Die drei Prinzipien Göttlichen Wesens

(Text von Jacob Böhme 1619, deutsche Überarbeitung 2021)

14. Kapitel - Geburt und Fortpflanzung des Menschen

Von des Menschen Geburt und Fortpflanzung, die sehr heimliche Pforte.

14.1. Wenn wir uns nun an den Aufgang des Lebens entsinnen, und wo im Leib die Stelle oder der Ort sei, wo das Leben geboren wird, dann finden wir wahrlich allen Grund des Menschen, denn im Menschen ist nichts so heimlich, daß es nicht gefunden werden kann. Und dann müssen wir sagen, daß das Herz die Stätte sei, wo das edle Leben innerlich geboren werde, und das Leben gebiert wiederum das Herz.

14.2. Wie oben erklärt, so nimmt das Leben in der Ängstlichkeit durch die Entzündung des Lichtes seinen Aufgang vom Glanz des Sonnenscheins im Geist der Sterne und Elemente, in der großen Ängstlichkeit, wo Tod und Leben ringen. Denn als der Mensch aus dem Paradies in eine andere Geburt ging, nämlich in den Geist dieser Welt mit der Gestaltungsqualität der Sonne, Sterne und Elemente, da verlosch das paradiesische Sehen, darin der Mensch ohne Sonne und Sterne durch göttliche Kraft sieht und des Lebens Aufgang im Heiligen Geist ist, und der Glanz des Geistes, durch den er sieht, ist das Licht Gottes, das nun verlosch, denn der Seelengeist ging in das Prinzip dieser Welt.

14.3. Darunter sollst du aber nicht verstehen, daß es in sich verloschen sei. Nein, sondern Adams Seele ging aus dem Prinzip Gottes in das Prinzip dieser Welt. Und darin wird nun ein jeder Seelengeist wieder durch menschliche Fortpflanzung (wie oben erklärt) geboren und kann dann auch nicht anders leben. Wenn wir also zum Himmelreich tauglich sein wollen, dann müssen wir wieder im Geist Gottes neugeboren werden, sonst kann niemand das Himmelreich erben, wie Christus uns treulich lehrt (in Joh. 3.3), und davon ich später noch schreiben will, zum Quellbrunnen für den Durstigen und zum Licht für den edlen Weg der Lilienblüte.

14.4. Wir sollten hier erkennen, daß unser Leben, das wir im Mutterleib bekommen, bloß und allein in der Gewalt der Sonne, Sterne und Elemente steht, und daß sie das Kind im Mutterleib nicht nur gestalten und ihm das Leben geben, sondern auch in diese Welt bringen und es die ganze Zeit seines Lebens ernähren und pflegen, ihm Glück und Unglück zufügen und schließlich den Tod und das Zerbrechen. Und wenn unsere Essenzen, aus denen unser Leben geboren wird, nicht höher aus ihrem höchsten Grad wären, nämlich aus Adam, dann wären wir alle den Tieren gleich.

14.5. Denn unsere Essenzen wurden im Aufgang des Lebens in Adam viel höher geboren als in den Tieren, die ihre Essenzen nur vom Geist dieser Welt haben, und so müssen sie auch mit dem Geist dieser Welt wieder in ein vergängliches Wesen gehen, als ihren ewigen Äther (bzw. ihre ewige Quintessenz). Dagegen sind die Essenzen des Menschen aus dem unwandelbaren und ewigen Gemüt Gottes gekommen, die in Ewigkeit nicht vergehen können.

14.6. Einen gewissen Grund dafür sehen wir darin, daß unser Gemüt alles erfinden und ersinnen kann, was im Geist dieser Welt ist. Das kann kein Tier tun, denn keine Kreatur kann höher sinnen als in sein Prinzip, aus dem seine Essenzen im Anfang ausgegangen sind. Deshalb können wir Menschen bis in das Prinzip Gottes sinnen und sogar in das Reich der ängstlichen Hölle, weil unser Seelen-Wurm im Anfang aus Adam stammt, was keine andere Kreatur hat.

14.7. Sondern sie sinnen nur, wie sie sich füllen und nähren wollen, um ihr Leben zu erhalten. Und mehr empfangen wir vom Geist der Sterne und Elemente auch nicht, und darum sind unsere Kinder nackt und bloß, mit großem Unvermögen und wenig Vernunft. Hätte nun der Geist dieser Welt die volle Gewalt über die Essenzen eines Kindes im Mutterleib, dann würde er ihm wohl auch sein rauhes Kleid anziehen, nämlich eine rauhe Haut. Das muß er aber bleibenlassen, und muß die Essenzen aus dem ersten und zweiten Prinzip nach des Menschen eigener Wahl hineinlassen, um sich zu vermählen und zu ergeben, wem er will. Welches dann der Mensch zweifellos in voller Gewalt hat, was ich aber an anderer Stelle noch tiefgründiger ausführen und zuhöchst beweisen will, gegen alle Pforten des Teufels und dieser Welt, die viel dagegen streiten.

14.8. So nimmt nun unser Leben im Mutterleib gänzlich seinen Anfang, wie oben erklärt, und steht hier in der Gestaltungsqualität der Sonne und Sterne, weil dann durch die Anzündung des Lichtes wieder ein Zentrum (einer Person oder Ichheit) aufgeht und sich die edle Tinktur sogleich aus den freudenreichen Essenzen der herben, bitteren und feurigen Art im Licht (des Bewußtseins) gebiert und den Seelengeist in große liebliche Wonne setzt. So werden die drei Essenzen, nämlich Herb, Bitter und Feuer, in der Anzündung des Lebens so fest miteinander verbunden, daß sie in Ewigkeit nicht mehr getrennt werden können, und die Tinktur ist ihr ewiges Haus, in dem sie wohnen, das sie selbst von Anfang bis in Ewigkeit gebären und das ihnen wiederum Leben, Freude und Lust gibt.

Die starke Pforte des unauflöslichen Bandes der Seele

14.9. Siehe, die drei Essenzen von Herb, Bitter und Feuer sind der Wurm oder Geist. Herb ist eine Essenz, die im Schöpfungswort Gottes aus dem ewigen Willen Gottes kommt, und das Anziehen der Herbigkeit wird zum Stachel der Bitterkeit, welches die Herbigkeit nicht erdulden kann und immer mehr an sich zieht, davon der Stachel immer größer wird, obwohl ihn die Herbigkeit gefangenhält. Das ist zusammen die große Ängstlichkeit, die da im finsteren Gemüt des göttlichen Vaters war, als sich die Finsternis nach dem Licht ängstigte, davon sie durch des Lichtes Glanz in der Ängstlichkeit den schielenden Feuerblitz bekam. Daraus wurden die Engel geschaffen, die danach durch ihre Imagination ins Herz Gottes vom Licht Gottes erleuchtet wurden, während die andern, wie Luzifer, wegen ihres überheblichen Stolzes im Feuerblitz und der Ängstlichkeit blieben.

14.10. Diese Geburt mit dem unauflöslichen Band (von Ursache und Wirkung in den Grundessenzen bzw. Qualitäten) wird in jeder Menschenseele geboren, und vor der Anzündung des Lichtes des Kindes im Mutterleib gibt es keine (persönliche) Seele, denn mit der Anzündung wird das ewige Band verknüpft, so daß es ewig besteht. Und dieser Wurm der drei Essenzen stirbt oder zertrennt sich nicht, denn das kann nicht möglich sein, weil sie alle drei aus einem Brunnen geboren werden und drei Qualitäten haben, aber nur ein Wesen sind, gleichwie auch die Heilige Dreifaltigkeit dreifaltig und doch nur ein Wesen ist. So haben diese Essenzen zwar drei Ursprünge in einer Mutter, aber sind ineinander ein Wesen. Und so ist auch die Seele des Menschen und nicht wesentlich weniger (als die Heilige Dreifaltigkeit), als nur ein Grad im ersten Ausgang, denn sie ist aus dem ewigem Willen des Vaters und nicht aus dem Herzen Gottes geboren, aber das Herz Gottes ist ihr am nächsten.

14.11. Nun versteht man aber an der Seele Essenzen und Eigentum gar sehr, daß sie in diesem Fleischhaus, wo sie gleichsam geboren wird, nicht daheim ist, und darin erkennt man ihren erschreckenden Fall. Denn sie hat kein eigenes Licht in sich und muß sich ihr Licht von der Sonne entleihen. Das geht zwar in ihrer Geburt mit auf, aber ist zerbrechlich (und vergänglich), doch der Seele Wurm nicht. Und man sieht, wie es im Sterben des Menschen verlischt, und wenn dann das göttliche Licht im Zentrum nicht wiedergeboren ist, dann bleibt die Seele in ewiger Finsternis, in der ewigen ängstlichen Qual der Geburt, wo nicht mehr als ein schrecklicher Feuerblitz im entzündlichen Feuer gespürt wird, und in welcher Qual auch die Teufel wohnen, denn es ist das erste Prinzip.

