Aurora oder Morgenröte im Aufgang

(Text von Jacob Böhme von 1612, deutsche Überarbeitung 2021)

14. Kapitel - Wie Luzifer zum Teufel wurde

Wie Luzifer, der schönste Engel im Himmel, zum greulichsten Teufel geworden ist.

Das Haus der Mordgrube

14.1. Oh König Luzifer, hier zieh den Hut vor die Augen, damit du es nicht siehst. Man wird dir die himmlische Krone abnehmen, und du kannst nicht mehr im Himmel regieren. Doch stehe noch ein wenig still, denn wir wollen dich zuvor beschauen, was für eine schöne Braut du bist, und ob du vielleicht den Unrat deiner Hurerei noch abladen könntest, so daß du wieder schön würdest. So wollen wir nun deine Zucht und Tugend ein wenig beschreiben.

14.2. Kommt alle her, ihr Philosophen und Rechtsprecher des Königs Luzifer! Tretet nur herzu und verteidigt ihn, solange er noch die Krone hat, denn hier wollen wir ein Hochgericht über ihn halten. Könnt ihr euer Recht verteidigen, dann soll er euer König sein, wenn aber nicht, dann soll er hinunter in die Hölle gestoßen werden, und ein anderer soll seine königliche Krone bekommen, der besser regiert als er.

14.3. Hier erkenne: Als sich Luzifer so greulich verdarb, wurden alle seine Quellgeister eine Feindschaft gegen Gott, denn sie qualifizierten alle anders als Gott, und so entstand eine ewige Feindschaft zwischen Gott und Luzifer.

14.4. Nun könnte einer fragen: „Wie lang stand denn Luzifer im Licht Gottes?“ Die Tiefe sagt: Als der königliche Leib Luzifers zusammenverkörpert wurde, in derselben Stunde zündete sich auch das Licht in Luzifer an. Denn sobald seine Quellgeister in der Erbauung des Körpers begannen, zu qualifizieren und sich zu gebären, wie es das Recht der Natur ist, da ging im Herzen der Blitz des Lebens im süßen Quellwasser auf. So war der königliche Leib schon fertig, und der Geist im Herzen fuhr vom Licht durch den Mund in das Herz Gottes aus.

14.5. Da war er ein überaus schöner Fürst und König, dem göttlichen Wesen ganz lieb und angenehm, und er wurde mit großer Freude empfangen. Desgleichen fuhr auch der Geist vom Herzen in alle Quelladern des Körpers und zündete alle sieben Geister an. Da wurde der königliche Leib augenblicklich glorifiziert und stand wie ein König Gottes in unerforschlicher Klarheit da, die das ganze Himmelsheer übertraf.

14.6. Doch in diesem hellen und lichten Blitz wurden alsbald die sieben Quellgeister angesteckt, wie man ein Feuer ansteckt. Denn sie erschraken vor der grausamen Klarheit ihres Geistes und wurden im ersten Blitz oder Anblick zu schnell hochtriumphierend, überheblich stolz und übermäßig freudenreich und bewegten sich zu überhöhter Geburt.

14.7. Wären sie aber in ihrem Wohnort sitzengeblieben und hätten qualifiziert, wie sie es seit Ewigkeit getan hatten, dann hätte ihnen das hohe Licht nicht geschadet. Denn sie waren keine neuen Geister, die aus etwas anderem gemacht wurden, sondern es waren die alten Geister, die keinen Anfang hatten und in Gott ewig gewesen waren. Und sie kannten wohl das Recht der Gottheit und der Natur, nach dem sie wallen sollten.

14.8. Denn als Gott den Körper zusammenbildete, da tötete er nicht zuvor die Quellgeister, sondern er bildete den Leib von König Luzifer aus dem Kern des Besten zusammen, darin die allerbeste Wissenschaft war.

14.9. Wenn die Qualitäten zuvor tot gewesen wären, dann hätten sie ein neues Leben benötigt, und es wäre im Zweifel, ob der Engel ewig bestehen könnte.

14.10. Vernimm es nur recht: Gott schuf darum die Engel aus sich selbst, damit sie härter und derber zusammenverkörpert wären als die Bildungen, die durch das Qualifizieren der Geister Gottes in der Natur aufgingen und durch die Bewegung der Geister auch wieder vergingen, so daß ihr Licht in ihrer Härtigkeit heller scheinen sollte und der Ton des Körpers hell tönen und schallen, damit das Freudenreich in Gott größer würde. Das war die Ursache (und der Grund), weshalb Gott die Engel erschuf.

14.11. Wenn aber gesagt wird, der Engel habe ein neues Licht geboren oder einen neuen Geist, dann ist das so zu verstehen:

14.12. Als die Quellgeister härter zusammenverkörpert waren, da schien das Licht viel heller im Körper und aus dem Körper als zuvor im Salpeter. Denn es ging ein viel hellerer Blitz im Körper auf als zuvor, weil der Salpeter noch dünn (feinstofflich bzw. geistig) war.

14.13. Darum wurden auch die Quellgeister überheblich stolz und vermeinten, sie hätten ein viel schöneres Söhnlein oder Licht als der Sohn Gottes war. Darum wollten sie auch mehr qualifizieren und sich erheben und verachteten das Qualifizieren in ihrem göttlichen Vater, sowie auch die Geburt des göttlichen Sohnes und den Ausgang des göttlichen Heiligen Geistes, und vermeinten, sie würden es selber tun. Denn weil sie so herrlich zusammenverkörpert waren, so wollten sie auch selber herrlich und prächtig aufsteigen und sich sehen lassen, wie die schönste Himmelsbraut.

