts, sondern eine ewige Stille ohne Regung, wo weder Finsternis noch Licht ist, auch weder Leben noch Tod.

1.37. Wenn wir aber nun klar sehen, daß Licht und Finsternis ist, und dazu eine ewige Beweglichkeit und Formierung, was nicht allein im Reich dieser Welt sein kann, soweit unsere Sinne reichen, sondern ohne Ende und Zahl, wo dann die englische Welt rein erscheint, die nicht in der Einschließung der Finsternis ist, dann sollten wir unseren Sinn nach der englischen Welt erheben, die doch auch nicht außerhalb dieses Reiches ist, sondern nur in einer anderen Qualität und im ewigen Licht, und wo doch kein Licht sein könnte, wenn es keine Gebärerin gäbe.

1.38. Soll es nun aus der Gebärerin erscheinen, dann muß es aus der Gebärerin ausgehen. Denn die Gebärerin ist eine Finsternis, die doch auch nicht wäre, wenn nicht das ewige Wort bestünde, das den ewigen Willen schöpft. Und in diesem Schöpfen ist die Geburt des ewigen Wesens. Davon sagt St. Johannes: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. (Joh. 1.1)«

1.39. Hier bedenke, mein liebes Gemüt, woher Licht und Finsternis kommen, dazu Freude und Leid, Liebe und Feindschaft, sowie Himmel- und Höllenreich, Gutes und Böses, Leben und Einschließen im Tod.

1.40. Du sprichst: „Gott hat solches geschaffen!“ Ja richtig, aber warum bist du so blind und erkennst das nicht, wenn du doch Gottes Gleichheit bist? Warum redest du von Gott mehr als du weißt oder dir geoffenbart ist? Warum machst du Gesetze von Gottes Willen, von dem du nichts weißt, zumal du ihn nicht kennst? Oder warum schließt du dein Leben in den Tod, wenn du doch wohl leben und Gott erkennen kannst, welcher in dir wohnt? Denn das hörst du auch von St. Johannes, daß alle Dinge durch das Wort (der „Information“) gemacht sind.

1.41. Wenn aber Gott das Wort ist, das alle Dinge gemacht hat, dann muß er in allen Dingen gewesen sein. Doch ein Geist ist kein gemachtes Wesen, sondern ein geborenes Wesen in sich selbst, welches das Zentrum der Geburt in sich selbst hat, sonst wäre er zerbrechlich (und vergänglich).

1.42. So muß auch das Zentrum im ewigen Macher stehen, sonst wäre es vergänglich. Und weil seit Ewigkeit nichts gewesen ist, als allein das Wort, und das Wort Gott gewesen ist, so muß es ja sein eigener selbst-ewiger Macher sein, und muß sich als ein Wort aus sich selbst, nämlich aus seinem Macher selbst aussprechen. Denn wo ein Wort ist, da ist auch ein Sprecher, der es spricht. Wenn das nun sein Vater ist, der es spricht, und das Wort sein Sohn, welches aus dem Zentrum des Vaters gesprochen wird, und sich der Vater in seinem Zentrum ein „verzehrendes Feuer“ nennt, aber der Sohn als das Wort ein „Licht der Liebe, Demut, Sanftmut, Reinheit und Heiligkeit“, und der Vater des Wortes in der ganzen Schrift auch so erkannt und genannt wird, dann sollten wir ja des Feuers Quelle im Zentrum des Vaters betrachten, zumal der Vater und das Wort (als Sohn) eins sind, die nur in zwei Gestalten erscheinen, und auch der Grimm und Zorn mitsamt dem Abgrund der Hölle im Zentrum des Vaters steht. Denn St. Johannes sagt: »Von und durch ihn sind alle Dinge gemacht, und ohne ihn ist nichts gemacht. (Joh. 1.3)«

1.43. Doch als das Wort machen wollte, und der Vater durch das Wort, so war da keine Materie, daraus er etwas machte, denn es war alles ein Nichts, weder Böses noch Gutes, weder Licht noch Finsternis, sondern das Zentrum stand überall, und das war der ewige Wille, und der Vater ist das Zentrum, und der Wille ist sein Herz, Sohn und Wort. Das ist allein das ewige Wesen und das Band, das sich selbst machte. Und weil man doch die Gottheit so nicht ergreifen kann, zumal das Wesen einen Unterschied ergibt und in zwei Prinzipien erscheint, so wollen wir euch den Grund vorlegen, wie wir solches gewißlich erkennen.

