Die drei Prinzipien Göttlichen Wesens

(Text von Jacob Böhme 1619, deutsche Überarbeitung 2021)

20. Kapitel - Welt und Kirche

Vom Ausgang Adams und Evas aus dem Paradies, und vom Eingang in diese Welt, wie auch von der wahren christlichen Abel-Kirche auf Erden und von der antichristlichen Kain-Kirche.

20.1. Wir werden hier dem Antichristen nicht gefällig sein, viel weniger seinem stolzen Roß. Weil es uns aber im Wunder erscheint, so wollen wir es zur Erinnerung aufschreiben und darstellen, wie der Anfang und das Ende eines jeden Dinges ist, damit wir in unserer Ritterschaft auch in den Toren der Tiefe arbeiten. Auch wenn wir für diese Eröffnung in dieser Welt vom Antichristen und seinem Tier nur Spott, Hohn und auch Gefahr für unser zeitliches Lebens zu erwarten haben, so tröstet uns doch die ewige Ritterschaft in unserem Heiland Christus, in der wir dann unseren großen Lohn empfangen werden, dessen Anblick uns hier in großem Wunder erscheint. Deshalb wollen wir fortfahren und nicht nach dieser Welt trachten, sondern das Künftige größer als alles betrachten.

20.2. Auch wird unser Schreiben zu seiner Zeit wohl dienen, wenn die Rose der Lilie erblühen wird. Denn es ist manch edles Röslein darin, das jetzt wegen der großen Finsternis in Babel nicht erkannt werden kann. Doch dies ist eine Zeit, die ihrem Geist entspricht.

20.3. Wenn wir nun den Antichristen entblößen, dann wird uns der Teufel mit seinem Tier mächtig widerstehen und uns beschimpfen, als wöllten wir Aufruhr und Empörung erwecken. Aber das ist nicht wahr. Sieh nur ernsthaft, was ein Christ ist: Ihm gebührt keine Aufruhr, denn er ist ein Schäflein mitten unter den Wölfen, und er soll in der Gestalt und im Gemüt des Schafes und nicht des Wolfes stehen.

20.4. Obwohl manchen der Geist Gottes in Eifer und großer Macht des Vaters im Grimm wappnet, wie bei Elia zu sehen ist, dem kurzzeitig Gottes Zornschwert von den Engeln gegeben wurde, um die Baals-Pfaffen in Babel niederzuschlagen. (1.Kön. 18.40) Oder als Moses die Tafel zerbricht und das Schwert gegen die Sünde der Kälberdiener führt. (2.Mose 32.27) Welches aber nicht Moses und Elias taten, sondern das Zornfeuer Gottes durch Elias und (Moses) auf dem Berg.

20.5. Als nun Gott der Herr seine Satzung für Adam und Eva bezüglich ihres irdischen Elends in Mühe, Kummer und schwerer Last, die sie nun ertragen müssen, ausgesprochen hatte und sie als Mann und Weib bestätigte und sie damit auch an die eheliche Pflicht band, um aneinander zu hängen und einander zu lieben und zu helfen, wie ein Leib in seinen Gliedern, da waren sie nun ganz nackt und bloß, standen und schämten sich des irdischen Bildes, vor allem der Organe ihrer Scham und auch des Ausgangs der irdischen Speise aus ihrem Leib. Denn sie sahen, daß sie nun nach dem äußeren Leib im ganzen Wesen tierische Art hatten. So fielen nun Hitze und Kälte auf sie, das züchtige Bild Gottes war verloschen, und sie mußten sich nach der Gestaltung der Tiere fortpflanzen.

20.6. Da machte ihnen Gott der Herr durch den Geist dieser Welt Kleider aus Tierfellen und zog sie ihnen durch den Geist dieser Welt an, damit sie erkennen mögen, daß sie nach dieser Welt Tiere geworden waren. Und er belehrte sie damit, wie sie die Wunder im Geist dieser Welt suchen und eröffnen können, um sich mit diesen Wundern zu bekleiden.

20.7. Und hier sieht man wieder, wie der Mensch in dieser Welt nicht daheim ist. Sondern er ist wie ein Gast hineingekommen und hat nicht einmal das Kleid mitgebracht, wie alle anderen Kreaturen, die in dieser Welt daheim sind. Denn er muß sich sein Kleid von den Kindern der Sterne und Elemente borgen und sich mit einem fremden Kleid bedecken, das er nicht mitgebracht hat, als er in den Geist dieser Welt ging. Damit prangt er nun wie eine stolze Braut und dünkt sich darin schön zu sein, obwohl es doch nur vom Geist dieser Welt geborgt ist, der es zu seiner Zeit wieder zurücknimmt und verzehrt, denn er leiht es ihm nur eine Weile und verzehrt es dann wieder.

20.8. Und dies geschieht deshalb, weil der Geist dieser Welt die edle Jungfrau der Weisheit Gottes immerfort sucht und weiß, daß sie im Menschen ist, so daß der Mensch die großen Wunder, die in ihm sind, suchen und zum Licht bringen soll. Er vermeint immerfort, er könne durch den Menschen die edle Tinktur ans Licht bringen, damit das Paradies erscheine und er die irdische Eitelkeit loswerde.

20.9. Denn das heilige Element sehnt sich durch die vier Elemente immerfort danach, die Eitelkeit der vier Elemente loszuwerden, wie auch die Qualifizierung der grimmigen Sterne. Darum führt es den Menschen in solche wunderliche Gestalt, um zu suchen, damit die ewigen Wunder Gottes offenbar werden, die durch die Vergänglichkeit der Welt alle in der Bildung im Schatten(-reich) stehen.

20.10. Darum sind alle Künste und Weisheit von Gott durch den Sternengeist dieser Welt im Menschen eröffnet, damit es im Wunder erscheine. Und mit diesem Ziel hat Gott diese Welt geschaffen, damit seine Wunder offenbar würden, und mit diesem Ziel hat Gott verhängt, daß der Mensch in den Geist dieser Welt eingegangen ist, damit er seine Wunder durch ihn offenbart.

20.11. Er will aber nicht, daß er diese Welt mißbrauchen soll, sondern aus dieser Welt wieder zu ihm eingehen. Er will, daß der Mensch sein soll, wo er ist. Und darum hat er Adam und Eva ihre tierhafte Gestalt mit dem tierischen Kleid alsbald gezeigt, welche er ihnen durch den herrschenden Geist der Welt anzog. Wäre Adam nur im Paradies geblieben, dann hätte er die Wunder gleichermaßen und noch viel besser eröffnen können, denn sie wären der englischen Gestalt näher gewesen. Und dann wäre durch manchen nicht solche Sünde und Schande begangen worden, wie nun geschieht.

20.12. Aber der Geist der Grimmigkeit im ewigen Qual-Quell wollte auch offenbar sein und seine Wunder eröffnen, darüber nicht viel zu schreiben ist, denn es ist ein Mysterium, das uns nicht gebührt zu offenbaren, auch wenn wir es erkennen. Es bleibt für die Zeit der Lilie, wenn die Rose erblüht, denn dann stechen uns die Dornen von Babel nicht mehr.

20.13. Denn wenn die Kette des Treibers zerbricht und der Dornenstrauch verbrennt, dann geht man sicherer vor den Stacheln des Brennens, und dann kann wohl auch dieses Mysterium im Licht (der Offenbarung) stehen. Denn es ist groß und wundersam und reicht in die Pforte des göttlichen Vaters.

20.14. Der Rosenzweig im Wunder wird uns wohl verstehen, aber das Babel (der gedanklichen Konstrukte) ist dessen nicht wert, denn es sucht nur die Dornen und will stechen. Darum wollen wir dem Treiber keine Ursache geben und diese Mysterien lieber für die Kinder der Lilienrose stehenlassen. Denn sie sind weise und haben die edle Tinktur im Licht, und der Glanz des Treibers wird nicht mehr so verführerisch sein, denn die Gäste der Welt haben es dann in den Händen.

20.15. Oh du Schandhure, dann wird dein überstolzes Roß nicht mehr über die gebeugten Knie (der Untertanen) reiten, und dann heißt es auch nicht mehr: „Die Macht steckt in meinem Geldkasten!“ Denn das Erz wird zu einer Blume im Licht, und die Tinktur steht im Lilienblatt, die Steine sind nimmer mehr so teuer, und das Kleid der Jungfrau (der Weisheit) ist schöner als dein überheblicher Stolz. Wie strahlt dann der Schmuck dieser Welt so schön an der Zucht und Gottesfurcht, wenn das Herz demütig ist! Wie wenig wird dich dein goldbesticktes Seidenkleid noch zieren! Erscheinst du doch in Gottes Wundertat. Wer will dich dann eine falsche Frau nennen, wenn du so züchtig bist? Stehst du nicht dem großen Gott zu Ehren? Bist du nicht sein Wunderwerk? Ist doch ein freundliches Lachen an dir: Wer kann sagen, du seist eine zornige Frau? Dein züchtiges Antlitz leuchtet über Berg und Tal. Dann bist du an den Enden der Welt, und dein Glanz wird im Paradies gesehen. Warum steht deine Mutter noch zu Babel und ist so boshaft? Oh du Schandhure, das Babel ist mit Feuer angesteckt, so gehe aus, oder du verbrennst dich selbst.

20.16. Oder meinst du, wir sind verwirrt? Wenn wir dich nicht sehen könnten, dann würden wir doch schweigen. Du rühmst dich jetzt einer goldenen Zeit durch deine Heuchler, aber sie sind meistenteils Wölfe zu Babel. Wenn der Tag anbricht, dann werden sie erkannt. Oder soll ich es dir nicht sagen, du stolze Hure? Siehe, bevor du mit Adam und Eva aus dem Paradies in den Geist dieser Welt gingst, da warst du wie Gott im Geist dieser Welt, und du konntest alle Mysterien suchen und zu deinem Schmuck gebrauchen. Selbst wenn du in reinem Purpur und reiner Seide gekleidet gegangen wärst, dann hättest du Gott nicht erzürnt, sondern du wärst in seiner Wundertat dem großen Gott zu Ehren umhergegangen. Warum hast du die (reine göttliche) Liebe verlassen und bist ein Mörder geworden? War nicht der Geiz deine Sünde, so daß du allen anderen Lebewesen, die deines Leibes Glieder sind, nicht so viel gönnst wie dir selber? Du wolltest allein schön sein, und nur dein Weg sollte heilig sein.

20.17. Doch warum geschah der Brudermord zwischen Abel und Kain? Der eigenherrliche überhebliche Stolz brachte ihn zuwege, so daß Kain dem Abel seine Frömmigkeit nicht gönnte, wegen der er von Gott geliebt wurde. Warum war Kain nicht auch demütig und fromm?