14.14. Sie wußten wohl, daß sie nicht der ganze Gott waren, sondern ein Stück davon, und so wußten sie auch wohl, wie weit sich ihre Allmacht erstreckte. Aber sie wollten nicht mehr das Alte, sondern wollten höher sein als der ganze Gott, und vermeinten, sie könnten ihr Reich über die ganze Gottheit und über alle Königreiche haben.

14.15. Darum erhoben sie sich im Willen, den ganzen Gott zu regieren. So wollte Luzifer der Herr der Gottheit sein, alle Formen und Bildungen sollten in seiner Qualifizierung aufgehen und kein anderer sollte neben ihm Herr sein.

14.16. Das ist nun die Wurzel des überheblichen Stolzes, (egoistischen) Geizes, (persönlichen) Neides und (unzufriedenen) Zornes, denn im grimmigen Qualifizieren ging der Zorn auf und brannte wie ein hitzig-kaltes Feuer, dazu bitter wie Galle.

14.17. Denn die Quellgeister hatten keinen Trieb von außen in sich, sondern der Trieb zum überheblichen Stolz erhob sich im Körper selbst, im Rat der sieben Quellgeister, die sich vereinigten, weil sie allein Gott sein wollten.

14.18. Weil sie es aber in ihrem alten Wohnsitz nicht anfangen und ins Werk bringen konnten, so heuchelten sie miteinander. Sie wollten sich über die Geburt Gottes erheben und wollten in der höchsten Tiefe qualifizieren. Dann würde ihnen nichts gleich sein können, zumal sie der mächtigste Fürst in Gott wären.

14.19. Die herbe Qualität war der erste Mörder und Heuchler. Denn als sie sah, daß sie so ein schönes Licht gebar, preßte sie sich noch härter zusammen als sie Gott zusammenerschuf, in der Meinung, sie wollte noch viel schrecklicher sein und in ihrem ganzen Revier alles zusammenziehen und wie ein strenger Herr zusammenhalten. In dieser Weise hat sie dann auch etwas getan, davon die Erde und Steine ihren Ursprung haben, welches ich bei der Schöpfung der Welt noch beschreiben will.

14.20. Die bittere Qualität war der zweite Mörder. Als sie im Blitz anfing, da riß sie mit Brechen und großer Gewalt in der herben Qualität, als wollte sie den Körper zersprengen. Aber die herbe Qualität ließ ihr das zu, sonst hätte sie wohl den bitteren Geist gefangennehmen und im süßen Wasser baden können, bis ihm der Hochmut vergangen wäre. Aber sie wollte ein solches Brüderlein haben, denn es diente ihr, zumal der bittere Geist auch von ihr wie von einem Vater Ursprung nimmt, obwohl sie sich dagegen hätte wehren können.

14.21. Der dritte Mordgeist ist die Hitze, die ihre Mutter, das süße Wasser, ermordet hat. Aber dafür ist der herbe Geist die Ursache, denn mit seiner strengen Zusammenziehung und Hartmachung hat er mit der bitteren Qualität das Feuer so heftig erweckt und angezündet, daß das Feuer sozusagen zum Schwert der herben und bitteren Qualität wurde.

14.22. Weil aber das Feuer im süßen Wasser aufgeht, so hat es die Peitsche in eigener Gewalt und hätte die herbe Qualität im Wasser zurückhalten können, aber auch sie (die Hitze) wurde eine Heuchlerin und heuchelte mit der größten Qualität, nämlich der herben, und half, das süße Wasser zu ermorden.

14.23. Der Ton ist der vierte Mörder, der seinen Klang durch das Feuer im süßen Wasser empfängt und fein (bzw. ausgeglichen) lieblich im ganzen Körper aufsteigen sollte.

14.24. Das tat er aber nicht, sondern nachdem er im Wasser in die herbe Qualität aufgestiegen war, da heuchelte auch er mit der herben Qualität und fuhr so ungestüm wie ein Donnerschlag auf. Damit wollte er seine neue Gottheit beweisen, und das Feuer fuhr auf, als wenn es wetterleuchtet, und damit vermeinten sie so groß zu sein, über alle Dinge in Gott.

14.25. Und solches trieben sie so lange, bis sie ihre Mutter, das süße Wasser, ermordet hatten. Da wurde der ganze Leib ein finsteres Tal, und es war kein Rat mehr in Gott, der da hätte helfen können. Aus der Liebe wurde eine Feindschaft, und aus dem ganzen Körper wurde ein schwarzer finsterer Teufel.

14.26. Die Silbe „Teu“ hat ihren Ursprung vom harten Pochen oder Tönen und die Silbe „fel“ vom Fall. Also heißt nun Herr Luzifer „Teufel“ und nicht mehr Cherub oder Seraph.

14.27. Nun könnte einer einwerfen: „Hätte denn Gott den überheblichen Stolz von Luzifer nicht verhindern können, so daß er von seinem Hochmut abgelassen hätte?“ Das ist eine hohe (bzw. hochmütige) Frage, der sich alle Rechtsprecher des Teufels behelfen wollen. Aber sie sind alle vor das Hochgericht geladen. Dort mögen sie zusehen, daß sie ihren Herrn verteidigen, oder das Recht wird über ihn ergehen und er wird seine Krone verlieren.