14.12. Und so braucht die Seele hier in dieser Welt das Licht des dritten Prinzips, danach sich Adams Seele gelüsten ließ und vom Geist der großen Welt gefangen wurde. Wenn aber die Seele im Heiligen Geiste wiedergeboren wird, so daß ihr Zentrum zur Wiedergeburt für sich aufgeht, dann sieht sie mit zwei Lichtern und lebt in zwei Prinzipien. Dann ist das innerste und erste Prinzip fest zu (verschlossen) und hängt ihr nur noch (leiblich) an, darin der Teufel die Seele anficht und versucht. Dagegen nun die Jungfrau (welche in die Tinktur der Wiedergeburt gehört und im Abscheiden des Leibes von der Seele wohnen wird) mit dem Teufel kämpft und ihm den Kopf mit der Kraft des Sohns der Jungfrau zertritt, und das für ihren Fürsten und Helden, wenn in der Tinktur der Seele durch die Kraft der Seele ein neuer (göttlicher bzw. ganzheitlicher) Leib hervorgehen wird.

14.13. Und daß, wenn die Seele vom Leib geschieden ist, sie vom Teufel und Geist dieser Welt nicht mehr versucht werden könne. Dann ist der Seele eine sanfte Ruhe in ihrem Zentrum beschlossen, um in ihrer eigenen Tinktur zu bleiben, die im verborgenen Element im Paradies zwischen dieser Welt und dem Höllenreich steht, bis Gott diese Welt in ihren Äther setzt (und ins Ungestaltete zurückzieht), so daß die Zahl der Menschen und Bildungen nach der Tiefe des ewigen Gemüts Gottes vollendet ist.

14.14. Wenn wir uns nun entsinnen, wie das zeitliche und vergängliche Leben geboren wird, dann finden wir, daß die Seele eine Ursache aller Glieder für das Leben des Menschen ist, denn ohne sie würde kein Glied zum Leben des Menschen geboren. Denn wenn wir des Lebens Aufgang und Anzündung erkunden, dann finden wir mächtig mit klarem Zeugnis aller Glieder: Wenn sich das helle Licht der Seele anzündet, dann steht das Schöpfungswort in so großen Freuden und scheidet in der Matrix augenblicklich das Unreine vom Reinen (was zur jeweiligen Gestaltung gehört und was nicht). Dazu dient die Tinktur der Seele als Werkmeister, der da renoviert, und das Schöpfungswort erschafft es.

14.15. Wenn dann die herbe Matrix vom Licht so demütig, dünn und süß wird, dann geht der grimmige Schreck, der vor dem Licht so giftig war, über sich hinaus, denn er erschrickt vor der Sanftmut der Matrix und wird ein Schreck großer Freude. Doch er behält sein grimmiges Naturrecht und kann nicht verwandelt werden, und kann auch nicht weit weg, denn er wird vom Schöpfungswort gehalten, sondern dehnt sich nur geschwind in die Höhe. Und der Schreck macht ihm (dem Menschen) ein Fehl (einen Makel) vom herben Schöpfungswort, das den Schreck hält, und das ist nun die Galle über (körperlich gesehen unter, doch geistig gesehen über, nämlich bedeckend) dem Herzen.

14.16. Weil nun aber die Matrix, von welcher der Schreck ausgegangen war, vom Schreck der Ängstlichkeit entledigt und so süß wie süßes Wasser ist, so bildet sich der Geist der großen Welt ganz geschwind mit in die Matrix ein, füllt die vier Elemente hinein und denkt: „Nun habe ich die süße Jungfrau!“ Und das Schöpfungswort erschaffet es und unterscheidet die Elemente, die nun auch im Streit sind, denn ein jedes will die Jungfrau haben. So sind sie im Ringen, bis eines das andere überwunden hat, und das Feuer als das mächtigste und stärkste oben bleibt und das Wasser unter ihm. Die Erde muß als ein schwerfälliges Ding (ganz) unten bleiben, und auch die Luft will eine eigene Region haben.

14.17. Denn sie spricht: „Ich bin der Geist und das Leben! Ich will in der Jungfrau wohnen.“ Und das herbe Schöpfungswort zieht alles an sich und macht es zu einem Menschen und dann auch zu Fleisch. Und das Feuer behält die Oberregion, nämlich das Herz. Denn wegen ihres Zanks unterschieden sich die vier Elemente, und jedes machte ihm eine besondere Region, und das Schöpfungswort machte alles zu Fleisch. Nur die Luft wollte kein Fleisch haben, denn sie sprach: „Ich wohne ohne Haus.“ Doch das Schöpfungswort sprach „Ich habe dich geschaffen, du bist mein!“ und umfaßte sie mit einem Verschluß, und das ist die Blase.

14.18. So stellten sich nun auch die anderen Regionen nacheinander ein: Zuerst der grimmige Blitz, das ist die Galle, und unter dem Blitz das Feuer, seine Region ist das Herz, und unter dem Feuer das Wasser, seine Region ist die Leber, und unter dem Wasser die Erde, ihre Region ist die Lunge.

Johann Georg Gichtel, Der ganz irdische, natürliche und finstere Mensch in den Sternen und Elementen.

(Johann Georg Gichtel, „Der ganz irdische, natürliche und finstere Mensch in den Sternen und Elementen“ (1736). Im Körper sieht man sieben Kreise, die an die Chakren im indischen Yoga erinnern. Von oben nach unten: Saturn-Hoffart, Jupiter-Geiz, Mars-Neid, Sonne-Eigenliebe, Venus-Liebe, Merkur-Zorn und Mond. Die Spirale bewegt sich von innen nach außen: Sonne > Venus > Mars > Merkur > Jupiter > Mond > Saturn. Der Hund symbolisiert das tierhafte Wesen neben dem Herzen, das von der Schlange umwickelt ist. Neben den Beinen steht die Zuordnung der Elemente: Feuer-Herz, Wasser-Leber, Erde-Lunge, Luft-Blase. Diese etwas seltsame Zuordnung stammt vermutlich aus der hippokratischen und aristotelischen Lehre der Elemente. Im indischen Yoga System findet man die Zuordnung der Chakren von oben nach unten: universale Intelligenz (Mahat), Ichbewußtsein (Ahankara), Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde)

14.19. Dann qualifizierte (wirkte) ein jedes Element in seiner Quelle, und doch konnte eines ohne das andere nichts machen, hatte auch keine Beweglichkeit ohne das andere, denn eines gebiert das andere, und wie alle vier aus einem Ursprung kommen, so sind sie auch ein Wesen mit ihrer Geburt, wie ich vorn von der Schöpfung und der Geburt der vier Elemente ausführlich erklärt habe.

14.20. Die grimmige Galle, als der schreckliche giftige Feuerblitz, zündet im Herzen die Wärme oder das Feuer an und ist die Ursache, daraus dann alles entsteht.

14.21. Hier finden wir in unserem Entsinnen abermals den schrecklichen, kläglichen und elenden Fall in der Menschwerdung. Denn wenn das Licht des Lebens aufgeht, so daß das Schöpfungswort in der Tinktur des Seelengeistes die Matrix renoviert (erneuert), dann stößt das Schöpfungswort den Tod der Erstickung und Verderbnis im Grimm heraus, nämlich das Unreine des erstickten Geblüts von sich aus seinen Essenzen, verwirft es und will es auch im Körper nicht leiden. Und zum Überfluß führt es das Schöpfungswort selber aus und macht aus seiner zähen Herbigkeit einen Verschluß ringsherum, wie ein Fell oder Darm, so daß es weder das Fleisch noch den Geist berührt, aber läßt ihm die untere Pforte offen und weist es auf ewig an, daß das Unreine nicht in dieses Reich gehört. Gleichwie auch der Erde geschah, als sie das Schöpfungswort aus der Matrix in einem Klumpen mitten ins Zentrum gestoßen hatte, wie etwas, das im Himmel nichts taugt. So geschieht es auch hier.

14.22. Doch noch viel größere Mysterien finden wir zum Zeugnis des grauenhaften Falls: Denn nachdem sich die vier Elemente so eingesetzt hatten, jedes in eine besondere Region, da haben sie sich auch zum Herrn über den Seelengeist gemacht, der aus den Essenzen geboren wird, und haben ihn in ihre Macht genommen und inqualieren (wechselwirken) mit ihm. Das Feuer, als das mächtigste Element, hat ihn in seine Region ins Herz genommen. Dort muß er aushalten, und seine Blume geht wie ein Licht aus dem Herzen und schwebt über dem Herzen wie ein angezündetes Licht einer Kerze, weil die Kerze das fleischliche Herz mit den Essenzen andeutet, daraus das Licht erscheint. So hat sich das Feuer über die Essenzen gesetzt und greift immerfort nach dem Licht und meint, es habe die Jungfrau der göttlichen Kraft.