20.18. Sagst du, der Teufel habe ihn betrogen. Ja, richtig! Er betrügt auch dich, so daß du anderen Menschen deine schöne Gestaltung nicht gönnst. Hat dich denn Gott höher gradiert? Bist du nicht auch ein Kind der Eva? Lieber, sage mir die Wahrheit: Bist du nicht der Antichrist, der unter einer Decke auf dem Pferd des Teufels reitet? Ich glaube, ich erkenne dich. So höre mich an! Als du aus dem Paradies in diese Welt gingst, warum bliebst du nicht in reiner Liebe? Warum hattest du nicht deine Freude an deinem Nächsten? Warum liebtest du nicht alle Glieder deines Leibes? Warum ziertest du nicht deinen Bruder mit deinem Schmuck? Dann hättest du ihn doch gleichgut gesehen. War doch die Erde dein, und du konntest daraus machen, was du wolltest. Wer verwehrte es dir? Warum aßest du nicht mit deinem Bruder? Ihr hättet alle genug gehabt, und es wäre niemals Mangel gewesen. Wenn deine Demut für deinen Bruder geblieben wäre, dann wäre auch seine für dich geblieben. Welch eine feine Wonne wäre auf Erden gewesen! Was hättet ihr des Silbers und Goldes zur Münze bedurft, wenn die Einigkeit geblieben wäre? Du hättest wohl schönen Schmuck daraus machen können.

20.19. Wenn du damit deinen Bruder und deine Schwester geschmückt hättest, dann hätte er dich mit seiner hingebungsvollen Liebe wieder geschmückt. Meinst du, das wäre Sünde gewesen, selbst wenn du in Gold und Seide gegangen wärst, aber für deinen Bruder und dem großen Gott zu Ehren?

20.20. Oh du blinde Babel! Ich muß es dir sagen, wie du so verwirrt geworden bist. Du hast dich von der Region der Sterne besitzen und vom grausamen Teufel verführen lassen, und bist an Gott eine verräterische Hure geworden. Nach den Sternen hast du dir ein Reich auf Erden gebaut, und wie sie ihre Region führen, so führst du auch deine. Wie sie durch die Elemente gebären und wieder verzehren, so behandelst auch du deine Kinder: Du gebierst sie und ermordest sie wieder, denn du richtest Krieg an und wirst ein Mörder um deines überheblichen Stolzes willen, und auch um deines (egoistischen) Geizes willen, so daß du auf Erden nirgends genug Raum hast.

20.21. Meinst du, Gott habe einen Gefallen daran? Ja, reicher Fritz, der Geist der großen Welt hat einen Gefallen daran, und durch diesen Geist auch der grimmige Zorn Gottes, weil sie miteinander inqualieren (wechselwirken) und aus einer Wurzel sind.

20.22. Meinst du, die Propheten haben alle nur aus der holdseligen und freundlichen Liebe Gottes und aus dem Herzen Gottes geredet, als sie zum König Israels gesprochen haben: „Zieh in den Kampf, du wirst siegen, und Gott wird dir den Sieg geben!“ Sie haben wohl aus Gott gesprochen, aber aus seinem Grimm über die Sünde durch den Geist der großen Welt, der auffressen wollte, was er gemacht hatte, weil die reine Liebe verloschen war.

20.23. Oder meinst du, daß Gott Moses gesandt habe, daß er die Könige der Heiden im gelobten Land erschlagen soll, weil er an der Mordtat so großes Wohlgefallen hatte? Nein, Fritz, siehe unter die Decke von Moses, dort findest du etwas ganz anderes.

20.24. Warum hielt Gott Israel vierzig Jahre lang in der Wüste und speiste sie mit Himmelsbrot? Sie sollten ein liebreiches Volk werden, das einander liebte und in reiner Liebe an Gott hinge. Darum gab er ihnen klare Gesetze, ob sie in des Vaters Liebe leben könnten. Und dann wollte er sie unter die Heiden schicken, um sie mit Wundertaten zu bekehren, wie zur Zeit der Apostel geschah. Sie sollten daran erkennen, daß Gott sie vom Himmel speiste und keiner einen Mangel litt, ob er viel oder wenig sammelte, und daß das Reich Gottes sei und sie in ihm wären. So sollten sie vom Geiz ablassen und eine brüderliche Liebe auf Erden untereinander pflegen. Keiner sollte an seinen Geiz denken, wie er dann den Geiz auch grausam bestrafte.

20.25. Auch sollten die Heiden hören, daß Gott dies Volk unter sie schicken und sie vertilgen wollte, welches er mit großen Wundertaten ausgeführt hätte, damit sie sich zu Gott bekehren mögen und vom Geiz in eine brüderliche Liebe treten. Darum gab er ihnen eine lange Frist und ein Beispiel an Israel, das er vom Himmel speiste, so daß ein Volk ein Beispiel am anderen haben sollte, daß es einen Gott gäbe, der allmächtig sei.

20.26. Weil sie aber alle beide zu irdisch waren und nur bösartig und im Grimm des Vaters lebten, so begehrte auch der Zorn und Grimm Gottes, sie zu verschlingen, weil sie ihn stets entzündeten.

20.27. Darum sprach er zu Josua: »Zieh über den Jordan und vertilge dies Volk, und laß keinen unter dir, auf daß du nicht befleckt werdest. (Jos. 1.2)« Dieser Spruch von ihm geschah nicht aus seiner Liebe, als er sie aufforderte, die Heiden zu ermorden. Gleichwie auch die Propheten nicht alle aus seiner Liebe gesprochen haben, sondern aus seinem Zorn, den die Bosheit der Menschen erregt hatte. Deshalb spricht er in den Propheten oft durch den bösen Geist der großen Welt und auch in Moses durch Feuer oder andere Schrecken im Eifer des Zorns.

20.28. Sollten wir dann sagen, daß Gott ein Wohlgefallen am Zorn und Streit habe? Nein, die Propheten klagten im Heiligen Geist Gottes gar oft, daß dieses bösartige Volk ihren Gott beleidigte, indem sie ihn erzürnten, so daß danach sein Grimm erschien, um sie aufzufressen. Denn auch David sagt: »Du bist nicht ein Gott, der das Böse will. (Psalm 5.5)«

20.29. Wenn nun der Mensch die Sünde erregt, dann regt sich Gottes Grimm in ihm selber (das heißt im Menschen), der sonst ruhte. Wenn nun der Mensch in Demut stünde, dann würde er in große Freude verwandelt, wie vorn schon oft erklärt wurde. Doch wenn er entbrennt, dann frißt ein Volk das andere, wie eine Sünde die andere. Wäre Israel fromm gewesen, dann hätten sie niemanden bekriegen müssen, sondern wären mit Wundern eingegangen und hätten die Völker bekehrt. Und so hätte sie Moses mit seinen Wundertaten geführt. Weil sie aber bösartig waren, konnten sie nicht mit Moses Klarheit und Wundertaten in den Glanz des Vaters eingehen, um die Heiden zu bekehren. Sondern Moses mußte mit seinen Wundertaten in der Wüste bleiben, und so wurde das ganze Volk im Zorn aufgefressen, und Josua mußte gegen die Heiden in den Krieg ziehen, um sie zu vertilgen, denn ein Grimm fraß den anderen.

20.30. So war doch Josua ein Bild und Gleichnis, daß Israel, weil es nicht in der Klarheit und Liebe des Vaters bestehen konnte, vom zweiten Josua oder Jesus aus dem Grimm in die Liebe geführt werden sollte, nämlich durch das Zerbrechen seines Leibes und das Eingehen in den Tod. Auch Moses mußte durch den Tod ins Leben gehen und seine Klarheit durch den Tod ins Leben führen, wie er dann neben Elia, dem zweiten Josua oder Jesus, auf dem Berg Tabor in des Vaters Klarheit erschien und ihm des Vaters Befehl aufzeigte, daß er (der zweite Josua) Israel durch seinen Tod und seine Klarheit ins gelobte Land des Paradieses hineinführen sollte. (Luk. 9.30)

20.31. Es konnte eben nicht sein, daß der Mensch aus eigener Macht ins Paradies eingeht, wie sehr es auch versucht wurde. Und deshalb mußte der arme gefangene Mensch in dieser Welt solcherart in der Mordgrube des Teufels sitzen, weil dann der Teufel seine Kapelle neben die christliche Kirche erbaut hat, die Liebe des Paradieses ganz zerstörte und an dessen statt nur geizige, stolze, eigensinnige, treulose, störrige und boshafte Lästerer, Diebe, Räuber und Mörder aufgerichtet hat, die (überheblich) gegen Himmel und Paradies aufsteigen. Sie haben sich ein Reich nach der grimmigen Sternenregion erbaut, darin sie mit Silber und Gold herrschen und einander ihren Schweiß verzehren. Wer da kann, der drückt den anderen zu Boden, und wenn er trotzdem vor ihm steht, dann reckt er doch nur seine Drachenzunge heraus und speit Feuer gegen ihn, erschreckt ihn mit seiner harten Stimme und quält ihn Tag und Nacht.

20.32. Was soll man denn nun von dir sagen, oh Kain? Meinst du, Gott sehe dich nicht, du Wundertier? Du sollst bloßstehen, deutet der Geist im Wunder, damit dein Schmuck erkannt werde. Wie bist du denn so geworden? Oh Eva, es sind doch deine Kinder, die du alle geboren hast, und von deinen Lenden kommen sie alle! Ist es denn wirklich Gottes Vorsatz gewesen, daß das Böse unter dem Guten herrschen und eines das andere plagen soll?

20.33. Oh nein, sondern des Teufels, der eine Ursache der Grimmigkeit ist. Adam war wirklich gut gemacht aus dem reinen Element, aber die Sucht des Teufels betrog ihn, so daß er in den Geist dieser Welt einging.

20.34. Nun kann es nicht anders sein, und die zwei Reiche ringen miteinander in den Menschenkindern: Eines ist das Reich Christi durch die neue Wiedergeburt ins Paradies, und das ist in der Welt elend und verachtet. Nicht viele begehren es, denn es hat nur Spott und Verachtung vom Teufel und seinem Anhang. Es steht zwar in der Gerechtigkeit und Wahrheit, aber diese gelten in der Welt nichts, und darum muß er mit dem armen Lazarus vor des reichen Mannes Tür liegen und zu seinen Füßen. (Luk. 16.20) Läßt er sich blicken, daß er Gottes Kind ist, dann will der Teufel ihn forthaben oder setzt ihn in solchen Spott, daß er nicht erkannt werde, nur damit der Teufel Großfürst auf Erden bleibe, und die Welt ihn nicht erkennt.