Die wunderliche Offenbarung

14.28. Siehe, König Luzifer ist das Haupt in seinem ganzen Reich gewesen und war ein gewaltiger Herr, der aus dem Kern seines ganzen Reichs geschaffen wurde, aber durch seine Erhebung sein ganzes Reich anzünden wollte, so daß alles hätte brennen und qualifizieren sollen, wie er selbst in seinem Körper.

14.29. Auch wenn nun die Gottheit außerhalb seines Körpers hätte sanft gegen ihn qualifizieren, ihn erleuchten und zur Buße ermahnen wollen, so war doch kein anderer Wille in Luzifer, als daß er über den Sohn Gottes herrschen und das ganze Reich anzünden wollte, um auf solche Weise selber der ganze Gott über alle englischen Heere zu sein.

14.30. Und als das Herz Gottes mit seiner Sanftmut und Liebe gegen Luzifer stürmte, da verachtete er es nur und meinte, er wäre viel besser. Und er stürmte wiederum mit Feuer und Kälte in harten Donnerschlägen gegen den Sohn Gottes und meinte, dieser müßte ihm untertänig sein, denn er wäre Herr, und so verachtete er das Licht des göttlichen Sohnes.

14.31. Fragst du nun: „Wie konnte er solche Macht haben?“ Ja, er hat sie gehabt, denn er ist ein großer Teil der Gottheit gewesen und dazu aus dem Kern. So hat er sich auch am König und Großfürsten Michael gerieben, um ihn zu verderben, welcher schließlich mit ihm gekämpft und ihn überwunden hat, indem auch die Kraft Gottes in Luzifers Reich heftig gegen seinen König kämpfte, bis er endlich als ein Überwundener von seinem königlichen Thron gestoßen wurde. (Offb. 12.8)

14.32. Sprichst du nun: „Gott hätte ihm sein Herz erleuchten sollen, so daß er Buße getan hätte.“ Aber er wollte doch gar kein anderes Licht annehmen, denn er verachtete das Licht des göttlichen Sohnes, welches außerhalb seines Körpers leuchtete, weil er so einen Blitz und dessen Licht in sich hatte. Und je länger er sich erhob, um so mehr (verachtete er es), bis sein Wasser ganz vertrocknete und verbrannte und sein (göttliches) Licht ganz verlosch. Da war es geschehen.

Vom Fall aller seiner Engel

14.33. Nun könnte einer fragen: „Wie kommt es dann, daß dadurch alle seine Engel mit fielen?“ Wie der Herr gebot, so handelten auch alle seine Untertanen. Als er sich erhob und Gott sein wollte, da sahen es auch seine Engel, folgten ihrem Herrn nach und verhielten sich alle, als wollten sie die Gottheit stürmen. Denn sie waren ihm alle untertänig, und er regierte in all seinen Engeln, denn er war aus dem Kern des Salpeters geschaffen, aus dem auch seine Engel allesamt geschaffen waren, und so war er das Herz und der Herr aller seiner Engel.

14.34. Darum handelten sie alle wie er und wollten alle in der Herrschaft der Gottheit sitzen und mit ihrem Herrn im ganzen Reich gewaltig über die ganze göttliche Kraft regieren. Das alles war ein Wille bei ihnen, und den ließen sie sich auch nicht nehmen.

14.35. Nun fragst du: „Hat denn der ganzheitliche Gott vor der Zeit der Erschaffung der Engel nicht gewußt, daß es so zugehen werde?“ Nein, denn wenn es Gott vor der Zeit der Erschaffung der Engel gewußt hätte, dann wäre es ein ewiger vorsätzlicher Wille gewesen und keine Feindschaft gegen Gott, sondern Gott hätte ihn wohl anfänglich zu einem Teufel geschaffen.

14.36. So aber hat ihn Gott zu einem König des Lichtes geschaffen. Doch weil er ungehorsam wurde und über dem ganzen Gott sein wollte, warf ihn Gott von seinem Thron und erschuf inmitten unserer Zeit einen anderen König aus derselben Gottheit, aus der Herr Luzifer geschaffen war, und setzte ihn auf den königlichen Thron Luzifers und gab ihm Macht und Gewalt, wie Luzifer vor seinem Fall hatte. Und dieser König heißt Jesus Christus und ist Gottes und des Menschen Sohn. Das will ich an seinem Ort noch klar beweisen und ausführen.

Von der großen Sünde, dem Widerwillen und der ewigen Feindschaft des Königs Luzifer mit seinem ganzen Heer gegen Gott

14.37. Das ist der wahre Spiegel der Menschen: Vor dieses Hochgericht lädt der Geist alle Menschen wie vor einen Spiegel. Da mögen sie sich besehen, was die verborgene Sünde ist.

14.38. Dies war von der Welt her verborgen geblieben und in keinem Menschenherz so ganz und gar offenbart worden. Ich wundere mich auch selbst über diese hohe Offenbarung viel mehr als sich der Leser vielleicht wundern wird.

14.39. Und ich schreibe mir solches nicht zum Ruhm, denn mein Ruhm steht in meiner Hoffnung des Zukünftigen. Ich bin wohl ein armer Sünder wie alle Menschen und gehöre auch vor diesen Spiegel. Aber ich wundere mich, daß sich Gott in einem so einfältigen Mann so ganz und gar offenbaren will, und ihn dazu noch treibt, solches aufzuschreiben, da es doch viel bessere Schreiber gäbe, die es viel höher beschreiben und ausführen könnten als ich, der ich nur der Welt Spott und Narr bin.