1.44. Zu diesem Schluß gelangt (bzw. dient) unser Schreiben und Vorhaben, damit ihr seht, wie ihr so blind ohne Erkenntnis handelt, wenn ihr solche großen Auslegungen der Schriften der Heiligen über Gottes Wesen und Willen macht, und erkennt ihn doch nicht.

1.45. Ihr verfolgt euch, schmäht und schändet einander, richtet Krieg und Empörung an, und verwüstet Land und Leute wegen der wahren Erkenntnis Gottes und seines Willens, aber seid doch an Gott so blind wie ein Stein. Denn ihr kennt euch selbst nicht. Darum seid ihr so rasend und streitet um Gott, der ein Macher, Erhalter und Träger aller Dinge und in allem das Zentrum ist. So streitet ihr um sein Licht, das doch im Zorn und in der Bosheit in Ewigkeit nicht erscheinen kann, sondern nur in der sanften Liebe und Demut geht sein Zentrum auf. Aber ihr seid so rasend und toll und vermeint, ihr habt es auf eurer Zunge im Streit der Bosheit. Ihr habt es nicht, sondern nur die Historie der Heiligen, die das (göttliche) Licht aus ihrem Zentrum scheinend hatten. Darum haben sie aus dem Heiligen Geist gesprochen, der aus diesem Licht ausgeht. Aber ihr nehmt ihre Worte und lauft und rennt in den vier Gestalten der Bosheit (von Stolz, Geiz, Neid und Zorn), denn euer Zentrum des Herzens ist fest verschlossen.

1.46. Also will ich euch den Grund der zwei ewigen Prinzipien aus einem Zentrum zeigen, damit ihr doch sehend werdet, wie ihr im Reich des Teufels lauft, ob ihr euch vielleicht noch bekehren, von eurem überheblichen Stolz ablassen und in euch selbst eingehen wollt, um das höchste und ewige Gut zu erlangen.

1.47. So will ich auch aufzeigen, was wir in Leib und Seele sind, auch was Gott, Himmel und Hölle sei. Das nehmt nicht als Tand (eine interessante, aber nutzlose Sache), denn es bewährt sich an allen Dingen, und nichts ist so klein, das es darin nicht offenbar stünde. Nur verblendet euch nicht mit dem leidigen Stolz in eurem Dünkel! Forscht nach dem Grund der Natur, dann erfahrt ihr alle Dinge, und geht nicht so toll nach dem bloßen Buchstaben der Historien, und macht nicht so blinde Gesetze nach eurem Dünkel, mit denen ihr einander verfolgt. Ihr seid hierin blinder als die Heiden.

1.48. Forscht nach dem Herzen und Geist der Schrift, damit er in euch geboren und euch das Zentrum der göttlichen Liebe aufgeschlossen werde! Dann könnt ihr Gott erkennen und richtig von ihm reden, denn aus der Historie soll sich keiner einen Meister, Erkennenden und Wissenden des göttlichen Wesens nennen, sondern aus dem Heiligen Geist, der dem wahrhaft ernstlichen Sucher in einem anderen Prinzip im Zentrum des menschlichen Lebens erscheint. Dazu ermahnt uns auch Christus bei seinem Vater, nämlich im Zentrum des Lebens, mit wahrhaftiger ernster und begehrender Demut anzuklopfen und zu suchen, dann werden wir finden.