20.35. Das zweite Reich ist das des Antichristen mit einem goldenen Schein hoch dahinstolzierend, und es glänzt auf allen Seiten, so daß jedermann spricht: „Es ist glückselig!“ Denn es schmückt sich aufs schönste, setzt seinen Stuhl (der Herrschaft) über die Hügel und Berge, jedermann begrüßt es, und es zieht die Tinktur der Erde an sich, damit es nur allein glänze. Es raubt dem Reich Christi sein zeitliches Brot, frißt dem Armen seinen Schweiß und sagt zu ihm: „Du bist mein, denn ich bin dein Gott, und ich setze dich, wie ich will. Du bist der Hund zu meinen Füßen, und wenn ich dich nicht mehr will, dann jage ich dich aus meinem Haus. Du mußt tun, was ich will!“ Und das arme Tierlein muß sagen: „Ich bin ja dein armer Knecht, bitte verschone mich.“

20.36. Und wenn ihn dann der Schweiß auf seiner Nase, den sein Herr verzehrt (und von dem er lebt), so sehr bedrückt, daß es ihm wehtut, dann wird er unleidig auf seinen Herrn, verflucht ihn und sucht den Weg der Lüge und des Trugs, wie er von der schweren Last erleichtert werden könnte.

20.37. Doch wenn ihn dann sein Herr so ungerecht findet, schlägt er auf ihn ein, nimmt ihm sein falsches (weltliches) Brot, das er vermeinte unter einem sanften Joch zu essen, bedrängt ihn aufs Ärgste und läßt ihm keine Zeit zu entfliehen. Er aber steht voll Ungeduld unter dem schweren Joch, grunzt und murrt und sucht alle falschen Ausflüchte, um sein Joch zu erleichtern, auf daß er sein Brot in Ruhe essen könne. Es will aber nicht sein, denn der Treiber ist hinter ihm, nimmt ihm sein Brot und speist ihn mit Jammer unter seinem Joch.

20.38. So flieht er dann in List und Trug und bedenkt, wie er mit List seinen Bauch füllen könne, damit er lebe. Er verflucht heimlich seinen Herrn und stiehlt heimlich den anderen Armen ihr Brot mit List, denn so muß es wohl recht sein. Aber danach fragt sein Herr nicht, solange er nicht von seiner Kost ißt, und sein Hund unter seinem Joch bleibt.

20.39. So ist sein Herr ungerecht und falsch, und bewirkt auch, daß sein Knecht ungerecht und falsch wird, weil er sonst, wenn er sein Brot in Frieden unter einem leichten Joch äße, nicht so fluchend und listig im Diebstahl wäre.

20.40. Was soll aber der Geist von diesem Reich sagen? „Bist du wirklich so strahlend? Hast du wirklich alle Pforten in deiner Gewalt? Hast du wirklich die Erde mit Freiheit besessen, wie sie Gott dir gab? Handelst du wirklich wahrhaft? Oh Geist, du strafst ja den Bösen und siehst, wo der Feind einbricht. Du beschützt ja dein Land, bist dem Blinden ein Licht und schaffst ihm Lehrer, die ihn zur Geduld treiben. Das Reich ist ja dein, du hast es gekauft, der Arme ist dein Knecht, und das kann nicht fehlgehen.“

20.41. Doch die göttliche Antwort (des göttlichen Geistes) im Licht der Natur sagt mir: „Siehe, woraus bist du gewachsen (oh weltlicher Geist)? Habe ich dich gepflanzt? Bist du nicht in meinem wilden Garten gewachsen? Als Adam im wilden Garten ging, da hat er dich aufgepfropft. Wie bist du nun so groß gewachsen? Wer hat dir die Kraft gegeben, du wilder Baum? Hat dich doch meine Liebe nie bewegt, und du hast nur wilde Zweige und auch wilde Früchte. Meinst du, meine Seele begehrt nach deiner Speise? Von deiner Frucht esse ich nicht, denn ich allein bin stark, und mein ist das Reich: Wer sich unter meine Fittiche begibt, den beschütze ich, und kein Sturm kann ihn berühren. Auch das Land ist mein: Ich habe es euch gelassen, um es in einträchtiger Liebe zu gebrauchen, und ich habe euch alle aus einer Wurzel gezeugt, damit ihr gleich sein, einander lieben und euch mit züchtiger Liebe begegnen sollt.“

20.42. „Wo kommst du nun her, du wildes Tier, so groß und stark? Hast du mir nicht meinen Rosengarten zertreten und dein Lager darin gemacht? Wo sind deine Brüder und Schwestern? Wie kommt es, daß sie zu deinen Füßen liegen und so mager sind, und du allein bist stark? Hast du nicht meine Zweige gefressen und junge Wölfe geboren, die auch deine Herde fressen? So bist du ein wildes Tier mit deinen Jungen. Soll ich dich wirklich in meinem Rosengarten erdulden? Wo ist die edle Frucht, die ich gesät habe? Hast du nicht nur wilde Zweige daraus getrieben? Wo soll ich nun den Nutzen und die Frucht meines Rosengartens suchen? Denn meine Seele wollte auch gern von der guten Frucht essen, aber du hast alles zertreten und eine Mördergrube geschaffen.“

20.43. „Dazu höre ich ein Geheul und großes Geschrei, wenn alle deine Knechte „Wehe!“ über dich rufen, weil du sie so sehr ängstigst. Dazu hast du auch meinen edlen Samen vergessen und ihn nicht gesät, sondern nur deinen wilden zu deiner großen Fresserei und Pracht. Siehe! Ich habe dich nach Babel in die Kelter meines Grimms ausgespien, und darin will ich dich keltern. Aber in meinen Rosengarten will ich meinen Lilienzweig setzen, der mir die Frucht bringt, die meine Seele wünscht. Davon soll mein kranker Adam essen, damit er stark werde und in sein Paradies gehe.“

Wie Adam und Eva aus dem Paradies-Garten in Eden ausgestoßen wurden

20.44. Als Gott Adam und Eva so mit einem tierischen Kleid versehen hatte, damit sie ihre Schande verdecken und sich gegen den Frost wehren konnten, ließ er sie aus dem Garten und stellte den Cherub mit einem bloßen hauenden Schwert davor, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewahren, und Adam sollte nun das Feld bebauen. (1.Mose 3.21) Nun ist die Vernunft in uns armen Kindern von Adam und Eva so ganz und gar versunken, daß wir sogar in unserem höchsten Alter kaum etwas von der Erkenntnis des kläglichen Falls von Adam und Eva erreichen können, weil wir diese gar tief im Zentrum des Lebenslichtes suchen müssen. Denn sehr wunderlich ist es, wenn Moses sagt: »Gott habe den Cherub vor den Garten gestellt, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewahren.« Wer könnte das verstehen? Wenn uns Gott nicht die Augen auftäte, dann würden wir Schlechtes von einem Hüter mit dem Schwert reden, und der Verstand sieht auch nichts anderes.

20.45. Aber die edle Jungfrau weist uns die Pforte, daß wir durch des Schwertes Schärfe wieder ins Paradies eingehen müssen. Denn dieses Schwert schneidet den irdischen Leib vom heiligen Element vollkommen ab, und dann kann der neue Mensch auf dem Weg des Lebens ins Paradies eingehen. So ist das Schwert nichts anderes als das Reich oder die Pforte der Grimmigkeit im Zorn Gottes, weil der Mensch durch den grimmigen Tod durch das Zentrum in das zweite Prinzip ins Paradies des heiligen Elements vor Gott eindringen muß, weil dann der grimmige Tod den irdischen Leib aus den vier Elementen vom heiligen Element abschneidet.

20.46. Und der Hüter des Gartens ist der Cherub, der die Qual-Qualität der Sterne abhaut, welche die vier Elemente eine Zeitlang erhält, aber dann zerbricht. Mit seiner bitteren Schärfe scheidet er sie von der Seele, und durch sein Schwert vergeht sie auch. Dieser steht hier im Weg, so daß wir nicht zum Baum des ewigen Lebens können. Er steht in der Mitte, und läßt uns nicht ins Paradies. Und der verkörperte Garten Eden ist unser irdisches Fleisch, und das ist der Zaun vor dem Garten.

20.47. Will nun jemand in den Garten, dann muß er durch das Schwert des Todes eindringen. Obwohl Christus das Schwert zerbrochen hat, so daß wir jetzt mit unserer Seele viel leichter eingehen können. Aber es ist immer noch ein Schwert davor, doch wer den Weg findet, den schneidet es nicht mehr so sehr, denn es ist nun stumpf und biegsam. Wenn nur die Seele durch die Pforte ins Zentrum eingeht, dann wird ihr schon vom edlen Ritter Christus geholfen, der das Schwert in seine Hände bekommen hat. Er ist das erwürgte (bzw. geopferte) Lamm vom Hause Israel aus der Offenbarung des Johannes Kap. 3 und 5, welches das Buch des festen Prinzips, das die sieben Siegel der sieben Geister der Geburt Gottes hatte, dem Alten, der mit seinen vierundzwanzig Ältesten auf dem Stuhl saß, aus seiner Hand nahm und öffnete. Da fielen die Ältesten vor ihm nieder, beteten das erwürgte Lamm an und gaben demjenigen Preis und Ehre, der auf dem Stuhl saß, weil es der Held vom Hause Israel überwunden hatte. Die sieben goldenen Leuchter sind seine Menschheit, und die sieben Sterne sind seine Gottheit, wie auch die göttliche Geburt in siebenerlei Gestaltung in sich entsteht, wie eingangs in den ersten vier Kapiteln dieses Buches erklärt wird.

20.48. So trägt Moses eine Decke vor seinen Augen, und willst du ihm ins Angesicht sehen, dann mußt du nur Christus, deinen Ritter, vor dich stellen, daß er dir seine Decke aufhebt. Dann wirst du sehen, daß Moses keine Hörner hat, sondern ein geduldiges Lamm ist, am Tod Christi fest angebunden, und daß seine Decke das verschlossene Buch gewesen ist, so daß wir nicht genesen konnten, bis der Held kam und mit seinem Eingang in den Tod die sieben Siegel des Buches zerbrach. Da wurde die Decke weggenommen, und im Buch stand das heilige Evangelium vom Reich Gottes, das uns der teure Ritter Jesus Christus las.

20.49. Als nun Adam und Eva aus dem Garten gingen, hielten sie sich zusammen, wie es heute noch Eheleute tun, und wollten nun mit ihrer tierischen Art versuchen, was noch an Wundern aus ihnen kommen könnte. Und so wird sie dann der Geist der großen Welt durch ihren Verstand belehrt haben, was sie tun sollten.