14.40. Aber ich kann und will Ihm nicht widerstehen, denn ich stand oft in großer Arbeit für Ihn, wenn es nicht sein Trieb und Wille war, daß er solches von mir nehmen wollte. Doch ich empfinde (und erkenne) nun, daß ich mit meiner Arbeit für Ihn nur Steine zu diesem Bau zusammengetragen habe.

14.41. Nun bin ich aber so hoch gestiegen und darf nicht wieder zurücksehen, sonst schwindelt mir, und habe noch ein kleines Leiterchen bis ans Ziel, dazu alle Lust meines Herzens ist, vollends hinaufzusteigen. Denn solange ich aufsteige, solange schwindelt mir nicht, aber wenn ich zurücksehe und wieder umkehren will, dann schwindelt mir und ich fürchte mich vor dem Fallen.

14.42. Darum habe ich meine Zuversicht auf den starken Gott gesetzt und will es wagen, und will zusehen, was noch daraus werden will. Ich habe auch nicht mehr als einen Leib, der ohnedies sterblich und zerstörbar ist, und den will ich gern dafür wagen. Wenn mir nur das Licht und die Erkenntnis meines Gottes bleibt, dann habe ich wohl hier und dort genug.

14.43. Auch will ich mit meinem Gott nicht zürnen, wenn ich vielleicht um seines Namens willen Schmach erleiden müßte, die mir doch alle Tage blüht und ich schon fast gewohnt bin. Ich will mit dem Propheten David singen: »Und wenn mir auch Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, oh Gott, allzeit meine Zuversicht, mein Heil und meines Herzens Trost. (Psalm 73.26)«

14.44. Nun erkenne: Die Sünde hat sieben Arten oder Gestaltungen, darunter vier herausragende Quellbrunnen sind, und die achte Gestalt ist das Haus des Todes.

14.45. Die sieben Gestaltungen sind die sieben Quellgeister des Körpers. Wenn diese angezündet werden, dann gebiert ein jeder Geist eine besondere Feindschaft gegen Gott.

14.46. Aus diesen sieben gebären sich nun weitere vier neue Söhnlein, und die sind der neue Gott, der ganz und gar gegen den alten Gott steht, wie zwei angesagte Kriegsheere, die einander ewige Feindschaft geschworen haben.

14.47. Der erste Sohn ist der überhebliche Stolz, der zweite Sohn ist der (egoistische) Geiz, der dritte Sohn ist der (persönliche) Neid, und der vierte Sohn ist der (unzufriedene) Zorn.

14.48. Diese wollen wir nun im Grunde betrachten, wo alles seinen Ursprung nimmt, und wie es eine Feindschaft gegen Gott wurde. Da wirst du sehen, was der Anfang und die Wurzel der Sünde ist, und warum sie in Gott nicht geduldet werden kann.

14.49. Nur herbei, ihr Philosophen und Juristen, die ihr behaupten wollt und euch untersteht, es zu beweisen, daß Gott auch das Böse geschaffen habe und das Böse wolle! Und auch, daß es aus Gottes Vorsatz (durch Vorherbestimmung) geschah, daß der Teufel gefallen sei und daß viele Menschen verloren sind, sonst hätte er alles anders machen können.

14.50. Einladung: Hier lädt euch der Geist unseres Königreichs mitsamt euren Fürsten Luzifer, den ihr verteidigt, zum dritten Mal vor das endgültige Hochgericht. Hier gebt Antwort! Denn mit diesen sieben Arten und vier neuen Söhnen im Haus des himmlischen Vaters soll das Recht vollbracht werden.

14.51. Wenn ihr es rechtfertigen könnt, daß die vier neuen Söhne (von Stolz, Geiz, Neid und Zorn) aus Recht und Billigkeit von den sieben Geistern Luzifers geboren wurden, und daß sie aus Recht und Billigkeit den Himmel und die ganze Gottheit regieren, dann soll König Luzifer wieder auf seinen Thron gesetzt werden, und sein Königreich soll ihm wieder gehören.

14.52. Wenn nicht, dann soll ihm eine Höhle oder Loch zum ewigen Gefängnis eingeräumt werden, und dort soll er mit seinen Söhnen ewig gefangen sein. Und ihr mögt zusehen, daß dieses Recht nicht auch über euch abgehalten (und vollstreckt) wird.

14.53. Und wenn ihr hier das Recht des Teufels führen (und verteidigen) wollt, womit soll er euch belohnen? Er hat in seiner Gewalt nichts als höllische Greuel. Was werdet ihr dann zum Lohn bekommen? Rate, oh Fritz! Nämlich sein Allerbestes, das Obst und den Weihrauch seines Gartens.

Von der ersten Art der Sünde

14.54. Der erste Geist ist die herbe Qualität, die in Gott ein feines (ausgeglichenes) liebliches Zusammenziehen, Vertrocknen und Kühlen ist und zur Bildung gebraucht wird. Und wenn sie auch in ihrer Tiefe etwas scharf ist, so temperiert sie sich doch (ausgleichend) mit dem süßen Wasser, so daß sie ganz sanft, lieblich und freudenreich ist.