1.49. Denn Niemand kann Gott seinen Herrn erkennen, wahrhaft suchen und finden, ohne den Heiligen Geist, welcher vom demütig suchenden Herzen ausgeht und das Gemüt erleuchtet, so daß auch die Sinne erleuchtet werden und die Begierde zu Gott gewendet wird. Nur er findet die teure Jungfrau der Weisheit Gottes, die ihn auf dem richtigen Weg leitet und ihn zum frischen Wasser des ewigen Lebens führt, das seine Seele erquickt („belebt“). Und so wächst der neue Leib der Seele in Christus, davon wir später noch hochteuer sprechen wollen.

1.50. Wir erinnern den gottliebenden und suchenden Leser, dieses von Gott zu erkennen, damit er sein Gemüt und die Sinne nicht zusammenraffe und die pure Gottheit allein hoch über den Sternen sucht, wo sie allein in einem Himmel wohnt, so daß sie nur mit ihrem Geist und ihrer Kraft in dieser Welt regiert, gleichwie die Sonne in der hohen Tiefe steht und nur mit ihren Strahlen in der ganzen Welt wirkt. Nein!

1.51. Die pure Gottheit ist überall ganzheitlich gegenwärtig an allen Orten und Enden. Denn die Geburt der heiligen Dreizahl ist überall in einem Wesen, und die englische Welt reicht an alle Enden, wohin du auch sinnst, sogar mitten in die Erde, Steine und Felsen. So ist aber auch die Hölle oder das Reich des Zorns Gottes überall.

1.52. Denn das grimmige Reich im Zorn der Finsternis ist im Zentrum und behält seine Qual und sein Regiment in der Finsternis. Und die Gottheit geht im Zentrum in sich selbst aus und macht sich die Wonne in sich selbst, der Finsternis unerforschlich und unbegreiflich, denn sie schließt ein anderes (zweites) Prinzip auf.

1.53. Denn das ewige Wort (der „Information“) ist der ewige Wille und eine Ursache der ewigen Natur, und die ewige Natur ist der ewige Vater, in dem alle Dinge durch das Wort geschaffen werden (d.h. in der ewigen Natur). Und wenn der ewige Wille nicht einen anderen Willen in sich selbst schöpfen würde, um in sich selber auszugehen (wie ein strahlendes Licht aus einer Kerze brennt und von der Kerze nicht weicht), dann wäre einzig der Vater und eine strenge Finsternis. Und dann hätte auch diese Welt als das dritte Prinzip nicht erschaffen werden können.

1.54. Wenn aber der Vater die ewige Natur in seinem Wesen in sich hält und der ewige Wille selbst ist und aus sich selbst einen anderen Willen gebiert, der im ersten ewigen Willen (welcher der Vater ist) das Prinzip des Lichtes aufschließt, darin der Vater mit den ewigen Essenzen in seinem ewigen ursprünglichen Willen lieblich, freundlich, mild, rein und sanft wird, dann ist der Vater nicht in der Qual-Qualität der Finsternis, denn der wiedergefaßte Wille, der aus dem Zentrum ausgeht und die Finsternis zersprengt, der ist sein Herz, wohnt in sich selbst und erleuchtet den Vater. Und dieser Wille ist das Wort des ewigen Vaters, das aus den ewigen Essenzen geboren wird, und ist zu Recht eine andere Person, denn er wohnt in sich selber in den Essenzen des Vaters und im Licht des Vaters. Und dieses Wort oder dieser Wille hat alle Dinge geschaffen, das heißt, aus den Essenzen des Vaters, denn es ist die ewige Allmacht. Zumal es mit den ewigen Essenzen nicht ergriffen werden kann, denn es zersprengt die ewigen Essenzen und wohnt in sich selbst, aber scheint aus den Essenzen. Und doch ist es so, daß es von den Essenzen nicht weichen kann, so wenig der Glanz vom Feuer weicht.


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