20.50. Da erkannte Adam sein Weib Eva, und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn, den sie Kain nannte. Denn sie sprach: „Ich habe den Mann des Herrn.“ Was für versiegelte Worte sind das? Moses sagt, sie habe gesprochen: »Ich habe den Mann des Herrn. (1.Mose 4.1)« So sprach auch die große Welt: „Ich habe den Herrn dieser Welt.“ Denn Eva sprach nicht anders als die Apostel dachten, daß Christus ein weltliches Königreich aufrichten würde. So dachte auch Eva, daß ihr Sohn wie ein starker Ritter den Kopf des Teufels zertreten und ein herrliches Reich aufrichten sollte. Darauf folgten dann bald zweierlei Verstand und zweierlei Kirchen: Eine auf die Barmherzigkeit Gottes, und die andere auf die eigene Macht. Darum konnte Kain seinen Bruder nicht dulden, weil Abel auf die Barmherzigkeit Gottes drang, aber Kain auf seine eigene Macht. Er dachte, er wäre der Herr der ganzen Welt, wie ihn auch seine Mutter entsprechend unterrichtet hatte. So wollte er nun wie ein Kriegsmann in eigener Macht der Schlange den Kopf zertreten und begann bei seinem Bruder Abel. Denn sein Glaube war nicht auf Gott gerichtet, sondern auf seine (weltliche) Männlichkeit. Und hier biß die Schlange zum ersten Mal den Schlangentreter in die Ferse.

Die Pforte der Mysterien

20.51. Der Verstand fragt: „Wie konnte das geschehen, daß der erste Mensch, der von einer Frau geboren war, ein bösartiger Mörder wurde?“ Siehe, du unzüchtige, unflätige und hurenartige Welt, hier wirst du deinen Spiegel finden. Besiehe dich, was du bist! Uns begegnet hier abermals das große Geheimnis im Licht der Natur, gut sichtbar und wohl zu erkennen. Denn Adam und Eva waren in den Geist dieser Welt eingegangen, und die grimmige Sternenregion mit der Infizierung des Teufels hatte sie besessen. Auch wenn sie beide immer noch etwas an der Verheißung des Schlangentreters und an Gott hingen, so war doch die wahre Lust und Liebe zu Gott weitestgehend verloschen und dagegen die Lust und Begierde zu dieser Welt in ihnen entzündet. Dazu bekamen sie eine tierische Brunst aus der Sternenregion zueinander, so daß ihre Tinktur eine grimmige tierische Sucht wurde. Denn sie hatten kein anderes Gesetz mehr als das Licht der Natur, aber das schlugen sie nieder und entzündeten sich in der Brunst, zu der ihnen der Teufel gern geholfen hatte.

20.52. Als nun Eva geschwängert wurde, da war ihre Tinktur ganz irdisch und falsch (bzw. illusorisch), denn ihr Geist in der Liebe blickte nicht mit ganzem Vertrauen auf Gott, und so stand die Weisheit Gottes im Zentrum ihres Lebenslichtes verborgen. Eva neigte sich nicht dahinein mit Liebe und Zuversicht, sondern vielmehr in die Lust dieser Welt. Sie meinte, sie mußte es tun, wenn etwas werden sollte. Und weil ihre Zuversicht nicht in Gott war, so war auch Gott nicht mehr in ihr, sondern in seinem Zentrum, und begann, den Zorn aufquellen zu lassen.

20.53. Und hier geschieht eben das, was auch Christus sagte: »Ein böser Baum bringt böse Früchte. (Luk. 6.43)« So wächst aus einer falschen (bzw. illusorischen) Tinktur eine grimmige und bösartige Wurzel, und daraus ein solcher Baum mit solcher Frucht. Also geschah es auch hier, und wie ihre Tinktur in der Vermischung war, so zeugten sie ein Kind. Denn der Geist des Lebens gebiert sich aus den Essenzen.

20.54. Weil Adam aus dem Paradies in den Geist dieser Welt gegangen war, so begann nun auch der Streit mit den beiden Regionen, nämlich der Reiche des Himmels und der Hölle, um die Kinder der Eva.

20.55. Und man sieht hier, wie der Zorn gesiegt hatte, und so klagt der Geist vor Gott nicht ohne Ursache: »Ich bin wie ein Weingärtner, der da nachliest, und wollte doch auch gern die besten Früchte essen. (Mich. 7.1)«

20.56. Die Schuld liegt aber im Menschen: Hätte er sein Vertrauen in die Liebe Gottes gesetzt, dann würde das Reich Gottes siegen. Weil er es aber in seiner bösartigen Brunst in sich selber auf sein eigenes Vermögen setzt, so wird er vom Zorn gefangen, und Leib und Seele stehen im Zorn. Wenn er aber sein Gemüt und seine Zuversicht wieder in Gott setzt, dann geht er vom Zorn weg und bewirkt das Reich Gottes zur Gerechtigkeit in ihm. So sieht man sonnenklar, was die Ursache war, daß der erste Mensch vom Weib ein Mörder wurde.

20.57. Denn wie der Baum war, so wurde auch die Frucht. Obwohl doch der Baum nicht völlig falsch war, sondern zur Zeit der Menschwerdung während des Ringens der beiden Regionen war die Tinktur falsch. Dazu half ihm dann auch seine Mutter Eva entsprechend, indem sie einen irdischen Herrn und Schlangentreter suchte und ihn so belehrte, daß er der Kriegsmann gegen den Teufel wäre. So meinte er, er wäre der Herr der Welt und auch des Teufels, und er wollte es (eigenwillig) tun. Entsprechend hielt ihn der Zorn gefangen, und seine Opfer waren Gott nicht angenehm. Denn weil er im Zorn auf sich selber baute, so erreichte sein Gebet nicht des Himmels Pforte, sondern der Treiber nahm es auf, weil es mit dem stolzen Pharisäer aus überheblichem Stolz und einem falschen Gemüt ausging.

20.58. So hast du hier, oh geile Hure zu Babel voller Unzucht und Brunst, in solcher Hurerei einen Spiegel für deine falsche Vermischung ohne Gottesfurcht. Darin kannst du sehen, was du säst, ob nicht ein Baum im höllischen Feuer daraus wachse. Du denkst, es sei nicht Schlechtes, Hurerei zu betreiben. Oh Liebe, besinne dich, wo du deine Tinktur hinschickst, die das Element Gottes erreicht, wenn es eine treue Liebe ist. Doch wenn du sie auf einem solchen falschen Weg im Trieb der Sternenregion vom Teufel infiziert ausschüttest, auch in ein solch schmutziges Faß, was meinst du, wer das annimmt? Weißt du nicht, daß die Tinktur im Samen eine Blume des Lebens ist? Sie inqualiert mit deinem Leib und der Seele, die darin, so oft sie geboren wird, eine Bildung vor Gott ist. Was meinst du, ob sie in Gottes Liebe oder Zorn steht?

20.59. Oh du Hure von Babel, wenn du so hurst und damit den Limbus mitsamt der Matrix zerbrichst (den väterlichen Samen mitsamt dem Mutterleib vergänglich machst), darin die Gestaltung des Bildes Gottes steht, nur um deiner geilen Unzucht willen: Was meinst du, wie wohl diese Bildung erscheinen wird? Zumal alles, was aus der Tinktur jemals geboren wurde, nach dem Zerbrechen der Welt im Schatten vor Gott stehen soll. Wird diese Bildung nicht im Zorn Gottes erscheinen? Oder hast du den Ablaß (den Freispruch von Strafe), so daß du (beliebig) in die Hölle säen kannst? Siehe zu, daß diese Bildung nicht mit deinem Leib und der Seele inqualiere (wechselwirke), denn die Tinktur ist noch zu keinem Geist geworden. Sie erreicht dich, und wirst du nicht durch das Blut Christi neu geboren, dann mußt du ewig darin baden. Das sage nicht ich, sondern der hohe Geist im Schoß der Jungfrau.

20.60. Darum bedenke dich, und sprich nicht: „Ich stehe im Finstern und pflege meine Liebe. Niemand sieht mich!“ Du stehst vor dem klaren Angesicht Gottes! Und du stehst vor der Hölle Abgrund und vor dem Rat aller Teufel, die deiner spotten. Dazu hast du eine falsche und untreue Liebe, die nur eine viehische und tierische Brunst ist. Wäre sie treu, dann beflecktest du deine Brüder und Schwestern nicht. Doch ihr befleckt beide miteinander das Bild Gottes, und seid die ärgsten Feinde gegeneinander. Ihr wollt euch gegenseitig in die Mordgrube des Teufels werfen und seid im Ringen. Und der Teufel kitzelt euch und streut Zucker auf, damit er euch binden kann. Dann führt er euch nach Jericho und peitscht und beißt euch zu Recht.

20.61. Wenn dann die arme Seele wandern soll, stehen große Berge auf ihrer Straße. Da erscheint dann eure schöne Tinktur vor dem Element wie ein beflecktes Tuch. Da steht der Teufel und liest euch die Gesetze dazu vor. Da zappelt nun die arme Seele und Zweifel kommt, ob sie jemals durch die bitteren Tore (des Cherubs) durchbrechen kann. So fürchtet sie immerfort, der grimmige Zorn Gottes werde sie ergreifen und anzünden. Wie es dann auch wirklich geschieht, wenn sie nicht durch ernste Buße in Christus wieder neugeboren wurde.

20.62. Darum, oh Mensch, bedenke, was du hier säst, das wirst du ernten! Nimm dir ein Beispiel an Kain! Oder denkst du, das ist nur eine erdichtete Fabel? Frag nur dein eigenes Gemüt, es wird dich überzeugen, wenn du noch nicht allzusehr vom Teufel gefangen bist.

20.63. Siehe doch die grausamen Strafen des Zorns Gottes von der Welt her! Auch die Sündflut war eine Strafe der Unzucht, so daß der Zorn Gottes den Mutterleib der brünstigen Unzucht ersäufen wollte. Darum strafte er die Welt mit Wasser, denn das Wasser ist der Mutterleib aller Dinge.

20.64. Darum hat Gott selbst mit Adam und Eva den Ehestand eingeführt und sie mit einer starken Kette fest verbunden, indem er sagte: »Ein Mann soll Vater und Mutter verlassen und an seinem Weib hängen, und so sollten die zwei ein Leib sein. (1.Mose 2.24)« Darin duldet Gott ihre Brunst, in der sie mit treuer und züchtiger Liebe verbunden sein sollen, wie ein Leib in seinen Gliedern und dazu in Gottesfurcht auf das Zeugen von Kindern gerichtet. Ansonsten ist die Brunst in sich selber, ohne die treue Liebe des Ehestandes, vor allem eine tierische Sucht und Sünde. Und wenn du im Ehestand nur die Brunst suchst, dann bist du auf diesem Weg nicht besser als ein Dieb. Denke nur darüber nach, denn sonst stehst du in einer tierhaften Geburt entgegen deiner ursprünglichen Schöpfung, gleich allem Vieh. Denn der heilige Mensch in Adam war nicht solcherart vorgesehen, um sich fortzupflanzen, sondern sollte sich in großer Liebezucht aus sich selbst gebären.