14.55. Und wenn das Licht des süßen Wassers in sie kommt, dann gibt sie freundlich und freiwillig ihre Geburt dazu und macht es trocken und hell scheinend. Und wenn der Ton im Licht aufsteigt, dann gibt sie ihren Ton oder Klang fein sanft und brüderlich dazu. So nimmt sie auch die Liebe von allen Geistern an und vergönnt der Hitze, daß sie freundlich kühlen kann, und ist mit allen Qualitäten ein freundlicher Wille. Sie hilft auch gern, den Naturgeist zu bilden, und in diesem allerlei Formen, Bildungen, Früchte und Gewächse nach dem Willen aller sechs Geister.

14.56. Sie ist ein gar demütiger Vater ihrer Kinder, der sie herzlich liebt und freundlich mit ihnen spielt, denn sie ist zurecht der Vater der anderen sechs Geister, die sich in ihr gebären, und sie hilft, sie alle zu gebären.

14.57. Als nun Gott den Luzifer mit seinem Heer erschuf, da erschuf er ihn aus dieser freundlichen Gottheit, nämlich aus sich selbst, aus dem Reich des Himmels und dieser Welt. Es gab keine andere Materie (bzw. Substanz) dazu. Dieser lebendige Salpeter (der „Kristallisation“) war ganz sanft zusammengezogen, ohne Tötung und ohne große Bewegung.

14.58. Es hatten aber die zusammenverkörperten Geister die Erkenntnis, Wissenschaft und das ewige anfangslose Gesetz Gottes, und sie wußten wohl, wie sich die Gottheit gebar. So wußten sie auch, daß das Herz Gottes in der ganzen Gottheit herrschend war. Sie wußten auch wohl, daß sie nichts anderes zum Eigentum hatten, um damit zu tun und zu lassen, als ihren eigenen zusammenverkörperten Leib. Denn sie sahen natürlich, daß sich die Gottheit auch außerhalb ihres Körpers gebar, wie sie es seit Ewigkeit getan hatte.

14.59. So wußten sie auch, daß sie nicht der ganze Raum oder Ort wären, sondern daß sie Kreaturen in diesem Raum oder Ort waren, die hier die Freude und wunderliche Proportion dieses Ortes vermehren sollten, sowie mit diesem Raum oder Ort der Gottheit fein freundlich arbeiten und inqualieren oder sich freundlich mit den Qualitäten außerhalb ihres Körpers infizieren sollten.

14.60. Sie hatten auch alle Macht, mit allen Bildungen, Formen und Gewächsen zu arbeiten, wie sie wollten, und alles war ein herzliches Liebesspiel in Gott. Sie hätten Gott, ihren Schöpfer, mit nichts zum Widerwillen bewegt, auch wenn sie gleich alle himmlischen Bildungen und Gewächse zerbrochen oder sich nur Reitpferde daraus gemacht hätten. Gott hätte ihnen immer genug weitere aufgehen lassen, denn es wäre alles nur ein Spiel in Gott gewesen.

14.61. Denn mit diesem Ziel waren sie auch geschaffen, damit sie mit den Bildungen und Gewächsen spielen und diese nach ihrem Gefallen gebrauchen sollten. Denn die Bildungen haben sich seit Ewigkeit solcherart gebildet und sind durch die Quellgeister wieder vergangen oder verändert worden, denn das ist das ewige Spiel Gottes (auch schon) vor den Zeiten der Erschaffung der Engel gewesen.

14.62. Dessen hast du auch ein gutes Beispiel, wenn du es sehen willst und hier nicht blind bist, an den Tieren, Vögeln und allen Gewächsen dieser Welt. Denn das war alles zuvor geschaffen und aufgegangen, bevor der Mensch geschaffen wurde, welcher das andere Heer bedeutet und ist, nämlich das Heer, das Gott anstelle des Heeres des verstoßenen Luzifers aus dem Reich Luzifers erschuf.

14.63. Nun, was tat aber die herbe Qualität in Luzifer? Als sie Gott so fein sanft zusammenverkörpert hatte, da empfand sie sich mächtig und gewaltig und sah (bzw. meinte), daß sie einen schöneren Körper hatte, als die Bildungen außerhalb von ihr waren. Darum wurde sie hochmütig und erhob sich in ihrem Körper, und wollte strenger sein als der Salpeter außerhalb ihres Körpers.

14.64. Weil sie das aber nicht allein tun konnte, so heuchelte sie mit den anderen Geistern, damit sie ihr als Vater folgten und alle wie sie (übermäßig) wirkten, ein jeder in seiner eigenen Qualität.

14.65. Als sie sich nun so vereinigten, gebaren sie auch einen solchen Geist (des Sinnesbewußtseins), der zum Mund, zu den Augen, zu den Ohren und zur Nase herausfuhr und sich mit dem Salpeter außerhalb des Körpers infizierte.

14.66. Denn das war der Vorsatz der herben Qualität als sie so herrlich wie ein Kern aus dem ganzen Königreich zusammenverkörpert war, daß sie durch ihren Geist, den sie mit den anderen Geistern gebar, auch außerhalb ihres Körpers im ganzen Salpeter Gottes mit der Schärfe gewaltig regieren wollte und alles in ihrer Gewalt stehen sollte.

14.67. Sie wollte durch ihren Geist, den sie selber gebar, alles bilden und formen gleichwie die ganze Gottheit. Sie wollte in der ganzen Gottheit Herrscher sein, und das war ihr Vorsatz.