14.23. Hier wird die heilige Tinktur aus den Essenzen geboren. Sie fragt nicht nach dem Feuer, sondern setzt die Essenzen als die Seele in ihre liebliche Wonne. Aber da kommen die anderen drei Elemente aus ihren Regionen und füllen sich mit Gewalt mit ein. Ein jedes will die Jungfrau kosten, sie ernähren und mit ihr inqualieren. So füllt sich das Wasser mit ein und schmeckt die süße Tinktur der Seele. Und das Feuer spricht: „Ich will das Wasser gern behalten, denn ich kann meinen Durst damit löschen und mich daran erfreuen.“ Und die Luft spricht: „Ich bin ja der Geist, ich will deine Hitze und Feuer aufblasen (anfachen), damit dich das Wasser nicht erstickt.“ Und das Feuer spricht zur Luft: „Ich will dich erhalten, denn du erhältst mir meine Qualität, damit ich nicht verlösche.“ So kommt dann das Element Erde und spricht: „Was wollt ihr drei allein machen? Ihr werdet ja verhungern und einander selbst verzehren, denn ihr hängt alle drei aneinander und freßt euch gegenseitig. Und wenn ihr das Wasser verzehrt habt, dann verlöscht ihr alle, denn die Luft kann ohne das Wasser nicht wehen, weil das Wasser die Mutter der Luft ist, die die Luft gebiert. Dazu wird das Feuer, wenn das Wasser verzehrt ist, viel zu grimmig und verzehrt den ganzen Leib. Dann vergeht unsere Region und keines kann bestehen.“

14.24. Darauf sprechen die drei Elemente, das Feuer, die Luft und das Wasser zur Erde: „Du bist ja so finster, rauh und kalt, und wurdest vom Schöpfungswort verstoßen. Wir können dich nicht aufnehmen, denn du verdirbst unsere Wohnung und machst sie finster und stinkend. So betrübst du uns die Jungfrau, die da unser eigener Schatz und unsere Liebe ist, in der wir leben wollen.“ Und die Erde spricht: „Dann nehmt doch meine Kinder auf, die sind lieblich und voll guter Essenzen. Sie geben euch Speise und Trank und pflegen euch, daß ihr nimmer Not habt.“

14.25. Darauf sprechen die drei Elemente: „Diese Kinder würden aber danach in uns wohnen und stark und groß werden, und dann müßten wir weichen oder ihnen untertänig sein. Darum wollen wir sie nicht hereinnehmen, denn sie würden so rauh und kalt werden wie du. Doch eines wollen wir tun, du kannst deine Kinder in unserem Vorhof wohnen lassen. Dann wollen wir zu ihnen zu Gast kommen und von ihrer Frucht essen und von ihrem Trank trinken, dieweil uns das Wasser sonst zu wenig sein könnte, wie es als Element begriffen ist.“

14.26. Da sprechen nun die drei Elemente von Feuer, Wasser und Luft zum Geist: „Hole uns die Kinder der Erde, damit sie in unserem Vorhof wohnen. Wir wollen von ihren Essenzen essen und dich stark machen.“ Da muß nun der Seelengeist wie ein Gefangener gehorsam sein und muß sie mit seinen Essenzen ergreifen und einsperren. Damit kommt das Schöpfungswort und spricht „Nein, ihr könntet mir entrinnen!“, und erschafft das Greifen. So werden die Hände daraus mit den Zeichen und Gestalten aller Essenzen, wie es vor Augen steht und der Astrologe wohl weiß. Aber das Geheimnis weiß er nicht, obwohl er die Zeichen nach dem Gestirn und den Elementen deuten kann, die in den Essenzen des Seelengeistes mit inqualieren.

14.27. Wenn nun die Hände im Willen nach den Kindern der Erde greifen, welches doch im Geist des Kindes nur ein Wille im Mutterleib ist, dann ist auch das Schöpfungswort da und macht einen großen Raum im Vorhof der drei Elemente mit einem zähen und festen Verschluß darum, damit es das Fleisch nicht berühre. Denn es fürchtet sich vor den Kindern der Erde, weil die Erde wegen ihrer rauhen und stinkenden Finsternis verworfen ist, und zittert vor großer Furcht. Und weil ihm ja die Kinder der Erde zu rauh wären und einen Gestank anrichten wöllten, sieht es zum Besten ein Loch vor, um den Gestank und die Grobheit ausstoßen zu können und schafft aus dem Vorhof, welcher der Magen ist, einen Ausgang und umschließt ihn mit seiner zähen Herbigkeit, und so wird ein Darm daraus.

14.28. Dieweil aber der Feind noch nicht im Wesen ist, sondern nur im Willen des Geistes, so geht es gar langsam unter sich und sucht die Pforte, wo es einen Ausgang und ein Loch machen will, damit es den Gestank und die Grobheit auswerfen kann. Dadurch werden die Gedärme so lang und verschlungen.

14.29. Wenn nun das Gespräch (das geistig zwischen den drei Elementen von Feuer, Luft und Wasser geführt wird) der Geist der Erde in den Essenzen in der Lungen-Region vernimmt, dann kommt er zuletzt, wenn die Wohnung oder der Vorhof der Erden-Kinder schon erbaut ist, und spricht zu den drei Elementen: „Warum wollt ihr den Leib als Geist nehmen? Ihr wollt der Erde Kinder nehmen und von ihnen essen. Ich bin doch ihr Geist und bin lauter. Ich kann der Seele Essenzen mit meiner Kraft der Essenzen stärken und wohlerhalten. Nehmt mich herein!“

14.30. Und sie sagen: „Ja, wir wollen dich hereinnehmen, denn du bist ein Glied an unserem Geist. Du sollst in uns wohnen und die Essenzen unseres Geistes stärken, so daß er nicht verschmachte. Aber der Erde Kinder müssen wir auch haben, denn auch sie haben unsere Qualität in sich, auf daß wir uns erfreuen können.“ Und der Geist der Lunge spricht: „So lebe ich in euch allen und freue mich mit euch.“

Die Pforte des siderischen oder Sternen-Geistes

14.31. Wenn nun das Licht der Sonne (das sich im Feuerblitz der Essenzen des Geistes erblickt und eingebildet hatte und im Feuerblitz scheinend war, wie in einer fremden Kraft, und nicht der Sonne eigen) sieht, daß es die Region bekommen hat, an der sich die Essenzen der Seele, die der Wurm oder Geist ist, wie auch die Elemente in ihrer Kraft und ihrem Glanz erfreuen wollen, und daß sich die Elemente vier Regionen und Wohnungen zu einem immerwährenden Sitz (im Leib) gemacht haben, und daß sie (die Sonne) wie ein König verehrt wird und sie ihr im Geist der Essenzen im Hof des Herzen dienen, und sie so lieben und sich in ihrem Dienst erfreuen, und noch der Erde Kinder bestellt haben, daß sie der Geist bringen soll, weil sie dann erst fröhlich und mächtig sein und von der Erde Kinder Essenzen essen und trinken wollen, so denkt sie: „Hier ist gut zu wohnen. Du bist König und willst dein Geschlecht auch hierherbringen und sie über die Elemente erhöhen und dir eine Region machen, weil du ja König bist.“ Und so zieht das Gestirn an sich, bringt sich in die Essenzen ein und setzt sich über die Elemente mit ihren wunderlichen und unerforschlichen vielfältigen Essenzen, deren Zahl unergründlich ist. So macht sich der Sonnenkönig eine Region und ein Reich aus seinem Geschlecht in einem fremden Land.

14.32. Doch die Essenzen der Seele sind nicht dieses Königs eigen, denn er hat sie nicht geboren, und sie ihn auch nicht. Sondern er hat sich aus Lust mit in ihre Essenzen eingebildet und in ihrem Feuerblitz angezündet, mit dem Willen, ihre Jungfrau zu suchen und darin zu leben, welches die holdselige göttliche Kraft ist. Denn weil der Seele Geist aus dem Ewigen ist und vor dem Fall die Jungfrau hatte, so sucht nun der Geist der großen Welt immerfort die Jungfrau im Seelengeist und meint, sie sei noch hier, wie vor dem Fall, als sich der Geist der großen Welt in Adams Jungfrau mit so großen Freuden erblickte und auch in der Jungfrau leben und ewig sein wollte, weil er seine Vergänglichkeit fühlte. Und weil er in sich selbst so rauh war, wollte er der Jungfrau Süßigkeit und Freundlichkeit empfangen und in ihr leben, damit er nicht wieder vergehe, sondern ewig lebe.

14.33. Denn durch das große Sehnen der Finsternis nach dem Licht und der Kraft Gottes, wurde diese Welt aus der Finsternis geboren, weil sich die heilige Kraft Gottes in der Finsternis spiegelte. Darum blieb diese große Sehnsucht nach der göttlichen Kraft im Geist der Sonne, Sterne und Elemente sowie in allen Dingen. Alles ängstigt und sehnt sich doch nach der göttlichen Kraft und wollte gern von der Eitelkeit des Teufels frei sein. Weil es aber nicht sein kann, so müssen alle Kreaturen bis zu ihrer Auflösung warten, wenn sie in ihren Äther (der Quintessenz) eingehen und den Sitz im Paradies erlangen, aber nur in der Bildung und im Schatten, denn der Geist wird zerbrochen (und vergeht), der hier eine solche Lust hegt.