20.65. Darum, oh Mensch, sieh zu, wie du die tierische Brunst gebrauchst! Sie ist in sich ein Gräuel vor Gott, sei es in der Ehe oder außerhalb der Ehe. Nur die wahre Liebe und Treue in der Furcht Gottes kann sie vor Gottes Angesicht überdecken, und durch den Sohn der Jungfrau wird sie wieder zu einer unbefleckten Kreatur im Glauben geboren, wenn deine Zuversicht in Gott steht.

20.66. Aber für die Huren und Lustbuben, die so in Brunst außerhalb der Ehe laufen, haben wir kein anderes Latein (keine anderen Worte bzw. keinen anderen Rat). Wir können auch im Licht der Natur nichts anderes sehen, als nur die Gräuel in Gottes Zorn. Und wenn nicht mit Maria Magdalena eine ernste Buße in der Wiedergeburt geschieht, dann wird Gottes Zorn und das höllische Feuer ihr Lohn, Amen.

Vom frommen und gerechten Abel, die Pforte der christlichen Kirche

20.67. Weil sich nun Adam und Eva in den Geist dieser Welt begeben hatten und zweifach lebten, nämlich im heiligen Element vor Gott und auch in der Ausgeburt der vier Elemente, die das Alleräußerste erreichen, das Reich der Grimmigkeit, so wurden auch zweierlei Kinder aus ihnen geboren, nämlich ein Spötter und ein frommer Mensch, wie das auch bei Abraham mit Isaak und Ismael sowohl bei Jacob und Esau gut zu ersehen ist.

20.68. Obwohl die Kirche zu Babel hier viel von der Gnadenwahl aus Gottes Vorsatz tönen will, aber davon so wenig Erkenntnis von Gott hat, wie der Turmbau zu Babel, dessen Spitze in den Himmel (bis zu Gott) reichen sollte.

20.69. Als wäre es nicht möglich, daß ein Kind aus dem Zorn heraus- und in die Liebe Gottes hineingehen könnte, wenn doch die Liebe durch die Zersprengung (bzw. Auflösung) des Zorns vollkommen erscheint. Es fehlt nur an der Buße, weswegen sich der Mensch vom Teufel halten läßt.

20.70. Entsprechend besteht die Verstockung nicht schon von Geburt an, so daß die Seele bereits im Mutterleib an Gott tot wäre, oder daß Gott diese nicht wollte. Ist doch der Zorn im Qual-Quell des Vaters, und der Vater ist gleichwohl Gott und gebiert sein liebes Herz und seine Liebe in den zersprengten Toren in der Wonne aus sich selbst. Kann er dann mit sich selbst uneinig sein, so daß sein Zorn unter der Wurzel der Liebe ist? Wird er sich dann selbst anfeinden? Sein Zorn ist doch seine Stärke und Allmacht, ein verzehrendes Feuer, und sein Herz in der Liebe ist seine Demut. Was sich nun seinem Zorn naht und eingeht, das wird im Zorn gefangen.

20.71. So ist es aber auch möglich, aus dem Zorn herauszugehen, wie auch sein liebes Herz aus dem Zorn ausgeboren wird, das den Zorn stillt und zu Recht Paradies oder Himmelreich genannt wird. Denn im Himmelreich wird sein Zorn niemals erkannt. So ist es auch hier: Seine Gnadenwahl geht allemal über die Kinder seiner Liebe, die ins Himmelreich geboren werden. Und auch St. Paulus spricht nicht anders von seiner Wahl (in Röm. 10.12). Er meint aber jene, die sich ihm nahen und in seinen Bund eintreten. Denn die sich ihm aneignen, die zieht der Vater mit dem Heiligen Geist durch den Tod Christi in das reine Element vor den Vater: »Fürchte dich nicht, mein Knecht Jacob, und du Frommer, den ich erwählt habe. (Jes. 44.2)«

20.72. Aber daß Gott jemandem seinen Willen vorsätzlich verstocken und finster machen sollte, das ist einfach nicht wahr. Allein dem Gottlosen, der nur zur Feuersmacht drängt, wird der Geist Gottes entzogen, denn er entfernt sich selber von Gott und will Gott nicht. Ansonsten entzieht sich Gott niemandem. Denn der Mensch hat einen freien Willen und kann greifen, wonach er will. Aber er wird von zwei Reichen gehalten, vom Himmel und der Hölle, und wohin er sich begibt, dort ist er.

20.73. Auch Kain ist nicht im Mutterleib verworfen gewesen. Auch wenn Gott wohl einen falschen Samen nicht liebt, so steht er doch frei und kann zur Liebe oder zum Zorn eindringen. Sie nehmen ihn beide an, wie auch St. Paulus selbst sagt: »Welchem ihr euch zu Knechten in Gehorsam begebt, dessen Knecht seid ihr, dem ihr gehorsam seid, sei es der Sünde zum Tod oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit. (Röm. 6.16)«

20.74. So will nun Gott keine boshafte Seele in der Liebe haben, sondern in seinem Zorn. Dazu ist er ein Herzenskundiger und weiß wohl, was im Menschen ist und was dieser tun wird, auch während er noch ein Samen ist. So will er die Perlen nicht vor die Säue werfen. Aber der falsche Samen kommt nicht aus Gottes Willen und Vorsatz, sonst müßte er den Teufel auch gewollt haben.

20.75. Weißt du nicht, daß das Band der Ewigkeit freisteht und sich selbst bewirkt? Aber was sich ihm aneignet, das wird auch in Gott geboren. Dringt doch die Liebe nicht in den Zorn, sondern die Liebe wird aus dem Zorn geboren und ist ganz frei. Darum ist auch das Herz Gottes in der Liebe eine andere Person (die nicht wieder in den Zorn eingeht) als der Vater, und der Ausgang ist der Heilige Geist.

20.76. Warum geht nicht auch die Seele des Menschen aus dem Zorn in die Liebe? Dann wäre sie eine andere Kreatur, die in der Liebe geboren ist, wie St. Paulus sagt: »Welche Gott vorhergesehen hat, die hat er auch geheiligt, so daß sie seinem Bild gleich und ähnlich sind. (Röm. 8.29)« Die Vorsehung ist in seiner Wahl, und er erwählt sich allezeit seine Schäflein, die zu ihm kommen, und diese sieht er zum ewigen Leben vor. Es ist nicht so, daß er jemanden verstockt, der mit Ernst begehrt, zu ihm zu kommen, und nicht vorsehen wollte. Sein Wille ist, allen Menschen zu helfen. Und Christus sagt selbst: »Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid (da heißt auch, die ihr mit Sünden beladen seid), ich will euch erquicken. (Matth. 11.28)« Das bedeutet, ich will euch gewiß vorsehen und zu mir ziehen, aber es fehlt nur am Kommen.

20.77. Nun, was steht denn dem Gottlosen im Weg, daß er nicht kommt? Es ist das Zorn-Schwert des Engels Cherub, das er nicht zerbrechen will, denn die gleisnerisch schöne Welt im Fleisch und Blut tut ihm zu wohl in seinem Busen. So will er sein (eigenwilliges) Gemüt nicht zerbrechen, obwohl er doch die Macht dazu hat. Denn wenn er es zerbricht, dann wird er von Gott durch Christus zum Vater gezogen, und wird zur gleichen Stunde zum Kind Gottes erwählt, und aus dem Schlangen-Bildnis wird ein englisches Bildnis.

20.78. Denn solange das Bildnis im Zorn steht, so ist es ein Bildnis der Schlange. Wenn es aber zerbricht und vergeht, dann wird ihm durch den Schlangentreter ein himmlisches Bildnis gebildet, und der Schlange wird der Kopf zertreten. Denn die zwei Reiche kämpfen miteinander, und welches siegt, das bildet das Bildnis.

20.79. Darum sieht man, wie der Zorn in Adam und Eva so groß gewesen war, daß das Grimmreich eher gesiegt hatte als das Himmelreich, und so wurde auch der Spötter eher geboren als der Fromme.

20.80. Nun lag das aber auch an den Eltern: Hätten sie nicht gesündigt und den Zorn in sich gelassen, dann wäre es nicht geschehen. Und so geschieht es bis heute noch.

20.81. Auch wenn es so ist, daß die Natur das Kind im Mutterleib empfängt und bildet, so bewirkt doch die Sternenregion nur die Bildung in den vier Elementen und nicht im heiligen Element.

20.82. Und wenn sie auch einen Menschen im Äußeren tierisch genug und oft mit kleiner Vernunft bilden, so ist das nicht das eigentliche Ziel. Nur der äußere Mensch ist das Tier der Sterne, aber der innere Mensch im Element ist das Gleichnis Gottes. Und so geschieht die göttliche Bildung nicht im äußeren, sondern im inneren Element.

20.83. Denn ein Mensch ist oft im Äußeren so bösartig von der Sternennatur gestaltet, daß er sich selber gram wird. Doch wenn er sich bedenkt, dann geht er in sich, in den inneren Menschen, und läuft zur Entsagung, und kann doch den äußeren bösartigen Menschen nicht loswerden, sondern muß immerfort mit dem inneren dem äußeren, sozusagen der Schlange, den Kopf zertreten.

20.84. Denn die Schlange steckt vielen im Äußeren, erfaßt sie aber den inneren Menschen, dann verschwindet die Bildung Gottes. So treibt die Bosheit der Sterne manchen zum Morden, Stehlen, Lügen und Betrügen, wohl bis zum Galgen oder Schwert, aber hat doch den inneren Menschen noch nicht gänzlich ergriffen. Er ist noch in der Pforte und kann durch Buße in eine andere Bildung eingehen, die der äußeren nicht ähnlich ist. Man kann also den inneren Menschen nach dem äußeren gar nicht so richten, man sehe denn, daß er Gott verachtet und dem Heiligen Geist lästert. Dann ist keine göttliche Bildung in ihm und (der Weg) ist schwer. Jedoch ist sein Gericht nicht in diesem Leib, und die Pforte der Barmherzigkeit steht für ihn offen, solange er in diesem Haus ist.