14.68. Weil sie das aber in ihrem wahren natürlichen Wohnsitz nicht vollbringen konnte, so erhob sie sich und zündete sich an. Mit diesem Anzünden zündete sie auch ihren Geist an, der nun aus Mund, Ohren, Augen und Nase wie ein ganz grimmiger Geist herausfuhr und gegen den Salpeter in seinem Reich wie ein stürmischer Herr ankämpfte, den Salpeter anzündete und mit Gewalt alles zusammenzog.

14.69. Das solltest du richtig verstehen: Der herbe Quell im ausgegangenen Geist zündete die herbe Qualität in seinem Reich an und herrschte mit Gewalt in der herben Qualität im Salpeter. Aber das wollte die herbe Qualität des Salpeters nicht ertragen, sondern kämpfte mit dem süßen Wasser gegen diesen Geist. Doch es half nichts, der Sturm wurde je länger desto größer, bis die herbe Qualität des Salpeters angezündet war.

14.70. Als dies nun geschah, wurde der Sturm so groß, daß die herbe Qualität den Salpeter zusammenzog, so daß harte Steine daraus wurden. Und daraus haben die Steine in dieser Welt ihren Ursprung, und auch das Wasser im Salpeter wurde zusammengezogen, so daß es so dick (bzw. materiell) wurde, wie es jetzt in dieser Welt ist.

14.71. Als sich aber die herbe Qualität in Luzifer anzündete, da wurde sie auch ganz kalt, denn die Kälte ist ihr eigener Geist, und darum zündet sie auch jetzt mit ihrem kalten Feuer im Salpeter alles an. Und davon wurde das Wasser so kalt, finster und dick in dieser Welt, und davon ist alles so hart und begreifbar geworden, was vor den Zeiten der Engel nicht war. Dies war nun ein großer Widerwillen im göttlichen Salpeter, ein großer Kampf und Streit und eine ewige Feindschaft.

14.72. Sprichst du nun: „Gott hätte ihm Widerstand leisten sollen, damit es nicht so weit gekommen wäre.“ Ja, lieber blinder Mensch, es stand nicht ein Mensch oder Tier vor Gott, sondern es war Gott gegen Gott, ein Starker gegen einen Starken. Dazu, wie sollte ihm Gott Widerstand leisten? Die freundliche Liebe wollte nicht gelten, denn Luzifer verachtete sie nur und wollte selber Gott sein.

14.73. Sollte ihm nun Gott mit Zorn begegnen, welches doch schließlich geschehen mußte, so mußte sich Gott selbst in seinen Qualitäten im Salpeter anzünden, darin König Luzifer wohnte, und mußte im starken Eifer gegen ihn kämpfen. Und durch diesen Kampf ist dieses Königreich so finster, wüst und bösartig geworden, so daß danach eine andere Schöpfung folgen mußte.

14.74. Ihr Philosophen und Juristen des Fürsten Luzifer, hier verantwortet (bzw. rechtfertigt) zum Ersten den herben Geist in Luzifer, ob er zurecht gehandelt habe oder nicht, und beweist das in der Natur. Ich will aber nicht eure verzerrten und ausgedehnt verbogenen Schriften zum Beweis haben, sondern lebendige Zeugen.

14.75. Ich stelle euch ja auch lebendige Zeugen vor, nämlich den erschaffenen und begreifbaren Himmel, die Sterne, Elemente, Kreaturen, Erde, Steine, Menschen und schließlich euren finsteren, kalten, hitzigen, harten, rauhen und bösen Fürsten Luzifer selber. Denn dies alles ist durch seine Überheblichkeit so geworden.

14.76. Hier bringt eure Verantwortung (bzw. Rechtfertigung) über diesen Geist ein. Wenn nicht, dann soll er verurteilt werden. Denn das ist das Recht Gottes, das keinen Anfang hat, daß sich das Kind, das von der Mutter geboren wurde, vor der Mutter demütigen und ihr gehorsam sein soll, denn es empfängt sein Leben und seinen Leib von der Mutter, die es geboren hat.

14.77. So ist auch das Haus der Mutter, solange die Mutter lebt, nicht des Kindes Eigentum, sondern sie behält es aus Liebe bei sich und nährt es und hängt ihm den schönsten Schmuck an, den sie hat, und schenkt ihm diesen, auf daß ihre Freude am Kind vermehrt wird und sie mit ihm Freude haben kann.

14.78. Wenn sich aber das Kind gegen die Mutter auflehnt und der Mutter alles nimmt, über sie herrscht und sie sogar noch schlägt oder gegen Recht und Billigkeit in andere Sitten zwingt, dann geschieht es ja zurecht, daß das Kind aus dem Haus gestoßen wird, hinter den Zäunen liegen muß und sein kindliches Erbteil verloren hat.

14.79. So geschah es auch mit Gott und seinem Kind Luzifer. Der Vater hatte ihm den allerschönsten Schmuck angelegt, in der Hoffnung, Freude mit ihm zu haben. Als aber das Kind den Schmuck bekam, verachtete es den Vater und wollte über den Vater herrschen und dem Vater sein Haus zerstören, und dazu schlug es sogar den Vater und wollte sich nicht weisen und lehren lassen.

Von der zweiten Art oder dem Geist des Anfangs der Sünde in Luzifer

14.80. Der zweite Geist ist das Wasser. Nun, gleichwie die herbe Qualität der Vater der anderen sechs Geister ist, der sie zusammenzieht und -hält, so ist das süße Wasser die Mutter, in der alle Geister empfangen, behalten und geboren werden, und sie sänftigt und tränkt sie, darin und davon sie ihr Leben bekommen. Und so geht auch das Licht des Freudenreichs darin auf.