14.34. Nun muß aber diese Lust so sein, sonst würde keine gute Kreatur entstehen, und in dieser Welt wären nur Hölle und Grimmigkeit. Weil nun die Jungfrau im zweiten Prinzip steht, so daß sie der Geist dieser Welt nicht erreichen kann, aber sich die Jungfrau immerfort im Geist dieser Welt zu ihrer Lust der Früchte und Gewächse aller Dinge spiegelt, dadurch ist er so lüstern und sucht immerfort die Jungfrau. Dazu erhebt er sogar manche Kreatur mit größter Klugheit und List und bringt sie in den höchsten Grad, soweit er nur kann, und vermeint immerfort, es soll ihm die Jungfrau wiedergeboren werden, die er in Adam vor seinem Fall erblickt hatte. Doch gerade dieser Weltgeist brachte Adam zu Fall, weil er in der Jungfrau wohnen wollte und mit seiner großen Lust Adam so sehr zwang, daß er in den Schlaf fiel, das heißt, er setzte sich mit Gewalt in Adams Tinktur zur Jungfrau und wollte in sie und mit ihr inqualieren und ewig leben, davon die Tinktur müde wurde und die Jungfrau entwich.

14.35. So fiel Adam nieder und wurde ohnmächtig, was man hier den Schlaf nennt. Das war der Baum der Versuchung gewesen, nämlich ob es möglich wäre, daß Adam ewig in der Jungfrau leben, die Jungfrau wieder aus sich gebären und im Reich der Engel bestehen konnte.

14.36. Als es aber wegen der Überwältigung durch den Geist dieser Welt nicht sein konnte, wurde danach auch die äußerliche Versuchung durch den Baum der Früchte dieser Welt angewendet. Und dadurch wurde Adam vollends ein Mensch dieser Welt, aß und trank von den irdischen Essenzen, infizierte sich mit dem Geist dieser Welt und wurde sein Eigentum, wie nun kläglich zu sehen ist, wie dieser Geist schon das Kind im Mutterleib zur Menschwerdung besitzt. Denn er weiß nun nichts anderes, als die Jungfrau im Menschen zu suchen, wo er sie zuerst erblickt hat.

14.37. Darum ringt er in manchem Menschen, der von kräftiger Komplexion ist und in dem sich die Jungfrau oft spiegelt, so hart und vermeint immer, er wolle die Jungfrau bekommen und sie könne geboren werden. Und je mehr sich die Seele gegen ihn wehrt und zum Herzen Gottes dringt, um sich diesem zum Eigentum zu ergeben (weil sich dann die liebliche Jungfrau nicht nur spiegeln, sondern auch manche Stunde in ihr Nest der Seelen-Tinktur setzen darf), desto mächtiger und begieriger wird der Geist dieser Welt.

14.38. Weil dann der König, das Licht der Sonne, im Geist so freudenreich wird, triumphiert, jauchzt und sich so hoch erfreut, daß er alle Essenzen der Sterne bewegt und in ihren höchsten Grad bringt, um sich hoch zu gebären, und weil dann alle Zentren der Sterne aufgehen und sich die holdselige Jungfrau darin erblickt, deshalb kann das Wesen der Seele im Licht der Jungfrau in die Zentren der Sterne sehen, was in ihrem Ursprung und Quell ist.

14.39. Davon meine Seele wohl weiß und auch ihre Erkenntnis so empfangen hat, was Meister Hans (der gelehrte Verstand) unter dem gekrönten Hütlein nicht glauben kann, weil er es nicht begreift. So hält er es für unmöglich und mißt es dem Teufel zu, wie die Juden dem Sohn der Jungfrau taten, als er in der Jungfrau die Zeichen der Wunder vollbrachte. Deshalb fragt meine Seele nicht nach ihnen und achtet auch ihren überheblichen Stolz nicht, denn sie hat an der Perle genug, und hat Lust, dem Durstigen das Wasser zu weisen. Das gekrönte Hütlein mag unter der Decke des Antichrists fröhlich spielen, bis die Lilie wächst. Dann wird der Duft der Lilie das Hütlein abwerfen, sagt die Jungfrau, und der Durstige wird vom Wasser des Lebens trinken, und dann regiert der Sohn der Jungfrau in Joschafats Tal.

14.40. Weil uns nun das Mysterium im Licht der Jungfrau so wunderlich begegnet, wollen wir dem suchenden Gemüt, das in ernster Hoffnung die Perle zu finden sucht, hier noch eine Pforte eröffnen, wie sie uns in der Jungfrau eröffnet wurde. Denn das Gemüt fragt: „Wenn die Sonne, Sterne und Elemente niemals im zweiten Prinzip gewesen waren, wo sich die Jungfrau aus dem Licht Gottes gebiert, wie haben sie denn die Jungfrau in Adam erkennen können, so daß sie sich so begierig nach der Jungfrau sehnen?“

14.41. Die Tiefe im Zentrum: Erkenne, du suchendes Gemüt: Was du vor Augen siehst, ist nicht das Element, weder im Feuer, in der Luft, im Wasser oder in der Erde. Auch sind ihrer nicht vier, sondern nur Eins, und das ist beständig und unsichtbar, auch unempfindbar. Denn das Feuer, das da brennt, ist kein Element, sondern der Grimm, der in der Anzündung des Zorns so entstand, als die Teufel aus dem Element fielen. Das Element ist weder heiß noch kalt, sondern es ist die Hinneigung in Gott, denn das Herz Gottes ist „Barm“, und seine Neigung ist anziehend und immer findend. Dann ist es auch „Herz“, das Ding für sich, das nichts in sich behält, und schließlich ist es „ig“, das Ding immerfort erblickend. Das ist alles ewig. („Barm-herz-ig“, auch Weg-Objekt-Subjekt, wie „der Weg, die Wahrheit und das Leben“) Und das ist der Grund des inneren Elements, welches der Zorn substantiell machte, so daß es sichtbar und empfindbar wurde und Luzifer mit seinen Legionen erweckte. Darum ist er nun auch ein Fürst des Zorns im angezündeten Element geblieben, wie ihn Christus nach dieser Gestalt einen Fürsten dieser Welt nannte. (Joh. 12.31)

14.42. Und so bleibt das Element dem Zorn und Grimm verborgen und steht im Paradies, und doch geht der Grimm von diesem Element aus. Darum hat Gott die Teufel mit dem Element im Grimm gefangen und hält sie mit dem Element, und der Grimm kann das Element nicht ergreifen, gleichwie das Feuer das Licht, denn das Licht ist weder heiß noch kalt. Aber der Grimm ist heiß, und so hält eines das andere, und eines gebiert das andere.

14.43. Hier merke: Adam war aus dem Element erschaffen, aus dem Anziehen des Herzens Gottes, welches des Vaters Wille ist. Und darin ist die Jungfrau der göttlichen Kraft, die das äußere Regiment gern in sich hätte (das sich in der Anzündung in vier Teile teilte). Das heißt, der Grimm des Teufels wollte gern im Herzen Gottes wohnen, um über dasselbe zu herrschen und hier ein Zentrum aufzuschließen, was aber die Grimmigkeit ohne das (reine) Licht nicht tun kann. Denn ein jedes Zentrum wird durch Anzündung des Lichtes (des Bewußtseins) geboren und aufgeschlossen. So wollte nun gern die Grimmigkeit über die Sanftmut herrschen, und darum hat Gott die Sonne aufgehen lassen, so daß sie in der Herbigkeit vier Zentren aufgeschlossen hat, als den Ausgang (der vier Elemente) aus dem einen Element.

14.44. Als sich das Licht der Sonne in der grimmigen Herbigkeit selbst erblickte, wurde die Herbigkeit dünn und süß zu Wasser, und der Grimm im Feuerblitz wurde durch das Wasser gelöscht, so daß der Zorn stillstand. Aber der Wille konnte nicht ruhen, sondern ging in der Mutter aus dem Wasser aus und bewegte sich, welches nun die Luft ist. Und was der Grimm an sich gezogen hatte, wurde aus dem Element ins Wasser gestoßen, wie du nun siehst, daß die Erde im Wasser schwimmt.

14.45. So ängstigt sich nun das irdische Kind nach der Mutter, und wäre gern bei der Mutter im Element, aber kann es nicht mehr erblicken. Aber in Adam erblickte es das Element, und darum haben die vier Elemente Adam an sich gezogen und vermeinen, sie haben die Mutter, dieweil sich hier die Jungfrau solcherart im lebendigen Geist Adams sehen ließ.

14.46. So will nun der Geist der Sterne und Elemente immer wieder ins (ganzheitliche) Element, denn hier sind Sanftmut und Ruhe, während in ihrer Anzündung nur Anfeindung und Widerwillen sind und auch der Teufel darin regiert. Sie wären also gern den schädlichen bösen Gast los und sehnen sich mit großen Ängsten nach der Befreiung, wie St. Paulus sagt: »Alle Kreaturen sehnen sich mit uns, von der Eitelkeit frei zu werden. (Röm. 8.22)«

14.47. Da fragt das Gemüt: „Warum läßt es denn Gott so lange in Ängsten schweben? Ach, wann soll es denn geschehen, daß ich die Jungfrau sehen kann?!“ Höre, du edles und teures Gemüt, es soll alles zur Herrlichkeit Gottes eingehen und Gott preisen, wie geschrieben steht: »Alle Zungen sollen Gott loben.« Laß vorübergehen, bis die Zahl zum Lob Gottes voll ist, nach dem ewigen Gemüt.