20.85. Aber nach diesem Leben hilft ihm nichts mehr, wenn er die Barmherzigkeit nicht am Faden hat. Dann will Gott den glimmenden Docht nicht auslöschen, wie Jesaias sagt (in Jes. 42.3). Doch in seinen Sünden muß er baden, bis der Zorn durch den Tod Christi überwunden wird, an welchem Faden er hängen muß. Und die Verwesung ist sein Fegefeuer in seinen Sünden, aber das ist kein fremdes Fegefeuer, von dem der Antichrist dichtet und narrt, sondern sein eigenes in seinen Sünden.

20.86. Und auch mit dem Fegefeuer ist es nicht so ganz ohne, wie der Wolf des Tieres der Hure dichtet. Denn man weiß auch wohl, daß nach diesem äußeren vergänglichen Leben ein ewiges Leben ist, und hier alle Sünden vergeben werden. Aber weil du zwischen Tür und Angel bist und an einem Härlein hängst, so bist du noch nicht gänzlich im ewigen Leben. Bist du aber im ewigen Leben, dann bist du vollkommen, entweder im Himmel oder der Hölle. Daraus gibt es keine Erlösung, denn es ist das ewige Leben.

20.87. Wenn wir also nun vom frommen Abel reden, dann können wir aus diesem Grund auch nicht sagen, daß ihm das Reich des Himmels nicht beistand und geholfen hatte, so daß er nur aus eigener Macht solch einen frommen Menschen aus sich gemacht habe, denn es ist im Ringen gewesen und hat über den Zorn gesiegt. Denn der Mensch an sich ist schwach und unvernünftig und kann aus eigener Macht wenig tun. Doch er hat die Imagination und die Wahl oder freie Hingabe, während doch der Macher schon vorhanden ist, der ihn entsprechend macht, wonach er begehrt, wie bei Adam zu sehen ist: Als er den Geist dieser Welt begehrte, da war alsbald der Macher da und machte aus einer englischen Bildung einen (irdischen) Menschen.

20.88. Die Lust bewirkt die Einführung in ein Ding, und aus der Lust entsteht die Gestaltung der Lust als ein Körper, und darin steckt der Qual-Quell der Sünden. So ist es doch besser, der Lust zu wehren, als den Leib zu zerbrechen, welches schwer ist. Darum ist es gut, die Augen abzuwenden, dann fährt die Tinktur nicht in die Essenzen, davon der Geist schwanger wird. Denn die Lust ist wohl nicht gänzlich das Gemüt, aber sie sind Geschwister, denn wenn die Lust das Gemüt schwängert, dann ist es schon eine halbe Substanz, und ein Zerbrechen (bzw. Vergehen) muß folgen, oder es wird eine ganze Substanz und damit das Wesen eines Dinges.

20.89. So ist nun Abel die erste christliche Kirche in Geduld, die Gott darstellt, damit sich die Kain-Kirche durch Abel bekehren soll. Darum hat er die Kain-Kirche nicht so gänzlich verworfen, daß er kein Mitglied aus ihr haben wollte. Und sie (die wahre christliche Kirche) steht wie ein Schaf unter Wölfen, obwohl wir eigentlich Menschen und nicht Wölfe sind, aber wohl doch im Gemüt und in der Bildung. Sie belehrt den Gottlosen, und bekehrt er sich, dann hat sie ihn gewonnen, und er wird zur heiligen himmlischen Bildung gebildet, und damit ist große Freude vor den Engeln Gottes, daß das Himmelreich so siegt.

20.90. Oder meinst du, daß das Wort in Daniel Kap. 10.13 vom Engel Gabriel nicht wahr sei, der da sagt, der Fürst in Persien habe ihm einundzwanzig Tage widerstanden, und unser Fürst Michael stand ihm bei? Auch hier sieht man, wie die Fürsten- und Thronengel gegen das Reich der Grimmigkeit kämpfen und dem Menschen beistehen. Denn die Ursache ist, daß der Teufel den Zorn Gottes gegen die Menschen erregt hat, und so halten ihn auch die Engel Gottes als die Thronfürsten auf, weil ja Gott das Böse nicht will.

20.91. Wir können bei Kain und Abel auch besonders erkennen, was ihr Beruf gewesen war: Kain war ein Ackermann, und Abel war ein Schäfer. Abel hat auf Gottes Segen seiner Herde gebaut, um sich durch Gottes Segen zu ernähren, und Kain hat auf seine eigene Arbeit gebaut, um sich in eigener Kunst zu ernähren. Dazu hat Eva dem Kain geholfen, wie auch Adam dem Abel, denn sie hielt ihn für den Fürsten auf Erden, dem das Reich gehören sollte, und meinte, er würde wohl als ein Held den Teufel verjagen, obwohl sie ihn beide nicht kannten.

20.92. Aber wenn man es tiefer untersucht, dann ist dies wohl der wahre Grund: Eva war das Kind in Adams Matrix, das er aus sich selbst in großer Zucht und Heiligkeit geboren hätte, wenn Adam nicht überwältigt worden wäre. Weil aber Adams Matrix vom Geist dieser Welt geschwängert wurde, so mußte Gott ein fleischliches Weib daraus bauen, die danach in ihrer ersten Leibesfrucht entsprechend süchtig und vom Teufel infiziert war, wie auch der Limbus (Samen) in Adam.

20.93. Darum haben sie auch ein so geartetes Kind geboren, das nur auf den (egoistischen) Geiz sah, wie auch Eva, die wie Gott sein wollte. Und gewiß war auch Adam daran gelegen gewesen, sonst wäre er nicht in den Geist dieser Welt eingegangen.

20.94. So wurde nun Kain ihr Sohn, der meinte, er wäre der Herr auf Erden, und seinem Bruder nicht gönnte, daß er auch etwas wäre. Besonders als er sah, wie er vor Gott angenehm war, da verdroß es ihn und er fürchtete, Abel könnte der Herr auf Erden werden. So ging es ihm im Opfer nicht um die Gottesfurcht, auch wenn er wie ein Scheinheiliger opferte, sondern um die Region (der Herrschaft auf Erden).

20.95. Und hier beginnt das antichristliche Reich, wo man vor Gott gute Worte gibt, aber das Herz vom Geiz besessen ist und nur nach Macht und Gewalt trachtet, um über den Elenden zu herrschen, der Gott vertraut. Darum hat der Antichrist seinen Gott im Kasten und in der Stärke seiner Macht, aber an seinem Rock hängt ein Fuchs: Er betet, aber begehrt nur das Reich dieser Welt von Gott, und sein Herz läßt nicht vom Treiben und Jagen des armen Abels ab. Denn Abel betet zum Herrn, und sein Herz neigt sich in die Liebe Gottes und die wahre Bildung, denn er begehrt das Himmelreich und überall Gottes Segen zu seiner Nahrung.

20.96. Aber das kann nun der Teufel nicht leiden, daß ihm eine heilige Kirche in seinem Land wachse. So will er Abel immerfort ermorden, wie es dann auch geschah. Weil Kain Gott nicht fürchtete, bekam der Teufel einen Zutritt zu ihm und erweckte den angeborenen Grimm in Kain gegen Abel, so daß er ihn erschlug.

20.97. Da werden gewiß alle Teufel getanzt haben und dachten: „Nun ist das Reich abermals unser!“ Darüber waren Adam und Eva erschrocken, als sie sahen, daß der, den sie für einen Fürsten hielten, ein Mörder wurde. Und wie die Historie sagt, hatten sie sich über siebzig Jahre nicht mehr auf eine Vermischung (sexuelle Vereinigung) eingelassen.

20.98. Wie dem nun sei, so haben sie doch lange einen andern Schlangentreter gesucht. Auch hat sich ihr Herz nun immerfort zu Gott geneigt, so daß sie nach diesem Mord nach siebzig Jahren einen heiligen und gottesfürchtigen Sohn zeugten, der die reine Kirche von der Gottesfurcht und dem verheißenen Weibes-Samen wieder aufgerichtet hatte. Er wurde Seth genannt, der dann wiederum einen frommen Sohn namens Enos zeugte. Da hatte man begonnen, öffentlich von Gott zu lehren. Und so ist die christliche Kirche, gegen alles Wüten des Teufels, immer wie ein schwaches Häuflein aufgegangen.

20.99. Aber Kain hat sich zum Herrn über sein Geschlecht erhoben, und davon ist die Herrschaft und das Regiment dieser Welt entstanden, alles nach dem Einfluß der Sterne geboren, durch den Geist der großen Welt, und nicht so von der klaren Gottheit angeordnet, wie Herr Kain meint.

20.100. Und weil die Welt so bösartig und mörderisch wurde, so mußten natürlich auch (weltliche) Richter und Obrigkeiten sein, damit der Grimm durch Strafe und Furcht aufgehalten werde. Doch wärest du in der Liebe geblieben, dann hättest du keinen (weltlichen) Herrn, sondern nur liebe Brüder und Schwestern.

20.101. Dein gewaltiges Reich, oh Kain, wurde nicht von Gott bestimmt, sondern durch den gestirnten Himmel im Zorn, der nun über dich herrscht und dir oft Tyrannen gibt, die dir im Stolz deinen Schweiß verzehren: Das hast du nun als dein Paradies.

20.102. St. Paulus schreibt zwar: »Es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott kommt. (Röm. 13.1)« Aber er meint: Sie ist eine Rächerin der Gottlosen und trägt das Schwert nicht umsonst. Dazu gibst du auch genug Grund, wie Gott das weltliche Regiment und dessen Schwert wegen der Gottlosen gebraucht, darunter du nun dein Joch wegen der Sünde tragen mußt, weil du ein steter Fresser und Mörder bist. Beschaue dich nur mitsamt dem Racheschwert, vielleicht wirst du dich erkennen. Wenn man aber sagt, daß Gott einen Ekel an der großen Tyrannei und Schinderei habe, mit der dem Elenden sein Schweiß durch überheblichen Stolz herausgequält wird, das kann Kain nicht leiden, und wenn nicht das schreckliche Beispiel der Sündflut dastünde, dann müßte es Heiligkeit sein.

20.103. Aber dein Reich, oh Kain, ist zu Babel erbaut, und dein Tier herrscht zu Sodom und Gomorra. Es ist ein Feuer vom Herrn des Himmels darin. So ist es nun Zeit, daß du mit Lot aus Sodom gehst!

