Tafeln von den drei Prinzipien göttlicher Offenbarung

Clavis - Schlüssel und Erklärungen

Dies sind zwei bemerkenswerte Texte, die gut zusammenpassen und auch das damalige Umfeld von Böhme zum Ausdruck bringen. Sie beginnen mit dem Seher Böhme, der versucht, seine ganzheitliche Vision in die begriffliche Verstandeswelt der Gedanken zu bringen, und endet mit drei Gelehrten und sogar Doktoren, die Böhme offenbar tief verstanden haben und das Große und Ganze bereits spürten. Aber wie Goethe sagen würde: „Ihnen steckte noch der Doktor im Leib.“ Wenn zum Beispiel Böhme in der Erklärung zu den Tafeln (§26) noch darauf besteht, das Prinzip unter Gott und Welt zu setzen, so findet man in der schematischen Darstellung am Ende der Clavis das Prinzip über Gott und Welt. Das mag nur eine Feinheit sein, aber bringt eine Richtung zum Ausdruck. Doch man erkennt deutlich, wie sehr sich Böhme bemüht, seine Freunde aus ihrem begrenzten Ichbewußtsein und begrifflichen Denken in eine himmlisch-göttliche Ganzheit zu führen. Dazu legt er ihnen magische Buchstaben- und Wortgewebe zur Meditation vor, die in alle Richtungen offen sind, in die äußere und innere Welt, in die Zeit und die Ewigkeit. Wird es ihm gelingen? Können wir ihm noch folgen?

Inhaltsverzeichnis - »Tafeln und Schlüssel (Clavis)« (1624)

Tafeln von den drei Prinzipien göttlicher Offenbarung
Clavis - Schlüssel und Erklärungen
• • Vorrede des Autors an den Leser dieser Schriften
• • Erklärungen einiger Begriffe
• • Spezielle Erklärungen von vertrauten Freunden

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Jacob Böhme, Schuster, Kupferstich 1682

Vom Schuhmacher zum sehenden und webenden Philosophen: Diesen Kupferstich aus einem niederländischen Buch von 1682 möchten wir hier unter diese beiden Texte setzen und etwas tiefer über die Symbolik nachdenken: Im Zentrum sitzt ein Mann mit Schnurr- und Spitzbart, der mit leichter Feder konzentriert schreibt. Der Raum ringsherum wirkt relativ dunkel, Tür und Fenster der äußeren Sinne sind geschlossen, oder es ist Nacht in der äußeren Welt. Doch von vorn scheint ihm ein helles Licht entgegen, und wir wissen nicht woher. Die Schusterwerkzeuge des irdischen Verstandes liegen verstreut auf dem Boden oder hinter ihm auf einer Werkbank, all die begrifflichen Zangen, Messer, Ahlen, Hämmer und der ganze Werkzeugkasten unseres angesammelten Wissens, daneben die Lederhaut des hornhäutigen Denkens mit einigen Fetzen und den Formen für unsere Schuhe, die uns auf den Wegen der Welt das Leiden ersparen sollen. Zu seinen Füßen steht die leere Schüssel seines eigenen angesammelten Wissens. Andere Leisten bzw. Schuhformen hängen wohlsortiert hinter ihm an einem Gestell, neben einem abgeschlossenen Werkzeugkasten. Doch darum kümmert sich der Mann gerade wenig, denn er schreibt an einem wohlgeordneten Tisch, der in eine dunkle und eine helle Hälfte geteilt ist, zwischen denen das scharfe Messer des Verstandes liegt, mit dem er auch seine Schreibfeder anspitzt. In der dunklen Hälfte steht die Sanduhr der Vergänglichkeit, und in der hellen Hälfte die Tinte oder Tinktur zum Schreiben bzw. Offenbaren. Entsprechend scheint auch das Buch geteilt zu sein: Auf der dunklen Seite sieht man eine dunkle Schrift irdischer Begriffe, die unseren Geist verdunkeln. Aber er selbst schreibt auf der hellen Seite, und manche sagen: „Er schreibt doch gar nichts!“ Ja, zumindest ist es für unseren gewöhnlichen Verstand kaum greifbar. Die Frage ist nur, ob uns hier lange Begriffserklärungen helfen?

Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber-hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es müßt so sein:
Das Erst wär so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
Und wenn das Erst und Zweit nicht wär,
Das Dritt und Viert wär nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
[Goethe, Faust I]

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung der Tafeln

Eene verklaringh ofte uyt-leggingh over de tafel…, Jacob Böhme, 1642
TABULA Principiorum…, Amsterdam, 1682
Theosophische Schriften, Bey Heinrico Betkis, 1698
Theosophia revelata, Band 3, 1715
QUAESTIONES THEOSOPHICAE, 1730
Jakob Böhme's Sämtliche Werke, J.A. Barth, 1846

Verwendete Quellen zur deutschen Überarbeitung der Clavis

CLAVIS oder Schlüssel etlicher…, Amsterdam, 1682
Theosophia revelata. Das ist: Alle Göttliche Schriften ... , Band 3, 1715
QUAESTIONES THEOSOPHICAE, oder Betrachtung..., 1730
Jakob Böhme's sämmtliche Werke, Band 6, Barth, 1846

Veröffentlichung: 05. August 2022