14.81. So hat auch König Luzifer das süße Wasser in solchem Maße unter seine körperliche Herrschaft bekommen, und zwar den Kern und das Allerbeste, denn Gott hing seinem Söhnlein den allerschönsten Schmuck an, in der Hoffnung, viel Freude mit ihm zu haben.

14.82. Doch was tat nun die herbe Qualität mit seiner Mutter, dem süßen Wasser? Sie heuchelte mit der bitteren und mit der Hitze, damit sie sich erheben und anzünden sollten. Denn sie wollten die Mutter ermorden und in eine saure Gestalt formieren. Dadurch wollten sie mit ihrem Geist ganz scharf über die ganze Gottheit regieren. Es sollte sich alles vor ihnen bücken und neigen, und sie wollten alles mit ihrer Schärfe formen und bilden.

14.83. Nach diesem falschen (bzw. illusorischen) Beschluß wirkten sie entsprechend und vertrockneten das süße Wasser im Körper Luzifers. Denn die Hitze zündete es an, und die Herbe trocknete es, und da wurde es ganz sauer und scharf.

14.84. Als sie nun in solcher Qualifizierung den Geist Luzifers geboren hatten, war das Leben des Geistes, das im Wasser aufgeht, sowie auch das Licht ganz sauer und scharf.

14.85. Nun stürmte dieser saure Geist auch aus allen seinen Kräften gegen das süße Wasser außerhalb des Körpers in den Salpeter Gottes, denn er dachte, er müßte Herrscher sein und in eigener Gewalt alles formen und bilden.

14.86. Und das war die zweite Feindschaft gegen Gott, dadurch die saure Qualität in dieser Welt entstand. Sie war nicht ewig gewesen, wie du dafür auch ein gutes Beispiel hast: Wenn du etwas Süßes in die Wärme setzt und es stehenläßt, dann wird es von selber sauer, welches auch Wasser, Bier oder Wein im Faß tut. Von den anderen Qualitäten verändert sich aber keine, als nur der Gestank, den die Qualität des Wassers bewirkt.

14.87. Nun fragst du vielleicht: „Warum hat Gott den bösen Geist Luzifers, der aus dem Körper Luzifers gekommen war, in sich gelassen? Er hätte sich doch dagegen wehren können.“ Dies ist der Kern: Du sollst wissen, daß zwischen Gott und Luzifer kein anderer Unterschied war, als wie zwischen den Eltern und ihren Kindern, und noch viel näher (bzw. weniger). Denn wie die Eltern ein Kind aus ihrem Leib nach ihrem Bild gebären und es in ihrem Haus als ein natürliches Leib-Erbe behalten und pflegen, so nahe war auch der Körper Luzifers der Gottheit. Denn Gott hat ihn aus seinem Leib geboren. Darum hat er ihn auch zum Erben seiner Güter gemacht und ihm das ganze Reich, in das er ihn erschuf, zum Besitz eingeräumt.

Die höchste Tiefe

14.88. Hier sollst du auch erkennen, womit Luzifer gegen Gott gekämpft und ihn erzürnt hat. Denn mit seinem Körper hätte er es nicht tun können, denn sein Körper greift nicht weiter als über den Ort, wo er nun einmal steht, und damit hätte er nicht viel tun können, sondern es ist ein Anderes.

14.89. Hier merke auf: Der Geist, der im Zentrum des Herzens von allen sieben Quellgeistern geboren wird, der ist auch, solange er nach der Geburt noch im Leib ist, mit Gott inqualierend (und wechselwirkend) wie ein (ganzheitliches) Wesen, und da ist auch kein Unterschied.

14.90. Wenn dieser Geist (des Bewußtseins), der im Körper geboren wird, durch die Augen etwas ansieht, durch die Ohren etwas hört oder durch die Nase etwas riecht, dann ist er schon in diesem Ding und arbeitet darin wie in seinem Eigentum. Und wenn es ihm gefällt, dann ißt er davon und infiziert sich mit dem Ding, ringt mit ihm und versucht, einen Ausgleich zu schaffen, auch wenn das Ding irgendwo weit entfernt ist. Denn soweit wie sein ursprüngliches oder anfängliches Königreich in Gott reicht, soweit kann der Geist augenblicklich regieren und wird von nichts abgehalten.

14.91. Denn er ist und begreift die Gewalt wie Gott der Heilige Geist, und so ist diesbezüglich zwischen dem Heiligen Geist Gottes und dem Geist des Körpers gar kein Unterschied als nur dieser, daß der Heilige Geist Gottes die ganze Fülle ist und der Geist des Körpers nur ein Stück, das durch die ganze Fülle dringt, und wo er hinkommt, dort infiziert er sich mit dem jeweiligen Ort und herrscht in diesem Raum gleichsam mit Gott.

14.92. Denn er ist aus Gott und in Gott und kann nicht abgehalten werden als nur durch die sieben Naturgeister des Körpers, welche den seelischen Geist gebären, denn diese haben die Zügel in der Hand und können ihn gebären, wie sie wollen.