Die Sünde wacht in Kain auf

20.104. Als nun Kain seinen Bruder ermordet hatte, ging er sicher wie ein Herr und dachte: „Nun bist du allein Fürst auf Erden!“ Aber die Stimme des grimmigen Zorns Gottes kam und sprach: »„Wo ist dein Bruder, Abel?“ Und er antwortete: „Ich weiß es nicht! Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Da sprach Er: „Was hast du getan? Siehe, die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Nun seist du verflucht auf Erden, die ihren Mund aufgetan hat und deines Bruders Blut von deinen Händen empfing. Wenn du den Acker bebaust, soll er dir kein Vermögen mehr geben. Unstet und flüchtig sollst du auf Erden sein.“ (1.Mose 4.9)«

20.105. Als nun der Zorn Gottes die Sünde in Kain berührte, da wachte sie auf, und es wurde ihm bange. Nun sah man seinen falschen Glauben, denn er zweifelte und rief: »Meine Sünden sind größer, als daß sie mir vergeben werden könnten. Siehe, du treibst mich heute aus dem Land, und ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen und muß unstet und flüchtig auf Erden sein. So wird es mir nun gehen, daß mich totschlägt, wer mich findet.«

20.106. Hier erscheint uns nun die ganz schreckliche, jämmerliche und elende Pforte der Verzweiflung über die begangene Sünde. Denn da sprach Gott: »Verflucht seist du auf Erden, die ihren Mund aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen hat!« So ist das aufgeblasene, selbsteigenmächtige, gleisnerische und heuchlerische Reich des Antichristen von Gott verworfen worden und hat sich selber mit seinem Eingang in den Grimm durch die Mordtat von Gott getrennt.

20.107. Darum sprach Gott: »Verflucht seist du!« Und dieses Fluchen oder Fliehen aus dem Grimm ist der Unterschied, daß die Liebe Gottes im Grimm nicht wohnen will und dieses Reich nicht nach seinem Namen benannt sein soll. Denn nicht Gott hat in die Mordtat eingewilligt, sondern der Grimm, vor dem Kain von Gott beim Opfer gewarnt wurde: Er sollte fromm sein, dann wäre er angenehm. Wenn aber nicht, dann wartet die Sünde mit dem grimmigen Reich vor der Tür. Er sollte ihr nicht die Gewalt lassen, sondern über sie herrschen. Weil er ihr aber die Gewalt ließ, so herrschte sie über ihn und bezwang ihn.

20.108. Also floh auch Gott, das heißt, Kain ging aus Gott heraus, aus Gottes Reich in das Reich der Grimmigkeit des Treibers. Darum war auch sein Wesen, das er weiterhin trug, nicht aus Gott, sondern aus dem Reich der Grimmigkeit, die ihn führte und durch ihn seine Wunder gebar oder erweckte, auf daß es auch offenbar würde. Wie es auch ein großes Wunder war, als das edle Bild in Abel vom Grimm der Hölle und dieser Welt im Zerbrechen des Leibes abgeschieden werden konnte, weil das Reich der Hölle solches gern erfahren wollte und deswegen der erste Tod in Eile geschehen mußte. Damit hatte der Schlangentreter sein erstes Schulrecht getan, als sich das Reich dieser Welt von Abel geschieden und der Cherub zum ersten Mal die vier Elemente vom heiligen Element abgeschnitten hatte.

20.109. Da stand das Wort oder der Schlangentreter im neuen wiedergeborenen Element in Abels Seele im Zentrum in den Toren der Tiefe und hat der Schlange (das heißt, dem Reich der Grimmigkeit) den Kopf seiner Macht zertreten, denn der Kopf bedeutet die starke Macht des grimmigen Zorns. Hier hat sich die Liebe Gottes aus dem Herzen Gottes in die Hölle des Zorns eingelassen und das angezündete Feuer der armen Seele wieder in der Liebe erstickt. Und hier ist das erste Werk versucht worden, wie es Adam und Eva von Gott verhießen wurde.

20.110. Zum anderen ist auch das schreckliche Werk des Eingangs in die Grimmigkeit in Kain versucht worden, denn ein jedes Reich versuchte das seine. Weil aber Kain im Zorn ging, so stand die Liebe Gottes im Zentrum vor ihm ganz verborgen. Damit sollte nun Kain wie ein Ritter der Schlange den Kopf zertreten, wie er es zuvor ausgedacht hatte und in seiner eigenen Macht tun wollte. Und so wurde hier versucht, ob es möglich wäre, das Reich Gottes in eigener Macht durch des Vaters Glanz im Feuer zu besitzen.

20.111. Aber es war elend und alles umsonst, denn Kain schrie in seiner zarten Menschheit „Weh und Ach“ über sich und daß seine Sünde größer als er selbst wäre. Er konnte in seiner Macht nicht zu Gott eingehen und stand zitternd und erblaßt vor dem Abgrund der Hölle, die ihn gefangen hatte und ihn in sich hielt. Dann sonderte er sich auch von den Menschen ab und sprach: »Nun wird mich erschlagen, wer mich findet, denn ich muß von deinem Angesicht fliehen.«

20.112. Darin kann man hier die Absonderung der Kain-Kirche von der christlichen Kirche sehen, weil Gott Kain wegtrieb, so daß er an einem anderen Ort wohnen mußte. So steckt die wahre Erkenntnis dieses hohen Geheimnisses im Wort unter einer Decke und ist selten erkannt worden, soll aber zur Zeit der Lilie im Wunder (offenbar) stehen. Und so magst du, oh antichristliche Kain-Kirche auf Erden, dies wohl wissen, daß sich alles, was du ohne Gottes Geist zu deinem Schmuck und Hochmut sowie zur Stärke und Macht erdichtest, von Abel aus Christi Kirche entfernt hat und mit Kain von Eden in das Land Nod (das „Land des ruhelosen Wanderns“) ausgegangen ist. Vielleicht kannst du dies in der Sprache der Natur verstehen, was es sei, wenn du so hochgelehrt bist, wie deine Heuchler unter ihrem Hütchen wohl meinen, die doch nur die vier Elemente im Ausgang mit Kain ergreifen und nicht das (heilige bzw. ganzheitliche) Element vor Gott. Darum ist es ein (gedankliches) Babel der Verwirrung mit vielerlei Meinung und ohne den Grund im Element, der in Einem und nicht in Vielen steht.

20.113. Du hast hier an Kain einen feinen Spiegel vom Eigenwahn des Menschen, was der eigene Wahn ohne Gottes Geist sei. Kain ging nicht durch die Tür, die Gott Adam und Eva baute, mit dem Wort und Schlangentreter in den Schafstall, sondern stieg durch sein starkes Löwengemüt anderswo hinein und wollte ein Herr über die Schafe sein. Doch so wurde er ein Dieb und Mörder der Schafe, und die Schafe folgten ihm nicht, sondern gingen mit Abel durch das Schwert des Engels Cherub aus diesem vergänglichen und zerbrechlichen Leben mit dem Schlangentreter in ihren ruhigen Schafstall, wo kein Wolf mehr ist. Denn der Cherub läßt keinen Wolf herein, und wenn einer käme, dann würde er ihm das Wolfsherz mit dem Grimm des Reichs dieser Welt reinweg abschneiden. Dann wird er auch ein Schaf, legt sich geduldig unter die Schäflein und sucht nicht mehr den Wolf, denn dieser ist jenseits von Eden im Land Nod (dem „Land des ruhelosen Wanderns“). Er aber ist durch das Schwert des Cherubs ins Paradies gegangen, wo kein Wolf eingeht, denn es ist der Zaun eines Prinzips davor (das heißt, einer ganzen Geburt).

20.114. So magst du dich wohl beschauen, oh Kain-Kirche, mit deinen Gesetzen und dem Schwätzen deiner scharfen Auslegung der Schriften der Heiligen, die im Geist Gottes geschrieben sind. Du solltest dir dein wollüstiges schönes Reich nicht zu fest darauf setzen, denn sie sind meistenteils im Paradies des Elements, reden aus der Wurzel des heiligen Elements durch die Ausgeburt der vier Elemente und fassen oft in der Ausgeburt den Grimm, den die Menschen erweckt hatten. Darum siehe, daß du nicht Stoppelstroh oder wildes Kraut aus den vier Elementen darauf baust! Hast du nicht den Geist der Erkenntnis aus dem heiligen Element, dann laß es bleiben und bekleistere es nicht mit den vier Elementen, sonst steht es in Babel. Es ist nicht gut, die vier Elemente darauf zu bauen, denn der Cherub (mit dem reinhauenden Schwert) steht dazwischen und wird abschneiden, was nicht in den Schafstall gehört. So wirst du keinen Nutzen davon haben, denn deine Arbeit bleibt im Land Nod (in der Ichheit).

20.115. Oh (Nachkomme des) Kain! Schau nur dein Reich an und gedenke, was deinem Großvater Kain begegnet ist, der dieses Reich erbaute und rief »Ach, meine Sünden sind größer, als daß sie mir vergeben werden könnten!« als er sah, daß er mit seinem Reich außerhalb von Gott im Abgrund der Hölle war. Und wenn nicht das freundliche Wort Gottes geantwortet hätte, indem es sprach »Nein, wer Kain erschlägt, der soll siebenfältig gerächt werden.«, und Gott ein Zeichen an ihm gemacht hätte, damit ihn niemand erschlüge, der ihn fände, dann wäre er ganz verzweifelt. Das sind gar wunderliche Worte, denn hier ist Moses Angesicht ganz unter der Decke, und die Decke ist in Wirklichkeit die Kain-Kirche, die das Reich Christi verdeckt.

20.116. Hier sieht man hell und klar den Grund und die Wurzel der falschen Kain-Kirche. Denn Kain hatte sich zum Herrn der Welt gemacht und vertraute nur auf sich selber. Nun hatte er aber in sich selber nichts zum Eigentum, als das erste und dritte Prinzip. Denn nach seiner Seele war er im ersten Prinzip, wie alle Menschen, und nach dem Leib war er im dritten Prinzip, im Reich dieser Welt.

20.117. Nun sollte er mit seiner Seele aus dem Reich dieser Welt in das zweite Prinzip eingehen, nämlich in das Vertrauen auf Gott und in das Wort der Verheißung zu Gott, wie Abel tat. Er sollte mit den Händen im Reich dieser Welt arbeiten, pflanzen und bauen, aber sein Gemüt sollte im Vertrauen auf Gott gerichtet sein und das Reich dieser Welt Gott anbefehlen, und er sollte sich darin wie ein fremder Wandersmann verhalten, der nur dem Leibe nach mit diesem fremden Leib in seinem Eigentum wäre, und der Seele nach nur ein fremder und dazu beschämter Gast. Gleich einem Gefangenen darin, dessen ganzes Wünschen und Trachten sein sollte, wieder in sein wahres Vaterland einzugehen, aus dem er mit seinem Vater Adam ausgegangen war. Aber er ließ das zweite Prinzip als das Reich der Himmel fahren und begab sich mit seiner Seele gänzlich in das Reich dieser Welt, und darin wollte er ein Herr sein. So fing ihn der Zorn, denn er ging vom Wort der Gnadenverheißung ab.