14.48. Fragst du: „Wie groß ist sie denn?“ Siehe, zähle die Sterne am Firmament, zähle die Bäume, Kräuter und Gräslein! Kannst du das? So groß ist die Zahl, die zur Ehre und Herrlichkeit eingehen soll. Denn alle Sterne treten am Ende wieder ins Element, in die Mutter, und allda wird erscheinen, wieviel Gutes sie hier mit ihrer Wirkung geboren haben. Denn aller Wesen Schatten und Bildnis werden im Element vor Gott erscheinen und ewig stehen. Darin wirst du große Freude haben und alle deine Werke darin sehen, auch deine erlittene Trübsal. Sie werden alle in große Freude verwandelt werden, und du wirst dich wohl ergötzen. Nur harre des Herrn! Der Geist deutet: Wenn die Zeit der Lilie um ist (bzw. gekommen ist), dann soll es geschehen.

14.49. Darum hält Gott aus unserer Sicht so lange Zeit, damit sein Reich der Herrlichkeit in der Zahl groß werde. Doch vor ihm ist es nur ein Augenblick. So gedulde dich nur, diese Welt vergeht gewiß mitsamt der Grimmigkeit, die im ersten Prinzip bleibt. Darum hüte dich davor!

14.50. Mein lieber Leser! Ich führte meine Vorstellung von den Essenzen der Menschwerdung im Mutterleib mit einem Gespräch des Geistes mit den Essenzen und Elementen ein, denn ich kann es nicht besser zu verstehen geben. Nur daß du weißt, daß es kein (gewöhnliches) Gespräch ist. Doch es geschieht in den Essenzen und im Geist gewißlich so. Da wirst du sagen: „Du steckst nicht in der Menschwerdung, so daß du es sehen kannst. Denn du bist doch schon Mensch geworden und weißt nicht mehr wie oder wann, und kannst nicht wieder in den Mutterleib kommen oder gehen, um zu sehen, wie es dort zugeht.“ Ja, so ein Doktor war ich auch einmal und konnte mit meinem eigenen Verstand nicht anders richten, solange ich noch in meiner eigenen Blindheit steckte. Aber Gott sei Lob, der mich durch das Wasser und den Heiligen Geist wieder zu einer lebendigen Kreatur geboren hat, so daß ich in seinem Licht meine große angeborene Untugend sehen kann, die in meinem Fleisch ist.

14.51. So lebe ich nun im Geist dieser Welt in meinem Fleisch, und so dient mein Fleisch dem Geist dieser Welt, aber mein Gemüt dient Gott. Mein Fleisch ist von dieser Welt geboren und hat seine Regionen von den Sternen und Elementen, die darin wohnen und den Leib beherrschen. Doch mein Gemüt ist in Gott wiedergeboren und lebt Gott. Und wenn ich auch die Jungfrau nicht fassen und halten kann, so daß das Gemüt (noch oft) in Sünde fällt, so soll es doch der Geist dieser Welt nicht immer gefangenhalten.

14.52. Denn die Jungfrau hat mir ihre Treue zugesagt, mich in keiner Not zu verlassen. Sie will mir im Sohn der Jungfrau zu Hilfe kommen. Ich soll mich nur immerfort an ihn halten, und er wird mich wieder zu ihr ins Paradies bringen. Dafür will ich es wagen und durch Dornen und Disteln gehen, durch allerhand Spott und Schande, die mir begegnen werden, so gut ich kann, bis ich mein Vaterland wiederfinde, aus dem meine Seele gewandert ist und wo meine liebste Jungfrau wohnt. Ich verlasse mich auf ihre treue Zusage, wie sie mir erschien: Sie wolle all mein Trauern in große Freude verwandeln. Denn als ich gegen Mitternacht am Berg lag, alle Bäume über mich fielen und alle Sturmwinde über mich gingen und der Antichrist seinen Rachen gegen mich aufsperrte, um mich zu verschlingen, da kam sie mir zum Trost und vermählte sich mit mir.

14.53. Darum bin ich nun erwachter und frage nicht mehr nach dem Antichristen, denn er regiert nicht weiter über mich, als über das Haus der Sünde, dessen Patron ist er. Er mag es nur immer hinnehmen, so komme ich in mein Vaterland. Doch ist er hier nicht mehr ganz ein Herr, sondern wie ein Affe Gottes. Gleichwie ein Affe allerlei Gaukelspiel darbietet, wenn er satt ist, so daß er Freude hat und gern das schönste Tier und am behendesten sein wollte, so ist auch der Antichrist, und seine Macht hängt am großen Baum dieser Welt, und jeder Sturmwind kann sie ihm davonwehen.

14.54. Wie ich dem Leser nun zum Trost erklärt habe, wie das wahre Element ganz verborgen in den äußeren angezündeten Elementen steckt, damit er auch weiß, was er ist, und in solcher ernsthaften Offenbarung nicht verzage, so will ich nun mit meinem Gespräch zwischen den Elementen, der Sonne und den Sternen fortfahren, wo ein stetiges Ringen und Überwinden ist, darin das Kind im Mutterleib geformt wird. Und füge dem Leser noch hinzu, daß freilich das wahre Element in den äußeren Elementen im Menschen verborgen liegt, welches der Seele Schatzkasten ist, soweit sie treu ist und sich zu Gott neigt.

14.55. Wenn nun dem Kind im Mutterleib so wunderlich Herz, Leber, Lunge, Blase, Magen und Geist mit allen anderen Gliedern durch das Gestirn und die Elemente geformt wurde, dann geht nun auch die Region oder das Regiment auf, das vollends alles bildet, was noch fehlt. Und so können wir nun trefflich den Ursprung der Sprache, des Gemüts und der Sinne bedenken, in denen der Mensch ein Bild und Gleichnis Gottes sei und in denen die edle Erkenntnis aller drei Prinzipien steht.

14.56. Denn im bisher erklärten Aufgang des Lebens im Mutterleib steht auch jedes Tier und nimmt seinen Anfang im Mutterleib auf gleiche Art und Weise, und auch ihr Geist lebt in den Sternen und Elementen, und sie haben ihr Sehen vom Schein der Sonne, so daß darin noch kein Unterschied zwischen Menschen und Tieren liegt. Denn ein Tier ißt und trinkt, riecht, hört, sieht und fühlt ebenso wie der Mensch, und doch ist keine Vernunft in ihm, als nur zum Ernähren und Vermehren. Wir müssen also höher gehen und erkennen, was das Bild Gottes ist, das Gott so geliebt hat, daß er sein Herz und seinen Sohn hingab und Mensch werden ließ, damit er dem Menschen nach dem Fall wieder helfen könne, um ihn von dieser tierhaften Geburt wieder zu befreien und zu erlösen und ins Paradies zurückzubringen, in die himmlische Region.

14.57. So müssen wir nach dem Grund schauen, wie nicht allein ein tierhafter Mensch mit tierischer Qualifizierung geformt werde, sondern auch ein himmlischer im Bild Gottes, zu Gottes Ehre und Wundertaten, zu welchem Ziel er den Menschen so hoch gradierte, daß er ein ewiges Gleichnis seines Wesens hatte, ein (ganzheitliches) Ebenbild. Denn dazu hat er sich mit Himmel und Erde offenbart und dem ewigen, verständigen und vernünftigen Geist etliche Kreaturen geschaffen (wie die Menschen), um in seiner Kraft und Herrlichkeit zu leben. Und etliche zur Gestaltung (wie die Tiere), damit, wenn ihr Geist in den Äther eingeht und vergeht, die ewigen Geister ihre Freude und Spiel damit hätten.

14.58. So müssen wir ergründen und erkennen, was das für ein Bildnis ist und wie es seinen Anfang so nehme, daß der Mensch (1.) ein irdisches, elementisches und dann auch (2.) ein himmlisches Bildnis trägt, und nicht allein dieses, sondern (3.) ein so höllisches an sich trägt, das zu aller Sünde und Bosheit neigt. Und dies alles beginnt mit dem Aufgang des Lebens zugleich.

14.59. Und dann müssen wir sehen, wo denn der eigene (freie) Wille steckt, so daß sich ein Mensch in eigener Gewalt dem ergeben kann, was er will, dem Reich des Himmels oder der Hölle. Vor diesen Spiegel wollen wir den, nach der edlen Erkenntnis Hungrigen und Durstigen geladen haben und ihm den Zweck aufzeigen, damit er in seinem Gemüt vom Irrtum und zänkischen Streit im antichristlichen Reich befreit werde. Wer nun diese Pforte recht ergreift, der versteht das Wesen aller Wesen und lernt verstehen, wenn er sich recht besinnt, was Moses und alle Propheten wie auch die heiligen Apostel geschrieben haben und in welchem Geist ein jeder gesprochen und was da je gewesen ist und noch werden kann und wird.