14.93. Wenn die herbe Qualität wie ein Vater das Wort, den Sohn oder den Geist formt, dann steht er im Zentrum des Herzens gefangen, und wird von den anderen Geistern beurteilt, ob er gut ist. Wenn er nun dem Feuer gefällt, dann läßt das Feuer den Blitz, darin der bittere Geist steht, durch das süße Wasser gehen, und hier empfängt es die Liebe und fährt mit ihm in die herbe Qualität.

14.94. Wenn dann der Blitz mit der Liebe und dem jetzt neugeborenen Geist oder Willen wieder in die herbe Qualität kommt, dann freut sich die herbe Qualität über den jungen neuen Sohn und erhebt sich. Da erfaßt ihn der Ton (des Mercurius oder der bewußten Reflexion) und fährt mit ihm zum Mund, zu den Augen, zu den Ohren oder zur Nase heraus und richtet das aus, was im Rat der sieben Geister beschlossen wurde. Denn wie der Beschluß des Rates ist, so ist auch der Geist, und der Rat kann ihn ändern wie er will.

14.95. Darum steckt die ursprüngliche Lust im Kreis des Herzens im Rat der sieben Geister. Wie diese den Geist gebären, so ist (und wirkt) er auch.

14.96. Auf eine solche Weise hat nun Herr Luzifer die Gottheit in Zorn gebracht, weil er mit allen seinen Engeln als ein boshafter Teufel gegen die Gottheit stritt, mit dem Willen, das ganze Reich unter seine eingeborenen Geister zu bringen, damit diese alles formen und bilden sollten. Und das ganze Reich sollte sich beugen und von der angezündeten Schärfe der eingeborenen Geister regieren und bilden lassen.

14.97. Und wie dies eine Substanz in den Engeln hat, so hat es auch eine Substanz im Menschen. Darum besinnt euch, ihr überheblich stolzen, geizigen, neidigen, zornigen, lästernden, hurenhaften, diebischen und gewinnsüchtigen Menschen, was ihr für ein Söhnlein oder Geist in Gott schickt.

14.98. Darauf sprichst du vielleicht: „Wir schicken ihn nicht in Gott, sondern in unseren Nächsten oder in seine Arbeit, was uns lieb ist.“ Nun, so zeige mir einen Ort, wo du deinen lüsternen Geist hinschickst, sei es Mensch, Vieh, Kleider, Acker, Geld oder was sonst genannt werden kann, wo Gott nicht ist. Aus ihm ist alles und er ist in allem, und er ist selbst alles und hält und trägt alles.

14.99. Darauf sprichst du: „Er ist aber in vielen Dingen mit seinem Zorn, weil es so hart und böse ist und der Gottheit nicht ähnlich.“ Ja, lieber Mensch, das ist alles wahr. In Silber, Gold, Edelsteinen, Acker, Kleidern, Tieren und Menschen, was begreifbar ist, ist natürlich überall der Zorn Gottes, sonst wäre es nicht so hart begreifbar.

14.100. Du sollst aber wissen, daß in allem auch der Kern der Liebe im verborgenen Zentrum steckt, auch wenn es ganz bösartig erscheint, und das gefällt dem Menschen auch nicht. Oder meinst du, daß du recht tust, wenn du dich in Gottes Zorn badest? Siehe zu, daß es dir nicht Leib und Seele anzündet und du ewig darin brennst wie Luzifer!

14.101. Wenn aber Gott das Verborgene am Ende dieser Zeit hervorbringt, dann wirst du wohl sehen, wo Gottes Liebe oder Zorn gewesen ist. Darum schau zu und hüte dich und wende deine Augen vom Bösen oder du verdirbst dich.

14.102. Ich nehme Himmel und Erde zum Zeugen, daß ich hier berichtet habe, wie es mir Gott offenbart hat, und daß es sein Wille ist.

14.103. Auf diese Weise hat König Luzifer in seinem Körper das süße Wasser in eine saure Schärfe verwandelt, um damit in der ganzen Gottheit mit seinem Übermut zu regieren. Er hat es auch so weit gebracht, daß er in dieser Welt mit dieser Schärfe allen Kreaturen ins Herz greift, sowohl im Laub und Gras und in Allem, wie ein König und Fürst dieser Welt.

14.104. Wenn nun die göttliche Liebe nicht noch in der ganzen Natur dieser Welt wäre und wir armen Menschen und Kreaturen nicht den Helden im Kampf bei uns hätten, dann müßten wir augenblicklich alle im höllischen Greuel verderben.

14.105. Darum singen wir wohl zurecht: „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. Wohin sollen wir denn fliehen, daß wir Gnade erlangen? Zu dir, Herr Christus, allein.“

14.106. Das ist nun der Held im Streit, zu dem wir fliehen müssen, der unser König Jesus Christus ist. Der hat die Liebe des Vaters in sich und kämpft in göttlicher Macht und Gewalt gegen den angezündeten höllischen Greuel.

14.107. Zu ihm müssen wir fliehen, denn er erhält die Liebe Gottes in dieser Welt in allem, sonst wäre es verloren:

Nur hoffe, warte und sei bereit,
Es ist noch eine kleine Zeit,
Bis des Teufels Reich darnieder geit.

14.108. Ihr Philosophen und Juristen, die ihr aus Gott einen Teufel macht und sagt, er wolle das Böse! Hier bringt abermals eure Antwort vor, ob ihr es im Recht erhalten könnt? Wenn nicht, dann soll auch der saure Geist in Luzifer als ein Verderber seines himmlischen Heeres und Feind Gottes verurteilt werden.


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