20.118. Da stand das Wort im Zentrum des Himmels gegen ihn, und er stand in der Wurzel der Grimmigkeit gegen das Wort, denn sein Geist ging aus der Pforte des himmlischen Zentrums heraus. So stand er in der grimmigen Feuerswurzel im Qual-Quell des Ursprungs der Schöpfung und begehrte die Ausgeburt aus dem heiligen Element, die dann in Form der vier Elemente im Grimm der Anzündung stand.

20.119. Und daraus entstand sein Zorn gegen Abel, weil Abel nicht in dieser Geburt stand, und sein Geist wollte das Reich von Abel in seinem Reich nicht leiden. Denn er wollte ganz eigenmächtig in den zwei Prinzipien herrschen, in denen er stand, und darum erschlug er Abel.

20.120. Aber Gott wollte das nicht haben, sondern entzündete in Kain den Zorn, der zuvor im angeschwollenen Reich der vier Element geruht hatte und bisher nur in großer Freudenmacht aufgestiegen war, darin ihn Kain nicht erkannte und auch davon nichts wußte. Nur die Essenzen der Seele wußten es, daß er falsch handelte. Aber diese kannten nicht die grimmige Qual in der Anzündung des Feuers, bis sie aus dem Zentrum Gottes in die Falschheit ausgingen. Da fühlten sie das Feuer des Zorns mit großem Schrecken, Zittern und Schreien, denn sie waren von Gott weggegangen und sahen und fühlten die himmlische Quelle nicht mehr. Darum verzweifelten sie, weil sie sich im Zornquell befanden, und so rief der Leib mit allen Essenzen: »Meine Sünden sind größer, als daß sie mir vergeben werden könnten!«

20.121. Und so sieht man hier wahrlich den Spiegel des Höllenabgrunds und der ewigen Verzweiflung: Wenn der Zorn Gottes in der Qual-Quelle aufgeht, weil ihn die Bosheit angeregt hatte, dann beginnen Zittern, Klagen, Schreien und das Verzweifeln in sich selber an Gott. Da sucht die Seele im Reich dieser Welt eine Abstinenz (eine Abwehr bzw. Erleichterung), aber findet keine. Da verläßt sie auch das Reich dieser Welt und läuft in den Ursprung und die Wurzel der ewigen Geburt und sucht Abstinenz, aber findet keine. Da schwingt sie sich in die grausame Tiefe, um vermeintlich den Ursprung der Abstinenz oder die Tore der Einbrechung (bzw. Entstehung) zu erreichen, aber sie fährt nur über die Himmel hinaus in das Alleräußerste, in die grimmige Ewigkeit.

20.122. So wird sie dann dem Leib spinnefeind, in welchem sie die Bildung Gottes getragen hat, und mancher läuft zum Wasser, Strick oder Schwert, um den Leib zu ermorden, der die Seele um die Bildung Gottes gebracht hat, wegen der zeitlichen Wollust, der falschen Zuversicht, dem eigenwilligen Vertrauen, der Verachtung von Bruder und Schwester, deren Ermordung durch Mundraub des zeitlichen Brots und der Verursachung (bzw. Versuchung) seiner Brüder und Schwestern zur Leichtfertigkeit.

20.123. Und so hast du hier, oh Kain-Kirche zu Babel, in deinem Aufsteigen durch Hochmut und Eigenmacht sowie wollüstigem und eigennützigem Leben einen Spiegel. Besiehe dich nur darin, denn du bist in den Geist dieser Welt eingegangen, hast dir das Reich dieser Welt zum Himmelreich gemacht und vertraust nur auf dich selber. Du machst dich zum Herrn von Babel, ziehst nur mit Macht und List das Reich dieser Welt an dich, machst dich zum Patron darin und gehst damit von Gott ab. Du meinst, du seist trotzdem heilig, auch wenn du den armen Abel unter dein Joch niederdrückst und ihn Tag und Nacht quälst. Er soll hier dein Jagdhund sein, und du hältst ihn für dein Eigentum, obwohl du nicht einmal einen Splitter an ihm hast, der dein wäre. Du bist nur sein Treiber in Jericho, sein Mörder, der ihn ausraubt, schlägt und ermordet.

20.124. Fragst du: Warum? Siehe, ich will es dir sagen: Du bist Kain, der Herr dieser Welt, denn du hast dich selber dazu gemacht. So ist nun Abel dein Knecht, der in diese Welt wie ein Gast eingegangen ist. Er steht aber auf und gebiert sich aus dieser Welt wieder in sein Vaterland. Deshalb kannst du ihn nicht leiden und drückst ihn auf zweierlei Weise zu Boden, alles ganz listig und in eigener Macht. Erstlich mit deiner gleisnerischen und falschen Lehre zu Babel, in welcher er glauben soll und muß, was du ihm ohne Gottes Geist vorschreibst, nur um dein aufgeblasen fettes Reich zu stärken. Damit ziehst du ihn auf deinem Weg von Gott in den Geist dieser Welt, so daß er auf dein Geschwätz hören muß. Und tut er das nicht, dann ermordest du ihn wie Abel.

20.125. Zum Zweiten hast du dich zum Herrn über ihn gesetzt, hast ihn dir leibeigen gemacht und prangest so über ihn, wie eine stolze Frau dieser Welt. Du quälst ihn Tag und Nacht und verzehrst ihm seinen Schweiß in Hochmut, alles nach der Rache des Grimms. So steckt er nicht allein in der Finsternis, sondern auch in großem Kummer und Elend, und sucht den Weg der Ausflüchte, wie er doch ans Licht kommen und dem Treiber entfliehen könne.

20.126. Er findet aber in deinen Toren nichts als den Weg der Falschheit mit Geldgeschäft, List, Lüge, Trug und auch Geiz, um ihn auszupressen, damit er weiter unter deinem Joch leben muß. So ermordest du seine arme Seele, damit er von selber unter dein Joch kommt, sich so vom Reich Gottes trennt und in den Geist dieser Welt begibt, um vor deinem Tier zu knien und zu beten und deine stolze Braut zu ehren, die auf deinem Tier reitet, wie uns der Geist Gottes in der Offenbarung von Jesus Christus zeigt.

20.127. So ermordest du stetig den armen Abel auf zweierlei Art und gibst ihm mit deiner Macht und Pracht große Ärgernis. Du ziehst ihn von Gott in den Geist dieser Welt, wo er dann stockblind wird und dir immer nachreiten will, immer auf deinem Tier sitzen und auch ein Herr sein, um über die gebeugten Knie zu reiten. Und so wird das Reich dieser Welt eine wirkliche Mordgrube und vor Gott eine Schandgrube.

20.128. Der Geist deines stolzen Tieres ist der höllische Wurm, und die gekrönte Braut, die darauf sitzt, ist das falsche Weib zu Babel. Sie trinkt nur aus dem Becher der Hurerei und Gräuel, und ihr Trank darin ist der grimmige Zorn Gottes. Davon trinken die Völker und werden trunken, und in ihrer Trunkenheit werden sie Mörder, Räuber, Diebe, Lügner, Treulose, Verächter, Spötter, Aufgeblasene, Eigennützige, Störrige und Boshafte, die sich untereinander selber anfeinden, und deren Zahl kein Ende nimmt. Ein jeder meint, sein Weg sei der wahre, und er gehe auf rechter Bahn. Und wenn Bruder und Schwester nicht auch denselben Weg gehen, dann werden sie verachtet und als Ketzer beschimpft. So beißt sich ein Wolf mit dem anderen, und sein Weg ist sein eigener Dünkel, wie ihn sein Herr lehrt, der doch nur seinem Abgott im Bauch entspricht, damit sein Glanz vor den Menschen groß werde. So betrügen sich die Heuchler gegenseitig, denn es sind Spötter und Verfolger untereinander in sich selber, der eine wie der andere ein Wolf, und so muß der arme Abel, der mit wahrem Vertrauen und Zuversicht in Gott steht, immer nur ihr Fußabtreter sein, und wird immerfort auf zweierlei Weise ermordet.

20.129. Eine Weise ist, daß er betrogen auch in Babel eingeht und am Himmelreich ermordet wird. Die andere, wenn er beständig bleibt, dann will ihn der Teufel mit Kain nicht dulden und ermordet ihn äußerlich nach dem Leib oder seinen guten Namen und seine Ehre, und er verdeckt ihn, so daß er nicht erkannt wird, damit das Reich dem Kain und Antichristen zu Babel bleibe. Davon wir aus Selbsterfahrung viel zu sagen wüßten, wenn uns der Grimm beliebte (und wir uns dem Zorn hingeben würden). Aber unserem Abel geschieht gar wohl, und der Spott gegen uns geht im Lilienblatt auf, dessen wir uns wohl erfreuen wollen, wenn wir aus Jericho wieder nach Jerusalem (in die himmlische Stadt) kommen, zu unserem Vater Abel.

20.130. Oh stolze Braut zu Babel, was hast du denn für deinen überheblichen Stolz vom Geist dieser Welt zu erwarten, daß du ihm so treulich dienst? Siehe, dreierlei: Zuerst, daß dich der Geist dieser Welt verläßt, von dir weicht und dir deinen stolzen Leib hinwegreißt und ihn zu Asche und Erde macht. Dann nimmt er dein Gut sowie Macht und Pracht und gibt es einem anderen, um ihn darin auch eine Zeitlang zu quälen.

20.131. Zum Zweiten, daß er dir alle deine Taten und Vorhaben erfaßt, in die Tinktur deiner Seele stellt und deiner Seele ein anderes Wohnhaus daraus macht, damit er sie nicht nur bloß (bzw. ungestaltet) von sich schicke.

20.132. Und dann zum Dritten, daß er deine Seele aus dem Himmel in die Wollust dieser Welt geführt hat. Hier läßt er sie nun in ihrem Elend ganz nackt und besudelt sitzen, fährt davon und fragt nicht weiter, wo sie ist oder wie es ihr ergehe, auch wenn sie im Abgrund der Hölle bleibt. Das hast du vom Geist dieser Welt zu erwarten als deinen Lohn, weil du ihm so treulich gedient hast.

20.133. Darum, oh Kain, fliehe aus dem Geist dieser Welt, denn es ist ein Feuer vom Herrn des Himmels darin, aus der Wurzel des Ursprungs. Damit wird dein angeschwollenes (angesammeltes) und heimliches Reich entzündet, damit man dich an allen Orten sieht. Du sollst mit all deinen Heimlichkeiten ganz offen stehen, denn der Geist der großen Welt hat die Tinktur gefunden, und seine Rose blüht im Wunder auf.


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