Die sehr hochteure Pforte in der Wurzel der Lilie

14.60. Wenn wir uns der drei Prinzipien entsinnen, wie sie in ihrem Ursprung sind und sich gebären, dann finden wir das Wesen aller Wesen, wie eines aus dem anderen hervorgeht, wie eines höher als das andere gradiert ist, wie eines ewig und das andere vergänglich ist, und wie eines schöner und besser ist als das andere. Auch finden wir, warum eines vor sich und das andere hinter sich will, also die Liebe und Begierde, und dann auch die Anfeindung aller Dinge.

14.61. So können wir vom Ursprung der Wesen aller Wesen erstlich nichts anderes sagen, als daß im Ursprung nur ein einziges Wesen ist, aus dem dann die Wesen aller Wesen hervorgehen. Und dieses Wesen ist das ewige Gemüt Gottes, das in der Finsternis steht. Und dieses Wesen hat sich von Ewigkeit danach gesehnt und den Willen gehabt, das Licht zu gebären. Und dieses Sehnen ist die Quelle, und dieser Wille ist das Aufsteigen. Dann bewirkt das Aufsteigen das Regen und die Beweglichkeit, und die Beweglichkeit bewirkt das Anziehen im Willen, und der Wille bewirkt wieder die Sehnsucht, so daß sich der Wille immerfort nach dem Licht sehnt. Das ist ein ewiges Band (von Ursache und Wirkung), das ohne Anfang und Ende ist. Denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Begehren, und wo ein Begehren ist, da ist auch ein Anziehen in der Begierde des Willens von dem, was der Wille so begehrt. So wird nun das Begehren herb, hart und kalt, denn es zieht an sich und hält. Denn wo nichts ist, da kann das Begehren nichts halten. Will der Wille nun etwas halten, dann muß das Begehrte hart sein, so daß es der Wille fassen kann. Und weil von Ewigkeit nichts war, so konnte der Wille auch nichts fassen und halten. (Oder: Und wenn von Ewigkeit nichts wäre, dann könnte der Wille auch nichts fassen und halten.)

14.62. So finden wir nun, daß die drei von Ewigkeit ein anfangsloses und unauflösliches Band sind, nämlich das Sehnen, Wollen und Begehren. Eines gebiert das andere, und wenn eines nicht wäre, dann wäre das andere auch nicht, davon niemand weiß, was das ist. Denn es ist in sich selbst nichts als ein Geist, der in sich selber in Finsternis ist, obwohl es doch keine Finsternis ist, sondern ein Nichts, weder Finsternis noch Licht.

14.63. Nun ist das Sehnen eine Sucht oder eine Infizierung des Begehrens, und der Wille ist ein Behältnis im Begehren. Soll es nun der Wille behalten, so muß es faßbar werden, und muß nicht nur ein Ding im Willen sein, sondern zwei. Wenn sie nun zwei sind, dann muß das Anziehen das Dritte sein, daß das Faßbare in den Willen zieht. Weil dies nun seit Ewigkeit so ist, so findet man, daß seit Ewigkeit ein Quellen und Bewegen ist. Denn das Gefaßte muß quellen und ein Etwas sein, damit der Wille etwas fassen kann. Wenn dann dieses Etwas ist, dann muß es herb und anziehend sein, damit es zu etwas werde. Wenn es dann herb und anziehend ist, dann macht das Anziehen ein Begreifbares, damit der Wille etwas zu fassen und zu halten hat. Und wenn es dann begreifbar ist, dann ist es dicker (substantieller) als der Wille und beschattet den Willen und verdeckt ihn, und der Wille ist in ihm (gefangen). Und das Sehnen macht sie alle beide. Wenn nun der Wille im Begreifbaren ist, dann ist das Begreifbare die Finsternis des Willens, denn es hat den Willen mit seiner Begreifbarkeit umfaßt (und umhüllt). Nun kann der Wille nicht mehr aus dem Begreifbaren heraus und sehnt sich doch immer nach dem Licht, daß er der Finsternis entledigt sein könnte, die er sich doch mit dem Sehnen und Anziehen selbst macht.

14.64. Daher kommt nun die Ängstlichkeit, weil der Wille im Finsteren gefangen ist. Und das Anziehen des Willens bewirkt die Beweglichkeit, und die Beweglichkeit bewirkt das Aufsteigen des Willens aus der Finsternis. So ist nun das Aufsteigen die erste Essenz, denn es gebiert sich im Anziehen und ist selber das Anziehen. Doch nun kann der Wille das Anziehen nicht leiden, denn es macht ihn finster mit dem angezogenen Wesen, das der Wille faßt, und er wehrt sich, und das Wehren ist das Regen, und das Regen macht im Angezogenen eine Zertrennung oder Zerbrechung, denn es scheidet. Das kann die Herbigkeit im Anziehen auch nicht dulden, und so wird die Angst im Willen größer, und das Anziehen, um das Regen festzuhalten, wird auch größer. Und wenn dann das Regen so fest angezogen und vom herben Anziehen gehalten wird, dann preßt es sich, wird stachlig und sticht in der herben Angst. Dann zieht die Herbigkeit noch mehr an sich und der Stachel wird so groß in der Ängstlichkeit, daß der Wille schrecklich aufgeht und sich fest vornimmt, aus der Finsternis zu entfliehen.

14.65. Und hierin bekundet sich das ewige Gemüt, so daß der Wille aus der Qual in ein anderes Quellen der Sanftmut will. Darin entspringt auch die ewige Gestaltungsqualität in der Angst, und das ist der ewige Wurm (der ichbewußten Seele), der sich selber gebiert und auch frißt und in seinem eigenen Grimm in sich selber in der Finsternis lebt, die er sich selber macht. Und hier entspringt auch die ewige Infizierung, hinter der nichts weiter zu ergründen ist, denn es gibt nichts Tieferes oder Vorhergehendes. Dieses macht sich seit Ewigkeit immer von selbst und hat keinen Macher oder Schöpfer. Das ist auch nicht Gott, sondern der ursprünglichste Grimm Gottes, die ewige Ängstlichkeit, ein in sich Gebären und auch in sich Auffressen und doch kein Verzehren, weder ein Vermehren noch Verringern.

(Der Uroboros oder auch „Selbstverzehrer“ wurde in der mittelalterlichen Alchemie als Sinnbild für einen geschlossenen und wiederholt ablaufenden Wandlungsprozeß benutzt, wie zum Beispiel der Kreislauf des Lebens und des Todes. Jakob Böhme verwendet dieses uralte Symbol offenbar im Sinne der ichbewußten Seele, die von sich selbst lebt und sich selbst erhalten will, aber auch sich selbst verzehrt und sich selbst vergiftet und tötet.)

14.66. Wenn nun der ewige Wille, der seit Ewigkeit so geboren wird, sich in der Angst ein Gemüt nach etwas anderem faßt, um der Grimmigkeit zu entfliehen und sich in die Sanftmut zu erheben, dann kann es doch anders nicht geschehen, als aus sich selbst heraus. So gebiert das Gemüt immer wieder einen Willen, um in der Sanftmut zu leben, und der Ursprung dieses Willens steigt aus dem ersten Willen, aus dem ängstlichen Gemüt und der finsteren Herbigkeit, welcher im Bewegen ein zerbrechendes Rad wird (das die Finsternis zerbricht), weil sich dann der wiedergefaßte Wille durch das zerbrechende Rad voller Ängstlichkeit im ewigen Gemüt umblickt, wo etwas sei, das in Sanftmut stünde. Und dieser ängstliche Blick im zerbrechenden Rad wird ein Blitz mit großer Geschwindigkeit, den die Angst in der Herbigkeit so schärft, daß des Blitzes Schärfe verzehrend wird. Und das ist der Feuerblitz, wie es auch in der Natur zu sehen ist, daß so ein hartes (herbes) Wesen durch ein anderes fährt, sich schärft und einen Feuerblitz gebiert, der zuvor nicht war. Und das wiedergefaßte Gemüt erfaßt den Blitz und erblickt sich nun in der Herbigkeit, und der Blitz mit seiner grimmigen Schärfe verzehrt die gefaßte Herbigkeit, die ihn in der Finsternis gefangenhielt, das heißt, den Willen im Gemüt, der nun von der Finsternis frei ist.

14.67. Also empfängt die Herbigkeit den Blitz, und geht im Schreck wie überwunden zurück, und wird sanft vom Schreck, in welcher Sanftmut sich der Blitz wie in seiner eigenen Mutter erblickt, und von der Sanftmut wird er weiß und hell. Dann geschieht im Blitz wiederum ein Schreck wegen der Sanftmut, und das ist ein Blitz großer Freude, darin der Wille von der Finsternis befreit ist.

14.68. So eignet sich nun das ewige Gemüt im wiedergefaßten Willen aus der Ängstlichkeit der Finsternis die Sanftmut der Erledigung (bzw. Erlösung) an, und im Blitz der Sanftmut bleibt die Schärfe der Verzehrung der ewigen Finsternis, und der Blitz erblickt sich im ängstlichen Gemüt viel tausendmaltausendfach, ja ohne Ende und Zahl, und in demselben Blitz steht immerfort der Wille und die Neigung, im großen Sehnen aus der Finsternis auszugehen, weil dann in jedem Willen wieder der Blitz zur Aufschließung steht, welches ich in meinem Schreiben überall in diesem Buch das „Zentrum“ nenne.

14.69. Nun bleibt das erste Sehnen und Begehren (nämlich die grimmige Gebärung im ersten Willen) mit dem finsteren Gemüt für sich, und der Blick vom immerwährenden Feuerblitz im finsteren Gemüte bleibt darin, und dieses finstere Gemüt steht ewig in Ängsten und im Blitz, ohne Unterlaß im Brechen, Anziehen, Aufsteigen und Begehren über die Sanftmut, weil im Zerbrechen mit dem Feuerblitz durch die Schärfe des Blitzes in der Essenz das Anziehen aufgeht, wie ein Zentrum oder Prinzip.

Die Pforte Gottes des Vaters

14.70. Doch wenn nun in der Schärfe des Feuerblitzes das Licht im ewigen Gemüt aufgeht, nämlich aus dem wiedergefaßten Willen zur Sanftmut und dem Licht, um von der Finsternis frei zu sein, dann ist diese Freiheit von der Finsternis eine Sanftmut und Wohltat des Gemüts, weil es nun von der Ängstlichkeit frei ist, und es steht in der Schärfe des Feuerblitzes, der die herbe Finsternis zerbricht und im Blitz hell und licht macht.

14.71. Und in diesem Blitz der Schärfe steht nun die Allmächtigkeit, denn er zerbricht die Finsternis in sich selbst und bringt die Wonne und große Sanftmut, gleich einem, der aus einem ängstlichen Feuer käme und dann in einer sanften Wonne säße. Denn wenn der Blitz in sich so streng und geschwind ist, größer und geschwinder als ein Gedanke, und durch sein Entzünden in sich selbst aus der Finsternis ins Licht sieht, dann erschrickt er so sehr, daß er seine Macht sinken läßt, die er im Feuer hatte. Und dieser Schreck geschieht in der Schärfe des Blitzes, und das ist nun ein Schreck großer Freude. Hier begehrt nun der wiedergefaßte Wille des Feuer-Schrecks in der Sanftmut, und dieses Begehren ist ein Anziehen der Freude, und dieses Anziehen ist die Infizierung im Willen, und das Angezogene (der wonnevollen Freude) macht den Willen schwanger, denn es ist in ihm, und der Wille hält es.

14.72. Nun ist hier aber nichts, was der Wille mit der Schärfe oder Essenz an sich ziehen könnte, als die Sanftmut, die Entledigung der Finsternis. Und das ist das Begehren des Willens, und darin steckt die liebliche Wonne. Diese zieht der Wille an sich, und das Anziehen im Willen schwängert den Willen, so daß er erfüllt wird.

14.73. So ist nun der gefaßte Wille von der Freude in der Sanftmut schwanger, und diese begehrt er, ohne Unterlaß aus sich zu gebären, zu seiner Wiederfreude und zum süßen Geschmack in der Freude. Und derselbe Wille zum Gebären erfaßt die Sanftmut in der Freude, die im geschwängerten Willen steht, und die Essenz oder das Anziehen des Willens bringt sie aus dem Willen wieder vor (bzw. in) den Willen. Denn das Begehren zieht aus dem schwangeren Willen die Schwängerung vor (bzw. für) den Willen heraus, und das Ausgezogene ist die holdselige Kraft, Freude und Sanftmut. Das ist nun das Begehren des ewigen Willens, und es ist nichts anderes, als diese Kraft wieder in sich zu essen oder zu ziehen, um davon satt zu sein und nichts Höheres oder Wonnevolleres mehr zu begehren, denn darin ist die Vollkommenheit der höchsten Freude und Sanftmut.

14.74. So steht nun in dieser Kraft, die in Gott dem Vater ist, wie eben gesagt, die Allwissenheit (über alles), was im Ursprung in der Ewigkeit ist, weil sich dann der Blitz viel tausendmaltausendfach ohne Zahl selbst erblickt. Denn diese Freudenkraft in der Wonne ist aus der Schärfe des Blitzes aufgegangen und sieht durch die Schärfe in der Allmacht über die Finsternis durch die ewige Schärfe wieder in das finstere Gemüt. Und das Gemüt eignet sich diese Kraft an und begehrt diese Kraft, und die Kraft geht nicht wieder zurück in die Finsternis, sondern spiegelt sich darin, davon das ewige Gemüt immerfort nach dieser Kraft gelüstet, denn diese Kraft ist die Schärfe, und die Schärfe ist das Anziehen. Das nennt man das „ewige Schöpfungswort“, das da erschafft und verkörpert, was der ewige Wille in der allmächtigen Sanftmut will (welche die Macht und Zerbrechung der Finsternis und der Aufbau des Prinzips ist). Denn was der Wille in der ewigen Weisheit erblickt und in sich tun will, um sich die Sanftmut anzueignen, das will der Wille durch das scharfe Schöpfungswort (das die ewige Essenz ist) erschaffen. Das ist nun Gottes Wille: Was sich ihm aneignet und ihn begehrt, das will er in die Sanftmut erschaffen, nämlich alles, was sich ihm in seiner Kraft aus dem Vieltausendmaltausendfachen aus dem Unendlichen aneignet.

14.75. So hat nun das Unendliche die Möglichkeit, daß es sich ihm aneignen kann, weil es noch im ersten Wesen ist. Du solltest aber hierin kein Ganzes mehr verstehen, denn Gott ist allein das Ganze und die größte Tiefe überall. Dieses aber ist im Unendlichen zerteilt und ist im Blick (bzw. Bewußtsein) der Vielfalt, weil sich das Ganze in sich und durch sich selbst in der ewigen geschwängerten Finsternis unendlichfach erblickt. Diese Blicke stehen alle im Ursprung des Feuerblitzes und können sich in der geschwängerten Finsternis, nämlich in der Herbigkeit des Frostes, durch den Blitz des Feuers immer wieder selbst erblicken und aneignen, oder aber aus der Finsternis wieder einen Willen fassen, um durch die Schärfe im Blitz aus der Ängstlichkeit des Gemüts in die Sanftmut zu Gott zu gehen.

14.76. Denn die Schärfe im Blitz ist allemal das Zentrum zur Wiedergeburt in ein anderes Prinzip, das sich dann der Wurm (des Ichbewußtseins) im Funken (des Bewußtseins) aneignet, um sich zu gebären, entweder aus der scharfen Essenz durch den Blitz im Grimm des Feuers in den ewigen Frost, oder aus der Schärfe in die Wiedergeburt der Sanftmut zu Gott, darin er dann unwiderruflich steht, denn die Sanftmut geht nicht zurück in den finsteren Grimm und die kalte Essenz im ersten Anziehen, das von Ewigkeit vor dem wiedergefaßten Willen ist, sondern kommt diesem zu Hilfe und erleuchtet es. Denn was durch die starke Macht Gottes zu ihm kommt, das lebt in der Kraft und im Licht ewiglich in Gott.

14.77. Dann ist die Tiefe der Finsternis so groß wie die Wonne des Lichts, und sie stehen nicht mehr gegeneinander, sondern ineinander, und keines hat noch Anfang oder Ende. Es gibt auch weder Ziel noch Ort, sondern die scharfe Wiedergeburt ist das Ende und Ziel und das Scheidemahl (Abendmahl, letzte Speise des weltlichen Tages) zwischen diesen zwei Prinzipien.

14.78. Es gibt darin weder Oben noch Unten, allein die Wiedergeburt aus der Finsternis in die Sanftmut heißt „nach Oben“. Und doch ist eine solche Festung zwischen ihnen, daß keines das andere begreift, denn es ist eine Geburt oder ein Prinzip, ein festes Zentrum und ein Scheideziel, so daß nichts in das andere gehen kann als der scharfe Feuerblitz der starken Macht Gottes, der mitten im Zentrum der Wiedergeburt steht. Der sieht allein in den Wurm der Finsternis und bewirkt mit seinem Schrecken in der Finsternis die ewige Angst und Qual, das Aufsteigen im Feuer, wo doch kein anderes Erreichen ist, als nur die Angst, und in der Angst den grimmigen Blitz. Und was nun hier im grimmigen Gemüt im Blick des Unendlichen verkörpert wird und nicht seinen Willen in der eigenen Verkörperung ins Zentrum der Wiedergeburt in die Sanftmut Gottes setzt, das bleibt im finsteren Gemüt im Feuerblitz.

14.79. Dann hat diese Kreatur keinen anderen Willen in sich und kann auch keinen anderen aus irgendetwas schöpfen, denn es ist nichts anderes darin, als immerfort, ohne eine andere Wiedergeburt zu erreichen, in eigener (egoistischer) Macht über das Zentrum auszufahren, um in starker Feuersmacht über die Sanftmut Gottes zu herrschen, aber kann es doch niemals erreichen.

14.80. Und hierin liegt der Ursprung, daß die Kreatur der Finsternis über der Gottheit sein will, wie der Teufel selbst. Und hier ist auch der Ursprung des eigenen überheblichen Stolzes, denn wie der Quell in der Kreatur ist, so ist auch die Kreatur, weil die Kreatur aus der Essenz entsteht. Und so stammt der Quell, nämlich sein Wurm (der ichbewußten Seele), aus dem ewigen Willen des finsteren Gemüts.

14.81. Doch dieser Wille ist nicht Gottes Wille und ist auch nicht Gott, sondern nur der wiedergefaßte Wille im Gemüt zur Sanftmut ist Gottes wiedergeborene Wille, der im Zentrum der Geburt steht, in der Schärfe der Zerbrechung der Finsternis und in sanftem Wohltun des Freudenreichs und des Aufgangs des Lichtes in der Wiederschwängerung des Willens und Gebärens der Kraft der ewigen Allwissenheit und Weisheit in der Liebe. Das ist Gott, und der Ausgang von ihm ist sein Wille, den die Essenz als das scharfe Schöpfungswort erschafft. Und so wohnt Gott im zweiten Prinzip, wo aus dem ewigen Zentrum und ewigen Willen das Reich Gottes ohne Ende und Zahl ewig geboren wird, wie nun im weiteren folgt.

Die Pforte des Sohns Gottes, der holdseligen Lilie im Wunder

14.82. Wie sich nun auf diese Weise der ewige Wille seit Ewigkeit immerfort schwängert, so hat er auch ewigen Willen, immerfort das Kind zu gebären, dessen er schwanger ist. Und dieser ewige Wille zum Gebären gebiert ewig das Kind, dessen der Wille schwanger ist, und das Kind ist die ewige Kraft der Sanftmut, das der Wille wieder in sich faßt und die Tiefe der Gottheit mit den ewigen Wundern und der Weisheit Gottes ausspricht.

14.83. Denn der Wille spricht aus, und das Kind der Kraft und ewigen Sanftmut ist das Wort, das der Wille ausspricht. Und der Ausgang aus dem gesprochenen Wort ist der Geist, der in der scharfen Macht Gottes im Zentrum der Wiedergeburt aus dem ewigen Gemüt ausgeht, aus der Ängstlichkeit im Feuerblitz in der Schärfe der Zertrennung der Finsternis und Aufschließung des Lichtes in der Sanftmut, aus dem ewigen Willen seit Ewigkeit aus dem Wort Gottes mit dem scharfen Schöpfungswort der großen Macht Gottes. Und das ist der Heilige Geist Gottes, der die Kraft des Vaters ist und vom Vater durch das Wort aus dem Mund Gottes ewig ausgeht.

Die Wunderpforte Gottes in der Blüte der Lilie

14.84. Nun fragt der Verstand: „Wo geht der Heilige Geist Gottes hin, wenn er aus dem Vater und Sohn durch das Wort Gottes ausgeht?“ Siehe, du kranker Adam, hier steht des Himmels Pforte zur Erkenntnis offen, wenn man nur will. Denn die Braut spricht: „Komm, und wen da dürstet, der komme, und wer da kommt, der trinke vom Quell der Erkenntnis des ewigen Lebens im Geruch und der Kraft der Lilie Gottes im Paradies.“

14.85. Wie oben erklärt, ist das der Grund der heiligen Dreifaltigkeit in Einem göttlichen und unzertrennlichen Wesen, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, seit Ewigkeit von Nichts herkommend, von und aus sich selbst seit Ewigkeit immerfort geboren, ohne Anfang und Ende, sondern in sich selbst wohnend, mit Nichts gefaßt, keiner Räumlichkeit unterworfen, weder ein Ziel noch ein Ort, denn sie hat keine Stätte ihrer Ruhe, sondern die Tiefe ist größer als wir denken, da es doch keine Tiefe ist, sondern die unerforschliche Ewigkeit. Und wer hier ein Ziel und Ende denken will, der wird von der Gottheit verwirrt, denn es gibt keins, weil es der Natur Ende (und Ziel) ist. Und der strebsame Denker denkt wie Luzifer, der in Hochmut über die Gottheit ausfahren wollte, wo doch keine Stätte ist, sondern er fuhr in sich selber, in die feurige Grimmigkeit und verdarb am Quell des Reichs Gottes.

14.86. Nun erkenne doch die Lilie, du edles Gemüt, das voller Ängste und Trübsal dieser Welt ist. Siehe, die Heilige Dreifaltigkeit hat einen ewigen Willen in sich, und der Wille ist das Begehren, und das Begehren sind die ewigen Essenzen. Darin steht die Schärfe, als das ewige Schöpfungswort, das aus dem Herzen und Mund Gottes durch den Heiligen Geist ausgeht. Und der ausgegangene Wille aus dem Geist ist die göttliche Kraft, die der Wille faßt und hält, und das Schöpfungswort erschafft sie, daß also alle Essenzen in ihr sind wie in Gott selbst. So grünt die Blume des Lichtes aus dem Herzen Gottes in ihr, doch sie ist nicht Gott, sondern die züchtige Jungfrau der ewigen Weisheit und Vernunft, davon ich in diesem Buch so oft spreche.

14.87. So ist nun die Jungfrau vor Gott und eignet sich dem Geist an, von dem die Kraft ausgeht, aus der sie die züchtige Jungfrau der Weisheit wird. Diese ist nun Gottes Gespielin, zur Ehre und Freude Gottes, die sich im ewigen Wunder Gottes erblickt, und im Erblicken wird sie sehnend nach dem Wunder in der ewigen Weisheit, welche sie doch selber ist, und so sehnt sie sich in sich selbst. Und ihr Sehnen sind die ewigen Essenzen, welche die heilige Kraft an sich ziehen, und das herbe Schöpfungswort erschafft es, so daß es im Wesen steht. Aber sie bleibt eine Jungfrau und hat noch nie etwas geboren und nimmt auch nichts in sich, denn ihre Neigung steht allein im Heiligen Geist, der von Gott ausgeht, nicht zurückkehrt und nichts anzieht, sondern vor Gott wallt und die Blüte des Gewächses ist.

14.88. Also hat die Jungfrau auch keinen Willen, sich mit etwas zu schwängern, sondern ihr Wille ist, die Wunder Gottes zu eröffnen. Darum steht sie im Willen, in den Wundern die Wunder der ewigen Essenzen zu erblicken, und diesen jungfräulichen Willen erschafft das herbe Schöpfungswort in den Essenzen, so daß es ein Wesen ist, das ewig vor Gott steht und die ewigen Wunder der Jungfrau offenbart, nämlich (die Wunder) der Weisheit Gottes.

14.89. Und dieses Wesen ist das ewige Element, darin alle Essenzen in der göttlichen Kraft offenbart stehen und ersichtlich sind, in denen sich die schöne und züchtige Jungfrau der göttlichen Weisheit immerfort erblickt, nämlich nach der Zahl der Unendlichkeit aus dem Vieltausendmaltausendfachen ohne Ende und Zahl. Und aus diesem Erblicken im ewigen Element gehen Farben, Kunst und Tugend sowie die Gewächse der Lilie Gottes hervor, an denen sich die Gottheit immerfort in der Jungfrau der Weisheit erfreut. Und diese Freude kommt aus den ewigen Essenzen und heißt wegen der Schärfe der unendlichen Gebärung der lieblichen Lilien-Frucht „Paradies“, weil dann die Essenzen der Lilie im Wunder vieltausendmaltausendfach ohne Zahl aufgehen, wie du ein Gleichnis an der blühenden Erde hast.

14.90. Du liebes Gemüt, siehe und betrachte es! Dies ist nun Gott und sein Himmelreich mit dem ewigen Element und Paradies, und so steht es im ewigen Ursprung von Ewigkeit zu Ewigkeit. Was nun für Freude, Wonne und Lieblichkeit darin sei, dazu habe ich keine Feder, mit der ich es aufschreiben könnte. Ich kann es auch nicht sagen, denn die irdische Zunge ist dazu viel zu klein. Was wir sagen können, ist wie Kot im Vergleich zu Gold und noch viel weniger. Auch wenn es die Jungfrau ins Gemüt bringt, so ist doch am ganzen (irdischen) Menschen alles viel zu finster und kalt, als daß er nur ein Fünklein davon aussprechen könnte. So wollen wir es bis in den Schoß der Jungfrau aufsparen und haben nur eine kurze Andeutung gegeben, um den Autor dieses Buches zu verstehen. Denn wir sind nur ein Funke aus dem Brunnen der Weisheit Gottes und reden wie kleine Fünklein. Aber uns Irdischen hier auf Erden sei es genug zu unserer schwachen Erkenntnis. Denn wir benötigen in diesem Leben keine höhere Erkenntnis vom ewigen Wesen Gottes. Wenn wir nur von dem reden, was seit Ewigkeit gewesen ist, so ist es genug.


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